Steiermarkmagazin KLIPP November/Dezember 2017

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CHRONIK „Mehr um die Sorgen der Menschen kümmern“

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K-Präsident Josef Pesserl ist seit dem Jahre 2013 an der Spitze der Arbeiterkammer Steiermark. Gleichzeitig ist er auch SPÖ-Gewerkschafter und als solcher äußert er sich. Seine Fraktion verfügt in der Kammer über eine klare Mehrheit.

AK-Steiermark-Präsident Josef Pesserl zur Situation der SPÖ situation in Frankreich, Italien oder Spanien noch schlechter ist. Davon haben die 350.000 Arbeitssuchenden nichts. Da kommt es zum Unmut und auch zur Wut. Abgesehen davon steigt die Angst der Beschäftigten, dass auch sie ihren Job verlieren könnten.

Es wird eine ÖVP-FPÖ-Koalition im Bund geben, mit Kurz als Kanzler und Strache als Vizekanzler. Was soll die SPÖ nach ihrer Niederlage tun? Pesserl (lacht auf): Besser werden. Und wie könnte das gelingen? Pesserl: Indem sie das Ohr näher an der Bevölkerung hat, sich stärker mit der Lebenswelt der Menschen beschäftigt. Trotzdem die Arbeitslosigkeit sinkt, haben wir noch immer 350.000 Menschen, die keine Beschäftigung haben. Und wir haben hunderttausende prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Warum schaffte es die SPÖ nicht, die Situation und die Stimmung für sich zu „nützen“? Pesserl: Manchmal konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Sorge darum, dass man aus der Regierung fliegt, größer ist als die Sorge, wie es den Menschen geht. Regieren heißt aber auch gestalten. Und ohne Macht kann man auch nichts verändern. Pesserl: Das stimmt ja auch. Aber wenn man den Eindruck vermittelt, „gebt uns eure Stimmen, denn wenn wir nicht mehr dabei sind, können wir

„Die SPÖ muss besser werden.“

nichts mehr für euch tun“, dann ist das eine Seite. Wenn aber die Menschen, die Wähler, das Gefühl haben, es wird nicht das gemacht, was für sie notwendig wäre, wenn sie mit dieser Aufforderung nichts mehr anfangen können, dann wenden sie sich ab. Nur wenn man als politische Partei den Eindruck vermitteln kann, dass man Veränderungen für die Bevölkerung herbeiführt und weiß, wo sie der Schuh drückt, dann werden sie die SPÖ auch wählen. Das war diesmal nicht ausreichend der Fall. Warum? Pesserl: Die Tagespolitik deckte Probleme zu, man wollte den Regierungspartner nicht vergraulen und das nimmt viel zu viel Energie in Anspruch. Es hilft auch nicht zu argumentieren, dass die Arbeitsmarkt-

Was wird die Arbeiterkammer tun, wenn es die türkis-blaue Koalition gibt? Pesserl: Wir haben das größte Interesse, mit jeder Regierung – egal welcher Zusammensetzung – zusammen zu arbeiten. Ich gehe davon aus, dass das auch die Regierung mit uns will. Ein sicherer Arbeitsplatz ist das Wichtigste. Was kommt als Zweites? Pesserl: Ganz vorne steht das leistbare Wohnen. Die Kostenexplosion ist dort zum Teil eine mittlere Katastrophe. Die Politik muss dafür Lösungsvorschläge erarbeiten. Und wir brauchen Vollbeschäftigung in dem Sinn, dass die Menschen mit dem Einkommen, das sie beziehen, auch leben können. Dazu gehören auch eine gescheite Gesundheitsversorgung, eine Altersabsicherung. Wenn das nicht gelingt, verlieren die Menschen den

Glauben an die Politik, wenden sich ab und werden radikal und wütend. In einer globalisierten Welt kann Österreich eben nicht mehr Österreich sein. Das ist ein Faktum. Pesserl: Ja, die Dimensionen haben sich geändert. Aber für eine politische Interessensgemeinschaft ist das Wichtigste, dass sie den Menschen spürbar vermittelt, was sie für sie erreichen möchte. Großteils ging es jetzt aber nur darum, welche Koalition es geben wird und nicht um die Inhalte. Nehmen wir das Thema Zuwanderung: Jeder in der Politik, der sich informieren will und wollte, dem war klar, was sich in den Ländern abspielt. Die einen sagten sich „es wird schon wieder“ und die anderen sagen eben „machen wir die Grenzen dicht“. Doch Lösung ist das keine. Die Ursachen liegen in Versäumnissen der Industriestaaten – also der „ersten Welt“. Die SPÖ muss aus meiner Sicht eben die Dinge analysieren, Ursachenerforschung betreiben, Konzepte entwickeln, die sie den Bürgern dann ungeschminkt zur Kenntnis bringt. Das gilt sowohl für die Politik im Bund, wie auch im Land. Wir müssen klar heraus arbeiten, was die Standpunkte der SPÖ sind und wo man sich von anderen unterscheidet. Das hat nichts mit Streit zu tun, sondern damit, dass sich der Bürger ein klares Bild machen kann, wer aus seiner Sicht über die besseren Lösungsvorschläge verfügt.

Hochtechnologie ist die treibende Kraft in der Steiermark „Wer in Hochtechnologie investiert, sichert auch Beschäftigung in der Steiermark“ so IV-Stmk. Präsident Georg Knill. Eine von der IV-Steiermark beauftragte Studie des Joanneum Research für Industrieinvestitionen 2017 bestätigt den Aufwärtstrend bereits im zweiten Jahr in Folge. Bis zum Jahresende wird die steirische Industrie Bruttoanlageninvestitionen in der Höhe von 3,2 Milliarden Euro getätigt haben. Ein Zuwachs von 12,7 Prozent im Vergleich zu 2016. „Bei den Bruttoanlageninvestitionen

ist hauptsächlich in Patente, Konzessionen, Forschung und Entwicklung investiert worden“, zeigt Eric Kirschner, Studienautor des Joanneum Research, auf. Durch Investitionen der Industrie werden in der Steiermark 12.700 Arbeitsplätze ausgelastet bzw. neu geschaffen. Die Beschäftigung im produzierenden Hochtechnologiebereich (plus 4,4 Prozent per anno) und in den wissensintensiven Hochtechnologiedienstleistungen (plus 6,4 Prozent per anno) ist am stärksten gewachsen. Dem Mangel

Studienautor Eric Kirschner, IV-Präsident Georg Knill und IV-GF Gernot Pagger

an qualifizierten Arbeitskräften und dem dadurch bedingten Engpass an Arbeitskräften muss entgegengewirkt werden. „Wir alle, arbeitsmarktund bildungspolitische Akteure, Unternehmen und schließlich jeder Arbeitnehmer selbst, sind gefordert, in Qualifikation zu investieren. Gleich-

zeitig gilt es, Negativanreize in der Beschäftigungsaufnahme zu beseitigen und die Leistungsorientierung in unserer Gesellschaft wieder zu stärken. Mehr als 2000 qualifizierte Fachkräfte werden derzeit gesucht“, so Knill abschließend.

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