Guckloch 02/2017 (Teil 1) - Geschlechtergerecht?!

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Titelthema

GENDER-MARKETING:

von zarten prinzessinnen in verträumten märchenschlössern und starken piraten auf gefährlicher seefahrt Gender-Marketing, also die Vermarktung von Produkten

„Stellen Sie sich das mal vor: Sie stehen vor einem Regal und

nach Geschlechterstereotypen, ist kein neues Phänomen.

haben die Auswahl zwischen verschiedenen Tütensuppen,

Zunehmend treiben es Marketingabteilungen von Unter-

nämlich Brokkolisuppe für Menschen mit Englischkenntnissen

nehmen dabei aber auf die Spitze. Grund genug, eine Aus-

und Erbsensuppe für Menschen ohne Englischkenntnisse. Was

zeichnung für die absurdesten Einfälle ins Leben zu rufen.

tun Sie? Sie überlegen unwillkürlich, ob Sie eigentlich Eng-

Das haben Anke Domscheid-Berg, Almut Schnerring und

lisch können. Anstatt, wie es vernünftig wäre, darüber nach-

Sascha Verlan nun getan: Der „Goldene Zaunpfahl“ wurde

zudenken, ob Sie lieber Brokkoli oder lieber Erbsen mögen.

2017 erstmals verliehen.

Und genauso geht es einem Kind, das zwischen einem blauen Handwerkskasten für Jungen und einer rosa Puppenküche für

Mit diesem Negativpreis sollen die unter Genderaspekten ge-

Mädchen wählen soll: Es denkt nicht darüber nach, ob es lie-

sehen absurdesten Produkte bzw. Produktwerbungen ausge-

ber mit einem Handwerkskasten oder mit einer Puppenküche

zeichnet werden. Die Sieger waren in diesem Jahr zwei Bücher

spielen möchte. Sondern darüber, ob es ein Junge oder ein

des Klett-Verlages: „Geschichten für Jungs zum Lesenlernen“

Mädchen ist“.

(natürlich mit blauer Schrift) und „Geschichten für Mädchen zum Lesenlernen“ (welche Schriftfarbe hier gewählt wurde,

Damit trifft sie genau den Kern des Problems, den „Gender-

muss wohl nicht mehr erwähnt werden). Die Buchcover kom-

Marketing“ mit sich bringt: Die Frage danach, was der eigent-

men auch über die Schriftfarbe hinaus mit allerlei Klischees

liche Wunsch oder Wille ist, wird nebensächlich. Stattdessen

und Stereotypen daher. Bei den Geschichten für Jungs finden

wird die Kaufentscheidung von einer Geschlechterzugehörig-

sich auf den Buchcover starke und mutige Piraten, ein mäch-

keit abhängig gemacht.

tiger uniformierter Polizist mit Handschellen und ein großer Wachhund. Das Buchcover mit den Mädchengeschichten hingegen ziert eine zarte Prinzessin mit Krönchen, ein niedliches Pferd, eine Kuschelkatze und – das übertrifft die anderen Elemente noch einmal um Welten – ein pinkfarbener Küchenmixer. Damit wäre dann auch klargemacht, wohin die Mädchen später gehören: Selbstverständlich an den Herd!? So lustig, wie sich das nun für manche vielleicht anhören mag, ist das aber nicht. Man kann es natürlich übertreiben mit dem Anprangern eines vergessenen Gendersternchens und sicherlich ist nicht jede Kritik immer berechtigt. Aber wenn die Werbung mit vorgefertigten Rollenbildern Kinder schon in jungen Jahren beeinflusst, dann gilt es vielleicht doch einmal einen Gedanken an die Wirkung dieser Stigmatisierung zu verschenken. Das hat auch Antje Schrupp getan. Sie beschreibt in einem ZEIT-Artikel („Gegen den Geschlechterblödsinn“), die Wirkung von Gender-Marketing wie folgt:

Bilderrätsel: Wieviele Klischees findest Du auf diesen beiden Buchcovern?

4

Marcel Schlüter


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