14 Zu Gast
2. Juni 2016
KirchenZeitung Diözese Linz
Eine Gruppe junger Studierender erhielt für ihr Engagement den Solidaritätspreis der KirchenZeitung
„In jedem Park sind Männer mit dem Deutschbuch gesessen“ Vor einem Jahr wurden in der Nähe der Pädagogischen Hochschule in Linz Zelte für Flüchtlinge errichtet. Wie können wir sie unterstützen?, fragten sich ein paar junge Studierende. Sie taten das, was sie gut können – und wurden dafür ausgezeichnet.
Das Team der Studierendenvertretung: (v.l.n.r.) Konstantin Zenleser, Valerie Sulzer, Armin Fellner, Katharina Harrer, Eva Forster und Daniel Dautovic. KIZ/CG
CHRISTINE GRÜLL
Als die Zelte aufgestellt wurden, ging die Nachricht durch alle Medien. 50 Flüchtlinge wurden im Mai 2015 auf dem Sportplatz der Bundespolizeidirektion in Linz untergebracht. Die Kronenzeitung berichtete negativ. Das hat Daniel Dautovic verärgert – und gleichzeitig angespornt, etwas zu tun. „Wir haben uns überlegt, was sinnvoll für die Menschen wäre“, sagt der Studierendenvertreter an der Pädagogischen Hochschule Linz. Sie liegt dem Sportplatz gegenüber. Da war der Alltag der Menschen gut einzusehen, und auch die Untätigkeit, zu der sie gezwungen waren. Gemeinsam mit anderen von der Studierendenvertretung entstand die Idee, an die Flüchtlinge Unterlagen zu verteilen, damit sie die Tage mit Deutschlernen verbringen könnten. Allein, es gab keine geeigneten. Also machten sich die angehenden Lehrerinnen und Lehrer daran, selbst ein Skript zu erstellen. Selbstgemachtes Deutschbuch. Wie lautet das deutsche Alphabet, wie begrüße ich jemanden, was sage ich beim Einkaufen oder beim Arzt, all das ist im Skript „Deutsch lernen“ nachzulesen. Auf den Fotos sind Obst und Kleidungsstücke, die Wahrzeichen der Landeshauptstädte und nachgestellte Gesprächssituationen zu sehen, selbst geknipst. Die Lernunterlagen ließ die Gruppe auf Englisch, Russisch, Farsi und Arabisch übersetzen. Geld gab es dafür keines. Der Zufall half mit. Bei einem Konzert in Istanbul lernte Daniel Dautovic einen syrischen Musiker kennen, der in Linz wohnt. Er übersetzte die Texte ohne Honorar ins Arabische. Schließlich konnte das Skript verteilt werden. „Es war uns wichtig, dass es gratis ist“, sagt Katharina Harrer, die Vorsitzende der Studierendenvertretung: „Wir haben 300 Stück produziert. In jedem Park sind Männer damit gesessen.“ Deutschkurs mit Kinderbetreuung. Bei den Unterlagen ist es nicht geblieben. Die Gruppe begann, Deutschkurse abzuhalten. Der Rektor der Pädagogischen Hochschu-
le stellte Hörsäle zur Verfügung, und so ging jeden Tag jemand zum Sportplatz, um Lernwillige abzuholen. Manchmal waren es 40, manchmal 200. Sogar aus Wilhering kamen Leute zu Fuß, in der Sommerhitze und – weil Ramadan war – ohne zu trinken. „Zuerst war ich unsicher, allein vor so vielen Männern zu unterrichten“, erzählt Valerie Sulzer, ebenfalls Mitglied des Teams, „aber das war dann kein Thema mehr.“ Damit auch Frauen mit Familie am Unterricht teilnehmen konnten, wurden die Kinder im Raum der Studierendenvertretung beaufsichtigt. Noch heute sind die Kastentüren mit bunten Zeichnungen beklebt, und es werden immer mehr. Ausgezeichnete Solidarität. Mittlerweile finden die Deutschkurse zwei Mal pro Woche statt, ein Sprachcafé jeden Dienstag. Freundschaften sind entstanden und manchmal geht sich ein Ausflug mit den Kindern aus. Das Engagement der jungen Menschen hat die erste Euphorie überdauert und hält immer noch an. Es wurde mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt mit dem Solidaritätspreis der KirchenZeitung.
ZUR SACHE Sprachcafés Beim Sprachcafé treffen sich Deutschlernende mit Einheimischen, um die Sprache zu üben – unter anderem an diesen Orten: Pädagog. Hochschule Linz, Di. 17.30 bis 19.30 Uhr, Arcobaleno Linz, Friedhofstraße 6, Mi. ab 16 Uhr, Michaelszentrum Leonding, Di. 15 bis 16.30 Uhr, Pfarrheim Steyregg, Mi. 17 bis 19 Uhr, Verein „Gib Menschen eine Chance“ Eferding, Stadtplatz 36, www.lebens-chancen.eu, Familien- und Sozialzentrum Andorf, für Frauen, ab 14. Juni, 9.30 Uhr, jeden zweiten Donnerstag.
Was heißt Bett auf Arabisch? Ausschnitt aus dem Skript „Deutsch lernen“. ÖH PH OÖ