KiZ-ePaper 17/2014

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Vom Geheimnis ergriffen Sie lebte im tiefen Mittelalter des 14. Jahrhunderts: Katharina von Siena. Die Katholische Frauenbewegung (kfb) macht sie nun zu ihrer Patronin und Weggefährtin. Der 29. April wird künftig zum Katharinentag der kfb. Warum, erzählt die Vorsitzende Barbara Haas. INTERVIEW: MATTHÄUS FELLINGER.

Wozu braucht die kfb eine Patronin?

Barbara Haas: Sie ist für uns Patronin und Weggefährtin. In einem Prozess haben wir uns mit dem Thema „Heute Christin sein“ beschäftigt und es ist die Frage aufgetaucht: Warum gibt es bei uns nicht so etwas wie einen Tag für die Frauen in der Kirche? In Deutschland haben Frauen den KatharinenTag schon länger hochgehalten, bei uns in Österreich waren es feministische Theologinnen in Salzburg, die Katharina schon 2012 als Patronin gewählt haben. Warum gerade Katharina – eine Mystikerin aus dem 14. Jahrhundert?

Geschäft. Wir haben auf die Mühen und die Beschwerden der Menschen zu hören, sagt Katharina. Da ist nichts alt oder überholt; das ist es auch, worauf uns Papst Franziskus fast täglich aufmerksam macht. Und was uns noch beeindruckt: ihre tätige Nächstenliebe. Pest war die häufigste Krankheit damals – und sie hat die Kranken gepflegt. Eine Herausforderung ist sie – für uns Frauen und für Männer. Trotzdem: Wer versteht heute, wenn ein Mädchen mit sechs Jahren Visionen hat und mit sieben Jungfräulichkeit gelobt – und später die Wundmale Christi trägt?

Haas: Je mehr man sich mit ihr beschäftigt, umso interessanter und tiefer wird sie. Sie lebte in einer Zeit, in der die Frau keine eigene Rolle spielte. Sie kommt auf die Welt, wird verheiratet, bekommt Kinder und stirbt. Sie kommt, sie vergeht. Und: Sie wurde in eine zerrissene Zeit hineingeboren. Kirche verstand sich praktisch als staatliche Macht. Dass da eine Frau so deutlich und mutig Stellung bezog, das imponiert uns unheimlich.

Haas: Entgegen der allgemeinen Meinung damals, als man glaubte, alles im Leben sei vorherbestimmt, war Katharina von der Freiheit des einzelnen Menschen überzeugt. Ich kann mich jederzeit für oder gegen Gut oder Böse entscheiden. Ich selbst bin herausgefordert zur Entscheidung. Das ist etwas sehr Aktuelles.

Aber angenommen, Sie wären Büroangestellte – oder sitzen an der Supermarktkasse. Was kann diesen Frauen Katharina schon sagen?

Haas: Wir müssen Katharina in ihrer Zeit sehen. Als Kind schon ist sie mit ihrer Vision von der Weihe für Christus und in der mystischen Vermählung mit ihm vom vorgesehenen Weg zu heiraten und Kinder zu bekommen abgegangen. Und dann die Stigmatisierung mit den Wundmalen, die sie aber verborgen hielt. Faszinierend daran ist, dass sie damit so etwas wie ein alternatives Leben für Frauen gezeigt hat. Das tat sie außerhalb

Haas: Eigentlich bin ich eine solche Frau. Ich unterrichte in einer Berufsschule für Handel und Büro. Meine Schülerinnen erzählen mir, dass sie dort, wo sie arbeiten, auch als Menschen gefragt sind. Gerade in den GroßSupermarkt kommen viele Leute, die keine sozialen Kontakte haben. Diese suchen sie im

Viele tun sich heute schon schwer mit einfachen religiösen Begriffen. Ist da Katharina nicht doch zu fremd und zu schwierig zu verstehen?

einer klösterlichen Gemeinschaft. Sie lebte eine extreme Vertiefung im Glauben – außerhalb des Klosters, verknüpft mit dem alltäglichen Leben. Das war ein ungewöhnlicher Weg. Will die kfb mit Katharina spiritueller werden?

Haas: Die kfb war immer spirituell. Es ist unser Auftrag, das für jede Generation wachzuhalten. Wir sollen das heute als Frauen in der Kirche im Jahr 2014 tun. Da gäbe es auch andere Heilige. Hildegard von Bingen zum Beispiel wäre sehr „in“. Warum nicht mit ihr?

Haas: Beide verbindet, dass sie Kirchenlehrerinnen sind. Was können diese Frauen in die Kirche heute einbringen? Papst Franziskus regt immer wieder an, Frauen stärker in die Leitungsämter der Kirche einzubringen. Da hilft uns Katharina von Siena sehr. Die hl. Hildegard wird heute von vielen Menschen – was ihr gar nicht gerecht wird – zu sehr als die Gesundheits-Frau wahrgenommen. Dazu kommt: Katharina von Siena wird sowohl von der römisch-katholischen als auch von der evangelischen wie von der anglikanischen Kirche als Lichtgestalt gesehen. Ihr Gedenktag wird von allen feierlich begangen. Wollen Sie damit die Überbewertung der Schönheitsideale in Bezug auf Frauen und auch die Fitness-Mentalität unserer Zeit zurechtrücken?

Haas: Ja. Wir müssen uns fragen: Jung, trendig, sportlich und schön. Trägt das wirklich? Ist es das, was uns weiterbringt? Menschen


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