Lebendig und kräftig und schärfer

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KVI IM DIALOG Evangelischer Kirchentag 2007 in Köln

Ein Schlaglicht vom 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Köln

Lebendig und kräftig und schärfer „Lebendig und kräftig und schärfer“, mit diesem Motto aus Hebr. 4,12 fand vom 6. Bis zum 10. Juni 2007 in Köln der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag statt. Während vor und hinter der „neuen Innerdeutschen Grenze“ um Heiligendamm die Gemüter kochten, haben über 100.000 Kirchentagsbesucher die katholische Hochburg Köln „erobert“ und im Schatten des berühmten Doms ein buntes und vielfältiges Programm erlebt: Vom Podium über die „Bibel in gerechter Sprache“ bis zum wise guys Konzert, vom stillen Gebet in der Oase bis zum peppigen Lobpreisabend auf der EC-Bühne. Und es waren auch fast alle Prägungen vertreten: Von der Arbeitsgruppe „Homosexuelle und Kirche“ im „Markt der Möglichkeiten“ bis zum evangelikalem Forum über die Kreationismusdebatte, von stets fröhlichen Desmond Tutu auf Kundgebung der Globalisierungskritiker bis zur G8-GipfelpräsidentinAngela Merkel. „Lebendig und kräftig und schärfer“ im Zeiten vom Profilschärfung und Milieuorientierung (EKD-weiter Diskurs um das Impulspapier „Kirche der Freiheit“) vermochte der eine oder die andere Kirchentagsbesucherin zweifelsohne angesagte Profildiskussion antreffen und vor allem mitreden. Mitreden und Mitdiskutieren konnten auch die Besucher, die den Weg in die Industrie- und Handelskammer zur „Werkstatt Gemeinde“ gefunden hatten. Zusammen mit den Gemeindeberatern und der Arbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste innerhalb des Diakonisches Werkes der EKD (AMD) hat das „Netzwerk Kirchenreform das Werkstattprogramm mit Podiumsdiskussionen, Workshops und Infoständen gestaltet. Auch ging es um die Zukunft der Kirche.

Nachtimpressionen vom diesjährigen evang. Kirchentag Vormittags haben sich OKR Thies Gundlach (Geschäftsführer bei der Erstellung des EKD-Impulspapiers) und Pfarrer Klaus Douglass (96 Thesen für „Die neue Reformation“) einen kleinen „Schlagabtausch“ zum Thema „Motivation und Widerstand“ bei Kirchenreformen geleistet. Und nachmittags war der Saal voll gefüllt, als Prof. Nethöfel vom IWS Marburg die Diskussion „Zukunft ohne Pastor“ moderierte: Ulrich Fischer (Bischof aus Baden) und Marlehn Thieme (Rat der EKD und Strategin im EKD-Reformprozess) diskutierten mit Carsten Schwarz (Citykirchenprojekte) und Piet de Jong (Holland hat sich von der Volkskirche verabschiedet) darüber, welche Rolle oder Zukunft das Pfarramt in der Kirchen haben sollte. Ansonsten war es um die aktuelle Reformdiskussion innerhalb der EKD, was z.B. die Modernisierung der Verwaltungen anbetrifft, auf dem Kirchentag sehr ruhig bestellt. Vielleicht stecken aber die Debatten aber auch noch zu sehr in den Kinderschuhen, nachdem es nach dem ersten Presserummel um das EKD-Impulspapier und dem start der Reformdekade auf dem dies-

Abb.: Kirchentag

jährigen EKD-Zukunftskongress im Januar (Wittenberg) erst mal wieder ruhiger geworden ist. Und vielleicht wird der über Akademieund Netzwerktagungen bis hin zu synodalen Debatten nun langsam vorangetriebene Reformprozess auch erst beim nächsten Großtreffen 2009 in der Bremer Hansestadt von der Kirchentagsbewegung stärker aufgegriffen. Auffällig war jedoch, dass auch die „kleineren“ Reformprozesse um kirchliche Verwaltungen oder Finanzstrukturen den Kirchentag nicht tangierten, obwohl sie selbst in kleinen Gliedkirchen momentan meist das Diskussionsthema schlechthin bieten. Glaubenskurse und Gemeindeberatung waren zwar auf dem Markt der Möglichkeiten vertreten, aber Infostände zum kirchlichen Informations-, Personal- oder Finanzmanagement suchte man vergeblich. Auch wenn die meisten Kirchentagsbesucher nicht zur StandardZielgruppe kirchlicher Fachmessen gehören mögen, war der Workshop vom „Kirchlichen Immobilienmanagement“ (K.IM.) sehr gut besucht, schließlich entscheiden am Ende ja auch meist die ehrenamtlichen Mehrheiten in den Synoden

REPORTAGE

Ein Beitrag von Stefan Bölts

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REPORTAGE

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und Kirchenvorständen vor Ort. Auch das ansonsten noch immer heiß diskutierte Thema „Regionalisierung in der Kirche“ spielte nur am Rande eine Rolle, wenn auf Podien über die zukünftige Präsenz diakonischer und ähnlicher Einrichtungen diskutiert wurde. Um so erstaunlicher war, dass noch einmal die „älteren“ Reforminitiativen in den Messehallen einen ganzen „Kirchplatz Zukunft“ gestalteten und insbesondere die Arbeitsbereiche aus dem westfälischen Reformprozess (Kirche mit Zukunft) dieses Thema im Markt der Möglichkeiten dominierten. Es wirkte fast so, als würden sie noch einmal Überlebenswillen demonstrieren wollen, bevor ihnen unter den Finanznöten die Luft zum Atmen genommen werden könnte. Fundraising, Sponsoring oder die „KirchenCard“ das waren Schlagworte die auch hier das Bild vieler Messestände prägte, doch ansonsten war der Bereich „Kirche und Management“ bisher unterrepräsentiert und noch kein

Das offizielle Logo des diesjährigen evang. Kirchentages wirkliches Thema auf dem Kirchentag. Aber vielleicht wird Bremen als nächste Gastgeberin auch in dieser Zukunftsdiskussion ein Zeichen setzen, sind der eigenständige Gliedkirche doch wie ihre Nachbarinnen auch die Struktur- und Modernisierungsdebatten keine Fremd-

Abb.: Kirchentag

wörter mehr. Stefan Bölts ist Student der Evangelischen Theologie und Referent für Kirchenreformen im Institut für Wirtschafts- und Sozialethik in Marburg sowie Initiator der Internetplattformen www.kirche-von-morgen.de und www.kirche-der-freiheit.de

Gute Stimmung, reichlich Politprominenz und volle Messehallen

Der 31. Evangelische Kirchentag Insgesamt haben laut Angaben der Kirchentagsleitung 110.000 Dauerteilnehmer am 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag teilgenommen, dazu noch tausende Tagesgäste.

freundliche Beifall ist Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach dem G8-Gipfel auf dem 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag empfangen worden.

Am so genannten Abend der Begegnung hatten sogar bis zu 400.000 Menschen an der Eröffnung teilgenommen. 34.000 Mitwirkende sowie 5.000 Helfer sorgten für ein abwechslungsreiches Programm und eine gute Organisation. Auch das Wetter hat entsprechend mitgespielt, so dass sich die Besucher sommerlichen Temperaturen erfreuen konnten. Auch an den Abenden erstahlte die Stadt Köln entsprechend, was auch unsere Titelseite dukumentiert.

Merkel verteidigte in einer mit rund 6.000 Menschen überfüllten Messehalle die Vereinbarungen von Heiligendamm zum Klimaschutz und zur Entwicklungshilfe für Afrika. Der Gipfel sei zwar kein „Erlösungsereignis, das die Welt an einem Tag besser macht, aber ein wichtiger Schritt von ganz vielen“, sagte die Kanzlerin.

5.000 internationale Gäste und 1.500 akkreditierte Journalisten dokumentierten die mediale Bedeutung des 31. Mit einem durchaus KVI ID 02-200730

Friedensnobelpreisträger Professor Muhammad Yunus, dessen Auftritt die Kirchentagesbesucher mit tosendem Applaus quittierten, kritisierte, die Regierungschefs hätten die Chance verpasst, die Einlösung der im Jahr 2000 beschlossenen Millenniumsziele zur Halbierung

der Armut „auf halber Strecke“ zu überprüfen. Yunus nannte die Millenniumsziele die „kühnste Entscheidung der Menschheit“. Um sie zu erreichen müssten sich neben den Regierungen aber auch die Privatwirtschaft und jeder einzelne stärker engagieren. Bundespräsident Horst Köhler hat auf dem Kirchentag mit Nachdruck gefordert, dass Deutschland die von den Vereinten Nationen beschlossene Übereinkunft gegen Korruption ratifiziert. „Dieser Schritt sei „überfällig“, sagte Köhler. Der nächste Kirchentag findet 2009 in Bremen statt. Für 2010 steht der 2. Ökumenische Kirchentag in München im Terminkalender. Der katholische Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode lud die evangelischen Christen herzlich zum Katholikentag 2008 ein – mit den Worten: „Er ist zum Glück in Osnabrück“.


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