Zitronenfalter 2.2010

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2.2010

www.kirchefuermorgen.de

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Vom Segen in die Taufe www.kirchefuermorgen.de

Taufe im Grundschulalter

Konvergenzdokument

Pro und Contra

Pl채doyer f체r die Verschiebung des Tauftermins

Baptisten und Lutheraner kommen sich in der Tauffrage entgegen

Erwachsenentaufe nach erfolgter S채uglingstaufe


Editorial & Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen und Leser,

Thema: Vom Segen in die Taufe

über das Thema Taufe wird diskutiert wie schon lange nicht mehr: Tauferinnerung oder Taufwiederholung, am Taufbecken oder im See, mit Taufzeugen oder Taufpaten, baptistisch oder lutherisch verstanden? OKR Ulrich Heckel hat zu einem Konsultationsprozess unter Pfarrern und Gemeinden aufgerufen, und so bringen auch wir einen tau(f)frischen Zitronenfalter zum Thema. Meinungen dazu gibt es unübersichtlich viele: Viele Eltern wünschen sich für ihr Kind einfach einen Segen für die Lebensreise und wählen die Taufe. Die etwas Jüngeren – gerade erwachsen Gewordenen – haben mehrheitlich ein Problem damit, dass an ihnen ein Ritual vollzogen wurde, ohne dass sie den Funken einer Erinnerung daran haben, geschweige denn hätten mitreden können. In unserer Erlebnis- und Optionsgesellschaft ganz schwierig. Unsere Kirche betont den Geschenkcharakter der Taufe und hält ihn für wichtiger als alle anderen Zugänge. Ganz recht, aber wem andererseits der persönlichen Bezug fehlt, für den ist dieses Geschenk wertlos. Und bekannt ist, dass die Taufe nach dem Neuen Testament einen Bund eröffnet, zu dem immer das Einverständnis mindestens Zweier gehört. Wer die Taufe ungefragt und niedrigstschwellig verteilt, lässt sie auch wenig wertvoll erscheinen. Unlängst wurden die Argumente zur kontroversen Frage der Taufwiederholung zusammengetragen und theologisch unterfüttert, und herausgekommen ist ein spannendes Dokument von Baptisten und Lutheranern, das mögliche Wege zur Annäherung aufzeigt, vorgestellt auf S.7. Warum aber nicht den traditionellen Taufzeitpunkt einfach nur ein paar Jahre verschieben, so dass die Kinder bewusst mit all ihren Sinnen die Leibhaftigkeit der Zusage Gottes erfahren können, ohne dass ihr Alter suggeriert, sie müssten im Vorfeld eine Lebensentscheidung getroffen haben (siehe Seiten 3-5)? Den Segen für die Lebensreise kann man den Kindern ganz am Anfang des Lebens dennoch zusprechen und ihren Familien ein christliches Fest bereiten. Die Reise ginge dann vom Segen in die Taufe.

Editorial

Seite 2

Impressum

Seite 2

Kindertaufe statt Säuglingstaufe Seite 3 Thesen zu Taufe und Tauferinnerung

Bewegung im Streit um die Taufe Seite 7 Wieviel Wasser darf‘s denn sein? Seite 8 Pro & Contra Taufwiederholung

Taufseminare – auf dem Weg zur mündigen Gemeinde

Seite 12

Der Kniefall ihres Lebens – Konfirmation und Taufe

Seite 13

Tauferinnerung in der Osternacht

Seite 14

Erwachsenentaufe in der Landeskirche

Seite 15

Erfahrungsbericht Nicht als Säugling! Ein Plädoyer für die Kindertaufe Seite 16 Synode aktuell Wahlversprechen eingelöst

Seite 18

Zu guter Letzt

Seite 20

Impressum

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Seite 10

Bausteine

Die Diskussion ist im Fluss. Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen Ihr

Marc Stippich, Redaktionsleiter des Zitronenfalters

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Der Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e.V., Am Auchtberg 1, 72202 Nagold Fon: 0700-36693669 Fax: 0721-151398429 info@kirchefuermorgen.de, www.kirchefuermorgen.de Erscheinungsweise 3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Exemplare) bei der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos. Bankverbindung EKK Stuttgart, BLZ 520 604 10, Konto 419 435 Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen. Redaktionsteam Marc Stippich, Steinenbronn; Claudia Bieneck, Malmsheim; Pina Gräber-Haag, Gronau; Markus Haag, Gronau; Tabea Hieber, Markgröningen; Thomas Hofmann-Dieterich; Haigerloch; Cornelia Kohler, Ostfildern; Werner Lindner, Winnenden; Gerhard Müller, Sigmaringen; Johannes Stahl, Eschenbach; Karlfriedrich Schaller, Tübingen. Layout: AlberDESIGN, Filderstadt Druck: Druck + Medien Zipperlen GmbH, Dornstadt Versand: Tobias und Magdalene Zipperlen, Weissach Redaktionsadresse: redaktion@kirchefuermorgen.de und über die Geschäftsstelle Anzeigenpreise: lindner-service@gmx.de, FAX: 07195-979759 Bildnachweis Titel: © G.G. Lattek - Fotolia.com


Vom Segen in die Taufe

Kindertaufe statt Säuglingstaufe Die Taufe – eine Kasualie der Familie oder ein Sakrament der Gemeinde? Rainer Stuhlmann hat die real existierende Taufpraxis einer Prüfung unterzogen. Sein Ergebnis: Er plädiert für einen Taufaufschub.1 Was macht ein fliegender Händler, der Birnen zu verkaufen hat, die kaum jemand haben will, der aber laufend erfolglos nach Äpfeln gefragt wird? Der Not gehorchend wird er denen, die sich nicht so auskennen, seine Birnen als Äpfel verkaufen.

Gewünscht wird von Taufeltern in der Regel

Interessen der Eltern

ein religiöser

Ich nehme bei fast jedem Taufgespräch folgendes wahr: Gewünscht wird von Taufeltern in der Regel ein religiöser Übergangsritus am Beginn des Lebens. Kirche und Pfarrerschaft sind gefragt, um der Geburt des Kindes die übliche religi­öse Weihe zu vermitteln. Man möchte „ein bisschen Kirche“. Abgesehen von groben Missverständnissen (Taufe als eine Art „himmlische Lebensversicherung“), gegen die wir schlicht Aufklärung zu setzen haben, haben Eltern meist folgende Interessen: a) Sie möchten ihrem Dank über das neue Leben in rituell vorgegebenen Formen Ausdruck geben. b) Sie wollen, dass andere für ihr Kind eintreten (Paten, Fürbittegebet im Taufgottesdienst). c) Eltern erhoffen sich für das Kind Gottes hilfreiches Geleit in guten und bösen Tagen. Nur: Das alles ist ja längst wahr und wirklich! Denn „Kinder Gottes“ sind auch ungetaufte Kinder. Eltern aber verlangen nach einem persönlichen und öffentlich erfahrenen Zuspruch Gottes für ihr Kind.

Übergangsritus am Beginn des Lebens.

Problematisch bei unseren Taufgottesdiensten ist, dass Segens- und Taufhandlung miteinander verbunden sind, ohne voneinander unterschieden zu sein. Das führt (nicht nur bei kirch­lich wenig geprägten Eltern) zu der irrigen Meinung, Taufe und Segnung seien dasselbe. Schon im NT sind aber Taufe und Segnung deutlich geschieden. An keiner einzigen Stelle ist die Taufe mit einer Segnung oder eine Segnung mit der Taufe verbun­den. Die Geste der Handauflegung gehört zur Segnung und später zur Geistmitteilung und Ordination, nie aber zur Taufe. Das wirkmächtige Wort, das das Leben eines Menschen prägen kann, gehört zur Segnung, nicht zur Taufe. Der so genannte Taufspruch ist also eigentlich ein Segensspruch.

Birnen statt Äpfel?

Lebensübergänge segnend begleiten

Kann die Taufe solche Erwartungen der Eltern erfüllen? Und umgekehrt: Kann die Taufe sagen, was sie zu sagen hat, wenn sie zur Erfüllung solcher Bedürf­nisse gemacht wird? Oder kann die Taufe nur hoffnungslos degenerieren, wenn sie in den Rahmen solcher Interessen und Bedürfnisse eingespannt wird? Birnen statt Äpfel?

Vor allem aber findet die persönliche Segnung häufig an wichtigen Lebensübergängen statt, während die Taufe als „Beginn des neuen Lebens“ über das diesseitige Leben hinausweist. Die Taufe kann grundsätzlich nicht wiederholt werden, während Segenshandlungen unbegrenzt › wiederholbar sind.

1 Der vorliegende Artikel ist eine von Markus Haag gekürzte und vom Verfasser autorisierte Fassung des Aufsatzes „Kindertaufe statt Säuglingstaufe. Ein Plädoyer für den Taufaufschub“, erschienen in der Pastoraltheologie 80 (1991), S. 184-203.

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Deutliche Trennung von Segnung und Taufe: damit die Taufe nicht zur Segens­hand­lung verkommt!

Darum ist nicht die Taufe, sondern die Segnung die bei Lebensübergängen angemessene kirchliche Handlung.2 Mit der Form der Segnung bietet sich eine seelsorgerlich und theologisch verantwortbare Weise, dem Lebensanfang eines Kindes und dem Beginn der Elternschaft mit einer gottesdienstlichen Feier zu begegnen. Hier haben wir die gewünschten Äpfel. Sie sollten wir anbieten und die Birnen für die Zeit aufsparen, in der sie als Birnen gefragt sind, ohne dass man sie als Äpfel verkaufen muss. Um der Taufe willen plädiere ich deshalb für eine deutliche räumliche und zeitliche Trennung von Segnung und Taufe: damit die Taufe nicht zur Segens­hand­ lung verkommt! So sehr eine Wirkung der Taufe auch als Segen be­schrieben werden kann, so wenig geht ihre Wirkung darin auf.

Grunderkenntnisse zur Taufe Die Taufe ist Verkündigung des Evangeliums. Dabei gilt: 1. Die Taufe hat die Struktur des Bundes. In ihr begegnet uns Gottes gnädige Initiative, seine voraussetzungs- und bedingungslose Annahme, sein JA zum Menschen. Aber der Bund besiegelt eine Beziehung zwischen Zweien: Gottes Initiative ist auf Resonanz aus. Gott sucht Bundes­p artner, die mit ihrem JA sein JA beantworten (vgl. Röm 6,1-11). Im Bund ist das JA des Men­ schen, sein Glaube, nicht Be­dingung, wohl aber unver­zichtbare Folge des JA’s Gottes. Die Treue (griech. „Pistis“) Gottes weckt den Glauben (griech. „Pistis“) des Men­schen. 2. Die Taufe ist „ein sichtbares Wort“. Taufe als Verkündigung des Evangeliums unterscheidet sich von der Predigt durch ihre Sichtbarkeit. In der Bibel sagen Zeichenhandlungen nichts anderes als die Pre­digt, aber sie sagen es anders. Nämlich so, dass wir es mit allen fünf Sin­nen aufnehmen können. Zei­c hen­h andlungen verdeutlichen nicht nur, sie sind vielmehr selber wirksame Worte: Sie tun, was sie sagen. Das Plus der Taufe gegenüber der Predigt ist also die Sichtbarkeit. Dieser Aspekt biblischer Tauflehre entstammt im übrigen der ganzheit­lichen hebräischalttestamentlichen Welt­sicht.

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Täuflinge 3. Die Taufe ist unwiederholbar. Die Taufe unterscheidet sich von Predigt und Abendmahl durch ihre Unwiederholbarkeit. In der Einmaligkeit des Tauf­ aktes kommt das „Einfürallemal“ dessen zum Ausdruck, was durch Christus an uns geschehen ist (Röm 6,10). Weil für die Getauften aber dennoch wichtig ist, das persönliche Evangelium immer wieder neu zu hören, muss die Möglichkeit der Tauferinnerung gegeben sein. Es ist unverzichtbar, dass der Getaufte sich an seine Taufe erinnern kann.

Kindertaufe statt Säuglingstaufe Daraus ergeben sich drei Folgerungen: 1. Menschen, die getauft werden, sollten wahrnehmungsfähig sein. Ist die Taufe Verkündigung des Evangeliums, dann sollten die Täuflinge ihre eigene Taufe bewusst erleben können. Das können spätere Tauferinnerungsgespräche oder -feiern ohne tatsächlich bewusste Erinnerungen an die eigene Taufe nur unzureichend leisten. Der Sinn des Sakraments, dass Gottes Wort im Wasser der Taufe sinnlich wahrnehmbar wird, wird so leichtfertig verach­tet. 2. Menschen, die getauft werden, sollten resonanzfähig sein. Begründet die Taufe einen Bund zwischen Gott und dem Getauften, dann sollte das JA Gottes bei der Taufe auch vom Täufling erwidert werden können. Dabei geht es nicht da­rum, eine Lebensentscheidung treffen zu müssen. Keine „freie“ Entscheidung, keine Bekehrung ist nötig. Ohne jeden Bekehrungsdruck sollten Menschen, die getauft werden, die Frage bejahen können: „Willst du ein Kind Gottes sein?“ Im JA dieses Kindes findet der Glaube seinen Ausdruck. Er ist Gottes eigenes Werk und nicht ein Glaube, der als Vorausset­zung für die Taufe gefordert wird. 3. Menschen, die getauft werden, sollten erinnerungsfähig sein. Ist die Taufe unwiederholbar, dann sollte diese einmalige Taufe le­benslang erinnerbar bleiben. Sie soll in der Lebensgeschichte des Täuflings Geschichte machen. Ist er als Säugling getauft, wird er sich nur schwer erin­nern können. Allenfalls bleiben ihm Stützen unechter „Erinnerung“ in Form von Taufkerze, Fotos u.a.. Die sinnliche Wahrnehmbarkeit des Taufsakraments ist für ihn verloren gegangen.

Diese Einsichten über die Taufe legen weder die Säuglingstaufe noch die so genannte Gläubigentaufe nahe, sondern die Kindertaufe. Damit meine ich eine Taufe im wahrnehmungs-, resonanz- und erinnerungsfähigen Alter.3

sollten wahr-

Konfi3 als Taufunterricht

rungsfähig sein.

Das ideale Taufalter ist nach meiner Erfahrung die Spanne zwischen dem sechs­ ten und elften Lebensjahr, also in der Regel während der Grundschulzeit der Kinder. Das letzte Kindergartenjahr kurz vor der Einschulung ist der früheste, der Beginn der Vorpubertät der späteste Zeitpunkt. Früher ist die emotionale Erfahrung der Taufe noch nicht so stark, dass sie sich tief genug einprägt, später scheuen sich die Kinder, als Einzelne aus einer Gruppe herauszutreten.

nehmungsfähig, resonanzfähig und erinne-

Die besten Erfahrungen habe ich mit 9-10jährigen Kindern im 3./4. Grund­schul­ jahr gemacht, also mit einer Lebensphase, in der seit Jahr­zehnten katholische Kinder zur Erstkommunion geführt werden und seit einigen Jahren in manchen evangeli­ schen Gemeinden Kinder den Konfi3-Unterricht erleben. Diese Altersphase ist geradezu eine kate­che­ti­sche Sternstunde, die verantwor­tungs­be­wusste Gemeindepädagoginnen und -pädagogen nicht ungenutzt verstreichen lassen sollten. Anders als im Konfirmandenalter genießen es die Kinder in dieser Phase, im Mittel­ punkt des Interesses zu stehen. Sie sind hellwach und höchst motiviert für religiöse Fragestellungen und Themen.

Dr. Rainer Stuhlmann lebt als Pfarrer i.R. in Köln. Zuletzt war er Schulreferent, vorher 25 Jahre Gemeindepfarrer. Als Superintendent und Synodaler hat er für die Förderung einer differenzierten Taufpraxis in der Rheinischen Kirche und in der EKU gestritten.

2 Dem entspricht auch gängige kirchliche Praxis: Gesegnet werden einzelne Menschen im Gottesdienst, wenn sie sich an einem Übergang in ihrem Lebenszyklus befinden: am Beginn der Schulzeit, der Puber­tät, der Ehe und am Ende des Lebens. Eine Segenshandlung ist darum sowohl für den Beginn der Eltern­schaft als auch für den Beginn des Lebens die angemessene Form, den Beistand Gottes „persönlich zugespitzt“ und zugleich öffentlich zugesprochen zu bekom­men. 3 Zur Taufe von Menschen mit einer Behinderung siehe Original-Aufsatz von R. Stuhlmann.

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Vom Segen in die Taufe

Wir schätzen es, dass in unserer Kirche ohne große Verwerfungen verschiedene Formen und Zeitpunkte der Taufe nebeneinander gewachsen sind: Taufe im Kleinkindalter, im Kindes- oder Jugendalter und Erwachsenentaufe. Wir sind der Überzeugung, dass zur Kindertaufe – in der das eigene Ja nicht gesprochen werden kann – Formen der Tauferinnerung, der Taufvergewisserung ergänzend dazu kommen müssen. Dies gilt es in unterschiedlichen Formen zu gestalten und zu entfalten. Die Konfirmation ist eigentlich der Ort für das Ja zur eigenen Taufe und zum Glauben an den dreieinigen Gott und für die Vergewisserung der eigenen Kirchenzugehörigkeit. Wie die Studie zur Konfirmandenarbeit von W. Ilg u.a. aber zeigt, wird genau das oft nicht erreicht. Insofern ist über geeignetere Formen in diesem Zusammenhang nachzudenken. Es gibt immer wieder Christinnen und Christen, denen es wichtig ist, eine Form der Taufvergewisserung zu gestalten und zu erleben, auch z.B. mit Untertauchen. Wir sind nicht der Meinung, dass diese Form besser als andere Formen der Taufvergewisserung ist.

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Thesen···Thesen···Thesen

© Toni, Fotolia.com

Thesen zur Taufe und zur Tauferinnerung von Kirche für morgen Wir sind aber der Meinung, dass eine solche Form auch in unserer Landeskirche selbstverständlich ihren Platz haben sollte. Wir wünschen uns, dass in unserer Landeskirche mehr Freiheit für unterschiedliche Formen der Tauferinnerung mit und ohne Wasser, mit und ohne Untertauchen geschaffen wird, was dem Wesen der freimachenden Botschaft entspricht. Verbote oder gar Ausschlussdrohungen helfen hier nicht und sind weder seelsorgerlich noch theologisch geboten. Für uns ist die Taufe selbst ein einmaliger Akt, der nicht wiederholt zu werden braucht und auch nicht wiederholt werden kann. Es ist deshalb wichtig, dass die bei dieser Form der Tauferinnerung gesprochenen Worte deutlich machen, dass es sich um eine Form der Tauferinnerung und nicht um eine zweite Taufe handelt. Wir sehen dann auch keine Verwechslungsgefahr mit der Taufe, denn erst durch das „Wort“ wird nach evangelischem Verständnis die Handlung zum Sakrament („Wortzeichen“). Wir erwarten von einer Regelung in diesem Sinne, dass – ähnlich wie in Bayern – auch in Württemberg die wechselseitige Akzeptanz zwischen baptistischen Freikirchen und der Landeskirche gefördert wird. Deshalb ist das Gespräch mit den Freikirchen zu suchen und sind Vereinbarungen zu treffen. Letztlich geht es uns in allem da­rum: Was dient zur Einheit der Kirche und zur Auferbauung (oikodome) der Gemeinde (vgl. 1.Kor 14,12)? Und da haben sich alle zu fragen: Kirchenleitung und Kirchengesetze sollen Räume öffnen, um nicht das Gewissen einzelner Menschen zu belasten. Auch diejenigen, die sich untertauchen lassen wollen, sollen sich dessen bewusst sein, dass die in Taufe und Tauf­ erinnerung erlebte und erlebbare Erfahrung letztlich die Auferbauung der Gemeinde zum Ziele hat.

Für den Leitungskreis: Friedemann Stöffler Vorsitzender von Kirche für morgen e.V.


Vom Segen in die Taufe

Bewegung im Streit um die Taufe Nach einem sechsjährigen Beratungsprozess veröffentlichten 2009 Theologen der Baptisten und der bayrischen Landeskirche ein Konvergenzdokument zu inhaltlich strittigen Themen. Spannend sind vor allem die Thesen zum Thema „Taufe“. Marc Stippich hat sich das Papier angesehen.

Christwerden ist immer ein Prozess. © Eberhard Treiber

„Vielleicht haben Sie ein Stück Kirchengeschichte geschrieben!“ So würdigte der bayrische Bischof Johannes Friedrich das Dokument bei der öffentlichen Präsentation im April vergangenen Jahres. Renommierte Theologen aus Universität und Kirchenleitungen haben das 26seitige, gut lesbare Papier verfasst. Betitelt ist es mit den Worten „Voneinander lernen – miteinander glauben.“1 Und der Titel hält Wort.

Dialog mit Perspektivübernahme Beide Kirchen, so wird betont, wollten im Diskussionsprozess die Anliegen der je anderen Seite verstehen sowie aus deren kritischen Anfragen lernen. Die Theologen kamen auch beim strittigen Thema Taufe zu dem Schluss, dass beide Positionen zwar verschiedene, aber dennoch legitime Auslegungen des Evangeliums enthalten.

Zuspruch und Bekenntnis Einig ist man sich darüber, dass eine Taufe, einmal geschehen, nicht zurückgenommen werden kann, weil wir uns auf Gottes Zuspruch in der Taufe („Du bist und bleibst Kind Gottes!“) ein für alle Mal verlassen dürfen. Als Menschen antworten wir darauf, indem wir zu glauben beginnen. Glaube und Taufe gehören zusammen. Die Lutheraner betonen in ihrer Tauflehre, dass Gottes Zuspruch bedingungslos gilt und taufen darum Kinder und Säuglinge. Das baptistische Taufverständnis andererseits legt Wert darauf, dass die Getauften auch annehmen und leben, was ihnen versprochen wurde, und taufen darum nur Erwachsene. ¹ Der gesamte Text des Dokuments kann abgerufen werden unter www.kirchefuermorgen.de/zitronenfalter bzw. www.kirchefuermorgen.de/downloads. Das Kapitel über die Taufe findet sich auf S.13-19. ² Die Arbeitsgruppe verwendet statt der Begriffe „Glaubenstaufe“ und „Wiedertaufe“ bewusst das Wort „Taufwiederholung“, da zumindest der Begriff „Wiedertaufe“ diskriminierend missbraucht wurde.

Glaube als Prozess Um gedanklich aufeinander zugehen zu können, stellen die Verfasser des Dokuments heraus, dass Christwerden immer ein Prozess ist. Die Säuglingstaufe steht dann am Anfang, die Gläubigentaufe am Ende des Prozesses des Christwerdens. Wenn die Landeskirchen Sorge tragen, dass kleine Kinder nach der Taufe Möglichkeiten haben, in den Glauben hineinzuwachsen und die Konfirmation als Bestätigung ihrer Taufe zu feiern, fallen grundsätzliche Bedenken auf baptistischer Seite weg.

Gegen eine Taufwiederholung Die baptistische Seite der Arbeitsgruppe empfiehlt ihren Gemeinden, säuglingsgetauften Christen vorbehaltlos die Gemeindemitgliedschaft zu ermöglichen. Wünscht jemand in diesem Zusammenhang eine Taufwiederholung2, so kann die lutherische Seite im Einzelfall aus seelsorgerlichen Gründen damit leben, wenn dies nicht mehr wie bisher den Regelfall darstellt. Die Vertreter beider Kirchen betonen, dass wir Formen der Tauferinnerung brauchen, die nicht als Taufwiederholung missdeutet werden können.

„Vielleicht haben Sie ein Stück Kirchengeschichte geschrieben!“

Marc Stippich, Gemeindepfarrer aus Steinenbronn, schätzt Tauffeiern bei Kindern und Erwachsenen und hofft, dass die Einheit der Kirchen auch in der Tauffrage Fortschritte macht.

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Vom Segen in die Taufe

Wie viel Wasser darf’s denn sein? Seit Anfang des Jahres bereiten sich in Sonneberg sechs Frauen und Männer auf ihre Taufe vor; sie sind zwischen 27 und 65 Jahre alt. Die Taufe selber ist für den 25. Juli 2010 geplant und wird in einem angestauten Bach vollzogen… Im angrenzenden Gartengrundstück wird schon seit Jahren der Festgottesdienst zur Taufe gefeiert. Während des Tauf-Seminars, das sich über sieben Monate erstreckt, bereiten wir uns gründlich auf die Taufe vor. Was wird da verhandelt? Wir reden über biblische Texte zur Taufe und über Geschichten, die von Menschen mit einer grundlegenden Lebenserneuerung erzählen. Wir denken darüber nach, was die Taufe bedeutet und was sich in der Taufe ereignet. Die Vorbereitung mündet in eine Lebensbeichte, in der aufgeräumt werden kann, was das Leben belastet und zerstört. In diesem Prozess sind wir gerade mittendrin.

Es wäre allzu Darf die Gemeinde

billige Gnade, einfach Tauftermine festlegen? das Recht auf die Taufe aus der Hand zu geben.

Unverständnis löst es immer wieder mal aus, wenn ich erkläre, dass es festgelegte Tauftermine gibt. „Ja, wer setzt das denn fest?“, werde ich empört gefragt. „Die Tante aus Amerika kommt im November auf Besuch! Da könnten wir mit der Taufe eine schöne Familienfeier verbinden.“ Erstens empfiehlt sich eine Taufe im offenen Gewässer in einer warmen Jahreszeit. Zweitens hat die Kirche schon immer in Verbindung mit der Auferstehung Jesu an Ostern getauft. Das sind aber nur die äußeren Eckdaten. Der tiefere Grund ist das Tauf-Seminar und eine gründliche Vorbereitung. Indem wir zwei Termine jährlich ansetzen, kann ich die Taufbewerber, El-

tern und Paten, zweimal im Jahr zum TaufSeminar verpflichten. Es wäre allzu billige Gnade, das Recht auf die Taufe aus der Hand zu geben. Denn die Taufe ist die Perle unseres Glaubens und darf deshalb nicht zum Inflationswert verschleudert werden. Leider kommt es immer wieder vor, dass sich Bewerber abwenden: „Das kann ich anderswo auch billiger kriegen!“

Lassen sich Missverständnisse klären? Der Zusammenstoß mit dem landläufigen Taufverständnis und der traditionellen Taufpraxis ist unvermeidbar. Wobei nur deutlich wird, welche Missverständnisse sich im Laufe der Zeit festgesetzt haben. Viele Menschen erwarten eine feierliche Zeremonie im familiären Kreis. Und viele gehen davon aus, dass sie als Kirchenmitglieder darauf ein Recht haben. Ich frage mich: Wie kann die Kirche das Mandat und den Taufbefehl Jesu soweit aus der Hand geben, dass sie zum „Schutz- und Schwellenritual“ am Anfang des Lebens verkommen konnte? „Es könnte ja sein, dem Kind stößt etwas zu!“ sagen viele Eltern und verstehen die Taufe als Schutz- und Segenshandlung. Genau dieses Missverständnis unterstützen wir noch, indem zur Taufe vorrangig die Kindersegnung Jesu zitiert wird. Migranten bringen oft noch ein magisches Missverständnis mit und denken, der Taufakt an sich wäre wirksam – auch ohne persönlichen Glauben.

... der Kämmerer aus Äthiopien (Apg 8) reist in einer Kutsche mit den

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Vom Segen in die Taufe

Was beschäftigt uns im Taufseminar?

Entsprechend groß sind dann die Überraschungen, wenn wir an den Seminarabenden das Geheimnis der Taufe erschließen. Die Leute hören zum ersten Mal: Die Taufe ist ein Gnadenakt, in dem Gott einem Menschen auf Grund des Glaubens neues Leben schenkt. Und wie Eltern und Paten die Ohren spitzen, wenn gesagt wird, dass es in der „Tauche“(ahdt.) um eine Bestattung geht, wo das alte Leben untergetaucht und begraben wird und damit alles, was das Leben kaputt macht und zerstört. „Die Wogen des Unheils umfingen mich, und die Fluten des Todes erschreckten mich.“ (Psalm 18,5) Und doch darf ein Menschenkind mit Jesus auferstehen in ein neues Leben. „Wir sind mit Christus begraben durch die Taufe in den Tod und mit Christus auferstanden in ein neues Leben.“ (Römer 6,4) Eltern und Paten verstummen, wenn sie hören, dass in der Taufe ein Herrschafts- und Eigentumswechsel vollzogen wird. Und dann leuchtet auch ein, warum wir in alten Klamotten taufen, die in der Taufe untergetaucht und zurückgelassen werden. Die Täuflinge kommen kurze Zeit später in weißen Kleidern zum Festgottesdienst zurück – zum Zeichen für ihr neues Leben aus Gott. Wenn die Seminarteilnehmer das verstanden haben, gibt es meist ein Gerangel um einen bestimmten Taufspruch: „Ich freue mich im HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet.“ (Jes.61,10)

Täuflingen zum Gottesdienst an.

Warum im offenen Gewässer? Wir taufen im offenen Gewässer, weil die Taufe das Begraben des alten Menschen und die Auferstehung in ein neues Leben abbildet und verkörpert. Da das gestaute Bachwasser nicht mehr als 14-15 Grad warm wird, bleibt die Taufe als eindrückliche Erfahrung in bleibender Erinnerung. Natürlich runzeln viele die Stirn und verdächtigen diese „abnormale Praxis der Ganzkörpertaufe als Sektiererei“. Aber nur so lange, bis sie das ergreifende Ereignis einmal miterlebt haben. Natürlich macht das Mittel nicht die Gnade. Aber die Gnade sucht das passende Mittel. Wäre die Taufe eine Segenshandlung, würde sich diese Praxis verbieten. Ist die Taufe aber das Sakrament (Gnadenmittel) der Wiedergeburt, dann wird das Ereignis so äußerst anschaulich und erlebbar.

Was geschieht mit kleinen Kindern? „In den ersten christlichen Gemeinden war die Erwachsenentaufe die Regel,“1 obwohl im Neuen Testament sicher auch Kinder getauft wurden. Aber das geschah nur in eine glaubende Familie hinein. Martin Luther sagt, dass ohne Glauben niemand getauft werden darf. Er geht davon aus, dass Säuglinge schon glauben. „Denn wo nicht ein solcher Glaube da ist oder erlangt wird, da hilft uns die Taufe nichts, sondern sie schadet ... die ganze Lebenszeit über. Denn ein solcher Unglaube straft die Verheißung Lügen.“2 Damit persönlicher Glaube und die eigene Taufe zusammenkommen, wie sie zusammengehören, lassen manche Eltern ihre Kinder im Gottesdienst segnen und warten mit der Taufe. Das macht dann Sinn, wenn die Entscheidung zur Taufe der persönlichen Glaubensentwicklung des Kindes überlassen bleibt. Und wenn glaubende Eltern die Inhalte im Taufseminar verstanden haben und trotzdem ihr Kind taufen lassen wollen, dann darf das in der Osternacht oder im Sommer geschehen – mit wenig oder mit viel Wasser.

Die Leute hören zum ersten Mal: Die Taufe ist ein Gnadenakt, in dem Gott einem Menschen auf Grund des Glaubens neues Leben schenkt.

EG BayThü S.1384 M.Luther, Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche (1520)

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Günther Kreis, Gemeindepfarrer, Sonneberg/Thüringen, Gemeindeentwickler in der Plattenbausiedlung „Wolkenrasen“

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Pro & Contra

Taufwiederholung

&

Pro

Viele Freikirchen akzeptieren bei ihren Mitgliedern nur eine Erwachsenentaufe. Sie nennen sie Glaubenstaufe, da sie die Kindertaufe nur als Segnung verstehen. Die Großkirchen sind strikt dagegen und sprechen ablehnend von Wiedertaufe.

Darf, wer als Kind getauft wurde, sich als Pro

Mit der üblichen Streiterei über Kinder- und Erwachsenentaufe möchte ich niemanden langweilen. Wer hat Recht?

Mein Weg zur eigenen Entscheidung Gott hat Recht – und zwar grundsätzlich. Aber auch individuell mit jedem Menschen anders. Allzu oft halten wir unser eigenes Denken und Erleben für das einzig Richtige. Damit werden wir einem vielfältigen Gott nicht gerecht und degradieren unseren Glauben zur Religion. Mir hat Gott in vielen Schritten über Jahre hinweg gezeigt, dass ich mich trotz meiner sogenannten „Säuglingstaufe“ als Erwachsener bewusst taufen lassen soll. Einigen Menschen, die Gott dazu benutzt hat, war gar nicht mehr klar, dass sie das Thema angesprochen hatten. Manch harter Kämpfer für die Glaubenstaufe hat in mir mehr Rebellion ausgelöst als echte Auseinandersetzung mit dem Thema. Ich habe diesen Schritt getan, weil Gott mir gesagt hat, dass ich es tun soll. Ich denke nicht, dass es hilfreich ist, erwachsene Christen zur Taufe überreden zu wollen und sich so ihnen gegenüber zum Gott zu machen.

Kein Streit an der falschen Stelle Andererseits: Ist es richtig, dass wir uns streiten, weil Gott unterschiedlich zu uns gesprochen hat? Sollte es nicht vielmehr darum gehen, dass wir gemeinsam darauf zuarbeiten, dass sich Menschen für Jesus entscheiden? Wer sich mehr daran stört, dass der Glaubensweg vieler über ein öffentliches Bekenntnis – in Form einer Taufe – führt, statt sich über die damit gefeierte Wiedergeburt zu freuen, sollte sich fragen, ob es ihm in seinem Leben wirklich um Gottes Reich geht.

Daniel Kopp, aufgewachsen in der evangelischen Landeskirche, seit fünf Jahren aktives Mitglied bei der Gemeinde-Gründungs­ bewegung „Hoffnung Deutschland“, dort aktiv als Mentor, im Evangelisationsteam, im Lehrteam und beim Eventmanagement.

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Ich bin mir ziemlich sicher: Gott wird jeden, der sich dem nicht verschließt, davon überzeugen, sich bewusst taufen zu lassen. Es kann gut sein, dass mich Gott in dieser Sache bei anderen als Werkzeug benutzt. Aber es darf meine Gefühle gegenüber Gott oder anderen nicht beeinflussen, wenn Gott sich bei seiner Überzeugungsarbeit Zeit lässt. Meine Verantwortung ist, Zeuge zu sein, nicht Rechts- oder Staatsanwalt.

Alles zu seiner Zeit Liebe Eltern: Bitte lasst eure Kinder segnen, statt sie dieser zweifelhaften Handlung zu unterziehen. Redet mit euren Verwandten über eure Gründe und helft euren Kindern auf diese Art, sich später mit Freude und bewusst für ihre Taufe entscheiden zu können. Dabei kann eure Entscheidung, Kinder im Glauben zu erziehen, noch deutlicher zum Ausdruck kommen. Und uns bleibt mehr Zeit und Energie für das Reich Gottes, die bisher für den Streit um Glaubens- oder Wiedertaufe verschwendet wurden!

Allzu oft halten wir unser eigenes Denken und Erleben für das einzig Richtige.


&

Contra

Stefan Taut, Pfarrer unserer Landeskirche, und Daniel Kopp, landeskirchlich aufgewachsen und nach seiner Säuglingstaufe zum zweiten Mal als Erwachsener getauft, beziehen Stellung.

Erwachsener nochmals taufen lassen? Contra

Ich bekenne: Ich bin gegen die Wiedertaufe, schon von Amts wegen. Allerdings werde ich die Betroffenen nicht wie zu Luthers Zeiten verdammen, ersäufen oder beim Dekan anzeigen. „Damit hätte ich meine besten Mitarbeiter verloren“, meinte ein Kollege i.R.. Ich stimme zu. Die Augsburger Konfession 1530, Art. 5, kritisiert, dass die Wiedertäufer meinten, „ohn das leiblich Wort des Evangelii den Heiligen Geist durch eigene Bereitung, Gedanken und Werk“ zu erlangen.

Spirituelles Erfahrungspaket Ich bin mir nicht sicher, ob das noch das Motiv heutiger „Wiederholungstäter“ ist. Diese kommen vom Skydiven oder Free Climben, lassen sich piercen und tätowieren und holen sich dann beim – meist privaten – Taufevent in See oder Pool ihr Erfahrungspaket in Sachen Spiritualität ab: Was ich nicht spür‘, hat keinen Wert! Klar, kirchenrechtlich ist das nicht okay. Die Wiedertaufe diskreditiert das am Säugling vollzogene, einmalig gültige Sakrament der Zuwendung Gottes. Und hier bei der Taufe zieht die Kirche einen scharfen Schnitt, ganz in der Art der Beken-

Was ich nicht spür‘, hat keinen Wert!

ner von einst. Beachtenswerter Weise ist man bei der Interpretation, wer der Herr der Taufe für uns ist, viel großzügiger. Warum nur?

Unbefriedigender Normalfall Ich selbst wurde als Säugling getauft, christlich erzogen und freue mich – ungepierct – meines Glaubens. Der Normalfall sieht heute aber anders aus: Das spirituelle Analphabetentum der Konfirmanden führt uns Pfarrern Jahr für Jahr die NichtEinlösung des Taufversprechens seitens der Eltern deutlich vor Augen. Ob ich für die Zurückweisung einer Säuglingstaufe aus Mangel an Argumenten („Wir wollen nur den Segen Gottes!“) die Rückendeckung des OKR erhalten würde? Mein eigener Sohn wurde als Kind „nur“ gesegnet. So konnte ich ihn als 14-Jährigen bei einer Freizeit im Thuner See bei 15 Grad ordentlich tauchen…, äh taufen. Mein Sohn gehört auch zu dieser „Generation extrem“.

Authentisch werden! Wo bleibt die Kindersegnung als Alternative zur Taufe? Wann erscheint endlich das Wort „See“ oder „Fluss“ in unseren Agenden? Warum tut sich die Landeskirche so schwer mit erfahrbaren Taufvergegenwärtigungen, z. B. in öffentlichen Freibädern, in denen Jugendliche oft viel mehr zu Hause sind als in unseren Kirchen? Die Erklärung des Sakraments der Taufe zur Privatsache ist mein Hauptargument gegen alle Wiedertäufer. Allerdings muss sich auch unsere Kirche von dem Verständnis der Taufe als privatem Schwellenritual deutlicher als bisher distanzieren. Freikirchlichen Gemeindeleitungen, die Christen ohne Erwachsenentaufe grundsätzlich diskriminieren, empfehle ich: Macht nicht dieselben Fehler wie wir!

Stefan Taut, Pfarrer in Reichenbach/Fils, Mitglied im Leitungskreis von Kirche für morgen, bietet zusammen mit drei Kollegen seit fünf Jahren Tauferinnerungsgottesdienste in der Fils an und hat damit gute Erfahrungen gemacht. Foto: Anskar-Kirche Marburg, D. Hirsch

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Bausteine

Taufseminare – ein Schritt auf dem Weg zu einer mündigen Gemeinde Stefan Taut lässt uns an dem Entwicklungsprozess seiner Gemeinde in Reichenbach/Fils teilhaben.

Ich denke nicht, dass es hilfreich ist, erwachsene Christen zur Taufe überreden zu wollen

Bis vor drei Jahren besuchte ich vor jeder Taufe die Familie des Täuflings. Ich erinnere mich an die verzweifelten Blicke der Eltern. Mit Mühe erklärten sie, warum sie zwar ihr Kind taufen lassen wollten, selbst aber kaum „in die Kirche“ gingen. Und ich erinnere mich an meine großzügige Generalabsolution: „Ich verstehe… so früh am Morgen, und Sonntag ist der einzige Tag zum Familienfrühstück…“ Kein Platz für einen moralischen Zeigefinger bei diesem Erstkontakt.

Gemeinsames Gespräch In Reichenbach gehen wir inzwischen andere Wege: Seit drei Jahren laden wir ca. sechsmal im Jahr die Taufwilligen bzw. deren Eltern und Paten zum Taufseminar ein. Alle sollen miteinander ins Gespräch kommen. Das Thema ist klar: Die Taufe, Sinn und Unsinn des Rituals und die möglichen Alternativen. Per „Bilderberg-Methode“ lassen die Teilnehmer ihren Gedanken freien Lauf. Nach einem Impuls durch uns Pfarrer – z.B. die Geschichte von Philippus und dem Kämmerer, illustriert mit Bildern von Kees de Kort – beginnt die Diskussion.

Von der pfarrerzentrierten zur beziehungsorientierten Gemeinde Hier lernen Gemeindeglieder voneinander, teilen ihre Erfahrungen miteinander. Zweifel und Fragen haben Raum. Wir Pfarrer sind nicht mehr belehrende Mahner, sondern Berater und Entwickler der spirituellen Ansätze der Teilnehmenden. Die Gespräche sind fruchtbar, anregend, meistens witzig, immer geistreich und ehrlich. Peinliche Entschuldigungsversuche fehlen.

Der Schweige-Konsens

Es gibt nicht DEN richtigen Zeitpunkt zur Taufe!

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Dabei gab es so was wie ein stilles Einverständnis: Ich frage nicht so genau nach, was ihr unter Taufe versteht; dafür macht ihr alles genau so, wie ich es euch sage. Beidseitig keine dummen Fragen. Das funktionierte. Aber der Zweifel nagte in mir: War es vertretbar, dass die Eltern das Kleingedruckte des „Führerscheinzuwachssparbuches“ für den Täufling kritischer prüften als die biblischen Grundlagen für das Sakrament, und dass diese stillschweigend als bekannt vorausgesetzt wurden? In den wenigen Situationen, in denen ich – jung und unreif – gegen den SchweigeKodex verstieß, ins Detail ging oder die „Warum-Taufe-Frage“ stellte, spürte ich einen Sturz der Raumtemperatur unter den Gefrierpunkt: Inquisition!

Ergebnisoffener Prozess Wenn sich die Leute zur „Warum Taufe und nicht Segnung-Frage“ durchdiskutiert haben, kommt mein Einsatz: „Wir haben beides im Programm, je nachdem, zu welchem Ergebnis Sie heute kommen.“ „Es gibt nicht DEN richtigen Zeitpunkt zur Taufe!“ Manchmal werde ich persönlich: „Vier meiner sechs Kinder wurden erst mal gesegnet, die freuen sich auf die Taufe in der Fils!“ Es folgt ein kleiner Werbeblock zu unserer Taufe im Grünen mit dem Clip, der im Juli 2009 in der Abendschau kam.

Stefan Taut, Pfarrer in Reichenbach/Fils, will ungewohntes Denken in gewohnten Strukturen ermöglichen.


Bausteine

Der Kniefall ihres Lebens In wachsender Zahl melden sich ungetaufte Jugendliche zum Konfirmandenunterricht an. Wie man mit ihnen den Weg zur eigenen Taufe gehen kann, berichtet Karlfriedrich Schaller, Pfarrer im (Un-)Ruhestand.

Die Zahl der ungetauften KonfirmandInnen nimmt zu. Sie kommen – sei es wegen des Gruppendrucks, wegen der zu erwartenden Geschenke oder um den „Wunsch“ der Eltern resp. Großeltern zu erfüllen. Es soll schon Eltern geben, die beide aus der Landeskirche ausgetreten sind und dennoch darauf bestehen, dass ihre Kinder getauft werden. Dabei eröffnen sich einladende Horizonte.

An die Eltern wenden Das Problem der Jugendlichen in diesem Alter sind meist die Eltern. Also wird eine einladende Gemeinde sich zuerst an die Eltern wenden. Das Angebot an sie muss so interessant sein, dass die gestressten Eltern trotz Klassenabenden und Hobbys gerne kommen. Wir haben dabei die Erfahrung gemacht, dass nach vielen Jahren des „Kirchenfastens“ dieser erste Kontakt zu einer Gemeinde neugierig und offen angenommen wird.

Der KonfirmandInnen-Club Der KonfirmandInnen-Club wird für manche Jugendlichen zum Taufunterricht. Da­ bei wird ihr „Ja“ zur Taufe genauso ernst genommen wie das Ja der bereits Getauften. Die Bereitschaft zur Mitarbeit, zum Teilnehmen am Praktikum, zum Auswendiglernen der wenigen Glaubensgrundsätze sind dabei die Mindestanforderungen, um konfirmiert bzw. getauft zu werden. Hoch bewertet wird von den Jugendlichen aber auch die Freiheit, „nur“ dabei zu sein und zu keinem Bekenntnis gezwungen zu werden. Sie erfahren dabei, dass sie auch so voll akzeptiert und integriert sind. Am Ende der gemeinsamen KonfirmandInnenzeit werden dann alle mit einem Festgottesdienst und dem Segen ins Leben entlassen. Es kommt dabei immer wieder vor, dass es Jugendliche gibt, die nach einem Jahr eben nicht konfirmiert oder getauft sind und trotzdem mitfeiern.

Krönender Höhepunkt Meist sechs Wochen vor dem Festgottes-

dienst zum Abschluss der KonfirmandInnenzeit findet eine gemeinsame Freizeit von Jugendlichen und ihren Eltern in der Innerschweiz (Flüeli/Sachseln). statt. Die Jugendlichen wohnen in der speziellen „Bruder-Klaus-Jugendunterkunft“ – die Eltern im 600 Meter weit entfernten Einkehrhaus St. Dorothea. Dies ist ein konzentrierter Ort für Stille, Gebet und der Verbundenheit am Weltgeschehen. Am Sonntag, im Rahmen eines Gottesdienstes werden dann die Täuflinge in der Melchaa, einem kleinen Gebirgsbach in der Ranft getauft (s. Foto). Nicht nur der Ort, sondern die ganze Atmosphäre bleibt in der Biographie der Beteiligten tief im Gedächtnis. Die Taufe wird „verortet“, das Ja zu einem Leben mit Christus gewichtet. Die schon getauften Jugendlichen beneiden oft die Täuflinge um dieses bewusste Erlebnis. Lange Gespräche ergeben sich da ohne Zwang.

Der Abschluss Selbstverständlich werden die getauften Jugendlichen dann sechs Wochen später nicht mehr konfirmiert. Das würde ihr Ja und das Ja der KonfirmandInnen gegenseitig entwerten. Die Frischgetauften sind dabei, wenn die „Säuglingsgetauften“ ihre Taufe im Gottesdienst bestätigen. Sie feiern mit ihren Verwandten und Bekannten, werden ebenfalls „eingesegnet“ und erhalten ihren Taufspruch nochmals vor der Gemeinde. Taufe – ein Haltepunkt für das ganze Leben!

Das Problem der Jugendlichen in diesem Alter sind meist die Eltern.

Hoch bewertet wird die Freiheit, „nur“ dabei zu sein und zu keinem Bekenntnis gezwungen zu werden.

Karlfriedrich Schaller, ehem. Pfarrer der Jakobusgemeinde in Tübingen, in deren Gemeindeaufbaukonzept die Konfirmandenarbeit und das Ernstnehmen der Taufe eine wichtige Stellung einnimmt.

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Bausteine

„Der Auferstandene segne dich!“ – Tauferinnerung in der Osternacht Langschläfer werden zu Frühaufstehern, Distanzierte zu motivierten Kirchgängern. Der Gottesdienst zur Osternacht beginnt in Markgröningen um 5.30 Uhr und findet große Resonanz. Dabei sind Taufen und Taufgedächtnis wesentliche Elemente der Liturgie.

Schönheit liegt hier in der Einfachheit und

Es ist kühl und noch dunkel. Um 5.15 Uhr treffen die ersten Besucher ein, werden am Kirchenportal begrüßt, erhalten ein Gottesdienstprogramm und begeben sich in die Kirche. Der Gottesdienst zur Osternacht, den wir in Markgröningen bei Dunkelheit beginnen und in den anbrechenden Morgen hinein feiern, zieht viele Menschen an.

Unaufdringlichkeit Alte und junge Taufbewerber dessen, was Fast jedes Jahr werden Taufen angemelerfahren wird.

det. Häufig sind es Konfirmandinnen und Konfirmanden, die sich wünschen, in diesem Gottesdienst getauft zu werden. Aber auch kleine Kinder werden zur Taufe gebracht. Erwachsene, die sich taufen lassen möchten, wählen diesen Gottesdienst und die Zahl derer, die deshalb zu Ostern und zur Taufe eine besondere Beziehung haben, weil sie in der Osternacht getauft wurden, nimmt zu. Nach dem Einzug des Osterlichts, dem Entzünden der Kerzen für alle Besucher, der Lesung des Osterevangeliums finden die Taufen statt. Eine kurze Predigt folgt.

Erfrischende Tauferinnerung Bevor sich dann alle in einem großen Kreis zur österlichen Mahlfeier versammeln, kann man an einer besonderen Form der Segnung und der Tauferinnerung teilnehmen. An vier verschiedenen Stationen warten jeweils zwei Personen und sprechen denen, die kommen, ein Segenswort zu: „Der Auferstandene segne und schütze dich. Er gebe dir Hoffnung und Mut, Freude und tiefes Vertrauen.“ Der / die Segnende taucht die Hand in eine Schale mit Wasser und macht das Kreuzzeichen

auf die Stirn seines Gegenübers. Erfrischend soll die Tauferinnerung sein, erfrischend der Segen.

Wort, Wasser, Licht, Brot und Wein Selten sind wesentliche Elemente des christlichen Glaubens so dicht beieinander wie in der Feier der Osternacht. Tauferinnerung ist eher eine Selbstverständlichkeit als ein aufwändiger Akt mit Anlauf. Wer sich mit dem Kreuzzeichen und Wasser segnen lässt, tut dies bewusst und erfährt sich so als Glied der Gemeinschaft aller Getauften. Was am Ende mehr zählt: das Kreuzzeichen, die Berührung mit dem Geschenk des Wassers, der Segenszuspruch oder die spürbare menschliche Nähe in dieser Geste, muss gar nicht auseinanderdividiert werden. In allem ist der auferstandene Herr erfahrbar. Vielleicht liegt gerade in der Schlichtheit der Geste ihre Kraft. „Keusch“ und „demütig“ nennt Franz von Assisi die „Schwester Wasser“ im Sonnengesang. So sollen auch Taufe und Taufgedächtnis an dieser Keuschheit und Demut Anteil haben. Schönheit liegt hier in der Einfachheit und Unaufdringlichkeit dessen, was erfahren wird. Bestärkt, ermutigt, aufgeweckt gehen die Gesegneten in den neuen Morgen. Traugott Plieninger ist immer wieder beglückt vom Interesse an der Taufe. Seiner Taufe erinnern kann man sich täglich. Die Gültigkeit der Taufe hängt nicht daran, dass man sich ihrer erinnert. Trotzdem gehört das Taufgedächtnis für ihn zu einem wichtigen Element christlicher Glaubenspraxis. Plieninger ist Mitglied im Leitungskreis von „Evangelium und Kirche“ und freut sich über die Gelegenheit, im Zitronenfalter einer motivierten und interessierten Leserschaft zu begegnen.

Traugott Plieninger, Pfarrer, seit 1998 an der Bartholomäuskirche Markgröningen, Mitglied im Leitungskreis von „Evangelium und Kirche“

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Erfahrungsbericht

Erwachsenentaufe in der Landeskirche Matthias Lübke hat sich als Erwachsener taufen lassen. Er ist 38 Jahre alt, Ingenieur, verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes. Claudia Bieneck sprach mit ihm über seinen Weg in die Gemeinde. Herr Lübke, Sie haben sich 2007 in der evangelischen Landeskirche taufen lassen. Können Sie uns Ihren Werdegang erzählen?

meine Taufzeugen, doch wir verstehen es eher als Patenamt. Die Taufe selber fand 2007 in Perouse in einem „Stressfrei-Gottesdienst“ der Landeskirche statt.

Ich bin in Dresden geboren, in Ost-Berlin aufgewachsen und 1988 mit 17 Jahren zusammen mit meiner Familie in die BRD übergesiedelt. Bei uns spielten Religion und Glaube keine große Rolle und ich hatte auch keinen nennenswerten Kontakt zur Kirche. Im Jahr 2000 kam ich dann ins Schwabenländle und wurde als Nachbar von Angela Schwarz zu „Theologie im Wohnzimmer“ eingeladen. Ich ging hin, weil ich nichts anderes vor hatte. Die Abende waren aber nur ein Anfang. Ich fand Kontakt zu vielen netten Leuten, interessierte mich dafür, was sie glaubten und wurde irgendwann gefragt, ob ich nicht auf einer Jugendfreizeit kochen könnte. Das habe ich gerne getan.

Hat sich durch die Taufe bei Ihnen etwas verändert? Nun, direkt verändert hat sich nichts. Aber bei mir ist der Wunsch gewachsen, Kirche noch konkreter mitzugestalten und meine Gemeinde hier am Ort auch für andere attraktiv zu machen. Ich ließ mich dann als Kirchengemeinderat aufstellen und wurde auch gewählt. Die Arbeit macht mir viel Freude, auch wenn vieles sehr schleppend und mühsam läuft.

Ich fand Kontakt zu vielen netten Leuten, interessierte mich dafür, was sie glaubten.

Bei Ihnen hat also das Hineinwachsen in den Glauben ganz viel mit persönlichen Beziehungen zu tun. Wie ging es dann weiter? Nun, aus der einen Freizeit wurden mehrere und ich hatte gute und interessante Gespräche mit vielen Menschen. Dann wurde die Jugendgemeinde MOC in Leonberg gegründet. Ich war dabei, machte mit und wuchs immer mehr in den christlichen Glauben hinein. Dieser Glaube wurde immer gewisser und irgendwann kam der Wunsch auf, mich taufen zu lassen. Ich wollte ganz dazugehören. Das war dann jedoch ein längerer Weg.

Wie haben Sie sich auf die Taufe vorbereitet, gab es einen Taufunterricht? Nein, einen festen Taufunterricht hatte ich nicht. Aber Cyrill und Angie Schwarz nahmen sich Zeit für mich und wir führten viele Gespräche über die Grundlagen des Glaubens. Das war sozusagen mein Taufunterricht. Die beiden wurden dann auch

Mir tut es weh, wenn ich sehe, wie schlecht sich Kirche selber verkauft und oftmals eher reagiert als agiert. Aber das ist jetzt ein anderes Thema…

Herr Lübke, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen für Ihren weiteren Weg Gottes Segen.

Claudia Bieneck staunt immer wieder neu darüber, wie viele verschiedene Wege Gott mit seinen Menschen hat.

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Erfahrungsbericht

Nicht als Säugling! Ein Plädoyer für die Kindertaufe. Säuglingstaufe oder Erwachsenentaufe? Es geht auch anders. Zwei Pfarrfamilien erzählen, wie sie es mit der Taufe ihrer Kinder halten. Unsere Kinder als Säuglinge taufen lassen? Das kam für meine Frau und mich nie in Frage. Aus einem ganz einfachen Grund: Die Taufe ist ein zentraler Akt im Glaubens-Leben eines Menschen – ein einmaliger, einzigartiger und unwiederholbarer Akt. Das bewusste Erleben dieser wichtigen biographischen Zäsur wollten und wollen wir unseren Kindern nicht nehmen. Freilich – auch Eltern, die ihre Kinder als Säuglinge taufen lassen, nehmen ihnen diese Zäsur an sich nicht weg. Aber eines wird den als Säuglinge Getauften genommen: Das bewusste Miterleben dessen, was bei der Taufe zeichenhaft geschieht!

Ich will zu Gott gehören

© Jose Manuel Gelpi - Fotolia.com

Ostersonntag 2006. Als Vikar einer Heilbronner K irchengemeinde taufe ich im Familiengot tesdienst einen Säugling. Unsere sechsjährige, ungetaufte Tochter Elena ist auch dabei.

Noch während der Taufhandlung dreht sich Elena zu meiner Frau um und sagt: „Mama, ich möchte auch getauft werden. Ich möchte auch zu Gott gehören.“ Für meine Frau und mich ist klar: Einen besseren Zeitpunkt gibt es nicht. Nicht, weil wir jetzt einen Glauben als Voraussetzung für die Taufe nachweisen könnten – darum geht es uns nicht. Nein, jetzt ist der Zeitpunkt, der Kairos, gekommen, an dem Elena die Taufe bewusst feiern kann. Und so war es dann auch.

„Ja“ Einige Wochen später. Elena antwortet auf die Tauf-Frage vor der ganzen Gemeinde mit den Worten: „Ja, ich will.“ Dann spürt sie das warme Wasser. Sie spürt, wie es über ihr Gesicht fließt. Sie spürt das Kribbeln im Bauch. Und sie hört Gottes Versprechen: Er sagt für immer uneingeschränkt „Ja“ zu ihr! Nimmt sie endgültig an als sein Kind.

Und dann wird gefeiert Nach dem Gottesdienst wird ein großes Fest gefeiert – und Elena feiert kräftig mit und verschläft das Fest nicht im Nebenraum wie viele andere Neugetaufte. Sie steht im Mittelpunkt. Sie durfte das Essen aussuchen, das es im Gemeindehaus für alle Gäste gibt – Verwandte und natürlich ihre Freundinnen. Es ist ein Fest, das sie nie vergessen wird. Es ist ihr Fest. Das Fest, an dem Gott „Ja“ gesagt hat – und sie mit ihrem „Ja“ eingestimmt hat in dieses göttliche Heilshandeln. Dieses Fest, dieses „Ja“ wird sie begleiten. Ein Leben lang. Sie hat es bewusst erlebt. Sie kann sich erinnern. Sie konnte einstimmen in dieses „Ja“. Darum lassen wir unsere Kinder erst später taufen. Pina Gräber-Haag und Markus Haag leben mit ihren Kindern in Oberstenfeld-Gronau. Schon vor deren Geburt haben sie sich für den Taufaufschub stark gemacht.

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Ich erinnere mich noch gut: Im Taufseminar im „roten“ Marburg besaß der Professor die Größe, den örtlichen Baptistenpastor einzuladen. Engagiert betonte dieser die Ernsthaftigkeit des Taufbegehrens und die Freiheit, dass ein Mensch Ja sagen müsse zum Geschenk der Liebe Gottes. Nicht weniger engagiert betonte der Theologieprofessor die Taufe als Geschenk, durch die das unbedingte Ja Gottes dem Menschen ohne Vorleistung zugeeignet werde. Muss dies ein Gegensatz sein? Das beschäftigte mich. Beide hatten mich überzeugt und fortan war ich auf der Suche, wie sich in einer verantwortlichen kirchlichen Praxis beides verbinden lässt: das Ja Gottes ohne menschliche Vorleistung und ein eigenes Ja, an das man sich erinnern kann. Wie sollten wir das bei den eigenen Kindern halten? Meiner Frau und mir war von Anfang an wichtig, dass unsere Kinder in ihrem kindlichen Vertrauen zu Gott bestärkt werden. Sie sollten ihre Taufe als ein Fest erleben und sich später daran erinnern können. Sie sollten zu Gottes Geschenk Ja sagen dürfen, ohne dem Druck eines frommen „Bekennens“ ausgesetzt zu sein. Da war es wie eine Befreiung, als der Oberkirchenrat eine Handreichung zur Segnung herausgab. Mein Ausbildungspfarrer erklärte sich bereit, unseren Säugling im Gottesdienst zu segnen. Die beiden Paten bekamen die Aufgabe, unseren Sohn auf seine Taufe vorzubereiten. Wo Eltern ihren Glauben im Alltag leben, lernen Kinder selbstverständlich Gott zu vertrauen. So zum Beispiel beim Tischgebet oder beim täglichen Gute-Nacht-Ritual. Oft sind wir erstaunt, wie selbstverständlich Kinder von Gott denken, wie sie uns beobachten und mit ihren Fragen he-

rausfordern. Und wenn der Papa Pfarrer ist, gibt es dafür sowieso genügend Gelegenheit. So war es keine große Überraschung, als unser Ältester im letzten Kindergartenjahr fragte: „Papa, wann werde ich eigentlich getauft?“ „Wann du willst! Wir laden dann die Großeltern und deine Paten ein.“ Kurz vor seiner Einschulung war es soweit: In einem Mini-Gottesdienst zum Thema „Wasser“ haben die Kinder das Taufwasser in kleinen Silberbechern mit den Händen gewärmt. Fröhlich stand der kleine Mann neben dem Taufstein und zündete stolz seine selbst gebastelte Taufkerze an. Die Bestätigung durch einen zukünftigen Schulkameraden tat ihm natürlich gut: „Ich finde es cool, dass du dich taufen lässt.“ Er durfte einen Freund einladen, nach dem Taufgottesdienst gingen wir schön essen und natürlich gab es tolle Geschenke. Gerne zeigt er heute, vier Jahre später, die Bilder von seiner Taufe. Für den Zweiten war es nicht mehr ganz so spannend, er hatte ja bereits gesehen, „wie das geht“. Aber dass er als Erstklässler sein eigenes Tauf-Fest bekam, war ihm sehr wichtig. Inzwischen quengelt bereits unsere Dritte, die kurz vor der Einschulung steht: „Papa, wann werde ich endlich getauft?“

Wo Eltern ihren Glauben im Alltag leben, lernen Kinder selbstverständlich Gott zu vertrauen.

Alexandra und Johannes Stahl leben als Pfarrfamilie in Eschenbach. Mit der Segnung ihrer Säuglinge haben sie gute Erfahrungen gemacht

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Synode aktuell

Wahlversprechen eingelöst Die Zitronen bewirken eine Änderung des Pfarrstellenbesetzungsgesetzes. Mehr Mitspracherecht für die Gemeinden ist möglich! Unsere Synodalen Martin Allmendinger und Kerstin Leuz berichten aus der Synode.

Kerstin Leuz, Jugend­referentin und Religionslehrerin, Oedheim

Martin Allmendinger, Diakon, Denkendorf

Unsere Synodale Angela Schwarz mit Nachwuchs bei der Synodaltagung

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Beim Wahlverfahren für Pfarrerinnen und Pfarrer wurde in der Frühjahrstagung der Landessynode auf Antrag des Oberkirchenrates mehr Mündigkeit der Gemeinden und mehr Transparenz in der Stellenpolitik des Oberkirchenrates erreicht. Vorausgegangen war ursprünglich ein Antrag von Kirche für morgen. Und dies ist das Ergebnis:

che für morgen unter Laienvorsitzenden der Kirchengemeinden hatte ergeben, dass viele die Stärkung des Mitspracherechts befürworten und dafür gerne ein längeres Auswahlverfahren in Kauf nehmen. Die Gefahr, dass damit die Entstehung von Richtungsgemeinden gefördert würde, verneinten mehrere Theologen in der Synode gesprächskreisübergreifend.

Mehr Mitbestimmung für Gemeinden

Finanzen: kfm steht zu Prioritätenprozess

Der OKR schlägt den Kirchengemeinden drei Bewerberinnen bzw. Bewerber zur engeren Auswahl vor. Er informiert gleichzeitig das Besetz­ungsgremium über weitere geeignete Bewerberinnen und Bewerber. Das Besetzungsgremium kann daraus eine vierte Person mit auf den Wahlvorschlag nehmen. Natürlich muss die zusätzliche Person der Veröffentlichung ihres Namens zustimmen. So ist es möglich, dass jemand, der von der Kirchengemeinde favorisiert und nicht auf dem Wahlvorschlag des OKR aufgelistet ist, doch noch in die Wahl mit aufgenommen werden kann. Dieser Antrag wurde gesprächskreisübergreifend befürwortet und von dem neuen OKR-Personaldezernenten Wolfgang Traub unterstützt. Auch Werner Schmückle, Mitglied der Lebendigen Gemeinde und stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses, setzte sich für den Antrag ein. Eine Umfrage von Kir-

Die Abnahme der Kirchensteuermittel verpflichtet die Landeskirche zu weiteren Sparrunden. Darum ist es dringend geboten, dass Oberkirchenrat und Landessynode am begonnenen Prioritätenprozess weiterarbeiten. Die Ergebnisse dieses Prozesses sind Grundlage für alle kommenden Einsparungen. Dazu müssen folgende Fragen beantwortet werden: Welche Arbeitsbereiche sind in unserer Landeskirche wichtig? Wie und wodurch werden Menschen durch Wort und Tat mit dem Evangelium erreicht? Die Synodalen von Kirche für morgen stimmen der Zielsetzung zu, dass das Pfarramt in der Fläche präsent bleiben soll. Das bedeutet auch, dass wir die Streichung weiterer Stellen im kommenden Pfarrplan 2013-2018 verhindern möchten, damit auch in Zukunft genügend Pfarrerinnen und Pfarrer ihren Dienst in den Gemeinden tun können. Ohne Hauptamt ist es schwierig, das Ehrenamt zu fördern. Die Förderung Ehrenamtlicher durch geeignete Fortbildungsangebote steht aber für Kirche für morgen an erster Stelle. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass sich unsere Landeskirche von einer Angebotskirche hin zu einer Beteiligungskirche entwickeln muss. Darum ist es Kirche für morgen wichtig, alternative Finanzierungs- und Anstellungsmodelle zu entwickeln. Auch eine Unterstützung von Fördervereinen liegt uns weiterhin am Herzen. Damit wird die Beteiligung der Basis an der Entwicklung unserer Landeskirche gewährleistet. Weiterhin fordern wir die Zusammenführung von Sonderpfarrstellen und Gemeindepfarrstellen.


Einladung Jahrestagung von „Kirche für morgen“

2011

Freitag 14.1.2011, 19.30 Uhr

Menschen vor Steine Nach dem Grundsatz „Menschen vor Steine“, der für die letzte Spardiskussion grundlegend war, halten wir es für notwendig, dass sich die Landeskirche in Zukunft von vorhandenen Immobilien trennt. Zudem müssen Wege gefunden werden, Bürokratie in der kirchlichen Verwaltung weiter abzubauen. Leider hat das neue Rechnungswesen, das mit dem Projekt „Wirtschaftliches Handeln“ eingeführt wurde, zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand geführt. Im Zuge dessen mussten neue Stellen im Bereich der Verwaltung geschaffen werden. Stellenzunahmen im Verwaltungsbereich und gleichzeitig Stellenstreichungen im Bereich der inhaltlichen Arbeit können jedoch nicht wegweisend für eine Kirche sein, die sich auf den Weg in die Zukunft begeben will.

FSJ UND ZIVI Nütze deine Chance!

Begeistert leben – Gottes Liebe entdecken Profil gewinnen – herausfordernd echt sein Etwas bewegen – Fähigkeiten einsetzen - wechselnde Arbeitsbereiche und Aufgaben - Begegnungsreise nach Rumänien - mehr als 50 Tage Studienzeit Für junge Leute von 18 bis 27 Jahren FSJ statt Zivildienst Beginn am 12. September 2010

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„Und sie bewegt sich doch“ Kabarettistisches, Erheiterndes, Nachdenkliches zu 10 Jahren „Kirche für morgen

Samstag 15.1.2010, 8.15 Uhr - 13 Uhr

„back to the future – die Gottesdienstpraxis der ersten Christen als Impuls für die Kirche heute“ Referent: Prof. Peter Wick (Uni Bochum) Mit Referat, Arbeitsgruppen Podiumsdiskussion

Schon heute laden wir alle herzlich ein Weitere Informationen unter www.kirchefuermorgen.de

Praxis für Therapie und Beratung Cornelia Kohler Systemische Familientherapeutin Heilpraktikerin Evangelische Theologie (Staatsexamen)

Einzelne, Paare, Jugendliche, Familien die in Lebenskrisen geraten sind die unter Stress, Angst, Depressionen oder anderen Belastungen leiden die Neuorientierung suchen, vielleicht auch in ihrer Gottes-Beziehung

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Zu guter Letzt

Joels erster Taufbrief „Ein Gruß von Ihrer Kirchengemeinde zum 1. Tauftag Ihres Kindes“

– so steht es auf der graphisch toll gestalteten Karte, die wir als Kirchengemeinde anlässlich des ersten Tauftages den Eltern und Täuflingen zukommen lassen. Auch mein Sohn Joel war dieses Jahr an der Reihe – und sollte den Brief bekommen. „Nun liegt die Taufe Ihres Kindes schon ein Jahr zurück. Gewiss war es ein schönes Fest…“ – so beginnt der vorgedruckte Text mit einfühlsamen Worten. Was dann kam, ließ mich herzhaft lachen: „In diesem Jahr ist Ihr Kind nicht nur groß geworden. Es hat auch viel gelernt. Es kann inzwischen krabbeln, vielleicht läuft es schon.“ O ja, er läuft schon. Joel ist sieben Jahre alt! – Wieder mal wurde mir schmerzhaft bewusst, wie eingleisig unsere Taufpraxis Ein Gruß ist. Zeit, dass sich das ändert. Markus Haag, Pfarrer

vo Ihrer Kirche n ng zum 1. Tau

emeinde

ftag Ihres Kindes

Eine Bärentaufe Die ganze Familie war bei einer Taufe eingeladen – eine Siebenjährige aus der Gemeinde ließ sich taufen, die große Schwester der besten Freundin unserer damals Dreijährigen. Tagelang war dieses Ereignis das große Thema in unserer Familie, wir erklärten die Bedeutung der Taufe und die Kinder fieberten dem Sonntag entgegen. Der Tag kam, alle standen mit dem Täufling vorne am Taufstein, unsere damals Jüngste mit ihrem heiß geliebten Teddybären im Arm. Die Taufhandlung war vollzogen, die Orgel spielte, wir gingen wieder auf unsere Plätze. Dieses kleine Durcheinander nutzte Henrike, um ganz schnell noch ihrem Bären was Gutes zu tun:

Sie ging zielstrebig zum Taufstein, langte kräftig ins Taufwasser und „taufte“ so ganz nebenbei eben noch ihren Bären. Erst dann konnte sie sich hinsetzen, fröhlich lächelnd und zu­frie­den. Jetzt konnte gefeiert werden!

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Claudia Bieneck

„Voneinander lernen – miteinander glauben“ Konvergenz­dokument der Baptisten und der bayrischen Landeskirche (siehe S. 7 in diesem Heft)

Auszüge aus dem Dokument: Voraussetzungen zum Gespräch „Wir verzichten auf traditionelle Argumente aus der konfessionellen Polemik, die auf Missstände oder Extrempositionen innerhalb der jeweils anderen Konfession zurückgehen. Wir gestehen einander wechselseitig zu, die Entscheidung zugunsten einer Taufform in Verantwortung vor Gott und dem uns anvertrauten Evangelium getroffen zu haben.“ (S.13) Zugeständnisse „Baptisten und Lutheraner können beide Taufverständnisse als unterschiedliche, jedoch legitime Auslegungen des einen Evangeliums anerkennen. Die Gewissheit, in der eigenen Lehre und Praxis dem Evangelium zu entsprechen, impliziert daher nicht, die davon unterschiedene Lehre und Praxis der anderen als nicht evangeliumsgemäß zu verurteilen, weil man in der anderen konfessionellen Tradition die wesentlichen Anliegen auch der eigenen Auslegung gewahrt sieht.“ (S.15) Praktische Folgerungen „Es besteht Einigkeit, dass Kinder und Eltern in der gemeindlichen Arbeit in besonderer Weise Zuwendung benötigen und Eltern bei der Weitergabe christlicher Glaubensinhalte unterstützt werden müssen. Die lutherische Seite erinnert ihre Gemeinden als Konsequenz ihrer Taufpraxis daran, einer an den christlichen Glauben heranführenden Arbeit mit Kindern und Jugendlichen besonderes Gewicht beizumessen.“ (S.19) Der gesamte Text des Dokuments kann abgerufen werden unter www.kirchefuermorgen.de/zitronenfalter bzw. www.kirchefuermorgen.de/downloads. Das Kapitel über die Taufe findet sich dort auf den S.13-19.


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