Grassierend März 2013

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Die Werbung und der Körper

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as ist der menschliche Körper? Biologisch betrachtet erfüllt der Körper mit seinen Organen lebenswichtige Funktionen. Dabei wird oft übersehen, dass der Körper auch eine soziale Dimension aufweist, denn viele unserer körperbezogenen Merkmale haben Symbolcharakter. Zum einen offensichtliche Dinge, wie Tätowierungen und Körperschmuck, die – gewollt oder ungewollt – Rückschlüsse über die jeweilige Person oder auf die Zugehörigkeit zu einer (Sub-)Kultur zulassen. Zum anderen gehören auch scheinbar subtilere und „natürlich“ anmutende Dinge, wie Gestik, unsere Bewegung, Körperhaltung dazu. Für gewöhnlich beachten wir diese Merkmale nicht. Erst, wenn sie scheinbar „unnatürlich“ wirken und damit unseren Erwartungen widersprechen. Dies macht eines bereits deutlich: scheinbar norm-ale körperbezogene Eigenschaften weisen eine geschlechtsbezogene „Codierung“ auf, da sie den Kategorien „eher männlich“ beziehungsweise „eher weiblich“ zugeordnet werden. Die Art und Weise, wie wir uns bewegen, unsere Körperhaltung und unsere Gesten werden erlernt. Durch Nachahmung, ständiges Wiederholen werden bereits Kindern typisch „weibliche“ beziehungsweise „männliche“ Verhaltensmuster beigebracht. Als Folge wird non-konformes Verhalten sanktioniert (z.B. durch abwertende Blicke). Diese Handlungsschemata werden außer-

en mit den Eigenschaften „unterwürfig“, „machtlos“, „passiv“ und „abhängig“ in Verbindung. Männern werden in der Reklame hingegen Eigenschaften, wie „aktiv“, „kontrollierend“ und „unabhängig“ zugeschrieben. Goffman kommt zum Schluss, dass die Werbedesigner und -industrie die geschlechtliche Codierung unseres Alltags aufgreift, für Werbezwecke instrumentalisiert und übertrieben darstellt. Das bedeutet, die Werbeindustrie stilisiert „was bereits eine Stilisierung ist1“. Über diese Schlussfolgerung lässt sich streiten. • Frauen werden (auf dem Rücken) liegend abgebildet Denn es stellt sich die Frage, – zur Signalisierung sexueller Verfügbarkeit. ob Werbung bloß die Wirk• Kinder und Frauen werden oftmals ähnlich dargelichkeit imitiert und überstellt: schüchtern, ängstlich, zerbrechlich. treibt, oder ob sie nicht auch • Männer werden meist standhaft präsentiert („starWirklichkeit schafft und bekes Geschlecht“) – Frauen hingegen in einer ungeeinflusst, indem sie beispielsschützt-hilfsbedürftigen Pose („schwaches Geweise (fragwürdige) Bilder schlecht“). kreiert, die unser Denken und • Die Hände der Männer sind kontrollierend, geballt, unsere Vorstellungen prägen machtvoll, bestimmend. Frauenhände hingegen und denen wir zu entsprechen umgarnend und zaghaft berührend. versuchen. Das bedeutet, dass • Der Mann als der kontrollierende/alles im Blick hadie Bilder der Werbung durch bende, die Frau als die Beboachtete. ihre Idealisierungen und stereotypen Übertreibungen auf die WirklichDie Beispiele verdeutlichen, dass die Werkeit zurückwirken und sie verändern. bung nicht nur mit alt bekannten Mitteln, wie nackter Haut und Sex, arbeitet, sonVon Dominik Gruber, Veronika Aschenbrendern auch subtilere Bezüge zu geschlechtsner, Caroline Sophie Huber bezogenen Stereotypen herstellt. Diese 1: Goffman, Erving (1981). Geschlecht und Werbung. Frankfurt am oftmals subtilen Merkmale bringen FrauMain: Suhrkamp, S. 328. dem kaum hinterfragt und muten uns daher als „natürlich“ an. Einer der prominentesten WissenschafterInnen, der bereits früh auf diese geschlechtsbezogene „Codierung“ körperlicher Eigenschaften und Verhaltensmuster hingewiesen hat, ist der Soziologe Erving Goffman. Unter anderem analysierte er in seinem Werk „Geschlecht und Werbung“ körperbezogene Eigenschaften, Verhaltensweisen und Gesten in der Reklame. Hierzu einige Beispiele:


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