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Seine Kraftquellen mit der Öffentlichkeit teilen
Die Natur, die Familie oder besondere Erlebnisse: Alle Personen haben unabhängig von ihrem persönlichen Hintergrund Kraftquellen. So bezeichnet Bernhard Brack vom Sozialdienst der katholischen Kirche im Lebensraum St.Gallen die Ressourcen, die in jedem Menschen stecken. Seit zwei Jahren sind sie Teil eines jeden Beratungsgesprächs. Nun wurde das Projekt mit Stand- und Busaktionen in der Öffentlichkeit bekannt gemacht.
Ich habe meine Kraftquellen erfahren, als ich Rettungsschwimmer war. Meine Kraftquellen sind die Kinder, die Natur und das Generalabonnement für kleine und grosse Fluchten. Und: Menschen hetzen – das ist ansteckend. Deshalb ist Ruhe meine Kraftquelle. Das sind drei von zahlreichen Aussagen, die Bernhard Brack vom Sozialdienst der katholischen Kirche im Lebensraum St.Gallen zusammen mit seinem Team vor dem Waaghaus gesammelt hat. Während zweier Tagen im Juni waren sie dort mit einer Plakataktion vor Ort, um ihr Projekt «Kraftquellen» in die Öffentlichkeit hinaus zu tragen. Ziel war, möglichst viele Kraftquellen von Passantinnen und Passanten zusammenzubekommen.
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Diese dienen nun als Ergänzung zu den Kraftquellen der Klientinnen und Klienten des Sozialdienstes. Seit 2020 ist es dort Teil der Beratungsgespräche, auf die persönlichen Kraftquellen zu sprechen zu kommen. Sich auf die eigenen Kraftquellen zu konzentrieren öffnet laut Bernhard Brack den Blick für die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen. Das wiederum helfe, Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden. «Das Projekt nun in die Öffentlichkeit einzubinden ist ein integrativer Ansatz», sagt er. «Denn alle Personen haben unabhängig vom ihrem persönlichen Hintergrund Kraftquellen. Und alle können mit ihrer Kraftquelle andere inspirieren.»
Nebst der Aktion vor dem Waaghaus waren die Krafquellen der Klientinnen und Klienten des Sozialdienstes daher auch während einer Woche auf den Bildschirmen in den St.Galler Bussen zu sehen. «Meine Kraftquelle ist, die Schönheit der Natur zu geniessen», war dort neben dem Foto einer Klientin zu lesen. Und neben dem Foto eines Klienten stand beispielsweise: «Meine Kraftquellen sind Begegnungen mit Menschen und die Natur.»
Durch die beiden öffentlichen Aktionen hat Bernhard Brack nicht nur zahlreiche weitere Kraftquellen sammeln können, sondern auch viele positive Rückmeldungen erhalten. Sowohl die Stadtparlamentarierinnen und Stadtparlamentarier, die gerade im Waaghaus tagten, Passantinnen und Passanten, Familie und Bekannte der Klientinnen und Klienten sowie Klimaaktivistinnen und -aktivisten vom Stand nebenan hätten sich vom Projekt angesprochen gefühlt. «Das Schönste für mich war zu sehen, wie die Kraftquellen nur so gesprudelt sind«, sagt er.
Ursprünglich hatte Bernhard Brack vorgehabt, mit anderen Ämtern wie den Sozialen Diensten der Stadt St.Gallen zusammenzuarbeiten und Kraftquellen auch dort als Teil jedes Beratungsgesprächs zu etablieren. Doch Ereignisse wie die Coronapandemie und deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen sowie der Krieg in der Ukraine stehen derzeit laut Bernhard Brack im Fokus vieler Ämter, so dass die Kapazitäten fehlen. «Es hat uns natürlich enttäuscht, dass wir unser Projekt nicht wie geplant weiterziehen konnten. Aber einfach nichts zu machen kam für uns nicht in Frage», sagt er. So seien sie im Team schliesslich auf die Idee mit der Bus- und Standaktion gekommen.
Eine Stärke des Projekts ist laut Bernhard Brack, dass es sich bei den Kraftquellen nicht um spektakuläre Orte in der Natur handelt und sie auch nicht im Zeichen von Leistung stehen. Vielmehr seien sie im Innersten eines Menschen verankert. «Damit ist es ein ressourcen- statt problemorientierter Ansatz», sagt er. Zusammenfassen liessen sich die Kraftquellen grob in vier Gruppen: Zum einen sind dies Kinder/Enkelkinder/Familie. Einige Personen finden ihre Kraftquellen im Meditativen, etwa wenn sie in der Natur unterwegs sind. Auch aus den Beziehungen zu Freunden und Bekannten schöpfen viele Kraft. «Und eine vierte Gruppe zeigt auf, dass nicht wenige ihre Kraftquellen in der Unvollkommenheit des Menschen finden», sagt Bernhard Brack. «Das ist schön und beruhigend zu sehen.» (nar)
Bild: Passantinnen und Passanten konnten vor dem Waaghaus spontan ihre Kraftquellen niederschreiben und an Pinnwände heften.