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Den St.Galler Wegkreuzen auf der Spur
Wenn die Tage wärmer werden, zieht es einen raus. Auch Spiritualität kann im Freien gelebt werden – zum Beispiel mit Spaziergängen zu den zahlreichen Wegkreuzen und Bildstöcklein, die in St.Gallen zu finden sind.
Über dreissig Wegkreuze, Bildstöcklein und Brunnen mit Heiligenfiguren gibt es in St.Gallen, so das Ergebnis einer Befragung der St.Galler Seelsorgerinnen und Seelsorger. Wahrscheinlich sind es noch einige mehr, denn viele Wegkreuze und Bildstöckli stehen auf privaten Grundstücken. Eine offizielle Liste gibt es nicht. So wie die genaue Anzahl unbekannt ist, liegt auch oft der historische Hintergrund im Dunkeln: Wollten die Errichter des Wegkreuzes Gott für ein bestimmtes, positives Ereignis danken oder einfach ihren Glauben sichtbar machen?
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Manche Wegkreuze wurden durch die Mithilfe zahlreicher Freiwilliger errichtet. Das wohl bekannteste Beispiel: das grosse Kreuz auf der Solitüde. Es steht an einem idyllischen Aussichtspunkt mit Blick über die Stadt, den Alpstein, den Bodensee und über das weite Land. 1963 zum ersten Mal errichtet, wurde es immer wieder, wenn ein Sturm es zerstörte, ersetzt, zuletzt 2015. Schon lange gilt dieses Kreuz als ein «Zeichen für das Quartier». Ein weiteres markantes Wegkreuz mit Aussicht kann man bei einem Spaziergang von der Solitüde nach Haggen entdecken: das Menzlenkreuz.
Manche Wegkreuze sind im Besitz des Liegenschaftsamtes der Stadt St.Gallen wie zum Beispiel das Kreuz bei der Abzweigung Maderstrasse/Hirtenstrasse in Rotmonten. Andere Wegkreuze wiederum dokumentieren Zeitgeschichte: Unterhalb des Nestweihers steht ein Steinkreuz. Wer es im Sommer entdecken will, braucht detektivisches Talent – es ist dann fast vollständig vom Laub bedeckt. Dieses Kreuz wurde 1849 errichtet in Erinnerung an das alte Grenzkreuz von 1460, das als einer von mehreren Grenzpunkten die Grenze zwischen dem Gebiet der Stadt und des Klosters markierte.

Wegkreuz bei der Abzweigung Mader-/Hirtenstrasse in Rotmonten
Bei der Fürstenlandbrücke gibt es den Christophorus-Brunnen zu entdecken. Die Skulptur des Schweizer Bildhauers Wilhelm Meier (von ihm stammt auch der Brunnen vor dem Globus) von 1944 zeigt den heiligen Christophorus in einer traditionellen Darstellung mit dem Jesuskind auf der Schulter. Aktuell bietet sich ein Spaziergang zu diesem Brunnen besonders an – auch wenn oder gerade weil in diesem Sommer Reisen nur beschränkt möglich sind: der heilige Christophorus ist der Schutzheilige der Reisenden. Und wer Lust auf mehr hat, der kann von St.Gallen aus ein Stück des Jakobsweges oder des Kolumbansweges absolvieren – beide führen durch das Stadtgebiet.

Christophorus-Brunnen bei der Fürstenlandbrücke
Wegkreuze und Bildstöcklein scheinen nicht so recht in unsere aufgeklärte Zeit zu passen und deshalb ist es auch kaum überraschend, dass man heute an ihnen vorbeispaziert oder -fährt, ohne sie bewusst wahrzunehmen. Viele Wegkreuze und Bildstöcklein stammen aus einer Zeit, in der Alltag und Spiritualität noch eng miteinander verknüpft waren. Menschen errichteten Kreuze auf einem Berg oder an einem Weg. Sie wollten damit Gott ihren Dank zum Ausdruck bringen, sich unter seinen Segen stellen oder ihm ihre Bitten anvertrauen. Vielleicht wollten sie aber auch zeigen, dass sie genau an diesem Ort etwas ganz Besonderes erlebt oder sich Gott nahe gefühlt haben. Diese Erfahrung wollten sie mit anderen teilen. Jeder, der kurz vor einem solchen Kreuz stehen bleibt, kann ein wenig daran teilhaben.
Gerade in der aktuellen Zeit können solche Zeichen positive «Mahnmale» sein. Sie ermuntern uns, Vertrauen und Hoffnung nicht so schnell aufzugeben. Wer vor einem Wegkreuz stehen bleibt, kann sich davon inspirieren lassen. Vielleicht formuliert man spontan ein Gebet oder lässt sich die Frage durch den Kopf gehen, welche Menschen einem Hoffnung machen – und für welche man ein Zeichen der Hoffnung sein könnte. Jedes Wegkreuz, jedes Bildstöcklein ist eine Einladung, mal anders spazieren zu gehen. Das geht allein, aber auch zu zweit oder zu dritt. Vielleicht entdeckt man so in diesem Sommer ein unbekanntes Quartier oder lernt sein eigenes Quartier neu kennen. (ssi)
Wegkreuze und Bildstöcklein (eine Auswahl):
• Gallusbrunnen in der Wassergasse • Muttergottes-Grotte beim Kurhaus Oberwaid (ehemaliges Haus der Baldegger Schwestern), Rorschacherstrasse 311 • Bildstöcklein Idda von Toggenburg, Iddastrasse 23, Heiligkreuz • Bildstöcklein an der Gerhaldenstrasse (zwischen Hölderlinund Rilkestrasse), Heiligkreuz • Bildstock in der Brauerstrasse 87, Neudorf • Bildstock in der Hueb, Verzweigung Hueb- und Leestrasse, Halden • Wiborada-Brunnen, St.Mangen

Gallusbrunnen an der Wassergasse