Heimat Wald am Arlberg

Kleine Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal 15

Heimat Wald am Arlberg Manfried Gantner

Museumsverein K L O S T E R TA L

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Manfried Gantner, Heimat Wald am Arlberg (Kleine Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal 13) Wald am Arlberg 2016.

ISBN 978-3-902319-24-1 Museumsverein Klostertal Haus Nr. 60a A-6752 Wald am Arlberg Tel: +43 664 4911474 christof.thoeny@museumsverein-klostertal.at www.museumsverein-klostertal.at Gestaltung: Christof ThÜny Lektorat: Barbara Winkler Druck: Thurnher Druckerei GmbH Š Museumsverein Klostertal. Wald am Arlberg 2016

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Inhalt

Einleitung

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Zum Thema Heimat

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Kindheits- und Jugenderinnerungen

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Schlussgedanken

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Biographie

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AuĂ&#x;erwald mit der Ronspitze im Hintergrund, links die Pension Radona, das Elternhaus von Manfried Gantner

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Einleitung

Einleitung und Überblick Christof Thöny hat mich eingeladen, zur Ausstellung von Anna-Lisa Engstler „So sen miar halt“ einleitende Worte zu sprechen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich - zunächst etwas Allgemeineres zum Thema „Heimat“ sage; auch was das Konzept „Heimat“ für mich selbst bedeutet und - dann einige persönliche Erinnerungen an meine in Wald am Arlberg vor nunmehr über 50 Jahren verbrachte Kindheit und Jugendzeit berichte.

Ich habe das Thema gerne übernommen. Die Inhalte der Rede zur Ausstellungseröffnung werden auch in der Kleinen Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal veröffentlicht. Sie wurden mit Bildern aus dem Bestand der Familie sowie aus der Sammlung von Georg Gantner illustriert.

Es ist für mich ein Anlass, an meine Kindheit und Jugend in den aufbaubesessenen 50iger und 60iger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu denken. In die Vergangenheit zu schauen, bedeutet Neuland in meinem Denken. (Bisher habe ich das nur getan, wenn ich einen Fehler nicht zwei Mal machen wollte).

Als Jemand, der an verschiedenen Orten lebte und arbeitete, ist es darüber hinaus interessant, über die Bedeutung von „Heimat“ nachzudenken.

Was könnte „Heimat“ für einzelne Menschen bedeuten? Offensichtlich sehr Verschiedenes. Das hängt sicherlich auch mit der vielzitierten „Gnade der Geburt“ zusammen: Wann, wo und in welche Familienumstände hinein man geboren wurde. Und dann natürlich mit der weiteren persönlichen und beruflichen Entwicklung, die in unserer modernen Welt nur wenige Menschen an jenem Ort ein ganzes Leben verbringen lässt, an dem man geboren wurde und die ersten Lebensjahre verbracht hat. Auch für „Nomaden“ gibt es zweifellos „Heimat“. „Heimat“ scheint ein spezieller Ort, eine Gegend zu sein, also zunächst eine räumliche Dimension aufzuweisen. Schnell aber merkt man auch, dass „Heimat“ emotional aufgeladen ist. „Heimat“ benennt dann „Vertrautes“, hat mit positiven zwischenmenschlichen Beziehungen, mit Geborgenheit sowie mit Etwas zu tun, auf das man auch stolz sein darf. Es ist Teil der individuellen Identität.

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Und damit steht „Heimat“ in deutlichem Kontrast zu etwas Fremdem und Unbekannten, das entweder Neugier oder zumeist aber Unsicherheit oder gar Ablehnung hervorruft. Jedenfalls sind als Folge dieser Dissonanz Anpassungen und Veränderungen im Denken und Handeln erforderlich.

Leo und Gisela Gantner mit den Kindern Gertrud, Marianne und Manfried

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Zum Thema Heimat

Allgemeinere Überlegungen zum Thema „Heimat“ „S‘ Hematle“ ist im Dialekt eine (liebevolle) Bezeichnung für einen (kleinen Berg-) Bauernhof, von dem heute niemand leben kann, auf dem aber in der Vergangenheit unsere Vorfahren doch irgendwie ein Auskommen finden mussten. „S’Hematle“ meine ich im Folgenden nicht.

Die „Kindheits-Heimat“ Ohne unser Zutun werden wir zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, in eine bestimmte familiäre Konstellation hineingeboren. Manche haben dabei unverschämtes Glück, anderen erwächst bereits daraus ein gewaltiger Startnachteil. Man spricht von der „Gnade der Geburt“ bei jenen, die dabei auf die Sonnenseite fallen, und manche, ja viele – die Einwohner von Ländern, Staaten und ganzer Kontinente – verwechseln diesen unverdienten Umstand später mit ihrer persönlichen Tüchtigkeit und gar moralischen Überlegenheit.

Wenn ich persönlich wenige Tage nach Ende des 2. Weltkriegs in Wald am Arlberg in eine im Wesentlichen vom Krieg unversehrte ländliche, gesellschaftlich ziemlich homogene Gegend, in eine unternehmerisch denkende Familie und zugleich einen größeren Kreis von Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen hineingeboren wurde und dort unbeschwert aufwachsen durfte, hatte ich sehr großes Glück: Eine schöne, erlebnisreiche Kindheit und die Entwicklung eines ausgeprägten „Heimatgefühls“ wurden dadurch grundgelegt.

Wenn ich solche Gedanken und die damit verbundene emotionale Prägung für mich anhand meiner „Kindheits-Heimat“ Wald am Arlberg konkretisiere, dann fällt mir dazu spontan ein: Der Ort, wo ich - geboren wurde; - die Kindheit oder einen größeren Teil der Jugend verbracht habe; - von den Bergen nicht nur die Namen weiß, sondern sie auch größtenteils bestiegen habe; - meine Jugendstreiche mit meinen ersten Freunden durchführen konnte;

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Der Ort, wo - sie so reden, wie ich, also z.B. in einem bestimmten alemannischen Dialekt; - ich seinerzeit gefragt wurde: „Wem ghörscht?“. Dies bedeutet Zugehörigkeit, Geborgenheit, Verwurzelung und befriedigt natürlich ein zutiefst menschliches Interesse: Dazu zu gehören, beschützt, verankert, geerdet und sicher zu sein!

- meine Eltern und beide Schwestern (Marianne und Gertrud (Felder)) sowie viele meiner Verwandten wohn/t/en, denen ich aus meiner Jugend viele positive Erlebnisse verdanke; - z.B. unser Wohnhaus (die frühere „Pension Radona“) und zwei Rund-Brunnen aus roten Radona-Steinen stehen, die noch mein Vater als Maurermeister selbst gemauert hat: einer bei der Kirche (halbrund) und einer auf Maschol (rund).

- am Friedhof viele Menschen die letzte Ruhe gefunden haben, die ich persönlich gekannt habe und auch das Grab unserer Eltern ist.

Wald am Arlberg ist dann - zusammenfassend - für mich ein Ort, - wo ich – wie eine Münze, die dann im Leben anderswo im Umlauf war und noch ist -, seinerzeit: „geprägt“ wurde. Menschen mit der gleichen Prägung teilen dann die Sprache, sie haben gemeinsame Erinnerungen und Erfahrungen. Sie haben, ferner - und das ist ganz wichtig - gemeinsame religiöse und kulturelle Wurzeln.

All diese oder ähnliche Ereignisse, Merkmale, Besonderheit machen eine Gegend, einen Ort und seine Bewohner unverwechselbar, prägen seine „Marke“, bestimmen seine Identität und tragen dazu bei, eine ganz besondere „Heimat“ für Menschen zu sein.

Diese Prägung bleibt ein Leben lang, wird dann aber durch den steten Gebrauch mit der Zeit natürlich etwas abgenützt: Das kann z.B. die Werthaltungen, Einstellungen oder die Sprache betreffen.

Um es positiv zu sagen: Diese Prägung ist eine wertvolle Basis für die vielen späteren Eindrücke, Erfahrungen und Erkenntnisse, die das Leben bereichern.

Die Erwachsenen-Heimat Jetzt sind wir schon langsam in das Reich der „Erwachsenen-Heimat“ hinübergewechselt. Nicht alles, was einem an einem konkreten Ort gefällt oder uns irgendwie an ihn bindet, macht dann gleich schon „Erwachsenen-Heimat“ aus: 10

Wald am Arlberg - die „Kindheits-Heimat“

Was einem ein Ort bedeutet, hängt vom Auge und den Vorlieben des Betrachters oder der Betrachterin ab. So können Einheimische und Gäste im Falle von Wald am Arlberg darauf stolz sein, dass - der auf dem Gemeindegebiet von Dalaas gelegene Formarinsee mit der Roten Wand im Jahr 2015 in einem ORF-TV-Wettbewerb zur schönsten Landschaft Österreichs gewählt wurde; - auf unserem Gebiet der Spullersee und die Sonnenkopfabfahrt liegt; - hier die spektakuläre Arlberg-Strecke der ÖBB über die RadonaBrücke vorbeiführt. Sie ist zwar nicht die Golden-Gate-Bridge oder die Europabrücke aber wunderschön stimmig gebaut, mit ihrer Natursteinverkleidung, ihrer entsprechend dem Bahnverlauf sanften Biegung und den hohen Durchlässen für den wilden und gefährlichen Radona-Bach.

Zu „Heimat“ kann aber auch ein gänzlich neuer Ort, eine neue Gegend werden. Aus beruflichen oder persönlichen Gründen ergeben sich im Leben Ortsveränderungen. Man lebt dann nicht mehr im 11

früheren Heimatort sondern lebt an einem anderen Ort und schlägt dort Wurzeln.

Beispiele für diese „Erwachsenen-Heimat“ sind für mich, der ich nun schon seit rd. 50 Jahren nicht mehr in Wald am Arlberg wohne und darüber hinaus dort auch weitere 10 Jahre nur mehr in den Ferien (die mit zunehmendem Alter meist Arbeitsaufenthalte im Familienbetrieb wurden) war, - ein (anderer) Ort, in dem ich schon sehr lange wohne, also „zu Hause“ bin. Der Hauptwohnsitz von meiner Frau und mir ist seit vielen Jahren Innsbruck. Dort sind mir die Berge, das Wetter, die Verkehrswege und die Mentalität der Bewohner vertraut.

Dort haben wir die Zeit unserer Ausbildungs- und intensiven Berufstätigkeit verbracht. Deshalb bin ich mit vielen Menschen dort bekannt, manche sind mir vertraut, mit einigen bin ich seit vielen Jahren befreundet. Dort konnte ich Spuren hinterlassen, z.T. gebaute Spuren und solche in der Einstellung von Menschen, mit denen ich beruflich oder privat viel zu tun hatte.

Darüber hinaus aber haben meine Frau und ich einige Lieblingsorte, mit denen wir beide emotional verbunden sind und die wir auch recht gut kennen. Sie waren und sind Orte, wo wir häufig unsere Urlaube und Ferien verbringen (durften), z.B. das Tessin und das Oberengadin in der Schweiz, Südtirol, die südliche Toskana und seit einigen Jahren auch, weil wir uns dort in der warmen Jahreszeit vorwiegend aufhalten, das wunderschöne und gastfreundliche Südburgenland. An all diesen Orten fühle ich mich eigentlich auch (fast) daheim.

Wenn ich jetzt noch erwähne, dass ich acht Jahre in Feldkirch im Internat war und über einen Zeitraum von rund 20 Jahren beruflich sehr oft – nicht zu Geldanlage-Zwecken, sondern als Forscher am Liechtenstein-Institut in Bendern bzw. an der Universität Liechtenstein in Vaduz – in Liechtenstein weilte, dann wiederholt sich die Aussage: Ich kenne und mag Menschen dort, weiß, wie der Alltag dort funktioniert und liebe vor allem auch die Berge und die Landschaft. Es ist für mich auch ein Stück Heimat, zumal die Vorfahren mütterlicherseits aus Liechtenstein stammen. Es dürften übrigens auch Walser gewesen sein, die sich am Triesenberg niedergelassen hatten.

Wien, wohin ich beruflich wohl über 500 Mal reiste, lasse ich - hier in Vorarlberg - jetzt einmal außen vor.

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EXKURS Aus aktuellem Anlass der derzeitigen, dramatischen Flüchtlingskrise in Europa mache ich jetzt einen kurzen Exkurs im Zusammenhang mit dem Thema „Heimat“.

Heimat hat immer etwas mit Abgrenzung, mit Eigenem und mit Besonderem vor allem in Sprache, Kultur, Religion und Mentalität zu tun. Man kann deshalb Heimat kaum ohne das Fremde denken.

Ich habe letzthin ein Magazin (Rotary Magazin, Oktober 2015) in Händen gehabt, dass sich – wohl auch aus aktuellem Anlass mit dem Begriff Heimat und mit Vertriebenen und ihren Traumata insbesondere der Deutschen unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg beschäftigt. Ich zitiere im Folgenden etwas ausführlicher aus dem Artikel „Geht doch da hin, wo ihr hergekommen seid!“, weil er uns dem Thema „Heimat“ noch – aus anderer Sicht - näher bringt. „Nach dem Zweiten Weltkrieg waren mehr als ein Fünftel der Deutschen Flüchtlinge und Vertriebene, in manchen Bundesländern sogar jeder Zweite. Sie sprachen Egerländisch, Schlesisch oder Ostpreußisch. Sie kamen als fremde Deutsche in den Westen, nicht freiwillig, sondern als Flüchtlinge und Vertriebene. „Pollaken“, „Zigeuner“, „Rucksackdeutsche“, Neigeschmeckte“ schimpfte man sie vielfach: Willkommen waren sie nicht.

Deutschland ist nach 1945 aus den Fugen geraten. Nichts war mehr wie früher. Der Aufbruch in ein anderes Land, in eine andere Landschaft ist zunächst einmal von Fremdheit bestimmt. Fremd zu sein ist ein Schicksal, das die Betroffenen oft nicht selbst bestimmen können. Fast immer werden sie aufgrund von Hunger, Krieg und Gewalt gezwungen, ihre vertraute Umgebung aufzugeben, in die Fremde aufzubrechen. Erzwungener Heimatverlust, etwa durch Flucht, Zwangsaussiedlung oder Vertreibung, bringt die Gewissheit vom geschützten Raum, vom Elternhaus, vom Dialekt der Kindheit, den Gerüchen der Küche, die von frühester Kindheit geprägte Gewissheit von Zugehörigkeit durcheinander.“ (Andreas Kossert, S.45 – 48).

Am Ende dieses Zitats hören wir schon die Begriffe, die uns „Heimat“ näher bringen: Elternhaus, Dialekt der Kindheit, Gerüche, Gewissheit der Zugehörigkeit.

Ich habe bewusst an ein Ereignis angeknüpft, das sich in meinem Geburtsjahr 1945 zugetragen und Menschen betroffen hat, die 13

Die Mitarbeit im elterlichen Betrieb gestaltete sich seit frühester Kindheit zu einem festen Bestandteil

Deutsch, wenn auch mit einem besonderen Akzent sprachen. Zwischenzeitlich haben wir in Österreich dann noch die Flucht aus Ungarn, aus der damaligen Tschechoslowakei und aus Ex-Jugoslawien erlebt.

Auch hier waren jeweils viele Zehntausende auf der Flucht in und durch unser Land. Sie haben ihre angestammte Heimat verlassen müssen. Unsere Sprache haben sie größtenteils nicht mehr gesprochen, kamen aber aus dem europäischen Kulturraum, aus unserer Nachbarschaft. Die Integration der Ungarn 1956 (180 000 Flüchtlinge kamen in/durch unser Land) und Tschechoslowaken 1968 (162 000 Flüchtlinge), die häufig sehr gut ausgebildet waren, gelang leichter als jenen aus Ex-Jugoslawien 1992 (90 000 Flüchtlinge). - Und jetzt sind wir mit sehr vielen Flüchtlingen aus einem völlig anderen, außereuropäischen Kulturraum konfrontiert.

Trotz unserer vielfältigen historischen Erfahrung und erfolgreichen Bewältigung früherer Flüchtlingskrisen wird diese neue „Völkerwanderung“ anders sein als die früheren und ist bereits dabei, Europa zu verändern.

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Fremde in Wald am Arlberg Bevor ich nun einige meiner Kindheits- und Jugenderlebnisse oder etwas aus jener Zeit erzählen darf, möchte ich noch etwas zur Bedeutung von „Fremden“ in Wald am Arlberg erzählen.

In Vorarlberg der 50iger und 60iger Jahre hatte man schon das tiefe Gefühl großer „Homogenität“. Da war ein großes „Wir“-Gefühl, vermittelt durch die gemeinsame Sprache des Alemannischen, durch die nahezu flächendeckenden Zugehörigkeit zur damals noch sehr einflussreichen Katholischen Kirche und auch durch die bedeutsame Rolle, die damals im Westen Österreichs (Stichwort: verhinderte Schiffstaufe in Fußach!) die ÖVP, als bedeutsamste politische Bewegung in Vorarlberg spielte.

Diese Einheit begann aber gerade damals abzubröckeln und machte einer größeren Vielfalt Platz. Es kamen die Innerösterreicher als „Gastarbeiter“ in die Textilindustrie, dann Menschen aus Jugoslawien und noch später aus der Türkei.

Im Klostertal und in Wald am Arlberg hat dieser Prozess der Aufnahme oder Begegnung mit den Fremden schon viel früher begonnen: Ich meine damit nicht den aufkommenden Tourismus.

Vielmehr war der Arlberg als bedeutsamer Pass zwischen Innerund Vorderösterreich und das Klostertal schon lange Zeit („über Jahrhunderte“) mit dem Fremden, den Durchreisenden konfrontiert und hat davon auch profitiert.

Mit dem Bau der Arlbergbahn in den 80iger Jahren des 19. Jahrhunderts kamen dann fremde Arbeitskräfte, vorwiegend aus dem Trient. In den 20iger Jahren des 20igsten Jahrhunderts wurde das Spullerseekraftwerk gebaut – und wieder kamen viele Arbeitskräfte von außen. In der Siedlung des Spullerseekraftwerkes haben ja auch immer Familien aus Ostösterreich Wohnung genommen, von denen sich manche hier assimiliert haben. Natürlich gab es da dann auch Vorurteile und Abgrenzungen: Die Innerwaldner („Eisenbahner & Rote“) vs. die Außerwaldner (eher bäuerlich, gewerblich und konservativ & dementsprechend „Schwarze“). Es gab übrigens nie eine Bewegung für eine eigene Gemeinde „Wald am Arlberg“, weil diese zweifellos einen roten Bürgermeister gehabt hätte und einmal in meiner Jugend war der Bürgermeister von Dalaas kurzfrstig sogar von der VdU, also ein „Blauer“.

In meiner frühesten Jugend wurde vorwiegend mit „Barabern“ – wie es damals keineswegs abwertend hieß – vorwiegend aus Kärnten 15

und der Steiermark das KW Innerbraz gebaut mit der Zuleitung der Alfenz im Tunnel. Ein großes Barackenlager für den Bau des Tunnels war in der Nähe und ein Tunnelfenster Schattenhalb auf der Höhe des Zimmereibetriebes Felix Gantner, meines Geburtshauses.

Zur gleichen Zeit war nach dem Krieg bis 1955 war ein Lager der „Französischen Besatzung“ in Innerwald. Ich habe noch am 15. Mai 1955 gemeinsam mit Josef Gantner den Abzug dieser französischen Truppen in einer langen Fahrzeugkolonne von Militärfahrzeugen beobachten können. Später kamen wieder andere Mineure und Arbeiter, um den Arlbergtunnel zu bauen…..

Wir waren also immer mit „Fremden“ konfrontiert und haben von deren Leistungsfähigkeit profitiert. Manche dieser Menschen sind auch hier geblieben und haben sich hier angesiedelt. Sie tragen italienische, ostösterreichische und jugoslawische Namen. Für sie ist Wald am Arlberg auch „Heimat“ geworden.

Blick auf Außerwald in den 1970-er Jahren

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Kindheits- und Jugenderinnerungen

Kindheits- und Jugenderinnerungen und ihre Einschätzung Mein „Einblick“ stammt aus der Zeit, in der ich dort aktiv und bewusst lebte. Im Jahr 1945 geboren, besuchte ich die Volksschule in den Jahren 1951 – 1956 in Wald am Arlberg. Ab dann, während der Mittelschule im Internat in Feldkirch (1956 – 1964), war ich nur in den Ferien in Wald am Arlberg und später als Student an der Universität Innsbruck auf Besuch bzw. habe ich im Familienbetrieb mitgearbeitet (ca. 1962 – 1971). Umso mehr fallen dann natürlich die jeweiligen Veränderungen auf.

Die unmittelbare Nachkriegszeit war von Optimismus und Aufbauarbeit geprägt. Kriegsfolgen wurden mir damals nicht bewusst oder spürbar. Es gab immer genug zu essen. Knapp waren zu Beginn aber die Baustoffe für den Aufbau: Auf Ziegel, Thorstahl, Zement musste man warten. Es gab so eine Art Zuteilungssystem.

Die wohl wirksamsten Erinnerungen habe ich – neben einer insgesamt sehr glücklichen Kindheit, die ich gleich schildern will – an die Lawinenunglücke von Blons und Dalaas. Die Lawinenkatastrophe von 1954 in Vorarlberg kann man im Internet nachlesen. Es fielen 2 Meter Schnee in 24 Stunden. In Vorarlberg gingen in der Zeit vom 10. bis 12. Jänner 1954 insgesamt rund 400 Lawinen, davon 150 Schadlawinen ab. Es wurden dabei 280 Menschen verschüttet und es waren 125 Tote zu beklagen.

Ich war damals neun Jahre alt und mit dem Vater beim Schneeräumen. Dann kam jemand zu Fuß von Dalaas und hat uns vom Unglück am Dalaaser Bahnhof erzählt. Kurz nach Mitternacht war dort eine gewaltige Staublawine von der Alpe Mähren auf den Bahnkörper bei Dalaas niedergegangen. Die Lawine traf die Lokomotive und einige Waggons eines im Schnee eingeschlossenen Personenzuges. Im Warteraum des Bahnhofs starben damals 10 Personen. Jene im Zug und jene im Gasthof „Paradies“ blieben unverletzt. Die schwere Lokomotive wurde vom Druck der Lawine um- und ein Waggon ein Stück den Hang hinuntergeworfen. Übrigens: In jenen Tagen - oder in einem anderen schneereichen Winter dieser Zeit - war die Bundesstraße so hoch verschneit, dass eine ganze Woche lang kein Auto mehr verkehren konnte. Nach dieser langen Woche kämpfte sich dann schließlich vom Bauhof Rauz herunter kommend eine einsame Schneefräse talauswärts.

Vom „Huber“ bis zu uns benötigte sie für eine zunächst schmale Spur eine volle Stunde.

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Beeindruckt hat mich in meiner Kindheit natürlich auch der plötzliche Herztod meines Onkels Karl Gantner, damals Bürgermeister von Dalaas. Ferner, der Unfall meines Onkels Johann, dem eine Kuh ein Horn in die Schläfe stieß und ihn schwerst verletzte und schließlich – im Dezember 1954 ein Föhnsturm, der meinen Vater, der in Dalaas zwischen der Turnhalle („Christbergsaal“) und dem VKW-Gebäude durchging, aushob und so durch die Luft wirbelte, dass er schließlich – mit einem doppelten Schädelbasisbruch hinter einem Stoß Rundholz gefunden wurde. Beide kamen mit dem Leben davon. Der Unfalltod meines Cousins Hermann Zortea, damals rund 18 Jahre und Zimmermannslehrling, und Jahre zuvor schon der Ertrinkungstod meiner kleinen Cousine Irene im „Annabächle“ – sie kam vom Weg ab, brach durch eine Schneewechte in den Bach durch und kam nicht mehr frei – haben uns in der Verwandtschaft und im Dorf damals sehr bedrückt.

Taufe von Margreth Gantner 1951 (vorne rechts als Zweiter ist Manfried Gantner zu sehen)

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Gruppenbild beim Gantner Cousinentreffen am 29. Juni 2008

Essen Weil damals körperlich noch hart gearbeitet wurde, gab es nach dem Morgenessen mit Riebel und Kaffee dann ein „Znüne“, dann das Mittagessen, am Nachmittag erfreulicher Weise eine Marende und schließlich noch ein Abendessen.

Zu jedem Haus gehörte für die Selbstversorgung ein Gemüsegarten. Für Obst war das Klima fast schon zu rauh. Auch kein Totalschaden: Es eignete sich immerhin für das Brennen von Obstler.

Den wiederum benötigte man jedenfalls zum Holzen oder Heuziehen. Bei den Bauern gab es dann und wann „Hausschlachtungen“.

Fleisch kam insgesamt wenig auf den Tisch. Fleischkäse war schon eine Delikatesse und Kalbsbratwurst war bei uns daheim das Traditionsessen am Hl. Abend. Die Bauern machten selbst Käse („Zigger“ und „sura Käs“ habe ich noch im Gedächtnis). Natürlich gab es viel Speck aus der Schweine- und Eier aus eigener Hühnerhaltung. Manche backten selbst Brot. Wir hatten selbst ein Schwein, das Abfälle von der Fremdenpension verwertete. Jedes Jahr bekam das betreffende Schwein einen zeitgemäßen Namen, eines hieß z.B. „Chrustschow“, ein anderes „Kadar“. Nicht alle Namen waren 19

so „ostlastig“. Eines hat jedenfalls ein wahres Massaker unter Mamas „Bibele“ angerichtet und 14 Stück gefressen. Nur die Glucke ist - ohne Schwanzfedern - durch’s Mistloch entkommen und ein Kücken konnte sich hinter Ziegeln in Sicherheit bringen.

Schule Zu meiner Zeit gab es in Wald am Arlberg eine zweiklassige Volksschule neben der Kirche. Das Gebäude wurde später (1983) abgerissen, um Parkplätze für die Autos der Kirchenbesucher zu schaffen. Die ersten vier Schulstufen bildeten die 1. Klasse, die 5.- 8. Schulstufe die 2. Klasse. Wir hatten ausgezeichnete Lehrer, zunächst in der 1. Klasse, Herrn Mair, der damals Probelehrer war – ich habe ihn heuer im Jänner (2016) im Montafon bei bester Gesundheit angetroffen. Dann kam „das Fräulein“, die spätere Frau Salzgeber. Nach dem Unterricht mussten wir uns jeweils im Stiegenhaus aufstellen und uns ordentlich mit einem gleichzeitigen, aber vielstimmigen „Auf Wiedersehen, Frau Lehrer“ verabschieden.

Der Gruß war also noch nicht „gegendert“.

Da ich 5 Jahre die Volksschule besuchte, war es natürlich überaus spannend, den Stoff nicht nur der 5. Schulstufe, sondern gleichzeitig jenen bis zur 8. Schulstufe zu hören. Schuldirektor Neyer war dort unser Lehrer. So konnte ich dann ganz gut vorbereitet ins Gymnasium wechseln. Streiche aus der Schule sind mir nicht in Erinnerung (Ausnahme: ein Schulausflug mit der Hochjochbahn, der für mich (aus Übermut) mit einem doppelten Kieferbruch endete).

Kirche Ich war damals altersbedingt weder bei der Feuerwehr noch bei der Musikkapelle. Die Harmoniemusik Wald am Arlberg hatte ja 2014 ihr 60ig-jähriges Bestehen, wurde also 1954 gegründet und hatte ihr erstes Probelokal im damals neu errichteten “Neuen Schulhaus“ auf Maschol, das auch als Feuerwehrhaus diente.

Eines Tages bekam die Kapelle eine neue Tracht, in der sie schon etwas hermachte. Kapellmeister Walter Mark führte die Waldner Blasmusik qualitativ in lichte Höhen. Und die Kapelle war ein gutes Bindeglied zwischen Inner – und Außerwald. Auch war ich nicht beim Skiclub.

Dafür war ich mit Georg Gantner und anderen zusammen Ministrant.

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Georg und Manfried Gantner bei einem Ausflug

Vor Pfarrer Kegele (1912 -2015(!)), 1961 aus Buchboden kommend bis 1999 Pfarrer in Wald, war der aus Tschagguns stammende, Geistliche Rat Johann Josef Fiel (*1879) ab 1903 bis zu seinem Tod 1960 Pfarrer in Wald am Arlberg. Interessant, dass in Wald am Arlberg über einen Zeitraum von fast 100 Jahren nur zwei Pfarrherren tätig waren. Was sie alles erlebt haben – und das nicht nur im Beichtstuhl!

Pfarrer Fiel hat, wenn die Ministranten Wasser und Wein nachzufüllen hatten, immer den Kelch fast heftig gegen das Wasserkrüglein hoch gestoßen, aber beim Wein gütig den Kelch gesenkt, sodass uns Ministranten fast nie etwas vom Wein zum Probieren übrig geblieben ist.

Einmal habe ich beim Bezirks-Ministranten-Tag in Bludenz - auch für mich überraschend - den 1. Preis gewonnen. Das habe ich Pfarrer Fiel in der Hoffnung mitgeteilt, dass auch ihm das Freude bereiten würde. Er hat aber nur gebrummelt: „Der Dumme hat’s Glück“.

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Pfarrer Fiel hat noch einen „Zwicker“ getragen, dessen Befestigung sich ganz tief in die Nase eingebohrt hatten. Auf so etwas schaut man als Kind. Genauso wie Lehrer Josef Neyer eine große, dicke Zunge mit ganz tiefen „Gräben“ hatte…..

Natürlich haben wir Ministranten – nur Buben-! sehr intensiv mit dem Kirchenjahr mitgelebt.

In der Kirche gab es die strenge Sitzordnung: die Frauen links, die Männer rechts. Die Kinder jeweils vorne – und dazwischen einige Bänke leer. Heizung gab es in der Kirche keine. Funktionskleidung auch nicht. Wollkleidung (Mäntel, Kappen und Handschuhe) sowie Garnstrümpfe waren die Materialien der Stunde.

Besonders anstrengend war auch für die Ministranten etwa die Kombination „Christ-Mette“, die damals noch um 24 Uhr - und später um 23 Uhr begann - und Frühmesse um 7 Uhr früh am Weihnachtstag. Und voll im Einsatz waren wir bei ungewohnten Liturgien, die eine erhöhte Aufmerksamkeit abforderten, auch in der Karwoche und über Ostern.

Da waren der vielbejubelte „Einzug in Jerusalem“ am Palmsonntag oder die Fußwaschung am Gründonnerstag und dann die abgrundtief-traurige Leidensgeschichte Christi am Karfreitag. Besonders beeindruckend war das Hl. Grab, das am Karfreitag bis Auferstehungsgottesdienst am Karsamstag im Altarraum aufgestellt war. Es bestand aus einer aufwändigen Konstruktion in der vollen Höhe des Hochaltars, die von Handwerkern extra aufgebaut wurde und große bunte Glaskugeln enthielt. Da die Glocken am Karfreitag bis Samstagmittag „nach Rom geflogen waren“, durften wir Ministranten natürlich nach Herzenslust die Gläubigen mit „Ratschen“ zur Messe einladen. Der Wettbewerb um die schönste, größte und vor allem lauteste Ratsche war dann eröffnet. Schön natürlich dann auch das Oster-Hochamt mit vielen „Allelujahs“.

In späteren Jahren durfte ich als Gymnasiast, weil ich eine gute Stimme hatte, die langen Lesungen der Liturgie in der Karwoche mit der Leidensgeschichte Jesu im Gottesdienst vorlesen.

In bester Erinnerung habe ich natürlich auch den Kirchenchor, der sich manchmal zu gewaltigen Juchzern verstieg und dann und wann auch völlig „vergagelte“. Und so wie man nach einem „Strom-Blackout“ große Mühe hat, die Spannung wieder herzustellen, lag es an der Sopranistin Krezentia („Zenzele“) und dem Bass Toni Margreitter, die Melodie wieder „hochzufahren“.

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Sportliche Betätigung im Schattenhalb

Von Interesse für uns Ministranten waren natürlich auch die Prozessionen.

Besonders aufregend war im Sommer eine Bittprozession der Waldner nach Dalaas, hinauf zur Kirche, die dem Hl. Oswald geweiht ist, um dort eine Hl. Messe zu feiern. Dabei wurde Rosenkranz gebetet: vom freudenreichen über den schmerzhaften bis zum glorreichen Rosenkranz. Der „Schmerzhafte“ hätte im Hinblick auf die Kondition besser am Ende gestanden! Umgekehrt pilgerten die Dalaaser gleichzeitig von Dalaas zur Kirche St. Anna in Wald am Arlberg und feierten dort ihre Hl. Messe. Am Rückweg trafen sich die beiden Prozessionen irgendwo zwischen Schnoggl, Radona- oder Landbrücke. Verkehrsbehinderungen entstanden auf der Bundesstraße dadurch keine, weil es kaum Verkehr gab. Unsere äußerste Bewunderung als Ministranten galt den starken Fahnenträgern: Die großen Fahnen hatten nicht nur ein Gewicht von bis zu 23

15 kg. Sie wurden in Köchern getragen. Besonders schwierig wurde es bei Wind, weil dann natürlich Bewegung in die Sache kam.

Die andere Prozession war zu Fronleichnam, wo sich der Zug mit dem Pfarrer mit dem Allerheiligsten unter dem „Himmel“ in Außerwald zu vier wunderschön geschmückten Altären vor Privathäusern begab: Der erste war bei Jakob und Kleopha Thöny, der zweite Altar bei Alwin Margreitter, dann ging es die Gasse hinauf zu den Salzgebers und der vierte Altar war beim „Türka Rosele“. In besonderer Erinnerung sind mir hier die Beflaggung der Häuser, die wunderschön gestickten Altartücher, die herrlichen dunkelroten Pfingstrosen, deren Blätter auch vor den Altären verstreut wurden, und nach dem langen Winter dort, wo die Prozession durch die Felder führte, das schon hohe Gras mit den schönen Blumen auf den Feldern.

Eine Prozession der anderen Art fand im Sommer täglich zwei Mal statt, wenn der „Gaßler“ (Geißhirt) beim Huber beginnend, die Ziegen die Bundesstraße heraus und dann die Obere Gasse hinauf für die große Wanderung nach Spullers hinauf einsammelte. Es müssen 60 – 80 Ziegen gewesen sein, die im Sommer jeden Tag diesen weiten Weg zurücklegten und am Abend mit vollen Eutern wieder beim jeweiligen Hof selbständig stehen blieben. Ein ganz denkwürdiges Exemplar eines ebenso großen wie ganz grauenhaft stinkenden Geißbocks stand bei Edmund Drießner im Stall.

Er hatte wunderschön gewundene, kampferprobte Hörner und den ganzen Respekt von uns Kindern. Wir gingen ihn extra besuchen.

Freizeit Natürlich half man zu Hause mit oder wir durften unseren Onkeln (Johann und Anton) in der Landwirtschaft helfen. Im Sommer war es das Heuen am Land, insbesondere natürlich aber „auf Glong“ – das wäre jetzt eine lange und eigene Geschichte, wie wir dort jeweils für eine Woche mit Ziege („Gaß“) und Sack und Pack hinaufgezogen und nach einem harten Tag im Heu geschlafen und uns von Riebel und Zichorie-Kaffee mit Ziegenmilch ernährt haben - , aber dann auch „Schattenhalb“, insbesondere am Tietschis.

In der „oberen Barga“ von Onkel Johann auf Schattenhalb erhielt ich übrigens als Gymnasiast von meinem Onkel Hermann, Mittelschulprofessor in Bludenz und später in Bregenz, Nachhilfeunterricht in Latein- und Altgriechisch. Wir haben den Esstisch von der Wand heruntergeklappt und die Bücher aufgelegt. Als alter Mann 24

hat er mir am 7.1.1994 dazu in einem Brief geschrieben: „Erinnerst Du Dich noch, wie wir einmal miteinander in einer Heubarge über der Alfenz drüben, „of Schattahalb“, dieses wunderschöne Altgriechisch vornahmen und Du öfters sagtest: „Jo, jetzt verston ich’s“, was mich unbändig freute“.

Aber jetzt wieder zurück zur eigentlichen Freizeitgestaltung, die das Heuen für uns Kinder darstellte. Am Land waren damals noch die Heinzen („Henza“) die Methode der Wahl zum Trocknen von Heu. Höhepunkt des Heuens war natürlich für uns Kinder das „Fuadertreta“, also das Heuverteilen und Festtreten hoch auf dem Heuwagen. Da hatten wir das Gefühl von „Verantwortung“ und „Gebrauchtwerden“, weil ja die Erwachsenen das Heu zusammenrechen und mit der Gabel hinaufstoßen mussten aber nicht am Schluss - wie wir Kinder - vom vollen Fuder hätten herunterklettern können.

Fernsehen gab es ebenso wenig wie einen Fußball- oder Tennisplatz. Wir hätten ja gar keine Mannschaft zusammen gebracht.

Später ist dann „Federball“ aufgekommen. Da musste man nur zu zweit sein. Auch gab es kein Schwimmbad, sodass ich Schwimmen erst als Erwachsener erlernte. Später waren es vor allem die schönen Bergtouren auf alle Berge rund um Wald herum und bis auf die Zimba und den Piz Buin, auf die wir uns freuten.

Im Winter bestand die Freizeitgestaltung im Freien aus Schneeschaufeln, vor allem aber waren Schifahren oder Rodeln mit aus heutiger Sicht abenteuerlicher Ausrüstung auf der selbst getretener Piste am Schloßbühel auf dem Programm. Wir haben aber auch z.B. am Sonntagnachmittag Brettspiele aufgelegt: „Mühle“, „Mensch Ärgere dich nicht“ und „DTK“ (Das kaufmännische Talent). Jassen habe ich zwar gelernt, aber es war eigentlich nicht unseres. In der warmen Jahreszeit nützte ich meine beim DTK erworbenen Fähigkeiten, um an der Straße „Maiglöcklein-Sträuße“ an Vorbeifahrende erfolgreich zu verkaufen. Für an geheimen Orten auf Schattenhalb selbst gepflückte Eierschwämmle hatte ich Abnehmerinnen im „Werk“ in Innerwald zur Hand.

Das Fernsehen gab es ja erst ab Beginn der 60iger Jahre in Schwarzweiß. Die Farbempfänger kamen bei uns erst in den 70iger Jahren auf. Allerdings weiß ich noch, dass mein Vater zu Beginn der 50iger Jahre jeden Abend in mein Schlafzimmer kam. Dort stand das Radio und er hörte sich interessiert die Nachrichten über den Verlauf des Korea-Krieges an.

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Gespielt haben wir als Kinder insbesondere am Bauernhof von Onkel Johann. Manchmal sind wir z.B. beim „Fängerlis“ so laut geworden, dass Tante Anne uns zugerufen hat: „Goga, tuan net so vächala“! Und große Höhepunkte waren die Spiele mit den Cousinen und Cousins und die nachfolgenden Jausen bei Tante Gertrud Zortea.

Bräuche Kein Brauch, aber eine Notwendigkeit war im Winter das Heuziehen von Glong. Allein das „Wegen“, also das Wegmachen dort hinauf, war eine gewaltige Herausforderung, ganz abgesehen von der halsbrecherischen Fahrt, mit der die Heuburden nach dem Heufassen zu Tal gebracht wurden. Aufgrund meines Alters war ich immer erst dabei, wenn es in der Folge eine festliche Marende beim Onkel Johann und der Tante Anna gab, wobei die Schaumrollen, den Höhepunkt des Genusses darstellten. Diese gab es sonst nur noch am Funkensonntag.

Als Brauch ist mir auch noch das „Bratenstehlen“ am schmutzigen Donnerstag, also am Donnerstag vor dem Faschingssonntag in Erinnerung. Als es mir einmal gelang, von Tante Rosa einen solchen Braten „zu stehlen“, musste ich ihn allerdings im Auftrag meiner Mutter wieder zurücktragen!

Zu Fasching gingen wir „Maschgeren“. Höhepunkte war natürlich der „Funkasunntig“, der Sonntag nach dem Aschermittwoch. Es musste Holz für den Funken erbettelt, der Funken gebaut und die Hexe (von Erwachsenen) obenauf befestigt werden. Die Dalaaser wurden mit einem Tratzfunken genarrt, weil es ja darauf ankam, dass der eigene Funken länger als jener im Nachbardort brannte.

Die Erwachsenen werden das „Ziehen eines Holzloses“ nicht als Brauch empfunden haben. Mich hat die Schilderung meines Vaters aber immer interessiert „of wellem Teifel doba“ (also an welchem unzugänglichen Standort) heuer die Bäume zu fällen und herunterzuziehen sein werden.

Gewerbe In meiner Kindheit und Jugend (1950 – 1965) waren in Wald am Arlberg, insbesondere in Außerwald einige bedeutsame Gewerbebetriebe mit dem Schwerpunkt des Absatzgebietes ihrer Leistungen 26

in den Gemeinden Dalaas, aber insbesondere in Klösterle (mit Langen und Stuben) sowie in Lech am Arlberg angesiedelt. Sie haben damals in der boomenden Aufbauphase der touristischen Infrastruktur am Arlberg einen sehr wesentlichen Beitrag geleistet.

Folgende Betriebe sind hier erwähnenswert: - Felix Gantner (Zimmerei, Sägewerk), ca. 8 - 10 MA (= Mitarbeiter) - Josef Steinhauser ( Spenglerei, später wohl auch Installationsbetrieb), ca. 8 - 10 MA - Tischlerei Hermann Leu, jetzt Ernst Leu (Tischlerei, ca. 8 -10 MA) - Leo Gantner (Maurermeister und Bauwarenhandel), ca. 15 -20 MA Darüber hinaus gab es noch zwei weitere Tischlereien: - Armin Salzgeber (Tischlermeister), Meisterbetrieb - Karl Bickel (Tischlermeister), Meisterbetrieb (Innerwald) Und eine Schuhmacherei - Karl Gantner (mit Meister Valentin Gantner) Wenn man das zusammenzählt, kommt man mit den Geschäftsinhabern und dem Büropersonal auf rd. 50 gewerbliche Arbeitsplätze, in denen vor allem Einheimische „Arbeit und Brot“ fanden.

Ein Großteil dieser Arbeitsplätze waren Ganzjahresarbeitsplätze und die Mitarbeiter waren entweder in Nebenerwerb Bauern oder wie in der Bauwirtschaft - im Winter teils im Schischulbereich tätig.

Das „Stempeln“, also der Bezug von Arbeitslosengeld, ist erst später modern geworden, weil der Sozialstaat erst später ausgebaut wurde. Dass diese Betriebe mit der beachtlichen Zahl heimischer Arbeitsplätze an diesem Standort nur zum Teil überlebten, hatte nicht nur mit fehlenden Betriebsnachfolgern sondern auch ganz besonders mit dem Ausbau der Bundesstraße nach Bludenz und ins Unterland zu tun. Wegen der viel kürzeren Winter hatten diese Betriebe „am Land“ Wettbewerbsvorteile.

Tourismus Parallel dazu nahm der Tourismus ab Mitte der 50iger Jahre und besonders in den frühen 60iger Jahren sehr stark an Fahrt auf, was sich in einem kleinen „Boom“ von Fremdenpensionen in Außerwald ausdrückte: - Pension Radona (Leo und Gisela Gantner) - Pension Thöny (Herbert und Trudi Thöny) - Pension „Saladina“ (Edmund und Hermine Drießner) - Pension Rüdburg ( Rosa Gantner) Dazu kam größere Anzahl von privaten Zimmervermietern.

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Schilifte gab es zunächst nur am Arlberg. Der erste Lift war Mitte der 30iger Jahre laut meinem Vater der Zürserseelift. Es gab ab den 50iger Jahren kaum ein Jahr, in dem nicht neue Lifte und Seilbahnen am Arlberg dazukamen und neue Abfahrten erschlossen wurden.

Für Dalaas und Wald am Arlberg bedeutsam waren natürlich der „Paludalift“ in Dalaas (1955), die Erschließung der Albona und vor allem die „Sonnenkopfbahn“.

Für den Sommertourismus bedeutsam waren damals das alpine Wegenetz und die Alpenvereinshütten, wie: die Kaltenberghütte, Ravensburger Hütte, Göppinger Hütte, die Freiburger Hütte usw.

Und wenn ich da eine persönliche Erinnerung anbringen darf: Das Baugeschäft meines Vaters war in den 50iger Jahren mit den Umbzw. Zubauten der ersten beiden Hütten betraut. Das waren jeweils seine Lieblingsbaustellen, weil er deren Beaufsichtigung mit ganztägigen Ausflügen in die Natur verbinden konnte. Seine Einschätzung änderte sich aber jeweils schlagartig, wenn im (frühen) September der erste Schnee von den Bergen herunter schaute.

Auch die neue Sennhütte am Dalaaser Staffel (1955/56) war so ein besonderer Fall. Da durfte ich im Sommer einige Wochen in der

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Baubaracke, in der die Arbeiter verpflegt wurden und wohnten, auf Spullers verbringen. Dort habe ich auch die lautesten Gewitter meines Lebens erlebt, weil der Donner aus dem engen Talkessel an den Abhängen des Schafbergs und von Schütz mehrfach wiederhallte und einfach keinen Ausweg fand.

Und natürlich fuhr man damals eine Runde mit dem Auto über die Silvretta Hochalpenstraße oder „Rund um’s Ländle“. Georg Gantner und ich sind als ca. 17- bzw. 16- jährige sogar mit dem Fahrrad (ohne Gangschaltung) in zwei Tagen rund ums Ländle gefahren.

In St. Christoph gab es schon damals die „Autoweihe“. Im offenen Cabriolet fuhr damals Weih-Bischof Bruno Wechner (vulgo „Bötschle Bruno“, weil er sich zu Beginn eines Hochamtes nicht nur den Bischofsstab überreichen sondern sich zur Mitra auch noch samtrote Schuhe überziehen ließ) segnend und Weihwasser spritzend durch St. Christoph. Bischof Wechner war nach der Abtrennung einer eigenen Diözese Vorarlberg deren erster Bischof und ein begeisterter Jäger.

Der Arlberg war damals - gottgewollt - eine der natürlichsten Grenzen der Welt. St. Christoph und vor allem dann St. Anton befanden sich nicht nur sprachlich sondern vor allem auch mental bereits auf einem ganz anderen Stern.

Infrastruktur Zur Infrastruktur eines Dorfes gehören neben Kirche und Friedhof zunächst Einkaufsmöglichkeiten aber auch Gasthäuser.

Ja, es gab damals auch noch zwei Lebensmittelgeschäfte in Wald: Für Innerwald: „Der Konsum“, für Außerwald: Herbert Leu’s Geschäft.

Gab es zu Beginn der 50iger Jahre in Außerwald noch das Gasthaus „Bären“ (Wilhelm und Rosa Thöny), so wurde später das Gasthaus „Jägerheim“ (Familie Huber) eröffnet. In Innerwald mutierte das traditionelles Gasthaus „Dürrenberg“ (wie es mein Vater zeitlebens noch nach einer früheren Bezeichnung nannte) zum Gasthaus „Spullersee“ (Besitzer: Anton Beutel).

Verkehrsverbindungen sind ein weiteres Element der Infrastruktur: Sicher, es gab die Bundesstraße und die zunächst noch ungeteerte 29

Obere Gasse. Und es gab den Bahnhof „Wald am Arlberg“. Allerdings liegt dieser bekanntlich einige Kilometer von Außerwald weg, von den Höhenmetern ganz zu schweigen.

Zu meiner Zeit (also während meiner Schulausbildung) gab es keinen Post- oder Schulbus nach Bludenz. So war ich unendlich dankbar, dass meine Eltern die Kosten für ein Internat („Stella Matutina“) in Feldkirch zahlten. Diese fehlenden öffentlichen Verkehrsverbindungen hatten u.a. für die Qualifizierungsmöglichkeiten der örtlichen Jugend, insbesondere von Außerwald große Folgen.

Der Gemeindearzt, damals Dr. Renner, der später nach Bregenz abwanderte, war ebenso wie das Gemeindeamt in Dalaas. Natürlich gab es auch keinen Krankenpflegeverein, dafür aber eine Hebamme.

Erwähnenswert ist, dass es damals über eine ganze Anzahl von Jahren (in den 50iger Jahren) nur gerade drei Gewerbetreibende in Außerwald ein privates Auto besaßen und bei diesen Betrieben insgesamt die gleiche Anzahl von Telefonapparaten verfügbar war.

Und wie gesagt: kein öffentliches Bus- Verkehrsmittel. Auch zunächst keine Traktoren in der Landwirtschaft, nur einen grüngestrichenen Traktor der Marke „Steyr“ des Zimmermeisters Felix Gantner in Außerwald.

Statt „Amazon“ gab es damals das Rankweiler Transportunternehmen „Nigg“. Dieser brachte und transportierte alles, was man aus dem Unterland beziehen wollte oder was bis nach Lech am Arlberg befördert werden musste.

Soweit mein kleiner Bericht aus meiner Jugend in Wald am Arlberg, so gut ich eben – in wiederholten Anläufen - die Vorkommnisse aus meiner Erinnerung hervorkramen konnte.

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Schlussgedanken

Alles, was ich vorher zu Wald am Arlberg aufgezählt habe, wie: -

Ort der Kindheit und Jugendzeit, Familie und Verwandtschaft, Zugehörigkeit, Geborgenheit, und Sicherheit, Prägung in sprachlicher, kultureller und religiöser Weise, Elemente der Identitätsbildung und Verbundenheit

gelten für mich völlig uneingeschränkt. „Da komm‘ ich her“. Das ist meine Kindheits-Heimat und damit bin ich wirklich auf die Butterseite des Lebens gefallen.

Den 2. Teil – wie das in einem Lied heißt - „Da ghör‘ ich hin“, kann ich aber leider nicht mehr bestätigen. Es ist anders gekommen und es sind mir andere Orte zur „Erwachsenen-Heimat“ geworden.

Diese „Erwachsenen-Heimat“ ist für mich dort, wo ich lange gelebt habe und meine Erwachsenen- und Berufszeit verbracht habe. Wo ich Wurzeln geschlagen habe, wo ich mich auch wirklich auskenne, wo ich mir liebe Menschen kenne, wo ich beruflich Spuren hinterlassen konnte und wo ich Freunde und Anerkennung gefunden habe.

Verleihung des Verdienstkreuzes der Stadt Innsbruck an U niv.-Prof. Dr. Manfried Gantner

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Wenn ich jetzt die lange Zeit zurückschaue, haben viele Waldnerinnen und Waldner zugeheiratet oder sind zugezogen – ich kenne sie nicht. Viele sind hier geboren: ich kenne sie nicht mehr. Viele sind abgewandert – die meisten habe ich aus den Augen verloren.

Viele Menschen, die ich hier in meiner Jugend gekannt habe und die im Dorf damals das Sagen hatten, ruhen jetzt am Friedhof.

So hat über einen Zeitraum von rund 50 Jahren, rückblickend wenig überraschend, eine weitgehende Veränderung der Bevölkerung in diesem Ort stattgefunden.

Wenn mein Großneffe und Neos-Gründer Matthias Strolz seinen Aussagen nach ab und zu Bäume umarmen soll, dann finde ich das sehr in Ordnung. In Analogie dazu kann ich dann sagen: Ich habe den Bäumen in den vergangenen Jahrzehnten beim Wachsen zugeschaut! So haben sich die Grün- und Waldflächen Schattenhalb im Zeitablauf sehr verändert. Dort bei „Fritsches Hüsli“, wo Georg Gantner und ich in der Jugend mit Skiern heruntergefahren sind, ist jetzt Wald (in Wald am Arlberg).

Und natürlich die S 16, die das Tal durchschneidet und arg verlärmt.

Nur die Berge sind unverändert geblieben. Viele Häuser sind dazugekommen, andere sind von Grund auf renoviert worden. Wieder andere erscheinen unverändert zu sein, haben aber eine neue, zeitgemäße Funktion bekommen, wie z.B. dieses Klostertalmuseum.

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Abbildungen Georg Gantner Umschlagbild vorne, S. 14, 16, 17, 19, 26, 29, Umschlagbild hinten Manfried Gantner S. 32 Marianne Gantner S. 4, 6, 12, 21, 31

Die Kleine Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal erscheint mit freundlicher UnterstĂźtzung der Gemeinden Dalaas, Innerbraz und KlĂśsterle, des Landes Vorarlberg sowie der Firma AXL Arlbergexpress Linienverkehr.

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