Karmachackhs protocol

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Frage aus der Crowd: Wie finden denn die ArbeiterInnen und UnternehmerInnen unsere westlichen Umtriebe? Gibt es auch vor Ort das Bestreben, die Produktionsmethoden zu hinterfragen? Solterbeck: Leider sind die Umstände vor Ort meist so, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter froh sind einen Arbeitsplatz zu haben. An dieser Stelle wird nichts von den Betroffenen hinterfragt. Im Management sieht das schon anders aus. Hier weiß man genau wie die Arbeitsverhältnisse in Europa sind, und orientiert sich daran, weil es auch Auswirkungen auf die Produktivität hat, das Arbeitsumfeld sozial zu gestalten. Aber Vorsicht: Das sind die Eindrücke die ich von unseren Kooperationsbetrieben habe. Diese sind bestimmt nicht repräsentativ für alle Betriebe. Wieviel zahlt Ihr denn den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Solterbeck: Wir zahlen an die Mitarbeiter direkt nichts. Wir sorgen dafür, dass Mitarbeiter unserer Firmen sich in so genannten Welfare Societies organisieren. Diese Welfare Societies (WS) bekommen von uns für jede aus dem Betrieb abgerufenen Lieferung 15% des Warenwertes auf ihr eigenes Konto überwiesen. WS's entscheiden dann gemeinsam und unabhängig von dem Unternehmen, wofür das Geld verwendet werden soll. In der Fabrik, wo die Karma Chakhs hergestellt werden, bezahlt die WS von den Prämien eine zusätzliche Krankenkasse für die Mitarbeiter, ohne die eine medizinische Versorgung in Pakistan nicht möglich wäre. Oder sie betreiben von den Prämien einen kleinen Supermarkt auf dem Firmengelände, in dem die Mitarbeiter zu günstigeren Konditionen einkaufen können. Auch werden Mikrokredite vergeben für Mitarbeiter, die sich mit einem Geschäft selbstständig machen wollen.

Zahlen eure Partnerfirmen denn den gesetzlichen Mindestlohn? Solterbeck: Das wird regelmäßig von den Auditoren der Organisationen FLO und GOTS überprüft. Wenn das nicht gewährleistet ist, wird das Siegel sofort entzogen. Aber auch wir kontrollieren das vor Ort, indem wir uns die Lohnabrechnungen von einzelnen Mitarbeitern zeigen lassen und sie persönlich befragen. Frage aus der Crowd: Worin unterscheiden sich die Karma Chakhs und der Ethletic? Solterbeck: Van Bo wird für seine Sneaker eine extra Sohle bekommen, für die extra neue Werkzeuge angefertigt werden. Ausserdem wird Van Bo eure Schuhe noch mit euren eigenen Ideen verschönern. In Zulieferfabriken ist es immer wieder zu Bränden gekommen, bei denen Menschen grausam ums Leben gekommen sind. Ursache waren verstellte Brandschutztüren durch Waren. Ganz ehrlich: Kannst Du aus Europa heraus kontrollieren, inwiefern Brandschutztüren verstellt werden? Solterbeck: Nein, das können wir nicht. Was wir aber machen können, ist vor Ort Hinweise darauf zu geben, wie man die Arbeitsplätze effektiver gestaltet und im Zuge dieser Veränderungen dann Platz für Fluchtwege schafft. Ein Menschenrechtler aus Malaysia hat in Berlin darüber referiert, dass in den Zulieferfirmen der Produktionsdruck das größte Problem sei. Die Firmen müssten innerhalb kurzer Zeit ein Vielfaches ihrer normalen Produktivität schlagartig erhöhen (Weihnachten oder wenn ein neues Produkt gelauncht wird). Bei den Karma Chakhs ist es so, dass wir den Firmen fast ein halbes Jahr Zeit geben, um knapp 500 Stück herzustellen. Ist es ein Problem, dass wir in den Wohlstandsnationen zu ungeduldig sind?


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