Pörtschach, Angerer-Schlössl, Zustand 2020 vor der Restaurierung. Foto: BDA/Petra Laubenstein
denk.mal Nur das „Schöne“?
Installation der IG KiKK von 67 „Kultur-Arbeitstischen“ auf dem Neuen Platz. Foto: Niki Meixner
wurden u. a. am 5. August auf dem Klagenfurter Neuen Platz in Form einer außergewöhnlichen Installation von 76 „Kultur-Arbeitstischen“ dargestellt. Bei dem Kolloquium Plebiszite als Akt der nationalen Selbstbestimmung (Kärntner Landesarchiv, 10. und 11. September), zu dem der Geschichtsverein für Kärnten Referent*innen aus Dänemark, Polen, Slowenien, Italien, Deutschland und Österreich geladen hat, wurden Beispiele direkter Demokratie erörtert. Internationale Forscher*innen werden am 7. Oktober auch an der Universität Klagenfurt im Rahmen eines ganztägigen Symposiums mit abschließender Podiumsdiskussion unter dem Titel Selbstbestimmung als Utopie? Volksabstimmung 1920 im europäischen Vergleich hinterfragen, ob und wie viel Selbstbestimmung als Ergebnis historischer Volksabstimmungen in Europa erreicht wurde bzw. erreichbar scheint. Ein weiteres Internationales Symposium: Arbeit & Demokratie. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft wurde am 24. September auch vom Institut für die Geschichte der Kärntner Arbeiterbewegung durchgeführt. Vor zehn Jahren wurden slowenische Flur- und Hofnamen in Kärnten in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO-Kommission aufgenommen. Um grenzüberschreitende Flur- und Hofnamen-Projekte im Alpen-
Adria-Raum zu vernetzen und den Erfahrungsaustausch für weitere Forschungen zu fördern, lud das Slowenische Volkskunde institut Urban Jarnik am 16. September zur Tagung Landschaft und Identität – Überliefertes Namengut als immaterielles Kulturerbe/Pokrajina in identiteta – Zemljepisna imena kot nesnovna kulturna dediščina. Auf dem Weg zu einer Alpen-AdriaFriedensregion. Interventionen zum Dialogprojekt „Peace Region Alps-Adriatic (PRAA)“ ist der Titel eines von Herbst 2020 bis Frühjahr 2021 stattfindenden international besetzten Workshops, der vom Slowenischen Wissenschaftlichen Institut veranstaltet wird. Zu diesem öster reichisch-slowenischen Dialogprozess erscheint eine Buchpublikation. Herausgeber sind Jan Brousek (Wien), Danijel Grafenauer (Laibach), Werner Wintersteiner (Villach) und Daniel Wutti (Klagenfurt). Abgeschlossen wird der Dialograhmen rund um CARINTHIja 2020 kommendes Jahr mit der internationalen Tagungsreihe Mehrsprachigkeit – Identität und Bildung. Von 8. bis 10. September 2021 wird gelebte Mehrsprachigkeit anhand zahl reicher Beispiele aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Gegenüber früheren Abstimmungsjubiläen wurde 2020 ein Ansatz gewählt, der nicht auf trennende, sondern auf verbindende Gedächtnisorte abzielt. Wer sein Gedenken nostalgisch-retrospektiv an historische Tatorte hefte, so der 2000 verstorbene deutsche Essayist Karl Markus Michel, hülle die Vergangenheit in eine Art „atavistische Folklore“ und bringe sie letztendlich zum Verschwinden. Ähnliche Gefahren birgt jeder ausschließlich emotionale Zugang zu historischen Objekten. Näherte man sich einem Denkmal derart an, ohne seine substanziellen Eigenschaften, auch die ihm inhärente, in anderen Zeitschichten begründete Fremdheit zu akzeptieren, beraubte man nachfolgende Generationen des Zeugniswertes und der Möglichkeiten, sich der Vergangenheit stets neu anzunähern. Das verdeutlicht ein aktuelles Beispiel aus der Praxis der Baudenkmalpflege. In der an Kulissen reichen Uferzone des Wörthersees ist auf der Halbinsel gegenüber von Maria Wörth eine Sommerfrische-Villa erhalten, die diesen Dokumentarwert besitzt. Das nach dem Auftraggeber benannte „Angerer-Schlössl“ wurde 1893 vom Wiener Architekten Alexander Graf geplant. Dieser war im Architektur-Büro Fellner & Helmer in die Kunst des Theaterbauens eingewiesen worden, was in zahlreichen von ihm entworfenen Stadttheatern, darunter der Volksoper in Wien und dem Slowenischen Nationaltheater in Ljubljana, seinen Niederschlag fand. Theaterartige Logenplätze auf den See bieten auch die von ihm gestalteten zwei Seevillen in Pörtschach. Ein Schmuckstück der Villenloggia sind die Fresken des Künstlers Carl Otto Czeschka, heute einer der bedeutendsten Vertreter der Wiener Werkstätte, dessen Nibelungen-Illustrationen vor drei Jahren bei Sotheby’s in New York versteigert wurden. Sie mögen aus heutiger Sicht vielleicht wie ein Fremdkörper wirken. Ihre Entfernung würde aber den Zeugniswert des Angerer-Schlössls schmälern. Wir verlören ein beredtes, kulturell bedeutendes Beispiel für das kosmopolitische Lebensgefühl von Wörthersee-Bauherren zur Jahrhundertwende. ● Geraldine Klever * 1967 in Klagenfurt am Wörthersee, seit 2003 im Bundesdenkmalamt, Abteilung für Kärnten, tätig.
● Stephanie Thaler Redaktion DIE BRÜCKE.
DIE BRÜCKE Nr. 20 | Brückengeneration 5
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