KoelnerLeben Februar/März 16

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Gesund leben

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bergehend und nur in geringen Dosen verschreiben. „Dabei sollte grundsätzlich der Hausarzt den Überblick über alle verordneten Medikamente haben. Außerdem müssen alle behandelnden Ärzte genau Bescheid wissen, was ein Patient alles an Arzneimitteln nimmt“, betont Dr. Manfred Lütz. Tanja Hoff, Professorin für Psychosoziale Prävention, Intervention und Beratung an der Katholischen Hochschule, meint ergänzend: „Ärzte sind sicherlich gefordert, Verschreibungspraktiken kritisch zu hinterfragen und zu prüfen, aber auch Patienten und Angehörige sollten für die Verschreibung von Medikamenten mit Suchtpotenzial stärker sensibilisiert werden.“ Schon süchtige Patienten können aber auch sehr fordernd sein, und auch Ärzte haben Angst, ihre Patienten zu enttäuschen. Christa Elvers erzählt: „Ich habe meinem Arzt gesagt, wenn er mir die Schlaftabletten nicht verschreibt, gehe ich woanders hin. Stolz bin ich nicht drauf, das so gemacht zu haben.“ Männer greifen eher zur Flasche Neben der Medikamentensucht bleibt die Alkoholsucht ein großes Problem: Obwohl in Deutschland zwar weniger Menschen trinken als noch vor einigen Jahren, ist die Zahl der Abhängigen gestiegen. Insgesamt gelten 1,77 Millionen Menschen als alkoholabhängig. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sind mehrere Hunderttausend Alkoholkranke älter als sechzig Jahre – nicht mitgerechnet jene, die einen problematischen Konsum haben. Jedes Jahr sterben 74.000 Menschen an den Folgen von Alkohol. Alkoholabhängigkeit ist keine Charakterschwäche, sondern eine

seelische Erkrankung, die jeden treffen kann, in jeder gesellschaftlichen Schicht. Insgesamt greifen jedoch häufiger Männer zur Flasche, wenn es ihnen psychisch nicht gut geht. So wie Erich Schütz*. „Ich habe fast vierzig Jahre lang gesoffen. Ja, gesoffen“, erzählt der 64-Jährige. Als er eines Tages Nachschub kaufen wollte, hinfiel und alleine nicht mehr hochkam, wurde ihm bewusst, „dass ich bald sterben werde, wenn ich so weitermache.“ Da hat sich endgültig „ein Hebel in meinem Kopf umgelegt. Ich wollte trocken werden“. Gehirn verlangt schnell nach dem Suchtstoff Doch wie kommt es eigentlich zur Sucht? Und warum ist man dieser Erkrankung so ausgeliefert? Der Grund ist eine Fehlsteuerung des Belohnungssystems im Gehirn: Suchtmittel stoßen verschiedene Botenstoffe an. Zum Beispiel jene, die Wohlbefinden auslösen. Das Gehirn lernt rasch, dieses bestimmte Suchtmittel als etwas Gutes wahrzunehmen. Bleibt dieser positive Reiz aus, entsteht ein unkontrollierter Wunsch danach. Und wenn die Wirkung der Droge trotz regelmäßigen Konsums nachlässt, versuchen die Suchtkranken die Wirkung mit immer höheren Dosen zu erzielen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Sucht als einen „Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge“. Das Leben und der Körper verändern sich Manche Menschen werden schon früh suchtkrank. Und jeder hat seine eigene Geschichte. Zuerst fühlt man sich vielleicht mit Alkohol oder Tabletten unbeschwerter, dann will man dieses gute Gefühl immer häufiger und später kann man gar nicht mehr ohne diese Substanz auskommen. Wieder andere Menschen werden erst im fortgeschrittenen Alter suchtkrank. Das aus verschiedensten Gründen. Die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, Krankheiten, das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, Einsamkeit, Armut oder der Auszug aus der vertrauten Wohnung können zur großen Gefahr werden. Solche Einschnitte führen zu emotionalen Stresssituationen, die – anders als in jungen Jahren – belasten. * Name von der Redaktion geändert

KölnerLeben Heft 1|16


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