Magazin für den lockeren Aufstand pornologisch


„ ERGIB DICH!“
Magazin für den lockeren Aufstand pornologisch
„ ERGIB DICH!“
Kann man in Liebe messen? Kann man bald sagen, dieser Tanz hat einen Wert von 45 Liebe? Fehlen da zwei Vögel im Schwarm? Kann man aus der Liebe heraus messen, wo die Liebe der Gerechtigkeit oder anderem Zeitgeist ausweicht, zurückweicht und einweicht bis sie zur geformten Substanz wird, obwohl sie Trieb und Stärke und auch Halt und Schwäche ist und formende Energie wird, wenn sie einen erwischt?
Liebe, die sich in die Tagebücher zwischen einer Notiz zum Wetter und dem dahinter zitierten Witz eines Mitschülers einfügen lässt? Ich liebe dich, in einem Tagebuch, das sich in einem Jugendzimmer zwischen die rechteckigen hochgestellten Fächer an das Biobuch, was schon durch zehn Hände ging und in den rechteckigen hochgestellten Fächern im Regal des Jugendzimmers von abertausend anderen Gleichwissenden, Gleichaltrigen, Gleichverliebten und gleich den neuen Schultag begrüßenden Gleichbleibenden anlehnt? Die in ihren Jugendzimmern mit seiner Poster- und Photofläche von zwei Quadratmetern Individualität eine quadratische wertlose Blase des Daseins bilden, um mit Lieblingsliedern von Milliarden ihr persönliches Drama zu besingen und dort in dieser Blase, in einem rechteckigen Haus, dessen Architektur einem die Bedeutung des Begriffes Lieblosigkeit als Symbol vorführt und wie die rechteckigen hochgestellten Fächer im Inneren sich in eine Grabsteinmeile zwischen die anderen Betonklötze einreiht? Wie könnte man dieser Statik die Liebe aus dem Beton reißen, die sich nicht als Gegner und erst gar nicht als Teil dieses Kampfes ansieht, die über diesem lethargischen Alltagsvietnam schwebt wie ein Vogelschwarm, der aufschreckt und sich aus dem Gehwegmüll und den identischen Bein- und Fußmoden erhebt um magisch davon angezogen auf das hohle, einsame, schrille Auge der Sonne zuzufliegen? Liebe darf vor dem Tod nie Liebe sein! Fehlen da noch mehr als nur wir zwei im Schwarm? Besser noch ich bin einsam verliebt als auf diesem Golfplatz voller Eisblumen, an deren Kälte die Bienen klebenbleiben und summend hinter dem eisigen Nebel verrecken, der von den Blüten aufsteigt wie Qualm, wie mein Atem im Winter, der schnell das Weite sucht um einzulochen. Wenn ich eine Welt hätte, ich würde sie dir anbieten. Ich nehme aber gerne deine! Ich liebe sie. Ich bin ein Verliebter – ich will meine Liebe! Bevor sie sich überrennen lässt von den Walzen der Dienstage und Mietüberweisungen, bevor sie sich kleinreden lässt in Liedern und Gesprächen über meine Zukunft mit meiner Tante, bevor sie sich mit ihren musikalischen Ohren gewöhnt an die dumpfen wie aus einem Sumpf kommenden, erstickenden Schläge von Herzen, an denen sie noch vorübersieht auf dem Weg zum Lidl, werde ich lieber einsam und gebe dem Panorama des Treibens zwischen den Viertelstunden gerade noch ein Schulterzucken, aber nur um zu verhindern, dass es hinterher noch auf mich zukommt, um zu fragen, was ich denke oder habe. Ich wüsste viele Antworten... ich habe was ich denke, ich denke nichts, ich habe Hunger, usw..., aber ich will nur noch zwischen die Speichen der Sekunden treten, bis das sichere Roulette stillsteht und man wieder setzen kann. Alles auf dich, alles auf die Liebe. Ich weiß lieber, dass ich mich verlieren kann, wenn ich in der Leidenschaft mit der Welt balze, als zu ahnen, dass zwischen uns nie so etwas Menschliches wie Blut fließen könnte. Sowieso kommt es mir so vor, als wäre das Blut der Welt weggespült und im Asphalt erstarrt, wo es von 120 PS starken eskapistischen Hektiken gepeitscht wird, was ich als Selbstgeißelung des 21. Jahrhunderts betrachten würde, und vor die ich mich nicht werfen will. Treffen wir uns einfach in den Kellern, schlafen wir auf den Dächern der Supermärkte, wenn wir so bei uns sein können, wenn es so Berührung gibt. Vielleicht zusammen einsam aber nicht mehr alleine auf der Flucht. Neu in dieser Landschaft, die aber so überwältigend ist, dass jeder Blick auf die Welt zurück unter einen Schatten fällt, der von ihrem dionysischen Schein auf die Menschen gedrückt wird. Für immer in dieser Landschaft, die vielleicht selbst nicht für immer ist, uns aber mit in ihren Strudel zieht, wenn sie zu ihren Gründen zurückkehrt und unseren Schatten aus der Welt löscht aus den Blicken der für Immer-Da-Seienden. tb0b
Roman, gebunden, 296 S., 18 Euro
Total perfekt ist nicht etwa das Leben von Martin, der auf dem ehemaligen Mauerstreifen an der Spree, mitten in Berlin in einem Bauwagen wohnt in einer Art Wagenburg, einem kleinen Gemeinwesen, das manchmal an das kleine gallische Dorf erinnert, das dem römischen Imperium trotzt. Gefischt wird in den Containern der Supermärkte und der Zaubertrank besteht aus Drogen und Tee oder Bier. Leider verleiht er nur kurze Zeit die Kräfte, die man zum Überleben in der Großstadt braucht, da hilft schon eher die Wärme eines Kanonenofens und die Solidarität der Szene: Bauwagenszene, Punkszene, Autonome.
Total perfekt ist die Gegenwelt der Sozialverwaltung, der Krankenhäuser und Hospize, der Knast ähnlichen Psychiatrie, Einrichtungen in denen Martin zunehmend einen Großteil seines Lebens verbringt: sein Freund Klaus wird sterben und auch sein Liebhaber Peer scheitert an dieser „perfekten“ Welt.
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Neben mir zu stehen, in einem Moment, wo die Zeit still steht, wo sich die Fluchtmöglichkeiten vor mir selbst aufheben.
„Wer bin ich?“, so frage ich mich und ich weiß genau, wollte ich mir eine Antwort selbst geben, wollte ich das Spiegelbild erklären, in das ich nun schaue, ich alle Absichten und alle Erklärungen über den Haufen schmeißen müsste. Das Spiegelbild meiner selbst: sehe ich tatsächlich mich, oder ist nicht schon die Feststellung, dass ich es sei, der sich mir widerspiegelt, eine Anmaßung, eine nur notdürftige, müde Erklärung, mit der ich mich zu trösten suche? Denn tatsächlich bin ich es nicht – weder bin ich die Person, die im Spiegel steht, er aber kann überhaupt fragen, wer er sei, geschweige, wer kann eine Antwort darauf geben?
Würde ich mich über mich definieren wollen, wollte ich sagen können, wer ich bin – ich müsste tatsächlich den Bestimmungsort, die eigentliche Identität ausmachen können, die diese Person beinhaltet. So aber trägt mich nur ein Temperament, das schwankt, das wechselhaft ist wie das Wetter. Wie sollte ich im Sonnenschein das gleiche Versprechen geben können wie im Regen, wie sollte ich das gleiche meinen können, was ich ausdrückte in einem Orgasmus und das, was ich sage in Nüchternheit. Ist es immer die gleiche Hand, die ich dir er bin ich? Wollte ich etwas dazu sagen, ich müsste eine moralische Beziehung zu mir erdichten, mir einen eigenen Gott bauen –eine Allmächtigkeit meines Seins. Täte ich dies, so hätte ich zumindest die Befreiung zu sagen, dass ich glaubte, dass ich es bin, der ich bin. In diesem Glauben legte ich mir kurzerhand Selbsterkenntnisse ir
zurecht, die mich beschreiben könnten; ja, ich baute mir eine Person über meine Person auf – ein Über-Ich, auf das ich all meine Rechtfertigungen, meine Verzweiflungen malen könnte. Ich wäre fortan ein Glaube, eine Gestalt eingebettet in Geschichte, Zukunft, Vergangenheit, wäre ein Mensch mit einer eigenen Komplexität – ich wäre ein kausaler Mensch. In dieser Form wäre ich ein Gebilde, welches über all seine Regungen, über all sein Tun Kontrolle hätte, ein Mensch des Glaubens, eines Glaubens an sich. Und all das, was er nicht weiß in diese Figur einzuordnen – und das wird viel sein – umgibt er mit einer Aura des Geheimnisses, eines Geheimen, was immer wieder zurückgeführt wird in das Konstrukt, das er sich selber geschaffen hat. Und selbst die Träume wird er in diese Tiefen versinken lassen, einsperren, damit auch sie seinem Glauben zur Rechtfertigung dienen können.
Ist aber der Glaube, dass es ein Ich gebe, nicht vielmehr ein Bezug hin zum Glauben als zu sich selbst? Ist nicht das, was ich über mich selber auszusagen imstande bin nur ein Bruchteil dessen, woraus ich tatsächlich geschaffen wurde? Ich weiß nicht einmal, in welchem Rhythmus mein Herz schlägt, wie meine Blutbahn sich verhält, meine Gehirnströme funktionieren, ich weiß nicht einmal, warum ich morgens aus dem Bett gekrochen komme und welche Energie mich dazu antreibt, ich weiß nicht, warum mich das Leben am leben erhält und welcher Zufall mich aus der Gebärmutter getrieben hat. Ich weiß nur, dass es kein „warum“ gibt, denn jedes warum hat immer nur die Absicht zur Folge, danach zu fragen, wer ich nicht bin. Wenn ich mich über mein Ich befragen wollte, kann ich als Antwort höchstens einen Wunsch formulieren. Jede Antwort kann sich nur aus einem künstlichen Bach schöpfen, den ich selber angelegt habe, den ich selber abgrenzte, um alles andere auszugrenzen.
Heute hätte ich Tränen vergießen können über ein Bild, das ich in einer Zeitung sah: ein mumienverzierter Mönch, jetzt ausgegraben nach 280 Jahren, blickte mich an. Sein rechtes Auge war noch immer verschlossen, das andere bildete eine Höhle, seine beiden Unterarme waren von ihm abgefallen. Er saß noch aufrecht und vor allem im Lotussitz – eine ergreifende Wirkung. Das Leben abgefallen von ihm und trotzdem noch dieses Symbol des Lebens, welches alles überdauerte. Niemand kann mehr von einem Ich bei IHM reden und trotzdem ist das Ich noch in der Figürlichkeit vorhanden. Nichts würden wir mehr wahrnehmen können, wäre dieser Mönch in sich zusammengefallen, zu Staub und Asche vergangen, nichts, hätte er seine Formen verloren – so aber sitzt er aufrecht und nimmt eben ei-
glauben an eine bestimmte Individualität, doch was hat sie zu bedeuten?
ne bestimmte Haltung ein; benimmt sich wie ein Schlafender, der jeden Augenblick die Augen öffnen könnte – aber wir wissen er macht es nicht, nur er könnte es, weil er diesen Ausdruck beibehalten hat. Ja, er wird noch geheimnisvoller dadurch, dass er sich nicht äußert, sich auch gar nicht äußern kann – er hat seine Stummheit mit in die Ewigkeit genommen. Diese Stille, diese Regungslosigkeit, dieses für immer verschlossene Gesicht ist es, was bezaubert. Ein Gesicht das unangreifbar erscheint, das eine Leere widerspiegelt, in der man sich, sobald man sie betrachtet nur selber wieder finden kann. Ich beobachte diese Mumie wie ich einen Schlafenden beobachte. Einen Schlafende, der seine Augen verschlossen hat und schweigt und gerade weil er schweigt, kann ich alles in ihn hineinpacken. In dem Schlafenden liegt eine gewisse Liebe, denn ich kann ihm alles geben und er muß nichts erwidern. Das ist die Macht des Fotos: es bewegt sich nicht, es spricht nicht. Sobald ich eine Fotografie aus vergangenen Zeiten betrachte, wird mir die Leere dieses eingefangenen Augenblicks bewusst, wird mir bewusst, dass dieser Moment mir nie wieder etwas zu sagen hat, sich ein Vakuum offenbart, das ich füllen kann mit all den Empfindungen, die ich jetzt in diesem Augenblick zur Verfügung habe.
Die Fotografie meiner Mutter, der Moment, die Umgebung, in der sich Mutter befand – jetzt bin ich Herr über das Vergangene, über all das, was dort geschah, ich baue mir ein neues Bild auf. Ich, der Lebende, bin der Akteur, der Regisseur, der Handelnde. Die Vergangenheit ist immer Einbildung, die Vergangenheit ist immer aus den Bildern gespeist, die ich in die Gegenwart übertrage. Es gibt keine Vergangenheit, sondern nur Erinnerungen davon. Das Foto wirkt, weil es leer ist, leer auf eine besondere Weise, nämlich dadurch, dass es dem Betrachter die Möglichkeit gibt seine Betrachtungen hineinzusetzen. Indem wir das Foto betrachten, betrachten wir ein Stück von uns und vereinnahmen es mit dem Foto. Es ist eine gegenseitige Beeinflussung, denn auch das Foto verändert den Betrachter. Dass das Foto verändern kann, ist vielleicht das Wesentliche. Was muss das Foto bewirken, um diese Veränderung zu betreiben? Wie kann es in einer Menge unendlicher Bilder überhaupt so eine Art Aufmerksamkeit auf sich richten? Gerade in der jetzigen Bilderwelt scheint es schier unmöglich, dass ein Bild noch eine Attraktivität hervorrufen kann und trotzdem gibt es Bilder, die wir in uns speichern. Es muss also eine Art Berührung zu einem Selbst erfolgen, damit wir in einem Bild noch etwas wahrnehmen können, es muss eine Vorstellung vorhanden sein, die wir einem Bild beilegen. Jegliche Traurigkeit liegt nie außerhalb von uns, sie ist immer in uns selbst begraben. Ich weine nicht über den Schmerz, der anderen zugefügt wird, allzeit weine ich mit meinem Schmerz, den ich über die anderen erlebe.
Was sagt das Foto aus, das ich aus dem Jahre 1910 betrachte, dieses vergilbte Ding, vor dem ich stehe. Eine Gruppe von Menschen posiert in einem Augenblick, ein Lächeln eines Mannes, dahinter erkenne ich bei längerer Betrachtung das unaufgeräumte Regal – ein Zeichen von Leben: die Gruppe sitzt um einen Tisch herum, ein Mädchen blickt in die Kamera, eine Frau beugt sich zu einem ande-
ren Mann. Wer ist der Mensch, der das Foto schießt – für immer bleibt er im Verborgenen; er wird ein Opfer der Vergessenheit sein; zuerst wussten es noch die Fotografierten, jetzt aber kann sich keiner mehr erinnern. Das Foto ist ein Grab – ein Grab der Momente, eine geheimnisvolle Stille aus einer Zeit, wo es dieses Leben gab. Das Foto ein Zeugnis des Vergänglichen und aber auch des W iederkehrenden. Was in dem Foto wiederkehrt, ist meine Betrachtung, es kehrt nicht wieder, wie es einmal war, es kehrt wieder, wie ich es empfinde, dass es wiederkehren soll. Ich brachte es zum Leben, indem ich die Starrheit zur Bewegung brachte, aus dem Foto einen Film machte, einen Film, den ich mir vorstellte. Was mich darin berührte, war das Vergängliche, die Gruppe, jeder Einzelne, jede Einzelne, die Kleidung, die Küche, das Haus, in dem sich die Küche befand, das Haus, das lange nicht mehr steht, die Menschen die lange schon vergangen sind – wie haben sich ihre Gesichter verändert, wie ihre Umgebung, was passierte? Ich bin es, der die Fragen stellt, ich bin es alles, auf das ich es beziehe, ich, der sich daran berührt.
Berührt sich denn auch die Liebe? Ich meine: was berührt sich in der Liebe, die doch nur dann eine ist, wenn sie wirklich triebhaft ist, wenn sie von einer Situation zeugt, die die Sinne entsinnt, das Herz schneller pochen und den Schlaf zum Alptraum werden lässt. Ist nicht auch die Liebe, die sich so sehr auf die Person des Äußerlichen bezieht, auch nur eine Betrachtung des Selbst? Ist diese überraschende, diese überwältigende Begegnung, nicht auch nur ein Bild, das schlummernd in uns immer ruhte und nun eine Erschütterung erfährt, sodass man sich fragt, ob es denn überhaupt die Liebe zu einem anderen ist, die uns bewegt, oder ob da Andere nicht „nur“ Auslöser zu diesem Ausbruch ist? Kann es überhaupt unegoistische Verhältnisse zu anderen Menschen geben? Ist die Liebe wirklich die-
ses Selbstlose, was ihr so oft nachgesagt wird? In der Tat, man wird sich in der Liebe verlieren, man wird darin aufgehen –und wer glaubt aus ihr genauso hervorzugehen, wie vorher, wird sich was vorgemacht haben, wird diesen Trieb nur falsch gespielt haben. Wer nichts an seiner Substanz hatte einbüßen müssen, wer sich nicht darin verbrannt hat, nicht in ihr zugrunde gegangen ist, sich darin nicht überhöht hat, wer nicht diesen Verrat darin genossen und verachtet hat, der ist ein schlechter Akteur. Diese Liebe hat nichts mit der „Liebe“ gemein, die als Ideal dargestellt wird, verbreitet von diversen Boulevardblättern oder von der Gesellschaft als ein Ding, das es zu erreichen gilt; dies sind allerhöchstens Sehnsüchte der Geborgenheit. Vielleicht ist Liebe eher mit einem Kampf zu vergleichen, einem Kampf mit sich selbst, wobei das Selbst sich zu verlieren beginnt.
Ich kann, bin ich Liebender, in der Liebe nichts Objektives mehr wahrnehmen; mit einem Male sind andere Dinge entscheidender, die mich berühren. Es ist wie mit einer Melodie: Zeichen liegen darin verborgen und es sind diese uneinfangbaren Zeichen, die zur Erregung führen. Der Klang der Stimme, der Tonfall, die Bewegung des Ganges, der Augenaufschlag, die Handbewegungen, der Kuss – die Gedanken, die von diesem Gang getragen werden, die Sprache, die diesen Augenaufschlag zur Folge hat, diese Handbewegung, die den Klang unterstreicht, mit diesem Gang, mit diesem Kuss ...
Die Persönlichkeit ist bedroht, eben weil sie kaum noch auszumachen ist. Das Persönliche, eh ein schlecht zurechtgeschustertes Werk, was sowohl vor der Gesellschaft als auch vor der Unbequemlichkeit schützen sollte, zeigt jetzt, in der Liebe, wie wenig Standfestigkeit es tatsächlich zu geben vermag. Im Gegenteil sind die einmal aufgebauten Werte und Ideale, die zu dem Schluss führen, das sei ICH, nun mit einem Male hinderlich für den freien Fall in diese Exogenität, für dieses von außen eindringende Wesen. Glaubte ich
einst, alles gewesen zu sein, finde ich mich jetzt wieder in einer zerstückelten Sinnlosigkeit – etwas hat mir das ICH durchtrennt, ich bin nicht, der ich bin – ich bin ein anderer im selben Körper. Durchrissen hat mich eine Begegnung – aber was war ich denn vorher? War ich nur eine Aushebelung der Lust, indem ich glaubte, dass ich das bin, was ich glaubte zu sein? Jetzt in der Verlustwerdung meiner Person stelle ich schmerzhaft fest, dass die Person, die ich glaubte zu sein, ein billiger Film war, der abgedreht wurde, ein Film mit gesellschaftlichen Vorgaben.
Wir sitzen in einer Talkshow immer wiederkehrender Darstellungen. Wir käuen alles von vorn, wer wir sind, was wir erlitten haben und wie schmerzlich doch die Kindheit war und was wir zukünftig vor hätten – wie die Kuh das Gras. Wir sind Zuschauer und Akteure zugleich in dieser ewigen Runde. Fast schon mag man glauben, alle seien gleich und alles sei nur eine Wiederholung dessen was vorher war. Die Kartenleserin mischt die Karten und gibt Antworten, die immer zutreffen, weil die Probleme immer die gleichen sind.Und als oberste Instanz hämmern die Medien ein, nicht den gemeinsamen Weg zu verlassen. Wir kranken an einem Virus, der Gemeinsamkeit heißt . Wir laufen Gefahr, uns bald nichts mehr zu sagen zu haben, weil wir uns sowieso schon gut genug kennen. Alles entartet in Nettigkeit, wo jegliche Geheimnisse verkleistert werden und selbst das Geschlechtsteil öffentlich zur Schau getragen wird. Man fragt sich, wann endlich erzählt uns jemand wieder etwas, was nicht in der Zeitung stand, wann wird man überrascht davon, wofür es keine Vorgaben gab. Gewiss, es gibt nicht zuviele Individuen, es gibt deren viel zu wenige. Seit der Psychoanalyse haben wir es mit einem inflationären Bild von einheitlichen Subjekten zu tun, die scheinbar allesamt ihren Bezugpunkt in der Kindheit hatten. Es gebärden sich seitdem Menschen, deren Verhalten einzig und allein kausal bedingt zu sein scheint. Warum nur dieser massenhafte Antrieb zur solch unifomer Selbstfindung, warum nur diese Sucht hin zu seiner eigenen Konditionierung? Oh ja, fleckenlos möchte man sein und ursprünglich, fragen möchte man sich, wo alles begann und am besten auch, wo alles endet. Den Himmel und die Hölle haben wir in uns inkarniert und suchen noch den Vorfahren in den Affen. Alles habe einen Grund, so schreien wir und alle Schuld liege in dem Ursprung, der nie gefunden wird. Verzweifelte Ichs auf der Suche nach Zusammenhängen. Nichts wird einem Zufall überlassen, nein, der ganze Mensch soll ergründet werden: Und selbst wenn sich eine Begründung einstellt, wird noch nach der Begründung der Begründung gegrübelt. Es werden Sterne und Steine befragt... gefragt und gefragt. Und wer nichts gefunden
hat, der begibt sich in die Praxis des Psychologen, der wieder sein Bild auf das des Patienten projiziert. Der Psychologe ist der moderne Priesters und letztendlich geht es ihm auch nur darum, dem fragenden Patienten als Antwort die heilsame Gemeinschaft anzupreisen.Eine Wegbeschreibung, die der Einzelne als Einzelner finden muß, wird er hier gewiss nicht finden.
Kam jemals ein Christ als Christ, ein Moslem als Moslem, ein Buddhist als Buddhist, der Schlachter, Fußballfan oder ein Bäcker als solcher zur Welt? Sind wir denn Opfer einer geworfenen Existenz, oder haben wir uns nicht selbst dazu gemacht? Alles was im Buch unseres Lebens steht, haben wir eigenhändig hinein geschrieben, die Geschichte die wir über uns erzählen haben wir uns selbst erdacht. Es gehört schon eine Menge Einbildung dazu, um von sich behaupten zu wollen, dass man das sei, was man sich über sich erdachte. Meistens ermüden doch eher diese Erzählungen, zumal sie mit einer ungeheuren Tragik daher kommen und der Erzähler meist nur sich in der Vordergrund stellt und damit eine schlechte Beobachtungsgabe zu seinen Mitmenschen kund tut. Langweilig sind sie auch gerade deswegen, weil sie sich in gesellschaftlichen Anerkennungsräumen bewegen und daher so austauschbar erscheinen. Wenn schon eine Person kämpft, dann sollte sich ein intelligentes Drama darum herum spinnen, aus dem eine Produktion erwächst, dann schon sollte man Flügelschläge wahrnehmen können anstelle eines säuselnden Jammers.
Wer will schon über das Leben richten, wer will entscheiden, ob es banal ist oder nicht? Banal sind einzig die Ansichten, die sich über das Leben bilden. Es mag die Vorstellung absurd sein, sich das Leben in einem bestimmten Zeitgefüge vorzustellen – es mag trivial klingen, dass nach all der Wichtigkeit, die man seiner Existenz verliehen hat, diese auf ein Ende zublickt. Wenn auch dieses Ende allein ein Grund sein könnte, diese Wichtigkeit herunter zu schrauben, so ist doch entschiedener die Frage, wer all diese Gründe und angeblichen Eigenschaften dem Leben überhaupt zugewiesen hat. Wer eigentlich hat diese Messlatte hingestellt, die unser Leben messen soll? So wie ich mir nicht meinen Namen gab, so kann ich auch nicht dem Leben etwas geben, was mich kennzeichnen würde. Nicht, dass ich ein Mensch ohne Eigenschaften wäre, so bin ich doch von Grund auf ohne Vorgaben und ohne Namen. Der Name ist das Symbol, was ich mir anheftete oder besser, was mir ohne mein Zutun beigefügt wurde. Der Irrtum ist es, zu glauben, irgendetwas spräche aus irgendwelchen Symbolen, vielmehr wird etwas in Symbole verlegt.
Ich bin das Ich in einem Gefängnis, sobald ich anfange das Ich zu denken. Sind wir denn nicht mehr Tier genug, als dass wir all das Sinnliche in die Gehirne verlegen müssen?
Die Punkbewegung der späten Siebziger machte sich einen Scherz aus all den menschlichen Sinnbildern und heftete sich gleich alle Symbole als Buttons ans Revers. Gut und Böse wurden gleichermaßen getragen und Sid Vicious durchquerte mit einem Hakenkreuz T-Shirt die Judenviertel. Es war die reinste Provokation, aber die Provokation konnte nur als eine solche aufgefasst werden, weil die Gesellschaft einen tatsächlichen Ernst in ihre Symbolhaftigkeit legte. Symbole und Antisymbole. Heute im Revivalzeitalter des Punks und auch der Anstecker scheint die Provokation verschwunden zu sein. Kleine Mädchen und Jungs stehen mit leuchtenden Augen vor der Vielzahl von Buttons und Aufnähern und suchen sich ihren Sinn des Lebens per Symbol aus. Werden sie ihn so jemals finden? Denn schließlich kann ein Symbol immer nur symbolisieren – alles, was leiser oder schwächer klingt, wird nicht mehr wahrgenommen. Macht es andererseits überhaupt einen Sinn, einen Sinn zu finden und wie auch sollte dieser überhaupt aussehen? Die meisten glauben, es sei eine Stärke seinen Weg gefunden zu haben, es zeuge von ungemeiner Festigkeit, „seinen“ Standort eingenommen zu haben. Zeugt es aber nicht gerade von Schwäche, die Suche für beendet zu erklären, zeugt es nicht von Ängstlichkeit, einen bequemen Platz gefunden zu haben? Wie auch schon kann ein Künstler von sich behaupten wollen, er habe sein Werk vollendet – immer werden Gedanken zurückbleiben, die nicht vollendet sind. Das Werk wird erst dadurch interessant, zeugt gerade dadurch von Leben, dass es möglich erscheint, dass sich an den Gedanken neue Gedanken anschließen können, dass es nichts Vollendetes ist, sondern etwas Beginnendes. Ich schließe in meinem Werk etwas Lebendiges ein, was über mich fortlebt. Und selbst wenn ich Jahre später auf das blicke, was ich einmal geschaffen habe und selbst wenn ich nicht einmal mehr nachvollziehen kann, was mich bewegte, dies zu schreiben, so
ging es mir nur darum, dieses Lebendige einzufangen, das ich in einem Moment über mich geschaffen habe und nun all meine Trägheit überdauern wird. Nicht einmal anknüpfen will ich an diese Momente, denn es wird mir nicht gelingen, ich würde nur eine Kopie ziehen, die nicht mehr den gleichen Ausdruck, nicht diese Herzraserei hätte, wie in jenem Moment, als ich es das erste Mal niederschrieb. Ich bin ein anderer geworden –ich fange immer wieder neu an. Lest ruhig alles was ich schrieb, aber denkt nicht dies sei ich, denn an der Stelle, wo ihr es glaubt, bin ich längst wieder verschwunden. Ich kann mich selber nicht fassen; nie werde ich mich vollständig wieder zusammen bekommen, wie ich einmal war. Und wenn ich über mich als etwas Vergangenes rede, so nur, um mir eine Pause zu verschaffen, das Gegenwärtige wieder zu begreifen.
Mein Blick in den Spiegel verrät über mich nur Teilausschnitte. Es würde den Blick eines Gottes bedürfen, eines Auges, das zeitgleich und alles auf einmal wahrnehmen könnte, um sich vollständig beschreiben zu können. Selbst ein geschriebener Zettel, unbemerkt auf meinem Rücken geklebt, wäre eine Veränderung meines Ichs, die ich nicht mehr wahrnehmen könnte. Wenn ich spreche, ist es eine andere Stimme mit einem anderen Tonfall, als andere es wahrnehmen. Und selbst in meinem Spiegelbild täusche ich mich, wenn ich glaubte, ich sähe auch für die Gesellschaft so aus. Ich bin eine instabile Persönlichkeit, und es wäre gar lächerlich, verliehe ich ihr irgendeine Ernsthaftigkeit. Glaub ja nicht, irgendjemand könnte dich verstehen, du kannst dich selber nicht verstehen und auch deine Mut-
ter wird dich nicht wieder erkennen können, allenfalls wird sie eine Ikone deiner Kindheit in ihrem Kopf umhertragen, mehr wird sie nicht wissen von dir.
Vielleicht liegt die Erfindung eines Gottes gerade in dieser Angst begründet, nicht zu wissen, wer man ist. Vielleicht nur wollte man ihm die Aufgabe übertragen, das Gefäß des Wissens darüber zu sein. Vielleicht wollte man es einst gar nicht so genau selber wissen, aber wäre beruhigt gewesen, es einem übergeordneten Wesen übertragen zu haben. In dieser Haltung hätte man sich frei fühlen können und sich ungezwungen dem Alltäglichen widmen können – die Verzweiflung über das Nichtwissen wäre verschoben worden und auch die Schuld. Die alten Griechen hatten zumindest solch ähnliche Vorstellungen von ihren Göttern gehabt. Die Verantwortung wurde auf die Götter übertragen und die Erdenmenschen konnten ungezwungen ihren Trieben freien Lauf lassen. Ein beachtliches Denken, das heute kaum nachvollziehbar erscheint: die Götterwelt wurde von der Menschenwelt getrennt und weder die Götterwelt noch die Menschenwelt hatte sich in die Belange der anderen einzumischen. Eine völlig andere Lebensanschauung als die der christlichen Welt, wo ein monolither Gott den Menschen plötzlich die Schuld zurückgab, sogar ihr Leben für sündig erklärte und sie erst frei sprechen wollte, wenn sie der Knechtschaft Gottes Folge leisten würden. Heute aber, wo Gott verschwunden ist, ist nicht etwa auch die Schuld beseitigt – im Gegenteil, man hat die Knechtschaft in sich gekehrt, die Schuld als etwas Persönliches übernommen – wir sollen jetzt selber über uns urteilen. Der Richter ist gegangen, aber die Robe der „Gerechtigkeit“ und der „Allmächtigkeit“ haben sich die Menschen selber übergestülpt. Das Gebet nimmt seine Richtung nicht mehr nach oben ein, es dringt jetzt in sich selbst ein, in unergründliche Tiefen – in ein benommenes Sein. Einsam ist der Mensch geworden, verlustig gegangen einer väterlichen Figur, die ihn reglementieren könnte. Allein ist er nun, wie eine Marionette ohne Bänder. Mit mir, so denkt der moderne Mensch, verschwindet die Welt, denn alles, was ich als wahr erkenne, erkenne ich nur durch mich, alles was existiert, existiert nur in mir – außerhalb von mir kann es für mich nichts geben. Vorbei die Zeiten, als Kathedralen für eine Ewigkeit gebaut wurden, jetzt entstehen nur noch Funktionalitäten, die für ein begrenztes Leben halten müssen – jetzt geht die Angst einher, die Welt verkürze sich auf die eigene Lebenszeit.
Wenn ich mir die Frage nach meinem Ich stelle, müssen zumindest zwei Personen bei der Betrachtung des Selbst im Spiel sein – einmal diejenige, die betrachtet, und die andere, die betrachtet wird. Ich kann mich auf unterschiedlichste Art betrachten und mit jeder neuen Betrachtung schaffe ich ein neues Wesen, ein neues Subjekt, mache ich mir die gesellschaftlichen Ansichten über mich zu eigen. So habe ich die Person in mir gebildet, die die anderen in mir sehen. Bin
ich der Stotterer, habe ich ein Sein des Stotterer gebildet: So könnte es sein, dass ich vielleicht das Stottern überwunden habe, aber trotzdem immer noch für die anderen der Stotterer bleibe. Der Krüppel wird ein Sein als Krüppel bilden, weil man ihn als Eigenschaft in seinem Krüppel-Dasein definiert. Das Kind, das umfällt, schreit nicht aus einem Schmerz heraus, sondern weil es glaubt, in solch einer Situation schreien zu müssen. Wie kann ein Maler ein Maler, ein Künstler ein Künstler, eine Tochter eine Tochter SEIN, wo dies doch nur einige Eigenschaften sind, niemals aber die gesamte Person bezeichnen können.
Wenn das Ich als ich erwacht, wessen „Schuld“ ist es dann? In der französischen Sprache können wir zumindest in zwei Ichs unterscheiden: das „Moi“ und das „je“. Das Ich (Moi) verhält sich passiv rezeptiv, ist nur in der Lage zu empfangen, sich berühren zu lassen –es ist die Säule, auf der sich alles bildet. Das Ich kennt keine Zeiten und durchwandert keine Bewegungen, es ist in der Zeit eben passiv. Das ich (je) hingegen zieht eine unaufhörliche Synthese in jedem neuen Augenblick, teilt sich in Minuten, Stunden, Tage, Monate und Jahre; in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dadurch, dass ich denke, dass ich mich nach meinem Ich befrage, kann ich mir mich immer nur als einen anderen vorstellen. Ich, der ich in der Zeit agiere,lebe immer getrennt von der Zeitlinie meines Ichs, das mich betrachtet. Indem ich weiter frage, weitere Begriffe ziehe, zerteile ich mich immer mehr, bilde neue Vorstellungen meiner selbst. Ich bin nicht mehr nur die Person, die am Supermarkt in der Schlange steht – die bin ich auch – ich bin auch die Person im Arbeitsleben, die es Liebenden, die des Geselligen usw. ...
Was ist man: Trompete oder Kupfer? Der brave Bürger und Ehemann, was ist er noch wenn er mehrere Personen ermordet hat – der Brave oder der Killer, oder gar noch beides? Kann es eine Einheit über Vorstellung und Sein überhaupt geben, so wie es Buddhisten über die Meditation versuchen herzustellen? Der 280 Jahre hockende Mönch, der in eine Zeitlinie des Moi hineingefallen ist, ins Zeitlose. Oder ist das Ich nicht nur ein anderer, sondern auch eine vielfache Persönlichkeit, ein zerstückeltes Subjekt in einer sich verändernden Zeit und in einer sich verändernden Umgebung und Bewegung?
In der Sprache geben wir den Gegenständen Bezeichnungen, einen Namen. Wir benennen das Mädchen als Mädchen und implantieren ihr damit gewisse Eigenschaften, die aber niemals das ausdrücken können, was das Subjekt wirklich ausmacht. Indem wir sagen „ich bin“ haben wir gleichzeitig gelogen, denn es ist nicht klar, auf was sich denn das Sein beziehen soll. Bezieht sich das Sein auf das, was wir ihm als Namen gaben, dann kann das Ich auch nur ein Trugbild sein, denn den Namen und die Bezeichnung haben wir erfunden. Ein Peter wird sich nicht wie Peter verhalten. Und eine Vorstellung, die wir uns über uns gemacht haben, wird nicht dazu zu führen, dass das Sein sich danach richtet. Nicht einmal der berühmte Satz Descartes:
„Ich denke, also bin ich, ich bin ein denkendes Wesen“, führt an sein Sein heran, sondern wieder nur an eine Vorstellung, denn hierbei bezieht sich das Sein auf das Denken, ein Denken zudem, das höchst instabil, beeinflussbar, nicht wahr sein kann. Im Grunde, so könnte man meinen, sind wir nichts weiter, als dieses sich ewig betrachtende Wesen, die dumme Kuh auf der Weide. Wenn wir uns ein Subjekt unseres Seins vorstellen, warum nicht auch das andere, das Zweite, das Tausendste, das Millionste? Der Puma ist nicht nur Puma, er ist auch der Suchende, der Stille, der Läufer, der Getötete – er ist Lebendigkeit. Der Puma hat sicher kein Problem mit seinen gespaltenen Persönlichkeiten – eben weil er anders denkt, weil er nicht moralisch denkt. Würde man ihm nur eine Eigenschaft, eine Persönlichkeit von ihm rauben können, er müßte verhungern.
Ein einzelnes Ich kann sich niemals konstituieren, aber das Ich, das empfängt, kann sich durch unzählige Ereignisse berühren und verändern lassen. Wer immer die Einheit erfunden haben mag, sie behindert in jedem Fall das Leben. Verhalte ich mich moralisch, also beziehe ich immer wieder alles nur auf das Eine, beschränke ich mich in meinen Handlungsmöglichkeiten. Mache ich es wie der Puma, bilde ich selbst eine Vielzahl von Möglichkeiten und Fluchtpunkten. Es ist das Gegenteil von der Neurose, die immer wieder auf einen Punkt zurückfällt und darin scheitert. In der Neurose, dem übersteigerten Einheits-Ich, ist der Boden für Aggression, Selbstmitleid und Feindseligkeiten geebnet. Wer eine Unzahl von Möglichkeiten hat, wird sich gelangweilt dem Alltäglichen und Notwendigen entziehen können.
Die Kunst besteht nicht in der Findung, sie besteht in der Suche der unendlichen Vielheiten. So wie Nomaden auf ihren Wanderungen die bestehenden Dörfer zerstören und weiterziehen, so zerstört sich das Ich, um sich immer wieder neu aufzubauen.
Alles, was ich als mein vernehme, sind Gewohnheiten und je öfter ich die Gewohnheit ändere, desto öfter ändert sich das Ich. Gesucht habe ich die Substanz, in der ich mich festmachen könnte, gesucht habe ich, was mich definiert und nun erblicke ich vor mir Scherben, Scherben, die ich selber produzierte. All das Ich zerflossen wie in einem LSDraum, wo einzelne Sequenzen des Lebens wie eigenständig vor meiner Nase umhertanzen, flüssig geworden sind; wo das Ich einmal die Berührung und ein anderes Mal die Entfernung ist. Ich schaue in den Spiegel und betrachte einen Betrachter, keine Sprache spricht aus ihm heraus, wie ein Liebender, dem ich alles geben kann. So liebe ich mich selbst, indem ich mich verändere. Lächelnd stelle ich mir vor, ich könnte in den Spiegel springen – wie Alice – und das erfahren, was mich erfasst. Ich wollte ich könnte über die Schulter des stummen Ichs schauen. Was würde ich wohl sehen, das Gesicht, das Spiegelgesicht, oder den Hinterkopf, oder ist dann vielleicht der Hinterkopf das Gesicht, in das ich dann schauen würde? Wenn ich selbst nun das stumme Wesen wäre, wie der Hinterkopf, der mich betrachtet, wäre dann eine Begegnung möglich, denn dann gäbe es keine Empfindungen und folglich keine Betrachtungen mehr? Ich liebe das Ich, weil es mich nur betrachtet, keinen mahnenden Zeigefinger erhebt. Ich liebe es wie Epikur seine Götter – mein Ich verändert sich, wenn ich mich verändere und ich stelle es mir – man verzeihe mir die Vorstellung – mit einem lachenden Gesicht vor. Es lächelt, auch wenn ich mitunter weine. Und selbst wenn ich vergehen sollte, wird es nicht diesen frohen Ausdruck verlieren. Diese schweigende Ich-Säule, wie könnte ich was von ihr erfahren? Und selbst wenn ich auf sie stoßen würde für einen kurzen Moment, ich hätte nichts zu ihr zu sagen und auch sie könnte mir nichts geben. Und gerade das ist so viel. Es wäre eine Begegnung der Leere, ein Treffpunkt entsinnter Sinne. An der Stelle, wo ich glaubte, kein Fremder mir mehr zu sein, würden jegliche Aktivitäten verstummen.
Ich bin nur, weil ich mir fremd bin! Ich begegne mir nur in einem Zustand verklärter Erinnerungen, ich begegnete mir immer nur an diesem Punkt, aber hatte diesen Punkt auch immer schon wieder verlassen. Und selbst der Traum ist nur ein Foto davon wie es einmal war. Dem Ich werde ich niemals begegnen können, keine OM’s werden mich zu dieser Einheit hinüber tragen. Ich bin ein Flüchtling in Nicht-Einheiten, ein alleiniges Wesen. Ich setzte Zick-Zack Spuren in den Sand und in dieser verwirrenden Vielfalt lebe ich. Allein! – das ist nicht die tragische Bestimmung, das ist die fröhliche Bestimmung der Individualität. Mit jeder neuen Kurve, mit jeder verschlungenen Linie meines Daseins peitsche ich das Ich zur Veränderung. Haben nicht oft die Eltern versucht das Kind zu erziehen, um in ihm etwas für sich zu bewahren? Ewigkeiten wollten sie sich im Kinde billig erkaufen, aber hätte es nicht einfach genügt, sie hätten nur etwas Neues wachsen zu sehen bekommen! In die Gemeinschaft sollte man eingepasst werden, aber hätten sie sich nicht glücklich schätzen können, wie das Andere auch etwas verändert! Welch ein Irrtum dieser Eltern, denn auch sie sind Fremde und werden es immer bleiben. Warum nur sollte das Kind niemals die Einsamkeit erfahren dürfen, warum nur diese Scham davor? Wissen sie denn nicht, dass wer das Alleinesein nie lernte, auch in der Gemeinschaft scheitern wird? Warum nur besteht die Liebe nicht darin, das Wesen, das man liebt, fliegen zu lassen und sich an dem Flug zu erfreuen, darüber welche schöne Pirouetten es dreht. Welch bittere Liebe, die den gezähmten Vogel gebraucht, welch intrigante Eifersucht, die ein verstümmeltes Wesen braucht!
Vollgeladen wird der Mensch und sein Gang wird schwerer und schwerer –– vollgeladen mit all dieser bitteren Liebe, mit all diesem Ehrgeiz sich anpassen zu müssen und es allen gerecht zu machen. Und nun wird er selber darum feilschen in diesem Vorhaben seine Anerkennung zu bekommen und es weitertragen und in den Chor der ewigen Wiederholung einstimmen. Voller Selbstmitleid und Zerwürfnis wird er sklavisch darum bitten, anerkannt und beachtet zu werden. Keine Peinlichkeit wird ihn daran hindern, dieses Ziel zu erreichen. Ist das der Weg wohin die Liebe führen sollte? Ist es das, was die Gemeinschaft von dem Einzelnen verlangt, dass der Einzelne sich nicht verändert, damit auch auch die Gemeinschaft in der Monotonie verharrt? Haben wir wirklich nur die Wahl zwischen der einen oder der anderen Neurose?
Gewiss, es ist Rebellion notwendig, um sich von diesen Vorgaben zu erheben. Es ist Sehnsucht notwendig, zum anderen Ufer zu gelangen. Ein Schmerz muß begraben werden, der eingepflanzt wurde, ein Schmerz, der die Beweglichkeit unterminiert. Ich bin weder das Lastentier, das all die Verantwortung zu tragen hat, noch bin ich der sündige Mensch, der mit einem Makel auf der Welt erschien. Ich bin das entsinnte Leben und darin die volle Kraft, ich bin die Erde und die Sterne. Jetzt beginnt die Aufgabe herauszufinden, wessen Sprache ich spreche und wessen Ängste ich umhertrage, damit ich weiß, was ich zu zerbrechen habe.
Gesucht habe ich nach meinem Ich und gefunden habe ich tausend Stücke.
Wenn das Kupfer als Trompete er- wacht, ist es nicht seine Schuld... ‹‹‹‹‹‹‹
Die LOVEHATERS sind Rocker vom Kiez. Zwar sind die fünf Jungs als LOVEHATERS noch relativ neu auf den Bühnen, aber doch absolut trocken hinter den Ohren: Shouter Sicko ist dem Einen oder Anderen sicher schon mal als Sänger der TRASH EMPEREORS aufgefallen, und Gitarrist Fennel hat sich bis vor gut einem Jahr noch mit den Wahnsinnigen von STAU in den Clubs aller Welten herumgetrieben. Karma Boy, Dr. Fucker und Roadster Chris sind mit weniger bekannten Bands unterwegs gewesen, jedoch haben alle ihre Hausaufgaben gemacht und lange genug die Rock’n’Roll- Schulbank gedrückt, um genau zu wissen wie man es richtig krachen lässt. Spielen die LOVEHATERS live, brennt die Luft. Das konnten schon viele feststellen, die eher zufällig zu einer ihrer Shows kamen. Nicht zu Unrecht wächst die Zahl ihrer Anhänger und Freunde deshalb mit jedem Konzert. Die
LOVEHATERS sind laut, sexy und braten lupenreinen Punk-Rock runter. Dreifach gehärteter Rotz und nichts weniger als das. Es macht einfach einen Höllenspaß dieser Band zuzusehen und sie anzufeuern. Die Leute tanzen, skandieren „Ausziehen!“ und jubeln nach jeder der knallenden Sound-Bomben. Einige Lovehaters-Lover schreien sogar nach ihrem Lieblingssong und das, obwohl es noch gar kein Release gibt.
Den ersten Longplayer haben die LOVEHATERS im Juli 2005 eingespielt. Die Band ist jetzt über ein Jahr alt und es ist stark zu hoffen, dass sie noch sehr viel älter werden!
Wir sagen es mal im Klartext: Go for LOVEHATERS or get lost!
Aktuelle Tourdaten erfahrt ihr über www.lovehaters.de Kontakt: LOVEHATERS c/o Cobra Bar, Friedrichstr. 29, 20359 Hamburg, Tel: +4940-37519279
Menschen unter Kontrolle halten gefühlsarm in die Zukunft
protzig leben ohne Verluste eine Kugel in den Kopf jagen
nur Maschine
Hurra , Hurra
endlich DNA
Blutrote Friedenstauben
Kriegsbeile ausgegraben
Kulturen vernichten
der GOTT wird’s schon richten Verschwendung, Korruption und Macht
über Leichen gehen
auf der Habenseite ein PLUS
Klingelton statt Information
Gedränge auf der Überholspur
Marsch , marsch
ein feuchter Judaskuss
im Gleichschritt FEUER FREI
ja, das ist der Rhythmus wo jeder mit muss es ist angerichtet nicht mehr denken
lass die Technik lenken
Chaos hoch drei
kopulierend hinter jedem Trend rennen schöngeredet die Vergangenheit verbale Erektionen hinter vorgehaltener Hand die neue Kunst als Kult hochloben
alles schon dagewesen geklonte Freiheit
Erlebnisse aufgebauscht
Engstirnigkeit uniformgerecht eingerichtet ins Massenverarbeitungsgerät
Orgasmus nur als Wortfetzen betäubte Lust aufgestaute Spannung mit Gewalt wegätzen kurz rebelliert, dagegen sein alles nur Schein so werden wie die anderen sich in Herden vermehren bis zum Schluss in Hochform das ist Norm
Angst vorm Verwesen zurück in Mutters Schoß
ede hedemann 2005
Ich habe mich überladen mit Tagödien,überall sind sie ausgebrochen,auf allen Seiten.
Und ich bin verantwortlich. Man könnte es zumindest glauben, ich aber,ich weiß,
dass es mir gleichgültig ist.
Es ist nichts zu machen gegen den Überdruß,ich bin unruhig, eines Tages aber werde ich nicht mehr unruhig sein.Bald.Wir kriegen es,das ruhige Leben.
NIE HÄTTE ICH GEDACHT, DASS
DIESER SATZ EINMAL FÜR MICH
EINE DERART POSITIVE BEDEUTUNG HABEN KÖNNTE.
Nicht zu wissen was man will, heißt, einem unbestimmten Wollen den Vorrang geben, dem Wollen eine freie Bahn zu eröffnen. Es ist eine Handlung fernab jeglicher Passivität, weil Passivität im Grunde bedeutet, zu wissen was man will. Dadurch, dass man weiss was man will, erfährt das Vorankommen durch seine Bestimmbarkeit solch eine Schwere. Ziele beinhalten die Gefahr, andere Geschichten, die man noch nicht weiß, die noch im Geheimen liegen, auszuschließen. Ziele sind nur gradlinige Wege, Wege die man geht ohne die umliegenden Landschaften zu betrachten. Ziele sind Trampelpfade irgendwelcher Absichten, sind Kerben der Erde auf denen nichts mehr wachsen
beschleunigen, mehrere Kraftfelder aufbauen und so hin und her gleiten. Ich könnte mir Ziele formulieren, die ich nicht erreichen will, die einzig dazu dienen, an ihnen vorbei zu schnellen. Ziele, die Kraftfelder sind, aber keine Ideologien. Ich müsste Hunderttausende solcher Ziele aufstellen, wenn ich nicht Gefahr laufen will, in ein einziges hineinzufallen.
von Mazonikann, sind eben nur Wege und keine Abwege, sind gleichförmige Strukturen, eindimensional und gradlinig. Einst dachte ich, alle Aktivität läge darin an einem Ziel anzukommen, es zu formulieren. Ich dachte, etwas zu erreichen sei erstrebenswert, das Ankommen wichtiger als die Bewegung dorthin. Ich fragte nicht, warum ich an diesem oder jenen Punkt ankommen, ihn besetzen wollte, sondern ich gab mir die Antwort später – ich schob eine Begründung nach. Ich saß auf meinem Ziel und vergewaltigte die Vergangenheit mit einer nachträglichen Erklärung, denn Ziele haben die Eigenschaft, dass sie nach Schlussfolgerungen fragen, dass die Wege dorthin sich vorzeichnen.
Ein übliches Verfahren ist, dass man sich eine Vorstellung von sich bildet, sich im Geiste ein Bild über sich zeichnet und dann diesem Bilde gerecht werden will. Ich hatte mir schon viele solcher Gemälde gemalt; mal waren die Bilder überhöht, manchmal auch erniedrigt. Ich kann aber nicht sagen, dass ich jemals einem dieser Bilder gerecht wurde. Zwar konnte ich wie ein Schauspieler die Bilder besetzen, aber nie konnte ich behaupten, dass ich es sei, der sich darin wiederfinden könnte. Ich glaube fast, die Besetzung folgte aus einer gewissen Bequemlichkeit heraus, vielleicht sogar auf der Suche nach einem Zuhause. Ziele sind immer Anziehungspunkte, sie verhalten sich wie große Planeten oder schwarze Löcher. Wir sind die Meteoriten, die sie umkreisen. Solange wir sie noch umkreisen und nicht in ihre Schwerkraft fallen, haben wir noch Bewegung, können wir noch fliegen. Die Beweglichkeit resultiert allerdings auch aus der Anziehung, wir gleiten nur umher, wenn wir von mehreren Zielen, verschiedenen Planeten umgeben sind. Hat uns hingegen ein Ding ergriffen, haben wir uns einer Sache ergeben, wird schnell aus dem wilden Vogel ein stummer Gefangenen, prasseln wir auf den Boden der Gegebenheiten nieder, hat uns die Schwere eingenommen und die Erde verschluckt. Man braucht schon viel Zündstoff und eine Menge Energie, um sich aus den Zielen, die man sich geschaffen hat, wieder zu erheben. Einmal auf den Boden der eigenen Vorstellungen und Begründungen gepresst, werden die Knochen müde und die Flügel lahm. Wenn die Ziele diese Schwerkraft haben, wenn sie mit all der Verantwortung belastet sind, warum sollte ich mich in diesen Sog begeben, warum sollte ich mich von diesem Magneten anziehen lassen, bis ich mich nicht mehr bewegen kann? Ich könnte jedoch die Anziehungskraft benutzen, um mich zu
Ich gehe einen Weg, den ich noch nicht kenne, ich begehe einen Irrtum in der Hoffnung, dies sei die Wahrheit. Ich habe mich über die Welt verteilt, bin eine Flüssigkeit geworden, die sich ständig bewegt, damit sie nicht in den Boden versickert. Mein Atem geht schnell, mein Herz pocht rasant und alles was in mir zur Ruhe kommen will, muss gründlich gefoltert werden. Jetzt hat die Minute 24 Stunden und die Ewigkeit dauert eine Sekunde. Hab ich alles richtig gemacht? War es fein gestern den Morgen zu verwerfen und die Sonne um sich kreisen zu lassen? Dieser schlimme Finger, der das Herz rausgerissen hat, um es pochen zu sehen, dieses Auge vor sich zu legen, damit es dich betrachtet. Einmal Zeppelin sein, um die Grillen im Kornfeld zu betrachten, einmal in den Himmel fliegen, um mit ihm herabzustürzen, in dem Schwarz der Pupille den leuchtenden Pfad zu erblicken. Nichts ist alles. Ich bin der Entdecker, der die geheimen Kontinente nicht verrät, ja sie vergessen will, um ihr Geheimnis nicht zu brechen. Ich entdecke nur, um mich zu entgrenzen, ich erfinde eine Fabel, um die Spuren zu verwischen. Mit dir im Wüstensand, mit dir will ich davon reiten. Und unser Ziel ist der Horizont. Oh nein, wir haben nicht vergessen, aber die Spuren hinter uns sind verweht und auch vor uns sind verwehte Spuren anderer Entdecker, wahrer Entdecker, vor uns sind die Geheimnisse, die sich bewahrten. Nichts als Sand, soweit das Auge reicht – die Welt ist rund, damit sie Horizonte hat. Ein zu schneller Ritt lässt uns nicht mehr die Leere erkennen, ein zu langsamer, lässt uns zu arg verharren. Konturen erkennen und Konturen zum verschwinden bringen, die Fülle in die Leere bringen und die Leere wieder in die Fülle. Bewegungen, die von Sehnsüchten getragen sind. Irgendwo liegen Dinge begraben, die noch nie vorhanden waren. Irgendetwas könnte sich berühren, was erst durch die Berührung sein Sein entdeckt. Lasst uns alle Monumente niederwalzen und alle Denkmäler sprengen. Die Menschheit, die möchte ich begraben und selbst nicht mehr Mensch sein, auf dass ich wieder Mensch werden könnte. Götter möchte ich meucheln lernen und Götzen einschmelzen: Nicht mehr wissen, was richtig ist und der Gefangenschaft der Guten entfliehen.
Lasst uns die Astronauten vom Himmel schießen und die Tagesschausprecherin entführen. Es gibt kein Wissen, was mich irgendetwas lehren kann. Die Suche ist eine Melodie, ein Lied, das immer wieder umgeschrieben wird. Weil ich suche, beginne ich zu singen. Meine Disharmonie, meine wirren Streifzüge sind der Hall ins Universum. Die Melodie vermengt sich mit dem Tosen des Meeres, mit dem Rauschen der Blätter, mit dem Brunftgeschrei aller wilden Eber. Ich bin der Chor in der manischen Resonanz aller triebhaften Geschöpfe, aller ausschlagenden Wälder, wir sind die Musik der sesshaften Nomaden, sitzend an einem Ort, der sich mehr und mehr auflöst. Wir sind die Ortsansässigen, umgeben von gebauten Wahrheiten und versperrten Horizonten, wir sind die Seßhaften in der Multimedia, in dem Ghetto der Freiheit, umgeben von Göttern, die sich selber peitschen. Wir sind die Singenden, die das Lied summen, um Jericho zum Einsturz zu bringen.
Verdammt, ein Lied, ein sexuelles Verlangen, eine Liebe, die es noch nicht gibt, ein Traum, der wachgesungen wird, eine Freiheit, die wieder gefunden werden muss! – Stille!– Der Fernsehprofessor hört endlich auf zu reden, der
Arzt kennt nicht mehr die Diagnose, der Lehrer kann endlich die Welt nicht mehr erklären. Mit einem Male scheint die Sonne aufs Haupt, als sei sie erst heute geboren und als stiege man aus den Alltäglichkeiten auf, wie aus einem feuchten Grab. Jericho zu Fall gebracht und auf den Trümmern endlich wieder neugierige Gesichter. Wüste ist der Traum des sesshaften Nomaden. Spuren im Sand, die keiner kennt. Geschichten, die immer wieder neu erzählt werden müssen. Und immer wieder erfindet der Erzähler neue Dinge hinzu – eben weil es Wüstengeschichten sind und die Wahrheiten verweht sind. Werdet Erfinder! Nebulöse Ereignisse: erst wenn sich das neugierige Ohr an den Mund presst, verschwindet der Schleier zu einer kristallnen Klarheit – dann erst sind die Ereignisse passiert, ist die Wahrheit eine eigene. Wege und Linien werden in diesem Sand gezogen, Kreise und Quardrate werden geformt bis der Wind alles wieder verweht hat und den neuen Reisenden die Möglichkeit eröffnet alles neu zu entdecken. Werdet Entdecker! Freiheit bedeutet, den Weg zu gehen, den man sich selber erfunden hat.
››ICH WEISS NICHT, WAS ICH WILL!‹‹
Du – tiger-gangart-wichtiger voraus-schau-schlau-denk-richtiger
Du – super-hirn-viel-schichtiger
trotz-bauch-auch-noch-voll-mond-strahlgesichtiger
Du – matterhorn-bezwingender knödel-viel-verschlingender
Du – bergab-rasant-ski-springender jodl-di-dö-holdri-o-schön-singender
von Mona Rohlffs
Ich – frühlingshaft-gewendete
sonnschein-schon-schön-geblendete
Ich – grips-umsonst-verschwendete
umwelt-schmutz-schund-geschändete
Nach oben apoll nach unten und...
...Die vielfalt,die möglichkeiten,geben die bühne für den geschmack.Wo etwas ohne die eitelkeit,die beschränkungen des lebens und der wahrnehmung –seelenlos – am urteil vorbei fällt,sind alle möglichkeiten erschöpft – tot.
...Die vielfalt,die möglichkeiten,geben die bühne für deine kultur.Unsere städte träumen sich den krieg und die frieden vor sich hin.Unter diesem schlaf,schlummert die freiheit – als gefängnis der tat.
...Die vielfalt,die möglichkeiten,geben die bühne für das reißaus-nehmen aller dinge ausser-sich.Die dinge an sich,bleiben eine nichtsleere richtungszerreissende kernhülle,in der sich alles dasein und – haben beugt und biegt.
...Die attribute dieser formlosenf ormenden form allein können sich für sich aufeinander beruhend beweisen.Von daher ist alles sein höchstens eine behauptung.
„Ich behaupte:Also bin ich!“ Das sein einschliessend,das ich umgebend,sind nur ihre charakteristika im traum der städte von bedeutung.Namentlich:bedingungen der kultur als ich.
...Die formlos-formende substanz legt sich also rückwirkend die grenzen für ihre ausläufer in den bedingungen,die aus ihrer unauslegbarkeit selbst entwachsen.
...Die möglichkeiten des vielfältigen ichs geben die bühnen der ehrlichkeit.
...Die formalitäten der taten und begebenheiten schmiegen sich in ihrer form an die nichtform an,die aber trotzdem nichtform bleiben wird und also in den falschen umrissen erklärt wird.
...Die rettung der philosophie in diese nichtform ist ein f ehler.Die annehmlichkeiten vom nicht-greifbaren werden schlecht die gegen-stücke des greifbaren „sein“ können.Funktionalitäten ergeben sich in den lücken.Das [trotzige] denken bricht plötzlich ab...
Mir ist so,als würden mir meine eigenen bilder, die eigenen worte zerschlagen können.
Ständig stehe ich ahnend-geahnt vor einem horizont,bei dem versuch sein fliehen und färben zu sagen mir die worte aus dem halse gezogen werden und vor dieser einzigen verzauberung zu unschönen und ungewichtigen noten werden,die sich an nicht der dreckigsten melodie halten können.
Die pralle ohnmacht mit offenem mund und das gebrüll eines stampfend-dampfenden trotzdem kunst und trotzdem leben sind mir meine begleiter geworden,die selbst kein bild
beherrschen könnte.Keins,was nicht selbst schon das sprechen in befehlen gewöhnt ist und sich selbst in seiner wirkung verrät, sich auf den markt- und absichts- und meinungsplatz wirft,gleich den kunstwerken aller,die nur eine kunst auf das aussen und absehen entwerfen um diese oder jene wirkung zu erzielen.Das ist für mich alle kunst über die im moment gesprochen wird.Sei sie populär oder genauso schlimm:spezialisiert.Das ist für mich nur müll.Das sind doch alles hoes.
Die sprache,die ich kann,wirft sich jetzt den bildern unter,die ich nicht könnte. Trotzdem wird es ein schweigender wald sein,meine worte.Eher noch der versuch präbabylonisch zu werden,zu einer art musik wie sie ein tauber sieht und fühlt,denn zu einer musik wie die stockhausens,welche mit ihrer „emanzipation der geräusche“ eine grammatik herbeiführt,die sich an jene sprache anschmiegt,die in hohem grade unverständnis zulässt und ja –tatsächlich darauf angewiesen ist um bewegung zu werden um bewegt zu bleiben.
ob die eisberge im winter auch zusammenrückten, wusste sie damals noch nicht. aber sie hatte schon immer geahnt,dass der sommer sie auseinanderschiebt.
von tb0b
worte wie ich ansah meiner wünsche niedergang
-26
der zweifel fetzt sich zum gelächter unnütze helden verhungern in der küche da ruft es der trinker zum clown gewiss,ich kenn dein buch der flüche es ist die flucht zum feind mit stolperndem sagen ganz ohne bilder wenn die welt es ehrlich meint als wir alle hörten wie sie wusste dass alles flüchtige für immer reicht seht - sie fällt fast über uns und hey - es ist so federleicht
-24
unter himmeln,wie sie richtig sind verschatten inseln meines werdens unter früchten die da sind und - hängen vergeblich an die strände kind auf kind ausgekippte paradiese,nie für sammler schlammen zwischen luft und - unser ausgeflippter könig hat im leeren magen nie ein griff zum rechten wunder umgestoßen streckt ein schwacher augenblick sein geröchel gegen tun und - taten verbiegen sich um teil zu haben was wär noch sein - in einer graden die unnötige kraft mit dem nachdurst vergessener getränke in den kammern von vorhin nur kurz mal hallo sagen ich hör sie sagen,sie ging aber immer wieder nur ganz kurz und immer wieder hallo sagen mit verdeckten augen alles offensichtlich sehn für alles geben als der durst anfing in überfüllten zimmern stehn hört man sie sagen,ich ging
-28
der faulste hoffnungsträger tut sich schwer zu schweben gegen sieben uhr logen ihre worte endlich ehrlich und man blieb an ihnen kleben
dem treiben die hand halten groteske töne überm esstisch darunter sitzend und erhabenheit zieht aus dem fenster,die luft zu verdrecken die bühnen aller ehrlichkeit sie warteten noch stunden doch was ich tun sollte,das war vergessen.
der morgen platscht kraftlos über unsere strasse tau klebt an aller überschlafener berührung
und sammelt sich zur pfütze landauswärts einige kinder treten trotzig den ekel vor sich her
für wenig geld sah ich im bus jenen herbst die einsamkeit klaglos auftauen
-25
die versammlung in den strassen das gefühl sich zu haben und sich gehabt zu haben verdichtung der verschiedenheit verschlossen in beschäftigkeit die fatamorgana für die toten für die und die nicht anwesenden und ich bin bis zu ihm total ernste eingeschobene zeile für die und die nicht anwesenden
-27
die wegweiser für die ohne heimat deuten heute morgen an nie liegt die gute zeit in strassen die gerade abgezeichnet werden kann in die pläne für gemeinsamkeit und nie wird etwas - ausgelassen gehen sie spazieren in gelassenheit immerzu verschiebt sie ihre richtung oft sehen sie dazwischen anders aus und halten es für dichtung kurz noch glück,dann ab ins haus
-22 in tagen,wie diesen, die zeit verbracht an solchen orten jederzeit mit dem bekannt was sich grüßt mit meinen worten und dennoch ständig niemandsland herausgestreckte glieder liegen verstreut auf strasse,treppe,flur der geruch der letzten stunden gequetscht in einem blick zur uhr verbrachte freuden spüren scheinbar haargenau den tatendrang meiner
...würde man in einen see fallen und vom wasser umgeben um luft ringend trocken bleiben,so umgar nte sie mich mit emanzipierter schüchternheit und meine phantasie brachte auf schläfrigen instrumenten ihre symphonie aus müll,falschem elbwasser,urin und dem von körpern abgestoßenem denkmal der erotischen lachnummern auf dem kiez zum besten.
Ich glaube der rest der menschheit um mich herum war zu wach und zu beschäftigt um sich eben dieser brise anzunehmen,die sich wie ein hypnotisierter wurm entlang den fassaden in die strassen schob,die sich wie umgeworfene hochhäuser in meine sicht verliefen,die sich wie ein stempel an die erde schmiegten,der von einer fremden art hier aufgedrückt wurde und die menschen die sich dort bewegten und die handlungen die dort ihre bühnen fanden mir unverständlich bleiben sollten,diesig wie der nebel weit hinter dem himmel,wo sich das blau zu einem düsteren schimmelrand des horizontes verbrannte.
Ich verfolgte ihre anwesenheit bis zum nächsten geländer der elbe,wo sich die unsinnigen zeichen und bewegungen der strasse ins nicht sichtbare hinabstürzen.
Als aufgewirbelter dreck flattern die möven in die luft. Dort von jemandem aufgehangen wie ein mobile um den absturzpunkt der noch möglichen beschreibung.
Ihr zentrum ist meine seelische katastrophe,die mich aus meiner unendlichen schlaflosigkeitreißt.Vier jahre hatte sich meine welt vor die sonne gehievt und komischerweise trage ich jetzt meine träume wie das meer all seine schiffchen trägt.Jede sekunde schlägt mir ihr kentern vor und meine pupillen weiten sich zum abgründigen ölteppich,in dem jeder anblick der welt sein leben hergeben muss. Meine sinne sind es schon immer gewesen,die nur daraufwarteten dem nächstbesten sonnenuntergang den strick zu binden,der sich um den mickrigen gasball legt und sich stramm zieht,je weiter er hinterm meer versinkt.Meine sinne sind es schon immer gewesen,die mir die wirklichkeit wahr machen wollten und mir eine echtheit neben meiner haut verkauften.Die jene beliebigkeit zum ende brachten, gesehen völlig unbewusst und spiegellos...
...spricht vielleicht vollkommenheit nur in den blicken der einsamen? Der blick der einsamen kann keine wahrheit mehr zerteilen.Er sieht vollständigkeit,abgeschlossenheit.Was immer ihm vor die augen kommt,bietet nie mehr als den blick auf sich,den anblick,selbst - auf die sache selbst.
Etwas größeres als sich sieht sein blick nicht mehr,nichts kleineres selbst.Sein augenschein hat sich in der weitsichtigen art die dinge zu umtasten,berührungen erbettelnd verloren,ist vor seinem eigenen horizont als lichtball untergetaucht, weit unter den schein seiner sonne noch und ferner aller meere strom.
So starrt er in eine unendlichkeit die ihre bewegung verloren hat.Gefroren,die welt um ihn herum.Ihr werden ist unbegonnen,ihr enden ausgelöscht.Sie ist nur da,komatisch und nimmt sein sagen auf ohne dabei hungrig -,gibt erkenntnis ohne bekannt zu sein.
Endlich starrt er selbst bloß noch unendlichkeit.
Ein polymorphes,punktuelles phänomen,in der sich alle perspektiven zusammenfalten öffnet und schliesst sich und wird zum mantra des liebenden.Immer setzt er die figuren auf ein feld.Den rest seiner züge übernimmt die figur selbst.Sie bewegt sich nicht,sie zieht nur die perspektiven um sich,wie es ihr beliebt.
Wo bleibt noch der freie platz dieser schauspiele,der,für den man nicht bezahlen muss.ich schreibe um missverständnisse auszuschliessen nicht weiter der sprache hinterher...ich will sie vorrausnehmen,ihr die möglichkeit zur spurenbildung nehmen.All die ergebnisse mögen bereits vorklingen.Zumindest in mir.Wer denn also vollkommenheit kennt,kennt die einsamkeit...wer die liebe kennt,die vollkommenheit.Wohin führt uns die figur als nächstes,wo schlägt die perspektive bald ihr äuglein auf? Vielleicht ruht sie ja endlich einmal für einen augenschlag,wenn sie der gesamtheit müde sich auf dem einzigen ausruht,dem einzigen liebenden in ihrer figur hinter den horizonten.Betten wir sie ins weite,weite nichts,unsere vollkommenheit,lassen wir sie über aller gegenwart schlummern,bewegen wir selbst die figuren...werdet unnötig...
Fragmente sind Texte, von denen gesichert ist, dass sie aus einem größeren Zusammenhang durch den Zahn der Zeit oder einen anderen Autor herausgebrochen worden sind. Von Heraklit oder Parmenides und den anderen Vorsokratikern sind nur Sätze oder Teile von Werken überliefert. Doch trotz ihrer teilweise wahrlich kryptischen Aussagewelt, ihrer fetzenartigen Beliebigkeit reichen diese Textstellen zutiefst in das höchste Denken unserer Zeit hinein. Sie sind längst Teile verschiedenster Denker von Heidegger über Nietzsche bis Hölderlin geworden. Von diesen aktuellen Herren, deren Werke schon vollständig vorliegen oder sich noch in der Vervollständigung befinden, sogar inklusive Interviews und Briefverkehr, schaffe ich auch nur Ausschnitte, Teile dessen von dem zu lesen, was der Autor je niederschrieb. Und dieses Niedergeschriebene ist nur ein Teil dessen, was er dachte oder als Persönlichkeit gar war. Faktisch überleben auch von diesen nur Fragmente, Aphorismen, Merksätze, Zitate oder lose Worte.
Warum sich also abmühen Texte immer länger wuchern zu lassen. Warum nicht dazu stehen Fragmente zu verkitten, Zwischennotizen anzubringen und sich dadurch immer wieder zu versichern fragmentarisch zu sein. Oder sich einfach klar zu machen, dass egal was man gesagt hat, nur ein Fragment übrig bleibt.
Fest als begrenzter, festgesetzter Raum in dem eine Feier, eine Party begangen wird. Fest im wahrsten Sinne des Wortes. Gadamer stellt in der Ästhetik des Schönen folgenden Aspekt des Festes fest: Ein Fest ist Kommunikation pur, und schließt jeden aus, der nicht teilhat. Dieses formuliert sich spielerisch im englischen Begriff ‚party’. Dieser ist wesentlich allgemeiner als ‚Feier‘ gefasst und meint nichts anderes, als das, zumindest zeitweilige, Aufeinandertreffen von mindestens zwei, meistens aber mehr Menschen um zielgerichtet etwas zu erleben oder zu erfahren. Hierbei ist auch das Ziel, einfach beisammen zu sein, für die Findung einer Identität in Abgrenzung zur Umwelt und der sich daraus aufbauenden Geschichte äußerst wichtig.
Das Fest als Raum-Zeitgrenze mit seinen speziellen Regeln nur dann als Fest zu bezeichnen, wenn wir völlig in diesem aufgehen. Der Event ist nur ein Ereignis, wenn es sich unserer bemächtigt, wir von diesem und somit auch den anderen Beteiligten angeeignet werden. Das Fest macht uns zu dem was wir sind. Es macht uns zu gegenseitig verschriebenen Wesen, die sich untereinander im Begriff ‚Mensch’ aneignen. Sie stellen sich in ihren Identitäten fest, welche sich durch ereignete Geschichten von anderen Geschichten differenzieren. Desto offener in unserer medialisierten und beweglichen Gesellschaft Feste gefeiert werden, desto mehr Geschichten kreuzen und entfalten sich im gleichen Moment. An den differenzierenden Bruchstellen neuer Identitäten oder Differenzen entstehen Konflikte, die wiederum Ereignisse, Geschichten sind. Der Raum in dem sich ein Fest ereignet ist ein Set von Regeln, das im Rahmen des Ereignisses durch Kommunikation verändert wird. Ein Spiel. Daher ist, was uns die Worte schon sagten, das Fest der Ursprung des Schauspiels, der Rollenspiele und all der Sprachspiele wie Erzählung, Begrüßung, Gerücht und dessen was uns ausmacht. Das Spiel des Findens und lieben Lernens eines Partners, das dann, je nach Gesellschaft, auf unterschiedliche Art und Weise im Rahmen eines Festes gefeiert wird und von dem gedankliche Erinnerungsfragmente übrig bleiben. Und diese sind nie Fest, eben nur als vorläufige Partie, Teilhabe, feststellbar.
Das Wort ist brutal. Es ist, wenn es gesetzt ist, Gesetz. Mögen dann, wenn es in sein Trägermedium eingegraben worden ist, die Juristen des Wortes über es streiten, in es eindringen, versuchen es aufzulösen oder es zu verfeinern. Doch auch sie können ihm nicht entkommen. Auf den Ruinen der Überschreibung, der Ausstreichung, der Kritik, des Disputes, des Dialogs und der Vernichtung formuliert sich schon das nächste. In einem ewigen Wirbelsturm der Buchstaben, geregelt durch Grammatik und Rechtschreibung, durch Worte folgt eines auf das andere. Es IST das Wort … das Gesetz. Um es zu durchdringen, muss man sich ihm selber zuwenden, das Auge des syntaktischen Hurrikans suchen und sich in der Ruhe der um einen wirbelnden Sätze, Fragmente, Buchstaben, Satzzeichen, Ergüsse im Wort selber entspannen. Kontemplieren, es verlassen ohne es verlassen zu können. Nun kann man spielen, immer in Gefahr den um einen tosenden Gewalten unserer Geschichten zu nahe zu kommen und aufgesogen zu werden. Nur hier kann man selbst in seinem eigensten Wort sein. Die anderen Worte, die einen fortzureißen drohen, betrachten.
„Zerrinnern“ gibt es im Duden nicht, doch es ist. Erinnern, Mnemotechnik, das Innere, die Erinnerungsbilder. Durchlaufene Zeit, flüchtige Momente, die wir nie fassen können. Wir wollen sie wieder ergreifen, auf sie zurückgreifen, doch sie rinnen uns im wahrsten Sinne durch die Finger. Wir sehen die Körner, Fragmente, doch wenn wir zufassen, sind sie weg, um auf geheimnisvolle Weise Bilder zu überschreiben, die wir zu einem späteren Zeitpunkt hervorrufen wollen. Ja, dann tauchen sie auf, um sofort wieder unfassbar zuwerden. Nur so manche Melodie, die man nicht haben möchte, fräst sich in das Gehirn. Musik ist die militanteste Tochter (Muse) der Erinnerung (Mnemosyne). Der Geruch der Lauteste, hat aber schon bei den Griechen keinen Namen.
Das Fragment, welches das wichtigste ist, ist oft nicht das, was derjenige als den Kern seines Denkens oder einen der Kerne angenommen hat. Eines der wichtigsten Fragmente Heideggers ist seine Rektorenschaft während des Faschismus und von Nietzsche sein Wahnsinn. Von Che blieb nur noch das Linework seines Portraits auf T-Shirts und Zigarettenpackungen der Marke ‚Che’ übrig. Von Kant in so mancher Lesart nur, dass er schwer zu verstehen ist und einen Diener hatte, der sein spießiges Leben begleitete. Was bleibt übrig - eine der immer wiederkehrenden Fragen, eine Frage die man nicht aufschreiben aber immer denken sollte. Vielleicht sollte man meinen eigenen Fragmenten Vorschub leisten und per Zufall Teile der Texte löschen um noch unbekannte Kernsätze freizusetzen. ...Dadaphilosophie
Beispiele füge ich immer an etwas an, ich lege sie einer Aussage bei. Das Beispiel ist das Berührende, der Beischlaf der Texte, in denen sie sich öffnen, ihren Sinn schärfen und die Aussage klären. Aber in einer spielerischen Art und Weise. Die geregelten Aussagen des Textes, auf die sich das Beispiel bezieht, werden modifiziert, in eine Richtung ausgebeult um andere mögliche Konnotationen auszulöschen, sie aus dem Fokus unserer Aufmerksamkeit heraus zu holen. Das Beispiel ist eine Allegorie, eine Alsob-Erzählung mit brüchigem Rand, welche die Aussagen, die mit Beispielen versehen werden, feststellen soll und Dinge verständlich übertragbar macht. In es eingeschlossen sind unüberprüfbare Behauptungen eines faktischen Erlebens, einer Lebenswelt, die aus dem Realen in den Text eindringt. Die Wahrheit wird immer behauptet und ist nie überprüfbar. Die Nachprüfbarkeit dieses Textes ist an sich schon nicht notwendig, da das Beispiel eine wahre, schlüssige Argumentationskette oder Handlungsabfolge erläutert, sie klärt und unwidersprechbar macht. Wie der Satz, sich an ein nicht richtig handelndes Kind richtet: „Nimm dir doch ein Beispiel an dem oder jenem!“ Eine Handlung des Kindes oder jeder anderen Person wird als beispielhafte Handlung deklariert und somit in eine angeblich richtige dargestellt. Ebenso wird in der Diskussion eine Argumentationskette als richtig behauptet. In diesem Moment wird jemand, der handelt oder eine Erläuterung aufgezeigt. Diese Auswahl kann und ist sehr häufig völlig willkürlich, wie ein in sich verharrendes anderes Kind, das einfach den Anschein erweckt gut erzogen zu sein, weil es gerade mal so herumsteht und nichts tut, gerade vorher aber zwei Stunden geschrieen hat. Auch wenn Beispiele manchmal zutreffen, zeigt uns diese doppelte Bodenlosigkeit eines Argumentes, das aus dem eigentlichen Argument heraustritt (Ex-emplum), dass schon im beispielbehafteten, metaphorisch-allegorischen Lernen und Erklären eine Vielheit der Möglichkeiten zu begreifen, verstehen und folglich zu handeln verborgen liegen. Eben Sprachspiele.
Fortkommen, oder auch Flucht. Ich entferne mich von etwas, um gleichzeitig auf dem richtigen Weg zu sein. Im Raum und in der Zeit. Was kann dieser Widerspruch aufzeigen? Wenn ich mich auf einem physischen, einem Denkweg oder in einem künstlerischen Prozess befinde, reduziere ich alles auf den einen anvisierten Punkt. Der Punkt mag in einem offenen Beschreiten eines Weges unendlich nah an den Moment, den Gedanken, in dem ich mich gerade beleuchtend befinde, erkennbar sein. Sobald ich ihn jedoch fixiere und mit einer Bewegung auch nur planend beginne, lösche ich eine unendliche Mannigfaltigkeit an anderen Möglichkeiten und Anschlüssen aus. Ich bewege mich von ihnen fort. In einem umkehrenden Prozess kann ich den eben noch anvisierten Punkt aus den Augen verlieren, das Fortkommen auf dieses Ziel verlassen und kehrend von ihm fortkommen. Mit einem anderen Ziel. Interessant ist jedoch, dass wir nie ohne die Punkte, Setzungen auskommen, an denen wir nie wirklich ankommen. Wir bewegen uns immer fort von irgendetwas oder auch irgendwo hin, sind also immer in einem doppelten Sinne in einem Fortkommen begriffen.
Ver-sprechen. Ich will es einlösen, kann es aber nicht. Ich habe mich versprochen, mich nicht entlang der Wahrheit bewegt. Ich konnte sie nicht in Worten zeigen, denn sie ist immer anders. Auch ich bin anders, doch ich weiß nicht wie. Da kann ich versprechen was ich will und komme dabei ins Stottern. Ich hänge in den Worten fest. Im Versprechen gefangen. Kann man mir verzeihen, dass ich nichts versprechen kann. Denn jedes Versprechen ist immer schon ein Versprechen, auch wenn es manchmal doch einlösbar, realisierbar ist.
Schreibend lesen. Barthes weiß es. Er zerlegt Texte. Wer liest schreibt. Nicht erst heute im Zeitalter der aussterbenden Literatur. Schon immer. „Legein“ bei den alten Griechen. Legen, auslesen, lesen. Eine Tätigkeit, ein Versammeln, Sammeln. Aktiv nicht das Passive reingetrichtert bekommen, dessen, was der Autor auf das Papier gerotzt hat. Immer schön Zeile für Zeile wie der Schulunterricht mit den gegliederten Lehrplänen, die eindeutigen Klausurfragen, die indizierten und formal richtig geteilten Diplomarbeiten. Lesen wie die armen Tauben, um dem guten Prinzip zu dienen. Aus Aschenputtel wird eine Prinzessin. Ich schreibe die Prinzessin in das Desaster mittelalterlicher Willkürherrschaft. Ich schreibe das Wort zur Brutalität der geköpften Maria Stuart. Auslesen. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Lesen ist Zensur. Und der Autor sinnlose Behauptung der Literaturindustrie. Ihr werdet alle auf dem Läuterungsberg Steine schleppen, ihr Prahler! Ich mache mir immer mein eigenes Bild und nenne Autoren von meinen Gnaden. Wenn ich lese, bin ICH der Schreibende. War es schon immer. Nur Barthes hat es gemerkt (und ein paar andere). Lange vor dem Hypertext und multidödel Geplappere. Und die Bibel, die das Wort Gottes vor und niederschrieb. Die Welt las, schrieb und war. Das Buch Welt, das man nur auslegen konnte. Auf dem Altar oder den heimischen Tisch. Ich LEG mich schlafen.
Meine blutigen Lippen beben von kargen Schmerzen üppiger Lust denn ewiglich der Menschheit Streben ringet stets um meine Gunst
Mit bleichen Händen betend um zu erringen jene Kunst die offenbar in jedem Wesen und doch verborgen bleiben muß
In den Schatten kalter Tempel Sklaven bauen sie himmelshoch
Kein Gebet könnt mich je binden – nur die Liebe einzige Kraft
Kein Gesetz was ihr verkündet würd gerecht was sie erschafft
Ihr Königssänften-Träger
seid selbst Könige von Macht werft die Zepter in die Gräber
All seid ihr heilig von göttlich Pracht!
Denn ewiglich der Menschen Leben will ich schenken meine Gunst
LAYLAH – Schoß der Sterne
Daseinsende – Daseinsgrund
THADENSTRASSE 25
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Erhattemalgedacht,esistdasabsurdestegefühlinderliebe,zuwissenwermanist." Zuerratenwerliebenundwergehenmuss."Nieallessein,nurfast
Eskannnichtnuretwasvollkommensein,eskannimmernurallesvollkommensein."undzuseinereigenen Ganzgleichwererauchimmerwar,kamerdochindieweltalsderkleinennernichtvollkommenwar,kannsieesauchnichtgewesensein."wennergehenwürde, müsstesieauchgehen. erliebte,wassieseinkönnte–nichtwirklichwassieistoderwar."underhatte vergessenwererist.
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Dashimmelszeltglicheinertiefgaragendecke."Erwurde hiergeparkt."Erhatteseineboxindieerrückwärtseingeführtwurde."Erhattenie etwaszumbezahlen."Erwarimmerwach. Er...paul,christian,thomasundmanchmalstefanie." Seintrockenesherzmachtgeräuschewieeinkopiererundwürdenbilder herausgleiten,würdensiesichzeigen,alswäreseinersterundeinzigsterherzschlagausseinengeräuschengerissenworden undaufeineglasflächegelegt."Eroffenbartesich eigentlichununterbrochen." tb0b
Wenn Liebe Chaos ist, kann sie dann überhaupt erfasst werden? Aber gerade weil sie nicht erfasst werden kann, wird soviel darüber geschrieben. Sollte nicht gänzlich nur darüber geschrieben werden, was mit Liebe zu tun hat?
Ein voluminöser Hunger ist ein großartiges Geschenk. Warum nicht durchs Gebirge streifen, die Abgründe bewundern, fernab und erhoben dessen, was Wichtig sich schimpft, fernab Jener, die die feste Hand um das Leben legen und entfernt der wimmelnden Maden, die sich anschicken Löcher in das Gleiche zu nagen, das Gleiche, was Gesellschaftlich sich nennt. Das Leben, das scheint endlich, aber nur wenn sich darin keine Sehnsucht regt und das Feuer sich zur Asche neigt, wenn wir darin nichts mehr verbrennen. Türen gehen auf und man fragt sich, sind es Fallen oder Himmelspforten, wartet dahinter die häßliche Frazte oder ein leuchtender Schein, ist es ein Verhängnis oder eine Befreiung und wir erahnen doch, es ist immer Beides, was da sitzt und wartet, das Glück sich im Disaster sonnt.
Auf den Gipfeln angekommen, verkleinert es sich, das was einmal war und auch das was es werden könnte und geredet wird mit Engelszungen, wo die Worte sich aus einem anderen Brunnen schöpfen.
Liebe. Auf dem Plateau stehend, in die Schlucht schauend, sind die Liebenden die Größten und nur das Andere ist klein und arm. Wie hätte ich sie da nicht lieben können, das zarte, bunte Wesen, neben mir erhoben auf gleicher Höhe, wir dem Himmel näher, von Blau umhüllt, was wissen die da unten - niemals etwas von unten nach oben fällt.
Liebe. Die Umarmung sich fest in die Seele verschnürrt, die Feuchtigkeit auf den Fingern, riechen mit allen Poren, das geliebte Wesen, Moschus und Amber sind jetzt im Herzen. Im Tale werden die Kriegstrommeln gerührt, ein greulich, dumpfer Schrei dringt nach oben, doch oben da wird gesungen, Lieder, die keiner kennt. Die Lippen sich auf einander zu bewegen, Bilder sich in Köpfe brennen und entzweit, was hätte sein können, im Rausch die Personen verlodern und Schwaden verkünden, dies bliebe für immer und wird nie vergehn. Mythen sich um dieses eine Ereignis bilden, neues Menschwerden bejubeln, die Welt hat danach gehungert.
Laßt uns, wenn wir wieder zur Herde zurückkehren, die kärglichen Gebiete mit neuen Göttern bepflanzen, Begehren erzeugen, die Engelskäfige öffnen und wieder Fliegen lernen. Auf das Tal blickend, ist Gleichschritt nur zu erkennen, Fernsehhelden, die kommandieren. Wie dünn ist hier doch die Luft, der Atem schwer und das Herz pocht schneller, über sich die Sterne und ein Stern, der ist man nun selbst. Irgendetwas will erobert werden, diese Anhöhe gegen den Rest der Welt. Und ihr Name, ein Mantra im Kopfe – ihr Name, der klingt wie Sieg.
gendeiner Absicht und nichts aus irgendeinem Ziel – zwingt mich diese Frau zu erforschen, zu induvidualisieren, all ihr Wesen von dem Meeresgrund zu heben.
Ich liebe die Liebe, weil sie mich fortträgt. Verlangen und Begierde, das ist die unbegrenzte Wanderung, das ist Fortgang, weg von dem Punkt, an dem man sich befand und hin zu Territorien, die erst noch entdeckt werden müssen, die noch keine Identitäten beinhalten, auf dem erst noch was bepflanzt werden muß, wie in einer Wüste, wo der einzige Fixpunkt der Horizont ist und auch der sich bei jeder Näherung verschiebt und verändert. Das Chaos ist auch der Sand unter den Füssen, der bei jedem Tritt nachgibt und den Liebenden zeigt, wie wenig Halt er im Grunde hat und wie wenig Halt er auch benötigt, weil er keinen braucht und keinen will, weil er süchtig ist auf diese Art von Bewegung, weil er zwar erforschen will, diesen Boden, diese Landschaft, aber darin kein Ziel finden will. Sobald die liebende Person ergründet ist, ihr eine Form zuzuweisen wurde und ihre Geheimnisse geborgen sind, ist die Liebe und die Gier danach am Verblassen und erhält sie keine neue Nahrung mehr.
Wie wenig hat schon Liebe was mit einer festen Beziehung gemein, wie wenig mit der Gründung einer Familie. Wie ich diese Familien hasse, die sich sagen, dass sie sich lieben, was schon wird alles leichtfertig Liebe genannt und wie wenige können sie tatsächlich ertragen, weil sie Chaos und Schmerz ist, weil sie überwindet, dich überwindet und Ewigkeiten formuliert. Endorphinartige Bewegungen, ersetzten festgefahrene Existenzen, eine gigantische Lustmaschine ist am Entstehen, die alle Ernsthaftigkeiten und Verpflichtungen verschlingt.
Ach wie schön ist das Durcheinander, schön auch diese Unruhe, der fehlende nächtliche Schlaf, die umherkreisenden Gedanken, die nach neuen Produktionen schreien. Wie viel wert ist dies doch gegenüber all dieser stumpfen Zufrieden- und Einfacheit, die keine Sehnsüchte mehr hervorbringen können, die sich jedem Gedicht und jedem Kunstwerk entziehen. Und muß man nicht wirklich Hunger spüren, um zu erfahren wie etwas wirklich schmeckt. Wie sollen wir das Blau des Himmels erahnen, wenn kein Traum mehr in uns steckt, wie ein Meisterwerk betrachten, oder auch erschaffen, wenn keine Besessenheit uns dahin ruft. Und all die Meere und die reißenden Flüsse und all die Wogen, die das Land überschwemmen – wie trocken wird all das bleiben, wenn die Lust was Fremdes bleibt, aus dem all dies entspringt. Gewiss es ist nicht angenehm vom Meterologen sich den Regen erklären zu lassen und vom Richter das Gute und das Böse, nicht erhabend ist es, mit der Geburt die Gebrauchsanweisung fürs Leben vorzufinden – vortrefflicher schon ist der Flug über all diese Hügeln, vortrefflicher nicht zu wissen wo man ankommt.
Liebe, sie säugt sich an den Geheimnissen und bewegt sich, indem sie den gesellschaftlichen Raum durchbricht. Ein eigenes Labyrinth will sie sich erschaffen, eine Welt bauen, die noch keiner kennt, sie hat die edelste Position eingenommen, die es unter Menschen geben kann, sie hat die Lebewesen erhoben und zeigt, was Leben wirklich kann.Sie lehrt die Sprache des Urmenschen und hat die Welt wiederentdeckt, dort, wo sie längst schon vergessen schien.
Alles, was ich zum Funktionieren benötige, alles, was ich an Absichten formulierte, scheint in dieser Leidenschaft unterzugehen, meine wahre Größe wird neu bestimmt. Der Abgrund, vor dem ich stehe, das bin ich selbst. Irgendetwas hat über mich Macht gewonnen – ich bin mir selbst ein unbekanntes Wesen.
Das Verlangen, das ewige Verlangen, welches niemals Form annehmen soll, ein in der Luft kreisender Energieball, der ständig neue Kraft gewinnt durch die Begierde, die durch die Liebe hervorgerufen wird. Liebe, das ist ein erzeugetes Chaos, eine Bewegung von derartiger Intensität, die das vorher Bestehende mit sich nieder reißt; Liebe, das ist Zerstörung und nur wirkliche Liebe besteht, wo alles Alte niedergerissen wird. Aus der Perspektive des Liebenden verkleinern sich all die anderen Dinge, der donnernde Rausch, läßt das Geschwätz der Welt verstummen. Spielt der eigene Tod darin überhaupt noch eine Rolle, kann irgedetwas darin noch eine andere Wichtigkeit proklamieren? Doch, es ist die Landschaft der anderen Person, eine Gegend, die dazu zwingt, das eigene Heim zu verlassen, der Gemütlichkeit Lebewohl zu sagen, nur aus dem einzigen Grunde, die neue Region neu zu beschreiten und jener ziellose Nomade zu werden, der sich in unbekannte Gebiete begibt. Irgendetwas – und nichts aus einem logischen Grund und nichts aus ir-
Vor den Banalitäten des Alltags bin ich befreit, dünnhäutig und meinen Panzern entledigt, stehe ich der Welt gegenüber, verletzlicher denn je zuvor, sensibler aber auch der Blick zu den Dingen, die ich sehe. Was schon kann die Gemeinschaft einem Verliebten bieten, wie banal wird in dieser Trunkenheit alles Funktionieren, wenn jetzt ein ganz neuer Kosmos entsteht. Nibelungen-Siegfried bin ich, mit dem Schwert in der Hand, gegen die Welt gefeit, sie ist durchschaut - aber ich hab eine wunde Stelle, nur eine, die mich töten kann und es nur eine, die die Stelle kennt. Das ist die Stelle, die sich "Verhängnis" nennt.
Ein Park in Italien: Das allein ist der Sinn jeglicher Kunst – das zu schaffen, was in einem brennt!
In Italien gibt es einen Park, ich weiß nicht mehr wo er liegt und verschwommen sind die Bilder, die ich dort vorfand. Nicht verschwommen aber sind die die Eindrücke, die mich durchfuhren, als ich mich in diesem Park befand. Umgeben von Pinienbäumen, Laubwälder und angelegten Bächen durchschritten wir eine skurile Landschaft und es war, als passierte hier etwas Besonderes, nicht nur mit uns, sondern auch mit dem, der diese hier schuf. Und wir vernahmen, dass jener Schöpfer gar nicht einmal ein Gärtner gewesen sei, sondern ein Liebender, der diesen Park aus Kummer über seine verflossene Liebschaft schuf und dass er an ihm, den Park, sein ganzes Leben formte und wäre ihm der Tod nicht dazwischen gekommen, er sicherlich weiter geschaffen hätte. Wir betraten ein Haus, es war in einem Waldstück gelegen und stiegen die Treppen hinauf. Die Räume recht groß und die Fußböden leicht schief.
Wir standen in einem leeren Zimmer mit weiß getünchten Wänden und schauten aus dem Fenster zum Park heraus. Ich ging im Zimmer auf und ab und durch den abfallenden Boden überkam mich ein leichtes Schwindelgefühl, nicht stark, aber genug, leicht die Sinne zu trüben und spürte einen seichten Druck im Kopf.
Er, der Erbauer, hatte sich was dabei gedacht. Wollte er nocheinmal den Taumel erzeugen, der ihn befiel, als sie ihn verließ, wollte er zeigen, wie abschüssig der Boden ist auf den man sich begibt, wie wackelig das Fundament, auf dem man baut? Vielleicht wollte er uns, den Besuchern, die Generationen nach ihm gekommen sind, all dies zeigen, uns seine offne Wunde präsentieren, eine Wunde, die nie verheilt. Vielleicht wollte er uns einen Schmerz offenbaren, der nie vergeht.
Zwischen all den Bäumen, Wiesen, Bächen und Gemäuern hat er Zeichen seiner Liebe versteckt. Die geliebte Person, die ist gegangen, nicht aber die Liebe, sie blieb bestehen – er hat sie in den Himmel geschrieben, mit einer Schrift, die ewig ist.
Das allein ist der Sinn jeglicher Kunst: das zu schaffen, was in einem brennt! Mußte es einen Italiener bedürfen, in all dieser Sinnlichkeit zu schwelgen, können denn nur Italiener so lieben, dass es sie innerlich zerbricht? Können denn nur Italiener diese Flamme in sich tragen, die die Leidenschaft am Glühen hält? Wie stumpf ist doch all das, was aus der Kühle heraus produziert wird und nicht brennt. Er erschuf diesen Park nur für sie, für sie, die für immer fortgegangen war. Die Landschaft, die er erstellte, glich der Landschaft, die sie für ihn bildete und die er stets in seiner Erinnerung auf und ab gegangen war, in der er was suchte und nur Bruchstücke fand, in der sich sein Trauma bildete, weil nichts darin zur Vereinigung kam. Die Fauna, die er zum Leben erweckte, das war es, was er gleichfalls in ihr erwecken wollte, aber es nie vermochte und so zu einem Erschaffer wurde. Wollte er danach nicht mehr lieben, oder konnte er es nicht mehr? Die Raserei wäre gewiss zum Ende gekommen und wir, die danach gekommen sind, hätten nichts von all dem erfahren. Ist nicht auch jedes großes Kunstwerk unter Schmerzen geboren, oder zumindest aus der Liebe zu irgendetwas?
"Wenn ich denke, daß ich mir Jahre meines Lebens verdorben habe, daß ich sterben wollte, daß meine größte Liebe einer Frau galt, die mir nicht gefiel, die nicht mein Genre war!" So läßt Marcel Proust in dem Roman "Eine Liebe Swanns" seinen Helden über seine große Anbetung zu Odette am Schluss resümieren. Und das Erstaunliche, was dieser Schlusssatz zum Ausdruck bringt, ist, dass die Leidenschaft keinem rationalen Gesichtspunkten folgt, dass sie nicht einmal geleitet ist von einem Idealbild, welches wir uns über Menschen machen, sondern dass sie heimlich und hinterrücks Körper und Geist überfällt, so, als wären sie noch nie von etwas anderem besetzt gewesen.
Was ist es für eine merkwürdige Suche, die ständig unser Leben begleitet? Was ist es für eine Suche, wo nach einem Sinn gesucht wird, nach einem Halt in der Welt, um mit einem Male von etwas überrascht zu werden, nach dem gar nicht gesucht wurde, aber dennoch derartig verändernd wirkt, als sei alles, was zuvor passierte nur passiert, damit es zu diesem Moment komme.
Was sind all die Vergangenheiten und wie unbedeutend scheinen sie in jenem Atemzug des Verliebtsein. Und welch ein Schmerz empfindet der Held des Romans, empfindet Swann und mit ihm alle zusammen, die diesen Zustand erlebt haben, wenn dieser Augenblick, der die Komprimierung des eigenen Lebens bedeutete, verstreicht und den unbedeutenden Wichtigkeiten wieder freien Zugang verschafft. Welch ein Schmerz ist es, dieses Feuer erlebt zu haben und danach in den Alltag zurückkehren zu müssen.
Mir war klar, ich musste mich in einem anderen Zustand befunden haben, denn häufiger schon versuchte ich dieses Buch zu lesen, kam aber über die ersten 20 Seiten nie hinaus. Als ich es jetzt jedoch wieder las, offenbarte sich in dem Buch meine eigene Geschichte wieder und ich fühlte mich sogleich mit Swann seelenverwandt. Er, verliebt in eine Frau, die ihn nicht liebt, vielleicht sogar nicht lieben kann. Eine Frau, die nur mit der Leidenschaft kokettiert, die nur dem gesellschaftlichen Alltag gerecht werden will, sich nur geschmeichelt fühlt von der Begehrlichkeit der Männerwelt. Seite für Seite unternahm ich mit Swann seine Wanderung durch die Abgründe einer verzweifelten Hoffnung, durchschritt mit ihm die Wege der Eifersucht und des Schmerzes. Nichts habe ich mit ihm gesellschaftlich gemeinsam, nichts mit seinen politischen Einstellungen und nichts ist vergleichbar mit seiner Zeit und mit der Zeit, in der ich lebe - uns trennen Welten - aber alles, was ich mit ihm teilen und verstehen kann, ist die Odyssee, die er durchmachen musste und nahe wurde ich ihm durch das, was er daraus lernte. Im Geiste sitze ich mit ihm gemeinsam auf einem schwankenden Boote und zusammen steuern wir es durch einen gewaltigen Sturm. Bundesgenossen sind wir, in einem sinnlosen Kampf, in einem Kampf um Nichts, der aber alles bedeutet. Der Roman ist, wie eine Brille, wie Marcel Proust selber sagt, man kann sie aufsetzten und die Welt durch sie betrachten oder sie einfach liegen lassen. Was aber geschieht, wenn wir diese Brille aufsetzten, welche Welt erkennen wir durch sie?
Die Normalität ist durchbrochen und auch Swann ist sich bewusst, dass er, da er nun durch Odette entflammt ist, nicht mehr die Dinge tun kann, die für ihn vorher noch bedeutend erschienen. Er entfernt sich von Freunden und bricht den Kontakt zu den Kreisen ab, in denen er einst Vertiefungen suchte, die für ihn das Fundament seiner geistigen Bildung gründeten. Er entfernt sich aus seiner eigenen Vergangenheit, wird ein Anderer und bewegt sich dorthin, wo sich seine geliebte Odette aufhält, in Kreise, die für seinen Geschmack weniger gebildet, eher gewöhnlich sind, aber die er jetzt in seinem Rausch eher eintauschen möchte, um ihr näher zu sein. Ihm ist bewusst, dass er die Treppe hinabklettert und versucht sich einzureden, dass diese gewöhnlichere Gesellschaft ehrlicher durch ihre Einfachheit sei, er versucht sich dies einzureden, um eine Begründung für seinen Rausch zu finden. Doch die Gesellschaft der Odette will ihn nicht haben, blickt misstrauisch auf ihn herab, hegt Ressentiments gegenüber seiner geistigen Bildung und empfindet ihn als einen Fremdkörper in ihren Reihen. Vielleicht sogar betrachtet sie ihn als einen Agenten, weil er was Fremdes darstellt, sich anders verhält, als sie sich verhalten und somit nicht zu ihnen passt. Es ist das klassische Romeo und Julia Drama: Die Liebe soll gestört werden, man hält Odette von ihm fern und will ihr einen anderen, ihren Kreisen näher stehenden Mann zukommen lassen. Bald schon muss Swann erkennen, dass all sein Zwang und seine Triebe ihn in Gegenden führen, die ihm fremd sind und diese fremde Gegenden ihn ausschließen.
Die Täuschungen, die die Liebe hervorbringt, sind die Wahrheiten des Liebenden
Proust vergleicht die Frauen mit Landschaften. Es ist leichter sich in eine Frau zu verlieben, als in Gleichgeschlechtliche - so Proust - weil die Frau eine Fremdheit für den Mann symbolisiert, die voller Zeichen bevölkert ist und deren Interpretation man sich gezwungen fühlt. Ein Geheimnis der Liebe liegt darin, dass es in Wirklichkeit keine feststehenden Wahrheiten gibt, sondern dass die Wahrheiten selbst immer nur Interpretationen von dem sind, was wir glauben zu sehen. Die Täuschungen, die die Liebe hervorbringt, sind die Wahrheiten des Liebenden. Der Liebhaber ist der großartigste Interpret der Geliebten. Er ist es, der das Bild der Person durch seine Deutung verändert, er ist es, der ihr eine neue Individualität verschafft. Er ist der Ägyptologe, der jedes Zeichen in dieser fremden Landschaft selbstvergessen sammelt und ihm eine eigene Bedeutung verleiht. Aber die Suche ist auch an jenem Punkt beendet, wo er nicht mehr Archäologe sein kann, wo es nichts
Die Täuschungen, die die Liebe hervor- bringt, sind die Wahr- heiten des Liebenden
Ein Park in Italien: Das allein ist der Sinn jeglicher Kunst – das zu schaffen, was in einem brennt!Die Zeichen der Liebe
mehr zu suchen gibt und das Geheimniss verschwunden ist. In jenem Moment hat sich die Liebe verflüchtigt, ist zu etwas Expliziten übergegangen, hat sich in eine Beziehung oder Ehe verwandelt, die mehr oder weniger den Alltag zweier Personen regelt, als dass sie noch von Leidenschaften geprägt ist.
Tatsächlich lebt die Liebe von dem Unbekannten, von den implizierten Dingen. Sie hält sich nur solange wach, wie die Entdeckungen noch nicht abgeschlossen sind, wo der Entdecker sich noch gezwungen fühlt, etwas zu entdecken. Und gerade die tragische Liebe, wo sich die Person entfernt, ist um so wilder, weil der Betroffene noch mehr Wege gehen, noch mehr Aktivitäten unternehmen muss, um in seinen Entdeckungen fortzufahren. Und nicht nur das: Indem sich die Liebe entfernt, werden die Zeichen, die darin verborgen lagen noch verschwommener und erfordern noch mehr Interpretationen.
Auch Swann denkt an der Stelle, wo sich Odette weiter von ihm entfernte, darüber nach, ob er noch so aufgebracht und so süchtig nach ihr gewesen wäre, hätte Odette ihm all das gegeben, nach dem er sich sehnte. Schließlich muss er für sich feststellen, dass es gerade die Entfernung zu ihr ist, die ihn rasend macht, dass es das Unbekannte an Odette ist, das in ihm den Rausch verursacht. Die Begehrlichkeit ist nur solange vorhanden, wie sich alles noch in geheimen Zeichen einhüllt, Zeichen, die es zu erforschen gilt, an denen etwas gelernt werden kann, durch die man hindurchgeht und sich selbst darin verändert. Sind diese Zeichen entfaltet verstummen auch die Begehrlichkeiten.
Keine noch solange Freundschaft ist fundamentaler als eine noch so kurze Liebschaft
Das ist die Tragik der Liebe: Sie berührt sich in einem kleinen, zufälligen Moment und verflüchtigt sich wieder – sie erlebt sich durch die fremde erson.
"Er spürte ganz genau, daß diese Liebe etwas war, dem nichts Äußerliches, nichts durch andere als ihn selbst Feststellbaren entsprach." (S.83)
Die Liebe ist keine Krankheit und auch kein Virus, welches nach dem Verlassen des Körpers Wohlbefinden signalisiert - sie ist vielmehr das, was das Leben als Leben will, sie ist kein Ideal, sondern sie ist die Verherrlichung des Menschen zu anderen Menschen schlechthin. Indem wir uns gezwungen fühlen, indem wir uns berührt fühlen, indem etwas sich in uns rührt, finden wir Wahrheiten heraus. In diesem Zustand verändern wir uns selber, brechen mit festgefahren Vorstellen über uns selbst. Alleine dieser Bruch bezeugt sich darin, dass wir Geben wollen selbst das, was wir noch gar nicht geben können. Das Verlangen nach den Dingen, die noch nicht vorhanden sind, ist derartig stark, dass wir sie erst erfinden müssen. Die lt, wie sie sich darstellte, beginnt sich zu verändern, ein Strudel wird geboren, der alles in sich reißt. Die Begierde alles zu geben schafft sich Bahn, das geliebte Wesen auf den Thron zu erheben und mit ihr neue Reiche zu schaffen. Es ist was anderes als in einer Freundschaft, wenngleich es auch ein wenig "unfreier" als dort ist. Nach Proust ist Freundschaft eine Vereinigung von Leuten, die sich über gewisse Dinge, Ideen und Taten einig sind. Freunde sind somit eine Bestätigung seiner Selbst, eine Verbindung des guten Willens, die sich über bestimmte Dinge der Welt einigen. Auch Swann wird von seinen Freunden Unverständnis wegen seiner Liebe zu Odette entgegengebracht. Sie raten ihm, wieder in die Normalität zurück zu kehren, sich von ihr zu verabschieden. Sie sind guten Willens, sorgen sich um den Gemütszustand Swanns. Sie verstehen nicht die Erregungen, von denen Swann durchdrungen ist, sie verstehen nicht den inneren Zusammenhang der Liebe, vielleicht auch deswegen nicht, weil sie es selber noch nie erfahren haben. Die Freunde, sie wollen ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück bringen und lächeln insgeheim über seine schmerzliche Besessenheit. Was sie als Freunde von ihm verlangen, ist zurück zu kehren auf ihre gemeinsame Grundlage. Doch Swann hat sich durch die Begegnung zu Odette verändert und kann die alten Begrifflichkeiten, die alten Wahrheiten nicht mehr nachvollziehen. Denn jede noch so kurze Liebe, selbst zu einer mittelmäßigen Person, haben mehr Brüche in ihm geschaffen und tiefer in das Innere seiner Selbst eingegriffen, als jene "Wahrheiten", die er zuvor über die Gesellschaft, Freunde und über Bücher erfahren konnte. Nicht nur ist er ein Anderer geworden, sondern, wie Rimbaud es ausdrücken würde, ein Sehender. Was er sieht, sind die Zwischenräume zwischen den vermeintlich objektiven Dingen. Ein Suchender ist er geworden, der die Essenzen in den gefalteten Zeichen aufspüren möchte. Wie können wir überhaupt lieben, ohne in die Welt jener Person einzudringen, die wir begehren? Aber diese Welt der
anderen Person ist eine fremde und sobald wir sie lieben eine Welt voller Rätsel. Und dadurch, dass sie uns unbekannt ist, ist sie eine mögliche, eine Welt, die erst noch geschaffen werden muss, eine, die es noch nicht gibt. Es schafft sich was Neues und Anderes, es wird was durchbrochen, was vorher unmöglich erschien. Wenn es eine Enttäuschung in der Liebe gibt, so nur deswegen, weil dieses Unmögliche mit dem nur Möglichen verglichen wird. In Wirklichkeit ist aber die Liebe eine Wanderung zu anderen Dingen hin, verlässt sie den Boden des Üblichen und lässt die alten Wahrheiten hinter sich zurück. Was sich tatsächlich enttäuscht ist nicht die Liebe selbst, auch wenn sie noch so qualvoll erscheint, sondern ist das Alte, was sich nun in einem anderen Licht widerspiegelt. Der Schmerz, der hervorgerufen wird, ist der Schmerz, der durch diesen Bruch entsteht - die objektiven Wahrheiten keinen Halt mehr geben. Vielleicht ist es jener Mangel an Leben-Wollen, den Nietzsche so beklagt, wenn die Brüche vermieden werden, wenn sich auf vermeintliche Objektivitäten gestürzt werden, wenn das Leben rein nach dem Funktionalem ausgerichtet und aller Sinnlichkeit entraubt wird. Vielleicht ist es das Bestreben nach vermeintlicher Ruhe und Zufriedenheit, wenn man sich als Maschine konstituiert und glaubt, man bräuchte das Leben nur abarbeiten, damit es gelinge. Vielleicht ist es aber ganz einfach nur Angst, von seinem eingeschlagenen Weg abzukommen, Angst davor in der Gesellschaft nicht anerkannt zu werden, Angst, Angst, Angst. Formen der Liebe sind es gewiss nicht und auch Freude und Witz sind darin auch kaum enthalten. Eigentlich ist es nur ein Warten auf das Sterben und hoffen, dass das Leben schnell vergehen möge - eine große Müdigkeit ist es. Müdes Gähnen überkommt auch mich, all jene zu sehen, die vor ihren Träumen, Trieben und Leidenschaften fliehen. Was nützen all die großartigen Worte, was die vielen Ideen, gesprochen aus impotenten Mündern, was hab ich gemein mit Leuten, die es nicht wagen in das Innere einer Lebendigkeit vorzudringen, wie lächerlich sind diese Gesellschaften, die nur noch mit der Lust kokettieren, sie vermarkten, aber sie nicht mehr nutzten wollen. So fühle ich mich einem Swann, einem Intellektuellen, entstammend aus einer bürgerlichen Oberschicht, sichtlich mehr verbunden, weil er ein Suchender ist, als jenen vermeintlichen Linken oder Alternativen, die stätig und absichtsvoll Parolen und Ansichten wiederkäuen, aber schließlich doch zu feige sind, sich an den Abgrund vorzutrauen, zu feige sind leben zu wollen.
Chaos - warum die Furcht davor? Was kann mir besseres passieren als aufzu- wachen und zu meinen, jetzt müsste ich einen Sprung vollziehen!
Chaos - warum die Furcht davor? Was kann mir besseres passieren als aufzuwachen und zu meinen, jetzt müsste ich einen Sprung vollziehen!
Sie schrieb mir: "Hör nicht auf mich jemals lieb zu haben". Liebe ist Chaos. Nur einige Tage nach diesem Satz hatte sie mich verlassen. Liebe ist Unordnung – doch was ist so schlimm daran?
Die Unfreiheit besteht darin, dass uns Probleme gestellt werden, die wir gefälligst zu lösen haben. Der Lehrer stellt eine Aufgabe als Problem und der Schüler hat nur den einzigen Spielraum, dieses Problem, eigentlich das Problem des Lehrers oder das der Schule, nicht aber das des Schülers, zu lösen. Wir leben in diesem gesellschaftlichen Raum, indem uns Paletten von Problemen gestellt werden, die gar nicht unsere sind, die aber irriger Weise von uns gelöst werden sollen.
Wer oder was hat, entschieden, dass sie mich zu verlassen und nicht mehr zu lieben hat? Hat sie es entschieden oder hat es das gesellschaftliche Umfeld von Bekannten, Verwandten und Freunden beschlossen? Ist sie auch dabei gegangen etwas lösen zu wollen, was gar nicht ihre Aufgabe betraf, hat sie sich was zu Eigen gemacht, was völlig fern ihrer eigenen Situation lag? Später schrieb sie mir, dass sie mich verlassen hat, weil sie eben kontrolliert sei und das sie mich zwar liebte, aber das nicht wollte.
Chaos - warum die Furcht davor? Ist nicht gerade Chaos die Möglichkeit, die wir Stufe für Stufe auf unserer Entwicklungsleiter emporsteigen und ist nicht jede Stufe, die wir betreten ein Stückchen Unordnung, ein Verlassen der alten Zustände! Und die Freiheit, besteht sie nicht darin, sich seine eigenen Probleme zu suchen und seine eigene Geschichte zu bestimmen! Was kann mir Besseres passieren, als eines Morgens aufzuwachen und zu meinen, jetzt müsste ich einen Sprung vollziehen, die alten Wahrheiten zurücklassen, weil sie alle nichts mehr taugen. Was ist erfüllender und erhabener als ein Trieb, der einem dazu zwingt, sich neu aufzubauen, weil das Alte sich mittlerweile wie eine Fessel um die Beine gelegt hat. Was ist beweglicher, als aus seinem Trott heraus zu geraten und die Welt mit neuen Augen zu erblicken.
Keine noch solange Freundschaft ist fundamentaler als eine noch so kurze Liebschaft
Arielle, die Meerjungfrau – ein Märchen aus dem Chaos geboren
Wie sehr doch wird das Märchen geliebt, wie wenig hingegen sind die meisten dabei es erfüllen zu wollen, weil die Angst doch stärker ist, das Gewöhnliche zu verlieren.
Arielle die Meerjungfrau, sie steigt nur im Märchen aus ihrer Gesellschaft, aus ihrem Meer aus, um an Land Mensch zu werden, weil sie dort einen Menschen liebt. Das Märchen recht einfach gestrickt und doch sehr bezeichnend: Sie verliebt sich in einen Menschen, aber sie ist noch Fisch. Nicht dass sie ihr Fischsein nicht mag, nur jetzt zwingt sie was dazu Menschen zu werden, um sich sie mit dem Menschen, den sie begehrt verbinden zu können. Natürlich führt Arielles Ansinnen zur Aufruhr in Meereswelt, natürlich will man sie gerne vor diesem un-sinnigen Ansinnen bewahren. Solange die Geschichte spielt, solange wir dem Handlungsablauf folgen, herrscht nackte Anarchie. Chaos hin zur Meeresgesellschaft, die ihr rät und an ihr zerrt, nicht aus dieser Gesellschaft auszusteigen, sondern hier, dort, wo sie geboren wurde ihr Glück zu finden. Doch ihre Liebe zwingt sie zu Unüberwindlichkeiten, zwingt sie zu werden, was sie noch nicht ist. Arielle die Meerjungfrau, sie will es nicht bleiben, sie ist bar jeglicher Rationalität und entscheidet sich gegen den Verstand und für die Intuition. Lieber will sie alles verlassen, als ihre Liebe beschneiden, lieber will sie sich verwandeln, lieber noch über das erheben, was sie vermeidlich ist. Das Märchen endet dort, wo sie es geschafft hat, zu ihrem Geliebten zu gelangen, wo sie Mensch geworden ist und sich von der Meeresgesellschaft abgekoppelt hat. Die Geschichte endet dort, wo kein Chaos mehr zu erwarten ist, wo der Kampf um das neue Dasein aufhört und eine neue Ordnung ins Leben rückt. Wen interessieren auch schon die Ordnungen nach dem Happy End, welcher Zuschauer fühlte sich nicht gelangweilt, von den nachfolgenden Ereignissen, wo Arielle wohlmöglich Kinder bekommt und Essen kocht für ihren Ehemann. Niemanden interessiert das, niemand will es wissen und niemand freut sich an den nachfolgenen Dingen. Warum aber "freuen" sich die Zuschauer in ihrem eigenen Leben daran?
Hat das Märchen etwa insgeheim chaotische, anarchistische Zustände bezweckt, hat es benennen wollen, was der Verliebtheitszustand in Wirklichkeit ist? Sicherlich kaum, aber es hat es dennoch mit sich geführt, als einen Traum, der vielleicht doch tief noch verwurzelt ist. Die Geschichte kam nicht drum herum, diesen Traum zu benennen, ansonsten wäre die Handlung elendig langweilig geworden.
wird sich zeitlebens auch nie entscheiden, welcher Weg der Richtige ist. Der Neurotiker nur möchte am liebsten nicht mehr aus dem Hause treten, weil ihm vor jeder Veränderung schwindelig wird. Und eine neurotische Gesellschaft finden wir vor, mit der ich nicht gerne gemeinsame Wege gehen will, eine Gesellschaft, die uns das Problem benennt und auch zugleich die Lösung bereithält.
Die Stummheit Gottes: Waren es Männer, die Gott erfanden und dabei die Frau im Sinne hatten?
Haben wir noch einen Traum? Können wir noch Bilder dieses Traumes generieren und welcher Mut ist vorhanden neue Bilder entstehen zu lassen. Vielleicht ist "Arielle die Meerjungfrau" eine Simplifizierung eines solchen Traumes, aber dennoch beinhaltet selbst dieses Märchen mehr Überwindungsdynamik, als das gewöhnlich alltägliche Leben. Schwer werden an den Lösungen gestellter Probleme getragen, Aufgaben und Verpflichtungen, rauchende Köpfe neigen sich über Leitfäden, die andere für einem verfasst haben. Doch sind es auch wirklich die eigenen Angelegenheiten, oder gehe ich nur einen vorgezeichneten Weg? Hätte sich die Menschheit überhaupt weiterentwickelt, wäre sie nur in der Verstickung irgendwelcher Lösungen von vorhandenen Gegebenheiten hängen geblieben? Hat sie in Wirklichkeit nicht dadurch Sprünge unternommen, indem sie sich immer wieder neue Probleme stellte?
Das Finden der richtigen, eigenen und wahren Probleme kann immer nur dort liegen, wo die Intuition einen hinführt. Es ist gar nicht einmal der Verstand, der uns hierbei auf die richtige Fährte führt, sondern es sind die Dinge, die instinktiv auf einem zukommen und sich erkennbar machen. Tatsächlich treten die großen und wahren Probleme erst dann auf, wenn sie bereits gelöst sind, d.h., sie lösen sich erst dann, wenn sie gefunden worden sind. Wir sind unsere eigenen Sucher und Entdecker und sind nicht dazu verdammt, immer nur das wiederkäuen zu müssen, was andere hinterlegt haben.
In der Liebe durchlaufen wir Iniationsriten, der uns selbst noch in Frage stellen. Wer das nicht abkann, wird Bürokrat seiner gemachten Umgebung sein. Es ist noch lange nicht entschieden und
Dich bet ich an wie nächtiger Wölbung Schauer, o mächtige Schweigerin, o Kelch der Trauer, und lieb dich, Schöne, mehr noch, weil du fliehst und, meiner Nächte Schmuck, mehr Meilen liehst - zu grimmern Hohn noch - jenen blauen Fernen, die meine Arme trennt von den Sternen.
ich greife an und auf die Wälle Stürme, so wie den Leichnam anpackt das Gewürme, und liebe an dir, unversöhnlich Tier, die Kälte noch: sie macht dich schöner mir!
Alles berührt sich in der Liebe, jeder Gegenstand, jede Straße, jeder Gedanke, jede Erinnerung und jedes Gefühl, die Dinge verhalten sich als würden sie mit dir sprechen, die Lösungen kommen vorbeigeflogen, als könnest du sie ergreifen, als gäbe es ein Happy End, als hättest du etwas bezwungen und neu erkannt. Du sprichst die Sprache eines Wahnsinnigen und bist dem Patienten näher als dem Arzt. Ständig erzeugen sich neue Erkenntnisse, der Boden ist aufgewühlt von den vielen archäologischen Ausgrabungen, die du unternimmst, in Raserei, in rasanten Schritten, um herauszufinden, was es ist, wer sie ist, eine Sprache hinter ihrer Sprachlosigkeit zu finden. WAS IST ES! Es schreit dir Tag und Nacht ins Gesicht, es schlägt dich, erschlägt dich und baut dich wieder neu auf. Eben noch auf den höchsten Gipfeln und im anderen Moment im tiefsten Tal. Das Blau des Himmels, das ist es, aber wie soll es je zu fassen sein. Alle Geister fangen an zu sprechen, alle Toten drehen sich im Grabe- doch sie ist stumm. Ausgerechnet sie ist stumm - verdammt stumm, stummer noch als ein Stein, kann etwas noch toter sein als sie, ausgerechnet sie, von der du alles erfahren wolltest. Du bist wie ein Gläubiger, der zu einem Gott betet, der nicht dir spricht. Du betest zu etwas Leerem, aber weil es leer ist, kannst du alles hineinlegen - legt hinein deine ganze Welt in dieses leere Gefäß. Die Stummheit Gottes: waren es Männer, die Gott erfanden und dabei die Frau im Sinne hatten? Liebe ist nicht Beziehung, weil sie sich auf nichts beziehen kann. Es kann keine Liebe versprochen werden und schon gar keine ewige. Liebe kann nur genommen, ergriffen werden in dem Moment, wo sie vorhanden ist. Ein Narr, wer sie nicht ergreift, ein Idiot, ein Lebensverneiner, ein Sklave seiner Ratio. Besser: macht die Ratio zu eurem Sklaven! Ewige Raserei, ewiges Sich-Überwinden - die Flucht führt nicht weg von der Leidenschaft, sondern die Leidenschaft flüchtet vor der Funktionalität. Ewige Liebe, doch wie ist sie zu halten, wie ist sie für immer zu besitzen, sie, die Liebe, nicht das, was geliebt wird? Wie den wohltuenden Schmerz behalten, dieses offene, brodelnde Meer, diese fließende Wunde und diese Feuchtigkeit der Lust schmecken, all dies, was die Austrocknung verhindert? Noch eher will ich Worte in den Sand onanieren, als die trockene Hand reichen, die mich hinüberzieht zu einer Bestimmung, die ich nicht bin. Lieber lass ich das Werkzeug fallen, um in leuchtende Augen zu schauen, als das ich warte, bis meine Arbeit vollendet ist. Erobern will, annektieren! Aber Halt, ich will das Land nicht besetzten, ich will keine Kolonie.
Lieber möchte ich ein Insekt sein, Zickzack fliegen von Lichter zu Lichter hin, lieber noch das, auch wenn ich drohe in die Flamme zu stürzen.
Die Liebe kann durch zweierlei Dinge getötet werden: durch Heirat oder Vergessen und nur dazwischen hat sie Bestand. Man verwechsle nicht, dass sie mit ebenso beidem spielt – sie reizt mit der endgültigen Vereinigung, weil sie stets den Höhepunkt im Auge behält und sie will das Vergessen, weil nach dem Scheitern der Schmerz nicht zu ertragen ist.
Doch hat die Liebe dich nicht gerade zum Forscher gemacht, hat sie dich nicht gezwungen, was zu lernen, hat sie dir nicht eine Welt offenbart, die vorher noch nicht vorhanden gewesen war? Hat sie nicht Probleme gestellt, die wirklich deine Probleme sind? Wie trübe und schwächlich doch jetzt wieder in den grauen Alltag zurück zu kehren, die Blütenpracht mit Beton eintauschen zu müssen.
Nicht ewig ist, was geliebt wird, aber ewig ist die Liebe und die Fähigkeit sich zu verlieben ist der Gang zu ihr hin.
Fähig zur Liebe zu sein, heißt, sich im Widerspruch zu einer Kultur zu befinden, die alle Personen und Dinge nach ihren Nützlichkeiten bewertet, die ökonomischen Stillstand favorisiert. Tollerei, Übermut und Ausgelassenheit sind die Substanzen, ohne die kein schöpferischer Geist auskommen kann. Wenn man sich fragt, was macht die Kunst so öde und die Gebäude so einfallslos und warum gleichen sich die verschiedene Städte– dann können wir erkennen, dass die Kunst von leidenschaftslosen Kunststudenten übernommen worden ist. Verzweiflung heißt die Feder, die der Poet führt und fern ist ihm jede Kunsttheorie.
Erahnte Baudelaire wohl, wie wichtig es ist, an der Liebe festzuhalten und ihre Weichheit und ihren schöpferischen, chaotischen Zustand zu nutzen. Frigide und coole Frauen, so sagt man ihm nach, liebte er, Frauen, die nicht bereit sind, sich hinzugeben und preiszugeben. Frauen, auf deren Landschaften ständig auf und ab gegangen werden muss, um zu entdecken, was sich dort verbirgt. Baudelaire also ein Sucher und die Suche ein Generator für seine schöpferische Literaturmaschine? Sicherlich mehr als das, er sah sich selbst als ein "Anderer", als einen, der sich selbst nicht bestimmen kann und dadurch auf Wanderschaft gehen muss, das Sein herauszufinden. Es ist immer nur das Denken, was das Sein bestimmt. Was aber liegt hinter dem Denken? Dies festzustellen bedarf der Überwindung und der Suche. Baudelaire ein Sucher. Dadurch, dass man ahnt, nicht das zu sein, was man darüber denkt, ist man anders zu dem Rest der Gemeinschaft, anders zu jenen, die einen Platz gefunden haben.
Baudelaire überhöht in "Blumen des Bösen" das Gute, um es beschädigen zu können, er beschädigt, um Verborgenes bergen zu können. Er proklamiert die Einsamkeit, um eine andere Gruppe errichten zu können. Er melancholisiert das Familienleben, um es zu entkleiden. Und er unternimmt den Versuch, die Liebe sich zu bewahren, indem er sie von sich fern hält. Er dringt auf Entfernung zu der Person, die er liebt. Seine Gedichte ist die Sprache von Sehnsüchten, ist die Sprache eines Besitzlosen. Wenn die Liebe sich entdeckt, wenn hinter ihr die Geheinisse geborgen sind, hört der Trieb auf, die Liebende weiter zu verschönen, hört es auf die Welt weiter entdecken zu wollen. Jede weitere Entdeckung wäre rein theoretischer Natur, den es gäbe nichts mehr was einem triebe fortzufahren. Der kühle Vamp gegen die Hausfrau. Oder auch: das Spiel gegen die nackte Logik. Es stellt sich nicht die Frage, was kann getan werden, wenn der Rausch vorbei ist. Nicht, wie kann ich das geliebte Wesen mit der Müdigkeit verbinden, sondern wie ist der Rausch zu steigern, wie dem Spiel Lebendigkeit verleihen und wie Entdecker bleiben und den Boden umgraben.
Werdet Fischer! – „Denn Schönheit, die der Lust sich streng enthält, bringt um ihr Erb die ungeborene Welt“ (aus Romeo und Julia)
Zehntausende Kilometer legen sie zurück, sich an geheimen einsamen Orten zu begegnen. All diese Strecke und all diese Mühe unternehmen sie, nur, um für wenige Tage über sich herzufallen, ihre Körper einander zu reiben, die Lust zu spüren und in Gierde übereinander herzufallen. Sie, George – eine französische Intellektuelle – und er Gauvin ein bretonischer Hochseefischer. Irgendwo in der Bretange, irgendwann auf einer Insel entdeckten sie ihre Liebe füreinander. Sie entdecken für sich ein Gefühl, bar jeglicher Rationalität, rein geprägt von einer großen Zuneigung zueinander. Es ist mehr ist als reine Sexualität, auch wenn das Körperliche stets vorherrschend ist. Die Unterschiede zwischen diesen Liebenden sind zu groß, als dass sie miteinander eine Beziehung oder Ehe eingehen könnten, aber die Sucht ist zu stark, als dass ohneeinander sein könnten.
Der Fischer und die Intellektuelle – zwei Welten, die sich gegenseitig anziehen, Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Ihre Leidenschaft führt sie stets wieder zusammen, obwohl sie verheiratet ist, Kinder hat und auch der Fischer sich in ähnlichen Eheverhältnissen befindet. Ihre Leidenschaft zueinander lässt die Grenzen überwinden und sie treffen sich jahrzehntelang an verschiedensten Orten der Erde, nur um ein paar Tage miteinander zu verbringen.
"Salz auf unserer Haut" ein Roman, wie ein Märchen geschrieben von Benoite Grault, schildert ein Chaosprinzip, eine Liebesgeschichte.
"Derjenige, der die Sprache der Vernunft spricht, ist derjenige, der am wenigsten liebt". Nur scheinbar ist der vernünftige Weg, derjenige, der am befriedigsten ist. George erlebt eine Reihe von Männern, die sie nicht richtig befriedigen können, erlebt Zusammenkünfte leidenschaftsloser Begegnungen und rein mechanischer Sexualität. Nicht der bessere Sex bildet die Leidenschaft, sondern die Liebe bildet den besseren Sex. Ihr Mann, auch ein Intellektueller, mit dem sie viele Jahre zusammenlebt, erfüllt zwar ihr kulturelles Umfeld und besitzt auch jenen Witz, den sie schätzt, aber es erzeugt keine Lust und schon gar keinen Rausch der Besessenheit, derartiges kann sie nur beim Fischer empfinden, der vielleicht nicht diesen Witz hat und auch nicht das kulturelle Umfeld.
Der Fischer und die Professorin - Synonyme für unterschiedliche Personen, die sich auch gerade deshalb und trotzdem lieben, weil sie unterschiedlich sind. Gerade weil ihr Verhältnis von einem Wirrwarr bestimmt bleibt, bleibt es am Leben. Hätte ihre Liebe Bestand haben können, hätten sie für immer zusammen finden können?
Sie treffen sich und wenn sie sich treffen, sind sie einander unbekannt und entdecken sich immer wieder neu. Ihr Rausch
gebiert sich aus dem Fremden. Bezeichnend sind die Stellen im Roman, wo die beiden drohen in die Alltäglichkeiten und des Bekannten abzufallen, genau in jenen Szenen tritt ihre eigentliche Krise auf. Ihre jahrzehntelange ungebrochene Liebe, ihre nie endende körperliche Leidenschaft zueinander ist bedingt aus ihrer Fremdheit. George erkennt für sich im zunehmenden Alter, dass sich ihre sexuelle Lust nur durch die Begegnungen mit dem Fischer erhielt. In geordneten Zuständen wäre ihre Lust zerfallen, keine Beziehung, kein Ehemann konnte ihr das geben, was der Fischer ihr gab. Sie wird sich von ihrem Mann scheiden lassen, weil nur noch Freundschaft mit ihm verband. Die Freunschaft zu ihrem Mann war nie so fundamental sein kann, wie die flüchtige Begierlichkeit zu ihrem Liebhaber. Sie heiratet wieder, aber nicht den Fischer, wenngleich sie ihn weiter trifft. Sie setzt das Chaos fort, nimmt es in Kauf, denn anders vielleicht hätte sie nicht mehr lieben können, anders hätte sie nicht das Ewige festhalten können und sie hält es fest bis zum Schluß. Am Ende ihrer Berg- und Talfahrt wird sie sagen, dass jener Fremder, jener, der nie ihren Alltag mit ihr geteilte, für den sie sich inszenierte, reizend kleidete, ihrer wahrer Mann gewesen sei.
Wir täuschen uns, wenn wir glauben, eine vermeintliche Ordnung hätte mehr Bestand als das Durcheinander. Wir täuschen uns darin, Zufriedenheit in ruhigen und unkomplizierten Zusammenhängen finden zu können. Die Ordnung, die ist nur in die Welt gesetzt. Die Liebe zeigt uns, dass es einen Plan nicht geben kann. Nicht das Denken beeinflusst die Dinge, sondern die Triebe berühren das Denken.
"Nur wenn unsere Körper sich lieben, vergesse ich, wie sehr wir zwei einander fremden Arten gehören. In meiner Jugend habe ich lange Zeit gedacht, sich lieben bedeute, eins zu werden. Ich denke es nicht mehr. Heute glaube ich, daß sich lieben bedeutet, zwei zu bleiben, bis zur Zerrissenheit."
Deine Zunge in meinem Mund. Ist Hass ein Bruder der Trauer? Deine Hand auf meinem Gesicht meine Hände umgreifen dich. Love hurts. Willst du mich verletzten? Du singst mir ein Lied und ich schaue auf deine Lippen. elch schöne Worte – ist es nur ein Märchen? Willst du mich verletzten? Ich bin das Fremde in mir und das Bekannte ist mir so fern. Verwunde mich, sei Rasierklinge – Liebe ist eine Exkursion in die Wunde. Wie schön ist doch das Schreckliche, wenn man es liebt. Wie schrecklich ist das Schöne, wenn es es nicht mehr gibt. Ich schaue in deine Augen, du senkst den Blick. Berühr mich noch einmal. Es klingelt das Telefon. Aus den Boxen tönt ein Lied. Wie schön ist sie doch, wenn man sie liebt. Eine Oase des Chaos wollte ich bauen, über all das, was sich in ihr regt. Ein Lächeln auf ihren Mund, Giggeln in ihrer Stimme, der Augenaufschlag, ihre Worte, ihre Gedanken und wieder ihre Hand auf meinem Gesicht. Sag es mir nochmal, sag mir, dass du mich liebst. Wirklich - ein Anderer ich bin und meine Krallen sind rund und weich, stechen können sie jetzt nicht. "Happiness is a warm gun - And I feel my finger on your trigger - I know nobody can do me no harm".
Was sind schon alle kosmische Reiche gegen eine einzige Neurose! Was sind schon Luftschlösser gegen Mauern und Fundamente. Lichtjahrweite Entfernungen sind wir gelaufen und dann schauen wir in einer winzigen Sekunde schreckhaft zurück und entdecken, wir sind nur Millimeter vorangekommen.
Tage später, sie sitzt mir gegenüber und das Flimmern in ihren Augen - das fehlt. Sie ist Richterin geworden, oder Selbstmordattentäterin, Palästinenserin mit Sprengstoff um die Hüfteein Knall, der trifft. Love hurts! Schau nicht zurück, sag nicht, was es ist - es ist. Arielle will zurück ins Meer und der Fischer bleibt zurück am Strand. Das Floß schwimmt davon, sie will nicht mehr mit mir spielen. Richterspruch, sie hat eine Entscheidung für sich gefällt. Sie liebt mich, ja, aber es geht nicht, die Vernunft will es nicht. Ich denke an Brecht: eine Unze Verstand und man ist verlässlich wie Flugsand und bei zwei Unzen hingegen schon wie ein Fels. Geordnete Absichten in vermeintlich notwendigen Wichtigkeiten. Halt nur eine Unze Verstand. Wir dürfen nicht mehr spielen und ich stehe mit der Schaufel in der Hand. Es scheint als gäbe es immer wichtigere Dinge, als das Leben.
"Hör nicht auf mich jemals lieb zu haben", ich vernehme die Worte und sage mir: Ja, ich werde deiner Botschaft folgen, werde dich einfach weiter lieben, auch wenn du entschwunden bist. Werde der Heftigkeit erforderlicher Bedeutsamkeiten widerstehen, werde mich nicht dem Ernst beugen und tun, was nicht logisch ist. Love hurts – lieber noch im Schmerz mich sonnen, als niemals mehr eine Sonne sehen. Von KADEE
„Hör nicht auf mich jemals lieb zu haben.“
„Hör nicht auf mich jemals lieb zu haben.“
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Werdet Fischer! Denn Schönheit, die der Lust sich streng enthält, bringt um ihr Erb die ungeborene Welt“
Eskapologie. Was könnte das wohl bedeuten? Denkt an die ESC-Taste auf der Tastatur eures Computers. E-S-C –das heißt entkomme! Die Idee dieser ESC-Taste ist, aus einer festgefahrenen Situation wieder heraus zu kommen. Man will wieder handeln, aber auf einer anderen Oberfläche. Die ESCTaste ist die Befreiung, weil alles verfahren ist, weil alles stockt.
Escape ist das englische Wort für Flucht. Flucht ist Befreiung. Statt die Situation durchzustehen, entziehe ich mich der Situation. Ziel ist es nicht mehr, neue Ziele zu formulieren, Ziel ist es den Zielen zu entkommen.
Immer haben wir es mit der Tiefe zu tun. Der ideale Mensch in unserer Gesellschaft ist der tief denkende Mensch. Alles Schwachsinn! Der tiefe Mensch ist der Eingekerkerte seiner eigenen Situation. Er ist ein Eindimensionaler, weil er nur in seiner Tiefe haust und kaum noch andere Formen wahrnehmen kann. Er ist Wissenschaftler, Psychologe, Beamter, Richter oder Polizist. Er liebt die Versicherung und die Ehe.
Flucht ist etwas anderes als etwas zu meistern. Flüchten oder in die Flucht schlagen.
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falsche Wort im falschen Moment darbringt.
Jedes Beziehungsgespräch ist nicht nur sinnlos, sondern macht auch klar: Man ist ein Gefangener! Jedes Ideal der Liebe tötet sie auch zugleich. Wo ist die Taste, wo bleibt die Konsequenz? Flüchte Mensch!
Wenn wir uns schon nicht als Menschen begegnen können, so können wir uns vielleicht als neue Menschen wieder treffen. Ich bin auf der Flucht, nicht panisch – und ich sehe wieder mehr.
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Es geht nicht darum, Ziele zu benennen, es geht darum Entdeckungen zu ermöglichen. Versteht die Flucht nicht falsch: wir flüchten nicht vor etwas, sondern wir flüchten zu etwas hin. Wir flüchten nicht aus Panik, wir flüchten wegen der Suche. Die Suche ist die einzige Form, nicht der Inhalt. Der Lachende ist der Heimatlose, er befindet sich immer auf der Reise. Jeder Ort ist verschieden, also sind die Gedanken auch immer wieder andere.
Nomaden sind Flüchtende –sie flüchten nicht aus einer Angst heraus, sie flüchten, um nicht sesshaft zu werden. Sie bewegen sich. Und dadurch dass sie sich bewegen, relativieren sie die Wichtigkeiten – Wichtigkeiten an die sich der Sesshafte klammert. Der Planet ist mit Wichtigkeiten vollgepflastert.
Jedes Symbol, das entsteht, zeugt von der Wichtigkeit eines Sesshaften.
Macht eure Gedanken zu Nomaden!
Wir befinden uns immer wieder in einem falschen Programm. Warum also sollen wir weiter das falsche Programm bedienen, warum sollen wir darin verweilen? Warum auch sollen wir uns darin vertiefen? Jeder und jede kennt diesen Zustand: Unter dem fahlen Licht der Küchentischlampe werden Beziehungsprobleme besprochen. Irgendjemand will Zuneigung erlangen, doch wie kann man etwas mit Worten füllen, was als Zeichen nicht vorhanden zu sein scheint?
Man will den Satz hören, der alles manifestiert, man will nicht einmal die Liebe, sondern nur eine Vergewisserung, dass es sich um Liebe handelt. Wer nichts dazu zu sagen hat, wird böse Reaktion erzeugen, auch wer das
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Was ist schon Liebe? Es ist ein Rausch, den ich nicht bestimmen kann. Es ist ein Wegelagerer, der mich aus dem Hinterhalt überfällt und umarmt. Also muss ich gehen, fortgehen, damit es was zum Überfallen geben kann. Die Liebe ist was Unbekanntes ihre Schönheit ist die Fremdheit – warum soll ich da zum Wissenschaftler werden? Eher noch möchte ich Archäologe sein und ein Puzzle zusammentragen, das niemals zusammenpasst.
Drück die Taste! Drück die Taste!
Nur der Idealist versucht die verschiedenen Dinge der Welt immer auf einen Sache zu beziehen, versucht einzuordnen, wo es nichts einzuordnen gibt. Er verwechselt die Kommunikation der Verschiedenheiten untereinander mit Beziehungen. Er will nur eine Welt, wir wollen mehrere Welten!
Es kann nicht darum gehen, neue Ideale zu schaffen – auch keine besseren –sondern darum, Ideale zu vernichten. Ideale sind Krusten die den Weg versperren, Ideale sind nichts weiter als Blockierungen des Denkens. Unter der Kruste liegt der Strand!
Wir beziehen uns nicht aufeinander, wir eskapologieren einander! Beziehungen sind Rückgriffe auf etwas Bekanntes, Zuneigungen erfolgen aus einem Gefühl heraus. Wenn ich mich immer wieder auf einen Menschen beziehe, enteigne ich dann nicht auch seine Fremdheit, enteigne ich dann nicht auch das, was nicht gesprochen wurde? Lege ich dann nicht alles nur nach einer Rolle fest, einer Rolle, die ich erfunden habe? Immer ist doch auch der brave Bürger der Massenmörder und das ändert nichts daran, dass man ihm die Absolution des Braven einmal erteilte. Nie stimmt das Ideal mit der Wirklichkeit zusammen, nicht einmal das Universum verhält sich gleichmäßig, eher schon dehnt es sich aus – ja, flüchtet!
Meist ist es doch so, dass die Rolle, die wir dem anderen gaben, nur die
Rolle ist, die wir als Vorstellung über den anderen mit uns umhertragen. Lasst euch keine Rollen verpassen und schon gar nicht die, die ihr für euch selbst vorgesehen habt! Seid nicht das Eine, seid das Viele!
Es gibt zahlreiche Eskapologen: Kafka war einer. Er flüchtete durch seine Krankheit in seine Literatur. Er flüchtete durch zahlreiches Briefeschreiben an seine Geliebte vor der Ehe.
In „Fight Club“ flüchtet sich die eine Person in eine andere – erst dadurch ermöglichte sie sich wieder eine Handlungsfähigkeit. Und auch die Kampfszenen sind Fluchten vor dem Schmerz.
In „Brazil“ flüchtet Sam Lowry während seiner Hinrichtung, indem er für sich eine andere Traumwelt kreiert. Bitter muss der Henker eingestehen, noch bevor es zum Vollzug kommt: „Er ist von uns entkommen“. Sam Lowry hat gewonnen.
Das falsche Programm, in dem wir uns befinden: Wollen wir im Kerker funktionieren, oder wollen wir Steine der Mauer herausbrechen.
Immer werden uns Funktionen aufgedrängt, immer sollen wir nur funktionieren. Schule, Arbeit, Familie, Altersheim und dann die Kugel. Ergreift die Flucht!
Immer wo Systeme auftauchen, halten wir die ESC-Taste bereit. Es gibt keine endgültigen Wahrheiten, es gibt keine abgeschlossenen Systeme. Wir sind nicht, wir werden erst! Fluchten sind Formen der Rebellion. Rebellion ist Leben! Eine permanente Rebellion, eine permanente Entdeckung.
HUNGRIGE HERZEN ist das Magazin für den lockeren Aufstand, was heißen soll, dass der Rebell ohne Lasten seinen Weg beschreitet. Einst schrieben wir: „Wir sind nicht nur gegen das System, sondern wir fassen es als persönliche Beleidigung auf“. Das System, das negativ berührt, das System, das in der Ablehnung zum Leben so total ist, dass man nicht einmal gewillt ist, das Gegenteil dieses Systems zu sein, denn dann müsste man sich auf die gleiche Sprache einlassen. Das System, das beleidigt, aber eine Beleidigung keiner Erwiderung bedarf!
Es ist nicht unsere Sache sich andere Formen organisierter Gesellschaften auszudenken, wo doch die gesamte Organisation auf den Misthaufen gehört. Soll der Plan in sich zusammenstürzen – die größte Missachtung,
die wir dem entgegen bringen können ist die Nichtbeachtung, die Austrocknung. Man kann aus zweierlei Hinsicht unpolitisch werden, einmal aus Dummheit, ein anderes Mal, weil einen in der Politik nichts berührt. Welche Berührungspunkte gibt es schon darin, in jeder Politik?
Politik ist eine Form der gesellschaftlichen Ordnung und Gesetze sind die Grenzen dieser Ordnung. Wen sollen sie schon interessieren, außer denjenigen, die sie nötig haben – die Herrschenden oder die Neurotiker.
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Die politische Gesellschaft ist die Neurose einer Herrschaft und die Beziehung ist die Neurose eines versunkenen Menschen. Beides sind abgekapselte Vorgänge, die ihre Fühler nach Außen verloren haben. Es sind verkümmerte Zellen, die nur noch in sich vegetieren, die Probleme für sich neu produzieren. Die Familie ist die fürchterlichste Grundzelle, sie existiert nur noch für sich, die ganze Wichtigkeit ihrer lächerlichen Existenz bezieht sie nur noch aus sich selbst heraus, sonst nichts. Warum nur müssen wir in solch öde Formen hinein geboren werden? Warum ist nicht alles offen, warum nur so viele Väter und Mütter, statt Schwestern und Brüder? Vater und Mutter sind die entsexualisierten Wesen aus der Bibel, obwohl sie auch nur Schwestern und Brüder von irgendetwas einmal waren. Von irgendetwas... Scheiß auf Generationen, Scheiß auf Autoritäten.
Wir sind da, einfach so. Leben läuft ab wie ein Fick. Ganz bestimmt! In der Sexualität ist alles drin, was Mensch benötigt: Spiel, Ausdruck, Triebe, Anreiz, fehlender Ernst und die Nähe zum Tod.
Vielleicht wollen die meisten Menschen gar keinen gesteigerten Orgasmus, gar kein Sinnesrauschen, weil sie eventuell Furcht davor haben etwas entdecken zu können, was sie gar nicht entdecken wollen.
Vielleicht wollen sie gar keine Bewegung, keine neuen Landschaften, weil sie sich heimisch fühlen wollen, Vaterländer sind.
Vielleicht wollen sie keine Aliens von einem anderen Stern, weil sie sich bedroht fühlen könnten in ihren Inhalten, die sie sich schufen und die sie ungern ins Wanken geraten sehen. Vielleicht wollen sie gar nicht leben, sondern nur Normen erfüllen und Normen verrichten. Verrichten und funktionieren – igitt nein, bloß kein Richter sein!
Ja, ich denke Leben läuft ab wie Sexualität; man muß viel tun, um geil zu bleiben, man muß sich am Leben reiben, wie an einem nackten Körper. Man muß sich neue Spiele ausdenken, Begriffe und Ausdrücke hervorrufen, um die Sinne zu schulen, Gedankenkonstrukte formulieren, um neue Weg zu beschreiten, Wege beschreiten, um sie wieder verlassen zu können. Und erstirbt nicht jede Erotik in all zu großer Enge, genau wie jedes Leben in der Versicherungspolice und im Stillstand umkommt?
Der leicht erigierte Schwanz, die feuchte Möse zeigt, dass ich noch lebe. Es zeigt noch Berührungspunkte. Ich lerne nicht, um mir Wissen anzuhäufen, ich lerne durch das, was mich berührt!
Was sind die Dinge die die Lust unterdrücken, was sind die Dinge die keine Geilheit mehr hervorrufen?
Ungeilheiten – Ich muss sie umgehen! Rebellion! Im Orgasmus erfahre ich die Auflösung des Ichs. Durch die Kunst überwinde ich den Ausdruck, stelle dar, was ich sonst nicht sagen könnte. Kunst und Orgasmus sind Formen der Ehrlichkeit, sind Wahrheiten, Entgleisungen gegen das Funktionieren. Im Zustand eines Orgasmus befinden wir uns nahe an der Stelle, wo das Ich aufhört dazusein, schmecken wir den Tod. In der Kunst stellen wir Dinge dar, von denen wir uns lösen wollen. Ficken und Kunst sind nur einige Fluchten, es gibt noch zahlreiche mehr. Fluchten sind systemfeindliche Bewegungen. Ich muss nicht mit jemanden auskommen, weil ich es muss, weil es gut funktioniert. Ich gehe Verbindungen mit dem ein, was mich berührt.
Eskapologie –wir befinden uns immer wieder in einem nichtrichtigen Ereignis