Die verborgene Gestaltung

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Franco Clivio, Hans Hansen, Joseph Kennedy

Die Eine verborgene Sammlung Gestaltung von Franco Clivio

Ausstellungskatalog mit Sticker Stickers

No. 01 – 08

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Museum für Gestaltung Zürich Birkhäuser Verlag AG



Franco Clivio Verborgene Gestaltung Dinge sehen und begreifen Birkh盲user Verlag AG Basel 路 Boston 路 Berlin 2010


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis 6 – 7 Vorwort 8 – 11 Einleitung 12 – 17 Zislaweng – so wird’s gemacht! 18 – 21 „Die Dinge erzählen mir Geschichten“ 22 – 25 Überlegungen zu einer Sammlung von Gebrauchsgegenständen

50 – 53 54 – 57

Das Mass aller Dinge Alles klar

58 – 61

Alles drin

Sticker

26 – 29 Vielkönner

Nº 04

Sticker

Nº 01

30 – 33 34 – 37 38 – 41

Nicht neu aber besser Ein Urspeicher Bereit zur Weiterbearbeitung

42 – 45

Nicht gleich aber ähnlich

62 — 65 66 – 69 70 – 75 76 – 79

Tintenfass mit integrierter Feder Scharf nachgedacht Integrierte Intelligenz Von klein zu gross zu klein

80 – 85

Mit eingebauter Löschtaste

Sticker

Nº 05

Sticker Nº 02

46 – 49

Aufgeklappt und zugeschoben

Sticker

86 – 89 Fast alles falsch 90 – 93 Einstückstücke 94 – 97 Universalmaterial Draht 98 – 101 Eins und eins ist mehr als zwei 102 – 103 Die Natur kann es am besten

104 – 107

Nº 03

In Form gegossen

Sticker

Nº 06


108 – 111 112 – 113

Richtig addiert Einfach verständlich

114 – 117

Schlag auf Schlag

Sticker

Nº 07

118 – 119 120 – 121 122 – 123 124 – 127

Teile zusammenbringen Zum Schutz der Augen Besser (aus-)sehen Alles im Griff

128 – 131

Rundum genial

Sticker

Nº 08

132 Danke 134 – 135 Impressum


Vorwort

Die Herausgeber: Hans-Peter Schwarz, Jacqueline Otten, Ralf Michel

Vorwort Sie war legendär, jene „Zwei-Fränkler Aufgabe“, die der Dozent und spätere Leiter des Studienbereichs Industrial Design an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich Franco Clivio seinen Studentinnen und Studenten zu stellen pflegte. Sie bestand darin, einen Gegenstand im Wert von maximal zwei Franken zu erwerben, den die Studierenden, aus welchem Grund auch immer, für bemerkenswert hielten. Einzige Bedingung: Er durfte keinen Rappen mehr als zwei Schweizer Franken kosten! Die in der Limmat-Metropole, die ja nicht gerade zu den Niedrigpreis-Regionen Europas zählt, ausschwärmende Studentenschar merkte bald, dass die Aufgabe gar nicht so leicht zu er­füllen war. Schliesslich kam aber doch jedes Mal eine Reihe von Objekten zusammen, alle mehr oder weniger banal, und diese wurden dann einer veritablen Designkritik unterzogen, die immer wieder zu verblüffenden Einsichten führte. Arbeit am Gewöhnlichen, am Alltagstauglichen, am scheinbar ungestalteten Objekt, am Material des Trivialen, das ist die Obsession des Gestalters Franco Clivio als Hochschullehrer ebenso wie als Design-Praktiker, der so namhafte Firmen wie Erco, FSB, Lamy, Gardena, Rodenstock oder Siemens zu seinen Kunden zählt. Für diese hat er Gebrauchsgegenstände geschaffen, die wahrscheinlich jeder von uns schon in den Händen gehalten hat, Dinge, die so selbstverständlich funktionieren, dass man erst einmal gar nicht auf die Idee kommt, nach der Handschrift des Gestalters zu fragen, was ja sonst üblich ist im Zeitalter der Designer-Stars oder Star-Designer mit ihren individualistischen Signaturen.

Und so ist auch Clivios grandiose Sammlung, die in diesem Buch präsentiert wird, keine Anhäufung designhistorischer Pretiosen, wenn sie auch in Struktur und Zustande­kommen durchaus jenen Kunst- und Wunderkammern ähnelt, mit denen der fürstliche uomo universale der frühen Neuzeit einstmals im noblen studiolo seine enzyklopädische Weit- und Weltsicht zur Schau stellte. Einige der „Highlights“ des anonymen Design sind durchaus weit gereist, ehe sie Eingang in die Zürcher Rämistrasse fanden, wo sich heute Clivios Atelier befindet. Sie zeugen davon, dass sich der unermüdliche Sammler auch auf den globalen (Floh-)Märkten und in ausgefallenen Geschäften umgesehen hat, wenn er nicht gar seine zahlreichen Freunde und ehemaligen Schüler dazu anstiftete. Jedes Objekt in der Sammlung steht aber für die eigenständige, eigensinnige, manchmal auch eigenartige Lösung einer Problemstellung, die oft einfach, immer aber fundamental ist; fundamental im Sinne einer Gestaltung, die nicht so sehr auf die gute Form, als vielmehr auf die perfekte Funktion setzt. Buch und Sammlung sind Anschauungsunterricht, nicht nur für Designer. Wir danken Franco Clivio, der, endlich darf man sagen, seine Sammlung und mit ihr seine Sicht auf die Dinge nach langer Lehrtätigkeit für Studierende und Designinteressierte erschliesst. Unser Dank gilt Tomás Maldonado, Peter von Kornatzki und Gerrit Terstiege, die mit ihren Beiträgen Clivios Gedanken und Analysen zur Sammlung der Dinge im Wesen des sammelnden, sehenden und verstehenden Gestalters einordnen.

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Einleitung

von Franco Clivio

Einleitung “Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vornherein ausgeschlossen erscheint.” Albert Einstein Ständig und überall bin ich auf der Suche. In Eisenwarenläden, Brockenhäusern, Trödelläden, Warenhäusern und auf Flohmärkten. Dort finde ich die Gegenstände, die zumeist kaum jemanden sonst interessieren. Es sind unscheinbare Alltagsdinge mit einfachen und zugleich raffinierten technischen Funktionen. Anonym gestaltete Gegenstände, deren Form, Konstruktion, Handhabung oder Material Aussergewöhnliches bietet. Dinge mit Aha-Effekt, einer anspruchsvollen Ästhetik, solche, die sich zum Beispiel auf verblüffende Art klappen, falten oder multifunktional nutzen lassen oder besonders intelligente Verbindungen aufweisen. Einer der eindrücklichsten Gegenstände, den ich als 14-Jähriger geschenkt bekam, war ein Taschenmesser. Es war kein gewöhnliches Modell, es hatte einen versteckten Öffnungsmechanismus, der ihn zu einem ganz besonderen Objekt machte. Leider habe ich es kurz danach verloren. All mein Suchen war vergebens. Doch ich hatte mir jedes Detail eingeprägt, ich wusste genau, wie es aussah und wie es funktionierte. Es war wie mit Mutters selbst gemachten Gnocchi, deren Geschmack ich noch heute auf der Zunge spüre, wenn ich daran denke. Doch so sehr ich die Augen über all die Jahre danach offenhielt, das Taschenmesser fand sich nirgends. Bis vor zwei Jahren. Da wollte es der Zufall, dass ich genau dieses Modell auf einem Flohmarkt

wiederfand. Dieses Messer hat damals meine Neugier für die technischen Details geweckt. Meine Vorliebe galt immer den eher kleinen Gegenständen, denn ich wollte sie stets um mich haben, sie sollten in Reichweite und jederzeit greifbar sein. Die Anwesenheit der Gegenstände ist anregend. Ich lebe mit ihnen und stehe in einem ständigen Dialog mit ihnen. Schliesslich handelt es sich um Produkte, hinter denen beispielhafte Leistungen stecken. Da die meisten nun aber von anonymen Gestaltern entworfen worden sind, ist es kaum möglich, mit ihnen über ihre Ideen zu reden. Deshalb versuche ich, mich in ihre Gedanken hineinzuversetzen. Ich möchte ihre Überlegungen nachvollziehen können, mich von ihnen inspirieren und sie in meine Arbeit einfliessen lassen, um damit mindestens ebenso erfindungsreich und neugierig zu sein. Oder noch lieber, sie zu übertreffen. Mit meiner Leidenschaft für anonyme Produkte bin ich nicht allein. Auch Charles Eames und Achille Castiglioni, zwei meiner grossen Vorbilder der Gestaltung und des Denkens, haben sich mit solchen Gegenständen umgeben. Castiglioni zeigte mir seine Sammlung persönlich. Hinschauen, nachvollziehen, begreifen, auf das Wesentliche reduzieren, hinterfragen und die gesammelten Werte in einem Erinnerungsnetz mit Querbezügen speichern, damit sie für die eigene Arbeit abgerufen und genutzt werden können – von diesem teils bewussten teils unbewussten Denken habe ich häufig profitiert. So gesehen war das Sammeln der Gegenstände eine permanente Weiterbildung.

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Hinsehen und Hinterfragen ist auch die Botschaft, die ich meinen Studenten mitgeben wollte. Dazu besuchte ich mit ihnen unter anderem auch einen Autoschrottplatz. Es war eine eher ungewöhnliche Art, um Gestaltung zu vermitteln, die jedoch grossen Anklang fand. Wenn die Studenten Wörter wie „Abbruch“ oder „Schrott“ hörten, reagierten sie zuerst misstrauisch, später wollten sie dann gar nicht mehr weg von den zerlegten Autos. Sie lernten dort eine unbekannte Welt kennen und bekamen eine Ahnung davon, aus wie viel Teilen ein Auto zusammen­gesetzt wird. Die Einzelteile, Schweissnähte und Verbindungen verschiedenster Art machten technische Zusammenhänge und den Bezug zum Ganzen nachvollziehbar. Schliesslich habe ich die Studenten auch zum Selber suchen animiert. Sie sollten Kleinstgegenstände mit speziellen Eigenschaften in den Unterricht mitbringen, die nicht mehr als zwei Franken kosteten. Beim Präsentieren mussten sie die produktrelevanten Eigenschaften erläutern und erklären, warum sie ausgerechnet diesen Gegenstand ausgesucht hatten und was ihn in ihren Augen auszeichnete. Das hat sie zum kritischen Nachdenken gezwungen. Dass einige ehemalige Studenten diese Methode weiterhin praktizieren, freut mich besonders. Selbst­ verständlich beteiligte ich mich damals ebenfalls an dieser Aufgabe, aber als Lehrer hatte ich den Ehrgeiz, jeweils mit etwas Besonderem aufwarten zu können. Meine Suche war immer frei und nie zweckgebunden, denn ich hatte ursprünglich nicht die Absicht, später aus dem Material ein Buch zu machen. Der Anstoss dazu kam von Kollegen und Studenten. Schliesslich habe ich mich mit der Idee angefreundet, weil ich glaube, Leute, die sich mit Gestaltung und Kultur beschäftigen, anregen zu können, die gestaltete Umwelt aus einem andern Blickwinkel zu betrachten. Wirklich überzeugt von der Idee zum Buch war ich aber erst, als sich Hans Hansen spontan bereit erklärt hatte zu fotografieren und ich sah, wie fasziniert er von den Gegenständen war. Als ich dann beim Fotografieren dabei sein durfte, war ich erst recht beeindruckt. Mit konzentrierter

Ruhe hat er sich in die Gegenstände und Themen hineingedacht. Er hat meinen Dialog mit den Gegenständen auf seine Weise weitergeführt und vollendet. Millimetergenau hat er die Objekte angeordnet, die hier im Massstab 1: 2,5 abgebildet sind, fünfmal, zehn mal zurechtgerückt. Er erkannte, wo ein Gegen stand fehlte und hat daher ein Senkblei und ein Messer aus seinem eigenen Fundus beigesteuert. Seine bildhafte Interpretation ist mehr, als ich mit Worten ausdrücken könnte. Es sind Bilder geworden, die eine sinnliche Perfektion ausstrahlen. Und wieder habe ich erfahren, dass das Engagement sich lohnt, so lange weiter zu arbeiten nämlich, bis man sein Letztes gegeben hat. Hans Hansen kannte ich nur durch seine Arbeiten, Fotografien unterschiedlicher Produkte, die er meisterhaft zur Geltung zu bringen versteht. Darunter befanden sich sogar einige von mir gestaltete Produkte. Genau diese Bilder hatte ich im Kopf, als das Buchprojekt konkret wurde. Seine Handschrift war genau das, was ich mir für dieses Buch gewünscht hatte. Mit Pierre Mendell, der ein guter Freund von Hansen ist, war das Trio komplett. Pierre und ich kannten uns privat, hatten aber bisher nie zusammengearbeitet. Doch die Klarheit seiner Arbeiten, die Art, wie er eine Aussage auf das Wesentliche reduziert, hat mich schon immer fasziniert. Genauso prägnant formuliert er auch grundsätzliche Fragen. Er sucht nach einfachen, kommunikativen Lösungen, weil die Welt von Bildern überflutet ist und eine direkte Formulierung die Botschaft besser vermittelt. Das ist auch bei diesem Buch nicht anders. Die grafische Gestaltung trägt die Aus sage. Die Zusammenarbeit mit ihm und seiner Mitarbeiterin Annette Kröger war für mich eine eindrückliche Erfahrung. Das grosse Engagement von Hans Hansen und Pierre Mendell hat das vorliegende Buch zu einem Gemeinschaftswerk werden lassen. Aber auch andere Beteiligte waren mit Leidenschaft dabei. Peter von Kornatzki, ein Freund aus der Ulmer Studienzeit, der uns alle drei kennt, schildert aus seiner Sicht, was uns – Hansen, Mendell und mich – verbindet, und hat seine 9


Einleitung

interessanten Erkenntnisse für dieses Buch niedergeschrieben. Gerrit Terstiege hat in seinem Interview den Beweggründen meiner Sammelleidenschaft nachgespürt. Und nicht zuletzt Tomás Maldonado, mein ehemaliger Dozent aus Ulm und heutiger Freund, der mein Projekt mit seinen Überlegungen zur Sammlung von Gebrauchsgegenständen philosophisch begleitet. Monika Widler hat meine Gedanken interpretiert und zu Papier gebracht. Da sie mich schon lange kennt und das Entstehen der Sammlung mitverfolgen konnte, war sie prädestiniert dafür. Die Zürcher Hochschule der Künste, allen voran das Herausgeberteam Hans-Peter Schwarz, Jacqueline Otten und Ralf Michel, hat das Projekt erst möglich gemacht, weil sie überzeugt sind, dass es einen didaktisch wertvollen Beitrag für Studenten darstellt. Ihnen allen danke ich herzlich. Sie haben sich von meiner Begeisterung anstecken lassen, mir Mut zu diesem Buch gemacht und damit vielleicht sogar Albert Einstein widerlegt: Manchmal lässt sich sogar eine gute Idee verwirklichen – mit vereinten Kräften.

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Zislaweng – so wird’s gemacht!

von Peter von Kornatzki

Zislaweng – so wird’s gemacht! Was den Gestalter Franco Clivio mit dem Fotografen Hans Hansen und dem Grafiker Pierre Mendell verbindet. Vor dreissig Jahren fand auf der Darm­ städter Mathildenhöhe eine Ausstellung statt, die weithin Aufsehen erregte. Anlass dazu gaben allerdings nicht die ausser­gewöhn­ lichen Möbel, Porzellane und Schmuckstücke des Deutschen Jugendstil, die das Museum Künstlerkolonie zur hehren Feier des siebzigsten Geburtstags dieser Kunstbewegung in Szene setzte. Für heftige Diskussion sorgte vielmehr eine provozierende Parallelschau mit dem Titel „Das gewöhnliche Design“. Darin versammelte der Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Darmstadt ganz banale und meistübersehene, weil selbstverständliche Gebrauchsgegenstände wie Glühbirne, Fahrplan oder Aktenordner und inszenierte damit eine feierliche Präsentation – museal ausgeleuchtet, unter Plexiglassturz, auf schwarzen Sockeln. Die Schule wollte so auf ihre eigene lange Tradition als Aus­bildungsstätte für Gestaltung verweisen und in die damals grassierende Debatte über ‚gutes‘ oder ‚schlechtes‘, also ‚verantwortungsvolles‘ oder ‚verantwortungsloses‘ Design eingreifen. Vor allem dafür sollte endlich einmal der Widerspruch zwischen singulären Objekten der Hochkultur und industrieller Massenware thematisiert werden – das Spannungsfeld zwischen origineller und banaler Gestaltung, zwischen Sonntag und Alltag. Zweimal hinschauen. Franco Clivio war von dieser frechen, weil uneitlen ‚Selbstdarstellung‘ einer Design-

schule natürlich auch begeistert; weniger aber über ihre ideologische Ausrichtung und den damit verknüpften linkslastigen Diskurs. Denn als er damals begann, seine kleine, spontane Sammlung ‚gewöhnlicher‘ Objekte systematisch auszubauen, interessierte ihn gerade deren hohe gestalterische Qualität. (Philip Johnsons legendäre Ausstellung „Machine Art“, 1934 im Museum of Modern Art, hatte ihn dazu immer wieder ermuntert.) Schon deshalb konnte er der Grundidee der Darmstädter Ausstellungsmacher – „Das gewöhnliche Design ist kein Design“ – kaum zustimmen. Oder allenfalls in dieser ver­queren Weise: Jedes Ding ist gestaltet, auch das noch so gewöhnliche, vielleicht nur nicht von einem ‚Designer‘; so gesehen sind dann die anonymen Gestalter zwar ‚gewöhnlicher‘, doch gestalterisch bemerkenswerter Objekte, im Grunde auch Designer. Eine andere zentrale These der Darmstädter Ausstellung hätte dieser sammelnde Ge­stalter (der sich bewusst nicht ‚Designer‘ nennt!) jedoch bedenkenlos unterschreiben können; sie wurde zum Leitmotiv seiner Leidenschaft, längst vergessene und oft ganz einfache Industrieprodukte zu entdecken, ihre faszinierende Eigenart zu erkennen und als Lehr­modelle zu nutzen: „Das Gewöhnliche… ist nur deshalb und nur so lange gewöhnlich, wie wir es nicht qualifizieren und einordnen können.“ (Gerd Ohlhauser) Ich formuliere vorsichtig im Konjunktiv und sage „hätte… können“. Weil mein guter Freund vermutlich damals die zur Ausstellung publizierten Texte nur überflogen hat, wenn überhaupt. Seine Sache ist der intellektuelle Disput nämlich bis heute nicht. Dafür sieht er mehr als er liest – auch das zu Lesende. Und er orientiert sich im Gespräch mehr an dem, 12


was er instinktiv fühlt, als an dem, was er hört. Ein raffinierter Zeitgenosse, bei dem Bauch und Kopf eine kaum trennbare, fast unüberwindliche Allianz bilden! Umgeben von Buchwänden und auf geheimnisvolle Weise stets bestens informiert, zieht er das handfeste Beispiel jeder wort­ reichen Überzeugungsarbeit vor. Bei Debatten über Design oder Nichtdesign, über Konzepte oder formale Details, über kluge oder einfach dumme Gestaltung stimmt er jedem Argument meist freundlich zu, steht aber plötzlich auf, holt ein seltenes Buch oder überraschendes Objekt seiner Sammlung – und beweist das Gegenteil. Im Stillen, da bin ich sicher, misstraut dieser wache, quirlige, lebensfrohe Italiener – 1942 in Milano geboren – jedem Vielredner. Er hält diesen Typus zumindest für einen dürftigen, wenn nicht gar ver­hinder­ten Gestalter: für einen vielleicht interessan­ten, doch ahnungslosen Zeitgenossen, der sich beim Reden über das Machen vom Machen entfernt. Heinrich von Kleists Erkenntnis – „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ – stellt er die eigene Erfahrung entgegen: die allmähliche Entwicklung der Gedanken beim Entwerfen. Nicht reden – machen! Mit dieser Methode kam Franco Clivio schon während seiner Lehre als Hochbauzeichner in der Schweiz in Kontakt. Und daran orientierte er auch das Studium an der hochschule für gestaltung ulm, angeleitet und im Bündnis mit so praxisnahen Produktgestaltern wie Hans Gugelot und Walter Zeischegg. Das half ihm in jener kopflastigen Zeit nicht nur mental zu überleben, sondern auch sich den Weg als Gestalter zu bahnen. Es wurde ein höchst eigenwilliger Weg, auf dem ihn später die Zusammenarbeit und Freundschaft mit Otl Aicher, Gui Bonsiepe und Tomás Maldonado bestärkte. Im Gewöhnlichen das Ungewöhnliche entdecken, in der komplizierten Struktur das einfache Muster, in einer beiläufigen Bemerkung die entscheidende Aussage – das sind heute für ihn die Schlüssel, um im Entwurfsprozess die intelligente Problemlösung zu finden. Eine tragfähige Idee, die den engen

Rahmen der Vorgaben sprengt und die gestalterische Aufgabe weiterdenkt. Einen Entwurf also, der sich ausbauen und zu einem Programm entwickeln lässt. Auf diesem Weg, zwischen Versuch und Irrtum, entsteht schrittweise auch das formale Konzept, die Grundform des Objektes. Denn in seiner visuellen Erscheinung verbinden sich schliesslich grundlegende Gedanken zu Gebrauchswert, Konstruktion, Material oder Fertigung. Doch der Entwurfüberzeugt erst dann, wenn es gelingt, diese komplexen Überlegungen so zu verdichten, dass eine charakteristische Gestalt entsteht – einfach und direkt, also unverstellt und damit unverwechselbar. Diese eigenständige Auffassung von Gestaltung und das intensive Entwerfen verbinden Franco Clivio mit Hans Hansen und Pierre Mendell. Denn auch der Fotograf und der Grafiker gelten in ihrem Metier als notorische, höchst sensible Querdenker, skeptisch gegenüber jeder Designideologie, doch offen für alles, was das gestaltende Denken heraus­ fordert und vorantreibt. Beide stehen dem modischen Zeitgeist und seinen visuellen Auswüchsen so distanziert gegenüber wie der Produktgestalter. Und wie er sehen sie das Entwerfen zugleich als Pflicht und als Kür: die Botschaft ihrer Kunden so ins Bild zu setzen, dass nicht nur die, sondern mehr noch ihre Adressaten davon berührt und überzeugt sind. Dafür scheuen auch sie im Gestaltungsprozess weder Recherchen, Umwege noch Risiken. So verschieden diese drei Gestalter in ihrer Persönlichkeit auch sind – sie denken auf gleicher Wellenlänge und sind ähnlich getrieben von Sehnsucht nach vollkommener Einfachheit der Dinge. Sich bescheiden. Besonders Hans Hansen hat dafür unvergleichliche ästhetische Modelle geschaffen. Seine Art zu fotografieren – in gewöhnlichen Dingen ihre ungewöhnliche Eigenart zur Sprache zu bringen –, wurde für Generationen von Sachfotografen Richtschnur und Ansporn. Mit nie versiegender Experimentierlust zerstört er die unpersönliche Aura von Teebeutel und Gehhilfe, Lampenschirm und Kohlrabi, entdeckt aufs Neue ihre einmalige Schönheit, visualisiert Eigenschaften 13


Zislaweng – so wird’s gemacht!

oder Funktionen und öffnet unseren Blick für die charaktervolle Persönlichkeit solcher ‚Sachen‘. Dabei ist der gelernte Lithograph – nur wenig älter als Franco Clivio – ein Autodidakt in der Fotografie. Eigentlich wollte er Grafiker werden, studierte das an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Walter Breker, aber konzentrierte sich dann immer stärker auf seine fotografischen Interessen. Doch Lehre und Studium haben sich ein­ gekerbt: Hans Hansen ist ein‚ grafischer Fotograf‘, mit feinem Gespür für Struktur und Textur, Tonwert und Farb­kontrast, Ausschnitt und Anschnitt sowie für Form und Detail. „Je einfacher ein Foto, desto besser für eine gute Idee“ – dieses Credo prägte früh seine Bildsprache und wurde schnell auch von führenden Unternehmen, Werbeagen­ turen und Redaktionen verstanden. Vier Jahre flog er für die Deutsche Lufthansa um die Welt und fotografierte – zunächst mit der Kleinbild­kamera – Landschaften und Lebenssituationen; wenig später entstanden erste Nahaufnahmen von ‚Leckerbissen‘ für die Menükarten der Luftlinie. Daneben fasste er in der Werbeszene Fuss. Agenturen wie Doyle Dane Bernbach oder Gerstner Gredinger + Kutter, Hildmann Simon Rempen & Schmitz oder Kreutz & Partner und Leonhard & Kern beflaggten ganze Werbekampagnen mit seinen eindringlichen Sujets und verwandelten damit den Produktauftritt zu einer Art Corporate Design. Sein „zerlegter Käfer“ für VW, 1968 perspektivisch raffiniert am Boden platziert, war ein so nachhaltiges Bild, dass ihm 1987 ein „zerlegter Golf“ folgte. Sein Portfolio mit unzähligen Aufnahmen für Erco und FSB, bis Porsche und Vitra liest sich wie das ‚Hohe Lied‘ auf internationale Produktgestalter. Auch für das anonyme Design hat er sich begeistert – mit ‚Blumentopf‘ und ‚Liegestuhl‘, 1992 im Zeit-Magazin. Das Unmögliche denken. Was weniger bekannt ist: Hans Hansen liebt den Jazz und ist ein kritischer Freund moderner Architektur und Kunst. Schon deshalb schätzt er die Improvisation und das Experi­ment. Auch um der Routine vorzubeugen, ergänzt er gelegentlich die ‚angewandte‘ durch ‚freie‘ Arbeit, bei der

bewusst schlichte Dinge fotografisch befragt werden. Zum Beispiel 240 verschiedene Stücke „Alltagsglas“ – aus gleicher Distanz und gleichem Blickwinkel, in gleichem Licht und mit gleicher Blende – nach Wechsel­ wirkungen zwischen realer Form und ihrer optischen Erscheinung. Auch Pierre Mendell, seit Langem mit Hans Hansen freundschaftlich verbunden, faszinieren solche Exkursionen in ungeahnte Welten. Er mag die Bildsprache dieses Fotografen und bewundert die experimentelle Kraft, mit der er sie ständig weiterentwickelt. In engem Dialog entstanden viele gemeinsame Projekte. Doch der scharfen Trennung von ‚angewandter‘ und ‚freier‘ Gestaltung vermag er nicht zu folgen; für ihn verschränken sich beide beim Entwerfen, mit wechselndem Schwerpunkt. Routine bei der eigenen Arbeit befürchtet er kaum. Zu vielfältig sind die Tätigkeiten im Graphic Design und zu abwechslungsreich die Aufgaben. Sie unterscheidet er nach Mittel und Zweck, erkundet den jeweiligen Spielraum beim Entwerfen und setzt unterschiedliche Akzente. So sind Firmenzeichen und Erscheinungsbilder oder Bücher und Kataloge für ihn Projekte, die betont ‚diszipliniert‘ gestaltet werden sollten; Anzeigen und Plakate dagegen sieht er als Medien, wo ‚etwas passieren muss‘. Dieses dualistische Konzept, verbunden mit Konzentration auf Vorgaben des Kunden, aber auch mit Mut, sie eigenwillig zu interpretieren, ist zu seinem Markenzeichen geworden. Doch erst ihre überraschende visuelle Umsetzung, jenseits gängiger Standards, hat sein Münchner Studio so bekannt und ihn zu einem der prägenden Gestalter in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemacht. Entscheidende Gründe für Pierre Mendells langen, andauernden Erfolg – mit fast 80 Jahren ist er der älteste Partner im Dreigestirn dieser Publikation – erschliessen sich aber auch aus seinem Lebensweg. Der hat ihn nämlich Offenheit gelehrt, ihm internationale Erfahrung vermittelt und mit unbändiger Energie ausgestattet. In Essen geboren, musste er 1934 nach Frankreich emigrieren, wo er bis 1947 lebte und zur Schule ging. Danach in die USA emigriert, kehrte er 1953 nach Frankreich zurück und arbeitete fünf Jahre in der Textilfabrik seiner 14


Familie. Erst mit 29 Jahren konnte er sich endlich seinen Lebenstraum erfüllen und Graphic Design studieren. An der Schule für Gestaltung in Basel – neben der HfG Ulm damals eine der führenden inter - nationalen Ausbildungsstätten – wurden Armin Hofmann und Emil Ruder die wichtig­sten Lehrer. Sie öffneten den Blick für ‚grafisches Denken‘, für eigene, selbst geschaffene Zeichenwelten und weckten auch seine Leidenschaft für das stete Experimentieren mit Typografie. (Die Wertschätzung war gegenseitig: immer wieder lud Armin Hofmann ihn in späteren Jahren ein, an seinen Sommerkursen in Brissago zu unterrichten.) Gegen den Strom schwimmen. Zwei Jahre an dieser etwas ‚verschulten‘ Basler Schule reichten Pierre Mendell, um endlich Praxiserfahrung zu sammeln. 1960 ging er darum nach München, um im Atelier von Michael Engelmann zu arbeiten. Der zählte damals zu den wenigen Lichtgestalten im Dunkel von ‚Gebrauchsgraphik‘ und ‚Reklame‘. Vor allem seine Plakate und Anzeigen für Roth-Händle hatten Aufsehen erregt und gezeigt, dass ‚moderne Grafik‘ sich durchaus kommerziell nutzen lässt – ohne ihr Gesicht zu verlieren. Die banalen Kennzeichen der Zigarettenpackung – Schriftzug, Farbe und Handsymbol erkannte er als bereits populäre Bedeutungsträger, stellte diese Elemente einfach frei, vergrösserte sie und verwendete sie in immer neuer Kombination als Gestaltungsmittel. Das bestärkte Pierre Mendell in seiner Überzeugung, dass gute Zeichen nicht erfunden, sondern gefunden werden. Und dass sie um so besser funktionieren, je einfacher sie sind und je lapidarer sie die Fläche zum Raum machen. Auch zum ‚Bedeutungsraum‘, in dem sich die Botschaft dem interessierten Betrachter erst im Dialog von Bild und Text erschliesst. Bei Michael Engelmann lernte er Klaus Oberer kennen, der ebenfalls in Basel studiert hatte. Mit ihm gründete er 1961 – nach Engelmanns frühem Tod – das Studio Mendell & Oberer. Es wurde schnell zur ersten Adresse für Unternehmen, die hohe Ansprüche an ihr visuelles Erscheinungsbild stellen. Doch wirklich ‚auffällig‘ – im doppelten Sinn – wurde

das Studio erst durch die Plakate für Museen, Galerien und Theater oder andere kulturelle Einrichtungen. Hier fand Pierre Mendell ein ideales Experimentierfeld, um – ähnlich wie Hans Hansen – seine unverwechsel­bare visuelle Sprache zu ent­wickeln: den ungewöhnlichen Umgang mit gewöhnlichen Zeichen. Eine abgerissene Papierecke reicht ihm, um für die Kieler Woche Segel zu setzen. Mit einem senkrechten schwarzen Balken und einem waagrecht darüber gelegten roten Pinselstrich bringt er das Thema „Kirche und Kunst“ auf den Punkt, für die Neue Sammlung. Und mit seinen farbigen Papier schnitten für die Bayerische Staatsoper – im Münchner Stadtbild kaum wegzudenken – gelingt ihm ein besonderer Coup: die Wiederbelebung der ehrwürdigen Collagetechnik, um einer ehrwürdigen Institution ein modernes, plakatives Gesicht zu geben. Aller guten Dinge sind drei. Zugegeben: Franco Clivio hätte seine Buch­ idee auch mit anderen guten Gestaltern verwirklichen können. (Ganz abgesehen von der Frage, ob ein Buch über Dinge, die nicht von Designern gestaltet sind, besser nicht von Designern gestaltet werden sollte.) Denn mit vielen ist er befreundet und andere bewundert er aus der Ferne. Doch seine Wunschpartner waren Hans Hansen und Pierre Mendell. Ihre Bildideen und grafischen Konzepte verhalfen ihm zu einer überzeugenden, allerdings noch vagen Vorstellung, ob überhaupt und wie sich seine Sammlung publizistisch in Form bringen lässt. Schon im ersten Gespräch stimmte Hans Hansen spontan zu. Und er war sich sicher: auch Pierre Mendell würde begeistert sein und mit seiner langjährigen Mitarbeiterin Annette Kröger den grafischen Part übernehmen – trotz eines körperlichen Handicaps. So wuchs zusammen, was zusammenpasst. Drei Gestalter, die eher das machen, was sie wollen, als das, was sie sollen. Die den Dingen eine visuelle Qualität verleihen, die zunächst vielleicht Befremden auslöst und Distanz schafft, dann aber zu einer neuen, viel engeren Vertrautheit führt. Deren Entwürfe so einfach, so eingängig und so überzeugend sind,

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Zislaweng – so wird’s gemacht!

dass sie ganz selbstverständlich wirken – so wird’s gemacht! Mit einem Wort: Zislaweng. Was das bedeutet, woher es kommt? Ich wusste es auch nicht mehr so genau, obwohl ich das klangvolle Wort schon als Kind öfter hörte – vor allem von älteren Herrschaften aus und in Berlin. Jetzt entdeckte ich es wieder, in der Stuttgarter Zeitung, unter der Rubrik „vergessene Wörter“. Und dort hat Frau oder Herr „tkl“ auch diese schöne Erklärung formuliert, die ungekürzt bleibt: „Zislaweng – Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es wert, richtig getan zu werden. Wenn diese Regel eine Winzigkeit übererfüllt wird, wenn etwas wirklich vorbildlich gemacht wird, mit Schwung und Charme, dann fehlt uns heute ein schönes verdrehtes Lehnwort: das Lob, da sei etwas mit Zislaweng gemacht worden. Pate stand die französische Floskel ‚ainsi cela vient‘, also ‚so wird’s gemacht‘. Korrekt gebraucht, mag das Sätzlein einst den Dünkel der gebildeten Stände ausgedrückt haben. Aber in der Verballhornung durch den Volksmund bekam das Lob einen selbst­ironischen Zug. Das Urteil über Vollkommenheit wurde in merklich unvollkommener Gestalt gefällt, dem Richtigen wurde das Falsche als Orden angeheftet, als sei alles allzu Perfekte der Beginn einer Sterilität, gegen die das Menschliche verteidigt werden muss.“ Zislaweng – das endlich ist mal ein unverbrauchter Begriff im leidigen DesignJargon. Ich widme ihn und das treffliche Zitat ausschliesslich Franco Clivio, Hans Hansen und Pierre Mendell. Weil ich weiss, dass ihnen allzu grosses Lob peinlich, doch Selbstironie nicht fremd ist. Und weil ich sicher bin, dass auch ein feines Gespür für Sprachwitz diese drei Gestalter verbindet.

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„Die Dinge erzählen mir Geschichten“

von Gerrit Terstiege

„Die Dinge erzählen mir Geschichten“ Gerrit Terstiege traf Franco Clivio in seinem Züricher Atelier und befragte ihn, umgeben von seinen Objekten, zu Beweggründen, Erfahrungen und Inspirationen des Sammelns. Gerrit Terstiege Das Buch heisst ja ‚Verborgene Gestaltung. Dinge sehen und begreifen‘ und beschreibt damit indirekt Ihre Art und Weise, Dinge zu betrachten. Was ist eigentlich Ihr Antrieb zum Sammeln? Franco Clivio Mein Antrieb ist das Suchen nach dem Aussergewöhnlichen und dem nicht Offensichtlichen. Denn hinter den Dingen und ihren Funktionen verstecken sich häufig Prinzipien, Verblüffendes und Fragen, die mich zum Denken und Hinterfragen herausfordern. Das prägt meine Haltung als Gestalter ebenso wie meine didaktischen Ansprüche. Denn Neugierde und die Leidenschaft, den Dingen auf den Grund zu gehen, um aus eigener Anschauung zu lernen, sind Grundvoraussetzungen für gute Gestaltung. Ausserdem möchte ich diese Dinge ganz einfach besitzen. Nicht im rein materiellen Sinne, sondern im Sinne des permanenten Dialogs mit ihren Qualitäten, die mir Geschichten erzählen. Gerrit Terstiege Wann und warum haben Sie begonnen, Dinge zu sammeln? Franco Clivio Ich habe in meiner Kindheit und Jugend nie Frösche oder Insekten gesammelt, sondern immer nur technische Gegenstände, bei denen sich einzelne Teile ineinander schieben, klappen oder falten liessen. Und dabei hat

mich früh schon eine unerfindliche Neugierde getrieben, die Frage: Wie funktioniert das? Deshalb habe ich die Dinge meist auseinandergenommen, um ihren Prinzipien, Mechanismen, den versteckten Eigenheiten auf den Grund zu gehen. Gerrit Terstiege Wie kamen Sie vom Sammeln zum Gestalten? Franco Clivio Mit 16 begann ich eine Lehre als Hochbauzeichner in Bern. Da öffnete sich für mich eine neue Welt. Ich hatte gute Lehrer, die mir etwas nahe brachten, was bis dahin für mich im Verborgenen lag: Die Auseinandersetzung mit der Ästhetik weckte bei mir zusätzlich die Neugierde für das Schöne. Und die Lehrer haben mir das Sehen beigebracht, indem sie uns aufforderten, vor einem Gemälde im Berner Kunstmuseum 15 Minuten zu verweilen. Bis dahin war ich immer möglichst schnell an den alten Schinken vorbei gegangen, und plötzlich erschlossen sich mir die Qualitäten von Paul Klee. Als ich 18 war, zeigte mir der Möbelhändler Theo Jakob bei einem privaten abendlichen Treffen einige Filme von Eames. Ich hatte mir eine Designerwohnung bis zu jenem Zeitpunkt als ganz und gar weissen, kargen Raum vorgestellt. Aber das Eames-Haus in einem dieser Filme mit seinen herrlich arrangierten Fellen, Schalen, Webstoffen, Kissen, Steinen, Muscheln und anderen Fundstücken aus fremden Kulturen – das war ein entscheidender Moment in meinem Leben. Ich war beeindruckt von Eames’ spielerischer Gestaltungsintelligenz, von seinem Denken und der Art, wie genial er selbst beim kleinsten Spielzeug Technik 18


und Gestaltung zusammenbrachte. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus und wollte nur noch eins: an die Hochschule nach Ulm, um Produktgestaltung zu studieren.

sein Gestalter nicht an Bill gedacht oder ihn überhaupt gekannt. Aber solche Bezüge bilden in meinem Bewusstsein Zusammenhänge und provozieren Fragen wie: Hat Bill kopiert?

Gerrit Terstiege Wenn Sie nun das allmähliche Anwachsen Ihrer eigenen Sammlung rekapitulieren – in welchem Zeitraum nahm sie thematisch Kontur an? Wann wurde Ihnen klar, wohin die Reise gehen könnte?

Gerrit Terstiege Hat denn jemals ein Gegenstand aus der Sammlung einen Ihrer eigenen DesignEntwürfe inspiriert?

Franco Clivio Wohin die Reise gehen könnte, das ist mir eigentlich erst vor kurzem klar geworden. Freunde und Studenten hatten mich immer wieder aufgefordert, daraus ein Buch zu machen. Und da schaut man sich alles natürlich noch ein mal genauer, wie von aussen an. Plötzlich kristallisieren sich bestimmte Schwerpunkte heraus. Dinge, die ich vor Jahrzehnten fand, ergänzen sich mit Neuzugängen, sie treten in Dialog miteinander. Dann galt es natürlich zu klären, was zusammen gehörte. Wie kann ich es ordnen und strukturieren? Wie soll der didaktische Wert erschlossen werden? Irgendwann habe ich entschieden: Die Dinge erzählen mir Geschichten, also muss ich sie so ordnen, dass auch andere diese Geschichten verstehen. Und so hat sich die innere Logik meiner Sammlung auch mir erst erschlossen, als ich mit der Arbeit an diesem Buch begann. Gerrit Terstiege Können Sie konkretisieren, was ein Objekt ausmachen muss, um Eingang in Ihre Sammlung zu finden? Franco Clivio Ich lasse mich in der Regel offenen Auges überraschen und gehe nicht planmässig vor. Entscheidend ist, dass ein Gegenstand, ein Detail, ein Prinzip meine Neugierde weckt. Hier, dieses Flugzeugmodell, das allein aus Vogelfedern und Strohhalmen zusammen­ gesetzt wurde – so etwas ist doch eine einzig­artige Ingenieursleistung! Oder dieser hölzerne Rührstab aus einem verdrehten Span – das ist doch eine Skulptur, die an MoebiusBänder oder die „Unendliche Schleife“ von Max Bill erinnert. Ganz sicher hat

Franco Clivio Ich werde fortwährend von meinen zusammengetragenen Dingen inspiriert. Als ich mich an die Arbeit machte, den Kuli „pico“ zu gestalten, dienten mir zwei historische Schreibgeräte von etwa 1910 und 1920 als Vorbild. Aber darum geht es ja schliesslich bei meiner Sammlung: aus der Vergangenheit lernen. Sehen lernen. Und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. So entstand der Kugelschreiber ohne Clip, der auf Daumendruck ausfährt oder zu einer handlichen Grösse zusammenschrumpft, als klare Referenz an die historischen Entwicklungen, die längst vergessen waren. Edward Young, der englische Dichter und Philosoph, hat einmal den schönen Satz geprägt: „Man kommt als Original auf die Welt und stirbt als Kopie!“ Aber genauso gibt es in meiner Sammlung Dinge, die ich nicht interpretiert habe und die dann aber sehr erfolgreich ‚neu erfunden‘ wurden. Da werde ich natürlich neidisch. Gerrit Terstiege Zum Beispiel? Franco Clivio Zum Beispiel dieses alte Brillengestell, das womöglich nur ich besitze, und das der berühmten Lindberg-Brille vom Prinzip her absolut gleicht. Es besteht lediglich aus drei Drähten, die sowohl die beiden Bügel ergeben, als auch die Gläser halten. Mir war Designer/Architekten entwickelt. Unbestritten ist: Mit drei verformten Drähten kann man eine Brille machen und nicht schlecht verdienen … Gerrit Terstiege Es fällt auf, dass Sie vor allem kleinere Gegenstände zusammengetragen haben. 19


„Die Dinge erzählen mir Geschichten“

Können Sie erklären warum? Franco Clivio Ich habe mich in der Tat auch gefragt, warum ich fast ausschliesslich kleine Dinge zusammengetragen habe. Es gibt darauf wohl eine sehr einfache Antwort: Dadurch habe ich die Sammlung ganz einfach nahe bei mir, hier in meinem Arbeitszimmer, kann die Objekte begreifen, also ansehen und durch die wiederholte Handhabung mir ihre Eigenschaften verinnerlichen. Ich kann jederzeit ein Objekt zu Studienzwecken heranziehen, es zu einem Vortrag mitnehmen, es womöglich ausleihen. Gerrit Terstiege Die Miniaturisierung in der Gestaltung als Kennzeichen aller modernen Gegen stände, wie es in Baudrillards System der Dinge heisst, hat aber zwei Seiten. Franco Clivio Wir profitieren ja alle von der Miniaturisierung, man denke nur an die Medizintechnik. Man kann heute Augen operieren und selbst Netzhäute verpflanzen. Herzschritt­ macher bilden sich nicht mehr als riesige Wölbung unter der Haut ab. Natürlich ist das zu begrüssen. Aber wenn man die Tasten eines Handys nicht mehr intuitiv bedienen kann, wenn man ein Display nicht entziffern kann, dann ist sicher ein Grad erreicht, der uns alle viele Nerven kostet. Da brauchen wir heute vermehrt auch objekt-ungebundene Gestaltungskonzepte – man denke nur an Sprachsteuerung, die der Tasten völlig entbehrt. Gerrit Terstiege Heute existieren längst alle Trends, auch gegensätzliche, parallel. Neben winzigen Gadgets wie dem iPod Nano, gibt es auch betont wuchtige Dinge, Taucheruhren wie die Panarai. Monströse Geländewagen fahren durch unsere Städte. Von der gigantischen Architektur in Dubai, Shanghai und anderswo ganz zu schweigen. Franco Clivio Ja, das ist richtig. Die Dimensionen sind gesprengt, Rekorde werden ständig gebro-

chen. Der Mensch, so könnte man meinen, hat jedes Mass verloren. Wir leben in einer Zeit der Extreme und Widersprüche. Man fliegt mit dem billigsten Jet nach New York und kauft sich dort die teuersten Schuhe. Mittelmass will niemand mehr sein. Gerrit Terstiege Die meisten der hier versammelten Objekte scheinen ihrer Form und Funktion nach eher einem bedachten Ingenieursdenken zu entspringen. Was hat Ihre Sammlung eigentlich mit Design zu tun? Franco Clivio Ich bewundere natürlich viele Ingenieure wie zum Beispiel Robert Maillart, der die schönsten Brücken gebaut hat. Über ihn hat Max Bill einmal ein Buch gemacht, das ich sehr liebe. Oder den grossen Pierre Luigi Nervi. Ich stehe mit meiner Begeisterung für Dinge von fast mathematischer Schönheit und konstruktiver Konsequenz nun wirklich nicht allein. Das Museum of Modern Art in New York zeigte schon 1934 eine Ausstellung unter dem Titel „Machine Art“ und stellte Kugellager und Reagenzgläser aus. Es liegt für mich eine grosse ästhetische Qualität gerade in jenen Dingen, die ohne modische Gestenentworfen wurden. Oder nehmen wir die Leica, die 1925 auf dem Markt eingeführt wurde und die heute jeder Designer ihrer unprätentiösen und klaren Konstruktion wegen schätzt. Ihr Entwickler, Oscar Barnack, war kein Designer . Als Designer kann man angesichts solcher Leistungen nur vor Neid erblassen! Aber Gestaltung, so wie ich sie verstehe, ist ohnehin Teamwork – eine Kooperation von Designern, Ingenieuren und Marketingleuten, die die Akzeptanz auf dem Markt im Blick behalten. Nicht wenige Studenten glauben, als Designer sei man nur Ideenlieferant. Weit gefehlt. Nach dem Entwurf fängt die Arbeit als Designer erst an! Gerrit Terstiege Einfachheit scheint mir ein weiteres Kennzeichen vieler Objekte aus Ihrem Besitz. Franco Clivio Ganz richtig. Zum Beispiel ein Fahrradrahmen ist eine geniale statische Lösung. 20


Er besteht aus zwei Dreiecken, wiegt nicht mal 10 Kilo, trägt aber Personen, die das Zehnfache auf die Waage bringen. Umgekehrt ist es doch verrückt, Schränke zu bauen, die 500 Kilo wiegen, aber nur im Durchschnitt mit 60 Kilo beladen werden. Wenn man mit solchen Monstren umziehen muss, ist das kein Spass. Man schaue sich dagegen Eames-Stühle an, besonders die aus der Aluminium­gruppe. Das ist hohe Ingenieurskunst. Er hat das Prinzip, wie Schiffe im Hafen an Pollern festgemacht werden, auf den Möbelbau übertragen. Davon kann man als Designer lernen. Gerrit Terstiege Was können Studenten von Ihrer Art zu sehen lernen?

Franco Clivio Neugierig zu sein und sich die Freude am unerwarteten Lernen zu bewahren. Die Dinge um sie herum genau anzuschauen, zu hinterfragen. Im konkreten wie im übertragenen Sinne: die Dinge begreifen, um ein persönliches Entwurfsrepertoire aufzu­ bauen. Gerrit Terstiege Kann man eine solche Neugierde denn vermitteln? Franco Clivio Ja, bestimmt. Anstatt zur Mailänder Möbelmesse bin ich mit ihnen auf Auto-Schrottplätze, in Handwerkerläden und Flohmärkte gegangen. Das sind Orte der Inspiration! Hier werden sie durch die Dinge des Alltags überrascht.

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Überlegungen zu einer Sammlung

von Tomás Maldonado

Überlegungen zu einer Sammlung Sammler sind bekanntlich nicht alle gleich. Denn es gibt unterschiedliche Art und Weisen, ein Sammler zu sein, was vom jeweiligen Typ der gesammelten Gegenstände abhängt. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Sammler beispielsweise von Stadt­ ansichten Venedigs aus dem 18. Jahrhundert und jenem Sammler, der mit derselben antiquarischen Leidenschaft Porzellannas­ hörner oder Etiket­ten von Zigarrenkisten sammelt. Dennoch teilen die Sammler einige gemein­same Eigenschaften. In der überwiegenden Mehrzahl sind sie aus offensichtlichen Gründen eifrige Besucher von Orten, in denen die gewünschten Gegenstände zum Verkauf angeboten werden – Gemäldegalerien, Antiquariate und Floh­märkte. Man kennt ihr Verhalten. In der Regel lieben sie es nicht zu improvisieren. Vielmehr rüsten sie sich für den Besuch dieser Örtlichkeiten mit einer passenden Einkaufsliste aus. Sie sind keine vorbeiflanierenden Besucher. Sie gehen direkt auf ihr Ziel los, denn die wahren Sammler wissen von vorn­herein, was sie finden wollen (oder zumindest zu finden hoffen). Ihr Verhalten bildet das Gegenstück zum Verhalten des Flaneurs, Archetyp des Stadtlebens, wie ihn Walter Benjamin beschrieben hat, das heisst des erratischen Verhaltens dessen, der findet ohne zu suchen, der unbeschwert allein seinem jeweils wechselnden Wissensdrang folgt. Ich wies darauf hin, dass die unterschied­ liche Art und Weise, ein Sammler zu sein, aus der Natur der Sammlungsgegenstände resultiert. Diese, wenngleich treffende Feststellung, ist hingegen zu allgemein. Sie erklärt nämlich nicht – oder allenfalls unzurei­ chend – die im Hintergrund wirkenden Motive, die einen Sammler dazu bewegen,

einen bestimmten und nicht einen anderen Gegenstandstyp zu wählen (und sich ihn zu beschaffen). Somit wird deutlich, dass es in der reichen und vielfältigen Sammlerwelt auch Vertreter sui generis gibt. Es handelt sich um jene Sammler, deren Sammlung von Zeugen der nahen oder fernen Vergangenheit nicht Motiven entspringt, die mit dem Kult einer bestimmten Gegenstandskategorie oder mit dem Gefallen am bric-à-brac verknüpft sind, sondern mit der Erkenntnisnotwendigkeit, wie sie mit dem je eigenen Handwerk des Künstlers, des Historikers, des Ethnologen, des Wissenschaftlers, des Technikers oder Entwerfers verkoppelt ist. Die Sammlung, die in diesem Buch gezeigt wird, ist das Werk eines Vertreters der Sammlerkategorie sui generis. Die Gegenstände in dieser Auswahl spiegeln sehr treffend die theoretischen (und praktischen, bis hin zu pädagogischen) Interessen von Franco Clivio wider, nicht zufällig ein bekannter Entwerfer von Gebrauchsgegenständen. An dieser Sammlung besticht die Tatsache, dass die gewählten Gegenstände wegen ihrer kleinen Ausmasse – aber nicht allein deswegen – seit je in unsere Alltagsroutine assimiliert sind, so dass wir ihnen nur selten die gebührende Aufmerksamkeit schenken. Einige wenige Beispiele: Scheren, Feder­ halter, Thermometer, kleine Hämmer jeder Art, Klingenrasierer, Haken, Sicherheitsnadeln, Brillengestelle, Schutzhandschuhe, Haartrockner, manuelle Recheninstrumente, Kompasse, Taschenmesser, Messer, Schraubenzieher und Ähnliches. Es handelt sich um Gegenstände, die zum Universum der „Durchschnitts­ dinge“ gehören, zur Welt „infraordinaire“, wie sie Georges Perec genannt hat. Bei diesen Gegenständen zu verweilen, über ihre Eigenart 22


und ihre historische Entwicklung nachzudenken – „questionner les petites cuillers“ wie Perec nahe legt –, kann uns dabei helfen, die den Prozessen der technischen Innovation allgemein zugrunde liegende Logik zu verstehen, und zwar sowohl die Logik der traditionellen in der Vergangenheit liegenden Prozesse wie auch der Prozesse, wie sie sich heute in der Spitzentechnologie manifestieren. Man darf vermuten, dass trotz der Unterschiede in Grössenordnung und Komplexität bedeutende methodische Gemeinsamkeiten zwischen den alten und neuen Weisen bestehen, die Entwicklung der Gebrauchsgegenstände anzugehen (und zu lösen). An diesem Punkt stellt sich spontan eine Frage: Gibt es wirklich so etwas wie eine Logik der technisch-entwerferischen Kreativität, die über die Zeiten hinweg fortbesteht und von den verschiedenen Kontexten absehen kann? Einige Anthropologen, Ethnologen und Historiker der Technik hegen diesbezüglich keine Zweifel. Es reicht – ihnen zufolge –, die Umstände des Entstehens und der Entwicklung einiger Gruppen von Gebrauchsgegenständen zu untersuchen. Bekannt ist, dass die Erfindung der Stecknadel (aus Knochen, Horn oder Holz) im späten Paläolithikum den Weg für eine Reihe von Dingen öffnet – Spange, Schnalle, Brosche, Öse und Knopf –, die alle dem Zweck dienen, Kleidungsstücke „vorüber­gehend“ miteinander zu verbinden oder zu verknüpfen – eine Gebrauchsanforderung, die – mutatis mutandis – weiterhin über Jahrtausende die menschliche Erfindungskraft an spornt, und das bis in die jüngsten Zeiten; man denke an die Verbesserungen der Sicher­heits­nadel im 19. Jahrhundert und an die Erfindung des Reissverschlusses oder des Klettverschlusses im 20. Jahrhundert. Ohne die Möglich­keit auszuschliessen, dass dank der Fortschritte im Bereich der „intelligenten“ Textilien in Zukunft völlig neue Lösungen dieses alten Problems ermöglicht werden. Dass derlei zutrifft, bedeutet durchaus nicht, der argumentativ kaum zu stützenden Vorstellung Vorschub zu leisten, dass es in der Geschichte der Technik keine Diskontinuitäten gegeben habe, vielmehr zu erkennen, dass neben diesen Brüchen auch starke Kontinuitäten bestehen, die zum grossen Teil mit der Stabilität unserer operativen Körperorgane

verbunden sind. Der Bezug auf unsere Körper­ organe taucht unvermeidlich jedes Mal dann auf, wenn wir die Prozesse untersuchen, die auf formale Ausprägung der technischen Gegenstände eingewirkt und sie bestimmt haben. Ich spiele vor allem auf die zentrale Rolle der Hand an, dem operativen Organ par excellence, das von der Vorgeschichte der Gegenstände an bis heute eine fundamentale Rolle bei der Schaffung aller möglichen Artefakte gespielt hat. Für Ernst Kapp, den Vorläufer der modernen Philosophie der Technik im 19. Jahrhundert, ist „die Hand für sich alleine… die gemeinsame Mutter des nach ihr benannten Handwerk­ zeuges“. Diese These geht auf Aristoteles zurück, der die Hand als das „Werkzeug der Werkzeuge“ betrachtete. Es dürfte klar sein, dass diese These nicht absolut zu nehmen ist. Abgesehen von der Hand haben viele andere Körperorgane als Modell für die Entwicklung technischer Objekte gedient. Das bekannteste Beispiel liefert der Seh­ apparat als Vorlage für die Fotokamera. Und wenn wir an das Tierreich denken, stellt sich unverzüglich zum Beispiel die Erinnerung an die Erfindung des Radars ein, das auf eine langwierige und genaue Untersuchung des Flugs der Fledermaus zurückgeht. Es wäre also zuzugeben, dass die Hand nicht – wie es Kapp wollte – die Mutter der Werkzeuge, wohl aber eine der wichtigsten „Mütter“ ist. Zweifelsohne liefert die Hand als Greiforgan – so wohl als Kraftorgan wie als Präzisions­organ – die direkte Vorlage für die Grundstruktur einer Vielzahl von Gebrauchsgegenständen: den Haken (Zeigefinger), den Ring (Daumen und Zeigefinger), die Harke (Zeigefinger + Mittelfinger + Ringfinger + kleiner Finger), und die Schale (zwei gegeneinander gehaltene Handflächen). Das Aufkommen der Robotik hat nicht dazu beigetragen, diese Rolle zu mindern, sondern im Gegenteil sie zu betonen. Beispiel dafür ist die Bedeutung, die heute im Bereich der Robotersysteme den Versuchen gezollt wird, elektromechanische Effektoren zu ent­wickeln, die vom Standpunkt der Bewegungen oder Freiheitsgrade aus betrachtet zwar nicht die 23 der Hand eigenen Leistungen erreichen, aber zumindest sich diesem Leistungsniveau annähern. Bekanntlich beschrän23


Überlegungen zu einer Sammlung

ken sich die Effektoren der üblichen Roboter auf 6. In den letzten Jahren sind im Bereich der astronautischen Robotik Effektoren­systeme entwickelt worden, die in der Lage sind, 12 und sogar bis 15 Bewegungen oder Freiheitsgrade auszuüben. Es wäre also dem weit verbreiteten Vorurteil zu begegnen, dass die Hand heute im Unterschied zu früher nicht mehr ein brauchbares Bezugsmodell für technische Gegenstände liefern kann. Glücklicherweise lässt sich in der jüngsten Zeit eine Tendenz verzeichnen, sich dieser von einem Vorurteil geprägten Einstellung zu widersetzen oder sie zumindest zu schwächen. Das Thema ist vor allem deshalb wichtig, wenn wir uns – wie im Falle der hier vorgestellten Sammlung – gegenüber MikroObjekten befinden, die wegen ihrer kleinen Dimensionen an den operativen Massstab der Hände gebunden sind. Und hier handelt es sich nicht einfach darum, das Offensichtliche festzuhalten, dass diese Gegenstände „handlich“ sind. Auch nicht, dass zwischen ihnen und der Hand eine selbstverständliche ergonomische Kopplung besteht. Mir geht es vielmehr darum, klar herauszustellen, dass diese Gegenstände auf die eine oder andere Weise von der Hand als funktionalem und formalem Modell abhängen. Darin besteht der didaktische Wert dieser Sammlung. Sie führt den zukünftigen Entwerfer zu einer Nahsicht an die Gegenstände heran, das heisst, im Detail, in der Besonderheit die Zone zu entdecken, in der sich diese Abhängigkeit verkörpert. Schliesslich ist es das unablässige Beharren auf dem Detail, das über Qualität – nicht nur formale Qualität – der Gegenstände entscheidet. Hier trifft wie nirgends sonst der Spruch zu, dass der Teufel im Detail steckt.

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Vielkönner

Viel­könner

Multifunktionswerkzeug Sticker No. 01

Ein Multifunktionswerkzeug, umgangssprachlich Multitool genannt, ist ein in der Hosentasche oder am Gürtel tragbares Werkzeug, das viele verschiedene Einzelwerkzeuge in einem einfach zu handhabenden Griffstück vereint. Ähnlich einem Schweizer Messer. Die populärste Bauart des Multitools, mit einer Zange als zentralem Element und weiteren Werkzeugen im Griff, wurde 1978 von Timothy S. Leatherman zum Patent angemeldet und wird seitdem über die Firma Leatherman vertrieben. Weitere bekannte Hersteller solcher Werkzeuge

sind Victorinox, Wenger, Herbertz und Gerber Legendary Blades. Es gibt spezielle Multifunktionswerkzeuge für Fahrräder, welche für den Einsatz unterwegs entwickelt wurden. Hierbei wird viel Wert auf Kompaktheit und vielfältige Verwendungsmöglich­ keiten gelegt. Üblicherweise gehören zu diesen Werkzeugen Maul- oder Ringschlüssel in verschiedenen Abstufungen und den Maulweiten 8 bis 15 mm sowie verschiedene Inbusschlüssel.

Wer ein Produkt entwickelt, entscheidet auch, ob der Gegenstand zusätzliche Funktionen aufweisen soll. Wie weit sich dieser Gedanke steigern lässt, zeigt das Schweizer Taschenmesser. Seine Multifunktionalität soll dem Besitzer Sicherheit vermitteln, ihm suggerieren, dass ihm nichts passieren kann, wenn er Schere, Säge, Zahnstocher, Lupe, Stecknadel und USB-Stick bei sich trägt. Allzu viele Funktionen können den eigentlichen Zweck des Produkts aber auch behindern, weil es zu komplex wird. Ein multi­funktionales Taschenmesser ist dann weder eine richtige Schere noch eine richtige Säge. Intelligenz heisst also auch, sich zu limitieren. Produkte wie die Windjacke, die eine Kapuze be­kommen hat, funktionieren hingegen sehr gut. Ein multifunktionales Produkt ist dann optimal, wenn jede einzelne Funktionalität derjenigen des entsprechenden Einzelproduktes möglichst nahe kommt. Wie wenig die äussere Erscheinung mit Multifunktionalität zu tun haben kann, beweisen die Stereoanlagen der 1970er Jahre. Je grösser sie waren und je mehr Bedienungsteile wie Knöpfe, Regler und

Anzeigen die Geräte hatten, umso höher war der Nimbus. Knöpfe und Volumen vermittelten dem Benutzer das Gefühl, ein Profi zu sein, der dem Gerät selbst versteckte akustische Nuancen zu entlocken vermochte. Ähnlich verlief die Entwicklung bei den Mobiltelefonen. Bei den ersten Modellen handelte es sich um kiloschwere Apparate, die kaum eine Telefonverbindung zustande brachten. Im Zeitalter des Inter face jedoch gelten neue Regeln, das Handy ist ein Multifunktionsgerät, das äusserlich nicht als solches zu erkennen ist, seine Leistung jedoch ist ungleich grösser als die seiner Vorfahren. Das iPhone, das etwas mehr als 100 Gramm wiegt, integriert Funktionen und Einzelgeräte wie Telefon, Email, Internetzugang, iPod, SMS, Karten mit GPS, iTunes, Kalender, Fotoarchiv und Kamera, Notizbuch, Rechner, App Store. Kaum vorzustellen, wie das iPhone aussehen würde, wenn es für all seine Funktionen Knöpfe und Stellteile hätte. Die Produktsemantik eines modernen Multifunktionsgeräts lässt nichts von seiner tatsächlichen Leistung ahnen. 26


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Vielkönner

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Mehrfach abgesicherte Systeme sind hauptsächlich aus dem Flugzeugbereich bekannt, wo bei einem Ausfall sofort ein Er satzsystem greift. Doch diese Sicherheitsvorkehrung ist auch bei Feuerzeugen möglich. Sollten hier die Funken nicht sprühen, greift man zum Streichholz im Behälter mit Reibfläche.

Die Verwendung der Verschlusskappe als Trinkbecher wie beim Railroad-Compagnon ist naheliegend. Sie erspart ein zusätzliches Trinkgefäß. Allerdings zeigt sich hier ein Nachteil der Multifunktionalität: Man kann den Trinkverschluss-Becher nicht abstellen.

Der Gabelschlüssel eignet sich für Sechskantschrauben von 8 bis fast 30 Millimeter Weite und passt für rund 16 Schrauben größen. Ein ähnliches Werkzeug gehörte früher zur Bordausrüstung des Volvos.

4 Auf den ersten Blick ist das ein Druckbleistift. Stellt man ihn auf den Kopf, wird die Zusatzfunktion als Kugelschreiber sichtbar. Die Kugelschreibermine tritt aus der Hülse, verkeilt sich und hält somit dem Schreibdruck stand. Es ist eine innovative, technisch einfache Lösung.

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Nicht gleich aber ähnlich

Nicht gleich Besteckaber ähnlich set Sticker No. 02

Das elegante Campingset aus Edelstahl wurde vermutlich um das Jahr 1910 in London hergestellt. Zu dieser Zeit entstand in England eine Mittelschicht, die sich auch mal einen Campingausflug ans Meer leisten konnte. Daher entstand eine Nachfrage nach Campingartikel, die mit in den Picknick-Korb gepackt werden können und nicht viel Platz benötigen. Auch bei der bäuerlichen Bevölkerung zu dieser Zeit war das Picknick eine beliebte Form, eine Mahlzeit im Freien einzu­ nehmen. Auch Reisende speisten oft notgedrungen außerhalb von Gasthäusern,

und in der Landwirtschaft war es üblich, während der stundenlangen Arbeit auf dem Feld zwischendurch eine Essens­ pause einzulegen und Mitgebrachtes zu verzehren. Auch während einer herrschaftlichen Jagd wurde zwischendurch im Freien eine Mahlzeit eingenommen. In der Zeit des Barock wurde das Essen im Freien als Sommervergnügen in Adelskreisen populär, vor allem in Frankreich.

Wenn Dinge nicht ganz das Gleiche machen, aber Ähnliches und häufig auch noch ähnlich aussehen, ist das oft eine Produktfamilie. Die einzelnen Mitglieder sind eigenständige Objekte, funktional und visuell je doch verwandt. Im Voraus werden Elemente von ihnen bestimmt, die immer wieder auftreten und zu einem Erkennungszeichen werden. Ein gutes Beispiel ist das Besteck. Löffel, Gabel oder Messer sind zwar semantisch verwandt, aber für unterschiedliche Funktionen gedacht. Identische Gestaltungsmerkmale wie Griffe machen aber deutlich, dass sie zusammengehören. Auch die Unterscheidung zwischen links und rechts, die Schere für Linkshänder etwa, gehört in diese Kategorie. Es ist das­selbe Produkt aber spiegelverkehrt. Des Weiteren lassen sich identische Teile wie Bedienungselemente auf verschiedene Produkte übertragen, womit die Erkennbarkeit zur Familienzugehörigkeit verstärkt wird. Auf diese Weise lassen sich Produkte allein über formale Elemente einer Firma oder einer Marke zuordnen. Der Firma Braun gelang dies in den 1970er Jahren dank der eindeuti-

gen Erscheinungsform ihrer Radios, Rasierer und Haushaltgeräte. Heute ist es vor allem die amerikanische Computerfirma Apple, die durch konsequente formale Elemente ihrer Geräte einen Wiedererkennungseffekt schafft. Damit erreicht sie, dass auch das Markenimage in der Gestaltung der Produkte erkennbar wird. Wenn die formale Sprache so eindeutig und prägnant ist, wird sogar das Logo sekundär. Im Gegensatz dazu sind Autoformen aus tausch bar geworden, es wird immer schwieriger, ein Modell anhand der Erscheinung zu identifizieren. Oft erkennt man die Familienzugehörigkeit nur noch anhand der Kühlerform und des Marken­zeichens. Produkte entwerfen heisst also auch vernetzt denken. Wie lassen sich Produkt­varianten für einen prägnanten eigen ständigen Marktauftritt realisieren?

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Nicht gleich aber ähnlich

1 Die englischen Kleinschraubzwingen zeigen, wie man aus einem Stück dickem Blech mit geringstmöglichem Abfall eine Produktfamilie herstellen kann. Die drei Zwingen lassen sich fugenlos zur ursprünglichen Blechform zusammenschieben.

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Gemeinsam sind diesen Füllfederhaltern neben Form, Farbe, Muster und Größe die gleich langen Clips von unterschiedlichem Durchmesser. Mit Namen wie Big, Senior, Junior, Lady kann man die Unterschiede und gleichzeitig die Ver wandtschaft betonen und in Worte fassen.

Sobald Scheren speziell ausgeformte Griffe haben, brauchen Linkshänder ebenfalls Spezialausführungen. Mit einer Rechtshänderschere würde das Schneidgut nur eingeklemmt. Ein typisches Beispiel ist die Schneiderschere, die es schon immer in Links- und Rechts­ version gab. Die Neuinterpretation für den Allgemeingebrauch von Fiskars ist eben­ falls als Linkshändermodell erhältlich. Schließlich sind rund fünf Prozent der Menschen Linkshänder.

4 Die vier Gewichtssteine weisen ähnliche Parameter auf, sie haben zum Teil den gleichen Durchmesser, die gleiche Schulterhöhe und den gleichen Knauf.

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Aufgeklappt und zugeschoben

Aufgeklappt und Indisches zugeschoben Taschenmesser

Sticker No. 03

Die Klinge eines Taschenmessers kann im ausgeklappten Zustand durch eine Verriegelung festgestellt werden oder lediglich durch Reibung oder leichten Federdruck in Position gehalten werden. Klappmesser ohne Rücken­ feder sind schon seit der Antike bekannt. Sie sind leichter, einfacher zu fertigen, bergen jedoch ein deutlich höheres Verletzungsrisiko durch unbeabsichtigtes Schließen. Die eingestanzte Vertiefung für den Fingernagel, mit der man Klingen oder sonstiges Zubehör aus einem Taschenmesser ausklappen kann, wird

„Nagelhau“ genannt. Die populärste Ausführung ist das Schweizer Messer, das neben mehreren Klingen noch weitere Klappwerkzeuge besitzt. Hergestellt wird es im Original von den Schweizer Unternehmen Victorinox und Wenger. Ebenfalls bekannt sind Taschenwerkzeuge mit zusätzlicher Zange, so genannte Multifunktionswerkzeuge, auch Multitools genannt. Ein bekannter Hersteller dieser Werkzeuge ist Leatherman. Aus dem gleichnamigen Ort im Département Aveyron in Frankreich

Das Taschenmesser ist ein Werkzeug, das man bei Nichtgebrauch schliesst und so mit sich tragen kann. Da die Klinge beim Falten eingeklappt wird, ist man vor Verletzungen geschützt. Die meisten Modelle lassen sich durch einfaches Falten zusammen­ klappen, sie zu öffnen, ist zumeist ein simpler Vorgang. Dass man je doch ein scheinbar so einfaches Thema auf derart vielfältige Weise lösen kann, ist verlockend. Der Ehrgeiz, bestehende Prinzipien in Frage zu stellen und sich von der Norm abzuheben, hat Entwickler immer wieder animiert, nach neuen Lösungen zu suchen. Der Benutzer erlebt dann Über­ raschungen, und ein neues Modell kann ihn mit einer ihm völlig unbekannten Handhabung konfrontieren. Hier sind sechzehn Öffnungsarten zu sehen, bei denen die Konstrukteure neue Varianten entwickelt haben. Was aber ist der Zweck all dieser Öffnungsarten bei einem Werkzeug wie dem Taschenmesser? Bieten sie eine Weiterentwicklung oder etwa nur Originalität? In der Regel erreichen Neuerfindungen selten die Qualität der bewährten Klassiker. Das ist auch beim Taschenmesser

stammt das Laguiole, ein traditionell in Hand­arbeit gefertigtes Taschenmesser. Ursprünglich als Hirtenmesser entworfen, sind sie heute in Frankreich sehr populäre Taschenmesser und aufgrund ihrer aufwändigen Handarbeit und oft künstlerischen Verzierungen auf dem Messerrücken beliebte Sammlerobjekte und Statussymbole.

nicht anders, das ursprüngliche System hat sich bewährt und bewährt sich weiterhin. Bevor sich der Gestalter an eine Neuentwicklung macht, sollte er sich deshalb zuerst die Frage stellen: Welche Lösung ist ein Gewinn und bringt dem Werkzeug einen Vorteil? Oder anders formuliert: Beinhaltet meine Lösung tatsächlich einen Nutzen? Oder erschwert sie im Gegenteil gar die Bedienung? Bei einer Türklinke käme es auch kaum jemandem in den Sinn, eine Öffnungsart zu erfinden, bei der man vor der Tür steht und nicht weiss, wie sie sich öffnen lässt. Die klassische Lösung mit der Türklinke, die heruntergedrückt wird, ist immer noch die beste. Die folgenden Bilder zeigen die gleichen Taschenmesser in geschlossenem, halb geöffnetem und geöffnetem Zustand.

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Alles drin

Alles drin

Japanisches Bento Sticker No. 04

Das Bento ist eine in Japan weit verbreitete Darreichungsform von Speisen, bei der in einem speziellen Kästchen mehrere Speisen durch Schieber von­ ein­ander getrennt sind. Das Kästchen zusammen mit den Speisen nennt man ebenfalls Bento. In Japan gibt es Bento schon seit dem 5. Jahrhundert. Die ersten Bentoboxen waren Bambusröhren, die auch antiseptisch gewirkt haben sollen. Schon bald nutzte man kleine, recht einfache Holzdosen, die man teilweise sogar nach der Mahlzeit weg warf, um sein Essen

bei der Jagd, der Feldarbeit oder der Schlacht gegen den Feind stets dabei zu haben. Seit dem 15. Jahrhundert sind Bentos immer beliebter geworden. Je nach Zweck der Reise entwickelten sich unterschiedliche Formen der Wegzehrung: Die inzwischen lackierten und häufig in kleine Fächer unterteilten Holzboxen wurden im Theater ebenso wie bei einer Teezeremonie oder einer Beerdigung gereicht. Erfunden wurde der Begriff Bento angeblich von Odo Nobun­ aga (1584 bis 1632).

Was wäre die Milch ohne Behälter? Angefangen vom Euter über den Milchkessel, den Tankwagen bis zur Tetrapackung, den Kühlschrank und zum Trinkglas, fliesst sie von einem Behälter in den anderen. Am Bei spiel der Milch zeigt sich, wie wichtig Behälter im All tag sind. Die Vielfalt von Behältnissen in Funktion und Material ist aber um ein Vielfaches grösser. Wer sich auf der Strasse umsieht, stellt fest, dass kaum jemand ohne Tasche unterwegs ist. Hat jemand keine Handtasche bei sich, hält er bestimmt eine Papier- oder Plastiktüte in der Hand, die gleichzeitig als Werbeträger fungiert. Hinzu kommen Behälter, die wir unbewusst mit uns herumtragen wie Mantel- und Hosentaschen, oder all jene, die wir für die Arbeit brauchen wie Kartei- und Ablageboxen. Berufskleider für mobile Arbeitsplätze können ebenfalls Behälter sein. Der Overall mit Ledergürtel des Elektromonteurs auf dem Hochspannungsmast ist ein Behälter mit Taschen, Karabiner haken, Schlaufen und Ösen für die benötigten Utensilien. Ein Behälter ist im Grunde genommen eine Verpackung, die etwas aufnehmen und schützen

kann. Oft schenkt man ihm in der Gestaltung aber zu wenig Beachtung, obwohl er zusammen mit dem zu verpackenden Produkt eine Einheit bildet. Aufs Wesentliche reduziert, sind auch Haus und Kleider nichts anderes als Behälter. Man fühlt sich darin wohl oder weniger wohl. Behälter können auch einen Wert oder eine Bedeutung signalisieren. Eine Schmucktruhe zum Beispiel ist ein eigen­ ständiges Objekt, das durch seine äussere Gestalt seinen kostbaren Inhalt repräsentiert. Auch ein Kartoffelsack repräsentiert seinen Inhalt, aber wenn er leer ist, wird er weg­ geworfen. Parfumflakons sind sogar Bestandteil des Image eines Labels. Vereinzelt sind Behälter auch Synonyme für das Mass, ein Barrel entspricht dem Inhalt eines Ölfasses, obwohl Öl nicht mehr in Fässern transportiert wird. Die britische Gallo ne war ursprünglich ein mittelalterliches englisches Bier mass, das im Jahr 1824 als zehn Pfund destilliertes Wasser definiert wurde und 4,546 Litern entspricht.

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Mit eingebauter Löschtaste

Mit eingebauter 25-Farben Löschtaste Buntstift Sticker No. 05

Im Gegensatz zum Bleistift zeichnen die Minen von Buntstiften nicht grau­ schwarz, sondern farbig. Durch eng gesetzte Linien (Schraffur) lassen sich auch farbige Flächen anlegen. Durch eine Veränderung der Druckstärke kann die an das Papier abgegebene Farbintensität variiert werden. Dicke weiche Buntstifte in grellen Farben finden als Textmarker Verwendung. Farb- bzw. Buntstifte eignen sich besonders als Einsteigematerial in die künstlerischen Darstellungstechniken, da sie zeichnerische und malerische Elemente verbinden.

Künstlerfarbstifte können grob in 2 Kategorien eingeteilt werden. Man unter­scheidet zwischen Wachs- und Ölbasierten Farbstiften. Bekannte Marken sind z. B. Sanford Prismacolor, FaberCastell Polychromos, Derwent Artist und Coloursoft, Caran d’Ache Pablo sowie Lyra Rembrandt Polycolor. Diese Stifte sind in großen Sortimentkästen erhältlich welche bis zu 132 Farben umfassen. Mit hochwertigen Farbstiften lassen sich nahezu fotorealistische Bilder erstellen. Farbstifte werden ebenso gern von Modedesignern zum Zeichnen und

Die Vielfalt ist beeindruckend. Bei Blei­stiften liegt sie vor allem in der äusseren Farb­gebung und den Mustern. Dass ein einfaches Pro­dukt, das aus nicht mehr als einem Holzschaft mit integrierter Graphitmine besteht, so viele Variationsmöglichkeiten bietet, mag erstaunen. Sie lässt sich mit dem einfachen Produkt­ ionsprozess erklären, bei dem die meisten Bedürfnisse ohne grosse Umstände erfüllt werden können. Firmen machen sich diesen Vorteil zunutze und versuchen, sich mit ihren Produkten durch Form, Farbe und Dekor von anderen Marken abzuheben. Dabei geht es nur um den Bleistift. Natürlich ist der Bleistift ein einzigartiges Produkt, das noch lange im Gebrauch sein wird. Seit dem 16. Jahrhundert hat sich an diesem Schreibgerät nicht viel verändert, seit jeher besteht es aus einem Graphitstift mit Holzummantelung. Hier zeigt sich, dass die Materialkombination von Graphit und Holz unübertroffen ist. Zum einen lassen sich Abnützungserscheinungen sofort mit dem Spitzer beheben. Mit minimalem Aufwand kann man somit immer wieder den Neuzustand herstellen.

Colorieren eingesetzt. So benutzt z. B. Karl Lagerfeld Polychromos Stifte für seine Entwürfe. Mit Buntstiften sind Lasurtechniken möglich. Die Pigmente von so genannten Aquarellstiften lassen sich nachträglich mit Wasser vermalen. Der Hauptnachteil gegenüber Bleistiften ist, dass sich die Linien von handelsüblichen Buntstiften nur sehr schwer, oft auch überhaupt nicht, ausradieren lassen.

Zum anderen haben die Holzkränzchen, die sich beim Spitzen bilden, etwas Ästhetisches und der Duft nach Zedernholz etwas Sinnliches. Dem Bleistift haftet, anders als dem Füllfederhalter, nichts End­gültiges an, er wird daher gerne zum Zeichnen verwendet. Ausserdem enthält er eingebaute Löschtasten – ein Radiergummi bringt alles zum Verschwinden. Den Wert des Bleistiftes zeigt auch die Geschichte aus der Raum fahrt sehr eindrücklich. Es ging damals um die Frage, wie man im schwerelosen Raum schreiben könne. Die Amerikaner entwickelten für ihre Raumfahrer einen speziellen Kugelschreiber mit Gasdruck, den Space-Pen. Die russischen Kosmonauten hatten Bleistifte dabei.

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In Form gegossen

In Form gegossen

Zusammenklappbares Rasiermesser Sticker No. 06

Älteste Rasierer bestanden aus geschliffenem Feuerstein, Muschelschalen oder Haifischzähnen. Archäologische Funde von Rasierschabern aus Stein sind aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. bekannt. Harte Gesteine wie Flint oder Obsidian erlaubten es, wesentlich schärfere Klingen zu fertigen als die damals verfüg­baren weichen Metalle. Im Norden Europas sind verzierte Bronzemesser gefunden worden. Die Ägypter benutzten im 4. Jahrhundert Kupfer- oder Gold­ messer. Durch die Erfindung von Rasier­klinge

und Rasierhobel durch King Camp Gillette wandelte sich die Rasur. Das klassische Rasiermesser wurde aus hygienischen Gründen zugunsten Apparaten mit Wechselklingen, die auch leichter zu handhaben sind, mehr und mehr zurückgedrängt. Auch wegen der zunehmenden Verbreitung von elektrischen Rasierern findet das Rasier­messer heute nur noch selten Anwendung. Eine allgemeine Renaissance der traditionellen Rasur wird durch den verhältnismäßig großen Aufwand verhindert, den eine Messerrasur im Gegensatz zur Trocken-

Vom Klistier bis zum Müllcontainer, von der Gusspfanne bis zum medizinischen Hightech-Implantat: Ein grosser Teil der Alltagsgegenstände sind Gussprodukte. Ausgangsmaterialien für den Guss können neben Stahl und Kunststoff auch Gummi, Glas, Keramik, Bronze, Aluminium, Gussasphalt, Beton und synthetische Stoffe sein. Während des Schmelzprozesses verwandeln sie sich in eine zähflüssige Masse, die in Form gegossen werden kann. Dazu formt man in mit Bindemitteln versetztem Sand Modelle aus Holz, Wachs, Metall oder Ton, und giesst die so entstandenen Hohlräume da nach mit geschmolzenem Material aus. Diese einfache Metallgussform ist heute noch sehr verbreitet. Für keramische Industrieprodukte und Kunststoff, der heute auch als Ersatz für Metall dient, sind hingegen hochkomplexe Hightech-Gussformen nötig. Die Einwegspritze, eines der wichtigsten medizinischen Einweg­ produkte, wurde übrigens erst dank des Kunststoffs möglich. Raffinierte Zusammensetzungen verschiedener Materialien führen immer wieder zu neuen Legierungen.

oder Nassrasur mit Einwegrasierern erfordert. Zudem bedarf die Benutzung eines Rasiermessers einer gewissen Übung, um Verletzungen zu vermeiden. Die lange Lebensdauer und die hervorragenden Resultate, die man mit Hilfe eines Messers erzielen kann, sprechen jedoch für das Rasiermesser. So kann bei guter Pflege ein Rasiermesser bis in die dritte Generation weitergegeben werden, was verglichen mit Einwegrasierern eine erhebliche Minderung der finanziellen Aufwendungen darstellt.

Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn, hat etwa 3000 v. Chr. sogar den Namen eines Zeitalters geprägt. Gegossene Teile zeichnen sich dadurch aus, dass man sie nach dem Prozess in der Regel nicht mehr nach­ bearbeiten muss. Umgekehrt verhält es sich bei der Keramik, die zuerst gegossen und dann durch das Brennen nutzbar gemacht wird. Produkte, die durch Giessen entstehen, haben eine eigene Formensprache. Sie entspricht der zähflüssigen Gussmasse, die sich vor allem für weiche und runde Formen, weniger jedoch für scharf kantige Produkte eignet. Zu weilen hat man die technische Ästhetik des Stahlgusses mit dekorativen Elementen verändert, bei Kandelabern oder Brückengeländern mit Ornamenten aus der Natur oder Nachbildungen griechischer Säulen. Der Guss bietet die grösstmögliche Freiheit in der Formgebung. Diese zu nutzen und auszuschöpfen, ist eine Heraus­ forderung für Gestalter, denn beim Verarbeitungsprozess gilt es, die besonderen Eigenschaften und Tücken des Materials zu berücksichtigen. 104


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Schlag auf Schlag

Schlag auf Reflexhammer Schlag Sticker No. 07

Das Modell nach Troemner zählt zu den beliebtesten hierzulande, in Frankreich findet man das Modell nach Babinski häufig an. Letztlich bleibt die Modellfrage Geschmackssache, es gibt kein Modell, von dem man prinzipiell abraten kann. Im Untersuchungskurs ist ein eigener Reflexhammer in der Regel nicht notwendig, da man sich gegeseitig bzw. den Patienten in kleinen Gruppen untersucht. So kann man den Reflexhammer gut untereinander tauschen. Der Vorteil eines eigenen Hammers ist aber: je mehr man

mit ein und demselben Werkzeug übt, desto leichter erlernt man die Technik. Für Famulaturen / PJ in der Neurologie oder Notaufnahme ist ein eigener Reflexhammer unabdingbar. Ein Hammer mit einem hohen Eigengewicht des Kopfes und langem Hebelarm ist von Vorteil. Ein Kunststoffgriff ist daher nicht schlecher, als ein Edelstahlgriff. Für die nötige Aufprallenergie soll allein das Gewicht des Hammerkopfes sorgen, weil die Reflexprüfung locker aus dem Handgelenk, fast ohne Kraftaufwand erfolgt. Ein im Griff integrierter Pinsel

Der Hammer ist eins der ältesten Werkzeuge des Menschen, das sich seit seinen An­fängen kaum verändert hat. Die Urform ist der Stein in der Hand. Die eigentlichen Hämmer entstanden zur Zeit des Neolithikums (ca. 6000 bis 2000 v.Chr.) mit der Entwicklung der Steinäxte. In der Bronzezeit wurde der Steinkopf durch einen Metallkopf ersetzt. Noch immer besteht der Hammer aus einem Griff und einem Kopf, dessen Form, Material und Gewicht sich je nach Zweck unter­scheidet. Beinahe jeder handwerkliche Berufszweig benötigt seiner Tätigkeit angepasste Modelle. Entsprechend gross ist die Vielfalt. Sie reicht vom feinen Metallhämmerchen des Uhrmachers über den Gummihammer des Fliesenlegers und das Klopfholz des Tischlers bis zum Fäustel des Steinmetzen. Vorbild für den Hammer waren Elle und Faust des Menschen. Es lag nahe, diesen menschlichen Hebelarm in die Technik zu übersetzen und ihm durch den verlängerten Griff und einen Schlagkopf eine grössere Hebelwirkung und somit mehr Kraft zu verleihen. Zwei Dinge sind beim Hammer erwähnenswert: die

oder gar eine Spitznadel sind aus hygienischen Gründen obsolet! Zur Prüfung der Sensibilität nimmt man daher für jeden Patienten stets ‚Einmalwerkzeug‘, wie Holzspieß/Holzspatel/Q-Tip/ Wattebausch.

Materialien und die Verbindung der Materialien. Die meisten Griffe sind noch immer aus Holz. Trotz technologischer Fortschritte und Hightech-Materialien hat Holz sehr gute Eigenschaften und Voraussetzungen: Es liegt angenehm in der Hand und federt Schläge ab. Der Kopf ist meistens aus Stahl. Die Verbindung von zwei so unterschiedlichen Werkstoffen wie hartem Stahl und weichem Holz bildet aber nach wie vor die Schwach­ stelle des Werkzeugs, denn Holz „arbeitet“ und schwindet im Laufe der Zeit, Stahl hingegen verändert sich so gut wie nicht. Die symbolische Schlagkraft des Hammers kommt in Redewendungen wie „Das ist der Hammer“ zum Ausdruck sowie bei Auktionen oder beim Gericht.

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Schlag auf Schlag

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Auch Uhrmacher benutzen einen Hammer. Früher mussten die angehenden Berufsleute ihre Werkzeuge sogar selbst herstellen. Diesem Umstand haben wir heute persönliche Unikate von hoher ästhetischer Qualität zu verdanken.

Der tropfenförmige Ballengriff dieses japanischen Modells weist ausgezeichnete ergonomische Eigenschaften auf, die eine optimale Ausnützung des Hebelarms erlauben.

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Den Schonhammer mit einem Kopf aus gewickeltem Büffelleder verwendet man, wenn das Schlaggut nicht verletzt werden soll. Die Elastizität des Leders dämpft Schläge und schont sensible Materialien. Eine Alternative dazu ist der Gummihammer.

Aus Japan stammt dieser archaisch anmutende Schlaghammer mit schwerem Kopf, der das ausdrückt, was er tut: Er eignet sich für Schläge, die viel Krafter fordern.

Typisch für den Schuhmacherhammer ist der weit auskragende Kopf, der ein offenes Sichtfeld und damit ein genaues Treffen ermöglicht.

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Rundum genial

Rundum genial

SUVASchutzbrille

Sticker No. 08

Schutzbrillen sollen die Augen vor schädlichen Einflüssen wie starkem Licht, Chemikalien, Staub, Splittern oder Wettereinflüssen schützen. Sie finden daher vorwiegend im Arbeits- sowie im Sport­umfeld Verwendung. Schutzbrillen aus beiden Bereichen sind prinzipiell wie optische Brillen aufgebaut. Die häufigste Form sind die Ein- bzw. Zweischeiben­brillen die wie herkömmliche optische Brillen mittels Bügeln über den Ohren fixiert werden. Bei den Vollsichtbrillen werden die Augen zusätzlich durch eine umlaufende Dichtung

geschützt. Den Dichtsitz gewährleistet ein einstellbares Kopfband. Sogenannte Vorhänger werden zusätzlich auf eine optische Brille oder eine Ein- bzw. Zweischeibenbrille aufgesteckt. Der Schutz der Augen während der Arbeit ist wichtig. Äußere Einflüsse können das Augenlicht oft irreparabel schädigen. Dies kann sowohl von einem Moment auf den anderen (z. B. durch herumfliegende Teilchen) als auch schleichend (beispielsweise durch mangelnden Schutz vor UV-Strahlung) geschehen. Deswegen müssen alle

Es muss ein besonders pfiffiger Konstrukteur gewesen sein, der vor rund 100 Jahren Brillengestelle aus Draht hergestellt hat. Er hat sich getraut, für ein Produkt, das bis anhin von Hochwertigkeit und Ästhetikgeprägt war, ein einfaches Mittel wie Draht einzu­ setzen. Wer eine Brille tragen musste, wollte zumindest einen guten Eindruck hinterlassen, und das am liebsten mit einem kostbar wirkenden Material oder einer kunstvoll gestalteten Fassung. Das oben erwähnte Brillengestell jedoch besteht aus nichts anderem als drei Drähten. Für die Schwach stelle, dort wo Gestell und Bügel zusammentreffen, hat der Konstrukteur zwei Drähte verwendet, die durch Wicklung verbunden sind und damit gleichzeitig das Scharnier bilden. Dank des Drahtes entstand ein verblüffend stabiles, beinahe unzerstörbares Gelenk. Natürlich gab es schon vorher Drahtbrillen, doch die Scharnier­elemente wurden an die Drähte gelötet und waren damit genau so anfällig wie heutige Scharniere. Es fällt auf, dass sich die abgebildeten Brillen alle sehr ähneln. Das erste Modell links, hergestellt etwa 1900,

Schutzbrillen den speziellen Anforderungen der Europäischen Norm EN 166 entsprechen und gemäß dieser durch ein unabhängiges Prüfinstitut zertifiziert werden. Oft kommt es bei Schutzbrillen auf die Zusatzausstattung an. In der BGR 192 (Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit) wird darauf hingewiesen, dass auch zusätzliche Einflüsse zu beachten sind. Eine klassische Schutzbrille kann bei der Erfüllung der Anforderungen nach der DIN EN 166 bis zu 100% UV-Schutz bieten.

ist anonym, die vier Modelle in der Mitte sind von der Schweizerischen Unfallversicher­ ungs-Anstalt SUVA aus den Jahren circa 1929–1960, das Modell ganz rechts stammt von der dänischen Firma Lindberg von circa 1990. Ob die Gestalter oder Hersteller voneinander gewusst haben oder ob jeder für sich die Brille neu erfunden hat, ist schwer zu rekonstruieren. Bekanntlich geraten gute Erfindungen oft auch in Vergessenheit und werden später neu erfunden. Ein Bild, das 1953 um die Welt ging, zeigt Sir Edmund Hillary, den Erstbesteiger des Mount Everest, mit seinem Partner Tenzing Norgay, der eine SUVA-Brille auf dem Kopf trägt, vielleicht ein Geschenk jener Schweizer Expedition, die bereits im Jahr davor versucht hatte, auf den Gipfel des Achttausenders zu gelangen. Die SUVA-Brille ist beinahe unzerstörbar, man kann sich darauf setzen, sie nach Bedarf zurechtbiegen und individuell anpassen. Funktion und Ergonomie bilden hier eine geniale Symbiose.

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Rundum genial

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Das blaue Glas der Lokomotivbrille verstärkt den Sehkontrast bei unklaren Sichtverhältnissen wie Nebel. Seitliche Netzgewebe schützen vor herum fliegen den Rußpartikeln.

Die Gummi-Gasbrille kam 1907 auf den Markt. «For the use of firemen, chemical workers, lime handlers and those working in very bad dust, fumes and gases that injuriously affect the eyes.» Bleibt die Frage, ob der Atemschutz da mals sekundär war.

3 Die Gletscher-Lichtschutzbrille, auch stenopäische Brille ge nannt, ist eine Erfindung von Christoph Scheiner, 1575–1650, und war ursprünglich eine Lesebrille. Das Prinzip ist einfach: Durch die engen Schlitze wird die Sehkraft erhöht. Durch die Reduktion des Lichteinfalls ist sie aber auch eine ideale Gletscherbrille, die vor Schneeblindheit schützt. Ein willkommener Nebeneffekt ist, dass die Schlitze nicht verschmieren wie Gläser.

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Der Mensch will immer mehr und genauer sehen. Er will Details vergrößern, um den Mikro bereich betrachten zu können. Für Feinstarbeiten ist die Lupe deshalb unentbehrlich. Doch wenn Uhrmacher die millimeterkleinen Teile zusammenfügen, können sie keine Lupe in der Hand halten. Damit sie die Hände frei haben, musste man die Vergrößerungsinstrumente in Form einer Lupenbrille zum Auge bringen.

Die Lunette de Sport für Cabriound Motor­radfahrer von circa 1920 zeigt mit ihrem technischen Modestil den damaligen Zeitgeist. Interessant ist der raffinierte Mechanismus zum Auf- und Zuklappen der integrierten Sonnengläser. Zerkratzte Gläser konnte man zudem auf einfache Art auswechseln.

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Danke

von Franco Clivio

Danke Mein Dank gilt vorab den Personen, die mir etwas beigebracht und mich gefördert haben. Unter meinen Lehrern möchte ich hier vor allem Rolf Fisch von der Berufsschule in Bern erwähnen, der mir die Augen für die Gestaltung geöffnet und mich auf die Ausbildung in Ulm aufmerksam gemacht hat. Monika Widler danke ich fürs Interpretieren und Notieren meiner Gedanken, Karoline Mueller-Stahl für das engagierte Lektorat, Gui Bonsiepe für die Übersetzung von Tomás Maldonados italienischem Beitrag, Felix Krebs fürs Assistieren im Fotostudio, Benny Mosimann für die Zeichnungen, Christian Lehmann für die mediale Unterstützung, Peter Lux und Benedikt Loderer für ihre Anregungen zu Text und Titel, Herbert Schultes für seinen Freundschaftsdienst und all den Bekannten, die meine Leidenschaft kennen und mir immer wieder interessante Gegenstände geschenkt haben. Mein Dank gilt auch Sylvie und Klaus Mutschler, dem Bundesamt für Kultur in Bern und der Zürcher Hoch schule der Künste, sowie den Firmen bulthaup, ClassiCon, Siemens und WMF für ihre grosszügige Unterstützung. Herzlich bedanken möchte ich mich bei Robert Steiger und Werner Handschin vom Birkhäuser Verlag für Ihr Verständnis und ihren Langmut sowie bei Ralf Michel von der ZHdK für sein Mitdenken und die Begleitung des Projekts von Anfang an. Einen ganz besonderen Dank richte ich an Hans Hansen und Pierre Mendell, die spontan bereit waren, sich als Mitautoren einzubringen sowie an Pierre Mendells Mitarbeiterin Annette Kröger. Bei ihnen habe ich die Liebe zum Detail erfahren, sie haben mich gelehrt, genau hinzuschauen, wodurch ich nicht zu letzt ganz andere Seiten meiner Objekte entdeckt habe.

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Impressum

Impressum Impressum

Publikation

Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung:

Textredaktion: Monika Widler Lektorat: Karoline Mueller-Stahl Gestaltung + Fotografie: Joseph Kennedy Dozentin: Marion Fink

Die verborgene Gestaltung Eine Sammlung von Franco Clivio Museum für Gestaltung Zürich 23. März – 26. Juli 2010 Konzipiert von Franco Clivio, Ralf Michel, Jacqueline Otten, Hans-Peter Schwarz Mit freundlicher Unterstützung von: ClassiCon, www.classicon.com Siemens, www.siemens.de WMF, www.wmf.de Bulthaup, www.bulthaup.com

Hochschule für Gestaltung und Kunst Institut Visuelle Kommunikation Vogelsangstrasse 15 4058 Basel Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Schriften: Leicht abgeänderte Version der Berthold Akzidenz Grotesk Medium, H. Berthold AG Monospace 821 Roman, Max Miedinger, 1957 Gedruckt auf Daunendruck White 1.5 FSC This publication is also available in English: ISBN 978-3-7643-8966-6 Printed in Switzerland ISBN: 978-3-7643-8967-3

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Copyright Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikro­ verfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhand­lungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2009 Birkhäuser Verlag AG Basel · Boston · Berlin Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.birkhauser.ch

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Museum für Gestaltung Zürich Birkhäuser Verlag AG Basel · Boston · Berlin ISBN: 978-3-7643-8967-3


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