JKU Europe 02/2012

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Aktueller Beitrag

(Rz. 66). Und selbst dann ist ein Monopol nur zulässig, „wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben“ (Rz. 67) und „eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können“ (Rz. 66). Das vorlegende Gericht muss nun genau diese Prüfung vornehmen, und der Staat hat „alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen genügt“ (Rz. 54). Ein derartiger Nachweis ist dem Staat z.B. in Deutschland (hinsichtlich der Suchtproblematik) bereits unter Geltung des noch bis Ende 2011 laufenden Glücksspielstaatsvertrages nicht gelungen.

„[…] darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen“ (Rz. 68). Der EuGH gibt dem vorlegenden Gericht, welchem im Vorabentscheidungsverfahren die konkrete Würdigung und Beurteilung obliegt, eine dabei wesentliche Hilfestellung an die Hand. Es wird laut EuGH zu unterscheiden haben zwischen Strategien des Monopolinhabers, die nur die potenziellen Kunden über die Existenz der Produkte informieren und durch Lenkung der Spieler in kontrollierte Bahnen einen geordneten Zugang zu Glücksspielen sicherstellen sollen, und Strategien, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordern und anregen. Zu differenzieren ist nach Auffassung des Gerichtshofs also zwischen einer restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll, und einer expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt (Rz. 69).

Grenzen zulässiger Werbung

Klare Worte zur Sanktionslosigkeit

Weiters weist der EuGH mit einer bislang nicht da gewesenen Deutlichkeit darauf hin, dass eine von intensivem Werbeaufwand begleitete expansionistische Politik des Monopolisten unzulässig ist: „Da das Ziel, die Verbraucher vor der Spielsucht zu schützen, grundsätzlich schwer mit einer Politik der Expansion von Glücksspielen, die insbesondere durch die Schaffung neuer Spiele und die Werbung für sie gekennzeichnet ist, vereinbar ist, kann eine solche Politik nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken“ (Rz. 67). Die Werbung dürfe keinesfalls

Solange ein Monopol diesen Kriterien nicht genügt, kann der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen diese Regelung nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen (Rz. 43).

betont der EuGH, dass das Monopol (vgl. § 3 iVm. § 12a u. § 14 GSpG) nur dann unionsrechtskonform sein könne, wenn konkret nachgewiesen ist, dass „die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht [...] ein Problem waren“

Lotterien-Monopol auf dem Prüfstand:

Neues vom EuGH zum Online-Glücksspiel In einem Strafverfahren gegen die Gründer des in Malta niedergelassenen Anbieters von Online-Glücksspielen bet-at-home vor dem BG Linz wurde der EuGH mit einer Reihe von Vorlagefragen zur Vereinbarkeit der rechtlichen Ausgestaltung und der praktischen Durchführung des österreichischen Lotterienmonopols mit den Vorgaben des Unionsrechts, vor allem der in Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit, befasst. In seinem Urteil vom 15. September 2011 (Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer) hat der EuGH nun die rechtliche Ausgestaltung und vor allem die praktische Ausübung der (einzigen) Konzession für „Ausspielungen“ als sehr problematisch, insbesondere hinsichtlich ihrer Kohärenz, angesehen. Zudem ist durch den Gerichtshof eine Klarstellung hinsichtlich der Straflosigkeit von EU-Anbietern im Falle einer mit den Grundfreiheiten unvereinbaren Monopolregelung erfolgt.

Zum Weiterlesen:

Strenge Anforderungen an österreichisches Glücksspielmonopol

Mit Urteil vom 15. September 2011 hat der EuGH die unionsLeidenmühler, EuGH-Urrechtlichen Anforderungen an teil Dickinger und Ömer: ein Glücksspielmonopol weiter Neues zum Onlineverschärft. Demnach ist ein MoGlücksspiel, nopol nur dann unionsrechtsMEDIEN UND RECHT konform, wenn es konkrete 5/2011, S. 243 ff. Straftaten verhindert, die es ohne das Monopol zuvor nachweislich gegeben hat. Bezüglich des österreichischen Glücksspielgesetzes

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Die Konsequenzen des EuGH-Urteils reichen weit: Die Bedingungen, welche das österreichische Glücksspielmonopol in seiner konkreten Ausgestaltung erfüllen muss, stehen nun fest. Das BG Linz hat dies unter strengsten Maßstäben zu prüfen. Die Beweislast liegt auf Seiten der Republik, ansonsten erlischt der Strafanspruch gegenüber Glücksspielanbietern, die über keine gültige Konzession verfügen. Dabei aufgeworfene reizvolle Fragen der Strafrechtsdogmatik harren noch der Beantwortung.


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