Herausforderungen muten zunächst einmal anstrengend an. Wer fordert hier was von wem und warum? Fühlen wir uns der Herausforderung gewachsen? Auf den zweiten Blick stecken in Herausforderungen aber auch Chancen und neue Perspektiven. Für jeden Einzelnen von uns vielleicht die Chance auf einen (sportlichen) Titel, auf berufliches Fortkommen oder die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern. Und für uns alle als Gesellschaft die Chance, unser Zusammenleben besser und friedlicher zu gestalten.
In der Stiftung haben wir diesen Begriff als Titel für unseren Rückblick auf das Jahr 2024 gewählt. Wir möchten Ihnen damit einen Einblick in unsere tägliche Arbeit geben.
Auch niedersächsische Kulturakteur*innen stehen täglich vor neuen Herausforderungen. Als Kulturförderer versuchen wir, diese mit unseren Förderprogrammen in Chancen zu verwandeln.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!
Ihre Lavinia Francke Generalsekretärin
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Nicht auf den eingepflügten Pfaden bleiben
Ein Gespräch mit dem Präsidenten der Stiftung Niedersachsen, Dr. Gunter Dunkel
Herausforderung Nachhaltigkeit
Erkenntnisse für die nachhaltige Kulturproduktion aus dem Förderprogramm NOW!
Herausforderung Vergangenheit und Zukunft
Annett Reckert stellt Thomas Rentmeisters Ausnahmewerk d23 vor
Herausforderungen im ländlichen Raum
Einblicke in die geförderten Projekte des Förderprogramms Vital Village
Herausforderung Zeit geben
Von der Gestaltung des Stipendienprogramms SchreibZeit und der Kunst, die aus Zeit entsteht
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Herausforderung Exzellenz fördern
Ein Essay von Oliver Wille zur Forderung nach der Förderung von Exzellenz in der Kunst
Herausforderung Freie Szene stärken
Sichtbarkeit schaffen mit dem Best OFF Festival Freier Theater
Herausforderung Diversität sichtbar machen
20 Musiker*innen aus dem Studiengang musik.welt stellen sich vor
58 Bewilligte Projekte 2024
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Wirtschaftliche und rechtliche Daten
Gremien der Stiftung Niedersachsen
Impressum
Bildnachweise
„NICHT AUF DEN
EINGEPFLÜGTEN
PFADEN BLEIBEN
“
„Hier habe ich jahrelang montags abends fantastische experimentelle Konzerte gehört. Esjörn Svensson oder Victoria Tolstoi konnte ich hier erleben. Heute ist meistens mehr Mainstream, aber der Jazz Club ist immer noch einer meiner liebsten Kulturorte in Hannover.“
Dr. Gunter Dunkel
Dr. Gunter Dunkel
Dr. Gunter Dunkel war von 2009 bis 2016 Vorstandsvorsitzender der NORD/LB. Seit 2017 ist er Präsident der Stiftung Niedersachsen, seine Amtszeit endet im Sommer 2025.
Ein Gespräch mit dem Präsidenten der Stiftung Niedersachsen, Dr. Gunter Dunkel
Fotografie: Katrin Ribbe
Dr. Gunter Dunkel hat in den vergangenen acht Jahren die Stiftung Niedersachsen als ehrenamtlicher Präsident geprägt. Zum Abschied unternahmen die Generalsekretärin Lavinia Francke und Gunter Dunkel einen Kulturspaziergang durch Hannover und tauschten sich über die Stiftungsarbeit, Herausforderungen und Erlebtes aus.
Lavinia Francke: Lieber Herr Dunkel, Sie waren über 15 Jahre Mitglied im Senat der Stiftung Niedersachsen und haben die Geschicke der Stiftung zunächst als Vizepräsident und dann seit 2017 als Präsident gelenkt.
Gunter Dunkel: Wirklich, so lange? Es kam mir deutlich kürzer vor.
Lavinia Francke: Dann war es wohl kurzweilig. Ich persönlich erinnere mich jedenfalls noch gerne an unseren ersten gemeinsamen Auftritt – Sie als neuer Präsident und ich als noch relativ neue Generalsekretärin. Das war bei den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Stiftungsjubiläum 2017 auf der Cumberlandschen Bühne und im Hof des Künstlerhauses – der heute Kulturhof heißt – in Hannover.
Gunter Dunkel: Genau. Da war ich gerade Hans Eveslage im Amt des Präsidenten nachgefolgt. Bereits 2010 bin ich in den Senat gewählt worden. Dietrich Hoppenstedt, der damalige Präsident der Stiftung, hatte mich gefragt und vorgeschlagen.
Lavinia Francke
Seit 2015 leitet Lavinia Francke als Generalsekretärin die Stiftung Niedersachsen. Zuvor war sie unter anderem Leiterin der Programmabteilung der Kulturstiftung des Bundes.
Damals war ich Vorstandsvorsitzender der NORD/LB. Zu meiner Überraschung wurde ich dann direkt in der ersten Sitzung gleich zum Vizepräsidenten der Stiftung gewählt. Das wusste ich vorab gar nicht. Das war so Hoppenstedts unnachahmliche Art. Ich weiß nicht, ob er damals schon im Sinn hatte, dass ich später einmal selbst Präsident werden könnte. Er hat jedenfalls immer langfristig und vorausschauend geplant. So ein Amt war aber erst nach meiner Zeit bei der NORD/LB möglich, mit meinen Aufgaben dort wäre das nicht vereinbar gewesen.
Lavinia Francke: Was bedeutet Ihnen denn dieses starke ehrenamtliche Engagement für die Kultur?
Gunter Dunkel: Ich habe diese Position und die damit verbundenen Möglichkeiten immer als ein besonderes und großes Privileg wahrgenommen. Die Arbeit der Stiftung ist so vielfältig. Man kann unglaublich viel lernen und kennenlernen und hat gleichzeitig große Gestaltungsspielräume. Was ich sehr geschätzt habe, waren die bereichernden Diskussionen in den Gremien. Besonders im Senat empfand ich diese immer als sehr fruchtbar. Die Gremienmitglieder bringen mit all ihren unterschiedlichen Perspektiven sehr spannende Aspekte ein. Dadurch entstand immer ein wissender und von großer Sympathie für die Stiftung geprägter Diskurs. Diesen Austausch habe ich wirklich genossen.
„Im Großen Sendesaal des NDR denke ich an die vielen Finalkonzerte unseres Joseph Joachim Violinwettbewerbs, die ich hier hören durfte. Schön, wenn wir auf diese Weise internationale Exzellenz nach Niedersachsen bringen können.“
Dr. Gunter Dunkel
Lavinia Francke: Das nehme ich auch so wahr. Diese Gespräche sind eine große Bereicherung. Werden Sie uns also vermissen?
Gunter Dunkel: Ja, auf jeden Fall. Bedauerlicherweise hat Ernst Albrecht, der Gründungspräsident, ja in weiser Voraussicht diese Altersgrenzen in die Satzung schreiben lassen. Für Präsidenten liegt sie bei 72 Jahren, die werde ich im Juli erreichen. Sehr schade, aber natürlich völlig richtig.
Lavinia Francke: Gibt es Kulturmomente aus Ihrer Zeit als Präsident, an die Sie besonders gerne zurückdenken?
Gunter Dunkel: Also, da erinnere ich mich sofort an eine Theateraufführung bei einer Ausgabe des Festivals Best OFF. In einer Produktion für jeweils nur eine Person wurde man mit verbundenen Augen geführt. So etwas hatte ich noch nie erlebt.
Lavinia Francke: Das war „Welcome to the comfort zone“ von xweiss aus Braunschweig, oder?
Gunter Dunkel: Genau. Die Performance bestand aus Geräuschen, Gerüchen und einer Geschichte über Krieg und Flucht. Die Bilder, die dabei in meinem Kopf entstanden sind, erinnere ich bis heute als sehr intensiv. Bei der letzten Ausgabe 2024 war diese Butterfahrt mit Operation Wolf Haul eine ähnliche Erfahrung. Im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren und schräg und besonders. Aber dieser Moment mit verbundenen Augen, der wirkt bis heute in mir nach. Da wurden Bilder von Orten in mir erzeugt, die es in der Realität gar nicht gibt. Dieses Verlassen des klassischen Theaterraums und die Situation des Sichauslieferns hat mich nachhaltig beeindruckt.
Lavinia Francke: Ein großer Teil der Tätigkeit des Stiftungspräsidenten, das muss einmal betont werden, ist es auch, die Anlagestrategie der Stiftung im Blick zu haben und mitzugestalten. Die Stiftung Niedersachsen steht finanziell auf zwei Säulen, wir finanzieren unsere Arbeit aus den Erträgen des Stiftungskapitals und zusätzlich aus Anteilen an der niedersächsischen Glücksspielabgabe. Was war Ihnen in Ihrer Amtszeit bei der Anlage des Stiftungskapitals wichtig?
Gunter Dunkel: Das Wichtigste war mir immer der Kapitalerhalt der Stiftung nach Inflation. In den letzten Jahren war das eine immer größere Herausforderung. Wobei wir uns nicht am aktuellen Prozentsatz der Inflation orientieren, sondern an einem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Das macht die finanzielle Herausforderung aber nicht kleiner. Ich habe mich daher sehr stark dafür eingesetzt, nicht auf den eingepflügten Pfaden zu bleiben und weiterhin eine risikoscheue Anlagestrategie zu verfolgen, sondern Offenheit und etwas mehr Risikofreude zu zeigen. Mit der Erhöhung der Aktienquote und der Einführung der „illiquid alternatives“ haben wir einen für Stiftungen nicht unbedingt üblichen Weg eingeschlagen.
Lavinia Francke: Würden Sie sagen, es war richtig, dieses Wagnis einzugehen? Hat es sich gelohnt?
Gunter Dunkel: Die risikotragenden Gremien mussten und müssen dies natürlich mitgehen. Aber wir haben einen guten Weg gefunden. Die Strategie war ein sorgsames Abwägen –und dann gehört trotzdem manchmal auch Glück dazu. Mit einer 100-jährigen Anleihe zu einem attraktiven Zins hätten wir in diesen volatilen Zeiten auch danebenliegen können.
Lavinia Francke: Die Stiftung Niedersachsen orientiert sich inzwischen an ESG-Kriterien, nimmt also bei ihren Investments Aspekte des Umweltschutzes, des sozialen Engagements und der guten Unternehmensführung stärker in den Blick. Warum war Ihnen dies wichtig?
Gunter Dunkel: Na, dafür hat sich ja auch die Generalsekretärin sehr vernehmbar eingesetzt. Die Orientierung an ESG-Kriterien habe ich ausgesprochen gerne unterstützt. Eine Zeit lang war das Thema in aller Munde. Das hat deutlich abgenommen. Es ist heute aber wichtiger denn je. Aus meiner Sicht sollte die Ausrichtung an den ESG das Rückgrat jeglicher Anlagestrategie sein. Ich kann nur an alle Investoren appellieren, das sehr deutlich in den Blick zu nehmen, denn das Thema braucht nach wie vor Unterstützung gerade heute. Insgesamt wurden die ESG-Kriterien vielleicht auch etwas zu umfassend in den Anlageprodukten berücksichtigt. Das reguliert sich jetzt. Aber es ist wichtig, den Ansatz und das Anliegen dahinter weiterzuverfolgen und dazu zu stehen. Gerade der Governance-Aspekt, also der Aspekt der Unternehmensführung, wird meistens unterschätzt.
Lavinia Francke: Von den Finanzen nochmals zum Inhaltlichen der Stiftungsarbeit. Sie hatten maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung des erfolgreichen Stiftungsprogramms LINK – KI und Kultur. Was war damals Ihr Anliegen und wie sehen Sie Kultur und Zukunftstechnologien heute?
Gunter Dunkel: Der Grundgedanke war salopp formuliert „Wir müssen uns um Wissenschaft und Kultur kümmern“. Die beiden Felder sind keine Antipoden und können sich sehr gut gegenseitig befruchten. Ich hatte mich zu der Zeit bei einem Abendessen mit Edelgard Bulmahn, damals noch Senatorin der Stiftung, dazu ausgetauscht und wir haben darüber diskutiert. Künstliche Intelligenz wurde zu der Zeit ein immer größeres Thema und ich hatte mich damit in vielfältigster Weise befasst. Ich habe diese Ideen dann in der Geschäftsstelle eingebracht und das Team hat diesen Nukleus aufgenommen und perfekt umgesetzt. Die Ergebnisse von LINK waren erst ein Anfang dessen, was beim Einsatz von KI in der Kultur möglich ist. Bereits damals wurde aber sehr deutlich: Bei
solchen Kooperationen ist der Weg das Ziel, die Entwicklung der ko-kreativen Arbeit und der interdisziplinären Teams, das Prozesshafte. Dieses Vorgehen hat mich sehr beeindruckt und ich sehe dieses Zusammenspiel auch heute noch als vollkommen richtig an.
Lavinia Francke: Wo sehen Sie zukünftige Herausforderungen für Stiftungen?
Gunter Dunkel: Wenn sich die politischen Grundlagen ändern, wenn Kultur zu einem Mittel für die Durchsetzung politischen Willens werden sollte, dann muss die Stiftung unabhängig sein! Dafür sind die Menschen in den entscheidenden Gremien und in der Geschäftsstelle die wichtigste Basis. Ich bin nicht zu pessimistisch, aber die gesellschaftlichen Veränderungen sind da. Die Stiftung Niedersachsen ist eng verflochten mit der Politik – auch durch die per Gesetz zugeführten Lottomittel. Dieses Band muss halten und dennoch muss die Stiftung frei agieren können und weiterhin unabhängig im Denken und Handeln sein. Dies erfordert ein besonnenes, aber selbstbewusstes Auftreten.
Lavinia Francke: Gibt es einen Wunsch für die Stiftung, den Sie uns gerne mitgeben möchten?
Gunter Dunkel: Die Stiftung Niedersachsen hat ein enormes Reputationskapital. Dies zu erhalten und zu vermehren, ist die Herausforderung für die Zukunft. Die Stiftung sollte frei von rein zeitgeistigen Strömungen eigene Themen entwickeln und die Kultur in Niedersachsen aktiv und produktiv mitgestalten, so wie sie es auch die letzten Jahrzehnte getan hat.
„Viele Initiativen verbinden uns mit dem Sprengel Museum –der SPECTRUM-Preis, große Ausstellungsprojekte, die Reihe ,Kunst der Gegenwart‘. Ich genieße neben fast jeder Ausstellung gern die Ruhe und den besonderen Blick auf den Maschsee in den Kabinetten im Neubau.“
Dr. Gunter Dunkel
HERAUSFORDERUNG NACHHALTIGKEIT
Nachhaltigkeit ist die gesellschaftliche Zukunftsaufgabe und Kultur kann einen großen Anteil am Gelingen der nachhaltigen Transformation haben. Kulturschaffende können für die nötigen Veränderungen einerseits positive, lösungsorientierte Narrative entwickeln und andererseits ihren eigenen ökologischen Fußabdruck verbessern. Das kreative Potenzial der Kultur hat die Stiftung Niedersachsen von 2022 bis 2024 mit ihrem Förderprogramm NOW! gefördert.
Der Nachhaltigkeitsfonds NOW! förderte spartenübergreifend zwölf Kunst- und Kulturprojekte, die sich künstlerisch mit der Klimakrise und ihren Herausforderungen befassten. Vom Kindertheater bis zum Gartenkonzert, vom soziokulturellen Großprojekt bis zu Kreativangeboten in Kunstschulen. Die Projekte erhielten je bis zu 25.000 Euro. Die Beteiligten hatten zudem die Chance, sich in weiterführenden Qualifizierungsmaßnahmen in Form der NOW!-Akademie fortzubilden und durch interne Austauschtreffen voneinander zu lernen und Netzwerke zu schmieden. Gleichzeitig waren die Projektträger aufgefordert, sich mit ihrem ökologischen Fußabdruck zu beschäftigen und eine CO 2Bilanzierung zu erstellen. Netzwerken stand auch bei der Abschlusskonferenz „Netzwerk Zero/NOW!/SIN – Tagung für Klimaschutz in Kunst, Kultur und
Verwaltung“ im Juni 2024 im Kulturzentrum Pavillon in Hannover im Mittelpunkt, die die Stiftung gemeinsam mit der Kulturstiftung des Bundes und der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel ausrichtete.
In der Programmentwicklung zeigte sich, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine Herausforderung für Kulturschaffende ist, sondern auch für Kulturförderer. Wie kann Nachhaltigkeit im Förderprozess gemessen und berücksichtigt wer-
den? Wie können Kulturschaffende zu nachhaltigem Handeln angehalten werden? NOW! bot eine Plattform, um sich diesen Fragen gemeinsam mit den größten Kulturförderern Niedersachsens zu stellen. In einem umfangreichen Prozess wurde eine Checkliste ökologische Nachhaltigkeit erarbeitet, die es zukünftig Kulturproduzent*innen und Förderinstitutionen ermöglichen soll, die nachhaltige Kulturproduktion zu erfassen und zu bewerten.
ERKENNTNISSE AUS DEM FÖRDERPROGRAMM NOW!
Günstig oder nachhaltig? Bequem oder nachhaltig? Viele Herausforderungen in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit in der Kulturproduktion lassen sich bei betriebsökonomischen Entscheidungen auf diese beiden Fragen reduzieren. Im künstlerischen Kontext ist Nachhaltigkeit immer abhängig vom individuellen ökologischen Anspruch der entscheidenden Personen. Die Notwendigkeit, auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen, Müll zu reduzieren, lokale und vegetarische Lebensmittel zu bevorzugen und nachhaltige Mobilitätskonzepte zu entwickeln, ist aber mittlerweile fast überall Common Sense.
Das notwendige Know-how ist in Form von Leitfäden wie z. B. dem ECO RIDER des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste und Beratungsstellen wie z. B. der Anlaufstelle Green Culture umfassend vorhanden. Um vom Wissen ins Handeln zu kommen, braucht es überwiegend personelle Kapazitäten, aber auch Geld und Zeit und die Auseinandersetzung mit Bedenken sowie das Überwinden von Ängsten und der eigenen Bequemlichkeit. Veränderung findet im Kopf statt. Wichtig ist daher, alle Mitarbeitenden mitzunehmen und Nachhaltigkeit bei jeder Entscheidung mitzudenken.
„Wetterleuchten“ von Prinzip Rauschen
Einblicke in das nachhaltige
Produzieren im Freien Theater für junges Publikum
Entstehungsprozess
Die Entwicklung des Theaterstücks „Wetterleuchten“ war stark von dem Wunsch geprägt, Nachhaltigkeit thematisch und im Produktionsprozess zu verhandeln. Uns wurde schnell deutlich, dass dies nicht nur eine Frage der Materialwahl, sondern eine grundlegende Veränderung unserer Arbeitsprozesse bedeutet. Anstatt wie gewohnt Materialien gezielt einzukaufen, arbeiteten wir mit dem, was bereits vorhanden war – ein Perspektivwechsel, der kreative Lösungen forderte und damit auch Zeit kostete. Entscheidungen zwischen ästhetischen Vorstellungen und nachhaltigen Kompromissen begleiteten uns stetig: Einen in den Proben gebrochenen Mast reparierten wir, auch wenn das Ergebnis sichtbar unfertig wirkt. Auf manche Verbrauchsmaterialien, wie Heliumluftballons, verzichteten wir, andere (Nebel, Seifenblasen) nutzten wir dafür bewusster. Die Honorarkosten haben im Gegensatz zu den Kosten für Ausstattung/Bühnenbild noch mehr Raum eingenommen, weil der zusätzliche Zeitaufwand für nachhaltige Lösungen größer war als die Einsparungen durch die Nutzung von Vorhandenem.
Resonanz
Die Aufführung selbst wurde von Publikum und Fachleuten als stimmige Komposition gelobt – so wurde es 2024 zum Best OFF Festival nach Hannover und zum nordischen Theaterfrühling in Lübeck eingeladen. Neben weiteren Aufführungen in Osnabrück werden 2025 Gastspiele in Hildesheim und Lübeck folgen. In Gesprächen wurden die Materialauswahl, die ko-kreative Arbeit mit Kindern sowie das vertraute Zusammenspiel besonders hervorgehoben.
Vermittlung
Zur nachhaltigen Beziehungspflege und inhaltlichen Auseinandersetzung haben wir zwei Strategien genutzt: Zum einen wurde das Zielpublikum in den kreativen Prozess mit eingebunden, indem Figuren und Sounds von Kindern produziert wurden und wir sie anschließend professionalisiert und damit weitergearbeitet haben. Dadurch hat sich die Identifikation mit dem Stück und dem Theaterprozess erhöht.
Zum anderen haben wir Schulklassen auf eine Begegnung mit der Lokalpolitik vorbereitet, indem wir sie ermächtigt haben, ihre Vorstellung einer nachhaltigen Stadtentwicklung an verantwortliche Politiker*innen heranzu -
tragen. Dieser direkte Austausch hat zu ersten Kontakten und Folgeterminen zwischen Schulklassen und Lokalpolitiker*innen geführt – aus unserer Sicht ein Gewinn für beide Seiten.
Nachhaltigkeit in der Kunst In unserer Auseinandersetzung haben wir Nachhaltigkeit weniger als ein Thema, sondern als eine Haltung wahrgenommen, die alle Aspekte einer Theaterproduktion beeinflusst. Nicht jeder Versuch gelang, etwa die gemeinsame Anreise des Publikums oder ein geplanter Eco-Rider für Kinder. Dennoch bleibt das Fazit: Nachhaltigkeit ist ein Prozess, den wir weiterverfolgen – in kleinen, machbaren Schritten, mit Fokus auf jeweils einen Aspekt pro Produktion.
„Planet Erde –nachhaltig gestalten!“ und „Planet Erde –halten!“
Nachhaltige Kulturprojekte in den Kunstschulen
D ie Kunstschule Lingen und die Kunstschule Zinnober der Stadt Papenburg setzten sich 2024 zum Ziel, das Thema Nachhaltigkeit anhand der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN mit den Mitteln der Bildenden Kunst zu erforschen und das Thema in den regulären Kursen und Workshops der Kunstschulen schrittweise zu integrieren. Dazu gehörten die Bestandsaufnahme und kritische Reflexion der genutzten Kunstmaterialien sowie die Öffnung der Kunstschulen mit Philosophier- und Empathie-Laboren.
Herausfordernd …
… ist und bleibt die kontinuierliche Umsetzung und Weiterführung des Themas.
… ist die allgemeine Konsumhaltung der Teilnehmenden, verbunden mit den Gewohnheiten und Bequemlichkeiten bei den verwendeten Materialien.
… ist die Schwierigkeit, ökologisch abbaubares Material zu finden.
… ist, Formate für Bewusstseinswandel zu entwickeln.
… ist, Bewusstseinswandel ohne Dogmatismus zu vermitteln.
Erkenntnisse
Die Maßnahmen haben sowohl intern als auch extern zu einem bewussteren und verbesserten Umgang mit natürlichen Ressourcen geführt.
Durch das Einsetzen von umweltgerechten Produkten oder Müll/Verpackungen konnte Bewusstsein für nachhaltiges Handeln vermittelt werden.
Bewusstseinswandel ist ein langwieriger und zeitaufwendiger Prozess.
Für die Umsetzung von künstlerisch-nachhaltigen Maßnahmen werden andere, neue Vermittlungsangebote benötigt.
Mehr erfahren über das Förderprogramm NOW! unter
Die Bereitschaft von Lehrenden und Teilnehmenden, Neues auszuprobieren und sich von etablierten Ästhetiken zu lösen, ist die Voraussetzung für den Wandel.
Gruppenarbeiten und Gemeinschaftsarbeiten fördern diesen Prozess.
Nachhaltigkeit in einem soziokulturellen Zentrum
Ein Interview mit Christiane Mielke vom Gemeinschaftshaus Brunsviga e. V. in Braunschweig
Die Brunsviga hat im Rahmen von NOW! eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und umgesetzt. Was beinhaltet diese Strategie und welche Abteilungen waren involviert?
Christiane Mielke (CM): Die im Rahmen von NOW! entwickelte Nachhaltigkeitsstrategie enthält zwei Haupttätigkeitsfelder mit konkret formulierten Maßnahmen. Feld 1 betrifft die Betriebsökologie. Feld 2 die Gemeinwohlorientierung. Das Feld der Betriebsökologie umfasst Maßnahmen von der konsequenten Mülltrennung über die Vermeidung von Ausdrucken und der Umstellung auf LED bis hin zur Umsetzung von Brauchwasserumwandlung oder der Installation von Solarpaneelen. Das Feld Gemeinwohlorientierung umfasst Maßnahmen wie Erstellung eines gemeinsamen Leitbildes, regelmäßige Fortbildungsangebote, Arbeitsplatzbeschreibungen, Angebote der Gesundheitsvorsorge und des Jobtickets bzw. Fahrradleasing.
Wie war die interne Resonanz?
CM: Wir haben alle Abteilungen involviert und die interne Resonanz war sehr positiv. An den freiwilligen Workshops haben 50 % der Mitarbeitenden teilgenommen. Die interne Kommunikation über die nächsten Schritte und Maßnahmen bleibt aber eine Herausforderung.
Was waren Quick Wins, wo tauchten Probleme bei der Realisierung auf und welche Ideen scheiterten?
CM: Schnell umzusetzen und damit sichtbar für alle Beteiligten ist die konsequente Mülltrennung. Die Umstellung der Reinigungsmittel auf nachhaltige Produkte ist schwierig gewesen. Mehrere Produkte wurden ausprobiert, bis unsere Anforderungen erfüllt werden konnten. Da wir Mieterin in einem städtischen Gebäude sind, müssen wir die Umsetzung der effektivsten Schritte (Solarpaneele, Brauchwasserumwandlung, Anschluss an Fernwärme, Bodenentsiegelungen) dem Tempo der städtischen Verwaltung anpassen. Eine generelle Unterstützung wurde zugesagt, aber es liegt leider noch kein Zeitplan vor. Allein die Maßnahme „Abdichtung aller Fenster“ liegt seit zwölf Monaten bei der Stadt in der Warteschleife.
Was sind zusammengefasst die wichtigsten Erfahrungswerte und Tipps für Nachahmende?
CM: Es ist wichtig, das Thema Nachhaltigkeit von Beginn an als gemeinsames Thema anzugehen. Eine Vorgabe der Leitungsebene wird vielleicht auf Widerstand stoßen. Alle Beteiligten sollten mitgenommen werden. Das ist auch eine Frage der Wertschätzung. Aus unserer Erfahrung ist eine externe Begleitung, die gemeinsame Workshoptage moderiert und dabei hilft, den Prozess zu strukturieren, unbedingt sinnvoll. Das Thema Nachhaltigkeit wird nicht in einem Jahr erledigt sein. Man begibt sich auf einen Weg, der viele Einzelschritte beinhaltet.
Gibt es Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen? Was könnte den Kultureinrichtungen bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie helfen?
CM: Für viele Einrichtungen ist das Thema Nachhaltigkeit ein herausforderndes Thema, das neben dem Alltag gewuppt werden muss. Es ist wichtig, die Ängste zu nehmen, dass alles schnell und perfekt umgesetzt werden muss. Man sollte sich Zeit nehmen dürfen, einen gangbaren Weg zu skizzieren. Auch kleine Schritte sind ein Erfolg. Der „Druck“ durch Förderinstitutionen sollte anregen, nicht verschrecken.
DIE CHECKLISTE ÖKOLOGISCHE NACHHALTIGKEIT
Zu jedem Förderantrag bei der Stiftung Niedersachsen muss seit Anfang 2025 die Auswertung der Checkliste Ökologische Nachhaltigkeit eingereicht werden
Unter Federführung der Stiftung Niedersachsen haben die größten Kulturförderer Niedersachsens in einem agilen Prozess die Checkliste Ökologische Nachhaltigkeit erarbeitet, die es Kulturschaffenden und Förderinstitutionen ermöglicht, die Nachhaltigkeit ihrer Kulturproduktion systematisch zu erfassen und zu bewerten. Die Checkliste deckt alle Kultursparten ab und geht auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kulturschaffenden ein. Sie ist seit 2025 bei Antragstellung der Stiftung Niedersachsen verpflichtend mit einzureichen. Eine CO2 -Bilanzierung ist nicht erforderlich, sie kann anhand des eigenen Erfahrungswissens ausgefüllt werden.
Die Antragsteller*innen bewerten in den Themenfeldern Interne Organisation, Kommunikation und Vernetzung, Energieeffizienz und Gebäude, Energieversorgung, Beschaffung, Catering, Abfall und Recycling, Mobilität, Unterbringung und Tourenplanung, Klimafolgenanpassung ihr aktuelles nachhaltiges Handeln. Das Ergebnis kann als PDF heruntergeladen und mit den Förderanträgen eingereicht werden. Wird sie einmal jährlich ausgefüllt, können Antragsteller*innen ihr Engagement so bei vielen Förderern und Anträgen sichtbar machen. Für die Nutzer*innen handelt es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung.
Checkliste für Antragsteller:
Download der Checkliste für Kulturförderer:
Die Stiftung Niedersachsen hat die Checkliste digital umgesetzt und stellt sie als Nachhaltigkeitstool allen Kulturförderern bundesweit kostenlos zur Verfügung. Eine Nutzung der Checkliste als Informations- und Beratungstool durch weitere Institutionen wie z. B. Verbände oder auch zur internen Überprüfung in Verwaltungen ist möglich. Die Nachfrage ist entsprechend groß. Bietet die Checkliste doch allen Förderern ein niedrigschwelliges Tool, um schnell ins Handeln zu kommen, und erspart einen kosten- und zeitintensiven Prozess.
Beteiligt am Prozess waren die Stiftung Niedersachsen (Federführung), die Nachhaltigkeitsmanagerinnen Mona Rieken und Jasmine Klewinghaus, das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, die Städte Hannover, Oldenburg, Osnabrück, Hildesheim, die Stiftung Kulturregion Hannover, die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die VGH-Stiftung, die Braunschweigische Stiftung, die Klosterkammer Hannover und die Region Hannover sowie der Landesverband Soziokultur und der Museumsverband für Niedersachsen und Bremen.
ERKLÄRUNG ÖKOLOGISCHE NACHHALTIGKEIT
Eine gemeinschaftlich entwickelte und unterzeichnete
Erklärung niedersächsischer
Kulturförderer
Präambel
Als Kulturförderer Niedersachsens bekennen wir uns zur Agenda 2030 und dem Ziel des deutschen Klimaschutzgesetzes: Klimaneutralität im Jahr 2045. Mit unseren Möglichkeiten wollen wir dazu beitragen, die Klimaerwärmung zu begrenzen und das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Darum wollen wir die Kulturschaffenden Niedersachsens auffordern und befähigen, Kultur nachhaltig zu produzieren.
Grundsätze
Die Freiheit der Kunst ist für uns das Fundament künstlerischen Schaffens und ein elementarer Grundwert unserer Kulturförderung. Kultur ist ein zentraler Bestandteil des Wandels. Sie eröffnet Begegnungs- und Denkräume. Sie kann Menschen berühren, eine persönliche Identifikation mit Themen schaffen, neue Sichtweisen jenseits von Handlungszwängen des Alltags bieten und so transformative Kraft entfalten. Kultur ist insofern Teil der Lösung. Kulturförderer, Kulturschaffende und Kulturbetriebe tragen Verantwortung für die Bewahrung und den Schutz der Umwelt. Als Kulturförderer besteht unsere Aufgabe darin, die Geförderten dabei zu unterstützen, umweltschonende Praktiken zu entwickeln und die
Kultur so zukunftsfähig aufzustellen. Darum verpflichten wir uns, das Thema im Rahmen unserer Möglichkeiten mit Priorität zu behandeln.
Ziele
Wir erhalten die Vielfalt der Kulturlandschaft und ermöglichen die Umstellung auf klimaneutrale Produktion. Ökologische Maßnahmen sichern die Kunstfreiheit auch für kommende Generationen. Indem wir die Weichen für nachhaltige Produktionsbedingungen stellen, bleiben die Orte, an denen Kunst frei und offen entstehen kann, erhalten. Wir bieten den Kulturschaffenden Praxisinstrumente, mit denen sie messbare und strategische Maßnahmen für nachhaltige Veranstaltungen entwickeln und umsetzen können. Wir verstehen uns als Impulsgeber und Weichensteller. Kulturproduktion und Kulturvermittlung unter ökologischen Rahmenbedingungen sichern den Erhalt einer lebendigen Kulturlandschaft.
HERAUSFORDERUNG VERGANGENHEIT UND ZUKUNFT
Dr. Annett Reckert
Kustodin Kunsthalle Bremen und Redakteurin der Buchreihe „Kunst der Gegenwart“
Kunst der Gegenwart: d23 von Thomas Rentmeister im Sprengel Museum Hannover
Es gibt Dinge, die kann man nur ein einziges Mal im Leben tun. Thomas Rentmeisters Installation d23 war so etwas. Der Titel erinnert an das Elternhaus des Künstlers in der Dorfstraße 23 in KleinReken. Dort, im Münsterland, wächst der 1964 geborene Künstler auf – in den
Wirtschaftswunderzeiten, in denen Chips, Flips und Nutella, die ZDF-Hitparade und Penaten-Creme en vogue waren. Nach rund sechs Jahrzehnten muss die Mutter des Künstlers das Familienzuhause verlassen und in ein Pflegewohnheim wechseln. Seinem bildhauerischen Mindset folgend legt
Fotografie: Bernd Borchardt 19
Herausforderung Vergangenheit und Zukunft
der Sohn Hand an: Alles, was im Haus nicht niet- und nagelfest ist, verfrachtet er in einen Container, darunter viele persönliche Gegenstände der Familienmitglieder, darunter auch seine eigenen Frühwerke und seine in der Garage eingelagerten Negativformen von Polyesterskulpturen aus den 1990er Jahren. Im Sprengel Museum Hannover werden all diese Dinge in der Installation d23 zu einer für Rentmeister bis dahin nicht dagewesenen persönlichen und künstlerischen Herausforderung: Klavier, Möbel, Polster, Teppiche, Geräte, maximal kunstferne Dinge, Deko, Plunder, Trödel, alles, was hier tsunamiartig angelandet ist, collagiert er in zwei Sälen zu einer begehbaren Rauminstallation. In einem kraftzehrenden, offenen Prozess verarbeitet er – letztlich den klassisch bildhauerischen Fragen nach Proportion, Volumen und Raum folgend – gnadenlos alles, Stück für Stück. Die Dingmassen wachsen zu einem leichtfüßigen bühnenhaften Gebilde in einem ersten und einer beklemmenden Höhle im zweiten Raum. Das Publikum wandelt ungläubig unter dem imposant aufrauschenden Sperrmüll hindurch, um die gestapelten, aufgehäuften und getürmten Materialmassen herum. Manch einer mit flacher Atmung, um nicht allzu viel Kellermuff, Badematte und Küchenkleb zu inhalieren, und alle zwangsläufig voyeuristisch, spätestens dann, wenn der Blick auf private Familienfotos, Akten und Notizen fällt.
Natürlich gab es bei der Betrachtung von d23 auch manchen Lacher; vor allem bei den Babyboomern im Publikum weckten Dinge Wiedersehensfreude. Was jedoch überwog, war eine tiefe Berührung. Die Übermacht der Dinge, der distanzlose Einblick in den Rentmeister’schen Memory Palace und das Wissen um die einmalige Aufführung des Werkes d23 lösten ungewöhnlich starke Emotionen und nagende Fragen aus. Wie unfassbar stark prägen uns Eltern und Familie? Wie beeinflussen uns Materialien, Designs und Atmosphären? Wie kann es sein, dass uns all diese Dinge so eiskalt überleben? Woran haftet Erinnerung? Was bleibt – von mir?
d23 ist und war im Œuvre von Thomas Rentmeister ein Ausnahmewerk. Zwar spielen aus seiner skulpturalen und installativen Arbeit bekannte Strategien wie Akkumulation, Reihung, die Spannung von Ordnung und Chaos, der Material-Clash auch hier eine Rolle. Nie zuvor jedoch hat der Künstler so dezidiert biographisch gearbeitet. Schließlich war d23 auch ein temporäres Denkmal für seine inzwischen verstorbene Mutter. Längst ist die Arbeit Geschichte; bis auf ganz wenige persönliche Dinge ist nun tatsächlich alles entsorgt. Als physisch vorhandenes bildhauerisches Werk hat einzig eine kleine, tragikomische Bodenskulptur überlebt: ein Stapel aus Tellern, dessen mehr oder minder unsichtbarer Sockel eine leise tickende Küchenuhr ist.
Die Buchreihe Kunst der Gegenwart
Die Monografienreihe „Kunst der Gegenwart aus Niedersachsen“ bietet seit nahezu 60 Jahren einen Überblick über bedeutende niedersächsische Künstler*innen verschiedener Sparten. Jährlich wird ein*e Künstler*in mit einer Publikation und einer Ausstellung im Sprengel Museum Hannover der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Reihe wird von der Stiftung Niedersachsen herausgegeben. 2024 erschien Band 79 „Thomas Rentmeister. d23“.
Mehr erfahren über das Förderprogramm Kunst der Gegenwart unter
HERAUSFORDERUNGEN IM LÄNDLICHEN RAUM
Gerade in diesen
Zeiten braucht es einen kritischen, humorvollen und künstlerischen Blick auf gesellschaftliche Phänomene. Kulturorte im ländlichen Raum spielen vor diesem Hintergrund
eine zentrale Rolle:
nicht nur in der Sicherung der kulturellen Grundversorgung, sondern als Diskurs- und Versammlungsort, als Impulsgeber für zukunftsweisende Projekte, als Vernetzungsplattform für lokale Akteure oder als Anlaufpunkt für internationale Künstler*innen. Durch ihre Nähe zu den Menschen sind die lokalen Kulturakteur*innen bestens mit den brennenden Herausforderungen vor Ort vertraut. Mit diesem Wissen können sie die Frage „Wie wollen wir in Zukunft gemeinsam leben?“ hervorragend bearbeiten und kreative Lösungen entwickeln.
Die Stiftung Niedersachsen hat 2023 das Förderprogramm Vital Village mit dem Ziel entwickelt, genau diese Kulturinstitutionen im ländlichen niedersächsischen Raum zu stärken und Kulturschaffende zu befähigen, ihr Umfeld mit Kultur positiv zu gestalten. Um eine Förderung bewarben sich insgesamt 52 Dörfer, Kleinstädte und Gemeinden. Davon wurden sieben Kulturinstitutionen und -initiativen ausgewählt und erhielten eine Förderung in Höhe von je 30.000 Euro, um als kultureller Ankerpunkt Kulturpro-
jekte, Vernetzungen und Begegnungen zu initiieren. Neben der finanziellen Förderung organisiert die Stiftung Niedersachsen Austauschtreffen und Fortbildungen. Der Landesverband Soziokultur steht mit Beratungsleistungen zur Verfügung. Mit insgesamt 5.000 Euro werden vom Ankerpunkt Mikroprojekte anderer Kulturschaffender gefördert. Im Sommer 2025 wird eine zweite Förderrunde im Programm Vital Village ausgeschrieben.
Lernen Sie die sieben geförderten Projekte kennen.
ALTE POLIZEI IM AUSSENDIENST
Ort / Landkreis: Wölpinghausen/Landkreis Schaumburg
Einwohner*innen: 1.621
Mehr erfahren über das Förderprogramm Vital Village unter
Das Kulturzentrum Alte Polizei in Stadthagen setzt im nahe gelegenen Dorf Wölpinghausen das Projekt Alte Polizei im Außendienst um. Ziel ist, gemeinsam mit der Bevölkerung neue Kulturformate zu entwickeln und durchzuführen. Das Veranstaltungszentrum Kleine Freiheit bietet hierfür beste Bedingungen. Nach dem Auftakt 2024 mit einer Christmas Jam und dem Projekt „Offener Garten: Wir leuchten“ in einem künstlerisch illuminierten Skulpturengarten im Dorf starteten im Frühjahr 2025 eine mehrmonatige Reihe einzelner Rock- und Popkonzerte für Jung bis Alt sowie ein Dorfquiz. Vor Ort bieten wir wöchentliche Sprechstunden für die Akteur*innen an, um sie bzgl. ihrer Projektvorhaben zu beraten. Zudem werden regelmäßige Austauschtreffen organisiert.
Welche Ziele/Teile des Projekts ließen sich bisher leicht realisieren?
Unser Projektteam aus Feliks Oldewage (Geschäftsleitung des Kulturzentrums Alte Polizei) und Jacquelin Lutz (Projektleitung Alte Polizei im Außendienst) konnte von Anfang an einen guten Kontakt sowohl zu den Jugendlichen und Erwachsenen im Dorf wie auch zur Verwaltung und Politik etablieren. Sowohl der Bürgermeister als auch Parteivertreter*innen waren in verschiedenen Treffen von Beginn an eingebunden. Darüber hinaus haben sich die ansässigen Vereine und Institutionen, wie z. B. der Sportverein und die Freiwillige Feuerwehr, auf breiter Basis an den Treffen beteiligt und eigene Ideen, Vorstellungen und Bedarfe konstruktiv eingebracht.
Wo gab es Probleme oder Widerstände?
Kulturell engagierten Personen fehlte die Zeit für ein langfristiges Engagement, und insbesondere junge Menschen zögerten aufgrund der mit den Mikroprojekten verbundenen Verantwortung. Außerdem ließ bei einigen der anfängliche Enthusiasmus schnell nach und sie sprangen ab. Eine weitere Herausforderung war zudem die Entwicklung innovativer Kulturprojekte. Auf den Austauschtreffen sowie in der Bewertung der Anträge musste die Projektleitung wiederholt vermitteln, dass einige Projektideen wie z. B. Flohmärkte oder Sportaktionen zwar begrüßenswert seien, aber in einem sozialen Förderprojekt besser aufgehoben wären.
Fluch und Segen der Mikroprojekte – Erfolge und Schwierigkeiten: Die Mikroprojekte bieten eine gute Möglichkeit, Gelder niedrigschwellig zu verteilen. Dies qualifiziert die Antragstellenden und schärft die Ideen. Um einfache Zugänge zu schaffen, entwickelten wir ein digitales Antragsformular mit zielführenden Fragen sowie einem einfachen Kosten- und Finanzierungsplan. Trotzdem ist zusätzlich eine intensive Beratung notwendig. Durch die zeitaufwendige Betreuung von der Projektentwicklung über die Antragsstellung bis hin zur Durchführung erhalten wir zwar nur wenige, aber dafür gut durchdachte und umsetzbare Anträge, die im Austausch mit dem lokalen Gremium und der Projektleitung beurteilt und bewilligt werden können.
Gibt es erste Erkenntnisse?
Die persönliche Präsenz vor Ort ist entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Direkte Gespräche statt E-Mails, regelmäßige Treffen im Zentrum des Dorfes und die Teilnahme an bestehenden Veranstaltungen wie dem Schützen- oder Erntefest sind essentiell für einen gelingenden Austausch mit den zentralen Akteur*innen. Erst durch diesen beständigen Kontakt entwickeln wir ein gutes Verständnis für die Ideen, Bedarfe und Herausforderungen der Dorfgemeinschaft, die Verbindlichkeit nimmt zu und eine langfristige, vertrauensvolle Zusammenarbeit wird möglich.
BÜRGERHAUS JEMGUM E. V.
Landkreis: Leer
Einwohner*innen in Jemgum: rund 3.600
Das Bürgerhaus ist ein soziokulturelles Zentrum der Gemeinde Jemgum. Es wurde im März 2024 eröffnet. Das Leben im Haus wird von einem gemeinnützigen Verein getragen. Zu den Angeboten zählen Beratung, Vorträge, Lesungen, Filme, Konzerte, Ausstellungen, Freizeitangebote (Schach, Jugendtreff, Spieleabend, Improtheater u. a. m.) sowie die Vermietung von Räumen für Aktivitäten Dritter.
Wie gestalten Sie Ihre Funktion als Ankerpunkt?
Das Bürgerhaus Jemgum hat sich in rasanter Geschwindigkeit zu einem Treffpunkt für das Dorf und die Gemeinde entwickelt. Der Vernetzung und Abstimmung mit etablierten Vereinen wird dabei viel Gewicht gegeben. Wir organisierten bereits mehrere Vernetzungstreffen mit allen Vereinen, waren 2024 Austragungsort des vereinsgetragenen gemeinsamen Kulturfestivals „Jemgum live“ und bringen über unser vielseitiges kulturelles Angebot (Filme, Lesungen, Konzerte u. a.) kulturinteressierte Menschen aus der Region zusammen.
Welche Ziele/Teile des Projekts ließen sich bisher leicht realisieren?
Das Ziel, unseren Mitmenschen Raum für vielfältige gemeinsame Aktivitäten zu geben, ist vom Start weg gelungen. Das reicht von kleinen Interessengruppen (Jugendtreff, Handarbeiten, Improtheater, Schach, Gesellschaftsspiele) über Angebote der VHS (Nähkurse, Bastelgruppen), bis hin zu Kulturveranstaltungen („Wie schön, dass es hier im Dorf jetzt auch Kinoabende gibt!“). Die Mitgliederzahl des Trägervereins stieg 2024 von 75 auf 201!
Wo gab es Probleme oder Widerstände?
Widerstände sind nicht festzustellen, aber manche Zielgruppen (z. B. Jugendliche zwischen 15 und 20) sind schwer zu erreichen (ein eigener Jugendraum unterm Dach soll bald Abhilfe schaffen) und auch das Ziel, Menschen aus den anderen Dörfern der Gemeinde kontinuierlich einzubinden, ist noch nicht zufriedenstellend gelungen (u. a. wegen fehlender Mobilitätsangebote). Das umfangreiche Programm ehrenamtlich zu organisieren, ist darüber hinaus ein Kraftakt.
Gibt es erste Erkenntnisse?
In den Jahren der Sanierung des Gebäudes und Vorbereitung der Eröffnung gab es viele Sorgen und Bedenken, ob das Angebot denn auch angenommen werde und ob es gelingen könne, ausreichend ehrenamtliche Unterstützung zu mobilisieren. Erkenntnis nach einem Jahr: Der Bedarf an Begegnung, an Miteinander, an Austausch ist viel größer als gedacht und bei guter Organisation und Kräfteverteilung lassen sich viele Menschen für aktives Engagement gewinnen.
KULTURANKER HARZ
(EHRENHAFTER
VEREIN E. V.)
Ort/Landkreis: Herzberg am Harz und Umgebung/Landkreis Göttingen
Einwohner*innen in Herzberg: rund 13.000
In Herzberg am Harz hat sich die Initiative „Kulturanker Harz“ aus den drei Veranstaltungsorten Deutscher Kaiser, Harzer Hof und Paradies gegründet. Getragen von einem Frauenteam und unter dem Motto „Miteinander statt Gegeneinander – Kooperation statt Konkurrenz“ werden hier Interessierte und Ehrenamtliche vernetzt und die kulturelle Vielfalt durch Teilhabe und die Förderung von Mikroprojekten umgesetzt.
Wie gestalten Sie Ihre Funktion als Ankerpunkt?
Wir vermitteln potenzielle Kooperationen, geben unser Wissen zu Förderungen oder der Abwicklung von Veranstaltungen weiter und gehen aktiv auf Akteur*innen zu, um Netzwerke zu knüpfen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Unterstützer*innen, die die Initiative aktiv bereichern und z. B. Werbeflächen für Veranstaltungen zur Verfügung stellen oder Pressekontakte vermitteln.
Welche Ziele/Teile des Projekts ließen sich bisher leicht realisieren? Wirklich gut funktioniert hat der Aufbau unseres Netzwerkes. Wir stehen in einem engen Austausch mit anderen Vereinen und Initiativen und unterstützen uns gegenseitig bei der Umsetzung von Projekten. Durch die Förderung war die Einrichtung einer Minijob-Stelle möglich, die uns entlastet und hilft, Strukturen, wie regelmäßige Austauschtreffen, zu schaffen. Die Stelle wollen wir unbedingt erhalten.
Fluch und Segen der Mikroprojekte – Erfolge und Schwierigkeiten Wir haben bislang sechs Mikroprojekte mit 250 bis 500 Euro in einem sehr breiten thematischen Spektrum gefördert. Dabei waren eine Veranstaltung zum Christopher Street Day, ein HeavyMetal-Festival, ein regionaler Podcast, ein interkultureller Demokratiefilm und ein gemeinschaftsförderndes Nachbarschaftsprojekt. Da wir uns noch mehr Projektanträge wünschen, werden wir die von uns gesetzten Richtlinien zur Durchführung von lokalen Projekten voraussichtlich erweitern, so dass auch weiter entfernte Dörfer antragsberechtigt sind. Wir gehen zunehmend aktiv auf Initiativen zu, um ihnen das Konzept der Mikroförderungen zu beschreiben und sie zu motivieren, Anträge zu stellen. Gute Multiplikatoren des Angebotes sind dabei besonders die bisher geförderten Projektinitiator*innen.
Gibt es erste Erkenntnisse?
Mit dem Kulturanker konnten wir wichtige Anstöße geben und Initiativen sichtbar machen. Es ist wunderbar zu sehen, dass es viele großartige Kulturideen in Herzberg und der Umgebung gibt und so viele Menschen, die sich für die Kultur vor Ort engagieren wollen.
So konnten wir zum Beispiel durch die Spende von 150 Grünkohlpflanzen den „Kulturkohl“ anbieten. Im Harzer Hof Scharzfeld wurde der Grünkohl typisch norddeutsch zubereitet und pro Portion gingen zwei Euro als Kulturspende an den Kulturanker. Durch eine Ideenwerkstatt und externe Beratung zu Förderanträgen konnten wir unser Wissen über die Fördermöglichkeiten und -bereiche erweitern und uns breiter sowie zukunftsorientiert aufstellen.
FÖRDERUNION FÜR KUNST UND KULTUR E. V. (FU.K.K.)
MEPPEN
Ort / Landkreis: Meppen/Landkreis Emsland
Einwohner*innen in Meppen: rund 37.000
Meppen, eine emsländische Mittelstadt mit 13 eingemeindeten Dörfern, nutzt die Förderung, um Kinoveranstaltungen ins Umland zu bringen und mit lokalen Vereinen partizipativ zu gestalten. Eine Jury wählte zehn Mikroprojekte aus, die seit Herbst 2024 laufen.
Wie gestalten Sie Ihre Funktion als Ankerpunkt?
Die Ausschreibung der Mikroprojekte lief über Presse, Social Media und lokale Institutionen. Dabei zeigte sich, wie schwer es ist, als Förderer wahrgenommen zu werden, und wie begrenzt das Wissen über regionale Förderstrukturen ist – sowohl bei Laien als auch bei Profis. Zudem benötigten viele Antragsteller*innen Beratung zur förderwürdigen Ausgestaltung ihrer Projekte. Durch die Mikroprojekte haben wir unsere Rolle als Ankerpunkt für Beratung und Vernetzung erkannt. Beim Talk „Kultur auf dem Land“ im April 2024 im Stadtmuseum Meppen wurde deutlich, dass wir eine wichtige Schnittstelle sind: Wir bringen Kulturakteur*innen mit Förderern in Kontakt. Deshalb setzen wir uns bei
Stadtverwaltung und Förderinstitutionen für niedrigschwellige Förderungen ein. Im Landkreis fehlen diese weitgehend, und der Landschaftsverband vergibt nur Zuschüsse, die oft an hohe Eigen- oder Drittmittel gebunden sind.
Welche Ziele/Teile des Projekts ließen sich bisher leicht realisieren? Die Ausschreibung und Auswahl der Mikroprojekte haben wir im Frühjahr und Sommer 2024 realisiert. Ein Teil der Projekte wurde bereits umgesetzt, einige weitere folgen in diesem Jahr. Wir planen noch eine Abschlussveranstaltung mit Mikroprojektinitiator*innen, lokalen Kulturverantwortlichen aus Verwaltung und Politik sowie überregionalen Kulturverantwortlichen, um auf die Dringlichkeit von Förderungen dieser Art hinzuweisen. Ebenfalls planen wir partizipative, austauschorientierte Kinoveranstaltungen im ländlichen Meppener Umland.
Fluch und Segen der Mikroprojekte – Erfolge und Schwierigkeiten: Ein Erfolg ist, dass sich sowohl erfahrene Kulturschaffende als auch Menschen ohne Antragserfahrung bei uns für die Mikroprojekte beworben haben und ausgewählt wurden. Teilweise haben sich ganz neue Personenkreise angesprochen und ermutigt gefühlt. Aufgrund der unterschiedlichen Erfahrung der Antragsteller*innen braucht es teilweise eine sehr individuelle und intensive Betreuung. Ehrenamtlich lässt sich diese Arbeit nicht leisten. Insofern ist das Vital-Village-Programm mit seinen Honorarmitteln eine notwendige und unabdingbare Unterstützung, wenn Kultur in der Breite auf- und ausgebaut werden soll.
Gibt es erste Erkenntnisse?
Durch kontinuierliche Förderung entstehen neue Impulse. Der Verein erfährt mehr Aufmerksamkeit und wird trotz ehrenamtlicher Struktur als Kulturakteur wahrgenommen. Ein langfristiges Ziel ist die Etablierung einer Künstler*innenresidenz. Aktuell bringen Künstler*innen wie Zwoisy Mears-Clarke und Syndikat Gefährliche Liebschaften ihre eigenen Mittel mit in die Projekte ein. Wir vernetzen diese Künstler*innen mit Mikroprojektantragsteller*innen, wenn sich Themen oder Arbeitsweisen überschneiden. Es braucht Zeit, um Kulturprojekte zu entwickeln und Menschen zur Antragstellung zu ermutigen.
GEMEINDE WURSTER
NORDSEEKÜSTE
Landkreis: Cuxhaven
Einwohner*innen in der Gemeinde: rund 17.500
Von 2020 bis 2022 konnte die Gemeinde Wurster Nordseeküste durch das partizipative Projekt „Zukunft Ahoi!“ im Förderprogramm „Zukunftsräume Niedersachsen“ bereits erste Impulse setzen. Durch Mikroprojekte, Zukunftskonferenzen und -werkstätten und weitere mobile Formate wurde das gemeinschaftliche Leben gestärkt. Insgesamt konnte mit dem Projekt ein Netzwerk zu Vereinen, Bildungsinstitutionen und weiteren regionalen und überregionalen Akteur*innen aufgebaut werden. Dieser Weg wird mit Hilfe des Programms Vital Village weiter beschritten. Ein Handlungskonzept bildet die Basis für vernetztes kulturelles Handeln ausgehend von der Stabsstelle Kultur & Beteiligung als Ankerpunkt. Das mobile Bühnenformat „Das fliegende Kultursofa“ tourt bis in die entlegensten Winkel der Gemeinde; eine Netzwerkgruppe wird durch das Beratungsprogramm K² der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, das kulturelle Bildung und Vernetzung vor Ort stärken will, zukunftsweisend begleitet; Mikroprojekte Kultur bringen Menschen dazu, in ihren Ortschaften selbst aktiv zu werden. In persönlichen Gesprächen Ideen weiterzuentwickeln und die
Umsetzung zu begleiten, ist ebenfalls eine Kernaufgabe. Die Möglichkeit, als Ankerpunkt sichtbar und ansprechbar zu sein, wird durch das neue Teammitglied der Stabsstelle verstärkt, welches durch das Programm eingestellt werden konnte.
Welche Ziele/Teile des Projekts ließen sich bisher leicht realisieren?
Seit August 2024 ist eine mobile Bühne in Form des fliegenden Kultursofas erfolgreich in der Gemeinde unterwegs. Das Format motiviert Bürger*innen, mitzumachen und kreative Ideen auf die Bühne zu bringen. Es schafft Anlässe für ein gemeinschaftliches Miteinander.
Parallel dazu bildete sich eine Netzwerkgruppe, die sogenannte KulturRunde. Sie plant die Gründung eines Kulturvereins als Dach für andere Vereine, Einzelpersonen und Initiativen, um kulturelle Teilhabe zu ermöglichen und die Umsetzung von lokalen Kulturprojekten auch außerhalb der Stabsstelle zu verstetigen.
Wo gab es Probleme oder Widerstände?
Die Erfahrungen zeigen, dass eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit und transparente Kommunikation mitunter schwierig sind. Für die Stabsstelle war es herausfordernd, alle Ankündigungen rechtzeitig zu verbreiten und die Menschen ausreichend auf die Veranstaltungen aufmerksam zu machen. Es ist deshalb umso wichtiger, Multiplikator*innen in den einzelnen Ortschaften ausfindig zu machen, um so gezielt Gruppen anzusprechen und die Akzeptanz von kulturellen Veranstaltungen in der Kommune zu erhöhen.
Fluch und Segen der Mikroprojekte – Erfolge und Schwierigkeiten:
Mit dem fliegenden Kultursofa wurden hauptsächlich professionelle Künstler*innen mit Bühnenerfahrung zum Mitmachen angeregt. Bewerbungen von Bürger*innen ohne konkrete Vorerfahrungen blieben aus. Dies wird durch eine Erweiterung des Formates im zweiten Projektjahr verändert. In der neuen Ausschreibung werden gezielt Ideen für künstlerische Darbietungen und vor allem auch Workshop- oder Mitmachformate gesucht.
Gibt es erste Erkenntnisse?
Unsere Erkenntnisse berufen sich vor allem auf die Weiterentwicklung und Schärfung der Konzepte des fliegenden Kultursofas und der Mikroprojekte. Das fliegende Kultursofa als erfolgreiches mobiles Präsentationsformat wird bestehen bleiben. Die Mikroprojekte Kultur können – aber müssen nicht – mit dem Format in Verbindung stehen. Mit den Mikroprojekten Kultur versuchen wir aktiv darauf einzuwirken, innovative Mitmachformate mit Menschen aus der Gemeinde umzusetzen. Dies bedeutet, viele persönliche Gespräche zu führen und mit den Menschen gemeinsam in die Ideenentwicklung einzutauchen. Das Programm Vital Village hat bereits jetzt einen zentralen Beitrag zur weiteren Etablierung der Stabsstelle Kultur & Beteiligung und zur Entstehung und Umsetzung eines partizipativen Kulturkonzepts in der Gemeinde Wurster Nordseeküste geleistet.
SAMTGEMEINDE
DAHLENBURG
Landkreis: Lüneburg
Einwohner*innen in der Samtgemeinde: rund 6.200
Die Samtgemeinde konnte bereits gute Erfahrungen mit verschiedenen Beteiligungsprozessen, wie der Gründung eines Jugendbeirates und der Durchführung von Zukunftswerkstätten, sammeln. Daran anknüpfend wird die Förderung im Rahmen von Vital Village nun genutzt, um zusammen mit dem Kunstraum Tosterglope e. V. und Hofleben e. V. sowie in der Region bereits aktiven Vereinen und Institutionen Handlungs- und Erfahrungsräume zu erweitern, gesellschaftliche Veränderungen zu diskutieren und sich für demokratische Werte und gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen.
Welche Ziele/Teile des Projekts ließen sich bisher leicht realisieren?
Bürgerschaftliches Engagement gestärkt: Die gemeinsame Vorbereitung, Umsetzung und Teilhabe am „Freundschaftsspiel“, das Format „Regionale –Außerhalb der Komfort Zone“ und die altersübergreifende Beteiligung bei „Wagnispatterns“ zeigen, dass die Menschen in der Region aktiv für Gemeinschaft und eine resiliente Demokratie eintreten.
Niedrigschwellige Kulturformate etabliert: Die Mikroförderung führte (in einer ersten Runde) zu 14 genehmigten Projekten, die kulturelle Teilhabe ermöglichen. Die Antragstellenden haben sich zum Teil das erste Mal mit
Fördermitteln beschäftigt, um ihre Ideen umsetzen zu können. Öffentlichkeitsarbeit und Sichtbarkeit verbessert: Durch Presse- und Social-Media-Arbeit wurde „Vital Village Dahlenburg“ erfolgreich in der Region bekannt gemacht. Politische Gremien wurden genutzt, um das Projekt via Bürgermeister*innen in die jeweiligen Dörfer zu tragen.
Wo gab es Probleme oder Widerstände?
Die Zusammenarbeit zwischen den drei Ankerpunkt-Akteur*innen ist zeitintensiv und erfordert kontinuierliche Abstimmung. Unterschiedliche Arbeitsweisen, Erwartungen und Ressourcenverfügbarkeiten machen es notwendig, gemeinsame Strukturen zu entwickeln, um effektiv zu arbeiten.
Auch die Vermittlung dessen, was Kulturförderung bedeutet, war herausfordernd. Während einige Kultur primär als Kunstform verstehen, betrachteten andere sie als soziale Praxis oder Instrument der politischen Bildung. Diese unterschiedlichen Perspektiven brauchten einen Rahmen, gemeinsame Veranstaltungen und Zeit, um miteinander zu sprechen und Wünsche für eine starke soziokulturelle Praxis in Dahlenburg zu formulieren.
Fluch und Segen der Mikroprojekte – Erfolge und Schwierigkeiten Mikroprojekte haben sich als wertvolles Instrument erwiesen, um gesellschaftlichen Austausch anzuregen und lokale Initiativen zu fördern. Die Besetzung der Jury, nach vielfaltssensiblen Kriterien, ist gelungen und führte zu einer transparenten Vergabe der Fördermittel.
Herausforderungen bei den Mikroprojekten:
Hoher Abstimmungsaufwand: Die Unterstützung der Antragsteller*innen war sehr aufwendig, da viele zum ersten Mal einen Antrag stellten und über wenig Vorerfahrung verfügten.
Langfristige Perspektive: Während einige Mikroprojekte gut an bestehende Initiativen wie die Dahlenburger Kulturwoche anschließen können, war es bei anderen schwieriger, eine langfristige Perspektive zu entwickeln. Niedrigschwellige Formate sind entscheidend: Viele Menschen haben bisher wenig Berührungspunkte mit Kultur, weshalb offene und leicht zugängliche Angebote besonders erfolgreich waren.
Gibt es erste Erkenntnisse?
Die Organisation gemeinsamer Projekte erfordert klare Zuständigkeiten, verlässliche Entscheidungsprozesse und mehr Kapazitäten für die Koordination. Für die Zukunft ist es entscheidend, bestehende Netzwerke weiter zu nutzen und die Infrastruktur für Kulturprojekte zu verbessern, um langfristige Perspektiven für kulturelles Engagement in der Samtgemeinde Dahlenburg zu schaffen. Es ist etwas ins Rollen gekommen und es stehen bereits viele weitere Aktivitäten in den Startlöchern. Ein Ankerpunkt ist hilfreich, um den Aktiven und Engagierten Mut zu machen. Sie erfahren vor Ort Unterstützung und werden professionell begleitet.
KULTURVEREIN PLATENLAASE
Ort/Landkreis:
Jameln/Lüchow-Dannenberg
Einwohner*innen im Ort: rund 1.100
Wir fördern den Austausch durch Netzwerktreffen und wir planen die Einführung eines Kulturkalenders zur besseren Koordination von Veranstaltungen. In der ersten Phase konnten wir durch Dialogformate in den Dörfern wertvolle Kontakte knüpfen und bestehende Gemeinschaftsinitiativen reaktivieren. Die Ansprache neuer Publikumsgruppen bleibt eine Herausforderung.
Welche Ziele/Teile des Projekts ließen sich bisher leicht realisieren?
In der ersten Phase des Projekts ging es uns darum herauszufinden, wie neues Publikum erreicht werden kann und was wir als Kultureinrichtungen tun können, um Menschen aus vielfältigen Lebensrealitäten zusammenzubringen.
Wir haben dafür niederschwellige Dialogräume in den Dörfern eröffnet, um Menschen aus den umliegenden Ortschaften an einen Tisch zu bekommen. Dies haben wir dank Kontaktaufnahme zu Dorfvorsteher*innen und Verteilung persönlicher Einladungskarten in Briefkästen gut realisieren können.
Zudem wurden die Ergebnisse aus den moderierten Dialogen von einer lokalen Textilkünstlerin auf einer Zeltplane visualisiert. Dieses Kunstwerk soll im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit
für die zweite Phase unseres Projekts produzieren.
Wo gab es Probleme oder Widerstände?
Es gab bereits vorab zahlreiche Nachfragen zu unseren Dialogveranstaltungen „KulturMALZeit“. Wir nahmen uns viel Zeit für diese Gespräche und erreichten damit, dass die teilnehmende Gruppe erfreulicherweise sehr divers war. Die Erkenntnisse aus den Dialogformaten blieben leider hinter den Erwartungen zurück. Ziel war es ursprünglich, die Diversität auch bei den regulären Kulturangeboten zu erreichen und interessante Anregungen für neue Formate oder Inhalte zu bekommen. Statt neuer Ideen wurden in Vergessenheit geratene Gemeinschaftsaktionen der Dorfbewohner*innen wieder ins Leben gerufen.
Gibt es erste Erkenntnisse?
Im Wendland gibt es Neugier auf neue Kulturformate und den Wunsch nach Gemeinschaft. Wir schließen daraus, dass wir als Ankerpunkt den Mut haben sollten, auch ungewöhnliche Angebote zu entwickeln. Vielleicht durch eine Kombination aus altbekannten und neuen, überraschenden, herausfordernden künstlerischen Inhalten.
Wir haben ebenfalls viele Menschen kennengelernt, die selbst Interesse haben, etwas mitzugestalten, und hoffen, dass wir über die Mikroprojekte, die wir im Frühjahr 2025 ausgeschrieben haben, einen Teil dieser Ambitionen realisieren können. Durch diese Form der Teilhabe erhoffen wir uns auch mehr Publikum und innovative künstlerische Produktionen außerhalb der Großstädte.
HERAUSFORDERUNG
ZEIT GEBEN
Das Literaturförderprogramm SchreibZeit setzt sich von der ersten Stunde an intensiv damit auseinander, was Literaturförderung leisten kann und muss.
Das beginnt auf Seiten der Stiftung damit, Schwerpunktthemen oder Genres festzulegen und zu fragen, wie geeignete Autor*innen gefunden werden können und wer sie dann mit welchen Kriterien für die Förderung auswählt.
Die Antwort der Stiftung ist die Berufung von Kurator*innen aus unterschiedlichen Handlungs- und Wirkungsfeldern des jeweiligen Genres, so dass eine größtmögliche Bandbreite vom universitären Rahmen über die Verlage und Zeitschriften bis zur freien Szene abgedeckt werden kann. Sechs Monate haben vier Kurator*innen Zeit, um bis zu vier begründete Vorschläge aus ihrem Umfeld abzugeben. Diese Vorschläge beurteilt eine Jury, die ebenfalls – jährlich wechselnd –aus drei Menschen mit sehr unterschiedlichen Arbeitsfeldern zusammengesetzt ist.
Wie aber sollten Stipendien heute aussehen, damit sie Autor*innen auch wirklich Freiräume eröffnen?
Literatur zu fördern, ist in den meisten Fällen ein leises Geschäft. Autor*innen brauchen Ruhe und Anregung, einen geeigneten Ort und möglicherweise ein aufmerksames und kritisches Gegenüber. Dafür bedarf es mehr als eines Stipendienbeitrags, der die Künstler*innen eine Zeit lang finanziell absichert und vom Alltagsgeschäft befreit. Residenzen können dazugehören, als Orte der Anregung und Ruhe. Daher bietet die Stiftung den Stipendiat*innen drei Rückzugsorte in Niedersachsen zum Arbeiten an.
Noch wichtiger: der intensive Austausch. Daher gehört zum Literaturstipendium auch, dass sich jede*r Stipendiat*in eine*n Mentor*in auswählen darf, die*der bei bis zu acht Treffen die Arbeit am Text unterstützt.
Zeit geben heißt bei SchreibZeit auch, Zeit miteinander zu teilen: Zwei Treffen in der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, die mit ihrer Literatursparte Partnerin des Programms ist, gehören zum Stipendium und fördern ein Netzwerk innerhalb jedes Jahrgangs.
Jeder neue Jahrgang wird zudem von dem vorherigen bei einem kleinen Festival mit dem Titel „an|grenzen“ begrüßt, um auch genreübergreifend die SchreibZeit-Stipendiat*innen zu vernetzen.
Wir stellen Ihnen die Stipendiat*innen Lyrik und Graphic Novel anhand ihrer Kunst vor.
Wie wäre ausgezeichnete Lyrik für die Hosentasche?
Trennen Sie sich doch ein Gedicht heraus!
Mehr erfahren über das Förderprogramm SchreibZeit unter
Die Stipendiat*innen Graphic Novel 2024
E. S. Glenn
Der Comic-Zeichner E. S. Glenn begann seine Karriere in der Underground- und Indie-ComicSzene New Yorks. Während des SchreibZeitStipendiums und seiner Residenz im wendländischen Schnega ließ er sich zu der Krimi-Graphic-Novel „Mord im Dunkeln“ inspirieren.
Katia Fouquet
Katia Fouquet ist Comic-Autorin und freie Zeichnerin. In ihrer künstlerischen Arbeit hinterfragt sie gesellschaftliche Rollenbilder und Stereotype. Das SchreibZeit-Stipendium nutzte sie, um an „Der Radierer“ zu arbeiten. Darin setzt sie sich mit der NS-Vergangenheit ihres Großvaters auseinander.
Joris Bas Backer
Joris Bas Backer ist Comic-Zeichner und Illustrator. In seinen freien Arbeiten beschäftigt er sich mit Identität, Beziehungen und Sehnsüchten. Sein Debüt „Küsse für Jet“ (Jaja Verlag, 2020) erzählt eine warmherzige Comingof-Gender-Geschichte. Während des SchreibZeitStipendiums arbeitete er an der Graphic Novel „Falsch Gestorben“.
Oliver Grajewski
Oliver Grajewski arbeitet als bildender Künstler und gehört zu den Avantgardisten unter den Comic-Zeichnern. Einen Namen hat er sich vor allem mit seinen zahlreichen Publikationen gemacht. 2024 erhielt er ein SchreibZeit-Stipendium, um an der Fortsetzung seiner Graphic Novel „Der Tag im Moor“ zu arbeiten.
E. S. Glenn
Die Residenz im Atelier Hugo Körtzingers war nicht nur eine tolle Auszeit, sondern hat mich auch zu einem neuen Buch inspiriert. „Mord im Dunkeln“ spielt in Schnega und reflektiert meine Erlebnisse dort. Ohne das Stipendium hätte ich diesen spannenden Ort nicht entdeckt!
Joris Bas Backer
Das Stipendium war eine großartige Gelegenheit, an meiner Graphic Novel zu arbeiten, deren Fertigstellung letztendlich 4,5 Jahre dauern wird. Ohne Zuschüsse kann ein Projekt dieses Umfangs leicht doppelt so lange dauern.
Katia Fouquet
Das Besondere an dem SchreibZeit-Stipendium der Stiftung Niedersachsen waren die Vernetzung mit Autor*innen der Vorgängersparten und der Austausch mit den Mitstipendiaten an den gemeinsamen Treffen in Wolfenbüttel und Göttingen, der sehr wertvoll und inspirierend für mich war. Grundsätzlich könnten gerade die gesellschaftlich relevantesten Graphic Novels ohne Förderung nicht entstehen, da die Arbeit daran unwahrscheinlich aufwendig ist und viel Zeit braucht. Wir recherchieren, schreiben, skizzieren, redigieren, kolorieren, komponieren und zeichnen – ähnlich wie Wissenschaftler*innen sind wir also auch abhängig von Forschungsgeldern.
Oliver Grajewski
In den Jahren vor Stipendienbeginn habe ich mit weniger werdender Energie (Multiple-Sklerose-Diagnose) nur Aufträge für Geld abgearbeitet. Das Stipendium hat mir durch sein Budget den Auftrag erteilt, wieder Kunst zu machen. Zunächst habe ich bezweifelt, ob dies zwischen den Aufträgen gelingen könnte. Das inzwischen zehn Jahre andauernde Buchprojekt hatte lange pausiert und die Realität um uns herum und meine Welt waren eine andere geworden. Aber siehe da: Wo nichtdurchkapitalisierte Zeit herumliegt, geht etwas. Zurück im Buchprojekt habe ich 120 Seiten neu gestaltet und getextet, die mit unserer politischen Realität und meiner inneren Welt Schritt halten.
Ozan Zakariya Keskinkılıç
Fragmente aus Gedichten in „Prinzenbad“, Ozan Zakariya Keskinkılıç (Elif Verlag 2022)
120 meter, ich werde der ausländer im grünen cappy sein. 83 meter, ich werde dich by my haftpflichtversicherungsnummer rufen, so wie du es dir gewünscht hast. 51 meter, ich werde an der straßenlaterne gegenüber stehen, mit einem schild in der hand: I’m here to eat ass. 31 meter, du lachst, haha lachst du. bist du schauspieler?
ich sehe alles vor mir liegen wie ein offenes chatfenster: die verpixelte haut unter meinen fingerkuppen. eine ikea-decke, in die ich mich meine brusthaare hinein falte, damit etwas von mir bleibt. lass uns einen letzten screenshot nehmen, zum abschied. 2 meter zur tür, und du lachst, haha lachst du. bist du schauspieler?
freundschaft nach dem ersten kuss ist wie nussmischung lüks karışık. zu wenig mandeln, zu viele haselnüsse. da hilft auch kein dritter, kein vierter çay. die nonmentions hängen mir aus der tüte raus. ein like für dein like. jeder derwisch dreht sich um den eigenen rücken und trauert und lacht. und trauert. im träumen sind wir alle gleich und niemand findet zueinander.
Giorgio Ferretti
Laber, Apollo, hab jetzt das Leben im Griff, wie ich finde.
Es ist langsam Februar, vermisse den Sommer nicht mehr.
Lass vielleicht unbedingt
Temperaturen verjagen, weil sonst und auch und überhaupt –sie steigen nach oben, ich weiß.
Oder, Verzeihung, wolltest du nochmal was ändern?
Kriege ich, unter Umständen, alleine auch hin.
Giorgio Ferretti
aber jetzt ganz ehrlich
was ist schnee im märz, wenn nicht regen im dezember? und außerdem würde ich dem Du den vollmond schicken aus der dunkelsten aller seiten, wo ich mich jetzt befinde, würde es dir was gut tun? das bringt doch niemandem was.
Ozan Zakariya Keskinkılıç
Fragmente aus Gedichten in „Prinzenbad“, Ozan Zakariya Keskinkılıç (Elif Verlag 2022)
was kostet die zedernluft an deinem nacken? die dichten augenbrauen haben dich verraten. ich stelle mir vor: dein bart ein stacheldrahtzaun. und dein mund die qibla meiner augen. vielleicht antanzen, wenige pirouetten in alten hausschuhen.
im umkleideraum scheitert jeder versuch, die sanften härchen deiner schenkel aus der pupille zu entwirren. ich habe mich umgesehen, niemand verlässt das tor wie du. die luft mit dem schnurrbart wie moses das meer in zwei teilen. verlorene perlen, trauerpfütze.
wenn ich mich beeile, bekomme ich den anschlussflug. zwei wochen immer-syrer und immerlibanese, ein immer-araber im türkenkorsett. mein ganzes leben lang habe ich kantige buchstaben um die brust gewickelt. diesen sommer werde ich dedes zunge aus der erde buddeln und in der mundhöhle vergraben, um mir die schnittwunden zu lecken.
Katia Sophia Ditzler
„Tribut“
Alles was ich berühre wird zu Katzengold
Im Hinterhof reichere ich Plutonium für Rohrbomben an
Mein Parfum ist der Geruch brennenden Fleischs
Ich exportiere die Bausteine der Welt
Ich verhandle einen angemessenen Preis für meine Unsterblichkeit
Präge mein Bildnis auf Schokomünzen
Keine Expedition wird je mein Gesicht im Sand ausgraben
Meine Heiratspolitik ist klug
Mein Reich ist erweitert
Ich bin die Alchimistin, die aus Soldatenblut Gold macht
Meine Scharfschützinnen sind postiert vor meinem Drachenhort
Wenn sie fallen rasiere ich ihre Haare ab
Und verkaufe sie an eine Perückenfabrik
Mein Zugang zu Ressourcen ist gesichert
Meine Ehre ist verteidigt
Niemand weiß wieviel ich besitze
Ich erschaffe Tabus, ich generiere Mehrwert
Ich bin Nymphe und Succubus
Direkt zum performativen Poesiefilm
Inana Othman
Oh barmherziger Schmerz du schuldest mir jetzt mein
Ich das einst am Ufer deiner Poren verschwand und mir gehört eine Heimat aufgelöst in deinem Wasser
Das Schweigen ist gegorener Lärm der sanft über seine Trauer fließt und ihn nach der Wahrheit fragt Und ich! In mir ist eine scheue Stimme die ruft:
was oder stirb!
Katia Sophia Ditzler
„Was du gesehen haben wirst“
ich habe Körper gesehen diese Körper haben mit mir gesprochen es war in einem der Winter das Wasser war nicht zugefroren ich würde lieber in einer Wüste desertieren wenigstens waren die Museen alle offen und an drei Tagen die Woche gab es Ballett in der Stadt gab es keine Katzen oder Schwäne mehr manche Körper verschwanden ohne eine Spur vielleicht erinnern sich die Nachbarsmägen an sie denke an alles was ich dir beigebracht habe vergiss was du gesehen hast meine Beine sind biegsam wie Schilf mein Genick ist biegsam wie Leder der Wind bringt die vollkommene Fäulnis ich kontere mit den Zaubersprüchen die das Verderben über das Land bringen bisher habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen wie du siehst habe ich meine Netze ausgeworfen und sollten Granaten vor uns detonieren werden meine Augäpfel vor deinen Füßen landen sie werden nur starren du wirst nicht sehen was sie gesehen haben meine zerberstende Zirbeldrüse wird in deinen aufgerissenen Mund fliegen aber du wirst sie ausspucken bevor sie dir Dinge einflüstern kann die ermatteten Geheimnisse von denen die vorher kamen und nicht lange geblieben sind vielleicht wirst du sie auch runterschlucken wir hätten uns zu anderen Zeiten gebären lassen sollen dir werden bestimmt ein paar Hymnen einfallen du wirst eine Chronik schreiben müssen und ich beneide dich nicht um das was du gesehen haben wirst
Direkt zur Stop-MotionAnimation
Die Stipendiat*innen Lyrik 2023
Ozan Zakariya Keskinkılıç
Ozan Zakariya Keskinkılıç ist Politikwissenschaftler, freier Autor und Lyriker. Mit seinem Gedichtband „Prinzenbad“ im Elif Verlag begeisterte er die Literaturkritik. Er erhielt 2023 ein SchreibZeit-Stipendium der Stiftung Niedersachsen mit dem Schwerpunkt Lyrik.
Katia Sophia Ditzler
Katia Sophia Ditzler arbeitet interdisziplinär zwischen Text, Klang, Video, Performance und digitalen Medien und nutzte ihr SchreibZeit-Stipendium 2023 für die Entwicklung lyrischer Erkundungen in virtuellen Realitäten.
Giorgio Ferretti
Der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller und Lyriker Giorgio Ferretti war 2023 SchreibZeitStipendiat der Stiftung Niedersachsen mit dem Schwerpunkt Lyrik. Neben seiner literarischen Arbeit wirkt er im Verlagskollektiv hochroth Leipzig mit, arbeitet mit dem Schreib- und Performancekollektiv Rhymth und ist in der Redaktion der Literaturzeitschrift Edit. Inana Othman
Inana Othman ist Autorin, Forscherin und Übersetzerin. An der Schnittstelle des PolitischGeschichtlichen, Imaginären und Lyrisch-Körperlichen schreibt und übersetzt sie multi- wie zwischensprachlich, -sinnlich und -medial. 2023 war sie SchreibZeit-Stipendiatin der Stiftung Niedersachsen mit dem Schwerpunkt Lyrik.
HERAUSFORDERUNG EXZELLENZ FÖRDERN
Wozu die Forderung nach Exzellenz in der Förderung der Kunst?
Essay von Oliver Wille
Fotografie: Helge Krückeberg
„ Exzellente Kunst hat die Fähigkeit, starke Emotionen hervorzurufen und eine tiefere Verbindung zum Betrachter herzustellen. Sie spricht oft universelle Themen an und regt zum Nachdenken an. Exzellente Kunst reflektiert oft die Zeit, in der sie geschaffen wurde, und kann gesellschaftliche, politische oder kulturelle Themen ansprechen. Sie hat die Fähigkeit, Diskussionen anzuregen und Veränderungen zu inspirieren.“
Diese Zusammenfassung berührt viele Aspekte der mir gestellten Frage, allerdings in der für unsere Zeit typischen Oberflächlichkeit. Kein Wunder: Sie stammt von ChatGPT. Trifft sie auch den Kern der Kunst, auch in Zeiten von KI von Menschen für Menschen gemacht?
Nach meiner Beobachtung haben wir mit unserem Erkenntnisvermögen zwei Möglichkeiten, der Welt zu begegnen. Einerseits über den Intellekt, in Begriffen, Erklärungen und Vorstellungen; andererseits über das, was wir Intuition nennen, auch über unsere Sinnesorgane. Musik braucht beides, vor allem regt sie Letzteres an. Insofern ist es aus meiner Sicht überdeutlich, wie unverzichtbar diese Kunst für unser Leben ist. Und das geht entschieden weiter als das bloße Hervorrufen von Emotionen. Die Musik, die meine Kunst ist, öffnet geistige Horizonte, irritiert zuweilen und aktiviert in uns Antennen, „hörend“ zu beobachten.
Was hat das nun mit Exzellenz zu tun?
Bestimmt gibt es keine Perfektion in der Kunst, zumindest wäre das per se gegen die Kunst. Aber es gibt ein Streben danach, einem Ideal näher zu kommen. Mitunter treffen wir Menschen, die diese Veranlagung zu verkörpern scheinen. Wir brauchen diese Vorbilder, die wir bewundern, denen wir nacheifern, die wir auch heroisieren. Erst ein höchster Standard an handwerklichem Vermögen öffnet die Tore zum schwersten unserer Instrumente, zur Musik. Wie kommt man dahin?
Wir alle kennen „geniale“ Momente, bei denen alles zu klappen scheint, alle Dinge im rechten Zeitpunkt zusammenfallen und gelingen. Die gibt es in der Musik auch, selten, meist nach unzähligen gescheiterten Versuchen, nach den berühmten 10.000 Stunden des Übens. Exzellenz hat also mit Arbeit zu tun, mit Dranbleiben, mit im richtigen Augenblick das Jetzt geschehen zu lassen. Wie ein Hund beim Aufspüren des Lieblingsknochens folgen wir einer selbst gelegten Spur, die uns in diese kurze Zeitlosigkeit führen kann. Es sind Erfahrungen von Gelingen, die wahrgenommen und im Bewusstsein verankert werden müssen. Für diese Momente leben wir, sie bereichern uns nachhaltig.
Kann man das alles allein, von sich aus schaffen? Wohl nicht. Es bedarf Unterstützung. Da sind zum Beispiel die Lehrer, die helfen und die Exzellenz vorleben. Sie zeigen Wege, versuchen Anhöhe zum Fliegen zu verschaffen, die Kerze zum Brennen zu bringen, das Unkraut im Garten zu beseitigen, damit die Pflanze gedeihen kann. Es gibt viele schöne Bilder, die eine ideale Förderung veranschaulichen können.
Exzellenz im Elfenbeinturm?
Für talentierte Musikerinnen und Musiker gibt es Hochschulen, an denen man offenbar Kunst lernen kann, die sich auf die Fahnen schreiben, Exzellenz zu fördern. Wie geht das? Zuerst denke ich, muss man verstehen, dass künstlerische Exzellenz kein Merkmal des Elfenbeinturms ist. Sie ist vielmehr Bedingung für Vielfalt und Breite. Denn, um das oft herangezogene Beispiel aus dem Sport zu bemühen: Ohne Bundesliga keine Regionalvereine – nicht nur umgekehrt!
Angeblich befindet sich die klassische Musik seit Jahren in einer tiefen Krise. Obwohl die Zahlen auch das Gegenteil zeigen – beispielsweise gab es nie so viele Konzertveranstaltungen wie heute –, ist die Finanzierung von Festivals und klassischen Reihen in Konzerthäusern gefährdet. Neue Formate sollen Abhilfe schaffen, Barrieren abbauen und das Volk in die Klassiktempel locken. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Das ist gut und richtig! Ich selbst sehe mich als Motor neuer Konzepte. Tradition braucht Innovation, um zu überleben. Die Frage ist nur, wer gestaltet diese Formate? Wie stehen sie zum traditionellen Angebot, als Ergänzung – oder
als Ersatz? Mir scheint es unerlässlich, dass diejenigen, die Exzellenz auf den Bühnen leben (auch wenn sie sich diese auf „konservativem Wege“ erarbeitet haben), die Verantwortung für die Gestaltung neuer Konzeptionen – und somit auch für das zukünftige Kulturleben – übernehmen.
Exzellenz hat also mit Nachhaltigkeit zu tun
Zurück zur Musikhochschule. An solchen Institutionen studieren junge Menschen, die einen Traum haben. Sie kommen aus aller Welt, nachdem sie eine anspruchsvolle Eignungsprüfung bestanden haben, um in einer Gemeinschaft mit Gleichgesinnten – jedoch immer auch im Einzelkämpfermodus! – diesen Traum zu verwirklichen. Und wie das so ist
mit Träumen, das Aufwachen kann verwunderlich sein. Für die einen wird es zum Realitätsschock, für die anderen eine Chance, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Gradlinig dürfte es niemals verlaufen. Wenn wir diese Herausforderung meistern, individuelle Biografien zu begleiten und intensiv zu betreuen, werden die entfachten Feuer lange brennen können. Das bedarf unermüdlicher Arbeit, Einfordern von Qualität, Flexibilität, größte Offenheit für Neues und ein Gründen von Sendungsbewusstsein. Der Exzellenzanspruch ist dabei fundamental, denn nur mit Exzellenz können verhüllte Saiten in uns zum Schwingen gebracht, Unverständliches vertraut werden und Staunen eine gewisse Magie auslösen. Schon Goethe schreibt über das Anhören der unübertroffenen Werke
von Joseph Haydn, dass er dabei „die unwillkürliche Neigung empfand, etwas Gutes zu tun“. Es kann unserer Gesellschaft nichts Besseres passieren, als dass diese Empfindung ansteckend wird.
Wir aber verstricken uns eher in Klagen: über den fehlenden Nachwuchs, vor allem über die fehlenden Musiklehrenden für unsere Kinder. Die Reaktion auf dieses Klagen ist schlicht fatal. In diversen pädagogischen Foren und Netzwerken will man vermeintliche Barrieren abbauen, bezichtigt das Bewahren von Tradition an den Musikhochschulen als eurozentristisch, diagnostiziert Angst vor Leistungsansprüchen als Grund für leere Studienplätze im Lehramt und will zukünftig sogar die Eignungsprüfungen abschaffen. Für die Institution der Musikhochschule wäre das der sichere Tod und es ist mehr als zweifelhaft, dass dadurch das Problem des Nachwuchses auch nur ansatzweise lösbar wird. Solche Bemühungen haben jedenfalls bislang nicht zur heraufbeschworenen Trendwende geführt. Verengung von Studiengängen und das Überstülpen politisch motivierter Denominationen auf Professuren lassen Studierendenzahlen in den entsprechenden Bereichen eher zurückgehen. Mir scheint, dass Nebenschauplätze, AwarenessCommitees und falsch verstandene Augenhöhe von der wichtigen Frage ablenken sollen, ob wir eigentlich noch gut genug sind, um Anziehungspunkt für (schul)musikalische Bildung zu sein.
Wollen junge Leute wirklich nicht gefordert werden, streben nicht alle, die von Kindheit an mühevoll ein Instrument gelernt haben, insgeheim nach Exzellenz?
Die gutgemeinte Schwellensenkung der sogenannten barrierefreien Musikvermittlung füttert meiner Meinung nach eher die von Helmut Lachenmann attestierte fortschreitende „Volksverblödung“. Man richtet sich ein im regelbasierten Mittelmaß und fordert reflexhaft Wertschätzung.
Das geht mir gehörig auf die Nerven, denn es muss so nicht sein. Es gibt andere Initiativen, bei denen diejenigen, die Exzellenz verkörpern, selbst Verantwortung übernehmen und ihre Sache mit aller Leidenschaft und Vehemenz vermitteln.
Mehr erfahren über den Joseph Joachim Violinwettbewerb unter
Exzellenz ist Herausforderung
Der internationale Joseph Joachim Violinwettbewerb ist ein Paradebeispiel. Die besten Violinistinnen und Violinisten der nächsten Generation kommen nach Hannover. Unter ihnen werden keine Zirkusathleten gesucht, sondern Musiker, die uns berühren, die etwas anstoßen können, die die Kraft und Persönlichkeit besitzen, das Musikleben der Zukunft zu gestalten. Also versuchen wir, durch die vielseitige Zusammenstellung des Programms auch hier Fähigkeiten herauszukitzeln, die sich nicht allein auf das Handwerkliche beschränken, obwohl allein das schon schwierig genug ist. Wir suchen Typen, die uns etwas Neues erzählen, die sich demütig den großen Kompositionen widmen, ihnen aber auch einen eigenen Ausdruck verleihen. Vermittler, die mit der Geige in der Hand eine unmittelbare Aussage treffen, ungeschützt und doch geheim. Sie sollen Podien erobern, inmitten und fernab der etablierten Konzertsäle, sie können ihre Persönlichkeit entfalten, in Hannover und danach überall.
Mir fällt kein Beispiel in der Kunst ein, wo Angepasstheit Bleibendes hinterlassen hat. Wir müssen uns mehr zutrauen, weiterhin Ecken und Kanten wagen, mit offenem Herzen auf diejenigen zugehen, die nicht von allein zu uns kommen. Dabei muss es erlaubt sein, zu werten, sich aneinander aufzureiben und Kritik zu üben. Denn daran wachsen wir.
Ja, die klassische Musik muss sich verändern. Das hat sie immer getan, sich gewandelt, geöffnet und erneuert, stets aus einem inneren Qualitätsanspruch, einem Exzellenzdenken heraus. Was wir als Avantgarde in der Musik bezeichnen, hat immer mit kreativer Energie ins Gewohnte eingegriffen und irritierend oder befreiend Erlebnisse mit allen Sinnen ermöglicht. Diese Kunst will niemanden „abholen“, nicht gefallen und im Ursprung auch keine Einschaltquoten generieren. Aber sie lädt ein, das Abenteuer Musik ganzheitlich zu erleben und alles, was daraus folgt, zu entdecken.
Dieses Erlebnis in aller Vielfalt auch zukünftig zu ermöglichen, wird Aufgabe der kommenden Generationen sein. Eine Herausforderung, der sich alle Seiten stellen müssen. Ohne Vertrauen in Exzellenz, ohne Offenheit für Wandel, aber auch ohne Unterstützung wird es nicht gehen. Oder wie die chattende KI-Stimme aus meinem Computer meinte:
„ Indem wir eine Kultur schaffen, die Exzellenz wertschätzt und unterstützt, legen wir den Grundstein für eine bessere Zukunft für alle.“
Oliver Wille ist seit 2011 Professor für Streicherkammermusik an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) und leitet u. a. eine international erfolgreiche Quartettklasse, zudem ist er Beauftragter für Kunst der Hochschule. Als Gründungsmitglied des innovativen, gefeierten Kuss Quartetts definiert er die Kammermusik bereits seit mehr als 30 Jahren mit. Neben einer internationalen Konzerttätigkeit wurde das Kuss Quartett durch neue Konzertformate bekannt. Oliver Wille ist seit 2015 Intendant der Sommerlichen Musiktage Hitzacker. Seit 2019 hat er gemeinsam mit Antje Weithaas die künstlerische Leitung des von der Stiftung Niedersachsen ausgerichteten Joseph Joachim Violinwettbewerbs inne.
Oliver Wille
„Wir möchten berührt werden!“
Der Joseph Joachim Violinwettbewerb bot 2024 nicht nur Talenten an der Violine eine Bühne, sondern auch jungen Filmemacher*innen ab 16 Jahren die Möglichkeit, den Wettbewerb mit der Kamera zu begleiten.
Im Rahmen des Medienworkshops „Showtime“ erstellten sie, angeleitet von den Medienprofis Petra Gute, Friederike Schuchardt, Ben von Essen und Manfred A. Hagbeck, die sehenswerte Filmdokumentation „Wir möchten berührt werden!“.
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HERAUSFORDERUNG FREIE SZENE STÄRKEN
Niedersachsen verfügt über eine starke freie Tanz- und Theaterszene. In Hannover, Braunschweig und Hildesheim befinden sich zudem ausgewiesene Ausbildungsinstitutionen. Dennoch steht die Szene unter Druck – finanziellem Druck. Kreativität, Vielfalt und Spiellust paaren sich mit insolventen Spielstätten, rückläufigen Fördermöglichkeiten und prekären Arbeitsverhältnissen. Wie kann diese freie Szene gestärkt werden?
Mit dem Best OFF richtet die Stiftung Niedersachsen biennal das einzige niedersächsische Festival für das freie Theater aus. Seit der ersten Ausgabe 2011 hat sich das Festival kontinuierlich weiterentwickelt und an die aktuellen Bedarfe angepasst. Anfangs zeigten fünf professionelle Tanz- und Theaterensembles aus dem Kinder-, Jugend- und Erwachsenentheater die besten Inszenierungen Niedersachsens. 2020 wurde das Programm um eine Nachwuchssparte erweitert. Junge Theatermacher*innen, die Best
OFF_trainees, haben seither die Möglichkeit, sich mit einer aktuellen Produktion für das Festival zu bewerben und aufzutreten. Beim Festival 2024 präsentierten sich fünf Inszenierungen aus dem Nachwuchsbereich. Für die Festivalausgabe 2026 wurde der Best OFF_trainee-Bereich auch für Nachwuchschoreograf*innen geöffnet.
Die Festivalsparte der professionellen Ensembles und Kollektive wurden 2020 ebenfalls erweitert und gestärkt. Von 5.000 Euro wurde der Festivalpreis
auf 30.000 Euro angehoben. Er wird nun in Form einer Produktionsförderung für eine Uraufführung, die das nächste Festival eröffnet, an die Best OFF_professionals vergeben. Bereits für die Festivalnominierung erhalten die Ensembles zudem je 10.000 Euro.
Mit diesen Preisgeldern in Höhe von insgesamt 90.000 Euro stärkt die Stiftung die freie Szene maßgeblich und trägt durch das Festival zu mehr Sichtbarkeit bei. Als Plattform für zeitgenössische Produktionen aus Niedersachsen
und Ort für Vernetzung und Austausch der freien Tanz- und Theaterszene ist das Festival Showing und Szenetreff zugleich.
Vom 23. bis 25. April 2026 wird die achte Ausgabe des Best OFF in Hannover stattfinden. Die Ausschreibung läuft. Freuen Sie sich schon jetzt auf einen bunten Mix aus bereits etablierten und jungen Gruppen, auf ungewöhnliche Formate, zeitgenössische Themen und auf kontroverse Diskussionen! Ob zeitgenössischer Tanz, Performance oder
Dokumentar- und Objekttheater, die freie Szene Niedersachsens zeigt spannende Inszenierungen und präsentiert sich beim Best OFF in ihrer Vielfalt.
Mehr erfahren über das Best OFF Festival Freier Theater unter
Interview mit Volker Bürger von Operation Wolf Haul, die das Best OFF 2024 mit der Uraufführung der Produktion STRANDEN eröffneten.
Welche Erfahrung soll euer Publikum bei STRANDEN mitnehmen? Wir beschäftigen uns in STRANDEN mit dem Altern. Was macht uns Angst vor dem Alter? Aber auch: Was bietet das Alter? Wir blenden die letzte Lebensphase ja sehr lange und gekonnt aus. Wenn wir dann aber ins Rentenalter eintreten oder plötzlich gesundheitliche Einbrüche erleben, ist das einschneidend. Es fühlt sich an, als würden wir mit einem Schiff auf Sand laufen. Wir stranden. Dieses Bild, dieses Gefühl wollten wir untersuchen. Dieser Strand, an dem wir auflaufen, der kann ja in der Folge dann auch zu einer Insel werden, die überraschende Erlebnisse und neue Freuden bereithält. Wir haben fünf „Best Ager“ eingeladen, mit uns zu arbeiten, ihre persönlichen Erfahrungen zum Thema Alter in Kurzperformances umzusetzen. Unsere Insel war ein an Patina reiches Sportheim an der Peripherie Hannovers. Und die Reise dorthin, also ins Alter, haben wir stilecht als Butterfahrt mit einem Bus gestaltet. Unser Publikum hat dann sinnbildlich selbst das Stranden erlebt, als der Bus plötzlich wegen eines (behaupteten) Unwetters Nothalt machen musste und wir in das Sportheim „gespült“ wurden. Unsere Insel war nicht einsam – ganz anders, als es die häufige soziale Isolation in unserer Realität und Gesellschaft im Alter mit sich bringt.
Das Meyenfelder Sportheim als Spielort war ein Ort der gemeinschaftlichen Visionen, die unterschiedliche Generationen miteinander teilen konnten. Dort begrüßten uns die „Best Ager“, luden uns ein in ihre Performancewelten. Es ging um Fragen der politischen Teilhabe im Alter, um den Tod und die Einsamkeit im Angesicht des Todes, es ging um Strategien gegen körperliche Gebrechen und um Lebensträume, die nicht aufgegeben worden sein wollen. Wie häufig bei unseren Arbeiten veranstalteten wir am Ende ein gemeinsames Essen, bei dem wir uns austauschten mit unserem Publikum.
Was ist euch an dieser Produktion besonders wichtig?
Wie bei allen unseren Arbeiten interessiert es uns, reale Orte theatral und gestalterisch zu verwandeln, damit sie zu immersiven Begegnungsräumen werden. Dort taucht das Publikum mit uns dann in die Widersprüche des Lebens – hier die Gefühle des Alterns –ein. Für uns bedeutet es das Wunder, dass der theatrale Raum eine einzigartige Magie entwickeln kann, völlig fremde Menschen zusammenzubringen. In dem Gefühl, dass wir die wesentlichen Erfahrungen im Leben doch teilen, dass unsere Bedürfnisse, Konflikte und Ängste überraschend ähnlich sind. Wir kommen einander dann nahe.
Wo fängt bei euch die Rolle an? Das, was wir in unserer mitteleuropäischen Theatertradition Rolle nennen, ist – kulturanthropologisch gesehen –eigentlich ein Ausnahmefall. Theater hat seine eigentliche Bedeutung in gemeinschaftlichen, quasireligiösen Sinnsuchen. Menschen kommen zusammen, veranstalten Rituale, die Wirklichkeiten simulieren, um Widersprüche, die in unserem Leben, unserer Welt existieren, erfahrbar zu machen. Alle Menschen haben das in allen Gesellschaften so getan. Spielt die Person aber, die ein Ritual anleitet, eine Rolle? Spielt die Gemeinde, die dem Ritual beiwohnt, etwas, was wir Rolle nennen könnten? – Nein. Und doch auch ja: Denn sie sind in einer nicht privaten Situation. Sie agieren öffentlich. Und sie befinden sich in einem Raum, der eigentlich nicht real ist. Denn der Raum ist vor allem Übereinkunft, er ist Glaube, Behauptung und Fantasie. Die Handlungen in dem Raum sind nicht wirklichkeitsverändernd. Der Raum will vor allem über sich selbst hinausweisen. Wenn wir in unseren Arbeiten agieren, sind wir auch nicht privat. Ja, wir erzählen von uns, lügen nicht, aber wir nutzen quasi ein performatives, ein künstlerisches Ich, das wir zur Verfügung stellen. Wir sind mit unseren Lebensgeschichten und Erfahrungen, die wir theatral anbieten, quasi Medi-
um, um diese Fragen ans Menschsein anzuregen. Wenn Christine etwa einen Workshop „Fit im Alter“ mit dem Erzählen ihrer Lebensgeschichte verbindet, wenn Juri sich mit dem zwölfjährigen Noah in das Odessa seiner Kindheit zurückbegibt, dann sind das alles wahre Geschichten. Aber die drei agieren als Expert*innen des Alterns und weisen deutlich über sich selbst hinaus.
Was bedeuten Festivals für euch?
Schaufenster, wir werden sichtbar. Anerkennung, unsere Arbeit findet Resonanz. Wachstum, wir sehen andere gute Arbeiten, tauschen uns aus. Und vor allem ganz große Freude. Es ist einfach toll, bei einem Festival wie dem Best OFF dabei zu sein. Wir durften das bislang drei Mal erleben. Es ist eine große Chance, da es in der regionalen Freien Szene ansonsten wenig Mechanismen und Plattformen gibt, um neue Schritte zu machen. Also, um sichtbarer zu werden und zu wachsen und sich in überregionale Kontexte hineinzuentwickeln.
Was sind eure aktuellen Herausforderungen?
Dieses Jahr sind wir mit unserem eingereichten Projekt nicht bei den Förderungen durchgekommen. Es ist uns vielleicht nicht gelungen, das, was wir beabsichtigen, überzeugend zu formulieren. Wir suchen jetzt Strategien, wie wir am Leben bleiben können. Wir wollen unsere Arbeitsweise, unsere Ästhetik, in der wir quasi auf Vollkontakt mit
dem Publikum gehen, und die haben wir ja als Gruppe über Jahre gefunden und entwickelt, weiter erforschen. Wir arbeiten gerade an dem Topos „Familie und Gesetz“, also der Erforschung, wie sich familiäre Beziehungen und Konflikte ausprägen im Verhältnis zu dem, was wir öffentliches Recht nennen. Familiengesetze! Und das wollen wir in einer Kneipe neben dem Amtsgericht tun.
Wir suchen die Besten der Freien aus Niedersachsen für das Best OFF Festival Freier Theater 2026!
Bis zum 20. Oktober 2025 können sich freie niedersächsische Tanz- und Theaterensembles mit einer aktuellen Produktion für einen Auftritt beim nächsten Best OFF Festival Freier Theater im April 2026 im Kulturzentrum Pavillon in Hannover bewerben.
Alle Informationen zur Bewerbung finden Interessierte unter www.festival-best-off.de
Interview mit Zufit Simon, der Preisträgerin des Festivalpreises 2024 für Radical Cheerleading
Ist die Idee von Tanz als Protestform in dieser Inszenierung aufgegangen?
In vielen meiner Stücke gibt es einen kleinen Protest, aber das ist mein erstes Stück explizit zum Thema Protest, weil die Zeit mir dafür reif schien.
Die Idee von Tanz als Protestform ist für mich in dieser Produktion mehr als gelungen, die Reise geht durch Humor, Glanz, Präzision, zu dunklen Szenen, Ironie ist dabei und die Anstrengung von Wiederholung und Notwendigkeit. Die von den Tänzer*innen gerufenen Slogans verändern durch Wiederholungen ihre Bedeutung, es verschiebt sich etwas durch das stete Repetieren.
Bilder und Assoziationen, die kommen und verschwinden. Das Stück zeigt alle möglichen Facetten.
Wie waren die Reaktionen des Publikums?
Die Publikumsreaktionen zu den Vorstellungen sind meist sehr positiv. Viele schildern, dass sie beeindruckt sind. Egal ob jung oder alt, egal, welchen Geschlechts oder welcher Herkunft, egal ob wir im Stadttheater gespielt haben oder im freien Theater, die Menschen waren berührt, es hat sie mitgenommen, sie hatten das Bedürfnis, ihre Eindrücke mit uns zu teilen. Durch die Beleuchtungssituation mit den vertikalen Neonröhren im Hintergrund sind nicht nur die Darsteller*innen im
Licht, sondern auch das Publikum. Wir können alle Gesichter sehen, ihre Reaktionen an verschiedenen Stellen. Das verstärkt, was wir tun.
Was bedeutet Nacktheit heute auf der Bühne?
Nacktheit auf der Bühne ist nichts Neues! Der Kontext ist entscheidend. In meiner künstlerischen Arbeit steht der Körper im Vordergrund. Alle Aspekte wie Tanz, Licht, Kostüm, Bühnenbild und Musik sind wichtig und kreieren zusammen ein Gesamtbild. Aber der Körper steht immer da und bietet so viel an. Der gesamte Körper mit allen Körperteilen, der Haut, Mimik, Stimme und Atem können sich formieren, deformieren, herausfordern, hinterfragen und Nacktheit gehört dazu. Mir ist wichtig, den Körper, Tanz und Nacktheit nicht als etwas Schönes, Ästhetisches oder sexy zu zeigen, ich möchte das Publikum herausfordern und eine Wirkung erzeugen, die über das Visuelle hinausgeht.
Was hat der Gewinn des Festivals Best OFF für Sie bedeutet?
Über den Preis des Festivals Best OFF habe ich mich sehr gefreut! Seit mehreren Jahren bin ich in Niedersachsen tätig, der Preis bedeutet für mich Anerkennung für meine künstlerische Arbeit und darüber hinaus. Die Auszeichnung der Produktion „Radical Cheerleading“ in der jetzigen Zeit ist für mich ein Zeichen, wie wichtig es ist,
unsere Körper, Stimmen und Bewegungen zu benutzen, um herausfordern, zu hinterfragen und zu protestieren. Unsere Teamzusammensetzung ist international und sehr divers, der Festivalpreis bedeutet für mich auch, dass Vielfalt und Heterogenität eine Qualität sind, die so gewürdigt wird. Zudem ist es ein Ausblick in die Zukunft mit der Produktionsförderung, das nächste Best OFF Festival 2026 eröffnen zu können. Das macht Mut und bedeutet in Zeiten der Kürzungen in Kunst und Kultur ein Versprechen.
Wie sehen Sie die Entwicklungen der niedersächsischen Tanzszene? In Niedersachsen waren die artblau Tanzwerkstatt in Braunschweig und das dortige LOT-Theater wesentliche Produktions- und Distributionsorte. Dort habe ich meine Arbeiten entwickelt und sehr häufig uraufgeführt. Der Wegfall (durch Nichtförderung oder Insolvenz) dieser nicht nur für mich, sondern für die gesamte freie Szene wichtigen Infrastruktur bedeutet einen herben Verlust an Planungssicherheit und Unterstützung. Von daher kann ich diese Entwicklung nicht wirklich begrüßen.
HERAUSFORDERUNG DIVERSITÄT SICHTBAR MACHEN
In einer Welt, in der kulturelle Diversität zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der Studiengang „musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung“ ein Baustein, um auf die Herausforderungen der Zeit zu antworten und sie aktiv zu gestalten. 2011 nach einer umfangreichen Recherchephase an der Stiftung Universität Hildesheim als Weiterbildungsstudiengang implementiert und akkreditiert, ist er am Center for World Music angesiedelt. Das Center ist heute ein musikethnologisches Forschungszentrum, in dem an der Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes gearbeitet wird.
Die Teilnahme an dem viersemestrigen Studiengang bietet für viele Musiker*innen mit Abschlüssen anderer Länder europaweit eine einzigartige Möglichkeit, mit ihren Qualifikationen zu studieren und den akademischen
Grad „Master of Arts“ oder ein Zertifikat zu erhalten. Für Studierende deutscher Herkunft bietet der Studiengang die Möglichkeit, völlig neue musikalische Inhalte und musikethnologische Kenntnisse zu erlernen und diese für ihre Arbeit zu nutzen. Die kulturelle Vielfalt bei der Gruppenzusammenstellung im Studiengang ist ein wesentlicher Schlüssel, der sich an den Zielen der Konvention orientiert und zum Gelingen des Studiengangs beiträgt. Musiker*innen aus bis zu 20 Herkunftsländern pro Gruppe, aus verschiedenen beruflichen Kontexten, wohnhaft im gesamten Bundesgebiet und unterschiedlichen Alters, lernen gemeinsam von- und miteinander. Das Studieren in der heterogenen Gruppe und der dadurch mögliche Austausch der unterschiedlichen Perspektiven auf fachliche, wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Themen hat sich für alle Teilnehmer*innen als nachhaltig bereichernd erwiesen.
Der Studiengang ist darauf ausgelegt, nicht nur Fachwissen zu vermitteln, sondern die vielfältigen Formen der Musik, die unterschiedlichen Instrumente, die damit verbundene Rituale und deren Vermittlung als gleichwertiger Teil einer diversen Gesellschaft zu begreifen und Wissen darüber zu verbreiten.
Musik wird als kraftvolles Mittel verstanden, das den Dialog zwischen Kulturen fördert und Verständnis schafft – respektvoll und wertschätzend.
Über 140 Alumni stärken das musik.welt-Netzwerk und tragen ihre Kenntnisse in vielfältige Berufsfelder von der Musikschule bis in die soziale Arbeit. Zugleich wird ihre Expertise in vielen Institutionen, bei Festivals und in Konzerthäusern kooperativ eingesetzt, um den Wandel der Gesellschaft in der musikalischen Kultur sichtbarer zu machen.
Wir stellen Ihnen 20 Alumni des Studiengangs und die Wünsche, die sie mit dem Studium verbanden, vor.
Instrument:
Daf
„Ich wünsche mir, durch Musik Räume zu schaffen, in denen Gemeinschaft entsteht, Heilung möglich wird und insbesondere Frauen die Kraft finden, ihre Stimmen zu erheben. Musik ist für mich mehr als Klang. Sie ist Ausdruck, Widerstand und ein Weg, um Unaussprechliches hörbar zu machen. Ich hoffe, weiter durch rhythmische Arbeit Bewusstsein zu schaffen, Menschen zu verbinden und zur Stärkung und Selbstermächtigung beizutragen, besonders für jene, die zu oft überhört werden.“
Instrument: Stimme, Tambur
„Ich möchte weiterhin nach Wegen suchen, um – durch die Musik – über mich selbst und über die Themen, die mich im Alltag beschäftigen, nachzudenken. Und ich will Formen finden, diese Art von Erfahrungen mit dem Publikum zu teilen. Ich möchte mehr über die Tradition des Tamburs lernen und neue Musik mit diesem Instrument schaffen. Ich möchte den Zuhörer*innen die Möglichkeit bieten, die Musik in einem Konzert mitzugestalten. Ich möchte Konzert- und Gesprächsräume ermöglichen, um uns als die Migrationsgesellschaft, die wir sind, zu verstehen und kennenzulernen sowie gemeinsam neu zu überlegen, wie wir in ihr leben wollen.“
Instrument: Nyckelharpa, Daf
„Für meine musikalische Zukunft wünsche ich mir, junge Musiker*innen als MusikMentorin und Organisatorin bei Ethno Musik Camps zu fördern. Ethno ist mehr als Musik – es verbindet Kulturen, schafft Freundschaften und öffnet neue Welten. Ich möchte noch Vielen diese Erfahrung ermöglichen. Zudem träume ich davon, noch mehr mit meinen Bandprojekten, wie Folk My Life und neuen Formationen, zu touren und die Kraft der Musik überall spürbar zu machen.“
Instrument: Oud
„Mit meiner Musik und meinem Instrument, der Oud – einer arabischen Laute, die ich in meiner Heimatstadt Bagdad erlernt habe – möchte ich eine Brücke zwischen arabischer und europäischer Musik schlagen. Mein Ziel ist es, diese Klangwelt in Deutschland und Europa bekannter zu machen und Menschen unterschiedlicher Kulturen durch die universelle Sprache der Musik zu verbinden. Ich wünsche mir, dass meine Musik zu Frieden und Völkerverständigung beiträgt und mehr Menschen zusammenführt.“
Kimia Bani
Beatriz Elena Martinez
Blanche Marguerite Saif Alkayyat
Till Menzer
Instrument:
Schlagzeug
„Musik hat eine unerschöpfliche transformierende Kraft. In ihr steckt die Möglichkeit, sich ständig weiterzuentwickeln und dass Menschen zueinander finden. Auch, wenn die Zeiten für die Kulturbranche und Musiker*innen gerade unfassbar schwer sind, glaube ich daran, dass Musik schon immer dafür einstand, Gesellschaften zu bilden und Hoffnung zu geben.“
Instrument:
Bandura
„Ich möchte mit Musiker*innen aus verschiedenen Ländern zusammenarbeiten, um meinen Horizont zu erweitern, meine Kreativität zu bereichern und die ukrainische Kultur durch Musik zu fördern.“
Tarek Charbel
Instrument: Oud
„Ich wünsche mir eine erfolgreiche Karriere als tourender Musiker, in der ich meine Musik mit der Welt teile, Menschen berühre und meine Klänge auf großen und kleinen Bühnen zum Leben erwecke. Gleichzeitig möchte ich meine musikwissenschaftliche Forschung vertiefen, insbesondere zur orientalischen und kurdischen Musik, und mein Wissen durch Veröffentlichungen und Lehrformate weitergeben.“
Instrument:
Gesang, Klavier
„Zukunft wird immer schwerer vorstellbar. Ich wünsche mir, dass uns die Musik, die uns ganz in der Gegenwart sein lässt, wieder Mut zur Perspektive gibt.“
Abdalhade Deb Marion
Grünberg-Schröter
Instrument: Oud
„Ich träume davon, meine Musik mit der Welt zu teilen, auf großen und kleinen Bühnen zu stehen und Menschen mit meinen Klängen zu berühren. Ich wünsche mir, dass meine Musik mehr Gehör findet und ihren Platz in der Musikwelt einnimmt. Zudem ist es mein Ziel, mein erstes Album bald fertig gemischt und gemastert in den Händen zu halten und es mit voller Leidenschaft zu veröffentlichen.“
Instrument: Oud
„Ich möchte meine Fähigkeiten weiterentwickeln, mit talentierten Musiker*innen zusammenarbeiten und die Schönheit der orientalischen Musik einem größeren Publikum näherbringen.“
Instrument: Klangwerkzeuge vieler Art
„Ich wünsche mir für meine Zukunft, transkulturelle Musikprojekte mit Kindern zu gestalten und in Weiterbildungen Elementarpädagog*innen zu ermutigen, ihre eigenen Ressourcen und die ihrer Mitmenschen kreativ und transkulturell einzusetzen.“
Instrument: Geige, Klavier
„Mein Ziel ist es, eine Brücke zwischen Ost und West zu schlagen und durch Musik Vorurteile und Missverständnisse zu klären und abzubauen.“
Anna Sonyk Martin Mutschler Ammar Alkhalidi Gonca Tabrizi
Instrument: Baglama, Duduk
„Musik ist Identität. Auch ist sie das wichtigste Medium, um diverse Identitäten zusammenzubringen und in Harmonie zu leben. Dies sollte von den Entscheidungsträger*innen nicht übergangen werden.“
Instrument: Bouzouki
„Ich wünsche mir eine vielfältige, kreative Welt voller leidenschaftlicher Kollaborationen mit inspirierenden Menschen, die Freude am kontinuierlichen Lernen, Komponieren und Teilen sowie finanzielle Unabhängigkeit.“
Instrument: Kanun
„Ich wünsche mir, meine Technik und Musikalität stetig weiterzuentwickeln, meinen eigenen Klang zu finden und mit Künstler*innen aus aller Welt zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig möchte ich mit meiner Musik reisen, neue Kulturen entdecken und Menschen über Grenzen hinweg verbinden.“
Instrument: Kontrabass
„Ich wünsche mir für mich und meine Musik, dass sie einen Beitrag für Verständigung und Frieden leistet.“
Instrument: Handpan
„Ich wünsche mir, dass sich die vielfältigen Einflüsse meines Studiums bestmöglich in mir entfalten und in meinen beiden Bands hörbar werden.“
Instrument: Akkordeon
„Musik ist für mich etwas Soziales und Emotionales. Ich wünsche mir, durch Musik Begegnung, Achtsamkeit und Solidarität in der Gesellschaft zu fördern.“
Instrument: Bilûr, Fuduk, Ney
„Ich möchte intensiver zur orientalischen und kurdischen Musik forschen und mein erworbenes Wissen sowie meine Techniken durch Workshops, Bücher, Seminare und andere Formate weitergeben.“
Instrument: Baglama, Klarinette
„Ich wünsche mir, eine Doktorarbeit über kurdische Hochzeitsmusik zu schreiben und mehr Musik in Deutschland zu spielen.“
Hasan Hüseyin Talaz
Cedrik Berner
Dima Dawood
Ronas Sheikhmous
Carlos Martinez
Philipp Standera Sofia Meleleo
Renas Ibrahim
BEWILLIGTE PROJEKTE 2024
20. Morgenland Festival Osnabrück 2024
Morgenland Festival Osnabrück e. V. 120.000 €
33. Internationale Fredener Musiktage 2024
Internationale Fredener Musiktage e. V. 16.000 €
Ausstellung Christina Paetsch und Stefan Fahrnländer Westwendischer Kunstverein e. V. 7.400 €
Theaterproduktion „HOTEL LUNIK“ Eisenbahntheater über WestTourismus
Lesereihe „Was uns bewegt 2024“ Literaturbüro Lüneburg e. V. 6.000 €
21. Internationales Fest der Puppen Theaterpädagogisches Zentrum der Emsländischen Landschaft e. V. Lingen 10.000 €
Theaterproduktion „SO TUN – Eine Szenarioarbeit zu Kriegshandlungen“ VOLL:MILCH GbR Hildesheim 7.500 €
Soziokulturelles Projekt „Hand, Herz* und Werk – eine queerfeministische Liebeserklärung an das Handwerk“ SK Freie Szene e. V. Hannover 5.000 €
Konzerte „premiere_für_zwei“ junge norddeutsche philharmonie e. V. 10.000 €
Konzertreihe „JazzohneGleichen 2024 – Let’s unite in Jazz!“ Kulturverein Rittmarshausen e. V. 9.000 €
Ausstellung „Anna Ehrenstein“
Städtische Galerie Nordhorn
10.000 €
Tagung „Außenseiter:innen. Literarische Inszenierungen sozialer Exklusion von der Aufklärung bis zur Gegenwart“
Deutsches Seminar der Leibniz Universität Hannover
5.500 €
Pop-up-Konzerte im Kunstmuseum
Wolfsburg
Musik für heute e. V.
9.000 €
lovebird.s – ein Musiktheater nach „Ich lieb Dich“ von Kristo Šagor trio.s Hannover
10.000 €
Gruppenausstellung „WELTEN WANDELN“
Kunstverein Göttingen e. V.
10.000 €
Theaterproduktion „WILDWECHSEL“
Theater fensterzurstadt Hannover
8.000 €
Musikprogramm beim SNNTG Festival 2024
SNNTG e. V. Hannover
8.000 €
Tanztheaterproduktion „TRAUM“
Theaterwerkstatt Hannover
10.000 €
Festival CAPAS 2024 – Zeitgenössische asiatische darstellende Künste in Göttingen
Ying Ming Theater
10.000 €
40. Musikalischer Sommer in Ostfriesland 2024
Musikalischer Sommer in Ostfriesland gGmbH
10.000 €
Geschichte(n) des Ankommens –modulare Ausstellung zur Migration
Museum Nienburg
30.000 €
Argenore – eine Oper auf die Erosion des Patriarchats
Freunde und Förderer des Göttinger
Barockorchesters e. V.
10.000 €
Klassik am Meer 2024
Klassik am Meer e. V. Wilhelmshaven
12.000 €
Forschungs- und Ausstellungsprojekt „Sportstätten als Erinnerungsorte“ Oldenburgische Landschaft
50.000 €
Ausstellung „künstlich“
Kunstverein Wolfsburg e. V. 10.000 €
Zuschuss für den Förderkreis der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover Förderkreis der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover e. V. 5.400 €
Ausstellung „Zukunft Bauen“ Museum Industriekultur Osnabrück gGmbH
40.000 €
Schaumburger Schlosskonzerte Kulturverein Bückeburg e. V. 10.000 €
Theaterproduktion „Moby Dick“ – Wiederaufnahme
Freie Bühne Wendland GbR Jameln 10.000 €
Erweiterung der Dauerausstellung des Emsland Moormuseums
Emsland Moormuseum e. V. Groß Hesepe 50.000 €
Lesungen Sachbuchreihe Klartext 2024/2025 Literaturhaus Hannover e. V. 10.000 €
Vortrags- und Workshopreihe „Photography.Talks“ Goethe EXIL/KOMPLEX e. V. Hannover 9.000 €
Zwei Vorträge von Hanjo Kesting Literaturbüro Westniedersachsen Osnabrück 8.200 €
Fachtagung „LAND.KULTUR.POLITIK“
Stiftung Universität Hildesheim 7.700 €
Konzertreihe „INGAH – Sechs Positionen junger Komponist*innen aus dem Iran und Deutschland“ multiphon e. V. Hannover
10.000 €
„Dark Ride“ – Konzerte 2024 Orchester im Treppenhaus/Akademie für lebendige Musik e. V. Hannover 9.900 €
Ausstellung „In Gras und Blüten, summen Bienen – Wilhelm Busch und die Imkerei“
Museumslandschaft Wilhelm Busch Wiedensahl 8.000 €
Theaterproduktion „20.000 Meilen unter dem Meer“
Trägerverein Theater Lazarett Aurich 7.000 €
Cross-Media-Ausstellung „die zeit sieben: ich handele mit geistigen gütern, titzii titzii bäh – Bettina Meyer“ Galerie BOHAI e. V. Hannover 10.000 €
Theaterproduktion „Rex Osterwald“ Theater Grand Guignol GbR Braunschweig 15.000 €
Ausstellung „Thomas Rentmeister: d23“
Sprengel Museum Hannover 5.000 €
Lesereihe „Literaturhochhaus 2024.2025“
Förderkreis Literarischer Salon e. V. Hannover 16.000 €
Ausstellungsprojekt „Maoni ya Amani – Tansanische Objekte“ Museumsverein Stade e. V. 30.000 €
Experimentelles Musiktheater „Wunschkind 4D“ boat people projekt e. V. Göttingen 25.000 €
Ausstellung Cosima von Bonin Kunstverein Jesteburg e. V. 12.000 €
Doppelausstellung „Fun Design“ und „Nachhaltigkeit im Design“ Museum August Kestner Hannover 45.000 €
Performative Konzerte „Im relativen Jetzt oder: das Ich – eine Delle in der Raumzeit?“ musica assoluta gemeinnützige UG Hannover 15.000 €
Bewahrung und Verbreitung der Wissensbestände zum jüdischen Leben im ländlichen Raum Israel Jacobson Netzwerk für jüdische Kultur und Geschichte e. V. Braunschweig 66.000 €
16. Internationale Tanztage 2025 Oldenburgisches Staatstheater 20.000 €
Dauerausstellung „Ägypten in Hildesheim“
Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim 150.000 €
Konzertreihe „Klangfenster in der hase29“
Gesellschaft für zeitgenössische Kunst Osnabrück e. V. 15.000 €
Theaterproduktion „Mutterherz – Kinder bewahren all unsere Tränen“ – Wiederaufnahme Schauspielkollektiv – Neues Schauspiel Lüneburg 20.000 €
Tanzbegegnungen „FOR REAL EDITION #2“ im Rahmen des Festivals REAL DANCE
Lesereihe „Was uns bewegt 2025“ Literaturbüro Lüneburg e. V. 7.000 €
80. Sommerliche Musiktage Hitzacker 2025
Gesellschaft der Freunde der Sommerlichen Musiktage Hitzacker e. V. 30.000 €
Ausstellung „Jack O’Brien“ Kestner Gesellschaft e. V. Hannover
30.000 €
WIRTSCHAFTLICHE
UND RECHTLICHE DATEN
Die Stiftung Niedersachsen wurde 1987 als Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Hannover gegründet. Sie fördert Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft in Niedersachsen und trägt mit der Unterstützung von Projekten Dritter und eigenen Programmen zur Entwicklung des Landes im Interesse des Gemeinwohls bei.
Zum 31. Dezember 2024 betrug das Stiftungskapital 58,1 Millionen Euro. Es ist im Wesentlichen in festverzinslichen Wertpapieren, Aktien und Alternative Investments angelegt. Seit 2020 richtet die Stiftung ihre gesamte Kapitalanlage an Nachhaltigkeitskriterien aus und nimmt so ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung auch im Bereich Vermögensmanagement wahr.
Neben den Erträgen aus ihrem Vermögen in Höhe von 1,9 Millionen Euro partizipierte die Stiftung 2024 gemäß dem Niedersächsischen Glücksspielgesetz in Höhe von 5,7 Millionen Euro an der Glücksspielabgabe.
GREMIEN DER
Seit ihrer Gründung hat die Stiftung 4.200 Projekte mit 135 Millionen Euro gefördert. 2024 wurden 5,8 Millionen Euro für Förderzwecke ausgeschüttet.
Gemäß ihrer Satzung verwaltet die Stiftung Zuwendungen, die mit einer besonderen Zwecksetzung versehen sind. Durch die Übernahme solcher treuhänderischer Stiftungen unterstützt sie mit ihren Erfahrungen privates auf Gemeinwohl bezogenes Engagement. Mit der Konrad Liebmann-Stiftung, die ein umfangreiches Dürer-Konvolut umfasst, und der Richard und Dietrich Moderhack-Stiftung, die die Forschung zur niedersächsischen Landesgeschichte fördert, befinden sich zwei treuhänderische Unterstiftungen in der Obhut der Stiftung Niedersachsen.
Im Eigentum der Stiftung befinden sich auch Kunstwerke im Wert von 8,1 Millionen Euro, die als Dauerleihgaben die Sammlungen und Arbeit von Museen, Bibliotheken oder Hochschulen stärken. Zusätzlich verleiht die Stiftung fünf hochwertige Streichinstrumente als Stipendien an begabte Student*innen der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.
STIFTUNG NIEDERSACHSEN 2024
Präsident
Dr. Gunter Dunkel
Generalsekretärin
Lavinia Francke
Verwaltungsrat
Dr. Gunter Dunkel, Präsident
Prof. Dr. Metin Tolan, Vizepräsident
Jörg Waskönig, Schatzmeister
Senat
Stefan Becker
Maike Bielfeldt
Heinz-Günter Bongartz
Dr. Gunter Dunkel
Corinna Fischer
Lavinia Francke
Kirsten Gerberding
Anke van Hove
Dr. Thomas Köhler
Dr. Christoph Meyns
Falko Mohrs
Belit Onay
Prof. Dr. Susanne Pfleger
Dr. Immo Querner
Monika Schnetkamp
Prof. Dr. Metin Tolan
Prof. Dr. Thomas Vogtherr
Jörg Waskönig
2024 aus dem Senat ausgeschieden:
Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu
GESCHÄFTSSTELLE DER STIFTUNG NIEDERSACHSEN
Lavinia Francke | Generalsekretärin
Angela Bošnjak | Stiftungssekretariat
Dr. Gesa Schönermark | Musik, Literatur, Wissenschaft und Bildung
Daniela Koß | Theater und Soziokultur
Amke Wollers | Kunst und Museen
Katharina Nitsch | Presse und Kommunikation
Sandra Hoffmann | Projektleitung Joseph Joachim Violinwettbewerb