PORTFOLIO Jennifer Mattes
INDEX (2007 -2022) CV// AUSSTELLUNGEN// SCREENINGS// JENNIFER MATTES BARS VON ATLANTIS Kunsthaus Graz magicflight.kuss BIX Fassade, Kunsthaus Graz TRAILER DIAGONALE `20 Diagonale ` 20 / `21 WRECKAGE TAKES A HOLIDAY (2019) Bester Innovativer Film 2019_Diagonale Graz ATLANTIS MON AMOUR (2019) ORF, Arte und Bundeskanzleramt Österreich SEA YOU BYE THE SEA (2017)_XHIBIT, Akademie der bildenden Künste Wien STATE OF STAGE (RELOAD) (2017)_Staatliche Kunshalle Baden-Baden TIME TO STAY GOODBYE - THE CASE (2016)_Kunsthalle Exnergasse, Wien A DIVE, Part 1 & Part 2 (2016))_aDa, Wien TRADING STORIES A Cargo Named Desire (2015) sixpackfilm VIERTEL NACH EDEN (2014)_Birgit Jürgenssen Preis 2014 STATE OF STAGE (2013) _Birgit Jürgenssen Preis 2014 Hello World! (travelling in progress) (2012) Deviation List - To Happyend Unhappy Tutorial (2010) Dokfest Kassel No Titel (2010) M.ANY (2009) Blind Couple (2008) Travel Diary (2008)_1. Preis, Agitas Arts Sponsorship, Kunsthalle Wien, Die Angewandte XXXX (2007)
EXHIBITIONS// SCREENINGS// AUSWAHL
CV//
2021 Jennifer Mattes (*1982 in Stuttgart)
www.jennifermattes.com
2020
Lebt in Wien
Bars von Atlantis, Kunsthaus Graz (SOLO) UPCOMING 22/23: Die Namenlose, Theaterproduktion (Werk X Petersplatz) Trailer Diagonale `20 und `21 Österreichische Kurzfilmschau VIS Jahrbuch Kunststiftung, Beitrag
Jennifer Mattes arbeiten im Bereich Experimental-/Essayfilm und Installationen an der Schnittstelle von dokumentarischen und fiktionalen Formen. Sie komponiert in ihren Fil-
2019
Österreichischer Kurzfilmpreis 2020, Mumok Kino Wien
men Text- und Klangcollagen aus gefundenem oder selbst hergestellten Material.
Diagonale, Graz
Ihre Arbeiten kreisen stets um Themen und Fragen die menschlichen Existenz betreffend,
Galerie Atelierhaus Salzamt, Linz dotdotdot Open Air Kurzfilmfestival, Volkskundemuseum Wien
die auf kuriose, oft humorvolle Weise, vor einem größeren sozialkritischen und politischen Hintergrund, inszeniert oder realisiert werden. Sie gibt keine Antworten auf Fragen, sondern
2017
Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 45cbm (SOLO)
stellt vielmehr Fragen auf Antworten, um Denkprozesse beim Betrachter anzuregen und
Videonale 16, Kunstmuseum Bonn
auf gegenwärtigen Bedingungen hinzuweisen.
Startpointprice Selection, Arti et Amicitiae, Amsterdam Kunstverein Graz, TORTUGA 3 KÖRPER {HEFT 2} KÖRPERDINGE (SOLO)
Studium Film und Video in Stuttgart und Bildende Kunst und Film bei Harun Farocki und
XHIBIT, PROTHE(S)IS AND POSTHUMAN COMPLICITIES, Akademie der bildenen Künste Wien
Constanze Ruhm an der Akademie der bildenden Künste Wien.
CINEMA NEXT, TOPKINO Vienna (SOLO) openMARX Vienna, TORTUGA 3 KÖRPER {HEFT 2}, KÖRPERDINGE (SOLO) “Tragedy“, A screening hosted by MEME at Communitism, Athen
Bester innovativer Film Diagonale Graz 2019, Nominierung für den Österreichischen Kurzfilmpreis, Birgit Jürgenssen Preis 2014, Startstipendium Medienkunst, Arbeitsstipendien
2016
Startpointprice, National Gallery Praha, Prag
Bundeskanzleramt, ORF ARTIST IN RESIDENCE, Landesstipendium Baden Württemberg
“Bewährungsprobe”, Depot, Wien (SOLO)
für Bildende Kunst, Landesstipendium für Medienkunst. Ausstellungen u.a. im Kunsthaus
“Ada”, temporäres Kunstprojekt, Wien (SOLO)
Graz, Mumok Kino, Österreichischer Kurzfilmpreis, Nationalgalerie Prag, Arti et Amicitiae,
Kunsthalle Exnergasse,”search form” Golden Pixel Cooperative, Wien Kunstverein Gegenwart e.V., „kehrtwenden:weitergehen“, Leipzig Kunstraum Niederösterreich, The Social Glitch, Wien
Amsterdam, Kunsthalle Baden-Baden, Ballhaus Ost Berlin.
GRANTS// AWARDS
2015
Mandelkernproject, DISCOSPRITE, Wien (SOLO) Vanishing Points, Isfahan, Iran 2014
Birgit Jürgenssen Preis, Akademie der bildenen Künste Wien (SOLO) Limited Access Festival, Vanishing Points, Teheran
2020
Landesstipendium Baden Württemberg für Medienkunst
IN DER KUBATUR DES KABINETTS, Wien
2019
Bester Innovativer Film, Diagonale Graz
Das Weisse Haus, WE ARE HERE BECAUSE YOU WERE/ARE THERE, Wien ARSENALE, Objekt 22, Wien
Baden-Württemberg Stipendium für Bildenen Kunst
2013
Mumok Kino, Proben aufs Exempel, Wien Lafin C´estmerde, Wien
2018
Auslandsatelier Video-und Medienkunst, Bundeskanzleramt
Friday Exit, Wien
“PIXEL, BYTES UND FILM“ ORF, ARTE Creative und Bundeskanzleramt
Brunswick Art Space, Melbourne 30. Kassler Dokumentarfilmfestival, Kassel
2017
Start-Stipendium Video-und Medienkunst, Bundeskanzleramt
2011
ANFANG DAZWISCHEN UND ENDE, Garelligasse 6, Wien
2010
Filmriss, Salzburg EIGHTEEN, Screening, Fluc, Wien 15. Europäisches Kurzfilmfestival unabhängiger Autoren 5. Berliner Film Fenster, Berlin
2016
Arbeitsstipendium, Akademie der bildenden Künste Wien, Bundeskanzleramt
2014
Birgit Jürgenssen Preis, Akademie der bildenden Künste, Wien
2009
2008
1. Preis, DieVeranda 2008,
2008
Bildetage, Wien, (SOLO) C17, Wien First Frame Festival, New Delhi
“Bitte ziehen sie eine Nummer”, Wien
„Bitte ziehen sie eine Nummer“ Die Veranda, Wien
Agitas Arts Sponsorship, Kunsthalle und dieAngewandte
Die Sauna, Konzerthaus im Brut, Wien Europäischer Monat der Fotografie, Wien Ballhaus Ost, Berlin Die Parabel, Theater Drahtseilakt, Graz
Installation Kunsthaus Graz, Untergeschoß// Ausschnitt eines schwarzen Rauchers am Meeresgrund, Tapete und Collage, Länge 9 m Höhe 3,30m
Am Anfang war das Rätsel. Und der Koffer. Koffer voll irgendwas. Bilder, Informationen, Erinnerungen, Müll. Aufgeblasen wie ein Ballon, der zu schwer zum Fliegen ist. Alles hat einen Gemeinplatz, der das Bilderbuch, die Bibliotheken von Babel, die Müllhalden vereint. Nennt es Archiv oder Kanon oder Gedächtnis, auf den Namen kommt es nicht an. Irgendwo dazwischen bewegt sich ein kollektives Gedächtnis. Die Projektionsfläche. Staaten. Erst die „archivarische Geste“, ein Akt der „Konsignation“, eine Verortung in ein System macht das Archiv, macht den Autor, den „neuen Archivar“, macht Macht, die Weite, die Grenze und die Unendlichkeit. Hier ist meine Bühne, mein Land, mein Selfie. Wir sprechen nicht Sprache - wir sprechen Rainbow. Dies ist das Archiv. In das ich eintauche - Das Meer. Das Bildermeer. In der Projektion des Subjektiven wird es unser Ozean, wird das “unser Unser”, unsere Ermittlung, unser Forschungsgegenstand. Finden bestimmt diese Suche. Denn dieser Ort benennt Dinge, die dadurch erst zu Dingen werden. Während man nach ihnen sucht. Das kollektives Gedächtnis wächst in Bilderhalden und wickelt sich um unsere Bewegungen, Träume und Sehnsüchte. Bis an den Grund des Meeres. Bis ans Ende der Erinnerung. Immer Mythos. Von hier aus schauen wir ins Leere. Schiffbruch mit Zuschauer. Und Taucher. Zwischen Kriegen, Kathastrophen und vergessener Liebe..
Text Jennifer Mattes
BARS VON ATLANTIS Eine Kooperation von Kunsthaus Graz und Diagonale’21. Kuratiert von: Katrin Bucher Trantow Ort: Katzenbaum für die Kunst, Foyer, Innenhof, Untergeschoß, Videoinstallation
In der Fortsetzung ihrer künstlerischen Praxis der Arbeit mit bestehendem Filmmaterial inszeniert Mattes für ihre Installation im Erdgeschoss und im ersten Untergeschoss des Kunsthauses Graz Gefundenes, Erinnertes, Geschriebenes in klassischer Montagetechnik. Sie nutzt das Haus und seine Zwischenorte als definitionsoffene Orte des Übergangs und verwendet dabei unterschiedliche Requisiten der Reise, des Transfers und der inneren und äußeren Flucht. Displays, praktische Objekte und Nutzgegenstände sieht sie neu und schafft über kleine Verschiebungen wie das Anbringen unüblicher Materialien, Lichter und Musik eigene Stimmungen; sie lässt uns andocken an ihrem Set der untergetauchten Träume und eröffnet im Sinne Gas-
Über die Ausstellung
ton Bachelards endlose Möglichkeitsräume, die zur Tanzfläche unserer Gedanken und Erinnerungen werden. Wie Bachelard, der den Raum als
„In seinen tausend Honigwaben speichert der Raum verdichtete Zeit.
offenes Konstrukt unserer Erinnerungen und Vorstellungswelten jen-
Dazu ist der Raum da.“ (Gaston Bachelard, Poetik des Raumes, 1957)
seits seiner bloßen Geometrie erfasst, wendet Mattes die Montage und Überlagerung von klassischen Filmzitaten in Anlehnung an Sprach-,
Schiffsboller vor dem Haus. Nasses Netz schillert in bunten Farben
Film- und Literaturbilder als Öffnung des (Film-)Raums an. Von An-
am Mast des Katzenbaums für die Kunst. Im Untergeschoss klingt
klängen an Fassbinders Die bitteren Tränen der Petra von Kant über die
leise die ewig sich wiederholende, schwermütige Musik von „Heaven”
tragische Liebesgeschichte der in die Unterwelt verdammten Aphro-
der Talking Heads rauchig aus dem alten Lautsprecher. Daneben dreht
dite bis hin zu mehrfach versetzten Zitaten klassischer Filmunterwel-
sich müde die betagte Discokugel über der leeren Bar. Von irgendwo
ten reihen sich geheimnisvolle Situationen und Spuren versteckter Tr-
wummert ein Bass. Vielleicht ist da jemand? Quasi traumwandlerisch
effpunkte aneinander. Als nebelhafte Erzählung berichten sie von der
inszeniert die Filmemacherin, schreibende und bildende Künstler-
Logik von Beziehungsstrukturen und der verbindenden Bedeutung von
in Jennifer Mattes (* 1982) einen schier endlos gedehnten Raum des
Sehnsucht und Begehren.
Wartens. Die mit dem Birgit-Jürgenssen-Preis 2014 und 2019 auch mit dem Diagonale-Preis für den besten innovativen Film prämierte Kün-
„Die Bars von Atlantis sind Schall und Rausch. Eigentlich hängt alles
stlerin nutzte das letzte Jahr, um die filmische Installation wachsen
davon ab, welche Musik hier gespielt wird. Wüsten von gestern sind
zu lassen. „Am tiefsten Punkt der Erde liegen die Temperaturen nahe
manchmal nur Schnee von heute. ‚Du bist ja nur hier wegen meinem
am Gefrierpunkt. Dennoch gibt es Lebewesen, Zwangsvorstellungen
Körper‘, sagt der eine. Und der andere dann so: ‚Nein, wegen meinem!‘
und Neurosen. Ab und zu bekommen diese einen blauen Sonnen-
Niemand braucht sich hier unten lebendig zu stellen. Hier regieren
brand, wenn sie sich in den Bars von Atlantis, die sich irgendwo am
Zwielicht und Sehnsucht. Und die Ewigkeit ist lang, besonders am Ende
Grund des Meeres befinden, getroffen oder eben verpasst haben. Und
(sagt Woody Allen).“ - Jennifer Mattes
sich betranken oder nüchtern blieben. Sich ihr Gegenüber durch die Gläser und Spiegel dieser Bars vorgestellt haben. Das Imaginäre beo-
Jennifer Mattes gestaltete auch den Diagonale’20/21-Trailer, der im Vor-
bachteten. Hindurchgesehen haben. Durch das Gegenüber. Hier unten
feld und während der Diagonale in den österreichischen Kinos zu sehen
gibt es kein Wetter, über das man sich unterhalten könnte … Nur Eins-
sein wird und in fließendem Zusammenhang mit dem Set Bars von At-
amkeit. Und Müll.“ (Jennifer Mattes)
lantis im Kunsthaus Graz steht.
ÜBER DIE FIGUR(EN)
ATLANTIS, EIN KULTURHISTORISCHES SET
Aphrodite. Ehemalige Göttin. Gescheitert. Arbeitslos. In der “Neben-
Nachdem alle Schiffbrüche stattgefunden haben und das restliche,
ber/Oktober 2000, S.73) beschreibt die Lebensfeindlichkeit von diesem
saisontristesse” auf der Insel der Liebe Kythera geboren und auch ge-
übrig gebliebene Leben sich an den tiefsten Punkt der Erde zurück-
Atlantis, der sich die Figuren und Objekte entgegenstellen.
strandet (Aphrodites mythologischer Geburtsort und Schauplatz des
gezogen hat, den Meeresgrund, die Tiefsee, ist das also übrig: Ein Atlan-
Atlantis ist, wie eben auch die Wüste, ein kulturhistorischer Themen-
Films “WRECKAGE TAKES A HOLIDAY“), beschließt Aphrodite sich an
tis-Abklatsch. Eine behauptete Bar, prä-apokalyptische Welt, die von
park. Das spezifische Regime der Wüste vermischt sich mit „politischen
den Grund des Meeres zu begeben, in die “Bars von Atlantis“. Diese
Mythologie, Popkultur, Kitsch und Kulturellen Klischees, geprägt ist.
Programmen und ästhetischen Praktiken; mit Kitsch, Ideologie, Re-
Bars sind eine Behauptung. Man könnte genauso auch von einem Ha-
ligion und anderen Elementen, die aus dem Diskurs über Landschaft
des sprechen oder von einer illegalen Technoparty in einer unterird-
Dieser Ort ist endgültige Zwischenstation auf einer Reise ohne Rück-
auch einen Diskurs über Subjektivierung und deren Krise machen kön-
ischen Welt.
kehr. Ein Ziel das übrig bleibt, nachdem alle Ziele verschwunden oder
nen . Denn die Wüste als kulturell produzierter Raum ebenso wie als
Jedoch ist Aphrodite nicht die herrliche Figur aus der griechischen
abhanden gekommen sind. Ein Ort, der den unendlichen Abfalls des
Natur-Ereignis ist gleichermaßen ein Gebiet der Selbstfindung und
Mythologie, sondern eine Projektion ihrer selbst, eine exzentrische
Lebens erfahrbar macht. Am (symbolischen) Meeresgrund. In einer vom
der Erschütterung von Identität. Die Wüste ist bedrohlich. Aber man
Alkoholikerin, geplagt von Selbstzweifeln. Eine gescheiterte, einsame
Overkill übrig gelassenen Welt. Dort spielt die Geschichte. In jenen Bars.
kann auch mit der Wüste drohen...Diese kritische Epistemologie der
Existens, die sich sinnlos in jenen Karaoke Bars in Atlantis, diesen be-
Dieses Atlantis ist ein umgekehrter verlassener Olymp. Ein Universum
Wüste (...) kann sich in einer besonderen Art des Wüsten-Snobismus
haupteten Orten Abend betrinkt. Weil sie schon wieder oder noch im-
ohne Sternenhimmel, ein Hades ohne Unterwelt, eine Wüste. Die Wüste
manifestieren (die u.a. das Ergebnis eines Regenerationsprozess des
mer alleine ist und kein Schwein da ist. Bis auf den Barmann aus The
als „Metapher des Schicksals“, als „langlebige Metapher für Leute, die
erschütterten Subjekts darstellt.)(Tom Holert, Strudel und Wüsten des
Shining.
sich selbst neu erfinden oder am Rande eines fremden, außerirdischen
Politischen in Kunst/Kino, Georg Stemmrich (Hg.) Jahresring 48, Jahr-
Raums verloren gehen“ (Jennifer Higgis, True Grit, in: Frieze, 54, Septem-
buch für moderne Kunst)
Die Figur des Barmanns ist einen eine Imagination, ein Wunschbild, eine Halluzination. Er ist Verweis auf den Ort des ewigen Wartens, die Realitäsflucht, auf ein Zeichen oder einen Anruf, die Flucht aus dem eigenen ich. Aus der Welt der Imagination, dem nicht realen Bild, dem gegenwärtigen Wahnsinn. Bezeichnenderweise glänzt er auf dem Flokatiteppich durch Abwesenheit. Installationsansicht, Kunsthaus Graz, 2021, Fotos Martin Grabner
Installationsansicht, Kunsthaus Graz, Häkelnetz 9m x 4,50m 2021
Installationsansicht, Kunsthaus Graz, 2021
Videostillsl, Kunsthaus Graz, 2021
Videostillsl, Kunsthaus Graz, 2021
NOTE: ESSAY
ATLANTIS DYSTOP
FILMISCHE VORLAGE für die Figur Aphrodite und den Trailer zur Diagonale `21 (SZENEN ReENACTMENTS) Am tiefsten Punkt der Erde liegen die Temperaturen nahe am Ge- Die Bars von Atlantis sind Schall und Rausch. Eigentlich hängt alles frierpunkt. Dennoch gibt es Lebewesen, Zwangsvorstellungen und davon ab, welche Musik hier gespielt wird. Wüsten von gestern sind Die bitteren Tänen der Petra von Kant, Rainer Werner Fassbinder, 1972
Neurosen. Ab und zu bekommen diese einen blauen Sonnenbrand, manchmal nur Schnee von heute. „Du bist ja nur hier wegen meinem wenn sie sich in den Bars von Atlantis, die sich irgendwo am Grund Körper“ sagt der eine. Und der andere dann so: „Nein, wegen meinem!“ des Meeres befinden, getroffen oder eben verpasst haben. Und sich Niemand braucht sich hier unten lebendig zu stellen. Hier regieren betranken oder nüchtern blieben. Sich ihr Gegenüber durch die Gläs- Zwielicht und Sehnsucht. er und Spiegel dieser Bars vorgestellt haben. Das Imaginäre beo- Und die Ewigkeit ist lang, besonders am Ende (sagt Woody Allen). bachteten. Hindurchgesehen haben. Durch das Gegenüber. Hier un- Schwarze Löcher sind notorische Einzelgänger. Aber sie können mit ten gibt es kein Wetter, über das man sich unterhalten könnte…Nur ihrer Schwerkraft andere Körper an sich binden. Auf Probe knutschen. Einsamkeit. Und Müll. Perspektivenendlichkeiten, die direkt in eine Ehe diese dort auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Und dann? Kinoleinwand hinein schwimmen.
Nichts.
Abgesehen von den paar kurzen vorübergehenden Ohnmachten, der Nichts dem nichts entgeht. Nicht einmal das Licht. Und der Tropfen in der Unendlichkeit des Meeres aufgelösten Individuen.
Meerwasser sieht unter dem Labormikroskop aus wie ein Blick in das
Alle das geschieht früh morgens. Wenn die Körper sich entschieden Universum. Nur wessen eigentlich? Das muss herausgefunden werden, haben. In den Lebensläufen. Lebenslang. Nachdem alle Schiffbrüche oder geheim bleiben. Oder halt gar nichts. vorüber sind. In den Bars von Atlantis sind sie gestrandet. Haben an- Do you remember what you try to forget or do you forget what you try gelegt, zueinander gefunden oder sich voneinander entfernt. Was to remember? übrig bleibt ist ein Stück häßliche Unendlichkeit. Aber nicht für lange. Bon voyage! Atlantis mon amour. These fragments I have shored Sie haben gesoffen, geträumt, geleuchtet oder getanzt - einen
against my ruins.
oder zwei oder drei Träume oder Tänze - manche haben gesungen. Aber wer sich entscheidet, den Strand der Welt zu verlassen, den Hades Dann haben sie alle Gläser ausgetrunken, sich getrennt, und sind zu wagen, die Grenze ins Unbekannte zu überschreiten, in die Tiefsee zu wieder zurückgekehrt. In ihre Meere, Zwischenwelten, Tiefseegräben tauchen, läuft Gefahr, sich in den dunklen Swimmingpools des Begehund Schiffe, weil diese nie schlafen. Die Bilder: verschwommen, blind, rens am Meeresgrund weit unten zu begegnen. Im Imaginären. In einem verraucht. Vielleicht eine Landschaft? Durch die Gläser der Bars hier
einzigen One Night Stand. Und wird auf der anderen Seite wieder gebo-
unten kann man hindurchsehen, auf die andere Seite. In das Verzer- ren. Mit blauen Flecken, blauem Sonnenbrand. rte. Junge Nächte und alte Tage. In ihnen, und in den Augen des Gegenübers kann man nur sich selbst Tot oder Lebendig. Vielleicht. Kommt die Zeit dort unten wiederoder sie finden. Und manchmal Feuer. Der Spiegel ist der einsame Ort, an dem war für immer nur auf Zeit. Der Schwindel fliegt auf mit dem Tausch von ich dich treffe.
Jenseits und Hier.
magicflight.kuss BIX/ Fassade Kunsthaus Graz
In der niedrigsten Auflösung, die man sich vorstellen kann, lässt sich die, in Zeitlupe ausgedehnte Kuss-Sequenz aus dem Film „Titanic“ dunkel erahnen und wird, je weiter die eingenommene Distanz sich vergrößert, klarer und sichtbarer. Eine mehrteilige Raum- und Bühneninstallation über einen gedehnten Raum des Wartens zieht sich vom Vorplatz und der BIX über den Katzenbaum bis ins Untergeschoss – und bis auf die Leinwand der Kinos. "Sowohl bei den Filmen, die ich mache wie auch bei den Installationen, ist es so, dass ich viele Dinge ansammle und zu einer Montage zusammenwachsen lasse. Insgesamt geht es im Trailer für die Diagonale und auch in meiner Installation im ganzen Haus um grundsätzliche Themen wie Sehnsucht oder Begehren. Anhand der Funde, die ich dann als Props bearbeite suche ich nach Erinnerungen. Zu denen gehören auch Filme wie Rainer Werner Fassbinders Petra von Kant oder eben Titanic, die sich in unsere unterbewussten Erinnerungsräume verflechten: es spiegelt sich eine Unterwelt, ein Hades." - Jennifer Mattes
TRAILER DIAGONALE ´20 jeweils 1 min, 4:3, 5 Teile https://vimeo.com/390724452
Ein Trailer aus dem Fundus der Filmgeschichte Der Diagonale’20/21-Trailer ist ein kurzer Film über das Warten: auf den Die Arbeiten der Videokünstlerin und Filmemacherin Jennifer Mattes Karaoke-Einsatz, auf den Anruf, auf das Glück. Bereits das erste Bild des lassen sich im Allgemeinen als immersive Durchschreitungen reaTrailers visualisiert die Sehnsucht nach einer erfüllten Zeit. Und schürt ler, performativer und virtueller (Sehnsuchts-)Orte skizzieren – als Erwartungen, was kommen wird. Erwartungen, die sich nicht erfüllen. explorative Tauchgänge in der gegenwärtigen Bilderflut. Dabei sind Stattdessen die Überraschung: noch einmal das immer gleiche Lied von Mattes’ kompositorisch präzise Annäherungen oftmals eines: eine Begehren, Liebe, Einsamkeit, Hoffnung und Enttäuschung, das im Kino Auseinandersetzung mit Bildarchiven, mit aus dem Internet geladeschon so oft gesungen wurde. Aber immer wieder anders. Dass Jennifer nem Found Footage oder wie im Falle des Diagonale’20/21-Trailers Mattes sich aus dem Fundus der Filmgeschichte bedient, wird nicht un- zuweilen auch Pastiche. ter den Teppich gekehrt. Fassbinders Flokati liegt signifikant im Bild, so „Ich suche immer. Wenn ich eine Arbeit fertig habe, suche ich woanweiß wie vor fast fünfzig Jahren. Das Verzweiflungsdrama, das sich da- ders weiter. Das Ankommen ist immer schön, aber auch ein bisschen rauf abspielt, ist aber weitaus weniger neurotisch. Mattes’ Version der traurig.“ Petra von Kant ist keine dekadente, selbstzerstörerische Tragödin, son- — Jennifer Mattes dern ein etwas zerrupftes, charmant-toughes Bunny, das auf das echte Leben im falschen wartet. Originär und mit skurrilem Witz erinnert der Trailer daran, dass es möglich ist: das Erleben von Zeit als erfüllte (und erfüllende) Zeit. Im Kino.
Diagonale Trailer Teil 5 , Ina Maria Jaich als Aphrodite, 2020
Text: Michelle Koch
WRECKAGE TAKES A HOLIDAY https://vimeo.com/278786571
Antoine Watteau, Pèlerinage à l’île de Cythère (1710, 1717, 1718)
VOR DEM HINTERGRUND
Seine Enttäuschung darüber, was er dort antraf, trat von nun an
auf den Grund des Meeres tauchen, nachdem die Welt nur noch einer
als immer häufiger wiederkehrendes Motiv in Erscheinung. Die
Dystopie gleicht und eigentlich nicht mehr existiert, ausser eben am
Wunschtraumutopie wurde allmählig zu einer Alptraumutopie. Der
tiefsten Punkt der Erde, wo das übrige Leben sich zurückgezogen hat.
Konflik zwischen Ideal und Wirklichkeit, der daraus resultierende
Die Creeps und Götter. Dazwischen strandet er/sie auf Kythera, der
Individualisierungsschub, der verlorene Traum und die unerwünschten
Geburtsinsel der Liebesgöttin und von dieser Zwischenstation handelt
In 11710, 1717 und 1718 malte der französische Maler Jean-Antoine Wat- heit in dem, was er erschuf, durch die Lockerung der Bindung an einen
Seiten menschlicher Existenz wurden zum Gegenstand der Kunst-
der Film.
teau drei Gemäde, die alle die griechische Insel Kythera zum Thema vorherrschenden Geschmackskanon. Während das Bild Watteaus
und
heute
Das Schiff, die Insel, das Meer und die Tiefsee bilden eine Meta-Er-
haben (Einschiffung nach Kythera). Kythera - Bild für ein Reich der direkt nach der Revolution von der Bildfläche verschwand, wurde
(Natürlich war diese Reise NICHT der einzige Grund, wie es zu diesem
zählebene und haben symbolische Funktion als Orte, die die Abgründe
konfliktfreien Liebe und Geburtsort der Liebesgöttin Aphrodite in der es im Zuge der Entwicklung dieser Aussenseiter-und Künstler-
gesellschaftlichen Wandel kam, sondern einer von vielen - der für
einer Gesellschaft versinnbildlichen und aktuelle Zustände in/und
griechischen Mythologie. Die gesellschaftliche Wahrnehmung von kreise zu neuem Leben erweckt und erreichte Kultstatus bei diesen
mich aber beim Umgang mit diesem Bild und der Reinterpretation und
Politik wiederspiegeln. Das Bild des Tauchers (engl. diver), der zu den
Watteaus Kythera-Bild wandelte sich im Laufe der darauf folgen- sich im Aufstieg befindenden jungen Künstlergeneration (Kreis der
Aneignung spannend ist). Traum versus Wirklichkeit. Ideal versus Real.
“Bars von Atlantis”, einem imaginären Ziel, zu gelangen versucht, ist
den Ereignisse der Jahrhunderte mehrmals. Von der Wahrnehmung Rue du Doyenné als Kreis einer ersten Künstlerbohème). Es war
Das Bild für unerfüllte Sehnsüchte und Utopie wurden Ausdruck des
eine Metapher. Im Englischen wird eine Spelunke oder schäbige dun-
des “Ancien Régime“ ausgehend, galt Kythera weniger als politischer ein Kreis romantisch-konservativer junger Künstler und Schrift-
Wandels eines Zustandes. Ein Symptom für das Heranwachsen einer
kle Bar ebenfalls als “a dive“ bezeichnet, was das Bild dieser Figur
Wunschtraum, sondern vielmehr als Rückzugsort der adligen Ge- steller, die nach Gegenbildern - nach einem Gegentraum zu ihrer
Generation, deren Jugendträume in der gesellschaftlichen Realität
unterstreicht. Gleichzeitig ist der “Taucher“ der Protagonist, der auf
sellschaft von der Politik bis hin zu völliger Befreiung von politischer ernüchternden grauen Routine ihrere bürgerlichen Gesellschaft
keine Erfüllung fanden.
dieser Reise “wiedergeboren” wird, der eine weitere Chance bekom-
Kulturproduktion
der
folgenden
Jahrhunderte
bis
mt, dem Tod zu entgehen, indem er sich an diesen letzten und tiefsten
Verantwortung, ausgedrückt in dem Symbol der Reise zu dieser suchten. (Norbert Elias “Watteaus Pilgerfahrt zu Insel der Liebe”) Insel als soziales Wunschbild. Die Gesellschaft nach der Franzö- Dieser Kreis erhob Watteaus Bilder zum Vorbild für die Eleganz und
Vor diesem Hintergrund steht die Idee meiner seit 2016 entstehenden
Punkt der Erde begibt, in die “Ewigkeit”, weit weg von aller Zivilisation
sischen Revolution erfuhr allmählig einen radikalen Wandel, indem Schönheit der alten Zeiten und gab Bälle und Kostümfeste, soziale
Arbeiten, die rund um das Thema der filmischen Arbeit “Schiffbruch
und menschlichen Leben. Atlantis wird ein Ort, der von Mythen und
nun berufsbürgerliche, für den Lebensunterhalt arbeitende Schichten Zusammenkünfte, die sich an diesem Wunschtraum einer kollektiven
auf Urlaub“ (2018, 30 Min), der Teil 2 eines Zyklus ist, entstanden sind.
Mythologie gezeichnet ist.
eine wichtigere Rolle einnahmen. So kam es auch, dass sich die Macht- Utopie orientierten, welche sie nach ihren eigenen Bedürfnissen na-
und an das vorausgehende Essayvideo “Trading Stories“ (2015, 42 Min)
Das Bild der Seefahrt als Metapher und Gleichnis für den Lebensweg,
verhältnisse zwischen den Kunstkonsumenten und Kunst-produzent- chahmten. Das Bild wurde entsprechend der eigenen Wahrnehmung
anknöpgft. Hier taucht die Figur des Tauchers zum ersten mal auf,
der ständige Anpassung, Bedrohung und Herausforderung beinhaltet,
en allmählig verschoben und sich junge Kreise von Künstlern, Kritikern und Wunschträume gedeutet, als Repräsentant eines verlorenen
der in Wirklichkeit bei einem Tauchunfall verunglückte. Aufnahmen
Seenot, Schiffbruch, Überleben, Meer und Wasser als Bild für das Un-
und Literaten herausbildeten, die den Kunstgeschmack neu belegten, Paradieses. Die Reise eines Mannes namens Nerval, Besitzer, Literat und
dieses Unglücks-Tauchgang und dazu gehörende Beschreibungen des
endliche, Unbewußte und tiefe, geheimnissvolle und bedrohliche ist
im Gegensatz zu den Geschmäckern der vornehmen Teilnehmer der Mitglied des Hauses in der Rue du Doyenné, der so sehr von dem Mythos
Vorgangs werden auf Bild-und Tonebene von mir verwendet. Dieser
ein wiederkehrendes Motiv in meinen Arbeiten, ebenso wie der The-
höfisch aristokratischen Kreise. Der einzelne Künstler gewann an Frei- Kythera begeistert war, schaffte die Desillusionierung an jener Utopie.
Taucher wird die alte Geschichte, verlassen und von ihr ausgehend
menschwerpunkt menschlichen Scheiterns.
Videostills, Wreckage Takes A Holiday 2019
Preis für Innovatives Kino der Diagonale `19
GESPENSTER, GÖTTINNEN, LIEBE, KARAOKE, FLUCH(T) ! Die Geschichte beginnt im Universum eines kleinen Bildes. Vor Kythera
- Seenot, Schiffbruch, Überleben - wird in anderen Bildern weiter er-
liegt ein Schiffswrack im Wasser. In einer Achse mit diesem Schiff liegt
zählt. Auf Beziehungen, kollektive und individuelle, auf das Scheitern
ein hier gestrandetes Flüchtlingsboot. Dieses Bild steht stellvertretend
eines Individuums, einer Gesellschaft, einer Politik und der Liebe über-
für alle Schiffbrüche im Mittelmeer.
tragen. Aber Liebe meint hier auch die Nächstenliebe. Die Bilder und ihre Geschichten im Film überschlagen sich und verlaufen sich im-
1718 malte der französische Maler Watteau das Gemälde „Einschiffung
mer wieder im Sand. So wie sich Wellen überschlagen und am Strand
nach Kythera“. Kythera - Bild für ein Reich der konfliktfreien Liebe und
brechen, bricht auch die Erzählung. Alles bewegt sich. In riesigen Men-
Geburtsort der Liebesgöttin Aphrodite. Von der Wahrnehmung des
schenströmen. Über das Meer. Auf der Flucht. Gibt es Dinge, die aus
“Ancien Régime“ ausgehend, galt Kythera weniger als politischer Wun-
dem Nichts entstehen, ohne Grund?
schtraum, sondern vielmehr als Rückzugsort der adligen Gesellschaft von der Politik, ein Ort an dem man sich ganz den Liebesabenteuern
Die Geschichte dieser Reise nach Kythera steht für die vielen “Reisen”.
hingeben konnten, hin zu völliger Befreiung von politischer Verantwor-
Aus vielen Gründen - politischen, wirtschaftlichen, religiösen oder
tung, ausgedrückt in dem Symbol der Reise zu dieser Insel als soziales
persönlichen. Die Insel, und viele andere Inseln im Mittelmeer, werden
Wunschbild.
zur Auffangstelle, zur Zwischenstation. Wie zwischen Leben und Tod. Unsere Schiffbrüchige steigt aus den Wellen, ziemlich albern, aus den
Das Bild der Seefahrt als Metapher und Gleichnis für den Lebensweg,
Schaumkronen, stolpert an Land, so wie damals die Liebesgöttin Aph-
der ständige Anpassung, Bedrohung und Herausforderung beinhaltet
rodite..
Videostills, Wreckage Takes A Holiday 2018
Videostills, Wreckage Takes A Holiday 2018
NOTE: ESSAY
ATLANTIS DYSTOP
Seit 2013 arbeite ich an dem Sujet “Meer“. Innerhalb dieses weit-
betreffend. Im Zug dessen sind bisher der Film “TRADING STORIES“, In-
greifenden Begriffs sind seitdem mehrere Arbeiten entstanden.
stallationen rund um die Arbeit und Gedankenwelten zum zweiten Film
Meine Erzählungen und Themen sind
hauptsächlich auf einem
“Time to Stay Goodbye - The Case“ und “SEA YOU BYE THE SEA“ , sowie
symbolischen Meer anzutreffen, innerhalb von Auseinandersetzu-
der zweite Film “WRECKAGE TAKES A HOLIDAY“ entstanden (LINKS ZU
ngen mit Schwerpunkten wie Globalisierung, Kapitalisums, Ein-
DEN FILMEN IM PORTFOLIO). Der damals begonnene Zyklus setzt sich
griffe des Menschen in die Natur, individuelle und kollektive Ges-
für mich aus einer Trilogie, bestehend aus den drei Hauptfilmen, wovon
chichte, Sehnsucht und Liebe. Themen, das menschliche Dasein
“ATLANTIS MON AMOUR” der letzte Teil sein soll, zusammen.
Am tiefsten Punkt der Erde liegen die Temperaturen nahe am Ge- Die Bars von Atlantis sind Schall und Rausch. Eigentlich hängt alles frierpunkt. Dennoch gibt es Lebewesen, Zwangsvorstellungen und davon ab, welche Musik hier gespielt wird. Wüsten von gestern sind Neurosen. Ab und zu bekommen diese einen blauen Sonnenbrand, manchmal nur Schnee von heute. „Du bist ja nur hier wegen meinem wenn sie sich in den Bars von Atlantis, die sich irgendwo am Grund Körper“ sagt der eine. Und der andere dann so: „Nein, wegen meinem!“ des Meeres befinden, getroffen oder eben verpasst haben. Und sich Niemand braucht sich hier unten lebendig zu stellen. Hier regieren betranken oder nüchtern blieben. Sich ihr Gegenüber durch die Gläs- Zwielicht und Sehnsucht. er und Spiegel dieser Bars vorgestellt haben. Das Imaginäre beo- Und die Ewigkeit ist lang, besonders am Ende (sagt Woody Allen). bachteten. Hindurchgesehen haben. Durch das Gegenüber. Hier un- Schwarze Löcher sind notorische Einzelgänger. Aber sie können mit ten gibt es kein Wetter, über das man sich unterhalten könnte…Nur ihrer Schwerkraft andere Körper an sich binden. Auf Probe knutschen. Einsamkeit. Und Müll. Perspektivenendlichkeiten, die direkt in eine Ehe diese dort auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Und dann? Kinoleinwand hinein schwimmen.
Nichts.
Abgesehen von den paar kurzen vorübergehenden Ohnmachten, der Nichts dem nichts entgeht. Nicht einmal das Licht. Und der Tropfen in der Unendlichkeit des Meeres aufgelösten Individuen.
Meerwasser sieht unter dem Labormikroskop aus wie ein Blick in das
Alle das geschieht früh morgens. Wenn die Körper sich entschieden Universum. Nur wessen eigentlich? Das muss herausgefunden werden, haben. In den Lebensläufen. Lebenslang. Nachdem alle Schiffbrüche oder geheim bleiben. Oder halt gar nichts. vorüber sind. In den Bars von Atlantis sind sie gestrandet. Haben an- Do you remember what you try to forget or do you forget what you try gelegt, zueinander gefunden oder sich voneinander entfernt. Was to remember? übrig bleibt ist ein Stück häßliche Unendlichkeit. Aber nicht für lange. Bon voyage! Atlantis mon amour. These fragments I have shored Sie haben gesoffen, geträumt, geleuchtet oder getanzt - einen
against my ruins.
oder zwei oder drei Träume oder Tänze - manche haben gesungen. Aber wer sich entscheidet, den Strand der Welt zu verlassen, den Hades Dann haben sie alle Gläser ausgetrunken, sich getrennt, und sind zu wagen, die Grenze ins Unbekannte zu überschreiten, in die Tiefsee zu wieder zurückgekehrt. In ihre Meere, Zwischenwelten, Tiefseegräben tauchen, läuft Gefahr, sich in den dunklen Swimmingpools des Begehund Schiffe, weil diese nie schlafen. Die Bilder: verschwommen, blind, rens am Meeresgrund weit unten zu begegnen. Im Imaginären. In einem verraucht. Vielleicht eine Landschaft? Durch die Gläser der Bars hier
einzigen One Night Stand. Und wird auf der anderen Seite wieder gebo-
unten kann man hindurchsehen, auf die andere Seite. In das Verzer- ren. Mit blauen Flecken, blauem Sonnenbrand. rte. Junge Nächte und alte Tage. In ihnen, und in den Augen des Gegenübers kann man nur sich selbst Tot oder Lebendig. Vielleicht. Kommt die Zeit dort unten wiederoder sie finden. Und manchmal Feuer. Der Spiegel ist der einsame Ort, an dem war für immer nur auf Zeit. Der Schwindel fliegt auf mit dem Tausch von ich dich treffe.
Jenseits und Hier.
Videostills, Schiffbruch auf Urlaub 2018
SEA YOU BYE THE SEA
The installation “Sea You Bye The Sea“ bases on different visual and
stands on the edge of an abyss. A gaze into the assumed black nothing,
audiovisual layers and contents for the deconstruction of utopia itself.
however turns into something alive. A place where strange and unknown
At the same time “Sea You Bye The Sea“ deals with the model of the
beings glow. Like rays of hope fantastic mythical creatures appear and
island as a symbolic and also real place, but still in a utopian sense.
disappear in the eternal darkness of the never ending night in the spot-
Found Footage of the deep sea and oceanography, representing a
light of the researchers. This abyss - the shape of the projection - could
complex system on the bottom of the sea, where the origin of life on
also be the coast of an island.The monitor shows a coastal landscape on
earth could have been, is assembled with the filmed image of an unfin-
the “island of love“ Kythera where the goddess of love “Aphrodite“ was
ished construction site of a building on the “island of love“ Kythera. This
born, seen through the construction site of an unfinished house. Frag-
Abyss and island. Dream and nightmare. Love and death.
scenery is arranged with fragments of the three paintings “Embarque-
ments and figures of the three paintings “Embarquement to Kythera“ by
Eternal places. Eternal night. Prisons with a sea view. Below
ment to Kythera“ (1710, 1717, 1718) by the French18th century painter An-
Watteau, so called „Fêtes galantes“ paintings, that show the courtly-aris-
and above the sea level. The myth of the journey to the island
toine Watteau.
tocratic society of the 18th century searching a place to hide as a refuge
“POSTHUMAN COMPLICITIES“ XHIBIT Academy of Fine Arts Vienna 2017
from their privileged life and their love adventures free from pain, mix with
of love ends in turning away from the world. At the bottom of the sea, where the blue gold has turned into black. Into a fic-
Projecting directly onto the floor on the one hand suggests the impres-
the “projection screen“ and at the same time „disturb“ the free view to the
tion. Into a projection. Everything here and there becomes
sion of an island, on the other hand the view of the spectator is directed
sea. The suggested “stage“ of the filmed image reminds and follows the
endless.The reversal of the inverted world is a reversal.
into the deepness of the ocean, into a dark hole. The spectator himself
stage character of the original paintings of Watteau.
Part I Monitor, Headphones HD/Found Footage, Sound 09:15 min,16:9, Loop Videolink: https://vimeo. com/209014620
Part II Projection on grey wood, 2,25 x 1,50 m 14:08 min, 16:9, Loop Deep Sea Footage Videolink: https://vimeo.com /209221642 The installation results from the work on the film “Wreckage
On the sound layer fragments of the 1988 film “Dangerous Liai-
a better world - freed from all human indeterminableness, describes a
takes a Holiday” which, in open form, is the second episode of
sons“ are assembled to a montage about love and failure. The
society without exploitation and one-sided accumulation of wealth which
a three-part confrontation (Part I see Portfolio, TRADING STO-
film is about the love intrigues of the illustrious society of the
is determined by a well-intended draft of playful and therefore cruel in-
RIES and Part III “Atlantis Mon Amour”) for 2019). The resulting
18th century that in the end fail by their self-created amuse-
tentions by a humanistic intellectual of the 16th century. A world with a
installation video deals with the content of the second part of
ments, plots and rules. The protagonists end in social decline and
totally predictable future turns into a world without a future, a distopia.
the episode project.
death, becoming actors of their own wrong game. In the follow-
On a symbolic level Utopia and Kythera - both islands - become prisons
ing centuries Watteaus paintings were taken as an ideal by differ-
with a sea view. In both cases the lavishness of a privileged European so-
ent societies for their utopian escapes.Utopia - the ideal draft of
ciety is criticized.
TRADING STORIES
https://vimeo.com/120679925
A Cargo Named Desire
HD/ Found Footage, 41:56 min, 16:9, 2016 Lange ist sie da draussen, auf der hohen See der Bilderwelt, in diesem Meer des gefilmten Verstummens umhergetrieben. Und schließlich wird sie jemandem vor die Füße gespült. A MESSAGE IN A BOTTLE. Ein versiegelter Fetzen Bilder und Worte mit keinem Adressaten, außer dem Zufälligen, der ihn findet und zu sehen beginnt. Trading Stories ist eine Spurensuche und erzählt eine, oder mehrere Geschichten über das Geschichten erzählen und über die Liebe. Aber er erzählt keine Liebesgeschichte. Basierend auf einer Reise von Hamburg nach Qingdao im Jahre 1905 von einem Urgroßvater der Regisseurin, begab diese sich auf dessen Spuren mit einem Containerschiff. Der Weg führte über Hamburg, Antwerpen, Suez und Singapur nach Qingdao in China. Heute eine wichtige Handelsroute. Und das gedreht Material ist deshalb in einem marktwirtschaftlichen Kontext ver-ortet. Doch das von der Regisseurin verfolgte Thema bringt es mit sich, dass die Suche nach der Geschichte nicht ohne Seitensprünge in fremde Bilder und Texte einhergeht. Nur im „Fremdgehen“ ist die Geschichte zu erzählen und wird so zu einer „Irrfahrt“ auf dem Ozean der Symbole, Bilder und Gefühle. In einer Collage aus dem dokumentarischem Bildmaterial der Reise, Found Footage aus dem Internet und Filmen, sowie Text aus allen möglichen Quellen oder eben selbstverfasst, wird ein ständiges Zwischen-den-Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Empfinden und Anziehung verhandelt, das im Kontext globaler Marktstrukturen steht. Dieser Film ist wie die Botschaft in einer Flaschenpost, die auf dem Meer treibt, vom Zufall bestimmt, vom Nicht-Kontrollierbaren, Nicht-Bestimmbaren innerhalb einer Welt der Kontrolle und ohne Zufälle - dem Seehandel. Dieser Logik folgt er, in der Montage und in seinen Überlegungen, die ihm zugrunde liegen. Er gleicht einem Tauchgang in das Unbewusste, in seine Abgründe und Tiefen. Die Flaschenpost überbringt keine Schatzkarten mehr, sondern Geschichten vom Vergessen, Unendlichkeit, Tod und Scheitern als Botschaft. Und überhaupt - eine Flaschenpost ist romantischer Müll, wo doch soviel Müll schon produziert wird… Das Risiko der Seenot ist die Alternative zum Stillstand. Das Meer ist lebendige Unendlichkeit und lebendige Gleichgültigkeit. Ein Massengrab unserer Gesellschaft. Aber Ambivalenz war schon im Urbild des Schiffes angelegt. Aus dem un-
bruch erweist sich, nachdem alle Grenzen überschritten wurden, als bloße Episode, ganz gleich, wie oft er sich wiederholt. (Durs Grünbein, Die Bars von Atlantis) Zwischen dokumentieren und dramatisieren setzt sich das Video mit einer gegenwärtigen komplexen politischen, sozialen und ökonomischen Situation auseinander, in der sich innerhalb des kapitalistischen Systems Liebe, Ökonomie, Handel und individuelle, historische und kollektive Geschichte gegenüberstehen. Verhandelt werden Dimensionen und vermeintliche Auswirkungen einer globalisierten, technologisierten und vernetzten Welt, die sich auf Ebene der Empfindung äussern. Nicht die „Verursacher“, sondern die „Symptome“ werden sichtbar, die einem Kreislauf des Scheiterns entsprechen. Das Containerschiff, dessen Fracht oder Last die der Geschichte und aller Geschichten und auch der Liebe ist, wird zur Metapher für das Unbewusste, Modell für die menschliche Seele, zum symbolischen Repräsentanten des Körpers einer Gesellschaft, Symbol für den Aufbruch und das Wagnis des Lebens und spiegelt seine Spannungen, Ambivalenzen und Widersprüche wieder. Die Maschine ist eine Zeitreisende. Und die Menschen werden zu Maschinen aus Wünschen und Sehnsüchten, die lauschen. Die unterschiedlichen Stimmen vermischen sich. Die Bestandteile der Geschichte und ihrer ProDie unterschiedlichen Stimmen vermischen sich. Die Bestandteile der Geschichte und ihrer Protagonisten, sind Klischees und Wiederholungen, Massenprodukte und endlose Kreisläufe - wie der Markt selbst. Denn wenn die Geschichte (oder die Liebe) schließlich auf ihren Gegenstand treffen, wenn sie einander treffen, um sich zu einer Liebesgeschichte zu verbinden, dann entsteht so ein Bild, das so ähnlich sein könnte, wie das von dem riesigen Containerschiff, das, aus vollkommen unklaren Gründen vom Kurs abgekommen, direkt auf einen Sportplatz zusteuert. Das ganze Leben hat man darauf gewartet, sich genau in diesem Augenblick zu begegnen, und dann das…Oder wie das Brautpaar zu Beginn, dessen Geschichte gerade angefangen hat, sieht man zu einem späteren Zeitpunkt im Film, dass es sich um viele Brautpaare mit vielen Geschichten handelt. Es ist nicht eine Geschichte, es sind viele. Die vermeintliche Einzigartigkeit ist eigentlich ein milliardenfacher Gemeinplatz.
wahrscheinlichen Wagnis des Schiffes angelegt. Aus dem unwahrscheinlichen Wagnis der Meeresbezwinger, sind dieKatastrophen unserer Kultur geworden. Auch der Schiff-
“Wer romantisch bleibt, obwohl er dazulernt, der wird ein Ungeheuer. Wer nicht dazulernt, aus dem wird ein Narr.”
STATE OF STAGE (RELOAD) Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 45 cbm
BESCHREIBUNG UND INHALT STATE OF STAGE (2013) BEI DER BESCHREIBUNG DES VIDEOS VON 2013/PORTFOLIO
Kinoteppich, Vorhang1 Glitzerstoff, Vorhang 2 Bühnenmolton, Zwei LED Leisten, Spiegel, Projektion, Beamer, Sitzbank, Lautsprecher liegend Loop, Found Footage, Sound, 14:36 min, 4:3 2017
Der Boden ist mit einem Kinoteppich mit Sternenmotiv ausgelegt und
schreitens durch den Zweiten Vorhang zur Projektionsfläche selbst. Als
grenzt an den Eingangsbereich der Kunsthalle. Er erinnert an einen
Publikum werden wir plötzlich zu den Akteuren innerhalb dieser Raum-
umgedrehten Himmel, oder einen “Walk of Fame”. Etwas weiter in den
situation. Obwohl wir “hinter“ der Bühne stehen, befinden wir uns plöt-
Raum hineinversetzt, befindet sich der Eingang. Dieser ist mit einem
zlich “auf“ der Bühne, doch glamourös ist es hier nicht mehr. Der Spiegel
silbern glitzernden Vorhang, der an Kleinkunst erinnert oder an Wel-
uns gegenüber erinnert an die Projektionsfenster im Kinosaal, doch aus
Die Videoarbeiten von Jennifer Mattes (* 1982 ) siedeln an der Schnitt-
Kernstück des Videos bilden die von anonymen Internetnutzern ge-
traum, auf jeden Fall irgendwie glamourös, verschlossen. Wie ein Lock-
ihm kommt nicht der Film, im Gegenteil wird er zu unserem Abbild und
stelle verschiedener Genres, darunter Dokumentar- und Essayfilm,
filmten Ortsbegehungen verlassener Kinos, die Mattes auf der Video-
stoff, der sich dem Körper gleich einer zweiten Haut anschmiegt, soll
zum Refexionsinstrument der Projektion, die durch den Beamer auf den
Hollywoodkino oder Youtube-Clip. Ein Kennzeichen ihrer künstler-
plattform Youtube aufgespürt hat. In Kombination mit weiteren Film-
er den Betrachter dazu einladen, den Raum dahinter zu betreten. Durch
Molton fällt und das Bild psychedelisch und organisch verformt. Da wo
ischen Praxis ist die Arbeit mit bestehendem Filmmaterial aus den
fragmenten und Tonspuren aus dem Netz hat die Künstlerin diese zu
diesen Vorhang betreten wir die ”Schleuse”. In schummrigem LED Licht,
sich die Leinwand befinden könnte, befindet sich der Spiegel und eröff-
visuellen Datenbanken des Internets – sogenanntem Found Footage
einer Meta-Erzählung über theatrale Räume und identitäre Rollen-
das auf einer Leiste auf 2,20 Höhe an der Wand hinter dem Eingang an-
net uns den Blick auf uns selbst und in einen virtuellen Raum “dahinter“,
– das sie zu neuen Erzählungen kombiniert. Zusammen mit selbst
spiele verdichtet. Während der Monolog einer Schauspielerin aus dem
gebracht ist, befinden wir uns erneut hinter einem zweiten Vorhang, der
der sich aus der Spiegelung des Raumfragments mit Projektion ergibt.
gedrehten Filmsequenzen ergeben sich hieraus präzise Analysen
Off den Betrachter in reflexiver Distanz zum Bildgeschehen hält, über-
in den sich öffnenden Raum von 4 Metern Höhe in einem klassischen
Wir stehen im “Rampenlicht” des Beamers, der die morbiden Bilder der
zeitgenössischer Bildkultur sowie humorvolle Kommentare zu ihren
tragen Tondramaturgie und kalkulierte Spannungsbögen die affek-
Faltenwurf harabfällt. Dieser Vorhang ist aus schwarzem Bühnenmo-
verlassenen Kinos und Theater auf den Molton projiziert. Der Teppich
favorisierten Themen Suche, Scheitern, Liebe und Begehren.
tiven Markierungen von Theater und Kino auf die Rezeptionssituation
lton. Wir gehen durch ihn hindurch und befinden uns in dem Raum da-
mit den Sternen ist am Boden verlegt, aber er ist kaum noch sichtbar.
Im Studioraum 45cbm der Kunsthalle wird die Künstlerin ihre Video-
der Ausstellung. In ihrem Entwurf für Baden-Baden – der Einrichtung
hinter. An der Wand uns gegenüber fällt der Blick in einen schmalen
Nur durch das weiche Auftreten erinnert er uns an ein Zuhause. Am Ende
arbeit „State of Stage“ (2013) in einer ortsspezifischen Installation neu
eines Backstage-Bereichs, der zugleich die spezifische Raumsituation des
Spiegelstreifen, der den Raum optisch vergrößert. Hier spiegelt sich un-
des Raums befindet sich am Boden eine weitere LED Leiste, die ausser
präsentieren. In montierten Szenen kreist „State of Stage“ um die per-
Kunsthallen-Entrées in sich aufnimmt – wird Mattes diesen Wirkungsef-
ser Bild und das der Projektion, das in diesem Moment des Betretens auf
des Beamers, der auch die abgewandelte Funktion des “Scheinwerfer-
formative Herstellung individueller Selbst- und Fremdbilder auf der
fekt gezielt inszenieren.
uns fällt. Unser Körper wird durch den performativen Akt des Hindurch
lichts“ übernimmt, die einzige Lichtquelle im Raum darstellt.
Bühne des Lebens wie im virtuellen Raum neuer Medientechniken.
Text: Marie Himmerich
Installationsansichten “STATE OF STAGE“ (RELOAD), Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 2017
TIME TO STAY GOODBYE - THE CASE
Ausstellungsansicht Kunsthalle Exnergasse “SEARCH FORM“, 2016
Die Installation ist eine Recherchearbeit zu einer aus drei längeren Episoden bestehenden Arbeit (Teil 1 siehe Portfolio, TRADING STORIES, 42 min), bei dem zwei weitere Filme entstehen werden (“Schiffbruch mit Zuschauer” 2016/2017 und Teil 3 “Die Bars von Atlantis“, geplant für 2018/2019).
Glaskubus, Rückprojektion, Holzpodest, Minibeamer, Speakers, Loop HD und Found Footage, Sound 29:12 min, 16:9 2016
LINK (Installationsvideo): https://vimeo.com/209197872
Am Anfang war das Rätsel. Und der Koffer. Koffer voll irgendwas. Bilder, Informationen, Erinnerungen, Müll. Aufgeblasen wie ein Ballon,
Die geplante Recherche Arbeit und daraus entstande Installation knüp-
der zu schwer zum Fliegen ist. Alles hat einen Gemeinplatz, der das
ft an eine vorausgehende Arbeite (Trading Stories) an. Sie führt eine Fig-
Bilderbuch, die Bibliotheken von Babel, die Müllhalden vereint. Nennt
ur - die des Tauchers ein und fort. Dieser befindet sich zwischen zwei
es Archiv oder Kanon oder Gedächtnis, auf den Namen kommt es nicht
Welten und zwischen zwei Filmen. Gefangen und auch ausgestellt in
an. Irgendwo dazwischen bewegt sich ein kollektives Gedächtnis. Die
einer laborartigen Situation, dem Glaskörper. Er/Sie strandet auf der
Projektionsfläche. Erst die „archivarische Geste“, ein Akt der „Konsig-
Insel Kithera, dem Geburtsort von Aphrodite und auch Motiv einer
nation“, eine Verortung in ein Zeichensystem macht das Archiv, macht
aus der Kunstgeschichte stammenden dargestellten Utopie auf den
den Autor, den „neuen Archivar“. Welches ist die zu erzählende Ges-
Fete-Galantes Gemälden des französischen Malers Antoine Watteau
chicht?
aus dem 18. JH. Diese Gemälde wurden im Laufe der Geschichte forlaufend von, auf die höfisch-aristokratische Gesellschaft Frankreichs
Hier ist meine Bühne, mein Land, meine Grenze, mein Selfie. Dies ist
folgend, immer wieder neuen Gesellschaftsschichten für deren uto-
das Archiv. In das ich eintauche - Das Meer. Das Bildermeer. In der Pro-
pische Zwecke adaptiert und zum Ideal erklärt. Anhand der Auseinand-
jektion des Subjektiven wird es unser Ozean, wird das “unser Unser”,
ersetzung mit einer “gelebten” Utopie und dem Motiv der Weltflucht,
unsere Ermittlung, unser Forschungsgegenstand. Finden bestimmt
aber auch der Aneignung von Geschichte und Bildern, versteht sich
diese Suche. Denn dieser Ort benennt Dinge, die dadurch erst zu Ding-
die Installation als Recherchearbeit zu den eigenen Rechercheproz-
en werden. Während man nach ihnen sucht.
essen innerhalb der geframten, laborartigen Situation und symbolis-
Das kollektives Gedächtnis wächst in Bilderhalden und wickelt sich
iert inhaltlich die Hilflosigkeit auf der Suche nach der Geschichte, die
um unsere Bewegungen, Träume und Sehnsüchte. Bis an den Grund
vom Verdunsten des Wassers im Glaskörper, dem sie buchstäblich zu
des Meeres. Bis ans Ende der Erinnerung. Immer Mythos. Von hier
Grunde liegt, ständig bedroht wird .
aus schauen wir ins Leere. Schiffbruch mit Zuschauer. Und Taucher. Zwischen Auftauchen und Ertrinken.
A DIVE
Part 1 & Part 2
Glaskubus, Beamer, Speakers, Rückprojektion, Loop, Found Footage 22:44 min, 16:9 2016
Videoprojektion, Spiegel, Flossen, an die Wand montiert, Loop, Found Footage, Fotografie 19:10 min, 16:9 2016
Die Installation besteht aus zwei Videos. Das erste Video zeigt
von Planeten. Der Raum ist bis auf die Projektion abgedunkelt. Das
Ausschnitte von Unterwasservideos, die Perspektiven, Blickrichtung
Objekt kann umgangen werden, es ist möglich hineinzusehen oder
an die Wasseroberfläche von unten zeigt. Diese stellen, in einen Ablauf
hineinzufassen. Der Ozean wir in einem kleinen Aquarium “geframed“,
gebracht, den Zustand zwischen Auftauchen und Ertrinken dar. Eine
gerastert, konzentriert. Er beschreibt den Prozess einer “Einbettung”
Zwischenwelt voll sonderbarer Bewegungen, Rhythmen und Lebe-
(politischer) Ereignisse und Themen in einem subjektive Deutungs-
wesen. Die Projektion der Blickrichtung nach Oben befindet sich am
rahmen durch massenmediale Akteure auf einer symbolischen Ebe-
Boden eines Aquariums als Rückprojektion, das mit Wasser gefüllt
ne. Die zweite Projektion zeigt ein Video mit Ausschnitten aus der
ist. Dadurch findet ein Perspektivenaustausch/Umkehrung statt, an-
bioluminiszierenden und fluoreszierende Tiefseewelt und sogenan-
schließend verdoppelt sich das Bild an der Decke zu einer durch das
nten schwarzen Rauchern am Meeresboden. Dieses Videobild ist
Wasser verzerrten Projektion. Das Bild wird prismaartig mehrfach
gedoppelt mit einem Bild des Universums und Sternen. In der Pro-
durch den rechteckigen mit Wasser gefüllten Glaskörper, dem Dis-
jektion befindet sich eine runde Spiegelfläche, die an ein schwarz-
play, gebrochen. Der Taucher, als Protagonist, befindet sich in einer
es Loch erinnert und ein Bild an die Wand gegenüber spiegelt, das
kontinuierlichen Bewegung zwischen Abwärts und Aufwärts.Der im
an den Blick aus einem Bullauge erinnert. Der Betrachter befind-
Vergleich zum Bild den Raum einnehmende atmosphärische düstere
et sich als Forscher oder Taucher selbst im Inneren eines Schiffes
Sound besteht aus Unterwassergeräuschen und Geräuschkulissen
oder einer Kapsel auf einer Expedition/Reise am Meeresboden.
VIERTEL NACH EDEN HD, 27:06 min, 16:9, 2014
https://vimeo.com/91219892
Videoinstallation View Birgit Jürgenssen Preis 2014
sieben geometrische Sitzobjekten, “Strandgut nach Schiffbruch“ Holz, verschiedene Maße, grau (Liege stehend, Liege gekippt, Kiste Rum, drei Koffer) Tribühne, Holz
https://derstandard.at/1395364626583/Eine-Taucherin-in-der-Bilderflut
Stell dir vor, es ist Paradies und du musst bleiben
„Viertel nach Eden“ ist ein Film, der sich mit den Abgründen eines alternden, verlassenen und zum Verkauf stehenden Paradieses beschäftigt, angesiedelt zwischen Normalität, Absurdität und Surrealität. Die Hauptrollen spielen Orte, Objekte und Szenarien der Aussteigerinsel La Gomera. Jene werden zu Anschauungsobjekten, Monumenten für eine Landschaft, in die sich die Spuren des Verfalls und der Regeneration durch die Natur sichtbar eingeschrieben haben. Das Paradies scheint nicht zu sein, was es einmal war, sondern nur eine Insel, die den Gesetzten von Wirtschaft und Gesellschaft unterworfen, und von der Sichtbarkeit kultureller Spuren gezeichnet ist. Die Grenzen zwischen Dokumentation und Fiktion vermischen sich und bilden in einer symbolischen metaphorischen Bildsprache die Grundlage der filmischen Umsetzung der Auszüge imaginierten Landschaft. Ein umgekehrter Eskapismus, der zu einer Falle geworden ist und sich in dem ankommenden und gestrandeten Schiff, der Arche, wiederspiegelt, die ihre Rückreise nicht mehr antreten wird. Viertel nach Eden ist Viertel nach Eden ist das Portait eines ausgebrannten Paradieses, dessen Bedeutung sich verändert hat oder schon immer eine andere gewesen ist. Menschen kommt die Kamera da am nächsten, wo sie auf Fotografien abgebildet und für die Nachwelt festgehalten sind. Das Paradies hat ein Ablaufdatum. Wonach suchen wir dort? Ist es der Blick von außen nach innen oder der Blick von innen nach außen. Womöglich beides. Die Möglichkeit der Rettung in der Transzendenz scheitert. Die Erlösung bleibt aus und wird zu einer Auferstehung des nicht Kontrollierbaren, zum Phantasma, zum Alltag.
STATE OF STAGE Found Footage, 14:36 min, 4:3, 2013
https://vimeo.com/91604501
Das Video beginnt mit Textauszügen aus John Cassavetes “Opening Night“, in welchem die Schauspielerin Myrtle Gordon (gespielt von Gena Rowlands) eine Krise erleidet. Sie soll die Rolle einer Alternden in einem Theaterstück spielen und gibt Virtuelle Abbilder verlassener Bühnen und The-
sich daraufhin in Selbstzweifel, während der Pro-
ater werden zum fiktiven Set der Akteure auf ihrer
ben dem Alkohol hin, da sich ihr eigenes Leben, ihre
Suche nach Identität, nach einer Rolle. Alles be-
eigenen Ängste mit dem ihrer Rolle vermischen.
ginnt mit dem Blick auf den Screen und endet mit
Am Ende wird ihr betrunkener Auftritt ein Erfolg.
dem Blick aus ihm heraus. Durch Eintauchen in
Als nächstes hört man Auszüge von Anweisun-
subjektive Sichtweisen und Perspektiven werden
gen der Schauspiellehrerin Uta Hagen in ihrer
Beobachter zu Beobachteten. Ein Rolletausch
Schauspielklasse, die über Charakterentwicklung
wird inszeniert: Publikum einerseits als Kon-
und den Umgang mit dem Publikum, sowie der
sument und andererseits als Produzent.
eigenen Rolle auf der Bühne spricht. Diese Textfragmente treten in Dialog mit jenen der Amateurfilmern aus den Youtubevideos und ergeben so, indem sie ihrem ursprünglichen Kontext entzo-
„State of Stage“ ist eine Auseinandersetzung mit
gen wurden, eine befremdliche Doppeldeutigkeit.
verschiedenen “Zuständen” oder Bedingungen
Eine Auseinandersetzung dieser Amateurfilmer
von Bühnen, Orten der Selbstpräsentation und
mit ihrer “Rollenentwicklung“, ihrer Suche entste-
Darstellung. Die Herkunft des Materials verändert
ht. Ein Szenario der ungeplanten, uneinsichtigen,
den Inhalt, wandelt und bestimmt ihn (Marshall
nicht vorhergesehenen Probe entsteht. Der Bogen
McLuhan). Durch seine virtuelle Herkunft ver-
wird weitergespannt, über den Projektionsraum
sucht “State of Stage” an der Schnittstelle von
im Kino, der zu einem Körper zu werden scheint,
Kino, Theater und Internet, unter Verwendung un-
einem Ort an dem Emotionen erlebt werden, hin
terschiedlicher Quellen im Off, Themen wie Suche,
zum eigentlichen Film(material), und dem Holly-
Identität und Selbstdarstellung, sowie den film-
woodkino schlechthin. An dieser Stelle tritt Tomata
ischen, performativen und virtuellen Raum zu un-
du Plenty aus Rene Daalders Undergroundmusical
tersuchen, aber auch der Frage der Vermischung
“Population: One“ hinzu, der, nach einer nuklearen
jener nachzugehen. Die unterschiedlichen “Büh-
Katastrophe als einziger Überlebender auf Erden
nen” (leerstehende Theater und Kinos, das Inte
mit Hilfe seiner Erinnerung an anderen Menschen,
net selbst als performativer Raum und zuletzt
diese zum Leben erwecken kann. Er lebt fortan in
analoger Film) stehen bildlich für den “Zwischen-
einer Welt der Projektionen in einem dunklen Bun-
raum” der, mittlerweile oder von je her verlassen,
ker, ausgestattet mit jeder erdenklichen Technik
eine Art Leerstelle entstehen lässt, obwohl an
und erfindet die Geschichte.
diesen Orten große Gefühle und Emotionen verhandelt, vermittelt und erlebt werden.
Hello World! (travelling in progress)
Screenshots taken from the videoblog
Videoblog from the Research of “TRADING STORIES” (2015) underlying travel report of 1905, 2012
world-wide-wayfarer.blogspot.co.at
On the basis of a travel report handed down by my great-grandfather
In order to remain faithful to this “network” of globalization, on a sym-
from 1905, in which he was traveling with the navy from Hamburg to
bolic level, and to highlight the personal private aspect of these and
Qingdao to the first overseascolony of the still existing “Kaiserreich”,
other networks, individual videos were added to the individual but cu-
I began to be interested in this topic. Later my film TRADING STORIES
rious diary entries of my great - grandfather, based on his irritating de-
would emerge from this (see above).
scriptions and location data Respective stations. I set this up by going
Now, however, this travel report was neither poetic nor pathetic, or
to this “original route” in the social network of Youtube. The sober diary
about romantic - which I had hoped for, as my longing had been awak-
entries I took as subtitles for the individual virtual travel stations and
ened by this old document, typed by a cousin, for posterity. This colonial
blog entries. This resulted in the following Videoblog in diary form from
enterprise I wanted to critically illuminate in an artistic work and make
the original strange descriptions of this strange stranger “Rüger” and
it the starting point of my own narrative. My story and the history of the
the images of strange people who had uploaded these videos to the
others connect.
respective locations. I kept the original soundtracks of my “travel au-
In my research I came to the results that this route was a today very
thors” as well as the original text extracts from my great-grandfather
busy and very important sea route. To this extent, the whole of today’s
to preserve the authenticity of the research blog. Just as the report of
global market structures, which were invisible in context, played out,
1905 was held up and handed over to the year 2012, so the partially de-
which became important for the whole work, also with regard to the
leted videos of the users are still preserved by my recontextualisation
later film. Far from our societies, our senses and our consciousness,
for the posterity and stand for the digital tracks, which despite their
but in the midst of a myth of longing, wanderlust, and holiday fantasies.
invisibility - equal to the navigation - into the history.
Illustration of the steamer “Silvia” from 1905, the original ship from the travel report, above: the port of Tsingtao
Deviation List To Happyend Unhappy Tutorial Found Footage und Mini DV, 10:22 min, 4:3, 2010
https://vimeo.com/91607594
“To Happyend Unhappy Tutorial“ ist ein Film über Liebe. In sieben Kapiteln werden, ausgehend vom Thema als “central deepest meaning provider for our lives“, Folgen einer überdimensionierten Selbstauseinandersetzung und daraus resultierende Unfähigkeit, das eigentliche Ziel zu erreichen, glücklich zu werden, untersucht. Alles scheint sich nur noch um die Frage “but how do we go about getting it?“ zu drehen, während Gurus damit reich werden, ihr Seelenheil an Verzweifelte zu verkaufen, Erlösung versprechen oder Selbsthilfegruppen wie Pilze aus dem Boden schießen. Das „Tutorial“ beschreibt einen Ablauf, wie in sieben Schritten vorgegangen werden könnte. Klischeehafte Verhaltensmuster werden verwendet, um in ironischer Manier zusammengewürfelt und vertrauscht zu werden, auf der Suche nach dem „verborgenen Sinn“. Metaphern wie Frösche, Bäume oder spielende Hunde erhalten durch die Montage mit der Tonspur absurde Bedeutungen. Fragmente der Originalsoundspuren der Youtubevideos sind auf der Soundebene aneinandergefügt und entstammen Videokanälen von “Faster EFT”, “the Player Supreme”, “Zenmack.com”, “Schnellhypnose.de”, “Wealth Vibes” und “Depression End”. Ein Remix, der den ursprünglichen Inhalt, dem Kontext entnommen, entfremdet und auf inhaltlicher Ebene zu einer ad absurdum geführten Bedeutung zusammenfügt. Eine Selektion, die die Bedürfnissen der Konsumenten (nicht) erfüllt. Ein Film über die Richtungslosigkeit einer Suche in der gegenwärtigen Welt.
No Titel Abgefilmte und animierte Überwachungskamerafotografien Farbe und SW, 06:14 min, 4:3, 2010
https://vimeo.com/92125798
Ausgangspunkt dieser Arbeit bilden Fotos von Überwachnungskameras, die im tschechischen Chomutov auf der Straße installiert wurden, um Bilder von Freiern zu machen, die extra eine Reise an den Grenzstreifen und “längsten Strich” Europas vornehmen. Diese Bilder werden direkt auf der Polizeiseite von Chomutov online gestellt und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine Abschreckungsmaßnahme, die letztendlich auch dazu führt, dass die Problematik von der Straße in Privatwohnungen verlagert wird und so auf Kosten der Frauen geht. Der dazugehörige Text wurde aus dem Internetforum „strichweb.com“ zusammengestellt, in welchem die Kundschaft dieser Regionen ihre Erfahrungen austauscht und sich gegenseitig ermutigt. Ich habe mich als Kunde angemeldet, um in den Foren lesen zu können. Der Text wurde danach aus einzelnen Teilen von Beiträgen so zusammengestellt, dass er neuen Inhalt sinnentfremdet wiedergibt. Auf diese Weise soll versucht werden, bewußt eine falsche Perspektive und Romantisierung darzustellen, um so auf den ambivalenten Charakter der Problematik hinzuweisen. Gleichzeitig bleibt auf visueller Ebene “unsichtbar”, was offensichtlich ist. Die Darstellung besteht aus abgefilmten Sequenzen und Ausschnitten dieser Überwachungsbilder vom Computer. Obwohle die Texte vermutlich ausschließlich von Männern stammen, ist als Erzählerstimme bewußt eine weibliche Stimme verwendet worden.
M.ANY Found Footage, 08:22 min, 4:3, 2009
https://vimeo.com/91612297
M. ANY besteht aus Found Footage Videomaterial von Amateurfilmern,
Der Blick durch die Räume ist ein - durch mich ein zweites mal ma-
die Beiträge ihrer Wohnungen ins Netz stellen und somit Zugang bzw.
nipulierter - konstruierter Blick, der sich auf visueller Ebene immer
Einblicke in ihren Privatraum ermöglichen. Lebensräume, die etwas
weiter fortsetzt. Der durch Fortführungen und Verdoppelungen erzeu-
über ihre Bewohner verraten, die Intimsphäre. Die unterschiedlichen
gte Raum erscheint künstlich entfremdet und wird zu etwas Bedrohli-
Videoausschnitte werden miteinander zu einer Architektur verbund-
chem. Der Betrachter wird zum Stalker. Grenzen zwischen privat und
en und durchschritten. Künstliche Übergänge werden hergestellt. Bild
öffentlich, zwischen Innen und Aussen, Subjekt und Objekt verschwim-
und Ton sind voneinander getrennt. Das Foto, Konservierung und Mo-
men, werden sichtbar und stellen das Realitätsprinzip von wahr und
ment vom Tod des Autors nach Roland Barthes, taucht immer wieder
falsch in Frage. Eine Inszenierung, eine Solo - Show, die sich wieder und
innerhalb des ursprünglichen Mediums, in Form von Unterbrechungen,
wieder innerhalb des Mediums selbst reproduziert und zu einem neuen
Störungen, Irritation und Stillstand auf. Alle zusammen ergeben Ein-
Ge-satmtbild, innerhalb einer künstlich hergestellten Welt, dem Inter-
blicke in eine absurde seltsame Szenerie der Überwachung und Selb-
net, aneinanderfügt. Eine Bühne, die die eigene Wohnung zur Bühne,
stentblößung. Ein Ensemble von Zeichen, Bildern und Übergängen, die
die von der Öffentlichkeit mitbespielt wird, macht. Ein virtueller Blick
sich zu einer Narration zusammenfügen. Das Internet wird zum the-
in den Innenraum, in die Seele - durch den Apparat, den Screen. Das
atralen, performativen Raum, zur Bühne der Selbstinszenierung. Das
Spiegelbild wird Selbstbildnis und Schwelle zu einer sichtbaren Welt.
eigene Spiegelbild bekommt eine neue Bedeutung. “Im Spiegel sehe
Beziehungen zwischen der Innenwelt und der Aussenwelt, zwischen
ich mich dort, wo ich nicht bin, in einem irrealen Raum, der virtuell hinter
real und virtuell, zwischen anwesend und abwesend entstehen. Der
der Oberfläche des Spiegels liegt. Ich bin, wo ich nicht bin...Aber zugle-
Bruch des Kreises von der Innenwelt zur Umwelt bringt laut Jacques
ich handelt es sich um eine Heterotopie, insofern der Spiegel wirklich
Lacan die unerschöpfliche Quadratur der Ich-Prüfung hervor. Eine Zer-
existiert, und gewissermaßen eine Rückwirkung auf den Ort ausübt, an
stückelung des Körpers befindet sich in ihm und in seiner räumlichen
dem ich mich befinde. Durch den Spiegel entdecke ich, dass ich nicht
Befangenheit. Genauso, wie die Wohnung in einzelne Fragmente zer-
an dem Ort bin, an dem ich bin.” (Michel Foucault, Von anderen Räumen)
stückelt wird, und so, durch deren Aneinanderfügen ein neues Gesamtbild entsteht, konstruiert sich eine Identität, die sich und allen anderen im Spiegelbild begegnet.
Blind Couple Analoge Fotografien und Found Footage, Loop, 09:03 min, 2008
https://vimeo.com/91644393
Das Bild in “Blind Couple” wird durch einen Splitscreen getrennt. Beide Videos in den einzelnen Screens gehen von einem unterschiedlichen Ursprungsmedium aus. Private Fotos aus dem Familienarchiv treffen auf öffentliches Videomaterial, analog trifft auf digital. Der Anordung der Fotografien, entstanden zwischen ca 1925 und 1946, die in einer statischen langsamen Bewegung eine Schwerfälligkeit der Vergangenheit repräsentieren und einer abstrakten Geschichtserzählung folgen, werden Videos der Internetplattform Youtube nebenangestellt. Beide Bilder repräsentieren zwei unterschiedliche Zeitebenen von Vergangenheit und Gegenwart. Dokumentation von Vergangenheit trifft auf Dokumentation von Gegenwart. Archiv auf Archiv. Beide verbinden sich auf visueller Ebene, wechseln ihren Platz, existieren einer in der “Zeit“ des anderen, um wieder zu einzelnen Fragmenten zu werden und sich voneinander zu lösen. Ein Nebenander unterschiedlicher Geschwindigkeiten und Ästhetiken, die der Verschiedenheit ihrere Herkunft entsprechen. Bewegt und statisch erfordert für das Auge unterschiedliche Sehgewohnheiten. Stets verliert sich der Blick, angezogen durch seine visuellen Reize im digitalen Bewegtbild. Der Ablauf ist geprägt von dem Element Wasser. In unterscheidlichen Aggregatszuständen und Bedeutungen taucht es als Element des Lebens, jedoch gleichzeitig auch als konstante Bedrohung auf. Tragendes und Vernichtendes. Im Splitscreen treffen Szenarien aufeinander, die gemeinsam autonome Zustände beschreiben, sich als Narration ergänzen und dann in einem neuen Bild verlieren, bzw fortsetzt. Straßen, Züge, Schiffe und Flugzeuge, technische Errungenschaften und Fortbewegungsmittel haben Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung genommen und prägen ihren Fortschritt. Dazwischen tauchen Katastrophen auf, die die Utopie der Bilder durchbrechen und immer wieder auf die Rückkehr einer ständigen Bedrohung durch diesen Fortschritt verweisen.
Travel Diary Found Footage, 10:00 min, 4:3, 2008
https://vimeo.com/92127686
Travel Diary ist das Tagebuch einer “Reisenden” von Ost nach West an die deutsch-tschechische Grenze und erzählt die Geschichte einer jungen Frau auf der Suche nach dem Glück, die als Zwangsprostituierte in einer Grenzstadt endet. Das Bildmaterial dieser, anhand von Erfahrungsberichten und Interviews nachempfundenen Reiseroute, wurde ausschließlich der Videoplattform youtube.com entnommen und stellt so die jeweiligen Bilder in einen neuen Kontext. Das Internet funktioniert als “Reisebüro” und wird zur Informationsbörse für Sextourismus. Ein Netzwerk, das auch als Model für globale Wirtschaft betrachtet werden kann. Ein virtueller Raum, der reale mit medialen Wegen verbindet bildet das Set der fiktiven Dokumentation. Virtualität und Realität eines Konfliktes stehen sich gegenüber und werden innerhalb dieses bestimmten Mediums verhandelt und untersucht. Die Anordnung realer Bewegungen von Menschen wird im Virtuellen nachvollzogen. Durch den Einsatz von Found Footage wird die ursprüngliche Bedeutung der einzelnen Videos in der neuen Anordnung in einen veränderten Kontext gestellt und manipuliert. Die Narration setzt sich somit aus unabhängigen, unzusammenhängenden Fragmenten zusammen, die gemeinsam eine neue bilden. Eine Illusion, gleichsam der Hoffnung der Freier und Frauen, die auf ihrem Weg ins “Paradies”an den Klippen des Wohlstandsgefälles gestrandet sind. Das Voiceover wurde mit einem Sprachprogramm aufgenommen, was den Effekt erzeugen soll, entmenschlichte, entindividualisierte und abstrahierte Aspekte der inhaltlichen Gegebenheiten zu verdeutlichen.
XXXX Mini DV & Found Footage, Farbe und SW, 13:00min, 4:3, 2007
“XXXX” ist eine Videocollage, die sich mit verschiedenen Zuständen und Überlegnungen des “leidenden“ weiblichen Individuums auf dem Weg seiner Selbstverwirklichung und auf der Suche nach wahrer Liebe beschäftigt. Ausgangspunkt bildet der Monolog, visuell angelehnt an Samule Becketts “Not I“, der vollkommen in schwarz gekleideten, mit weißem Mund angemalten Schauspielerin, die das Ego verkörpern soll. Jenes “führt Regie” und teilt die einzelnen Kapitel des Films thematisch ein. Auf zweiter Ebene setzt sich der Film mit Godards Nana aus “Vivre sa Vie“ auseinander, die, um sich selbst zu verwirklichen, in die Prostitution abrutscht und schließlich erschossen wird. Die dritte Ebene bilden die Aufnahmen auf einer Theaterbühne, eine Metapher für das Leben als performativen, theatralen Raum. Die Geschichte, die hier erzählt wird ist jene einer Sexpuppe und ihres Liebhabers, die gefangen in seiner Welt nicht entkommen kann und durch eine mediale Flut an Bildern und Erwartungen gefesselt schließlich im Mülleimer landet (aus welchem sie wieder befreit wird). Angelehnt an “Vivre sa Vie” wurden Einstellungen aus dem Originalfilm hier übernommen. Zusätzlich wurden Found Footage Aufnahmen aus Pornofilmen, Stellenanzeigen aus Zeitungen und eigene Typografie und Fotografie verwendet, um die Geschichte zu visualisieren. Die vier ständig wiederkehrenden X stehen einerzeits für unbekannte Variablen und andererseits für eine Überzeichnung des Begriffes “XXX”, der für Sex oder Pornografie eingesetzt wird. Abschließend taucht noch Godards Juliette aus “Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß“ auf, die den Monolog auflöst und für den Zustand der Gleichgültigkeit und somit beliebigen Freiheit, aber auch Emanzipation, steht.