CULTURAL TRANS ACTIONS STEINDAMM
Ein Projekt von
BETEILIGTE KÜNSTLER*INNEN, AKTEURE UND AUTOR*INNEN
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Abbas Haj Hassan Hans Thalgott Hergen Schimpf Iman Shaaban Izzy Thalgott Jan Dubsky Jill Cebeli Kemal Adatepe Lilli Thalgott Marie Haibt Mohammad (Ziko) Ghunaim Mohammad Quwaied Rabea Al Sayed Razan Sabbagh Rayan Farousi Robert Paschmann Sarah Nuedling Weam Issa Open KÜÜK Studio Urbane Landschaften
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„I’am regular visitor. I come here every two weeks.“ „Ich bin öfters hier. Etwa alle zwei Wochen.“ Bezhad und Freund Steindamm Food Stories Foto Hergen Schimpf Interviews Rayan Farousi 2019 4
CULTURAL TRANS ACTIONS ↑ Sketch vom Aufbau der Karte Marie Haibt 2019
↗ Auftaktworkshop im Schorsch 2019 5
Der Steindamm im Hamburger Stadtviertel St. Georg, ist gleichzeitig Basar und Ausgehmeile, Problemkind des Bezirks und gepriesener multikultureller Großstadt-Boulevard. An Werktagen ist ein reges internationales Treiben zu beobachten, die Strasse zieht Menschen aus dem ganzen Stadtgebiet an. Eine erste Recherche zeigte: Der Steindamm scheint unterschiedliche Bedeutungen zu haben. Manche der Befragten erleben ihn als einen Raum, der exotisch und fas-
zinierend ist, manchen bietet er ein Stück Heimat, wieder andere beschreiben ihn als anstrengend und teilweise bedrohlich. Hier treffen verschiedene globale Perspektiven und Biographien aufeinander – Lebensrealitäten, die wir mit unserem Projekt erfahrbar und sichtbar machen wollten.
Uns interessierte das Potential, dass in den unterschiedlichen Wahrnehmung und Bedeutung der Straße steckt. Einem Verständnis von Integration, das vornehmlich als Aufgabe der Zugewanderten gesehen wird, wollten wir mit unserem künstlerischen Ansatz eine Bewegung des Miteinanders entgegensetzen. 6
↑ Mindmap zum Projekt 2019
Das Projekt ist basierte auf Kollaboration. Im August luden wir Künstler*innen und Bewohner*innen ein, sich gemeinsam mit verschiedenen Medien (Fotografie, Film, Performance, Musik…) mit dem Steindamm, und den Menschen die auf ihm unterwegs sind, zu beschäftigen und den Genius loci (Geist des Ortes) zu erforschen. Bestandteile waren die kollektive Kartie7
rung als Raumbildskizze und gemeinsames Essen. In einem abschließendes Event kombinierten wir die künstlerischen und performativen Arbeiten aus dem kollaborativen Arbeiten, die kollektive Kartierung als Raumbildskizze und die internationalen Kochsessions zu einem ‚Creative Community Dinner‘ im öffentlichen Raum.
Auftaktworkshop im Schorsch 2019 8
DAS WIE- TEKRAR DERSE- KARŞILAHEN ŞMA „Wir sind aus Italien zu Besuch hier und noch für ca. 20 Stunden in Hamburg unterwegs. Als Student habe ich an einem Erasmus-Programm teilgenommen und einen spanischen Studenten kennengelernt. Wir haben uns gut verstanden. Einige Jahre nach dem Erasmus-Programm haben wir uns zufällig in Südamerika wiedergetroffen und uns zu diesem Anlass beide das gleiche Armband gekauft.“
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„İtalya‘dan geldik buraya ve Hamburg‘da yaklaşık 20 saatlik bir seyahat yapıyoruz. Öğrenci olarak Erasmus programına katılmıştım ve o sürede ispanyalı bir öğrenci ile tanıştım. İyi geçindik. Erasmus programından birkaç yıl sonra, Güney Amerika‘da tesadüfen tekrar karşılaştık. O gün bize ikinci karşılaşmamızı hatırlatacak bu mavi bilekliği aldık.“
„We are from Italy to visit here and still traveling for about 20 hours in Hamburg.“
Steindamm Objekte Jill Cebeli 2019
سوار
"لقد قدمنا من ايطاليا للزيارة ،لقد استغرق الطريق اكثر من عشرين ساعة لهامبورغ. في حني دراستي في برنامج التبادل الطالبي "ايراسموس" تعرفت على صديق اسباني ،بعد عدة سنوات كنت في امريكا اجلنوبية و التقيت به صدفة يومها اشترينا نفس السوار للذكرى" 10
HISTORISCH!
ENTSTEHUNG DES STEINDAMMS 1750 - 1830
Ein Text von Hans Thalgott Die Entstehung des Steindamms zuerst als Straße und dann als Ausfallstraße über die innere Stadtgrenze hinaus, zwischen 1750 und 1830. 11
Das Gebiet des heutigen St. Georg war im 17. und 18. Jahrhundert eine der Vorstädte außerhalb der inneren Befestigungsanlage der Stadt und noch innerhalb der zweiten Befestigungsanlage entlang der heutigen Lohmühlenstraße. Die innere Befestigungsanlage hatte einen Durchgang, die äußere zwei. Siehe Karte (←) von 1700. Diese Durchgänge waren entsprechend der Absichten der Befestigung baulich unscheinbar, verwinkelt und nicht durch gradlinigen Straßen miteinander verbunden. Im 18 Jh. verloren solche Verteidigungsanlagen aus Wallanlagen, Wassergräben und Mauern ihre Bedeutung. Das
Gebiet zwischen den beiden Anlagen wurde immer dichter bebaut, teils ungeregelt und sehr unterschiedlich in einzelnen Teilgebieten. Im südöstlichen Teil waren Lager- und Arbeitsplätze der Zimmerleute, der. sog. Borgesch.
In einer Karte (↑) von 1750 kann man die ersten neuen Straßenzüge erkennen, die in diesem Quartier angelegt wurden. Die damals schon Strohaus genante Straße war die einzige Verbindung zwischen weiterführenden Überquerungen der beiden Befestigungsanlagen. 12
dem Hansaplatz im Zentrum, Karte (↓) von 1880.
Erst in einer Karte (↑) von 1825 wird die Verlängerung des neu gebauten Steindamms durch das Steintor über die Befestigungsalge hinweg als Projekt dargestellt und ist dann 1841 (Karte ↓) tatsächlich ausgeführt.
In den 1870ger Jahren wird dann das Quartier der Zimmerleute, der Borgesch, der unmittelbar an den Steindamm angrenzte, in ein Wohngebiet umgewandelt mit 13
Diese Bebauung beschließt die Entwicklung der Vorstadt zu einem dichten Wohnquartier. Die Geschichtswerkstatt St. Georg beschreibt diesen Vorgang (→), seinen geschäftlichen und politischen Hintergrund sehr anschaulich. Erst nach dem zweiten Weltkrieg, bei dem sehr große Teile von St. Georg völlig zerstört wurden, s. Karte (↗) von 1945, entwickelten sich die Straßenzüge Steindamm und heutige Adenauerallee bzw. Beim Strohaus zu dem Bürohausviertel, das wir heute kennen.
„1878: Das Geschäft mit dem Borgesch
Willen vertrieben. An sie erinnern heute
Der Hansabrunnen - Zentrum des Han-
nur noch zwei Straßennamen: Borgesch
saplatzes - wurde 1878 eingeweiht. Ver-
und Zimmerpforte.
antwortlich für dieses Projekt war die
Der zentrale Platz wurde zum Hansa-
„Hanseatische Baugesellschaft“, die mit
platz. Die Hauptfigur des Brunnens
der Stadt Hamburg ein - wohl für bei-
verweist allegorisch auf die Hanse,
de Seiten - profitables Geschäft abge-
symbolisiert also die mittelalterliche
schlossen hatte. Die Gesellschaft erhielt
Handelsgesellschaft der Städte und ih-
die Baugrundstücke des Borgesch, die
rer Bürger. Die neu entstandenen Stra-
Gegend um den heutigen Hansaplatz,
ßen wurden nach bedeutenden Hanse-
musste im Gegenzug dazu die Kosten
städten benannt, deshalb also Danziger,
für die Erschließung mit Straßen, Sielen,
Greifswalder, Revaler, Rostocker und
Gasleitungen und Straßenbeleuchtung
auch Soester Straße.“
übernehmen. Die eindeutigen Verlierer waren die Zimmerer und anderen klei-
© 2011 by Geschichtswerkstatt
nen Leute, die den Borgesch bisher be-
St. Georg, Hamburg
wohnt hatten. Sie wurden gegen ihren
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ملون ّ "هنا كل شيء "!وممتع „Es ist sehr bunt hier. Cool!“ Nina und Christin Steindamm Food Stories Foto Hergen Schimpf Interviews Rayan Farousi 2019 16
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كرحلة الى املاضي
GEÇMIŞE SEYAHAT GIBI „Bugün yaşım elliyi geçti. Kendime şahsi irademle takım elbise aldım. O an benim için istikameti geçmiş olan bir seyahat başladı sanki. Bir ilke benziyordu.“
اليوم."جتاوزت اخلمسني عاما اليوم يبدو لي.اشتريت لنفسي طواعية بدلة تقريب ًا متل.هذا و كأنه رحلة إلى املاضي "املشاركة األولى
„Für mich fühlt sich das an wie eine Reise in die Vergangenheit.“ Steindamm Objekte Jill Cebeli 2019 18
„Wenn ich drei Wochen nicht auf dem Steindamm war, vermisse ich ihn.“ „Ich finde den Steindamm furchtbar.“
Kollektive Kartierung 2019 19
„Wir kommen hier mit unseren Kindern, um etwas über Heimat und Leben zu lernen.“
„Mit 10 kg Reis nach Hause, afghanischer Reis. In Schleswig gibt es keinen Reis.“
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„Ist schön hier, die ganze Welt, wie am Gare du Nord in Paris.“
„Einkaufen ist deutsch. Alles ist so ausgeschildert, man muss nicht reden. Aber Läden sind international.“ 21
„Multikulti super sympatisch. München ist neidisch.“
„I avoid to walk on the street, a lot of guys look at me.“
„Hier oben ist eine Moschee. Ich gehe da mit mit meinem Bruder oder Cousin hin. Wir kommen jeden Samstag.“
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„Ich komme nicht zum Kaufen, ich komme nur zum Gucken.“
„Hier gibt es die Sachen aus meiner Heimat, Persien.“
„Essen ist halal, gibt es nicht in Altona.“ 23
„Es wird immer aggressiver hier.“
„Attraktive WGs, günstig, down to earth, normale Menschen“
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"هنا يعيش أناس متعددو الثقافات وهذا ما يشعرني ".براحة البال „Hier wohnen sehr viele unterschiedliche Leute. Ich fühle mich sehr wohl hier.“ Prof. Lolo Steindamm Food Stories Foto Hergen Schimpf Interviews Rayan Farousi 2019
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أتى أيلولSEPTEMBER CAME
محمد غنيم في هامبورغ في احدى االيام اخلريفية ..صباح اخلير يا حلوه مضت أعوام يا أمي على الولد الذي أبحر برحلته اخلراف ّيه وخبأ في حقائبه صباح بالده األخضر وخ ّبأ في، وأنهرها،وأجنمها .مالبسه طرابين ًا من النعناع والزعتر دخان سجائري.…أنا وحدي يضجر ومني مقعدي يضجر ) تفتش (بعد..وأحزاني عصافي ٌر عن بيدر عرفت..عرفت نساء أوروبا عواطف اإلسمنت واخلشب عرفت ..حضارة التعب صباح اخلير من هامبورغ ما أخبارها الياسمينة؟ بها أوصيك تلك الطفلة الطفله فقد..يا أ ّماه ..كانت أحب حبيبةٍ ألبي 27
Text by Mohammed Ghunaim in one autumn day Good morning beautiful… Years have passed, Mom, for the boy who set his sail and went on his fabulous journey, hiding in his clothes mint and thyme leaves. Alone …. my cigarette has become my lonely partner. Both are bored. My sorrows are birds ... looking for the threshing floor. I met a women… I felt the emotions of cement, metal and wood, and the fast food, I knew the tired civilization. Good morning from Hamburg, how is our Yasmin? And my Father?…
Filmstill Lilli Thalgott 2019 28
Filmstill Lilli Thalgott 2019 29
بيت ..سالمات ٍ إلى..سالمات ٌ ٌ سقانا احلب والرحمة إلى أزهارك .. إلى كتبي..إلى تختي..البيضاء وحيطان ..إلى أطفال حارتنا ٍ إلى.. بفوضى من كتابتنا..مألناها قطط كسوالت تنام على مشارقنا ٍ ٍ وليلكةٍ معرشةٍ على شباك جارتنا يا أمي..مضى اعوام عصفو ٌر يخربش في،ووجه دمشق جوانحنا .. وينقرنا..يعض على ستائرنا
Salam… Salam to your house, to your white flowers… to my bed… to my books… to the children of our neighborhood… to the walls that we filled with chaos of our writing… to the lazy cats sleeping on our east and under our neighbors windows. Years ago… mom The face of Damascus, a bird that scribbles on our wings, bites our curtain, and clicks gently from our fingers ..
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..برفق من أصابعنا ٍ ,مضت اعوام يا أمي وليل دمشق ّ تفاح, دور دمشق,فل دمشق ، دكاكني اسواقها، احجارها،دمشق ، مقاهيها، خريفها، مآذنها،وجبلها مسارحها و ساحات،ومالهيها ذاك..…ذكرى ، صور.جنومها ً . أو ذاك املعتقل،املطار وجاء احلزن..أتى أيلول يا أ ّماه يحمل لي هداياه ويترك عند نافذتي مدامعه وشكواه أين دمشق؟ أين أبي..أتى أيلول وعيناه وأين طريق احلرير؟
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Years passed my mother, and the Damascus nights, the blossom, the birds, the little Zukak… its apples, its stones, its shops, its markets, its mountain, its minarets, its autumn, its cafes, its cabarets, theaters and squares that look like stars. A photo, a memory, a kiss… .. that airport, or that prison… September came, O mother.. Sadness came and brought its gifts and left at my window some tears and complaints. September came .. Where is Damascus? Where is my father and his eyes and the Silk Road?
Filmstill Lilli Thalgott 2019 32
ENCOURAGEMENT TEŞVİK AND VE SUPPORT DESTEK „Sometime about 5 weeks ago, at the university, I received this prayer from three for me unknown girls along with glucose as a source of encouragement and support for the examination phase. Since then I always carry it with me.“
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„Yaklaşık 5 hafta önce, üniversitede tanımadığım üç kız bana bu dua kitabını ve yanına şeker uzattılar. Aldım. Sınav dönemi için bir teşvik ve destek kayanağı olarak vermişlerdi. O zamandan beri hep. yanımda taşıyorum.“
"منذ فترة قصيرة انتهيت من االمتحان اللغوي ومنذ ذلك احلني وأنا احمل هذا الدعاء دائم ًا معي". Steindamm Objekte Jill Cebeli 2019
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„I come from Schleswig, I bought rice and melons for my family.“
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„Pocházím ze Šlesvicka, koupil jsem rýži a melouny pro mojí rodinu.“
Ali Steindamm Food Stories Foto Hergen Schimpf Interviews Rayan Farousi 2019
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DER VERSUCH DEN STEINDAMM FILMISCH ZU ERFASSEN
Steindamm Filmstill Lilli Thalgott 2019 37
Ein Text von Lilli Thalgott Mich einlassen auf Details, Entdeckungen, Objekte, Bewegung, Grafiken, Nutzungen, Zustände… wenig ‚Mensch‘ im Vordergrund, ohne Totalen. Dem Raum geben, was nicht oder wenig beachtet wird,
was nebenbei passiert und existiert. Den öffentlichen Raum und die Spuren des Alltags, der Natur und des Menschen erforschen. Was sehe ich, wenn ich mich einlasse? Welcher Zauber steckt in den Details?
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Steindamm Filmstill Lilli Thalgott 2019
Beginne im hinteren, nördlichen Teil, der Teil, der sich für mich ‚einfacher‘ anfühlt, weil stiller, weniger frequentiert und damit weniger Beachtung der Kamera, so kann ich mich auch an meine innere Haltung herantasten, bin ich eher versteckt oder sichtbar, betrach39
tend oder interagierend? Anfangs komme ich kaum voran, es gibt soviel zu entdecken: blinkende und bunte Grafiken, bröckelnde und moderne Architektur, spannender Dreck, mir fremde Schaufensterauslagen…. Objekte, Materialien, Bewegungen, Strukturen. Ich muss
„...there is so much to discover: flashing and colourful graphics, crumbling and modern architecture, exciting dirt, window displays that are foreign to me...“ ne Bodybuilderfotos hinter Gerüststangen, einbetonierte Bäume mit vorüberziehenden Rollkoffern eines Junggesellinnen Abschieds….
mich disziplinieren, zügiger weiter zu ziehen, nicht jeden Meter betrachten und abbilden. Unendlich viele schöne Miniaturen, gegensätzliche oder verschränkte Zusammenhänge, Momente.… eine große, leere Dose Bambussprossen mit flatternder Tüte im Straßengraben, verbliche-
Während ich die Spiegelung des afghanischen Restaurants ‚Kabul‘ - welches unten im ‚Hotel Wikinger Hof‘ ist - in einer Motorhaube filme, belegen sich auf dem Dach des Autos eine Gruppe Männer Brote und essen gemeinsam. Sie wundern sich warum ich die Motorhaube filme, ich versuche zu erklären. Sie laden mich ein, an der Brotzeit 40
teilzunehmen. Nach der Hälfte des Steindamms bin ich fast bildersatt: es gibt so viele schöne Momente, kleine Blicke; ich könnte Tage hier verbringen und hätte immer noch das Gefühl, nicht alles festgehalten zu haben…. eine Vielfalt an grafischen Elementen, ein faszinierendes Gemenge aus Lebensmitteln, Beton und LED-Schildern, Tauben, Plastik, Essen und Licht. Und dazwischen einkaufend, essend, fahrradfahrend, spazierend - der Mensch. In meinem Zeitfenster schaffe ich nur die eine Strassenseite, und die auch bei Weitem nicht so, dass sich das Gefühl einstellt: jetzt hab ich alles. Das Material zeigt nur einen winzigen Anteil des gesamten Bildes, mit der Lupe betrachtete Details eines riesigen, bunten und sehr reichen 41 Wimmelbildes.
„An infinite number of beautiful miniatures, contrasting or entangled connections, moments…“
Steindamm Filmstill Lilli Thalgott 2019
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"بيناشن انه طبق من "غرب أفريقيا „Benachin. Das ist ein Reisgericht aus Westafrika mit Fisch und Gemüse.“ Paar aus Gambia Steindamm Food Stories Foto Hergen Schimpf Interviews Rayan Farousi 2019 44
REFLEXIONEN Gespräch zwischen Lilli Thalgott, Marie Haibt, Jan Dubsky, Mohammad (Ziko) Ghunaim, Sarah Nüdling, Weam Issa „Ein Aspekt unserer Grundidee ist für mich total aufgegangen: wenn man in den Dialog kommt mit unterschiedlichen Leuten, wenn man sich begegnet, fühlt man sich plötzlich viel wohler. Weil man dann genauer hinguckt und fragt: Wer bist Du eigentlich? Der Steindamm bietet eine große Projektionsfläche, die man erst durchbricht, wenn man sich einlässt. Für mich ist durch die Arbeit eine Weichheit reingekommen, ich bewege mich dort jetzt anders.“
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„Die Karte war eine tolle, niedrigschwellige Einladung ins Gespräch zu kommen. Auch das Essen hat viel gemacht. Eine Einladungen, einfach mal einen Moment innezuhalten und sich zu begegnen, mit einem Falafel in der Hand. Für mich ist das auch eine Geste des Willkommens. Spannend fand ich auch, wie Viele Freude daran hatten, ihre Geschichten zu erzählen. Einige dachten, wir seien von der Stadt und erzählten auch was sie sich für den Steindamm wünschen oder was sie bedrückt.“
„The Steindamm presents a large projection surface, which you can only break through when you let yourself in.“ kollektive Kartierung Foto Hergen Schimpf 2019
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„Shopping and Coffee. It‘s a good place.“ „Einkaufen und Kaffee. Es ist ein guter Ort.“
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Marion Steindamm Food Stories Foto Hergen Schimpf Interviews Rayan Farousi 2019 48
kollektive Kartierung Weltkarte 2019 49
„Die Übersichtskarte zeigt, dass die Leute wirklich von weit weg herkommen, aus der ganzen Stadt und auch von außerhalb, wie Lüneburg oder Schwerin zum Einkaufen. Weil es hier so ein spezielles Angebot gibt - und niedrige Preise. Ich glaube schon, dass manche Leute, die Straße und das Einkaufen auch mit Heimat verbinden. Seien es Produkte, aber auch Begegnungen, die als etwas Positives aufgenommen werden.“ „Aber wir haben nur Leute auf dem Steindamm befragt. Das ist wichtig, um die Perspektive zu verstehen. Die Außenperspektive von Leuten, die den Steindamm nicht oder kaum kennen, aber durch fremde Darstellungen eine Meinung darüber haben, die haben wir nicht erfahren: die Zuschreibungen, dieses Othering was da passiert, das haben wir nicht erfasst. Es wäre spannend mal auf der
Mönckebergstraße zu fragen: Gehen Sie auch auf dem Steindamm einkaufen, was denken Sie über den Steindamm?“
„Partialy, it is an extreme experience to be on Steindamm. It is like a street in Damaskus, it reminds me of home but certainly not the best part of it. Not the one I miss.“
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Steindamm Objekte Jill Cebeli 2019 51
ES GEHT NICHT UM SCHMUCK „Das Glas meines Anhängers ist gesprungen, als mir die Kette beim Duschen runtergefallen ist. Ich trage ihn trotzdem weiter. Auch wenn er angeknackst ist, hat dies meiner Religion oder Weltanschauung keinen Schaden zugefügt. Ich trage diese Kette schon seit ca. 3 Jahren und werde sie erst erneuern, wenn ich im Urlaub in meine Heimat zurückkehre und dort
eine neue kaufe. Bei dem Wert dieses Objekts geht es nicht um Schmuck, sondern darum meine religiöse Perspektive zu zeigen. Dieses Kreuz ist etwas Besonderes für uns Äthiopier, so wie unser Kalender, der in ganz Afrika etwas Besonderes ist. Er ist orthodox.“
„Bu haç bizim Etiyopyalılar için özel bir şey, ayrıca Afrika genelinde özel bir şey olan takvimimiz gibi.“
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„Es ist ein Ort, wo Leute wohnen, in die Moschee gehen und Urlaub machen, aber der allergrößte Teil geht einkaufen. Ich habe zum Beispiel mit einer syrischen Familie aus Rostock gesprochen, die alle paar Monate für den Großeinkauf kommen. Andere kamen wegen des indischen Ladens, denn dort bekommt man den besten Pfeffer. Viele kommen, weil sie wissen, hier gibt es die Produkte aus aller Welt, relativ frisch, auch original Produkte, die man sonst nicht bekommt. Und einige Leute, die eher eine europäischen Background haben, sagten, dass es wie ein Ausflug in eine andere Welt ist: Ich kaufe spezielle Gewürze oder diese eine Bohne, die es sonst nirgendwo gibt und nehme dabei etwas mit, entdecke etwas Neues.“
„Ich habe den Steindamm nochmal neu kennengelernt. Die Straße ist so vielschichtig. Viele Aspekte bleiben dabei für mich, als jemand, die weder Arabisch noch Türkisch spricht, unlesbar. Ich muss sie mir regelrecht übersetzen lassen. Dafür war das Zusammenarbeiten im Team so wichtig und bereichernd. Wenn ich auf dem Steindamm unterwegs bin, habe ich auch immer einen kleinen Verlust an Kontrolle, einfach, weil ich nicht verstehe, was um mich herum passiert. Eine Frage ist dabei aber für mich: muss mich das verunsichern?“
Steindamm KreaturenKollektiv 2019 54
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„I feel very comfortable at the Steindamm. I live here.“
،"انا اسكن في شتايندام في هذا احلي اشعر ".باالرتياح والطمأنينة Mohammad Steindamm Food Stories Foto Hergen Schimpf Interviews Rayan Farousi 2019 56
„Teilweise ist es ein krasses Erlebnis auf dem Steindamm zu sein. Es ist wie eine Straße aus Damaskus, erinnert mich an zu Hause, aber nicht unbedingt an den besten Teil, nicht den, den ich vermisse. Trotzdem ist die Straßen voller Emotionen und Gefühle für mich. Heute, von hier aus, verstehe ich die Nöte meiner Schwester besser, als junge Frau in einer krassen Stadt wie Damaskus aufzuwachsen. Es ist nicht immer einfach, sich als arabisch sprechender Mann auf dem Steindamm zu bewegen. Ich hatte das Gefühl, ich muss für die Gespräche an der Karte erst Vertrauen gewinnen. Mal funktionierte es besser, wenn ich anfangs Deutsch gesprochen habe, für andere Begegnungen war Arabisch besser. Schnell kann ich dabei in eine Schublade fallen: „gut integriert“ oder „zu deutsch“ geworden zum Beispiel.“ 57
Steindamm Filmstill Lilli Thalgott 2019 58
Kreaturen Kollektiv / Open KÜÜk Steindamm 2019 59
„Der Steindamm scheint kein klassischer Ort einer Stadtquartiers-Gemeinschaft zu sein. Die Menschen kommen auf den Steindamm wegen des Angebots, nicht unbedingt für den Ort an sich. Auf der einen Seite herrscht ein eher anonymes Großstadtgefühl, es ist nicht dörflich, wie z.B. auf der Langen Reihe, dann ist es doch wieder sehr „lokal“ und es gibt ein Community-Gefühl, weil es so ein extremer Melting Pot ist: Leute von überall treffen sich genau auf dieser Straße, man kennt sich. Auch die Dichte der Moscheen macht sicher viel aus. „
„For me, the Steindamm is now full of stories and encounters due to the project, I see a lot of things differently when I am there.“
„Vorher bin ich oft, sogar mehrmals die Woche auf dem Steindamm unterwegs gewesen, immer nur zum Einkaufen und eher effizient: vom Gemüseladen zur Bäckerei und weiter. Ich bin Koch, es war eine ganz neue Erfahrung auf dem Steindamm, in der Open Köök für die Passanten Falafel zu machen, ich habe viele Rezepte gesammelt und Gespräche geführt, zu denen es sonst nicht kommt. Und das Verrückteste war, dass ich einen alten Freund wiedergetroffen habe. Wir waren als junge Männer zusammen in der syrischen Armee und haben uns 17 Jahre nicht gesehen! Für mich ist der Steindamm durch das Projekt nun voller Geschichten und Begegnungen, vieles sehe ich jetzt anders, wenn ich dort unterwegs bin. Es lohnt sich, dort eine Zeit zu verweilen, wirklich hin zu hören und sehen.“ 60
„...vieles sehe ich jetzt anders, wenn ich dort unterwegs bin.“
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„Teilweise ist es ein krasses Erlebnis auf dem Steindamm zu sein.“
„Der Steindamm bietet eine große Projektionsfläche, die man erst durchbricht, wenn man sich einlässt.“ 62
WIR DANKEN FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG UND ZUSAMMENARBEIT
Steindamm Sonntagsspaziergang Izzy Thalgott 2019 63
allen Mitwirkenden Harriet Lommer Galerie nachtspeicher23 e.V. Schorsch im IFZ Kulturladen St. Georg Open Köök Vor Ort Büro Hansaplatz Geschichtswerkstatt St. Georg Rabe Landschaften GWA St. Pauli Kirchenkreis Hamburg Ost Heinrich Wolgast Schule Liz Kistner Stiftung AlltagForschungKunst, Hille v. Seggern und Timm Ohrt Kulturbehörde Hamburg Bezirksamt Hamburg Mitte und den Passanten, Gewerbetreibenden und Anwohner*innen des Steindamms
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IMPRESSUM
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CulturalTransActionSteindamm ein Projekt von KreaturenKollektiv Lilli Thalgott, Mohammad (Ziko) Ghunaim, Sarah Nüdling, Weam Issa www.kreaturenkollektiv.de e post@kreaturenkollektiv.de f kreaturenkollektiv instagram kreaturenkollektiv Herausgeber KreaturenKollektiv Lilli Thalgott / Sarah Nüdling c/o Abbildungszentrum Arnoldstr. 26 - 30 E 22765 Hamburg - Germany Layout Jan Dubsky April 2020, Hamburg Das Projekt wurde gefördert durch
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