Leseprobe Epigenetik

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DR. ALEXANDRA WEYRICH

ANNETTE KÖHN

OLAF NOWACKI

Brücke zwischen Erbgut und Umwelt

Jaja Verlag


Am nächsten Tag in der Vorlesung Epigenetische Anpassungsfähigkeit mit Dr. Ada 1. Selektionsdruck

Eine karge Landschaft irgendwo.

Hier sind die Ameisen gut getarnt und werden von ihren Fressfeinden nicht so leicht entdeckt.

Angenommen einige von ihnen hätten grüne Pelze.

Ja, das stimmt, aber nehmen wir mal an, ... Die bringen denen doch nichts...

...dass nach langem Regen viele Gräser wachsen und die Grünpelze weniger auffallen.

Hihi

Nun sind die Grünpelze im Vorteil: Sie sind besser an ihre Umgebung angepasst. Da mehr von ihnen überleben, pflanzen sie sich besser fort, es werden mehr und mehr. Man spricht auch von natürlicher Selektion.


KLIC

Die allmähliche Veränderung von vererbbaren Merkmalen von Generation zu Generation ist ein Prozess, den wir als Evolution bezeichnen.Selektionsdrücke beeinflussen, welche Veränderungen sich durchsetzen, und die Vielfalt (Variabilität) des Lebens.

C02

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Ein starker Selektionsdruck ist seit jeher das Klima. Heute nimmt der Mensch zudem Einfluss auf das Klima, indem er viele Abgase produziert.

02

Gleichzeitig werden immer mehr Wälder abgeholzt. So fehlen die Bäume, um das Kohlendioxid CO2 per Photosynthese wieder in Sauerstoff O2 umzuwandeln, den wir zum Atmen brauchen.

CO2 hält Wärmestrahlung auf der Erdoberfläche (Treibhausgas), was die Temperaturen ansteigen lässt. Das Klima verändert sich, mit vielen Konsequenzen…

VERÄNDERUNG DER NIEDERSCHLÄGE

MEHR DÜRRE UND WILDFEUER STARKE STÜRME

MEHR HITZEWELLEN

STEIGENDER MEERESSPIEGEL

WÄRMERE OZEANE

VERSAUERNDE OZEANE

SCHMELZENDES EIS AUFTAUEN DER PERMAFROSTBÖDEN

Aber was ist mit den wildlebenden Tieren auf unserem Planeten? Reagieren sie auf steigende Temperaturen?

K


Ja, das tun sie, auf mehreren Ebenen:

Die Tiere suchen sich kältere Orte.

VERHALTENSEBENE

Das Herz schlägt schneller

Der Atem geht schneller

Ihre Körperprozesse verändern sich.

PHYSIOLOGISCHE EBENE

Chromosom Zelle Zellkern

GENETISCHE EBENE

Was heißt DNS?

Die DNS-Bausteine können sich ändern (Mutation).

Das ist unser Erbgut. DNS steht für Desoxyribonukleinsäure. In ihr sind alle genetischen Informationen gespeichert. Die Gesamtheit der genetischen Information jedes Zellkerns wird als Genom bezeichnet.

DNS


Chromosomen sind im Zellkern enthalten. Zelle

...in Chromosomen verpackt

So wird die DNS immer enger gewickelt und schließlich...

8 basische Proteine = Histone

Um die DNS zu verpacken, ist sie um Histone gewickelt = Nukleosomen

Die Bausteine der DNS sind ihre vier Basen, die Basenpaare bilden. Zucker (Desoxyribose)

Monophosphatmoleküle

Zellkern (=Nukleus)

Die lange DNS wird verpackt und passt so in den Zellkern.

DNS-Doppelstrang = Doppelhelix

Pro Zellkern hat der Mensch 2 Meter DNS, die aus 3,2 Mrd. dieser Bausteine bestehen. Das ist eine enorme Menge an Informationen. Sie kodieren - wie Nullen und Einsen im Computer - alle Zellvorgänge.

Die vier Basen sind: Thymin Adenin Guanin Cytosin


3 Wochen später

In der Natur leben die wilden Meerschweinchen in einer Haremsstruktur, das heißt, ein Männchen lebt mit mehreren Weibchen zusammen.

Junge Männchen begeben sich auf die Suche nach Weibchen.

Die abwandernden Söhne sind dadurch mehr Umweltveränderungen ausgesetzt als ihre Schwestern, die in der Familie bleiben.

FRESSFEINDE

Brrr...

TEMPERATURUNTERSCHIEDE

NAHRUNGSKNAPPHEIT

Unsere beiden zentralen Fragen waren:

Verändert ein zeitweiser Temperaturanstieg die DNS-Methylierung der Väter?

Und wenn ja: Wird diese Veränderung an die Söhne weitergegeben?


Um das herauszufinden, haben wir fünf männliche Wildmeerschweinchen...

...mit jeweils zwei Weibchen verpaart.

Väter und Söhne waren unsere Kontrollgrup pe.

Von den Tieren dieser Kontrollgruppe haben wir Gewebeproben genommen,

die DNS extrahiert und dann die DNS-Methylierungsmuster analysiert.

Die Vatertiere, nicht aber die Söhne, wurden für 2 Monate einer 10˚ Celsius höheren Temperatur ausgesetzt. !

Kuschelig

WÄRMEPLATTE

SEQUENZIERER

Anschließend haben wir sie wieder verpaart und sowohl von den Vätern als auch von den Söhnen Gewebeproben genommen. Das ist unsere Hitzegruppe.

Aus den Gewebeproben haben wir dann wieder die DNSMethylierung analysiert.


Glossar Dr. Alexandra Weyrich

A Allel: Die verschiedenen Varianten eines Gens heißen Allele. Jedes Säugetier hat pro Gen zwei Allele, ein mütterliches und ein väterliches. Anpassung/Adaptation: Einstellung auf Umweltbedingungen. • Evolutionäre Anpassung: Aus zufälligen Mutationen oder bereits vorhandener genetischer Variation und anschließender Selektion über viele Generationen entstandenes „besseres Zurechtkommen“ mit Umweltbedingungen. • Physiologische Anpassung: Reaktion einer Zelle, eines Organs oder Gewebes eines Organismus auf einen veränderten Umweltreiz. Direkte systemische Antwort mit dem Ziel, ein neues stabiles Gleichgewicht (Homöostase) herzustellen. Im Gegensatz zur evolutionären Anpassung, die eine Umstellung über Generationen hinweg integriert, ist die physiologische Anpassung eine Anpassung innerhalb des Individuums derselben Generation, die im Regelfall auf die Dauer des Reizes begrenzt ist (z.B. Pupillenverengung bei plötzlichem Lichteinfall). Epigenetische Modifikationen wirken in einer Generation als Reaktion auf Umweltreize, können aber auch an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Daher können sie sowohl der evolutionären als auch der physiologischen Anpassung zugeordnet werden. Die Bedeutung der Epigenetik in der Evolution wird derzeit diskutiert (siehe Evolution). Anpassungsfähigkeit: Die Flexibilität der Ausgestaltung von Merkmalen eines Organismus als Reaktion auf Umwelteinflüsse. Art (oder Spezies): Eine Gruppe von Lebewesen mit charakteristischen gemeinsamen Merkmalen, die sich untereinander fortpflanzen können. Die Abgrenzung ist bei manchen Organismengruppen aber sehr schwierig, deshalb gibt es (noch) keine einheitlich gültige Definition dieses Begriffs.


C Chromosom: Ein Chromosom besteht aus DNS, die mit vielen Proteinen verpackt ist. Diese Mischung aus DNS und Proteinen wird auch als Chromatin bezeichnet. Chromosomen kommen in den Zellkernen der Zellen vor.

D DNS: Desoxyribonukleinsäure, das im Zellkern verpackte Erbgut. Häufig wird die englische Abkürzung DNA = „deoxyribonucleic acid“ verwendet.

E Epigenetik: Epi (griechisch) = ‚dazu, außerdem‘, Genetik (vom griechischen ‚geneá‘) = Abstammung. Die Epigenetik ist somit eine zusätzliche Ebene zu den bisher bekannten Mechanismen der Vererbung. Ihr Mechanismus besteht aus regulatorischen Faktoren (DNS-Methylierung, Histon-Modifikationen, kleine RNAs), die die Gene an- und abschalten, ohne die DNS-Sequenz zu verändern. Epigenetische Veränderungen werden teilweise an die Nachkommen weitergegeben (vererbt). Enzym: Biokatalysatoren, die chemische Reaktionen innerhalb eines Organismus beschleunigen oder ermöglichen. Die meisten Enzyme sind Proteine. Die Wirkung der Enzyme ist in der Regel sehr spezifisch. In diesem Comic kommen zwei Enzyme vor: siehe Methyltransferase und Polymerase. Evolution: Eine im Laufe der Erdgeschichte über viele Generationen hinweg erfolgende graduelle Veränderung der Eigenschaften (Phänotyp) und des Erbgutes (Genotyp) einer Population von Lebewesen. Dieser Prozess führt zur Weiterentwicklung bestehender Arten sowie, unter bestimmten Bedingungen, auch zur Entstehung neuer Arten. Evolutionstheorien stehen sich bereits seit dem 19. Jahrhundert gegenüber: • die von Charles Darwin: Evolution beruht auf der natürlichen Selektion (siehe Selektion) von Eigenschaften (Phänotyp) der Organismen. • die von Jean-Baptiste de Lamarck: Evolution beruht auf der Vererbung erworbener Eigenschaften.

Darwins Theorie ist seit langem allgemein akzeptiert, und die ‚natürliche Selektion‘ wird heute anhand von Allelfrequenzen von Genen innerhalb einer Population berechnet. Die Epigenetik unterstützt zudem Lamarcks Theorie, da durch sie innerhalb einer Generation zuvor nicht sichtbare (und damit ‚erworbene‘) Eigenschaften zum Ausdruck gebracht sowie weitergegeben werden können. Experimentalgruppe: Bezeichnet eine Gruppe von Individuen oder Gegenständen, die einer bestimmten Behandlung, Untersuchungsmethode etc. unterzogen werden Experimentelle Forschung: Forschung, deren Datenerhebung auf der Durchführung von Experimenten beruht.

G Gen: Spezielle Region auf dem Erbgut (DNS), die in der Zelle in RNS umgeschrieben wird (Transkription). Bei Proteingenen erfolgt noch das Umschreiben der RNS in eine Aminosäurekette (Translation). Durch Mutation entstehen unterschiedliche Allele eines Gens. Genetik: Wissenschaft von der (biologischen) Vererbung und der Funktion der Erbanlagen im Organismus und der Population. Genetik ist abgeleitet vom griechischen ‚ geneá ‘ = Abstammung. Genom: Gesamtheit der genetischen Information einer Zelle.

H Haremstruktur: Ein Männchen pflanzt sich mit mehreren Weibchen fort (Polygamie) und lebt mit diesen und den Jungtieren in einer Gemeinschaft. Histone: Chromosomale Proteine, die an die DNS binden und Verpackungseinheiten bilden (siehe Nukleosom). Histon-Modifikationen: Chemische Veränderungen an Histonen wie Methylierung, Acetylierung und Phosphorylierung. Diese Modifikationen können die Verpackung der DNS enger oder weiter machen und so die Genaktivität regulieren.


Impressum Epigenetik - Brücke zwischen Umwelt und Erbgut Ein Wissenschaftscomic aus dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Berlin Idee und Konzept: Dr. Alexandra Weyrich Story und Text: Dr. Alexandra Weyrich und Olaf Nowacki Projektkoordination: Dr. Kathleen Röllig Illustration und Grafik: Annette Köhn Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Jörns Fickel, Dr. Miriam Brandt, Prof. Dr. Heribert Hofer

Herausgeber: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung und Jaja Verlag www.jajaverlag.com Ein Wissenschaftscomic zum Originalartikel: Weyrich A, Lenz D, Jeschek M, Chung TH, Rübensam K, Göritz K, Jewgenow, K, Fickel J (2015): Paternal intergenerational epigenetic response to heat exposure in male Wild guinea. Running Title: Paternal epigenetic response to heat. MOL ECOL – special issue Epigenetic Studies in Ecology and Evolution. Weitere Informationen unter www.leibniz-izw.de/wissenstransfer.html

Die Erstellung dieses Comics erfolgte im Rahmen des Projektes „Entwicklung und Umsetzung eines Verwertungskonzepts für das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)“ am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. Alfred-Kowalke-Straße 17, 10315 Berlin www.leibniz-izw.de

Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Förderkennzeichen 03IO1303). Projektleitung erfolgte durch Dr. Kathleen Röllig, Dr. Miriam Brandt, Prof. Dr. Heribert Hofer. Für Unterstützung und hilfreiche Hinweise danken wir: Manuel Flurin Hendry, Arne Löffel, Prof. Dr. Wolfgang Hennig, Steven Seet, Familie Weyrich, den Wildmeerschweinchen und der Europäischen Gesellschaft für evolutionäre Biologie (ESEB). Copyrights: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin (IZW), Jaja Verlag, Dr. Alexandra Weyrich, Olaf Nowacki, Annette Köhn Berlin, November 2016 ISBN: 978-3-946642-10-7 10 Euro


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