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Eine kostenlose Informationsbroschüre der International Police Association (IPA), Vbst. Fürstenfeldbruck

Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen NICHT
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NICHT MIT MIR! GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN UND JUGENDLICHEN INHALTSVERZEICHNIS

Was ist sexueller Missbrauch?

Einleitung

Was ist sexueller Missbrauch? Vergewaltigung Sexueller Übergriff/Sexuelle Nötigung Sexting und Grooming Kindeswohlgefährdung/Kindesmisshandlung

Wer ist Opfer, wer ist Täter?

Merkmale der Täter Merkmale des Opfers

Zahlen und Fakten Weltweite statistische Indikatoren

Kindesmissbrauch

Sexueller Missbrauch an Kindern Verlauf des sexuellen Missbrauchs

Der Hilferuf Folgen des sexuellen Missbrauchs Statistik des Kindesmissbrauchs in Deutschland Gesetzgebung, zuständige Behörden, Vorgehensweisen und Anzeigen Reaktionen von Opfern Labordiagnostik bei Missbrauch Diagnose des sexuellen Missbrauchs Vorgehensweise der Gesundheitseinrichtungen Prävention gegen sexuellen Missbrauch Aussichten für Opfer Polizeiliche Bearbeitung bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch Kindesmissbrauch als Tat im persönlichen sozialen Umfeld

Tipps und Hilfestellung

Hilfe für Missbrauchsopfer Vorbeugung

Ratschläge für Eltern Ratschläge für Kinder Ratschläge für Jugendliche Bei wem ist Missbrauch anzuzeigen? Wo gibt‘s Hilfe? (Notruftelefone und Organisationen)

Impressum

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WAS IST SEXUELLER MISSBRAUCH?

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Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen –ein Thema, das uns alle angeht.

Einleitung

Das Thema „Sexueller Missbrauch“ ruft bei den meisten Menschen Empörung gegenüber den Tätern und Mitgefühl gegenüber den Opfern hervor, aber auch die Reaktion: „Müssen wir gerade jetzt davon sprechen?“. Leider kommt es im sozialen Nahbereich oftmals zu sexuellen Übergriffen und zum sexuellen Missbrauch. Aus den Medien wissen wir, dass sich sexueller Missbrauch durch alle Gesellschaftsschichten zieht und die Täter nicht nur Personen aus dem persönlichen Umfeld, sondern auch Personen mit Einfluss und Ansehen sind.

Das „Aktiv-werden“ gegen sexuellen Missbrauch wird oft durch Hilflosigkeit und Angst erschwert oder verhindert. Doch wenn wir nicht reagieren und den sexuellen Missbrauch nicht anzeigen, werden wir zu Mittätern. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Öffentlichkeit durch verschiedene Projekte und Aktivitäten zu sensibilisieren, mit dem

Ziel, die „Null-Toleranz“ gegenüber sexuellem Missbrauch in allen Aspekten der Gesellschaft durchzusetzen. Durch Information und Aufklärung räumen wir Irrtümer und Vorurteile (zum Beispiel, dass das Opfer durch sein Verhalten selbst schuld an dem Missbrauch sei), welche die Beteiligten hilflos machen, aus dem Weg. Eine besonders sensible Gruppe bilden hier Kinder. Wenn wir Kinder und Jugendliche wirklich beschützen wollen, dürfen wir uns nicht in Sicherheit wiegen, in dem Glauben, sexueller Missbrauch findet immer nur bei „den Anderen“ statt. Wenn wir unsere Kinder über dieses Thema aufklären, haben Täter kein leichtes Spiel. Wenn wir die Kinder über körperliche Selbstbestimmung, Sexualität und Missbrauch informieren kann das Kind den Ernst der Lage verstehen, ohne dadurch zu erschrecken. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei den Eltern, sondern bei der ganzen Gemeinschaft, besonders bei Personen, die beruflich mit Kindern in Kontakt kommen, wie Ärzte, Kindergartenpersonal, Lehrer, Psychologen oder Sporttrainer. Bild: www.polizei-beratung.de

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WAS IST SEXUELLER MISSBRAUCH?

Was ist sexueller Missbrauch?

Die umfangreichste Definition des sexuellen Missbrauchs gibt die Weltgesundheitsorganisation: Jeder Versuch eines sexuellen Verhältnisses, bzw. jede sexuelle Anspielung, die an eine andere Person gegen deren Willen gerichtet ist, ist eine Art der sexuellen Gewalt. Sexueller Missbrauch geht häufig mit Gewalt, Erpressung, Drohungen oder einer Kombination mehrerer solcher Verhaltensweisen einher. Unabhängig von den Einzelheiten in der Durchführung der sexuellen Delikte, stellen diese immer Taten gegen die sexuelle Freiheit dar. Unter sexuellem Missbrauch verstehen wir folgende Aktivitäten und deren Kombinationen: Vergewaltigung, Pädophilie, Inzest, sexuelle Belästigung, Exhibitionismus, unzüchtige Handlungen wie z. B. Masturbation, Berührungen und Stimulation der Geschlechtsorgane, das Aussetzen gegenüber Pornografie, Ausbeutung zur Herstellung von Pornographie, Sexting, sexuelle Verstümmelung, Voyeurismus, das Zwingen zur Prostitution.

Vergewaltigung

Wenn man von sexuellem Missbrauch spricht, fällt den meisten Leuten die Vergewaltigung ein. Vergewaltigung kann man als die schwerste Form der sexuellen Gewalt beschreiben. Sie bezieht sich auf vaginales, anales oder orales Eindringen mit dem Penis und/oder mit anderen Objekten in das Opfer. Eine solche Art des sexuellen Missbrauchs hinterlässt bei Opfern gravierende Folgen. In Abhängigkeit vom Verhältnis zwischen dem Täter und dem Opfer unterscheiden wir: Vergewaltigung durch einen unbekannten Täter, Vergewaltigung in der Ehe, in Beziehungen und bei einem Date, Vergewaltigung der

widerstandsunfähigen oder geistig behinderten Personen, Vergewaltigung von Kindern, Gruppenvergewaltigung, Vergewaltigung im Krieg, Vergewaltigung im Gefängnis.

In Deutschland sind in den §§ 174 bis 184 StGB (Strafgesetzbuch) die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung geregelt. Dazu zählen neben dem sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen (§§174ff) auch der sexuelle Übergriff, die sexuelle Nötigung und die Vergewaltigung (§§177ff StGB). Alle diese Delikte werden mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis hin zu zehn Jahren bestraft. Das Strafmaß richtet sich gerade bei den Sexualdelikten immer auch nach der Hilflosigkeit oder der Beeinträchtigung des Opfers.

Vergewaltigung in einer partnerschaftlichen Verbindung/Date rape ist eine Form des sexuellen Missbrauchs, in der das Opfer und der Täter in einer persönlichen Beziehung stehen, bzw. gestanden haben. Zur Vergewaltigung kann es schon beim ersten Date, oder bei einer bereits länger andauernden Beziehung kommen. Die Opfer erleben die Tat selten durch körperliche Gewalt oder Verletzungen, die psychische Gewalt und Erpressung kommen aber unbedingt vor.

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WAS IST SEXUELLER MISSBRAUCH?

Bei Vergewaltigungen in Beziehungen/bei einem Date werden oft verschiedene Drogen verwendet (z.B. Rohypnol, GHB), die (ohne dessen Wissen) in das Getränk des Opfers gegeben werden, und beim Opfer den Verlust des Bewusstseins, des Gedächtnisses und der Widerstandsfähigkeit herbeizuführen, wodurch sich auch die Anzahl der Anzeigen vermindert.

Neben den verbotenen Substanzen wird oft auch Alkohol verwendet. Ein hoher Alkoholkonsum des Opfers wird oft als erleichternder Umstand für den Täter betrachtet.

In solchen Fällen passiert es nicht selten, dass das Verhalten des Täters gerechtfertigt und dem eigentlichen Opfer die Schuld an der sexuellen Handlung gegeben wird.

Bei einer solchen Gewalttat stehen Opfer und Täter in einer Art intimen oder romantischen Beziehung, sodass Anzeigen außerordentlich selten sind.

Sexueller Übergriff/ Sexuelle Nötigung

Der sexuelle Übergriff und die sexuelle Nötigung zeigen sich in Form diskriminierenden Verhaltens, Erpressung und ungewollte Annäherungen, durch sexualisierende Bemerkungen und Kommentare. Der Begriff „Sexuelle Belästigung“ wird im Strafrecht nicht benutzt, wird aber durch folgendes Verhalten definiert: direkte Anspielungen auf das sexuelle Verhältnis, Einladungen in die Wohnung, Berührungen, telefonische Anrufe oder E-Mails mit sexuellen Inhalten, sexuelle Erpressungen in Zusammenhang mit dem beruflichen Fortschritt oder mit

dem Behalten der Arbeitsstelle, oder mit dem Bestehen einer Prüfung oder mit der Vergabe von Schulnoten.

Bei all diesen Verhaltensweisen muss hervorgehoben werden, dass die betreffende Person diese als unerwünscht, unangebracht und beleidigend empfindet, sowie dass sie ihre persönlichen Grenzen und ihre Integrität gefährdet sieht.

Meistens sind die Opfer sexueller Belästigung berufstätige Frauen und Studierende. Der Täter findet Ausreden für sein Verhalten am häufigsten in der (provokativen) Bekleidung des Opfers und in ihrem anziehenden Aussehen. Der Täter missbraucht seine Position als Vorgesetzter, um seine (Über-)Macht und Dominanz gegenüber dem Opfer zu beweisen. Die Folgen der sexuellen Belästigung können physischer oder psychischer Natur sein, die wichtigste Folge ist der Verlust des Selbstbewusstseins. Männer werden in wenigen Fällen auch Opfer von sexuellen Übergriffen oder Nötigungen.

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WAS IST SEXUELLER MISSBRAUCH?

Sexting und Grooming

Durch die Entwicklung der neuen Technologien, des Internets und des Smartphones sind auch neue Formen des sexuellen Missbrauchs aufgetaucht. Die Kinder geraten durch ihre Zutraulichkeit und Aufrichtigkeit, bzw. ihre Naivität in Gefahr. Während Sexting sich auf den Austausch erotischer Nachrichten bezieht, versteht man unter Grooming den Prozess des Verführens eines Kindes durch das Internet.

Der Täter bahnt den Kontakt mit dem Opfer über das Handy (SMS, MMS) oder über soziale Netzwerke an, er gibt sich als gleichaltrige, attraktive Person aus und bekräftigt dies durch falsche Fotos. Er kommt mit dem Opfer jeden Tag in Kontakt und täuscht Interesse an seiner Familie, seinen Freunden, Hobbys und Problemen vor. Um eine regelmäßige Kommunikation über SMS-Mitteilungen sicherzustellen, kauft der Täter dem Opfer Prepaid-Karten und erweckt so in ihm/ihr das Gefühl, dem Täter verpflichtet zu sein und den Kontakt aufrechterhalten zu müssen.

Wenn es dem Täter gelingt das erwünschte Vertrauen und die Anziehung zu wecken, erreicht er dadurch eine „Mädchen-Junge-Beziehung“. Im nächsten Schritt beginnt der Täter offen Fotos vom Opfer zu verlangen. Wenn er diese bekommt macht er dem Opfer Komplimente und schreibt, was er mit ihm/ ihr machen möchte. Wenn das Opfer nach der Meinung des Täters ihre Beziehung und ihre Liebe ernst zu nehmen beginnt, beginnt er, Nacktfotos zu verlangen und schickt ihr/ ihm die Fotos seines Geschlechtsorgans (meistens Fotos aus dem Internet).

Nachdem der Täter die geforderten Fotos bekommt, verlangt er immer mehr, wie zum Beispiel Videoclips, in denen das Opfer bestimmte Posen oder Handlungen durchführen soll. Wenn sich das Opfer nun weigert, dies zu tun, erpresst der Täter das Opfer, indem er die Fotos als „Liebesbeweis“ fordert oder droht, die Beziehung zu beenden. Wenn dieser Erpressungsversuch nicht gelingt, droht der Täter das bisher erhaltene Material zu veröffentlichen und den Eltern zu zeigen, bzw. dass er die Fotos in der Nachbarschaft oder in der Schule verteilen wird. Das Opfer, das Angst hat, dass dieser Fall wirklich eintreten könnte, spricht mit niemandem über sein Problem und der Missbrauch setzt sich fort.

Kindeswohlgefährdung/ Kindesmisshandlung

Kinder brauchen die Fürsorge der Eltern, Erziehungsberechtigten und Bezugspersonen (Lehrer u. a.) weil sie noch nicht in der Lage sind ihre existenziellen Bedürfnisse selbst zu erfüllen. Es geht um die Sorge um ihr geistiges, leibliches und seelisches Wohlergehen. Dies sind die drei wichtigen

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Rechte der Kinder, die die Vereinten Nationen bereits am 20.11.1989 erklärt haben. In Deutschland wurden im Jahr 2019 statistisch 4.100 Kindesmisshandlungen angezeigt. 1.737 der Opfer waren jünger als sechs Jahre. Im Jahr 2018 waren es 4.180 betroffene Kinder, davon 1.735 unter sechs Jahren.

Beim sexuellen Missbrauch wurden 14.051 Taten im Jahr 2018 bekannt (1.676 unter sechs Jahren). 2019 waren es 15.701 Fälle (1.937 jünger als sechs Jahre). Die Zahlen beruhen auf der veröffentlichten Statistik des Bundeskriminalamtes*. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Hellfeld. Das Dunkelfeld ist vermutlich wesentlich größer. Erwähnenswert ist auch, dass die Opfer oftmals mehrfach betroffen sind.

Der Begriff „Kindeswohl“ ist ein Rechtsbegriff aus dem Familienrecht und umfasst das gesamte Wohlergehen eines Kindes oder Jugendlichen einschließlich seiner gesundheitlichen und seelischen Entwicklung. Unter Kindeswohlgefährdung versteht man eine gegenwärtige Gefahr, die zu einer erheblichen Schädigung des Kindes im Laufe seiner weiteren Entwicklung führen wird. Die Gefährdung des Kindeswohls ist die rechtliche Grundlage für einen Eingriff in das Erziehungsrecht der Sorgeberechtigten. Das örtliche Ju-

WAS IST SEXUELLER MISSBRAUCH?

gendamt hat verantwortlich das Gefährdungsrisiko einzuschätzen. Das zuständige Familiengericht entscheidet über die weiteren Maßnahmen bis hin zur Sorgerechtsentziehung.

Nach einer Definition des deutschen Bundestages ist Kindesmisshandlung eine nicht zufällige (bewusste oder unbewusste) gewaltsame körperliche und/oder seelische Schädigung, die in Familien oder Institutionen (z. B. Schulen oder Heimen) geschieht und die Verletzungen, Entwicklungsverzögerungen oder sogar zum Tode führt und das Wohl und die Rechte eines Kindes beeinträchtigt oder bedroht.

Ausprägungen der Kindesmisshandlung sind die „körperliche“ Vernachlässigung, so beispielsweise mangelnde Ernährung, unzureichende körperliche Pflege und gesundheitliche Verwahrlosung. Darüber hinaus gibt es noch die „emotionale“ Vernachlässigung, die insbesondere dauerhaft feindliche, abwehrende oder ignorierende Verhaltensweisen oder Erziehungen beschreibt.

Die körperliche Misshandlung ist eine gezielte Gewaltausübung, die dem Kind körperliche Verletzungen oder Schäden zufügt. Auffällige Hämatome, Bisswunden, Striemen, Verbrennungen, Knochenbrüche und Vergiftungen können Hinweise auf körperliche Misshandlungen sein.

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*Polizeiliche Kriminalstatistik 2019 BRD Bundeskriminalamt

NICHT MIT MIR! GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN UND JUGENDLICHEN WER IST OPFER, WER IST TÄTER?

Merkmale der Täter

Sexualdelikte – insbesondere an Kindern – sind in erster Linie Machtdelikte. Die Sexualität wird nur als Mittel benutzt, um diese Macht auszuüben. Täter sind von daher oftmals Menschen, die sich selbst machtlos fühlen und die versuchen, durch die Tat diese Machtlosigkeit zu kompensieren.

In der Wissenschaft werden die Täter in drei verschiedene Tätertypen eingeteilt. Die sind zunächst einmal die Exhibitionisten, die sich bevorzugt Kinder als Opfer suchen. Täter findet man in allen Altersgruppen. Viele der Täter stammen aus ungünstigen familiären oder sozialen Verhältnissen. Oftmals wurden sie selbst als Kinder vernachlässigt oder misshandelt. Bildungsstand und Intelligenz sind oft sehr niedrig. Alkohol spielt bei der Tatausführung nur eine geringe Rolle. Als Opfer suchen sie sich Kinder, die ihnen flüchtig bekannt sind. Ungefähr die Hälfte der Täter geht über das Vorzeigen der Genitalien hinaus. Bei den anderen Tätern kommt es zumeist zum Anfassen der Genitalien zu dem sie aufgefordert werden.

Eine weitere Tätergruppe sind die sogenannten Pädophilen, also Männer, die sich von Kindern angezogen fühlen bzw. ihre eigene Sexualität bevorzugt bei Kindern ausleben. Hier unterscheidet man zwischen jugendlichen Tätern und den Tätern mittleren Alters. Jugendliche Pädophile sind oftmals kontaktarm und sexuell unerfahren. Sie verhalten sich in der Familie und im sozialen Umfeld unauffällig. Die sexuelle Handlung an Kindern entspringt dem Wunsch überhaupt sexuellen Kontakt zu haben, da sie mit Mädchen gleichen Alters nicht in Kontakt kommen.

Den weitaus größeren Anteil stellen die Pädophilen mittleren Alters. Zu dieser Gruppe zählen „unstete Kriminelle“, die sozial verwahrlost sind und eine ungeregelte Lebensführung haben. Hierzu zählt vermehrter Alkoholkonsum oder auch das Begehen anderer Straftaten. Stabile zwischenmenschliche Beziehungen sind eher die Seltenheit. Weiteres Erscheinungsbild sind häufig wechselnde Sexualpartner. Opfer sind oft Mädchen und Jungen unter 14 Jahren die selbst verwahrlost sind und für die der sexuelle Umgang mit Erwachsenen keine Besonderheit darstellt.

Ein weiterer Täterkreis sind die „pädophilen Lehrer“. Hierzu zählen aber nicht nur Lehrer, sondern auch Leiter von Jugendgruppen, Erzieher, Sportwarte, Priester, Musiker oder auch Kinderärzte. Unter Ausnutzung eines besonderen Vertrauensverhältnisses nutzen sie ihre besondere Begabung Kinder und Jugendliche begeistern zu können. Über diese Kontakte kommt es dann im weiteren Verlauf zu sexuellen Handlungen. Sie sind eher prüde und unfrei in ihrem Handeln. Die Erzieherrolle wird mit der Partnerrolle verwechselt, die Zuneigung des Kindes als Verliebtheit gewertet. Der Pädophile beutet hier regelrecht die Kinder aus um sein Bedürfnis nach emotionaler Zuwendung und Bestätigung zu befriedigen.

Ein weiterer Tätertyp zeigt eine suchtartige und fortschreitende Verlaufsform. Die pädophilen Handlungen beherrschen den Lebensalltag. Sie verfallen regelrecht ihrer sexuellen Neigung, sind permanent auf der Suche nach möglichen Gelegenheiten zur Tatausübung. Die Opfer werden nicht mehr als Mensch wahrgenommen sondern als Objekt zur Triebbefriedigung.

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Eine vierte Altersgruppe sind die „Alterstäter“, deren Altersgrenze bei 50 Jahren aufwärts liegt. Oft findet man hier ein Nachlassen der Potenz bei erhaltener oder auch aufflammender Libido. Diese Täter nähern sich mit ihrem sexuellen Bedürfnis Kindern, weil sie bei Frauen Angst haben, sexuell zu versagen. Sie weisen zumeist eine unauffällige sexuelle Vorgeschichte auf und sind auch psychologisch als eher unauffällig einzustufen. Hirnorganische Abbauprozesse spielen oft eine Rolle, die sowohl die Fähigkeit zur Selbstkritik als auch das Kontrollvermögen beeinträchtigen.

Beim Inzest treffen wir auf eine völlig andere Tätergruppe. Sie kommt aus allen sozialen Schichten und zeigt eine sozial angepasste Fassade. Ein auslösender Faktor ist oft die lange Abwesenheit der Väter von Familien, so gab es nach den Weltkriegen eine Häufung von Inzestfällen. Die Täter sind in der Regel sexuell wenig aktiv. Ursachen des Verhaltens werden bei Sozialpartnern gesucht. Verlassenheitserlebnisse in der eigenen Kindheit oder auch Trennungen in der Lebensgeschichte sind auch mögliche Ursachen. Die Väter der Täter waren oft gewalttätig und gefürchtet und haben die Familie früh verlassen. In ihrer Rolle fühlen sie sich in ihrer Macht und Stärke sicher, die ihnen im sonstigen sozialen Umgang fehlt.

Der rein finanzielle Aspekt ist oft eine weiteres Motiv, Sexualdelikte an Kindern zu begehen. Mit Kinderpornografie lässt sich viel Geld verdienen, die Anonymität im Internet bietet dieser Kriminalität ein weites Feld. Das Kind wird zur Ware, das Schicksal der Opfer ist den Tätern gleichgültig. Dies geht in Einzelfällen soweit, dass Eltern ihre eigenen Kinder als „Ware“

WER IST OPFER, WER IST TÄTER?

anbieten. Auch der passive Konsument von Kinderpornografie ist ein Täter, da er den sexuellen Missbrauch der Kinder billigend in Kauf nimmt.

Merkmale des Opfers

Kein Mensch ist vor sexuellem Missbrauch sicher oder dagegen resistent, egal ob es sich um Kinder oder ältere Personen des weiblichen oder männlichen Geschlechts handelt, um wehrlose Personen, Behinderte oder Menschen mit Entwicklungsstörungen. Aus den angezeigten Fällen können wir schließen, dass die Opfer in den allermeisten Fällen weibliche Personen, also Mädchen sind. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass die Männer – also Jungen – weniger geneigt sind, den erlebten sexuellen Missbrauch anzuzeigen.

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NICHT MIT MIR! GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN UND JUGENDLICHEN WER IST OPFER, WER IST TÄTER?

Opfer unzüchtiger Handlungen sind meistens jüngere Kinder, bei Vergewaltigungen ist die Situation umgekehrt. Den weiblichen Opfern sind ihre Täter meistens bekannt, bei männlichen Opfern handelt es sich meistens um unbekannte Täter. Sexualstraftäter wählen oft Personen mit niedrigem Selbstbewusstsein, entmutigt durch Lebensprobleme, oder Kinder mit Entwicklungsstörungen, da der Einfluss des Täters auf solchen Personen größer ist und daher die Wahrscheinlichkeit, dass die Opfer sie anzeigen werden, viel kleiner ist. Wenn der Missbrauch in der Kindheit beginnt und dann kontinuierlich fortgesetzt wird, geht es meistens um Opfer im Schulalter zwischen dem 7. und 9. Lebensjahr.

Jedoch können auch diese Fakten nur mit Vorsicht genossen werden, da der Missbrauch von Kindern im Vorschulalter am seltensten angezeigt wird.

Die Merkmale des Opfers hängen von vielen Umständen, darunter auch von den Merkmalen des Täters, ab. Wenn der Täter die Absicht verfolgt, Nachkommen zu zeugen, wird das Opfer bestimmt ein junges Mädchen sein, das biologisch gesehen am Gipfel des reproduktiven Alters steht. Wir können schlussfolgern, dass es keine allgemein gültigen und umfassenden Charakteristika der Opfer gibt, die es uns ermöglichen würden, Opfer frühzeitig zu erkennen und zu beschützen.

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ZAHLEN UND FAKTEN

Weltweite statistische Indikatoren

• Weltweit beziehen sich fast 50 % aller sexuellen Missbrauchsfälle auf Mädchen, die jünger sind als 16 Jahre.

• Laut den Daten, die auf der Webseite RAINN verfügbar sind, die als eine der größten Organisationen in den Vereinigten Staaten gegen sexuellen Missbrauch gilt, erlebt alle 98 Sekunden eine Person in den Vereinigten Staaten einen sexuellen Übergriff. Obwohl die Zahl der Übergriffe vom Jahre 1993 bis heute um mehr als die Hälfte gesunken ist, werden nur sechs von 1000 Vergewaltiger unter Arrest gestellt.

• Laut den statistischen Daten der UN WOMEN (United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women), waren zwischen 15 und 76 % der Frauen Ziel von körperlichem und/oder sexuellem Missbrauch. Die meisten Straftaten dieser Art geschehen zwischen nahen Verwandten (Beziehungen), wobei der Täter meistens der Ehemann/außerehelicher Partner ist.

• In 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, wurden mehr als 20 % der Frauen Opfer des körperlichen und/oder sexuellen Missbrauchs ihrer Partner. Zwischen 40 und 50 % der Frauen in der EU erleben sexualisierendes Verhalten, körperliche Kontakte oder andere Formen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz.

• In Asien zeigen die in Japan, Malaysia, Philippinen und Südkorea durchgeführten Studien, dass 30 bis 40 % der Frauen

Opfer der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz sind. In Nairobi sind 20 % der Frauen Opfer der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz oder in der Schule. In den Vereinigten Staaten haben 83 % der Mädchen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren eine Art der sexuellen Belästigung in öffentlichen Schulen erlebt.

• Eurostat führt an, dass in der EU im Zeitraum zwischen 2008 und 2015 die Anzahl der sexuellen Nötigungen um 9,1 % gesunken ist (mit Ausnahme von Italien, Litauen, Luxemburg, Polen, der Slowakei und Großbritannien – England, Wales und Schottland). Nach dieser Verminderung im Zeitraum von 2009 bis 2010 ist wieder ein Wachstum im Zeitraum von 2010-2014 sichtbar, und dann eine kleine Verminderung von 0,9 % im Jahre 2015.

• Des Weiteren verzeichneten Schweden und Dänemark die höchste Anzahl der sexuellen Missbrauchsfälle (2014) aller europäischen Staaten. In diesen beiden Ländern haben zwischen 80 und 100 % der Befragten erklärt, dass sie im Erwachsenenalter eine Art des sexuellen Missbrauchs erlebt haben. Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Finnland folgen mit 60 bis 79 %.

• Der hohe Prozentsatz in Dänemark und Schweden ist unter anderem auf verschiedene Ebenen der Anerkennung einer Tat als sexueller Missbrauch in der nationalen Gesetzgebung zurückzuführen, sowie auf verschiedene Bewusstseinsebenen über den sexuellen Missbrauch bei Frauen.

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Sexueller Missbrauch an Kindern

Die Kindheit sollte eine sorglose Zeit, voller Freude und Glück sein, ist sie aber leider nicht immer. Die Sexualität der Kinder ist ein besonders empfindlicher Bereich, die statistischen Kennzahlen zeigen, dass Straftaten wie sexueller Missbrauch und Ausbeutung nicht zur Sicherheit der Kinder beitragen. Unter dem Begriff des sexuellen Missbrauchs von Kindern meinen wir alle Arten, wie Kinder in sexuelle Aktivitäten einbezogen werden, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Anwendung von Gewalt, Erpressungen und Überredungen handelt, mit oder ohne körperlichem Kontakt und ohne Rücksicht darauf, ob man sich auf einer Ebene bewegt, auf der dem Kind die Situation bewusst ist oder nicht. Nach der Definition der UNICEF ist sexueller Missbrauch von Kindern jegliche Ausbeutung eines Kindes unter 16 Jahren, die dem sexuellen Genuss und Vergnügen eines Erwachsenen dient.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern beginnt meistens in einem Alter, in dem die Bedeutung von unzüchtigen Handlungen nicht verstanden wird und in dem die Kinder weder kognitiv, noch emotionell, noch physisch ausreichend reif sind (die Geschlechtsmerkmale sind nicht entwickelt), um sich den Tätern zu widersetzen, oder diesem ihre Einwilligung zu geben. Oft wird keine Gewalt angewandt, sondern der Täter erreicht durch Bestechung, Drohung oder Überredungskunst sein Ziel.

Ein gutes Beispiel ist eine Situation, in der vom Kind verlangt wird, unter allen Umständen die Wünsche der anderen Personen zu erfüllen. Wie oft haben Sie selbst

schon ein Kind dazu überredet, einen Verwandten zu umarmen oder zu küssen, dem Sie auf der Straße begegneten? Obwohl das Kind es nicht wollte, hat es auf Ihr Zusprechen hin doch schließlich genau das getan und so wird das Kind daran gewöhnt, unerwünschte Kontakte zu dulden.

Wir selbst haben oft auch die Worte der Eltern „Rede mit keinem Fremden“ gehört, aber heute ist dies Maßnahme nicht annähernd ausreichend, um die Sicherheit des Kindes garantieren zu können. In mehr als 80 % der Fälle kannten die Kinder ihren Täter und standen mit ihm in engem Kontakt.

Die häufigsten Formen des sexuellen Missbrauchs von Kindern umfassen folgendes:

• vom Kind wird verlangt, dass es sich auszieht, oder eine erwachsene Person führt vor dem Kind exhibitionistische Handlungen durch (der Erwachsene zieht sich aus und zeigt dem Kind seine Genitalien).

• der Täter berührt und streichelt die Genitalien des Kindes und/oder verlangt, dass das Kind die Genitalien des Täters berühren soll

• vaginale/orale/anale Penetration (mit den Genitalien, mit der Hand oder mit einem Fremdkörper)

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• dem Kind werden pornographische Inhalte gezeigt, oder das Kind wird zur Produktion pornographischer Inhalte ausgenutzt

Beim Missbrauch innerhalb der Familie, bzw. wenn der Täter ein Elternteil, Bruder oder Schwester ist, sprechen wir von Inzest oder Blutschande. Inzest ist ein Problem der ganzen Familie. Sie wird von Fassungslosigkeit, Schande und Schuld begleitet und wenn der Vater der Täter ist, benimmt sich die Mutter oft so, als ob ihr die ganze Situation nicht bewusst gewesen wäre. Der Grund liegt darin, dass sie ihren Misserfolg als Mutter und als Ehefrau nicht annehmen kann (Angst vor dem Verlust des Ehegatten, Stigmatisierung der Familie, finanzielle Abhängigkeit vom Ehemann). Die häufigste Form des Inzestes geschieht zwischen dem älteren Bruder und der jüngeren Schwester.

Das mangelnde Wissen über die Anzeichen, den Tathergang und die Folgen des sexuellen Missbrauchs ist bestimmt einer der Gründe, warum eine Tat nicht erkannt und angezeigt wird. Es ist die Aufgabe der Erwachsenen – obwohl es schwierig ist –mit Kindern über die Intimität des Körpers, über die Arten des Berührens und über ihr Recht „Nein!“ zu sagen, zu sprechen. Über dieses Thema soll auf die gleiche Art und Weise gesprochen werden, wie wenn Eltern mit ihren Kindern über das Verhalten im Straßenverkehr oder über andere alltägliche Gefahren sprechen.

Verlauf des sexuellen Missbrauchs

Unabhängig davon, wer der Täter ist, auf welche Weise, wie lange und an welchem Ort der sexuelle Missbrauch stattfindet, haben alle Vorfälle häufig einen sehr ähnlichen Verlauf.

Wenn es sich um vollkommen unbekannte Personen handelt, ist es die erste Aufgabe des Täters, sich den Eltern des Kindes anzunähern. Am Anfang zeigt der Täter überhaupt kein verdächtiges Verhalten und kein Interesse an dem Kind, er ist ganz auf die Eltern fokussiert. Wenn er sich den Eltern annähert und von diesen angenommen wird, ist es viel leichter, sich auch dem Kind anzunähern. Er kauft dem Kind Geschenke und Süßigkeiten und spielt mit dem Kind. Wenn es sich um eine Person handelt, die dem Kind bereits bekannt ist, schließt diese Phase auch das Erwerben der Zuneigung und des Vertrauens des Kindes mit ein. Wenn der Täter ein Familienmitglied ist, wird er die Liebe zum Kind besonders betonen und verlangen, dass das Kind erklärt, dass es den Täter mehr liebt, als alle anderen Familienmitglieder. Die emotionale Beziehung, die den Täter und das Kind verbindet, ist sein „As im Ärmel“, dass er immer zieht, um die Möglichkeit zu verringern, dass die Wahrheit aufgedeckt wird und um den Missbrauch fortsetzen zu können. Wegen dieser besonderen Beziehung möchte auch das Kind nicht, dass dem Täter etwas geschieht und dass er bestraft wird.

Die nächste Phase ist das sexuelle „Spiel“. Die Handlungen werden dem Kind vom Täter als „Spiel“ verkauft, das sie beide genießen werden. Wenn der Täter eine un-

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bekannte Person ist, kommt es zu diesem Spiel oft nur einmal. Widrigenfalls kann die Situation eine lange Zeit, auch einige Jahre, andauern. Bei kontinuierlichem sexuellen Missbrauch beginnt der Täter meistens mit „milderen“ Aktivitäten (z. B. Zeigen der Genitalien) bei welchen das Kind keinen körperlichen Schmerz empfindet und die das Kind als eine Art Zuneigungsbeweis auffassen kann. Indem der Täter pädophile Pornographie benutzt und diese dem Kind zeigt, wird dem Kind suggeriert, dass sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen etwas ganz Natürliches seien. Mit der Zeit, wenn das Kind reifer wird, wächst beim Täter auch der Wunsch nach „ernsthafteren“ sexuellen Aktivitäten. Dann kommt es beim Kind zu unangenehmen und schmerzhaften Reaktionen, da es nicht gleich am Anfang „Nein!“ gesagt hat, als ihm alles wie ein harmloses Spiel präsentiert wurde.

Tatsache ist, dass ein Kind ein sexuelles Wesen ist und dass es während des Missbrauchs Erregung und Vergnügen erleben kann. Die Mädchen reagieren beim Missbrauch so, dass sich die Scheide befeuchtet, die Jungen erleben Erektion. Es geht um normale körperliche Reaktionen, welche auch zum Orgasmus führen können, dies bedeutet aber nicht, dass die Kinder ein sexuelles Verhältnis mit der älteren Person haben möchten. Das „Annehmen“ des sexuellen Missbrauchs durch das Kind kann auch die Folge eines schlechten Vokabulars, der Unwissenheit, der Wehrlosigkeit oder der Wahllosigkeit sein, der sich das Kind ausgesetzt fühlt. Hier geht es nicht um die Annahme des Missbrauchs, sondern um die Unterwerfung des Kindes. Das Kind schreit nicht, es wehrt sich nicht, es kann

auch lächeln – all das sind Abwehrreaktionen gegen die Angst.

Der Täter rechtfertigt sein Verhalten dadurch, dass das Kind „Vergnügen empfunden hat“. Aus allen angeführten Gründen schämt sich das Kind und empfindet Schande, es ist von sich selbst enttäuscht, weil es den Missbrauch nicht unterbrochen hat, es ist vom eigenen Körper enttäuscht, den es noch nicht einmal kennt, weil es nicht reagiert hatte, und der Täter nutzt die Gefühlslage des Kindes aus, um es davon zu überzeugen, dass es das Ganze gewollt habe. Das führt zur Phase des Stillschweigens über die Geheimnisse.

Der Täter überzeugt das Kind, dass seine Familie böse und enttäuscht sein wird, wenn sie von ihrem „Spiel“ erfährt (z.B. „Mama und Papa werden sich wegen dir streiten“, „Mama wird dich verlassen“), und wenn das Kind klar und entschieden verlangt, dass der Missbrauch enden soll, benutzt der Täter auch Drohungen, wie z. B. dass er die Eltern, geliebte Personen oder Haustiere des Kindes verletzen oder gar umbringen wird.

An diesem Punkt versucht das Kind durch seine nonverbalen Reaktionen und durch

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sein geändertes Verhalten Hilfe zu suchen, in der Hoffnung, dass jemand seinen Hilferuf erkennen und ihn beschützen wird. Dies kann zur letzten Phase des Martyriums führen; der sexuelle Missbrauch des Kindes wird entdeckt (das Kind vertraut es jemandem an, oder Fachleute erkennen den Missbrauch) und zuständige Institutionen können dem Kind helfen.

Der Hilferuf (Anzeichen an denen der Missbrauch erkannt wird)

Um zu erkennen, dass ein Kind sexuell missbraucht wird und Hilfe braucht muss man die Zeichen, an welchen der Missbrauch zu erkennen ist, deuten können. Wenn das Kind bisher zurückgezogen und ruhig war kann ein plötzlich (verbales) aufrührerisches Verhalten, sowie das Interesse an Promiskuität als alarmierende Veränderung gesehen werden. Wenn ein Kind, mit dem man bisher keine Probleme beim Schlafengehen hatte, jetzt plötzlich Angst vor dem Dunkeln hat, ist das bestimmt ein Signal, dass etwas nicht in Ordnung ist. Auch regressives Verhalten – wenn das Kind in der Nacht ins Bett macht, wenn es am Daumen lutscht – zeigt, dass das Kind Ihre Hilfe braucht. Des Weiteren kann sich das Kind aggressiv verhalten, es kann andere Kinder malträtieren und misshandeln oder sexuelle Handlungen simulieren.

Ein klares Zeichen ist auch das Interesse an Sexualität in einem untypischen Alter: Ausdrücke, die es verwendet, Interesse an der Sexualität und an Genitalien anderer Leute, Belästigung des Haustieres, häufige Masturbation. Es können auch zahlreiche andere Anzeichen auftreten, wie z. B. Mangel an

Selbstbewusstsein, Wutausbrüche, Misserfolg in der Schule, Zurückgezogenheit, Depression, Flucht von Zuhause (wenn es sich um Inzest handelt), Unfähigkeit, körperliche Kontakte und Vertrautheit zuzulassen. Je älter das Kind ist, desto stärker werden diese Zeichen erkennbar sein (zum Beispiel: Flucht von Zuhause für eine längere Zeit). Wenn die erwachsene Person das Kind nicht beschützt, wenn sie die verbalen und nonverbalen Zeichen des Kindes nicht erkennt, können im adoleszenten Alter Schwierigkeiten mit dem Verstehen der Sexualität, Selbstverletzungen, Selbstmordversuche, oder Suchtverhalten (Drogen, Alkohol, Glücksspiele) auftreten.

Einige Verhaltensmuster, die Anzeichen für sexuellen Missbrauch sein können:

• erschwertes Gehen oder Sitzen

• Verletzungen des genitalen oder analen Bereichs

• Schmatzen beim Urinieren

• Erstickungsgefühl

• häufige psychosomatische Störungen, Kopf- oder Bauchschmerzen

• zerrissene Kleidung

• die Unterwäsche ist schmutzig/blutbefleckt

• Schmerzen und Jucken im Bereich der Genitalien

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KINDESMISSBRAUCH

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• venerische Krankheiten, besonders in der Pubertät

• Verletzungen auf der Brust, den Brustwarzen oder unterhalb des Bauches

• plötzliche Gewichtsab- oder zunahme

• häufiges Duschen

• das Kind lehnt es ab, irgendwohin zu gehen oder mit jemandem zusammen zu sein

• das Kind drückt seine Gefühle nicht entsprechend aus

• das Kind versucht „unsichtbar“ zu sein

• das Kind wählt Bekleidung, die vieles offen zeigt oder trägt viele Schichten an Kleidung übereinander

• sexuelle Inzidenz

• Verhaltensstörungen

• Wut, Angst, Hilflosigkeit

• Angst vor dem Nachhause gehen nach der Schule, Angst vor der Dunkelheit, Angst vor dem Zubettgehen, Angst davor, im Badezimmer zu sein

• Angst vor körperlichem Kontakt

• Angst vor geschlossenen Türen, Angst davor, in Räumen zu sein, die nur eine Tür/einen Ausgang haben

• Misserfolg in der Schule

• Weinen und Depressionen

• Gefühle von Verwirrtheit und Verrat

• suizidales Verhalten

• Selbstverletzungen

• Drogen- und Alkoholkonsum

• Essstörungen

• Flucht von Zuhause

• Neigung zu risikobehafteten Situationen

Folgen des sexuellen Missbrauchs

Die Folgen hängen von vielen individuellen Merkmalen der beteiligten Personen, d.h. sowohl des Kindes als auch von den Charakteristiken des Täters ab: wann wurde

das Kind zum ersten Mal sexuell missbraucht, in welcher Beziehung stand der Täter zu seinem Opfer, welchen sexuellen Aktivitäten wurde das Kind ausgesetzt und wie lange?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen den Folgen, die sich auf das körperliche oder emotionale/physische Verhalten auswirken und jenen, die sich auf das Verhalten/ soziale Benehmen auswirken. All diese Symptome können auf Angst vor dem Verlassenwerden, vor Beschuldigungen, Bestrafungen oder vor Misstrauen nahestehender Personen, und auf das Gefühl der Hilflosigkeit zurückgeführt werden. Wenn man das Alter des Kindes berücksichtigt, sind bei Vorschulkindern neben den bereits angeführten Erkennungszeichen auch urinäre und vaginale Infektionen bemerkbar, sowie Schmerzen im Bauch, Irritationen, Verletzungen und Hämatome im Bereich der Genitalien, Kopfschmerzen, Erbrechen, Gewichtsab- bzw. zunahme, Alpträume, obsessives Händewaschen, obsessives Gesicht waschen und/oder Baden und andererseits Vernachlässigung der Hygiene, soziale Isolation, Gefühl des Schams, der Schande und der Schuld. Bei Schulkindern

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können neben den bereits angeführten Zeichen auch Verlust des Selbstbewusstseins, Depression, Aggressivität, Wutanfälle und Hysterie, Verlust der Konzentration, Misserfolg in der Schule, Fernbleiben vom Unterricht, Anorexie, Bulimie, Vermeidung von körperlichen Kontakten, detaillierte Kenntnisse über die Genitalien und der Sexualität und antisoziales Verhalten auftreten. Im Vergleich zu der jüngeren Generation kommen hier auch kriminelles Verhalten, Mangel an Toleranz und an Geduld vor. Bei Adoleszenten sind die bereits angeführten Merkmale noch stärker durch Promiskuität und sexuelle Probleme, Alkohol- und Drogenmissbrauch, leichtere kriminelle Taten und Suizidalität ausgeprägt. Bei reproduktiv reifen Mädchen kann es auch zur unerwünschten Schwangerschaft kommen.

Wenn man diesen Zeichen, sowie den Symptomen und Folgen, an denen das Kind wegen dem „Stillschweigen“ und dem Verhältnis mit dem Täter leidet, keine Aufmerksamkeit schenkt, bekommt das Kind das Gefühl, dass es seine Probleme niemandem anvertrauen kann, das Kind verschließt sich gegenüber den anderen und es entstehen Probleme mit der sozialen und emotionalen Anpassung. Untersuchungen von Erwachsenen, die in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden, zeigen, dass Missbrauch langfristige Folgen nach sich zieht. Diese Folgen sind stärker ausgeprägt, wenn der Betroffene keine entsprechende Hilfe und Unterstützung erhalten hat und hängen auch von den Merkmalen des Missbrauchs ab (sexuelle Kontakte mit bizarren Elementen, mehrere Täter, Gefühl

der Verantwortung für den Missbrauch, Gefühl der Hilflosigkeit...). Meistens haben die Opfer später Probleme mit dem sozialen Funktionieren (gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, Misstrauen, Schwierigkeiten mit der Herstellung neuer Beziehungen, Stigmatisierung, Alkoholkonsum und Konsum anderer Suchtmittel, kriminelle Aktivitäten, sexuelle Probleme (Verlust der sexuellen Lust, „Flashbacks“, Vermeiden sexueller Beziehungen, Schwierigkeiten mit dem Orgasmus, Abneigung gegenüber dem eigenen Körper und der Sexualität), psychische Störungen (posttraumatische Belastungsstörungen, depressive Stimmungen, Phobien, Anxiosität, Dissoziation, obsessiv-kompulsives Verhalten, Panik, Manie) und Suizidalität.

Statistik des Kindesmissbrauchs in Deutschland

Die Polizeiliche Kriminalstatistik in Deutschland hat im Jahr 2019 15.701 Fälle des Kindesmissbrauchs erfasst. Es wurden 10.259 Tatverdächtige ermittelt, davon 627 weibliche Tatverdächtige. Betroffene Opfer wurden insgesamt 13.670 erfasst. Insgesamt waren 1.937 Opfer bis unter sechs Jahren und 13.764 von sechs bis 14 Jahren. Bei der Hälfte der Opfer hatte der Täter eine Beziehung zum Opfer. Mädchen wurden in insgesamt 11.878 Fällen, Jungen in 3.823 Fällen Opfer von Kindesmissbrauch. Damit liegt der Opferanteil bei Mädchen bei über 75%*.

Bewertet man die Kriminalstatistik, so stellt sich die Frage nach dem Dunkelfeld, also der Zahl nicht angezeigter Straftaten

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International
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*Polizeiliche
KINDESMISSBRAUCH
Kriminalstatistik 2019 BRD Bundeskriminalamt

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(Missbrauchsfälle). Angesichts solcher Statistiken muss die Frage gestellt werden, aus welchen Gründen der sexuelle Missbrauch – so wie es aus den Angaben der Untersuchungen und aus den Erfahrungen aus unmittelbarer Arbeit mit den Opfern der Gewalttaten hervorgeht – meist nicht angezeigt wird. Einige der missbrauchten Frauen glauben, dass sie auf irgendwelche Weise den Missbrauch mitverschuldet haben – weil sie etwas Bestimmtes getan oder unterlassen haben. Die Reaktionen der Gesellschaft, angeeignet durch Sozialisation, sind voll von Mythen über sexuelle Gewalt (z. B. „Sie hat bekommen, was sie verdient hat.“, oder „Sie hat es selbst darauf angelegt und jetzt beschwert sie sich.“). Einige Opfer zeigen den sexuellen Missbrauch nicht an, weil sie Angst vor

an Informationen über möglichen Schutz und Hilfe.

Aus den angeführten Punkten geht hervor, dass ein großer Bedarf nach der Aufklärung der Gesellschaft über ein starkes und erkennbares Netz für die Hilfe der Opfer sexuellen Missbrauchs besteht, wobei die Opfer dazu ermutigt werden sollen, den Missbrauch anzuzeigen. Auch die Mitarbeiter der Institutionen und die Medien müssen über psychologische Faktoren beim Opfer und beim Täter, sowie über die Mechanismen aufklären, die als Folge des sexuellen Missbrauches erscheinen. Schlagzeilen aus Sensationsgier, die in der breiteren Öffentlichkeit durch die Medien platziert werden, tragen nicht zu einer konkreten Lösung des Problems bei, dass der Missbrauch oft nicht angezeigt wird. Sie verbreiten nur Angst. Die falschen Bilder und Mythen, die sich in den Köpfen der Menschen in Hinblick auf die sexuelle Gewalt festgesetzt haben, müssen geändert werden.

dem Täter und seiner eventuellen Rache haben. Ein weiterer Grund dafür, die Tat nicht anzuzeigen, ist auch das Misstrauen und die Angst vor der Polizei und vor dem Gericht, vor langwierigen und schweren Gerichtsprozessen, oder davor, dass der Täter nicht oder eine zu geringe Strafe erhält. Dazu kommt auch noch der Mangel

Manche werden sich fragen, warum es erforderlich ist, dass mehrere Opfer den sexuellen Missbrauch anzeigen, trotz der Tatsache, dass das für das Opfer eine zusätzliche traumatische Erfahrung sein kann und häufig auch wird. Ein Grund liegt darin, dass es so zu einer besseren Arbeit des juristischen Systems kommt, die zur Durchführung entsprechender Verfahren führen sollte, und dazu, dass die Täter auf diese Weise verurteilt und bestraft werden. Es würde auch zu einer besseren Betreuung der Opfer, und zu besseren Therapieprogrammen für die Täter führen. Des Weiteren wird durch die geringe Anzahl der angezeigten Fälle des sexuellen Missbrauchs das falsche Gefühl geweckt, dass es sich hierbei um eine Form der Gewalt-

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taten handelt, die äußerst selten vorkommt und es daher nicht Wert ist, im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses zu stehen. Würde die Bereitschaft, Sexualstraftäter anzuzeigen, steigen, so würde das auch zu einer Entwicklung besserer Vorbeugungsprogramme führen, in Hinblick auf die ganze Gesellschaft, sowie gezielte Edukation und Sensibilisierung der Fachleute, die sich mit diesen Problemen befassen. Um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, muss der Prozess der Anzeige des Missbrauches erleichtert und qualitätsvolle Unterstützungsmechanismen gesichert werden.

wird beschrieben, dass die Jugendhilfe hierzu „Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen“ hat. Neben den Jugendämtern gibt es zahlreiche Institutionen, die als freie Träger der Jugendhilfe eine vergleichbare soziale Arbeit leisten.

Ziele der Kinder- und Jugendhilfe sind:

• Prävention vor Repression

• Leistung vor Eingriff

• Freiwilligkeit vor Zwang

Gesetzgebung,

zuständige Behörden, Vorgehensweisen und Anzeigen

Um die gesetzlichen Grundlagen und die verschiedenen Zuständigkeiten der Behörden in Deutschland verstehen zu können, sind die Grundrechte im Grundgesetz ausschlaggebend. Es sind die Menschenwürde in Art 1 Abs. 1 Satz 1 GG, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.

In Art. 6 Abs. 2 GG wird das Recht auf Pflege und Erziehung als natürliches Recht der Eltern beschrieben, dass aber auch eine Verpflichtung erhält. Darüber wacht die staatliche Gemeinschaft. Hiermit wird schon historisch gesehen die Aufgabenpflicht für die Jugendämter gesehen, die seit 1990 mit dem in Kraft getretenen Kinder- und Jugendhilfegesetz geregelt wurde. Für das, was heute als Kinder- und Jugendhilfe bezeichnet wird, nimmt das Jugendamt als öffentliche Jugendhilfe die zentrale Stelle ein. In §1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII (Sozialgesetzbuch)

Darüber hinaus bestimmen das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) weitere Eingriffsmöglichkeiten. Im § 3 Abs. 1 GewSchG ist beschrieben, dass die Eltern in ihrer elterlichen Sorge eingeschränkt werden können. Das Familiengericht kann von Amts wegen die Wohnungswegweisung über die §1666 und 1666a BGB veranlassen. So kann dem gewalttätigen Elternteil auf diesem Weg die Nutzung der eigenen Wohnung untersagt werden. Gerichtliche Maßnahmen können nach §1666 BGB getroffen werden, wenn durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten festgestellt werden.

Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) sind die gesetzlichen Regelungen beschrieben, die die Kinder- und Jugendhilfe betreffen. Dies ergibt sich aus 31 Abs. I SGB VII, in dem beschrieben wird, dass jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat. Ergänzend hierzu gibt es seit 2005

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KINDESMISSBRAUCH

NICHT MIT MIR! GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN UND JUGENDLICHEN KINDESMISSBRAUCH

das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK), dass den aktiven Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung beschreibt und verstärkt auch die Träger der freien Träger der Jugendhilfe mit einbezieht. Die genauen Eingriffsrechte des Jugendamtes ergeben sich dem § 8a SGB VIII. Eine tief greifende Einschränkung der elterlichen Sorge erfolgt durch die Inobhutnahme des Jugendamtes nach §42 SGB VIII.

Es sind hier drei Fallgruppen denkbar:

• Das Jugendamt erfährt von einer Kindeswohlgefährdung und kann eine familiengerichtliche Entscheidung nicht herbeiführen.

• Der Minderjährige sucht selbst um Schutz nach.

• Ein ausländischer Minderjähriger wird in Deutschland angetroffen und seine Sorgeberechtigten halten sich nicht im Inland auf.

Für die Polizei ergibt sich zunächst ein Auftrag aus der polizeilichen Gefahrenabwehr. Sie ist nach den Polizeigesetzen der Länder verpflichtet, Schutz vor Gewalt zu gewährleisten und hat die Gefahren abzuwehren, die dem Minderjährigen drohen (Prävention). Gefährdungssituationen werden der Polizei vielfach im Rahmen anderweitiger Ermittlungsmaßnahmen bekannt. Die Beurteilung des Sachverhaltes erfolgt zunächst durch die eingesetzten Polizeibeamten. Das Spektrum kann von einem Bericht an das Jugendamt bis hin zur unmittelbare Herausnahme der Kinder aus der Familie reichen.

Die Polizei ist in diesen Fällen regelmäßig berechtigt:

• Die anwesenden Personen unter Beachtung evtl. vorliegender Belehrungserfor-

dernisse zu befragen und Personalien festzustellen.

• Den Sachverhalt zu protokollieren und zu dokumentieren.

• Das originär zuständige Jugendamt zu informieren.

Liegt gemäß §152 StPO (Strafprozessordnung) der Anfangsverdacht einer Straftat vor, ist die Polizei gemäß §163 StPO verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die zur Aufhellung des Sachverhaltes beitragen können. Dazu können gehören:

• Informatorische Befragung/Vernehmung

• Durchführung des sog. Ersten Angriffs (Sicherungs- und Auswertungsangriff)

• Durchsuchung

• Körperliche Untersuchung

Zu beachten ist, dass Delikte im Zusammenhang mit der Kindeswohlgefährdung Antragsdelikte sind. Minderjährige dürfen nach §77 III StGB (Strafgesetzbuch) keinen Antrag stellen. Dies muss durch die Erziehungsberechtigten geschehen. Bei Verweigerung eines Elternteils muss darüber das Familiengericht entscheiden.

Der strafrechtliche Rahmen der Kindesvernachlässigung/Kindesmisshandlung stellt sich wie folgt dar:

• §§223, 225 StGB Körperverletzung, Misshandlung von Schutzbefohlenen

• § 174 StGB sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen

• § 174c StGB sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses

• §§ 176, 176a StGB sexueller Missbrauch von Kindern

• § 171 StGB Verletzung der Fürsorge oder Erziehungspflicht

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• § 182 StGB sexueller Missbrauch von Jugendlichen

• § 248a StGB Haus- und Familiendiebstahl

• § 201a StGB Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen

Kommt es zur Tötung eines Kindes, können darüber hinaus folgende Tatbestände erfolgt sein:

• §176b StGB sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge

• §§ 210/211 StGB Totschlag, Mord

• §§223, 227 StGB Körperverletzung mit Todesfolge

• § 222 StGB fahrlässige Tötung

In bestimmten Fallkonstellationen kann auch eine Strafbarkeit nach § 30 StGB (Versuch der Beteiligung) und 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) in Frage kommen.

Die Garantenpflicht und Haftung für das Kindeswohl haben die Fachkräfte der Kinderund Jugendhilfe zu übernehmen und tragen somit eine große Mitverantwortung. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese auch zur Rechenschaft gezogen werden. Der Begriff des Garanten stammt hier aus dem Strafrecht und bestimmt in § 13 StGB (begehen durch Unterlassen), dass derjenige, der verpflichtet ist, einen Erfolg zu verhindern, für sein Nichtverhindern ebenso wie ein handelnder Täter bestraft wird.

Wichtig ist hier auch die bestehende Amtshaftung der Mitarbeiter der Jugendämter. Diese ergibt sich aus dem § 839 Abs 1 BGB und § 832 BGB. Die Schadensersatzansprüche eines betroffenen Kindes richten sich nach Art 34 S. 1 GG an den öffentlichen Träger (Jugendamt oder Schulträger). Er kann

nach Art 34 II GG persönlich in Regress genommen werden.

Eine weitere Haftung ergibt sich aus dem Opferentschädigungsgesetz, nachdem Menschen, die Opfer von Gewalttaten auf deutschen Hoheitsgebiet werden, Ansprüche geltend machen können. Voraussetzungen sind das Vorliegen einer Gewalttat und das Vorliegen einer gesundheitlicher Schädigungen als Folge dieser Gewalttat. Dies gilt bei einem vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriff gegen eine Person, so z.B. bei sexuellem Missbrauch.

Reaktionen von Opfern sexuellen Missbrauchs

Missbrauchsopfer reden in Anwesenheit deren Eltern oder Bekannten sehr selten über die Einzelheiten des Missbrauchs und geben ihnen keinen Grund zur Annahme, Opfer sexuellen Missbrauchs zu sein. Wenn aber ein Verdacht besteht, muss ein Arzt konsultiert werden, der durch eine Untersuchung feststellen kann, ob es sich um einen möglichen Missbrauch handelt. Der Verdacht besteht, wenn Schmerzen in der Vagina, im Rektum oder im Bereich des Penis vorliegen, sowie bei Ausfluss oder Rötung, bzw. wenn blaue Flecken an den angegebenen Stellen vorliegen, bzw. bei chronischen Störungen beim Harnen, Bettharnen, bei Konstipation oder Retention des Stuhlgangs.

Manche Verhaltensarten können den Verdacht auf Missbrauch wecken, wie z. B. suizidales Verhalten, Aggressivität, Phobien, Depressionen oder Misserfolge in der Schule. Es ist empfehlenswert, das Kind von einem Arzt des gleichen Geschlechts untersuchen zu lassen, es sei denn, das Kind äußert andere Wünsche. Besondere

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KINDESMISSBRAUCH

KINDESMISSBRAUCH

folgt dies auch unter Vollnarkose, da solche Verletzungen im weiteren klinischen Verlauf potentiell sehr gefährlich sein können. Alle Verletzungen müssen forensisch dokumentiert werden. Operative Eingriffe bei der Sanierung der Verletzungen sind selten erforderlich.

Labordiagnostik bei Missbrauch

Aufmerksamkeit sollte dem Hals und dem Mund geschenkt werden und nach kleinen Wunden, Rötungen, blaue Flecken am Hals und Bissspuren gesucht werden, die dann forensisch zu verarbeiten sind.

Bei der Untersuchung des Abdomens muss eine Echosonographie gemacht werden, Anzeichen für eine Schwangerschaft müssen geprüft werden. Es sind auch der Penis und das Skrotum oder die Vagina zu untersuchen, auf welchen Spuren der mechanischen Verletzungen und Rötungen vorkommen können, sowie das Rektum, wo Verletzungen und Ausgüsse oder Altblut zu suchen sind.

Es soll auch ein Abstrich genommen werden, wo die Reste des Ejakulats zu suchen sind. Für einen solchen Typ der Untersuchung ist die Mitwirkung des Kindes erforderlich. Dem Kind muss erklärt werden, was passieren wird und neben dem Arzt muss noch eine andere erwachsene Person anwesend sein. Meistens sind es der Arzt und der Gesundheitspfleger, oder der Arzt und der Polizist, in Abhängigkeit von der Situation. Bei Verdacht auf Risse an der Vagina oder am Rektum ist eine detaillierte Untersuchung erforderlich. Manchmal er-

Die Laboruntersuchungen und deren Ergebnisse hängen auch davon ab, wie viel Zeit seit der Entstehung der Verletzung vergangen ist. Innerhalb von 72 Stunden sind Beweise nach forensischem Protokoll zu erheben (Bekleidung, Nägel, Haare, Flüssigkeiten), die Proben von der Bekleidung sind mit einem Wattebausch zu nehmen, nach Flüssigkeiten wird mit einer Wood-Lampe gesucht. Werden auf den Abstrichen des Rektums und der Vagina Ejakulat gefunden, bekommt man die besten Ergebnisse, wenn der Vorfall weniger als sechs Stunden zurück liegt, weil die Spermien zu diesem Zeitpunkt noch beweglich sind. Wenn sie später genommen werden, sind die Ergebnisse in Hinblick auf die Identifikation des Täters fraglich, da die saure Phosphatase nur 24 Stunden erhal-

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ten bleibt. Bei Kontakt mit den Genitalien des Täters sind auch Proben nach dem Typ des Abstrichs für Chlamydien, Gonnhorea und, soweit klinische Symptome bestehen und im Falle eines länger andauernden Missbrauchs auch Blutproben wegen HIV, Syphilis und Hepatitis B zu nehmen.

Diagnose des sexuellen Missbrauchs

Die Untersuchung und die anamnestischen Angaben sind der wichtigste Teil der Diagnose, positive Ergebnisse der Laboruntersuchung stellen auch einen wichtigen Teil der Diagnosebestätigung dar. Wenn bei der Untersuchung auch Kondylome gefunden werden, ist die Diagnose ziemlich sicher. Bei Kindern nach dem dritten Lebensjahr weisen Kondylome (condyloma acuminatum) auf einen chronischen Missbrauch hin. Trihomonas vaginalis ist eine Geschlechtskrankheit, die – wenn es im Befund festgestellt wird – ebenfalls auf einen wahrscheinlichen Missbrauch hinweist.

Vorgehensweise der Gesundheitseinrichtungen bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch

Besteht der Verdacht auf sexuellen Missbrauch, muss eine vorbereitende Untersuchung gemacht werden. Anschließend müssen Sozialämter und die Polizei kontaktiert werden. Danach sind die bereits erwähnten diagnostischen Verfahren in der Klinik vorzunehmen. Jedes Opfer braucht auch psychologische Unterstützung. Es müssen, in Abhängigkeit von den Befunden, antibiotische, antivirale

und eventuell auch eine Therapie zur Schwangerschaftsprävention verabreicht werden. Seitens der zuständigen Behörden ist eine multidisziplinäre Bearbeitung und Beobachtung des Kindes in den nächsten Monaten nach einem solchen Ereignis erforderlich.

Prävention gegen sexuellen Missbrauch

Die Unterweisung der Kinder über die sexuelle Entwicklung und Reife und über mögliche Gefahren ist bei der Prävention solcher Taten sehr wichtig. Kinder müssen wissen, an wen sie sich mit ihren Problemen wenden können. Auch die behandelnden Ärzte müssen einer Unterweisung unterzogen werden, was beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch bei der Untersuchung vorzunehmen ist, aber auch der Wille des Arztes, bei eventuellen späteren Gerichtsverfahren als Zeuge zu erscheinen, ist wichtig.

Aussichten für Opfer

Rechtzeitiges Eingreifen und eine rasche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle geben Anlass zur Hoffnung, dass sich das Opfer trotz allem zu einer reifen, erwachsenen Person entwickeln kann. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass das Opfer im Laufe der Zeit eine Sucht entwickelt, zu Aggressivität/ aggressiven Beziehungen oder zu früher Elternschaft neigt, oder dass es Schwierigkeiten hat, Beziehungen zu halten. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Opfer später an psychischen Krankheiten, wie Depression oder Anorexie, erkranken. Es ist wichtig dem Opfer richtig und rechtzeitig zu helfen, weil

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damit seine Chancen wachsen, wieder ein normales Leben führen zu können.

Polizeiliche Bearbeitung bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch

Die Ermittlung in einem sexuellen Missbrauchsfall duldet keine zeitliche Verzögerung. Die Polizei wird in möglichst kurzer Zeit versuchen, möglichst viele Beweise zur Feststellung der Strafhandlung zu sammeln. Der erste Kontakt erfolgt in der Regel durch den Polizeibeamten, der eingreift oder bei dem die Anzeige eingegangen ist und dabei nur die für die Einschätzung der Lage notwendigen Fragen stellt (Bestimmung des Gefährdungsgrades des Opfers, Sicherstellung von materiellen Beweismitteln oder Identifizierung des Täters), während das weitere Verfahren den spezialisierten Jugendbeamten der Polizei überlassen wird, die nach den Bestimmungen des Gesetzes über Jugendgerichte speziell für die Arbeit mit der Jugenddelin-

quenz und -kriminalität zum Nachteil der Jugend und der Familie ausgebildet sind. Ein Gespräch mit dem Kind wird im Sinne des Schutzes dessen Rechte und Interessen in Anwesenheit der Eltern, Betreuer oder einer anderen Person erfolgen, die für das Kind sorgt. In Ausnahmefällen kann das Gespräch auch in Anwesenheit eines Fachmitarbeiters/einer Fachmitarbeiterin des Jugendamtes erfolgen.

Mit dem Ziel der Erhebung relevanter Tatsachen und der Sicherstellung materieller Beweise wird der Jugendbeamte der Polizei mit dem Kind ein Informationsgespräch durchführen, wobei berücksichtigt wird, dass man mit dem Kind schonend umgeht, dass der Gesprächsverlauf an das Alter, die Persönlichkeitsmerkmale des Kindes und an seinen momentan psychischen Zustand angepasst werden muss. In den deutschen Polizeibehörden gibt es darüber hinaus besonders kindgerecht ausgestattete Vernehmungszimmer für Kinder.

Eine gut geführte Anhörung/Vernehmung oder Informationsgespräch und die erhobenen Informationen und Beweise reduzieren die Möglichkeit einer sekundären Viktimisierung* des Opfers im weiteren Verfahren vor den Gerichten.

Kindesmissbrauch als Tat im persönlichen sozialen Umfeld

Die meisten Täter und Opfer (zwischen 70 und 90 %) sind einander zum Tatzeitpunkt bereits bekannt. Bei den Tätern handelt

*Unter sekundärer Viktimisierung versteht man eine Wiedertraumatisierung des Opfers durch eine nicht entsprechende Reaktion der Polizei oder der Justizbehörde. Meistens ist dies auf einen Mangel an Empathie gegenüber dem Opfer oder eine mehrfache Befragung, die sich als überflüssig erweist, zurückzuführen.

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es sich größtenteils um Familienmitglieder (Vater, Großvater, Betreuer, Stiefvater, Liebhaber der Mutter), Verwandte (Onkel), Nachbarn, Untermieter, Freunde der Familie, Kindermädchen bzw. die mit der Erziehung und Bildung der Kinder beauftragten Personen (Lehrer, Priester, Arzt u. ä.). Im Vergleich zu den Freunden und Bekannten bilden Fremde, die ein Kind im Park oder im Pkw ansprechen, lediglich 10 – 30 % der Täter (Finkelhor und Mitarb., 1995).

In ihrer Arbeit mit Sexualstraftätern zum Nachteil von Kindern verwendet das FBI zwei Bezeichnungen: Täter, die Straftaten gegen Kinder verüben und Pädophile. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Bezeichnungen?

Ein Täter, der Straftaten gegen Kinder verübt ist eine Person, welche Kinder sexuell missbraucht. Eine Person, die auf Kinder bezogene sexuelle Fantasien hat ist ein Pädophiler, aber wenn er nicht agiert (keinen Missbrauch verübt) so ist er kein Täter, der Straftaten gegen Kinder verübt.

Viele Untersuchungen haben ergeben, dass Sexualstraftäter zum Nachteil von Kindern in irgendeiner Form gesellschaftliche Defizite aufweisen, wenige Freunde oder überhaupt nur wenig soziale Kontakte haben. Sie leiden insbesondere unter einem Mangel an Sozialkompetenz, sind sehr zurückgezogen, ihnen fehlt Einschätzungsfähigkeit und sie haben ein niedriges Selbst-

bewusstsein. Viele Pädophile versuchen, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie weder unmoralisch noch sexuell deviant oder Kriminelle sind. Lieber reden sie sich selbst ein, dass sie hochintelligente, sensible und besondere Individuen seien, deren Verhalten in der Zeit, in der sie leben, unverstanden ist.

Nachdem er ertappt wurde, versucht der Täter für gewöhnlich, sein Verhalten zu rechtfertigen, indem er sich selbst und anderen davon überzeugen will, dass er sich um das Kind mehr kümmert als deren eigene Eltern und dass das, was er tut, zum Wohl des Kindes geschieht. Er kann genauso behaupten, dass ihm nicht bewusst war, in welchem Alter das Opfer war. Ist der Täter der Vater des Kindes, kommt es vor, dass er behauptet, es sei für das Kind besser, von ihm über Sex „aufgeklärt“ zu werden, er unter großem Stress stand oder dass er Probleme mit Alkohol hat.

Die Bemühungen um Rechtfertigung des eigenen Verhaltens führt oft auch zur Beschuldigung des Opfers. Zu behaupten, dass sie vom Opfer verführt wurden, dass das Opfer sexuelle Aktivitäten eingeleitet hat oder dass das Opfer promiskuitives Verhalten zeigt, ist die häufigste Rationalisierung bei solchen Straftätern. In einigen Fällen kann dies wahr sein, aber diese Rechtfertigung hat keine Bedeutung, weil die Straftat trotzdem begangen wurde. Bei der Begehung sexueller Delikte an Kindern hat die Einwilligung des Kindes keine Bedeutung.

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NICHT MIT MIR! GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN UND JUGENDLICHEN TIPPS UND HILFESTELLUNG

Hilfe für Missbrauchsopfer

Es ist sehr wichtig, einem Opfer sexuellen Missbrauchs zu helfen, damit es keine Wiedertraumatisierung während des Gerichtsverfahrens erlebt, welches oft langwierig und unangenehm ist (ein langwieriges und unangenehmes Verfahren ist zugleich ein Grund für die geringere Zahl von Anzeigen dieser Gewaltform). Eine wichtige Rolle bei der Hilfestellung für Opfer können auch Frauenhäuser oder Notruftelefone spielen, die das ganze Jahr rund um die Uhr zugänglich sind.

dass das Thema sexueller Missbrauch in der Gesellschaft immer noch ein ziemlich großes Tabu ist und die Medien uns nur bestimmte (meistens die schwerwiegendsten) Formen des sexuellen Missbrauchs präsentieren, gewinnt man den Eindruck, dass sexueller Missbrauch selten und nur unter den spezifischen Umständen vorkommt (Gewalt an Mädchen durch den Partner, beim nächtlichen Ausgehen u. ä.). Die Ergebnisse der offiziellen Untersuchungen zeigen, dass dies kein realer Zustand ist und dass es wichtig ist, diese Erkenntnisse zu teilen.

Auch die Idee, Kinder im Grund- und Mittelschulalter über sexuelle Gewalt als Teils der sexuellen Erziehung aufzuklären, steht seit längerer Zeit im Raum.

Vorbeugung

Als gute Vorbeugungsstrategien werden jene Maßnahmen angesehen, die eine Reduzierung der Opfer- und Täterzahl von sexuellem Missbrauch bzw. die Reduzierung von Risikofaktoren und die Erhöhung von Schutzfaktoren gegen sexuelle Gewalt zum Ziel haben.

Eine Grundvoraussetzung für die Vorbeugung von sexuellem Missbrauch ist die Ausbildung von Fachkräften, die in ihrem Beruf in Kontakt mit den Opfern und Tätern dieser Taten kommen, aber auch die Erhöhung des Kenntnis- und Informationsgrades der breiten Öffentlichkeit. Dadurch,

Da es sich hierbei, im Sinne der geteilten Meinung über deren Bedeutung, um eine sehr delikate Angelegenheit handelt, werden immer noch öffentliche Diskussionen darüber geführt, ob man den Kindern diese Themen zumuten soll oder nicht. Daher ist es schwer zu sagen, inwieweit wir in der Lage sind, diese Form der Kinderausbildung direkt zu beeinflussen. Diese Population dürfte man jedenfalls nicht aus den Augen lassen. Es ist von außerordentlicher

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TIPPS UND HILFESTELLUNG

Bedeutung für Kinder und Jugendliche, mindestens durch verschiedene, bereits vorhandene Workshops zu lernen, die eigene Sicherheit sowohl in der virtuellen als auch in der realen Welt zu erhöhen.

Eine der sichersten Ursachen für die erhöhte sexuelle Ausbeutung von Kindern und auch von Erwachsenen kann neuen Technologien zugeschrieben werden: Kameras und Internet am Handy, soziale Netzwerke und insbesondere die Tatsache, dass einige Nutzer nicht ausreichend über die potentiellen Gefahren aufgeklärt sind, die hinter diesen Kommunikationsformen lauern.

vermindern kann, dass man zum Opfer wird.

Es ist wichtig, der Gesellschaft das Vorhandensein von sexuellem Missbrauch noch stärker ins Bewusstsein zu rufen. Dies kann durch verstärkte Ausbildung von Fachmitarbeitern, Richtigstellung bestehender Mythen, Stärkung der Opfer sowie durch Entwicklung eines entsprechenden Unterstützungssystems gelingen.

Ratschläge für Eltern

• Hören Sie Ihrem Kind aufmerksam zu, wenn es Ihnen erzählen möchte, wie es sich fühlt und unterbrechen Sie es dabei nicht.

• Ermutigen Sie das Kind, seine Geschichte zu erzählen.

• Vermeiden Sie verurteilende, geschockte oder enttäuschte Reaktionen.

• Man muss glauben, dass das Kind die Wahrheit sagt, bis das Gegenteil festgestellt wird.

• Bieten Sie Ihrem Kind Unterstützung an, wenn es diese erwartet.

• Behalten Sie Personen, die Ihr Kind ohne richtigen Anlass mit Geschenken überhäufen, genau im Auge.

• Passen Sie auf, wer Ihr Kind oder andere Kinder filmt und warum.

Deshalb ist eine der grundlegenden vorbeugenden Aktivitäten die verstärkte Ausbildung, die sich besonders an verwundbare Gruppen (Kinder und Frauen) sowie an bereits bestehende Opfer des sexuellen Missbrauchs, die den Täter bisher bei den zuständigen Institutionen noch nicht angezeigt haben, richtet.

Auch muss betont werden, dass die sexuelle Gewalt jedem und jederzeit passieren kann! Es ist unumgänglich, sich dieser Tatsache bewusst zu sein, weil das Bewusstsein selbst in hohem Maße die Möglichkeit

• Versuchen Sie möglichst viel über Ihre Babysitter in Erfahrung zu bringen.

• Bringen Sie Ihrem Kind bei, dass es richtig ist, alles abzulehnen, was es für schlecht hält.

• Erklären Sie den Kindern den Unterschied zwischen guten und schlechten Geheimnissen.

• Kümmern Sie sich um die sexuelle Erziehung Ihres Kindes.

• Bringen Sie Ihrem Kind bei, dass niemand sein Geschlechtsorgan berühren darf.

• Bringen Sie Ihrem Kind bei, wie es sich in Gefahrensituationen verteidigen soll.

NICHT MIT MIR! GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN 27
International Police Association (IPA) – Verbindungsstelle Fürstenfeldbruck Bild: stockfour/shutterstock.com

NICHT MIT MIR! GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN UND JUGENDLICHEN TIPPS UND HILFESTELLUNG

• Lassen Sie Ihr Kind nicht dort, wo es nicht sein möchte.

• Lassen Sie Ihr Kind nicht alleine mit Personen, die nicht vertrauenswürdig erscheinen.

• Klären Sie das Kind darüber auf, welche Informationen es nicht online weitergeben darf.

• Überwachen Sie die Online-Aktivitäten Ihres Kindes.

Ratschläge für Kinder

• Du hast das Recht, zu sagen, was mit dir los ist.

• Vertraue dich einer erwachsenen Person an, die du gerne hast und der du vertraust.

• Wenn dich eine erwachsene Person oder ein älteres Kind in einer Weise berühren möchte, die dich beunruhigt oder dir Unbehagen bereitet oder möchte, dass du sie berührst, sag „NEIN“.

• Missbrauch ist nicht deine Schuld.

• Der Missbrauch kann überall und jederzeit passieren und der Täter kann jeder sein.

• Auch Personen, die dir nahestehen können sich unangemessen verhalten.

• Informiere die erwachsene Person, die sich um dich kümmert, vor jedem Ausgehen darüber, wohin du gehst und wann du zurückkommst.

• Nimm nie Süßigkeiten oder Geschenke von unbekannten Personen entgegen, ungeachtet dessen, wie freundlich sie sich verhalten oder aussehen.

• Wenn dich jemand dazu zwingt, Sachen zu tun, die du nicht machen willst, darfst du laut schreien, ihn schlagen, dich verteidigen und alles tun, um fliehen zu können.

• Lenke deine Aufmerksamkeit auf die Personen, die dich ohne deine Einwilligung am Strand filmen und vertraue das deinen Eltern an.

• Der Geschlechtsverkehr mit einem Kind unter 14 Jahren ist strafbar.

• Es ist strafbar, mit einer minderjährigen Person, die noch nicht 16 Jahre alt ist, in einer Gemeinschaft zu leben, die ihrem Inhalt nach der Ehegemeinschaft eines erwachsenen Mannes und einer erwachsenen Frau entspricht.

• Du trägst keine Schuld am unangemessenen Verhalten erwachsener Personen.

• Verabrede dich nicht mit jemandem, den du online kennengelernt hast.

• Beantworte keine E-Mails oder SMS-Nachrichten, die unartig, suggestiv sind oder dir ein gewisses Unbehagen bereiten.

• Verrate niemandem dein Passwort, weil die Möglichkeit des sexuellen Missbrauchs über das Internet besteht.

• Verrate keine Informationen über deine wahre Identität und die Identität deiner Eltern, deine Adresse oder die Schule, die du besuchst

• Setze nie ein Gespräch fort, das dir Unbehagen bereitet oder das zu persönlich wird.

• Versende nie Fotos oder Beschreibungen von dir oder deinen Familienmitgliedern.

Ratschläge für Jugendliche

• Sag immer jemandem wohin du gehst und mit wem du unterwegs bist

• Trampe nicht.

• Sei nachts nicht alleine unterwegs.

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Merke dir, wenn du ausgehst:

• Nimm nie ein Getränk von unbekannten Personen an.

• Akzeptiere nur ein in einer Flasche oder Dose geschlossenes Getränk.

• Wenn du dich während einer Party von deinem Getränk getrennt hast, nimm dir ein neues.

Leider werden heutzutage oft Vergewaltigungsdrogen benutzt, wodurch das Opfer für eine bestimmte Zeit das Bewusstsein verliert, was dem Täter die Tat „erleichtert“.

Wo gibt‘s Hilfe?

TIPPS UND HILFESTELLUNG

Bei wem ist sexueller Missbrauch anzuzeigen?

Sexuellen Missbrauch muss man so schnell wie möglich anzeigen und um Hilfe ersuchen. Die Hilfe kann auch von den Eltern, Lehrern, Fachpersonen in der Schule, Kinderärzten, vom Staatsanwalt oder von der Polizei angefordert werden.

Die Anzeige bei der Polizei erfolgt:

• persönlich in der zuständigen Polizeidienststelle

• unter der Telefonnummer 110

• www.nummergegenkummer.de anonym und kostenlos; Mo.–Sa. 14:00–20:00 Uhr Telefon: 11 6111

• Telefonseelsorge.de kostenfrei Telefon: 0800 111 0 111 ∙ 0800 111 0 222 ∙ 116 123

• www.weisser-ring.de anonym und konstenfrei; 07:00–22:00 Uhr Telefon: 116 006

• www.dajeb.de Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. Telefon: 089 / 436 10 91

• www.juuuport.de Telefon: 0511 / 36 70 160

• www.polizeifürdich.de

SEXUELLEN MISSBRAUCH
KINDERN 29
NICHT MIT MIR! GEGEN
AN
International Police Association (IPA) – Verbindungsstelle Fürstenfeldbruck

NICHT MIT MIR! GEGEN SEXUELLEN MISSBRAUCH AN KINDERN UND JUGENDLICHEN IMPRESSUM

Impressum

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Bild: www.polizei-beratung.de

081910072 – ks

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Informations- und Verlagsgesellschaft mbH D-82008 Unterhaching/München, Leonhardsweg 2 Telefon: +49 (0)89 - 610 85-300, Fax: +49 (0)89 - 610 85-499 E-Mail: info@iv-verlag.de Geschäftsführer: Mario Schulz, Alexander Hess Assistenz der Geschäftsführung: Sabine Hübsch, Claudia Comi Anzeigenbearbeitung: Ralf Koller

Informations- und Verlagsgesellschaft mbH Hermann-Josef Borjans, Erster Polizeihauptkommissar, PP-Bonn in Kooperation mit der International Police Association, Vbst. Bonn Königswinterer Str. 500, 53227 Bonn

Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (Pro PK), www.polizei-beratung.de; shutterstock.com, Titelbild: 271 EAK MOTO/shutterstock.com

Druckerei Dorrong, Graz

Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Verlages und des Herausgebers gestattet.

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