Pornografie im Internet gibt, ist es naheliegend, dass diese Quelle gecheckt wird. Die Studien sagen aber nichts über die Häufigkeit, die Motivation und den persönlichen Umgang mit den Inhalten aus. Es ist gut möglich, dass bei den 79 Prozent auch Jugendliche aufgeführt sind, die nur ein einziges Mal auf eine Seite mit pornografischen Darstellungen gegangen sind, aus Versehen oder Neugierde. Auf der anderen Seite kann ich mir gut vorstellen, dass sich unter den übrigen 21 Prozent Jugendliche befinden, die sich im Netz regelmässig Pornos reinziehen, sich aber für ihr Verhalten schämen und darum keine Angaben machen wollten. Insofern sind die statistischen Erhebungen zu dieser Frage nicht sehr aussagekräftig.
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Frau Spätig, welche Inhalte sind besonders interessant? Wie wird die Sexualität im Internet dargestellt? Interessant ist alles, was beschäftigt. Alles, was irgendwo aufgeschnappt, gesehen, gelesen oder im Austausch mit anderen gehört wird. Jugendliche wollen kurze, präzise und bildliche Antworten. Sie sind es gewohnt (und werden darin gefördert), Fragen und Informationen für Vorträge, Hausaufgaben und den Freizeitbereich zu googlen, das macht vor Fragen rund um die Sexualität nicht halt. Sexualität wird im Internet in allen Schattierungen dargestellt. Zum Suchbegriff «Sex» lässt sich im Internet von guten aufklärerischen Tools über freizügig dargestellte Musikclips bis zu Hardcore-Pornos mit illegalen Darstellungen alles finden.
Ist Pornokonsum schädlich oder gehört er heutzutage zu einer normalen Entwicklung? Kinder und Jugendliche wachsen heute viel selbstverständlicher mit sexualisierten Inhalten auf als wir in unserer Kindheit. Weil die Generation, die sich bereits als Kinder mit der Internetpornografie beschäftigen musste, noch nicht erwachsen geworden ist, kann über verursachte Schäden wenig gesagt werden. Klar ist aber, dass Kinder und Jugendliche, die mit stark verzerrten, gewaltbesetzten Bildern, biologischen Unwahrheiten und abstrusen Darstellungen konfrontiert werden, alleingelassen und damit überfordert sein können. Sie können diese Eindrücke nicht einordnen, verarbeiten und relativieren. Sie können ja auch mit niemandem darüber sprechen, weil sie sich dadurch einerseits als Pornobetrachter und andererseits als «Unwissende» outen müssten. Zurück bleiben Verwirrung und ein Zerrbild von Sexualität. Herr Recher: Erfahrungsberichte zeigen, dass Pornografiekonsum Einfluss auf reale Sexualbeziehungen hat. Gehen Sie mit Jugendlichen auf diese Thematik ein? Ja, das tun wir. Es gibt Eltern, die schockiert sind darüber, dass wir mit ihren Kids über Pornografie sprechen. Unsere Erfahrung zeigt, dass Pornografie für Jugendliche eine Wirklichkeit ist, die angesprochen werden muss und die von ihnen gerne besprochen wird. Neulich fragte mich ein Sechstklässler, ob es eine Frau eigentlich nicht schmerze, wenn der Mann ihr seine Faust in die Scheide steckt. Er sprach damit die in der Fetisch-Szene bekannte Sexualpraktik «Fisting» (engl.: fist für «Faust») an. Jugendliche brauchen Hilfestellungen darin, Gesehenes einordnen und verarbeiten zu können. Mir als Mann ist es wichtig, dass ich mit den Jugendlichen über das «Making-of» von Pornos spreche und ihnen aufzeige, was oft rein biologisch gar nicht Sinn macht. Ältere Jugend- ➔
cybermobbing / Gefahren im Internet
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