ARTMAPP #05, Frühjahr 2014

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Ein Gespräch zwischen Paetrick Schmidt und Marie Haff

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Der Welt ein herzliches HALLO sagen Paetrick Schmidt ( P) empfängt Marie Haff (M) zu einem ­ telierbesuch, der von einem Spaziergang durch Wismar einA geleitet wird. Entlang des Hafens, dem Garten der Kirche St. Georg führt der Weg zur Hochschule. Beide sprechen über das Leben des Künstlers in der kleinen Ostseestadt, die Herkunft von Kreativität, soziale Netzwerke und Raves in mecklen­burgischen Wäldern.

Foto: Oliver Blohm

P. Willkommen in meiner Stadt! M. Danke. Das ist ein Panorama wie aus einem Bild geschnitten. P. Ja, wie ein Bilderbastelbogen.

M. Ihr habt im Jahr des Mauerfalles gezielt Bilder zerstört, um euch von der politischen Geschichte zu befreien? P. Ja, das war so. Ich, damals 9 Jahre, war eher bemüht, keine Kopfverletzungen von umherfliegenden Gegenständen zu erleiden. In der Deckung unterm Schultisch, war ich mehr passiver Beobachter als bewusster Aufrührer eines Epochenwechsels. Hier im Norden ist der Hang zum Bild ohnehin protestantisch, also von trauriger Bedeutung. Das Wort war immer wichtiger. Jetzt, mit der Bildmenge, die zum Beispiel allein die Werbeindustrie produziert, verändert sich das Verhältnis zum Bild wieder. Bilder werden in Massen konsumiert, obwohl schon nach drei Minuten Fernsehreklame die bewusste Aufmerksamkeit gar nicht mehr vorhanden ist. Ich selber sehe nur Tagesthemen und Kulturzeit, keine Werbung, bin aber immer wieder über die schiere Produktion des Gezeigten überrascht. M. Da spricht der Kommunikationsdesigner in dir? Du hast das hier studiert, hattest sicherlich gute Lehrer in der Hochschule, oder? P. Von den Lehrern will man sich oft lieber absetzen und etwas Eigenes machen und sich von Einengungen befreien. Leute

M. Bringst du dabei die angewandte und deine freie Arbeit im Bild zusammen? Oder wie trennst du das? P. Diese Frage ist für mich ein wichtiges Thema. Im Prinzip diskutiert man sie seit dem Deutschen Werkbund. Gropius, Itten. Im Bauhaus und danach bei allen transdisziplinären Kunstformen wird das verhandelt. Ich sage mir: Ich besitze diese praktische Kompetenz zusätzlich zu meiner Fantasie. Ich habe Module, die ich in meiner Arbeit frei sortieren kann. Tools, die ich anwende. Die Bildverarbeitung und -verwertung hat eine bestimmte Inkubationszeit. Wenn ich etwas amüsant oder traurig oder gar widerwärtig finde, kann ich darauf nicht sofort reagieren. Aber ich reagiere in meinen gebastelten Arbeiten im Tempo des Bastelns. Die Cardboards sind mein Kommunikator gesellschaftlicher Ereignisse. Ich gebe dir ein Beispiel:

F R Ü H J A H R 2 014 — M E C K L E N B U R G - V O R P O M M E R N

P. Es sah nicht immer so aus. Ich bin hier zur Schule gegangen. Als ich in der vierten Klasse war, 1989, haben manche Schulkumpels richtig randaliert. Parteibonzenbilder haben sie aus dem Fenster geschmissen. Das waren echte Ikonoklasten.

aus der Praxis allerdings wie zum Beispiel die Chefs der Werbeagentur „Jung von Matt“ konnten schon einiges vermitteln. Immerhin arbeite ich auch als Gebrauchsgrafiker. Hier in Wismar kann ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, meine Arbeitsbedingungen sind ideal. Ich bin dankbar, dass ich durch die Arbeit in der Werbung und durch Illustrationen selbstständig sein kann und mit angewandter Grafik, wenn man so will, mein Geld verdiene. Das schafft Zeit zum Müßig­ sein. Ich spüre Dingen dann nach. Es ist aber auch ein Spagat und hat Schwieriges. Wenn ich Thementrends, Erwartungen an Bildformen zusammenf lechte, muss ich eine Struktur schaffen. In der Verschiedenheit der Strukturen von Re­ klamebild und meiner freien Arbeit versuche ich einen Zwischenweg zu finden, dabei entwickeln sich aufregende Momente. Ich wäge ab zwischen einer Aussage mit Ausrufezeichen und der Suche nach Relevanz, die durch Reflexion entsteht.

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M. Du siehst das hier seit deiner Kindheit so, ­kommen wir da etwa gleich auf den Kern deiner Inspiration?


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