ARTMAPP #17, Frühjahr 2018

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M Ä R Z – J U N I 2 0 18 E U R 6 , 9 0 D/A

S F R 9, 9 0

D as Kunst m a g a zin f ür Ent d e c ke r

Die Kunst-App im App Store und bei Google Play mobil.artmapp.net

SWISS-TOUR LUDWIGSBURG ROBERT WALSER-SCULPTURE GLÜCK AUF! AFRICA-PULP

BASELITZ BERRESHEIM HIRSCHHORN HODLER JUDISCH

DUISBURG LUXEMBOURG MANNHEIM NEUCHÂTEL ROMONT WIESBADEN


GALERIE KORNFELD • BERN EXCELLENCE AND EXPERTISE SINCE 1864

GERHARD RICHTER

Abstraktes Bild. 1987

Öl auf Leinwand. 52 : 72 cm. Thill, Catalogue raisonné 627-1. Auktion Juni 2018

AUKTIONEN 14. UND 15. JUNI 2018 KUNST DES 19./20. JAHRHUNDERTS UND GEGENWARTSKUNST Kataloge online und auf Bestellung erhältlich ab Mitte Mai

Galerie Kornfeld Auktionen AG Laupenstrasse 41 | Postfach CH-3001 Bern Telefon +41 (0)31 381 46 73 galerie@kornfeld.ch www.kornfeld.ch


Titelmotiv: M. S. Bastian / Isabelle L., Africa-Pulp & Hintergrundgemälde © Die Künstler Pulp-Foto: © Alain Germond, MEN, Musée d’ethnographie de Neuchâtel

EDI TOR I A L #17 2018

DÜRER

MERIAN

BEUYS MONET

Reiner Brouwer, Foto: © Carmen Jäger

Bastomania

Als das Thema „Robert Walser-Sculpture“ von Thomas Hirschhorn in Biel anstand, musste ich an das Künstlerpaar M. S. Bastian & Isabelle L. denken, die dort ­leben und arbeiten, deren Werk ich seit einigen Jahren verfolge. Wir verabre­ deten uns im Musée d’ethnographie de Neuchâtel am Neuenburger See: Dort sind ihre „Africa-Pulp“-Skulpturen nun in der permanenten Sammlung der frisch renovierten Villa de Pury zu sehen. Die spannende Geschichte der ­„ Africa-Pulps“ erfahren Sie ab Seite 38. Liebe Isabelle und lieber Bastian, i­n­wiefern ist die Kollaboration mit dem ­afrikanischen Künstler Kudjoe bei Eurem Projekt „Africa-Pulp“ mit Hirschhorns ­Arbeit naheliegend? Hirschhorns wie auch unsere Welt sucht die Kommunikation auch außerhalb des White Cubes. Unser oberstes Anliegen war immer, neben Galerien- und ­Museumsausstellungen in unterschiedlichste Kunstdisziplinen vorzudringen. Bei den „Africa-Pulps“ kommt ein interkultureller Aspekt dazu. Sind wir die Künstler? Ist es Kudjoe? Ist es Kunst oder Handwerk? Oder ein ethnografisches Konzept? Mehr Fragen als Antworten … Dieses Jahr soll die Werkübersicht ­„BASTOMANIA“ erscheinen.

Ihr habt angedeutet, dass dieses Buch eine Zäsur in Eurem Schaffen sein wird. Seit 1984 haben wir alles gesammelt und dokumentiert! Wir verbinden nun ­Arbeiten des Frühwerks mit dem Hier und Jetzt. Ein wunderbar überbordendes Sammelwerk – eben „BASTOMANIA“. Für uns ein Befreiungsschlag! Die ganze Dokumentation übergeben wir im ­Anschluss einer öffentlichen Institution. Wir wollen wieder bei null anfangen. In Euren Arbeiten malt und zeichnet Ihr idealisierte Naturwelten und Städte mit apokalyptischen Wucherungen. Eure Reisen dagegen führen in Regionen, die menschenleer und unwirtlich sind. Wir leben in zwei Welten – das ­autistisch-manische Schaffen im Atelier mit den oft barock überbordenden ­Bildern und danach die Reisen in ­Regionen, in denen Leere vorherrscht. Als nächstes verabschieden wir uns für ein paar Wochen und durchqueren die Negev-Wüste in Israel zu Fuß. Laufen ist eine wichtige Zäsur, nicht anders als bei Robert Walser. Womit wir wieder bei Hirschhorn wären … Liebe Leser, ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrer Entdeckungstour mit ARTMAPP! Reiner Brouwer Herausgeber

SIE WARHOL PICASSO

RUBENS RENOIR

SIE – umgeben von den großen

Namen aus Kunst und Kultur. Freuen Sie sich auf die einzigartige Vielfalt von Malerei bis Architektur, Literatur bis Film und Klassik bis Pop Art in 34 Museen rund ums Museumsufer Frankfurt. Mit dem MuseumsuferTicket genießen Sie alle Dauer- und Sonderausstellungen an 2 Tagen für 18 Euro.

Kulturelle Vielfalt in der ganzen Stadt. M. S. Bastian / Isabelle L. © Die Künstler

Infos unter www.museumsufer-frankfurt.de


modernegalerie.org

Ausstellungsansicht Pae White, Moderne Galerie Š galerie neugerriemschneider Berlin/Pae White. Foto: Saarlandmuseum/Tom Gundelwein

Moderne Galerie


Mit freundlicher UnterstĂźtzung von


SCHLOSSLICHTSPIELE Karlsruhe︱28. Juli bis 9. September 2018

Nach dem grandiosen Erfolg der vergangenen drei Jahre mit über eine Million Besucher wird auch im Sommer 2018 der Schlossplatz im Herzen von Karlsruhe wieder Treff- und Anziehungspunkt zugleich sein. Die aufwendigen Projektionen und Videomappings von international renommierten Künstlern und Künstlergruppen locken allabendlich bei freiem Eintritt tausende Menschen vor das Schloss. Kurator der Schlosslichtspiele ist in diesem Jahr erneut Peter Weibel, Vorstand des ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Er wählt aus einer Vielzahl von Einreichungen herausragende Projection Mappings aus.

Als spektakuläres Seh- und Klangerlebnis können die Projektionen nach Einbruch der Dunkelheit auf der gesamten 170 m langen barocken Schlossfassade erlebt werden. Erleben Sie gemeinsam mit uns das größte digitale Kunstwerk Europas. Wir freuen uns auf Sie!

Eintritt frei! www.schlosslichtspiele.info


Maxin10sity, „STRUCTURES OF LIFE“, 2017, Schlosslichtspiele, © Photo: Uli Deck

© KTG Karlsruhe Tourismus GmbH Fotograf: Mende

Entdecken Sie Karlsruhe!

Erleben Sie das hochwertige kulturelle Angebot, genießen Sie die kulinarische Vielfalt und lassen Sie sich von der badischen Lebensart anstecken.

Nutzen Sie unsere speziellen Pauschalangebote! Informationen und direkte Buchung unter: www.karlsruhe-tourismus.de/Kulturpauschale

KTG Karlsruhe Tourismus GmbH Beiertheimer Allee 11a | 76137 Karlsruhe www.karlsruhe-tourismus.de touristinfo@karlsruhe-tourismus.de

KULTUR IN KARLSRUHE


Inhalt

6

(auszugsweise)

ARTM APP Frühjahr 2018

Regula Tschumi

Thomas Schadt, Foto: FABW, Roland Mönch

Swiss -Tour

18

WIN T ERT HU R Sammlungen von Weltrang: Interview mit Konrad Bitterli – von Carsten Probst

20

BIEL/BIEN NE Thomas Hirschhorn „Robert Walser-Sculpture“ – von Alice Henkes

28

NEU ENBU RG / NEUCHÂT EL M. S. Bastian / Isabelle L.: „Africa-Pulp“ im MEN – von Alice Henkes

38

ROMON T Vitromusée Romont – von Alice Henkes

44

GENF Ferdinand Hodler, „Ausstellungskünstler“: Interview mit Oskar Bätschmann – von Carsten Probst

46

L AUSA N NE „Plateforme 10“: Das Gesamtprojekt des Museums-Pols – von Carsten Probst

51

A AR AU Das Aargauer Kunsthaus: Lob des Satteldachs – von Carsten Probst

60

BASEL Die Fondation Beyeler wird erweitert und zeigt Baselitz – von Carsten Probst

62

24. NOVEMBER 2017 BIS 2. APRIL 2018

LEHMBRUCK MUSEUM DUISBURG

Tim Berresheim, Foto: Studios New Amerika

Ludwigsburg

76

BAROCKSTADT U ND CY BERCI T Y 300-jähriges Stadtjubiläum: Interview mit OB Werner Spec – von Hansjörg Fröhlich

78

30 JAHR E „FORU M A M SCHLOSSPAR K“ Das Festspielhaus – von Hansjörg Fröhlich

82

MIK – STADT MUSEU M, KU NST V ER EIN & TOU R ISMUS Unter einem Dach – von Hansjörg Fröhlich

84

SCAL A 116 Jahre Ludwigsburger Kulturinstanz – von Tobias Greiner

86

FIL MAK ADEMIE BADEN-W Ü RT T EMBERG Interview mit Thomas Schadt und Andreas Hykade – von Hansjörg Fröhlich

90


2. Dezember 2017 – 8. April 2018

At Last I Found the Treasure Ulrike Lorenz, Foto: KH Mannheim

T IM BER R ESHEIM   von Hansjörg Fröhlich

Skulpturen Installationen Gra ken

100

T HOMAS J U DISCH   von Nicole Büsing & Heiko Klaas

112

U T E ROBI TSCHKO   von Babette Caesar

118

Ruhr- Kunst GLÜCK AU F! „KU NST & KOHLE “ Leane Schäfer, Sprecherin der RuhrKunstMuseen – von Katja Behrens

128

DAS GROSSE „RU HR-DING“ Britta Peters, Künstlerische Leiterin „Urbane Künste Ruhr“ von Katja Behrens

133

Nana, 1970, © 2017 NIKI CHARITABLE ART FOUNDATION / Adagp, Paris, All rights reserved

und das eater

Por träts

9. Dezember 2017 – 15. April 2018

R ENAISSA NCE EINER KU NSTSTADT Museum Wiesbaden: Interview mit Direktor Alexander Klar – von Christoph Schütte

142

DIE NEU E MA N NHEIMER KU NST HALLE Interview mit Direktorin Ulrike Lorenz – von Kim Behm

148

Ausstellungen

ERICH

KUITHAN

(1875–1917) · Gemälde und Zeichnungen

18. Mai – 12. August 2018

154

KR EAT IVI TÄT U ND FR EU NDSCHAF T Fotoausstellungen in der ADK und Newton Foundation – von Marc Peschke

158

ER ST, W EN N DER LET ZT E BAU M GERODET IST … Horst Egon Kalinowski in der EnBW Karlsruhe – von Chris Gerbing

164

APPETIZER

69

AMREI’S ARTBLOG

173

TER MINE

174

ERIKA JOHN

Zum 75. Geburtstag

Malerei und Zeichnungen

Verregnete Landschaft, 1976, Kunstsammlung Jena

BENELU X Ganz große Kunst in Zwolle, Brüssel und Luxembourg – von Carsten Probst

Föhn, um1906/08, Kunstsammlung Jena

Kunststädte

5. Mai – 12. August 2018

IMPRESSU M

191

DYSTOPIA

Zum 200. Geburtstag von Karl Marx

Amrei Heyne

Installationen, Zeichnungen, Skulpturen und Videos

KUNSTSAMMLUNG JENA www.kunstsammlung-jena.de KUNSTSAMMLUNG. Städtische Museen Jena. JenaKultur.


7. Schweizerische Triennale der Skulptur in Bad Ragaz und Vaduz 5. Mai bis 4. November 2018

www.badragartz.ch

Bad Christopher

Hunziker,

Owais

Husain,

Hugo Marxer, Alejandro Mondria, Pius Morger, Keld

maboart bohren & magoni, Heinz Mack, Werner Mally,

Martina Lauinger, Christel Lechner, James Licini,

Susi Kramer, Anna Kubach-Wilmsen, Josef Lang,

Manfred Kielnhofer, Susan Kopp & Brigitte Schneider,

Hohmeister,

Hartlieb, Ewerdt Hilgemann, Lukas Hofkunst, Carla

Markus Graf & Gabriel Mazenauer, Carin Grudda, Ingrid

Inigo Gheyselinck, Claude Giorgi, Armin GĂśhringer,

Gertjan Evenhuis, Herbert Gassmann, Heidi Gerullis,

Francine Eggs & Andreas Bitschin & Matthias Pabsch,

Cordero, Beate Debus, Egon Digon, Sonja Edle von HoeĂ&#x;le,

Brackrock, Karin Brenn, Girolamo Ciulla, Riccardo

Marcel Bernet, Werner Bitzigeio, Christian Bolt, Angelika

albinegri, Juan Andereggen, Till Augustin, Simon Beer,


Helidon Xhixha, Kan Yasuda, Werner Zemp

Stehle, Angelika Summa, Gil Topaz, Helga Vockenhuber,

Hubert Schwitter, Reiner Seliger, Paolo Selmoni, Herbert

Pavel Schmidt, Thomas Schönauer, Klaus Schultze,

Röthel, Silvio Santini, Shimmi Schadegg, Anna Schmid,

Reist, Roger Rigorth, Hanna Roeckle, Max Roth, Thomas

Sibylle Pasche, Piroska, Jörg Plickat, Giò Pomodoro, Marc

Moseholm, Marc Moser, Reinhold Neururer, Pieter Obels,

Eröffnungsfest in Bad Ragaz Samstag, 5. Mai 2018, 16 Uhr, Dorfplatz

Eröffnungsfest in Vaduz Sonntag, 6. Mai 2018, 17 Uhr

Eröffnung Kleinskulpturenausstellung: Taminaschlucht/Altes Bad Pfäfers Sonntag, 6. Mai 2018, 11 Uhr. Die Ausstellung dauert bis Sonntag, 14. Oktober 2018

Dorf Art Kunst- und Künstlerfest für Einheimische und Gäste. Samstag, 18. August 2018

Ragartz



Frühlingserwachen CHRISTOFER KOCHS DIERK MAASS SUSAN KOPP

AUSSTELLUNG AM BODENSEE IN SALENSTEIN (CH) 19. MÄRZ BIS 20. APRIL 2018 WWW.THE-VIEW-CH.COM VERNISSAGE 16. MÄRZ, 18 - 21 UHR FINISSAGE 20. APRIL, 18 - 21 UHR MONTAG - FREITAG, 10 - 18 UHR EINTRITT FREI


GUY BOURDIN. IMAGE MAKER HELMUT NEWTON. A GUN FOR HIRE ANGELO MARINO. ANOTHER STORY

Guy Bourdin, Le Journal d‘une montre, 1987 © The Guy Bourdin Estate, 2017 / Courtesy Louise Alexander Gallery

AB 1. DEZEMBER 2017 | HELMUT NEWTON FOUNDATION | MUSEUM FÜR FOTOGRAFIE JEBENSSTRASSE 2, 10623 BERLIN | DI, MI, FR, SA, SO 11-19, DO 11-20 UHR


ALTERNATIVE MUSIK UND KUNST NACH 1968

15.3.–6.5.2018 www.adk.de/underground-improvisation Gefördert durch Akademie der Künste Hanseatenweg 10 10557 Berlin

In Kooperation mit

Gefördert durch

Medienpartner


Bahnhof Rolandseck

GOTTHARD GRAUBNER MIT DEN BILDERN ATMEN 18. Februar 2018 – 10. Februar 2019 www.arpmuseum.org

Arp Museum Bahnhof Rolandseck | Hans-Arp-Allee 1 | 53424 Remagen | Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 11 – 18 Uhr | Informationen +49 2228-9425-0 Sarda I | Gotthard Graubner | 2000/2001 | Sammlung Siegfried und Jutta Weishaupt | © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 | Foto: Kunsthalle Weishaupt


Gefördert durch

Tickets inkl. VRS-Fahrausweis über

www.maxernstmuseum.lvr.de Binia Bill, Max Ernst bei der Arbeit am Wandgemälde für die Corso-Bar (Ausschnitt), Zürich 1934, © VG Bild-Kunst, Bonn 2018


Glanzstücke der Kunstgeschichte zeitlos vereint

Haldenstrasse 95, CH-8400 Winterthur, www.roemerholz.ch

27. 1. – 15. 4. 2018 Blinde Passagiere Schweizer Malerei

5. 5. – 12. 8. 2018 Su-Mei Tse Nested

Cédric Eisenring Manor Kunstpreis 2018

Bilder für Alle Druckgraphik und Multiples von Thomas Huber

CARAVAN 1/2018: Andriu Deplazes

5. 5. – 23. 9. 2018 On the Road 10 Jahre CARAVAN

*Aargauer Kunsthaus Aargauerplatz CH–5001 Aarau Di – So 10 – 17 Uhr Do 10 –20 Uhr www.aargauerkunsthaus.ch

Su-Mei Tse, Nested, 2016


24.2.– 17.6.2018

Women Frauenbilder durch die Jahrhunderte

Mit freundlicher Unterstützung der Freunde des Museums Oskar Reinhart, Winterthur

Gaudenz Signorell Carte de visite 24.02.– 27.05.2018 Öffnungszeiten Di – So 10 –17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr buendner-kunstmuseum.ch


SWISS Terrasse der Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“, Winterthur, Foto: © SOR


19

TOUR

Die Schweizer Kunstlandschaft befindet sich im größten Umbruch seit mehr als einem halben Jahrhundert. Davon zeugen nicht nur etliche Neubauten und Erweiterungen von Museen, neue, interessante Architekturen und Konzepte. Städte wie Winterthur oder Lausanne, die über eine große Vielfalt von Museen verfügen, organisieren ihre Strukturen neu, gründen kulturelle Hotspots, um noch stärker nach außen hin zu strahlen als bisher. Mehr Aktualität, mehr Gegenwart, mehr Stadtmarketing mit Kunst, das scheint die Losung zu sein. Es bewegt sich also viel an diesem Kunststandort, der in jeder Hinsicht zu den reichsten und bedeutendsten der Welt zählt. Und wie nebenbei ist das Schweizer Kunstjahr 2018 auch noch gespickt mit Großausstellungen, die das Land für Kunstinteressierte zu einem Hauptreiseziel werden lassen. Allen voran ist hier der Ausstellungsreigen zum 100. Todestag von Ferdinand Hodler zu nennen, des ersten modernen Künstlers der Schweiz von Weltrang. 2017 gab es unter anderem in Bonn und Wien einen Vorgeschmack auf das, was dann 2018 in Genf, Bern, Winterthur und zahlreichen anderen Schweizer Städten seinen Höhepunkt finden wird. Auf den folgenden Seiten blicken wir nicht nur auf ­einige Höhepunkte des Schweizer Kunstjahres voraus, wir widmen uns auch den neuesten Entwicklungen in der Schweizer Kunstlandschaft allgemein, gehen den aktuellen Debatten nach und geben Hinweise, wo zu verweilen und ­einen zweiten – und einen dritten – Blick zu werfen sich lohnt.

Obwohl Winterthur eigentlich zu den Museums-Haupt­ städten der Schweiz gehört, rangiert es in der Wahrnehmung doch klar im Schatten der Kunstmetropolen Zürich, Genf und ­B asel. 18 große und kleinere Museen beherbergt die Stadt, ­d eren auf den ersten Blick unspektakuläres, von der In­­ dustrialisierung geprägtes Stadtbild allzu leicht darüber hinwegtäuscht, dass sich darunter auch mehrere Kunstsammlungen von Weltrang befinden, die den Aufstieg und Wohlstand der hiesigen Kaufleute seit dem 19. Jahrhundert eindrucksvoll dokumentieren. Allen voran den der Kaufmannsdynastie Reinhart, die bis heute nachhaltige Spuren im kulturellen Gedächtnis Winterthurs hinterlassen hat. Theodor Reinhart, der 1876 in das Großhandels­ unternehmen der Gebrüder Volkart eingeheiratet hatte und deren Geschäfte schließlich übernahm, sammelte frühzeitig ­G emälde, etwa von Ferdinand Hodler, dem deutschen Expres­sionisten Karl Hofer und vielen anderen. Sein Sohn Oskar Reinhart setzte diese Sammlungstätigkeit nicht nur fort, er verkaufte vielmehr 1924 seine Geschäftsanteile an der Firma seines Vaters und widmete sich fortan der Pflege seiner bis heute einzig­artigen Kunstkollektionen.

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WIN TERTHUR


20

Winter thur

Sammlungen von Weltrang rechte Seite: Blick in die Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“, links: Vincent van Gogh, „Der Krankensaal des Hospitals von Arles“, 1889, rechts: Paul Cézanne, „Le Pilon du Roi“, 1887/88, Foto: © SOR

Kerstin Richter, Leiterin der Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“, Foto: © SOR

Allein das Museum Oskar Reinhart, untergebracht in einer ehemaligen Knabenschule in der Nähe des Win­t er­t hurer Hauptbahnhofs, beherbergt heute 600 Werke schweizerischer, österreichischer und deutscher Malerei vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Diese hat der M ­ äzen in den 1950er-Jahren der Stadt Winterthur überlassen und das Haus gehört heute zu den internationalen Referenzmuseen für die Kunst dieser Zeit im deutschsprachigen Raum. Caspar David Friedrichs „Kreidefelsen auf Rügen“ oder die „Dorfpolizisten“ von Wilhelm Leibl hängen hier ebenso wie sehenswerte Werkblöcke zur frühen (vortouristischen) ­A lpenmalerei seit dem 18. Jahrhundert, anhand derer sich die Entwicklung von der künstlerischen Aneignung der Natur zum Klischee ver­ folgen lässt.

Seit Mitte 2017 amtiert Konrad Bitterli als Direktor nicht nur des Museums Oskar Reinhart, sondern auch des jüngst neu gegründeten Museumsverbundes Kunst Mu­s eum Winterthur, in dem sich das Museum Oskar Reinhart, das Kunstmuseum Winterthur und die (derzeit noch ­w egen ­R enovierung geschlossene) Villa Flora mit der Sammlung des Ehepaars Hahnloser miteinander verbinden. Die Neu­ ordnung der drei wichtigsten Winterthurer Museen entsprach einem verbreiteten Wunsch der Stadt nach mehr Über­sichtlichkeit in der Außendarstellung. Dennoch ging der Vereinigung ein zäher Vorlauf mit zahlreichen Debatten voraus und überzeugt bis heute noch nicht jeden (siehe das Interview mit Konrad Bitterli im Anschluss). Zumal ein zweiter Teil der Sammlung Oskar Reinhart in seiner ehemaligen Villa am Römerholz nicht zu diesem Museumsverbund zählt, weil Reinhart ebendiesen Bereich der Sammlung seinerzeit nicht der Stadt, sondern der Schweizerischen Eidgenossenschaft überantwortet hatte. Ist die Ansammlung von Meisterwerken des 18. bis 20. Jahrhunderts im Museum Oskar Reinhart schon spektakulär, so trifft dies für die Sammlung am Römerholz umso mehr zu – dort angereichert durch den räumlichen Aspekt, denn dieser Ort wurde von Reinhart eigens für diese Sammlung konzipiert und ­eingerichtet. Er hat als solcher selbst die Qualität einer Großinstallation, die nur dem einzigen Zweck dient, einer geradezu hermetischen Kunstauffassung zu ihrem Recht zu verhelfen. Beeinflusst von der Perspektive des französischen Impressionismus, wie sie einst der höchst einf lussreiche deutsche Kunstkritiker Julius Meier-Graefe verfochten hatte, gestaltete


wieder lädt sie Wissenschaftler zu Vorträgen ein und organisiert Sonderausstellungen, um die selbstgewählte Isolation des Hauses für die Kunstwelt offenzuhalten. Die Ausstellungsreihe „Verborgene Schätze der Sammlung“ gehört seit geraumer Zeit zu den interessantesten Formaten. Dabei wird ein qualitativ herausragendes Werk, das aus konservatorischen oder aus Platzgründen zumeist im Depot bleiben muss, in einem ansonsten leeren Kabinett ­präsentiert. Ein Aufruf zur entschleunigten Kontemplation, die zuverlässig über das Werk hinausführt. Im Rahmen der sechsten und letzten Folge dieser Reihe besteht nun noch bis zum 3. Juni die seltene Gelegenheit, das „Portrait des Hauptmanns François Laurent Lange“ zu sehen, das ursprünglich einmal Théodore Géricault zugeschrieben wurde. Doch auch wenn dessen Autorschaft mittlerweile bezweifelt wird, handelt es sich bei dem Bild ohne Frage um ein Meisterwerk des psychologischen Porträts. w w w . b u n d e s m u s e e n . c h / ro e m e r h o l z

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Oskar Reinhart die Villa am Römerholz ab 1924 zu einer privaten Kunsthalle um. Die grandiose Einseitigkeit seiner kunsthistorischen Betrachtungsweise, mit der Meier-Graefes „Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst“ über Generationen hinweg auch das Bild und den Begriff der „klassischen Moderne“ allgemein geprägt hat, lässt sich wohl kaum irgendwo anders eindrucksvoller studieren als in dieser Gralsburg, erschaffen aus dem Geist der französischen Moderne. Reinhart hat testamentarisch verfügt, dass die Bilder dieses Museums nicht an andere Museen verliehen und auch nicht verkauft werden dürfen, und so ergibt sich für den faszinierten Besucher vor allem der Eindruck einer an diesem Ort gleichsam einbalsamierten kunsthistorischen Fiktion. Zu sehen sind die direkten Vorläufer sowie die Zeitgenossen des Impressionismus; vor allem Cézanne, Manet und Renoir vereinen sich mit den Spitzenwerken älterer Meister (Cranach, Grünewald, Tintoretto, Poussin, El Greco) zu einer Art Stammbaum des Malerischen. Dennoch: Direktorin Kerstin Richter bleibt nichts ­a nderes, als ideenreich mit diesem alles andere als öffentlichkeitswirksamen Sammlungskonzept umzugehen. Immer


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Balthasar Burkhard, o.T. (Richard Serra, Splash Piece), Bern 1969 © J. Paul Gett y Trust, Gett y Research Institute, Los Angeles

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Das Zentrum für Fotografie: Fotomuseum Winterthur und Fotostiftung Schweiz Auch die wohl bekannteste Kunstinstitution der Stadt, das Fotomuseum Winterthur, ist engstens mit der Geschichte der Familie Reinhart verbunden. Denn es war George ­Reinhart, Großneffe von Oskar Reinhart, der das Haus 1993 gründete. Sein Bruder Andreas, in Deutschland bekannt durch sein langjähriges, im Streit beendetes Engagement beim ­Suhrkamp Verlag, unterstützt das Fotomuseum bis ­heute ­f inanziell. Der internationale Rang dieses Hauses liegt nicht zuletzt in der bis heute herausgehobenen Stellung der Schweiz im Bereich der Fotografie und ihrer Geschichte ­begründet, der sich mehrere große Institutionen widmen. Die – der Öffentlichkeit leider nicht zugänglichen – Archive der Fotostiftung Schweiz, die sich die teils historischen Industriegebäude in der Winterthurer Grüzenstraße mit dem Fotomuseum teilt, fördern aus ihrem riesigen Fundus von rund 50.000 Ausstellungsprints, 250.000 Archivabzügen und über einer Million Negativen und Dias immer neue Überraschungen und Erkenntnisse zutage – wie etwa die absolut staunenswerte Retrospektive der legendären Maschinen- und Arbeiterfotografien von Jakob Tuggener, die bis vor Kurzem in der Ausstellungshalle zu sehen war. Tuggener, herausragender Repräsentant der Industriefotografie der 1920er- und 1930er-Jahre in der Schweiz, würde ohne Weiteres als konzeptueller Bildkünstler gelten müssen, wenn es denn die Kategorie zu seiner Zeit schon gegeben hätte.

Fotografie als Kunstform aber setzte sich erst in der Nachkriegszeit allmählich in der Schweiz durch, damit ­f reilich mutmaßlich immer noch weitaus früher als in Deutschland. René Burri, Werner Bischof, Robert Frank, Hanna Villiger, ­Ingeborg Lüscher sind die großen Namen d ­ ieser frühen Phase von international anerkannter Fotokunst Schweizer Prägung, in der sich seit den 1960er-Jahren E ­ lemente von Reportage und politischer Ästhetik mischten. Auch der 2009 gestorbene Balthasar Burkhard ge­ hör­te in diese Generation zwischen Tradition, Revolte und Vi­sio­nen. Ihm widmet das Fotomuseum und die F ­ otostiftung seit Anfang Februar eine umfassende Retrospektive seines ­u ngewöhnlichen Werkes, die einmal mehr eine Reise nach Winterthur wert ist. CARSTEN PROBST

Bis 2 1. Mai 2018 B a l t h a s a r B u r k h a rd . R e t ro s p e k t i v e www. fotost if t ung. ch


Leben in der Kunst

Werke aus der Sammlung Carola und Günther Ketterer-Ertle Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 9 Öffentliche Ausstellung 5. April 2018 bis 17. August 2018 Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 7 – 17 Uhr Bundesgasse 35, 3001 Bern Öffentliche Führungen 19. 4., 8. 5., 4. 6., 15. 8. 2018 17.30 Uhr Mehr Informationen mobiliar.ch/kunst mobiliar.ch/kunstsammlung


24 Inter view mit Konrad Bit terli, Direktor Kunst Museum Winter thur

„Die Kunstgeschichte endet nicht mit der Moderne!“


25 ARTMAPP: Herr Bitterli, drei schwergewichtige, eigenständige Museen Winterthurs: das Museum Oskar Reinhart, das Kunstmuseum und die Villa Flora mit der Sammlung Hahnloser/Jaeggli – sie alle firmieren nun unter einem Namen als Kunst Museum Winterthur. Die ebenfalls hochkarätige Sammlung Oskar Reinhart am Römerholz darf nicht mit­mischen. Für Außenstehende mag das auf den ersten Blick schwer zu verstehen sein ... Konrad Bitterli: Man muss einfach wissen, dass diese ganze Neuordnung eine mehr als zwölfjährige Vorgeschichte hat. David Streiff, der damalige Leiter des Bundesamtes für Kultur, der die Museumslandschaft der Schweiz wie kein anderer kennt, hat damals ein Konzept entwickelt, wie man die ­Museumssituation in Winterthur, die extrem fragmentiert war, optimal neu ausrichten könnte. Nach vielen Pausen und ­Umwegen können wir dieses Konzept nun endlich umsetzen. Die Sammlung Oskar Reinhart am Römerholz ist von dieser ­L ösung ausgenommen, weil sie im Gegensatz zu den ge­ nannten drei anderen Häusern nicht dem Kanton oder der Stadt, sondern der Schweizerischen Eidgenossenschaft – in Deutschland würde man sagen: dem Bund – gehört. Oskar Reinhart hat so gesehen selbst seine Sammlung auseinanderdividiert. Damit bleibt eine Fragmentierung, aber zumindest der städtische Teil der Institutionen ist jetzt zusammen­ geführt. Der Vorteil ist: Bisher konkurrierte das Museum Oskar Reinhart mit den Kollegen vom Kunstmuseum, das nur 120 Meter von hier auf der anderen Seite des Stadtgartens liegt, um dieselbe Zielgruppe. Dieser Verschleiß von Energien ist jetzt vorbei, und wir haben einen gemeinsamen Auftritt. Der Kanton Zürich und die Stadt Winterthur unterstützen das auch mit erhöhten Subventionen. ARTMAPP: Aber klingt „Kunst Museum ­W interthur“ nicht ein wenig gemogelt, wenn man zunächst nicht weiß, welche Häuser dazugehören und welche nicht? KB: Wir haben uns schon gefragt, ob man unseren neuen ­ uftritt so gestaltet wie in Bern. Die Direktorin des dortigen A Kunstmuseums, Nina Zimmer, hat Visitenkärtchen, auf deren einer Seite sie als Direktorin dieses Museums vorgestellt wird und auf der anderen Seite als Direktorin des Zentrums Paul Klee. Faktisch ist sie ja beides. Solche Parallelstrukturen kann man sich leisten, wenn man als Stadt genügend Geld hat. In Winterthur ist das leider nicht der Fall. ARTMAPP: Es geht hier also ums Sparen – wie so oft? KP: Auch, aber bei Weitem nicht nur. Es geht vor allem um Synergien.

Konrad Bitterli, Direktor Kunst Museum Winterthur, Foto: Museum

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — S W I S S - T O U R

Mitte 2017 kam Konrad Bitterli vom Kunstmuseum St. Gallen als Direktor ans Kunstmuseum Winterthur, das kurz darauf zusammen mit dem Museum Oskar Reinhart in dem neu ­geschaffenen Museumskonglomerat Kunst Museum Winterthur aufging. Zugleich ist Bitterli angetreten, frischen Wind in die Großsammlungen Winterthurs zu bringen. Das Programm des neuen Museums zeigt mit Ausstellungen von zeitgenössischen Künstlerinnen wie Katinka Bock oder Karin Sander plötzlich Ambitionen als Haus für Gegenwartskunst. Carsten Probst sprach für ARTMAPP mit Konrad Bitterli.


26

Pipilotti Rist (*1962), „I‘m Not The Girl Who Misses Much“, 1986, Video (Videostill), Courtesy: the artist, Hauser & Wirth and Luhring Augustine © Pipilotti Rist

ARTMAPP: Die Villa Flora mit der fantastischen Postimpressionisten-Sammlung des Ehepaars Hahnloser ist auf Jahre hinaus geschlossen, die Kollektion ist nach einer längeren Tournee nun in Bern zu sehen; wann die Villa Flora wiedereröffnet, steht in den Sternen. Leistet sich Winterthur mehr Museen, als die Stadt tragen kann? KP: Nein, eigentlich ist es genau umgekehrt. Der Kunstverein Winterthur ist als Träger dieses neuen Museumsverbundes ­f inanziell recht solide aufgestellt. Die Villa Flora musste ­g eschlossen werden wegen Sa nier u ngsbeda r fs . Die ­Meisterwerke der frühen Moderne konnten dort aus Sicherheitsgründen nicht mehr gezeigt werden. Erst durch die Zusammenführung der drei Häuser wird es überhaupt wieder die Möglichkeit geben, das Haus zu bespielen. Die jetzt einheitliche Verwaltungsstruktur für die drei Häuser insgesamt ermöglicht es, dass man die Villa Flora, wenn sie in etwa vier Jahren renoviert ist, in diese Struktur integrieren kann, ohne dass wieder alles neu geregelt werden muss. ARTMAPP: Sie sind somit jetzt Direktor dreier Häuser, quasi Generaldirektor. KB: (lacht) „Super-Direktor“ fände ich besser … Aber im Ernst, es gibt jetzt nur noch einen Direktor, und damit haben wir schon viel gespart.


27 ARTMAPP: In St. Gallen haben Sie ein betont zeitgenössisches Programm verfolgt. Mit der Neuordnung und Ihrer Berufung hierher will man jetzt in Winterthur offenbar auch etwas aktueller werden. KB: Es ist ja kein Geheimnis, dass die Programmatik der Winterthurer Museen eher konservativ ausgerichtet war. Meine feste Überzeugung, die auch meine bisherige Arbeit stets geprägt hat, ist aber, dass das Verständnis für Kunst nicht einfach bei Meier-Graefe und der klassischen Moderne enden kann. Die hier in Winterthur bestehenden, wunderbaren Sammlungen auch unter diesem Aspekt mit neuem Leben zu füllen, das empfinde ich als sehr spannende Aufgabe. ARTMAPP: Konrad Bitterli – vielen Dank für das Gespräch! Bis 2 . Apr il 2018 K a t i n k a B o c k . S o n a r / To m o r ro w’ s S c u l p t u r e Bis 12. August 2018 R ä u m e b e s e t z e n . We r k e v o n B i l d h a u e r i n n e n B i s 1 7. J u n i 2 0 1 8 Wo m e n . F ra u e n b i l d e r d u r c h d i e J a h r h u n d e r t e

Meister vom Heiligen Blut, „Maria mit Kind in architektonischer Rahmung“, um 1520, Öl auf Holz, 44,4 x 35,5 cm, Privatbesitz, Foto: SIK- ISEA, Zürich (Philipp Hitz)

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www. k mw. ch


Thomas Hirschhorn in Biel/Bienne

Robert Walser-Sculpture


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„Ich will eine Skulptur machen, die sich in jedem M oment neu er findet.“

Die „Schweizerische Plastikausstellung“ wurde 1954 in Biel im Kanton Bern gegründet, um in regelmäßigen Zeitabständen das bildhauerische Schaffen helvetischer Künstlerinnen und Künstler abzubilden. Seither hat das Großprojekt diverse Modernisierungen und Modifikationen erlebt. Für diesen Sommer wurde nur ein Kunstschaffender nach Biel einge­ laden: Thomas Hirschhorn, der international bekannte Schweizer Künstler und Provokateur. Auf dem Bahnhofplatz lässt er seine „Robert Walser-Sculpture“ entstehen, zu der ein ganzes Bündel von Aktivitäten gehören wird, die in Kooperation mit zahlreichen Bielerinnen und Bielern realisiert werden. Das Projekt ist eine Hommage an den Dichter Robert Walser, der 1878 in Biel geboren wurde. Für ARTMAPP traf Alice Henkes den Künstler zum Interview.

ARTMAPP: Thomas Hirschhorn, Sie wollen auf dem Bahnhofplatz in Biel eine „Robert ­Walser-Sculpture“ auf bauen. Was darf man sich darunter vorstellen? Thomas Hirschhorn: Die „Robert Walser-Sculpture“ soll meinem Verständnis von Skulptur heute im öffentlichen Raum eine Form geben. Sie soll ein Ereignis sein, das Begegnungen ermöglicht. Ein solches Ereignis ist aber nicht zu beschreiben, da ein wirkliches Ereignis nicht zu planen ist. Was ich kann und muss, ist, die Konditionen für ein Ereignis und für Begegnungen zu schaffen. Darin liegt meine Mission.

linke Seite: Thomas Hirschhorn, „Ich bin ein Fan von Robert Walser.“

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Thomas Hirschhorn baut die „Robert Walser-Sculpture“ auf Bahnhofplatz in Biel/Bienne


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ARTMAPP: Können Sie einige Beispiele geben, welche Komponenten zu dieser „Robert ­Walser-Sculpture“ gehören werden? TH: Zur „Robert Walser-Sculpture“ gehört ein Bündel von „Präsenz- und Produktions“-Elementen. Zum Beispiel eine ­eigene Tageszeitung, ein TV-Studio, eine Cantina, tägliche Spa ziergänge auf den Spuren Robert Walsers, zwei ­Poesie-Residenzen, tägliche Vorträge von Robert-­WalserKennern, tägliche Vernissagen, die Präsenz des Robert Walser-Zentrums aus Bern, ein tägliches Programm der Volkshochschule, tägliche Aufführungen eines Robert-­ Walser-Theaterstücks, ein Kinderprogramm, die Präsenz einer Schlangenbeschwörerin und vieles mehr.

ARTMAPP: Ist die „Robert Walser-Sculpture“ also eine Art Bühne? TH: Nein, die „Robert Walser-Sculpture“ ist zugleich Projekt und Form! Eine Skulptur im öffentlichen Raum beschränkt sich für mich nicht auf ein Objekt, sondern es geht darum, dass die Skulptur vieles impliziert. Es geht darum, dass meine Arbeit den Kontakt sucht, direkt eins zu eins. Es geht darum, dass sich der heutige Skulpturbegriff vom passiven „Objekt-Sein“ zur aktiven und proaktiven Skulptur wandelt. Ich will eine Skulptur schaffen, die sich in jedem Moment neu ­erfindet, neu denkt, neu schöpft. Deshalb ist die „Robert ­Walser-Sculpture“ eine Batterie, die sich – ohne Unter­ brechung – immerzu neu auflädt.


Thomas Hirschhorn und Kathleen Bühler im Gespräch mit Chri Frautschi von der Offspace - Galerie „Lokal“ - int.

TH: Alle Produktionen gehen von der „Robert Walser-Sculpture“ am Bahnhofplatz aus. Auch die täglichen Spaziergänge beginnen an einem Treffpunkt an der „Robert Walser-Sculpture“. Nur geht es dann in die Stadt oder ins Umland hinaus. Es kann auch sein, dass sich etwas in und mit der „Robert Walser-Sculpture“ entwickelt, was sich dann in die Stadt ­h inein streut oder sprengt, oder dass sich etwas vom Bahnhofplatz aus in die Stadt oder weiter herum verpflanzt.

ARTMAPP: Was bedeutet Robert Walser für Sie? TH: Ich bin ein Fan von Robert Walser. Ich liebe ihn seit ich erstmals ein Walser-Buch gelesen habe. Sofort habe ich ­erkannt: Ich bin ein Teil der „Geschwister Tanner“. Um meiner Bewunderung Form zu geben, habe ich immer wieder Referenzen zum Werk und Leben Robert Walsers in meine Arbeit integriert. Schon immer wollte ich eine große Arbeit nur für ihn und sein Andenken schaffen. Dass ich das jetzt in Biel – in seiner Geburtsstadt – im öffentlichen Raum realisieren kann, ist wundervoll – es ist ein Glücksfall.

linke Seite: Thomas Hirschhorn, Skizze „Robert Walser-Sculpture“, Biel/Bienne 2018

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ARTMAPP: Wird es auch Aktivitäten jenseits des Bahnhofs geben?


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Thomas Hirschhorn, Kathleen Bühler und Leute von der ”Schrottbar“ vor dem Bahnhof Biel

ARTMAPP: Warum der Bahnhof? TH: Alles spricht für den Bahnhofplatz: Jede und jeder kennt den Ort und sehr viele Bielerinnen und Bieler überqueren diesen Platz – manchmal täglich. Er ist der Ort in Biel, der die Stadt mit der übrigen Schweiz, mit der Welt, verbindet, es ist ein demokratischer Ort. Der Bahnhofplatz in Biel verkörpert den öffentlichen Raum perfekt. Ein Durchgangsort für viele – ein Aufenthaltsort für einige, es gibt keinen öffentlicheren Raum. Robert Walser hat Bahnhofssituationen öfters beschrieben. Dazu kommt, dass sich auf der anderen Seite des Bahnhofs der Robert-Walser-Platz befindet und mit meiner „Robert Walser-Sculpture“ auf dem Bahnhofplatz werden die Benutzerinnen und Benutzer des Bahnhofs so während des Sommers 2018 von Robert Walser umklammert. ARTMAPP: 2013 haben Sie in der Bronx in New York das „Gramsci Monument“ realisiert, das sich auf den italienischen Philosophen Antonio ­Gramsci bezog. Was interessiert Sie an der Aus­ einandersetzung mit Dichtern und Denkern? TH: Ich denke, dass es neben Künstlerinnen und Künstlern die Poetinnen und Poeten, die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die Philosophinnen und Philosophen sind, die die Welt verändert haben. Ich denke etwa an Hannah Arendt, Hannah Höch, Gilles Deleuze, Georges Bataille und ­Friederich Nietzsche ... Sie alle haben – durch ihre Arbeit – die Welt und die Sicht auf die Welt verändert. Das will ich zeigen. Ein Fan zu sein von Robert Walser, Antonio Gramsci, Meret Oppenheim oder Ingeborg Bachmann, erlaubt mir, die Ästhetik eines Fans anzuwenden, und dies ermöglicht mir, mein Fan-Sein mit allen möglichen anderen Fans zu verbinden.

ARTMAPP: In Biel ebenso wie in der Bronx ­a rbeiten Sie mit Menschen aus der Bevölkerung zusammen, die nicht aus dem Kulturkontext ­kommen. Was ist die Idee dahinter? TH: Es geht darum, mit unmittelbaren Bewohnerinnen und Bewohnern zu arbeiten, weil ich ein Monument oder eine Skulptur da auf bauen will, wo Menschen leben, und nicht in einem Park oder in einem Skulpturen-Garten. In der Bronx beim „Gramsci Monument“ waren es die Anwohner der ­S ozialsiedlung „Forest Houses“, in Biel für die „Robert ­Walser-Sculpture“ sind sie aus der Stadt Biel. Diese Form ist einfach und komplex, denn um eine möglichst große lokale Implikation von Bewohnerinnen und Bewohnern zu erreichen, liegt es auf der Hand, mit ihnen zu arbeiten, es ist aber auch eine Herausforderung. Es macht Spaß, mit ihnen zu ­a rbeiten, da die Mitwirkenden so auch gleichzeitig mögliche Besucherinnen und Besucher der Skulptur sind. Mit Bewohnerinnen und Bewohnern zu arbeiten drängt das sterile und langweilige „Kultur-Spezialisten-Denken“ zurück. Es ist ­weiterhin sinnvoll, mit Anwohnern zu arbeiten, weil damit die Chance des Gelingens oder das Risiko des Nichtgelingens der „Robert Walser-Sculpture“ – beides – greif barer, größer und konsequenter sein werden.


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ARTMAPP: Der „Robert Walser-Sculpture“ ging eine Serie von sogenannten „Fieldworks“ voran. Was bedeutet das? TH: „Fieldwork“ heißt Feldarbeit. Eine ausgeweitete „Fieldwork “ zu machen, ist entscheidend bei P rojekten im öffentlichen Raum, denn es geht darum, den öffentlichen Raum und die, die mit ihm in Kontakt sind, kennenzulernen. Den Kontakt mit den Akteuren der Stadt zu suchen, ist grundlegend – es geht darum, an der Frontlinie sein. Es geht darum, „auf dem zu Feld“ zu sein, und das stets mit einer gewissen ­Instabilität, im Ungewissen, in prekärer Lage. Nur, wenn ich vorab eine seriöse „Fieldwork“ gemacht habe, habe ich mit meiner Arbeit eine Chance, jemanden zu implizieren. Hier in Biel habe ich insgesamt sieben „Fieldworks“, das waren sieben mehrtägige Aufenthalte in der Stadt mit Treffen und Diskussionen mit Bewohnerinnen und Bewohnern, über insgesamt eineinhalb Jahre gemacht.

ARTMAPP: Sie haben den Ausdruck „nichtexklusives Publikum“ geprägt. Wer ist damit gemeint? TH: Das „nichtexklusive Publikum“ ist „der/die Andere“. Es ist das Publikum, das ich nicht kenne, es ist das Publikum, das mir fremd ist, es ist das Publikum, das sich nicht für Kunst ­interessiert, es ist das Publikum, das andere Probleme hat als Kunst, und es ist das Publikum, das ich jeden Tag auf der ­Straße – nicht im Museum – treffe. Ich will auch für dieses ­P ublikum arbeiten. Und wichtig ist dabei, dass ich meine Arbeit in Richtung dieses Publikums „werfe“. Es ist ebenfalls wichtig, dass ich meine Arbeit nicht in die Richtung des „Spektrums der Abwägenden“ – das sind die Kunstliebhaber, die Kunstkenner und die mit Kunst Arbeitenden – richte. ­Deshalb ist das „nichtexklusive Publikum“ eine Utopie, eine Energie, eine Dynamik und immer eine Bewegung. Es ist der Wille, niemanden von meiner Arbeit auszuschließen – denn ich will einschließen mit meiner Arbeit. Kunst darf sich nie an ein exklusives oder VIP-Publikum richten. Kunst kann, muss und will – immer – einschließen. ARTMAPP: Thomas Hirschhorn – vielen Dank für das Gespräch! w w w . ro b e r t w a l s e r- s c u l p t u r e . c o m

Thomas Hirschhorn im Gespräch mit Kathleen Bühler, Kuratorin der Abteilung Gegenwartskunst im Kunstmuseum Bern,

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Alle Fotos: Enrique Muñoz García


Biel/Bienne und das Seeland

Kunst, Kultur und Natur Biel/Bienne – wenn der Besucher in dieser charmanten Stadt ankommt und sich in eines der Straßencafés setzt, wird er bemerken, dass er sich an einem ganz besonderen Flecken Erde befindet. Hier, wo die deutsche und französische Sprache gleichberechtigt angewendet werden, liegt die Wiege der schweizerischen Uhrmacherkunst. Marken wie Swatch, Omega, Rolex, Tissot und viele mehr sind eng mit dieser Stadt verbunden. Die kleine wunderschöne Altstadt mit der gotischen ­Stadtkirche (15. Jh.), den ehrwürdigen Zunfthäusern, den blumen­geschmückten Brunnen und den kleinen Boutiquen lädt zum Flanieren ein. Charaktervolle Gasthäuser warten ­darauf, Gäste zu bewirten. Hier wird Kreativität gelebt. Ob es der kleine Bijoutierladen, die Mikrobrauerei oder der exklu­ sive Chocolatier ist, die kleinen und feinen Angebote sind

verlockend. Von der Altstadt aus lässt sich der wunderschöne Strandboden am See über die baumbestandene Seevorstadt erreichen. Dabei passiert man das Neue Museum Biel sowie das Pasquart Museum. Beide Häuser werden in dieser Aus­ gabe von ARTMAPP genauer vorgestellt. Kultur- und Naturerlebnisse sind beliebig kombinierbar. Von Biel aus lassen sich die Jurahöhen bequem mit der Stand­s eilbahn „erklimmen“. Nach nur circa sieben­ minütiger Fahrt wird etwa Magglingen erreicht (Sitz der Eidgenössischen Hochschule für Sport), von wo aus zahl­ reiche Wanderwege in alle Richtungen führen. Magglingen, Leubringen oder Prêles sind herrliche Aussichtspunkte, an ­denen man an klaren T ­ agen eine eindrückliche Fernsicht auf die Alpenkette genießt.


Der Hafen von Biel ist Ausgangspunkt für attraktive Flussoder Seeschifffahrten. So können die Stadt Solothurn, der Neuenburger- und Murtensee erreicht werden (Drei-­S eenFahrt). Die Seefahrt kann in einem der malerischen Winzerdörfer unterbrochen werden, um ein Glas Bielersee-Wein zu genießen. Übrigens: Dessen Produktion kann während der farbenfrohen Herbsttage allerorten bei den Winzerfesten miterlebt und gefeiert werden.

linke Seite: Altstadt mit gotischer S ­ tadtkirche, Foto: © Tourismus Biel Seeland

K U N S T, K U LT U R U N D KO N T R A S T E

Mit dem Schiff ist auch die malerische Halbinsel „St. Peters­ insel“ erreichbar. Jean-Jacques Rousseau lebte einst dort in einem idyllischen Paradies. Noch heute kann das Klosterhotel als einzigartige Oase der Ruhe inmitten unberührter Natur besucht werden. Zurück zu den Kontrasten: Biel/Bienne ist eine multikulturelle Stadt mit spannenden Facetten. So ist zum Beispiel die Konzert- und Kulturinstitution „La Coupole“ ein Ort und Zeichen alternativer Musikkunst – und das mit langer Tradition. Als eine der wenigen „alternativen Jugendzentren“ der Jugendbewegung der Schweiz erfreut sich das Eventlokal bis heute großer Beliebtheit. Konzert- und Kulturinstitution „La Coupole“ (Chessu), Foto: © Tourismus Biel Seeland

HI R SCHHOR N I N BI E L/ BI E N N E

kontrastreich, man sagt, es werden über 130 Sprachen gesprochen. Die multikulturelle Vielfalt ist vielen konser­v ativen Medien oft ein Dorn im Auge. Wir Bieler sehen das als Chance, als weltoffene Insel mit allen Vor- und Nachteilen wahrgenommen zu werden. Französisch-internationales Flair kann hier problemlos genossen werden – auch wenn man „nur“ Deutsch spricht. www. biel-seeland. ch

Wandern am Bielersee, Foto: © Tourismus Biel Seeland

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Aber was wären Biel/Bienne und das Seeland ohne die N ­ amen Robert Walser, Friederich Dürrenmatt und Albert Anker. ­Besonders aktuell im Sommer 2018: Robert Walser wird von niemandem Geringeren als Thomas Hirschhorn mit einer Skulptureninstallation auf dem Bahnhofplatz thematisiert und inszeniert (Ausstellungsdauer: 15. Juni bis 9. September 2018). Thomas Hirschhorn als berühmte und manchmal ­kontroverse Persönlichkeit passt zu Biel/Bienne. Die Stadt ist


Neues Museum Biel (NMB) und Pasquar t

Bieler Museen Kunst spielt in Biel eine wicht ige Rolle. I n d e r S e e v o r s t a d t s t e h e n s i c h z w e i g ro ß e ­M u s e u m s k o m p l e x e g e g e n ü b e r.


Blick in das „RobLab“, Neues Museum Biel, Foto: NMB linke Seite: Das Kunsthaus Pasquart in der Seevorstadt, Foto: © D. Müller

Das Neue Museum Biel (NMB) verdankt seinen Namen der Zusammenlegung zweier traditionsreicher Häuser: Das ­Museum Schwab, Anfang der 1870er-Jahre errichtet, beherbergte ursprünglich die archäologische Sammlung des Bieler Pfahlbauforschers und Sammlers Friedrich Schwab. Im Mu­ seum Neuhaus, in einer ehemaligen Indienne-Manufaktur eingerichtet, eröffnete die Stiftung Sammlung Robert 1983 das Musée Robert, das dem naturkundlichen Werk der Malerfamilie Robert gewidmet war. Weitere Ausstellungsbereiche zu stadthistorischen Themen kamen hinzu. Seit 2012 sind die beiden Häuser zu einem Museum verbunden. Und auch heuer spielt die Malerfamilie Robert eine tragende Rolle: Im Haus Neuhaus wurde gerade das „RobLab“ eingerichtet, eine Art offene Depotpräsentation mit Gemälden, naturkundlichen Zeichnungen und Dokumenten von und zu Léo-Paul Robert (1851–1923) und seinen Söhnen Philippe (1881–1930) und Paul-André Robert (1901–1977). Das „RobLab“ lädt dazu ein, in Grafikschränken und Bilderkisten die Vogelaquarelle von Vater Léo-Paul, die Pilzdarstellungen von Paul-André oder auch die Notizen zu Natur und Ästhetik von Philippe zu erkunden. Gemütliche Lesesessel stehen bereit.

Gleich vis-à-vis zum Neuen Museum Biel steht das Pasquart, unter dessen Dach ein Kunsthaus, das Photoforum, der Kunstverein Biel, das Filmpodium Biel sowie der unabhängige Kunstraum „Espace Libre“ beheimatet sind. Der Altbau des Gebäudekomplexes, ein ehemaliges Spital, wird bereits seit Beginn der 1990er-Jahre als Ausstellungs- und Veranstaltungsort der genannten Institutionen genutzt. 2000 wurde der markante Neubau eingeweiht, dessen Ausstellungs­ f lächen vom Kunsthaus bespielt werden. Das Kunsthaus Pasquart gehört zu den bedeutendsten Schweizer Museen für zeitgenössische Kunst. Das Ausstellungsprogramm setzt auf regionale, nationale wie auch internationale Positionen und lockt so Besucherinnen und Besucher weit über die Grenzen Biels hinaus an. Ein thematischer Schwerpunkt des Kunsthauses liegt in der Auseinandersetzung mit aktuellen Strömungen der Malerei. Ein weiteres Thema, das im Aus­ stellungsprogramm immer wieder auftaucht, ist die Musik. Derzeit untersucht die Gruppenausstellung „Everything we do is music“, wie klassische indische Musik moderne und ­z eitgenössische Kunstschaffende inspiriert hat. Frühe in­ dische Miniaturmalereien (sogenannte Ragamalas) sowie Zeichnungen, Animationen und Videoarbeiten der Gegenwart verweisen auf den Einf luss dieser Musik auf die amerikanische Kunst der 1960er-Jahre und ihre damit weitreichende Wirkung auf die westliche Pop- und Gegenkultur. ALICE HENKES

Ne ues Mu se um B iel ( N M B) Seevorstadt 50 – 56, CH-2502 Biel/ Bienne www. nmbiel. ch Pa squar t Seevorstadt 7 1, CH-2502 Biel/ Bienne www. pasquar t. ch

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38 M . S. Bastian / Isabelle L.

Africa-Pulp A BE N T E U E R LUS T M I T DICK E N, S C H WA R Z E N U M R I S S L I N I E N

Micky Maus trifft van Gogh und Barbapapa tummelt sich in einer Landschaft, die vom japanischen Holzschnittmeister Hokusai inspiriert ist: In den Bildern und Objekten von M. S. Bastian (* 1963) und Isabelle L. (* 1967) verbinden sich ­E lemente aus Kunst, Pop und Alltagskultur auf unkom­ plizierte und überzeugende Weise. Die Basis ihrer Arbeiten bilden oft grafisch reduzierte Darstellungen von Stadt- oder Naturräumen, die meist mit einer enormen Fülle an Figuren und Objekten belebt sind. Gern und ausgiebig bedienen sich die beiden Kunstschaffenden dabei Anleihen bekannter ­Z eichentrickhelden und Werbefiguren, aber von Groß­ meistern der Kunstgeschichte. Picasso zitieren sie ebenso unbefangen wie Hergé. Die Bildsprache des Künstlerduos ist deutlich von der Comix-Szene der 1980er-Jahre geprägt. In Biel war diese stets sehr aktiv und zudem eng vernetzt mit lokalen Kunst- und Musikkreisen. In Biel treffen Deutschschweiz und Romandie

mit ihren Sprachen und Kulturen aufeinander. Die im deutschen Kulturverständnis lang gehegte Vorstellung, ­Comics seien keine Kunst, unterliegt hier dem offeneren franzö­ sischen Kunstbegriff. Im Werk von M. S. Bastian und Isabelle L. zeigt sich die Prägung durch die Comic-Kunst auch in einer gewissen ­L ässigkeit, mit der Scherz, Ironie und tiefere Bedeutung ­a malgamieren. Was aufgrund seiner oft bunten, wimmel­ bildartigen Oberflächen auf den ersten Blick leicht wirkt, ist niemals seicht. Im Kunstuniversum der beiden, die stets ­gemeinsam an ihren Bildern malen, finden kleine Alltagsfreuden ebenso ihren Widerhall wie große historische Krisen. Vibrierend dichtes Großstadtleben fängt ihre Kunst ebenso ein wie das Staunen vor der Schönheit der Natur. Und mit dem 50 Meter langen, konsequent in schwarz-weiß g­ estalteten Bildzyklus „Bastokalypse“ haben sie 2010 gezeigt, dass sich auch schwerwiegende Menschheitsfragen in einer Bild­ sprache nahe am Pop diskutieren lassen.

Kudjoe Affutu und Regula Tschumi mit den noch unbemalten Pulps der z weiten Serie im Juli 2011


Kudjoe Affutu (links) im Ausstellungsraum seines Ateliers bespricht mit seinem Kunstmaler die Bemalung der Pulp

Ein Gestaltungselement, das in den meisten Arbeiten des Duos anzutreffen ist, ist die Figur des Pulps. Pulp besteht aus schwarzen Umrisslinien, großen Augen und viel weißer ­F läche. Mit seinem meist fröhlichen, aber immer etwas ­f ragenden Ausdruck bietet er sich als Alter Ego der beiden Kunstschaffenden an, als Symbol für das Staunen über die Welt, das manchmal auch ein Schaudern ist. Dieser Pulp ist ein agiles Kerlchen, das ganz schön viel rumkommt. Man trifft ihn, wie er mit ein paar Kumpels im Cabrio herumflitzt, oder in nächtlicher Natureinsamkeit. Mal steckt er in tiefen Großstadtschluchten, mal im üppigsten Dschungel oder auf hoher See. Abenteuerlust treibt nicht nur Pulp, immer neue ­Weltgegenden mit großen Augen zu betrachten; sie muss M. S. Bastian schon in die Wiege gelegt worden sein. Sein Vater, Charles Sollberger, lebte Anfang der 1950er-Jahre in Ostafrika.

Zurück in der Schweiz richtete er gemeinsam mit seinem ­Bruder in einem Kellerlokal in der Berner Altstadt eine Galerie für „primitive Kunst“ ein, wie man das damals noch nannte. Doch nicht nur diese Kellergalerie war ein Wunder an Exotik mitten in der bürgerlichen Behaglichkeit Berns. In der ­elter­l ichen Wohnung soll es fast ebenso ausgesehen haben. Fernweh gehörte bei den Sollbergers zum normalen Alltag wie der Kaffee zum Frühstück. 2015 reisten M. S. Bastian und Isabelle L. nach Uganda. Dort Gesehenes und Erlebtes bereichert das Kunstuniversum der beiden deutlich sichtbar – bis heute. Farbintensive Bilder zeigen Pulp zwischen Löwen und Zebras, Schweizer ­Brotkörbchen verwandeln sich in fabelhaft unafrikanisch-­ afrikanische Masken. Das Künstlerduo spielt mit Zitaten und Fundstücken sowie mit dem nach wie vor sehr beengten Blick wohlhabender Europäer auf den schwarzen Kontinent.

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DA S G R O S S E S TAU N E N



Die fertiggestellten Pulp aufgestellt für eine Beerdigungsprozession: In der Sänfte zuletzt der König, vor ihm der Stuhlträger, der Trommler, der Hornbläser, der Sprecher und weitere Würdenträger des Königs, die bei der Beerdigung einer wichtigen Person anwesendsind. (Dieses Bild ist im MEN in der Ausstellung.)


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Im Atelier in Biel,

Alle Fotos: © Regula Tschumi

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D I E F I G Ü R L I C H E N S Ä RG E D E R G A

Doch es gibt noch eine weitere Afrika-Connection im Werk der beiden Kunstschaffenden, eine, die weiter zurückreicht. Seit Langem verbindet die beiden eine Freundschaft mit der Berner Ethnologin Regula Tschumi, die sich mit der Erforschung der Sargkunst der Ga einen Namen gemacht hat. Das Volk der Ga lebt vor allem in der Region Greater Accra im Umkreis der Hauptstadt Ghanas. Ihre farbigen Särge werden seit einigen Jahren immer wieder in westlichen Museen gezeigt. Diese Särge entstanden als Weiterentwicklungen figürlicher Sänften, die in bestimmten Situationen zur Ehrung wichtiger Persönlichkeiten zum Einsatz kamen und kommen. Die ­S änften und heute auch Särge sind in Form traditioneller ­Totemtiere gestaltet. Neben tradierten Motiven erschaffen die Ga heute auch Särge in Form moderner Gebrauchsgegen­ stände wie Autos, Telefone oder Flugzeuge. M. S. Bastian und Isabelle L . kamen 2007 mit der ­Sargkunst aus Ghana in Kontakt. Sie sahen einige von Kudjoe Affutu geschaffene Miniatursärge bei Regula Tschumi. Die Verbindung von Tradition und Gegenwart, Ritus und Alltag, die in diesen Särgen in Form von Früchten und Sandalen

steckt, gefiel den beiden so gut, dass sie die Idee entwickelten, „Afrikanische Pulps“ anfertigen zu lassen. M. S. Bastian fertigte Skizzen, die Regula Tschumi bei ihrer nächsten Reise nach Ghana mitnahm und von Kudjoe Affutu in seiner Schreinerwerkstatt realisieren ließ. Große Teile der ersten Serie dieser „Afrikanischen Pulps“ fielen allerdings einem Holzschädling zum Opfer. 2010 entstand eine zweite Serie „Afrikanischer Pulps“, die zusammen eine kleine festliche Prozession ergeben. Mit den „Afrikanischen Pulps“ heben M. S. Bastian und Isabelle L. ihr virtuoses Spiel mit Zitaten und die Verbindung verschiedener Ebenen (Hochkultur, Pop, Alltagskultur) auf eine Art Metaebene. Pulp, der staunende Grenzgänger zwischen Pop und Kunst überquert eine weitere Grenze, eine geografisch benennbare diesmal. Und er nimmt Kontakt auf mit einer außereuropäischen Kultur, die ihrerseits von west­ lichen Einflüssen durchtränkt ist. Pulp, mit seinem glatten weißen Leib eine ideale Projektionsfläche für Ideen aller Art, wird so zu einer Art Leitfigur für unkomplizierten kulturellen Austausch.


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M U S É E D ’ E T H N O G R A P H I E D E N E U C H ÂT E L

Die „Afrikanischen Pulps“ von M. S. Bastian und Isabelle L. haben im frisch renovierten Musée d ’ethnographie de Neuchâtel (MEN) einen idealen Standort gefunden. Während völkerkundliche Museen im deutschschweizerischen Raum zumeist noch traditionellen, nach geografischen, ethnischen, religiösen Rastern geordneten Präsentationsformen treu bleiben, geht das Neuenburger Museum einen anderen Weg: Hier stehen eher gemeinsame Themen als getrennte Lebensräume im Blickfeld. Vermeintlich in sich geschlossene Kulturräume weichen hier der Betrachtung einer sich weltweit immer stärker wechselseitig beeinf lussenden Alltagswelt. Unter dem Titel „L’impermanence des choses“ (die Unbeständigkeit oder Vergänglichkeit der Dinge) haben die Kuratoren des Hauses eine Präsentation geschaffen, die Objekte aus verschiedenen Kulturen, zu verschiedenen, allgemein menschlichen Fragen in einen offenen Dialog miteinander bringt. Die „Afrikanischen Pulps“ finden sich in einem Saal, in dem sie auf Fotografien von Jean-Marie Lerat treffen, der in Westafrika gemalte Werbetafeln dokumentiert hat, ebenso wie auf Kunst aus Australien und Botswana sowie eine Neuinterpretation der elefantenköpfigen Hindu-Gottheit Ganesh von Zaven Paré und Emmanuel Grimaud. Viel Gespür für die Aussagekraft alltagsnaher Gestaltungselemente zeigt das MEN auch im Umgang mit den historischen Räumen der in den 1870er-Jahren erbauten Villa des Tabakbarons James de Pury. Die Renovation des Altbaus, der 1954 um einen „Black Box“ genannten Erweiterungsbau für Wechselausstellungen ergänzt wurde, hat nicht zur Herstellung eines glatten White Cubes geführt. Vielmehr werden das Alter der Villa, ihre Geschichte, ihre Nutzungen transparent gemacht, indem beispielsweise Spuren verschiedener Wandgestaltungen offengelegt werden.

Pulp - Figuren in der neuen Dauerausstellung des Musée d’ethnographie de Neuchâtel MEN, Foto: Alain Germond

MEN, Foto: Alain Germond ALICE HENKES

M u s é e d ’e t h n o g ra p h i e d e N e u c h â t e l ( M E N ) R u e S a i n t- N i c o l a s 4 , C H - 2 0 0 0 N e u c h â t e l www. men. ch www. reg ulat schumi . ch Besuchen Sie die „ F a n - S e i t e : M S . B a s t i a n & I s a b e l l e L .“ auf Facebook.



45 Vitromusée Romont

Die Kunst der Transparenz B e töre nde Gla sk un st hinte r t r ut zige n Schlossmaue r n:

Das schillernde Licht, das durch bunte Glasmosaiken in ­K athedral- und Kirchenfenstern dringt, muss den Gläubigen ferner Jahrhunderte wie der sinnliche Widerschein göttlicher Macht und Erhabenheit erschienen sein. Auch heute üben Fenster, Mosaiken, Bilder und Objekte aus gefärbtem oder bemaltem Glas mit ihrer einzigartigen Verbindung von Glanz und Leuchtkraft, Transparenz und Farbigkeit einen unwiderstehlichen Reiz aus. Das Vitromusée Romont beherbergt umfangreiche Sammlungen von Werken der Glasmalerei und Hinterglasmalerei sowie von Glasobjekten und zahlreichen Skizzen zu Glasmosaiken und -bildern. Das 1981 gegründete Museum im freiburgischen ­Romont ist das einzige seiner Art in der Schweiz und seine Aktivitäten umfangreich. In der Dauerausstellung des Hauses sind zahlreiche Schätze aus den Sammlungen zu sehen, etwa Fragmente mittelalterlicher Glasfenster und Wappen­ scheiben, die während der Renaissance ein beliebter Fensterschmuck waren, Jugendstilfenster mit f loralen Mo­ tiven und Entwürfe für Kirchenfenster von Peter Travaglini. Noch relativ jung ist die Abteilung der Glasgefäße und -ob­ jekte, in der kunstvolle Vasen und Schalen gezeigt werden. Sonderausstellungen präsentieren Glasgestaltungen aus ­verschiedenen Epochen und Ländern, aber auch Glaskunst und Hinterglasmalerei von Kunstschaffenden der Geschichte, Moderne und Gegenwart. Zudem gewährt das Haus Einblick in die Kunst der Glasbearbeitung. In einem offenen Atelier können Besucherinnen und Besucher mit der Glasverarbeitung verbundene Werkzeuge und Materialien bestaunen und Profis bei der Arbeit am Glas über die Schulter schauen. In zahlreichen Workshops kann man auch selber Hand anlegen und verschiedene Techniken der Glasbearbeitung, etwa die Glasmalerei oder das Perlendrehen, erlernen. Die Aktivitäten des Museums reichen jedoch weit über die historischen Schlossmauern hinaus. Seit Ende 2017 ist die Datenbank „Vitrosearch“ online. Sie ermöglicht es, im ­Museum, aber auch von zu Hause oder beliebigen anderen Standorten aus, Einsicht in die Sammlungsdatenbank des ­Vitromusée zu nehmen und sich dort über Glaskunstwerke zu informieren. Wer beispielsweise Fenstermosaiken in einer Schweizer Kirche bestaunt, kann mit ein paar Klicks mittels „Vitrosearch“ Informationen zu den Mosaiken erhalten. ­N eben den Beständen des Vitromusées verzeichnet die ­Onlinedatenbank mittlerweile auch Bestände an Glaskunst in Genf sowie verschiedenen Sammlungen und Stiftungen in Freiburg und Bern.

Einen würdigen Ersatz für den Besuch im Vitromusée bietet die „Vitrosearch“-Datenbank dennoch kaum. Nicht nur der fotografisch immer nur annähernd zu vermittelnde Glanz des originalen Glases lockt nach Romont, auch das Museum selbst, das im hiesigen Schloss eingerichtet ist, dessen älteste Teile aus dem 13. Jahrhundert stammen. Das herrschaftliche Anwesen wie auch das schmucke historische Städtchen liegen auf einem isolierten Hügel: Das eröffnet grandiose Aussichten. Das Vitromusée Romont widmet ab dem 9. Juni seine Sommerausstellung der venezianischen Glaswerkstatt von Paolo Venini und ihrer Zusammenarbeit mit bedeutenden Glaskünstlern des 20. Jahrhunderts (in Kooperation mit Le Stanze del Vetro, Venedig). ALICE HENKES

w w w . v i t ro m u s e e . c h

Fotos: © Vitromusée Romont

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D a s V i t ro m u s é e R o m o n t i s t e i n e n A b s t e c h e r i n s F r e i b u r g e r l a n d w e r t .


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Oskar Bätschmann im Gespräch

Ferdinand Hodler, „Ausstellungskünstler“ Im April 2018 eröffnet in Genf die zentrale Ausstellung zum 100. Todestag von Ferdinand Hodler, des ersten modernen Künstlers der Schweiz von Weltrang. Weitere Hodler-­ Schauen sind unter anderem in Winterthur und Bern geplant. Zudem wird der letzte Band des monumentalen Werk­ verzeichnisses von Ferdinand Hodler vorgestellt, ein seit 20 Jahren laufendes Mammutprojekt, das vom Hodler-Experten Oskar Bätschmann herausgegeben wird. Bätschmann, der auch einige Jahre in Deutschland und in den USA gelehrt hat, gehört zu den bekanntesten Schweizer Kunsthistorikern – nicht zuletzt durch seinen 1997 erschienenen Band „Ausstellungskünstler“, der heute zu den Klassikern der Literatur über die Kunst und Kunstschaffenden der Moderne gehört. Im Gespräch mit Carsten Probst für ARTMAPP blickt Oskar Bätschmann auf den großen Hodler-­ Reigen 2018 voraus.

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ARTMAPP: Herr Professor Bätschmann, mehrere Hodler-Schauen, die dieses Jahr zu sehen sind, thematisieren explizit des Künstlers Stil, den ­sogenannten Parallelismus. Was kann man sich darunter vorstellen? Oskar Bätschmann: Das war die fixe Idee von Hodler: die Idee der Wiederholung und Symmetrie, die er selbst auch schriftlich und in einem Vortrag vertreten hat. Gemeint ist dabei eine Symmetrie zwischen geistigen und materiellen Kräften. Hodler hat das sozusagen als Weltgesetz propagiert. Nun kann man natürlich sagen: Ein bisschen Symmetrie ist ja nun noch kein Weltgesetz. Der Punkt ist, dass man Hodlers Ansichten nur verstehen kann, wenn man die damals enorme Diskussion über den psycho-physischen Parallelismus berücksichtigt. Das Leib-Seele-Problem hat seinerzeit wirklich alle beschäftigt: Psychologen, Philosophen – von William James in den Vereinigten Staaten bis zu Ernst Mach in Österreich, der ja auch Robert Musil beeinflusst hat. Alle sprachen über diesen Parallelismus. Hodler hat selbst sicher nicht alles gelesen, aber er kam durch seine gelehrten Genfer Freunde darauf. Man kann also sagen, es ging ihm darum, als Künstler diese Beziehungen zwischen dem Innen und Außen sichtbar zu machen.

ARTMAPP: Und er hat damit eine spektakuläre Künstlerkarriere hingelegt ... OB: Die Hodler-Karriere! Also, Hodler ist ein typischer Ausstellungskünstler. Er ist der Prototyp des schweizerischen Ausstellungskünstlers! Die Anregung dazu hat er direkt von Gustave Courbet bezogen. 1873 kam Courbet in die Schweiz ins Exil. Hodlers Lehrer war Barthélemy Menn, über ihn wird im Hodler-Jahr in Genf eine eigene Ausstellung gezeigt (eine Vorschau hierzu auf Seite 49). Menn hat Courbet sehr gut ­gekannt und dieser hat sich dann in La Tour-de-Peilz am Genfer See niedergelassen und ein Privatmuseum mit eigenen ­Bildern ­eröffnet. Er hat auch an Ausstellungen in Genf teil­ genommen. Hodler war damals 20, und das muss ihn sehr beeindruckt h ­ aben, auch wenn es keine Zeugnisse gibt, dass er Courbet d ­ irekt begegnet ist. Bei Courbet hat er sich abgeschaut, dass man eine Einzelausstellung machen muss, wenn man sich ­gegen die Autoritäten auflehnen will. So hat er es selbst 1891 in Genf schließlich auch gemacht und sich damit gegen die Zensur g­ ewehrt. Er hatte Erfolg, und mit dem Geld ging er dann nach Paris. Er hat an Hunderten, an Tausenden Ausstellungen teilgenommen bis 1914.


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Ferdinand Hodler (1853–1918), „Selbstporträt“, 1916, Öl auf Leinwand, 40 x 38 cm © Musée d‘art et d‘histoire de Genève, Foto: B. Jacot- Descombes, Inv. 1939- 0066


Carsten Probst zu Besuch bei Marie Therese und Oskar Bätschmann in Bern, Foto: Ruth Gilgen

ARTMAPP: Manche bezeichnen ihn wegen seiner massenhaften Bildproduktion als den allerersten Pop-Art-Künstler ... OB: Ja, das ist ja auch etwas, das Mühe bereitet, und was man Hodler tatsächlich vorgeworfen hat! Er hat auf Transparent­ papier eine Pause von einem Motiv angefertigt, das er dann immer wieder auf neue Leinwände übertragen hat. Die Komposition und die Farben dann noch anders darauf geschmiert, und fertig war das neue Bild! Das darf man nicht unterschätzen: Diese Beschickung von Ausstellungen, die Bedienung von Sammlern sowie Museen – das hat er professionell auf­ gezogen. Er hatte natürlich auch Gehilfen. Wie fast jeder Künstler.

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ARTMAPP: Hodler gilt als einer der am häufigsten gefälschten Maler – OB: Unser Inventar für das Werkverzeichnis beinhaltet über 1.600 Gemälde, ungefähr 100 bis 110 Fälschungen, ungefähr noch einmal die gleiche Zahl an fraglichen Zuschreibungen. Dazu kommen schätzungsweise zwischen 13.000 und 15.000 Zeichnungen und Skizzen auf losen Blättern sowie in etwas mehr als 240 Skizzenheften. Es gab ja seit 1913 Klagen wegen Fälschungen. In Dresden und München existierten Fälscherwerkstätten, und in den 1920er-Jahren wurden Prozesse geführt. Die technologische Abteilung des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft in Zürich hat ein Malprofil Hodlers erstellt und wir haben nur die Arbeiten wirklich als Fälschungen bezeichnet, die sozusagen gerichtsnotorisch festgestellt wurden. Während der letzten Jahre haben wir sehr viele Zusendungen von Leuten erhalten, die mitgeteilt haben, dass sie vom Großvater oder der Tante da noch einen Hodler hätten. Da haben wir entweder gesagt: Der interessiert uns! Oder: Unterlassen Sie jede weitere Ab­ klärung, es lohnt sich nicht!

ARTMAPP: Und wie sieht Hodlers Malprofil ­technologisch betrachtet aus? OB: Das umfasst die Leinwand, das umfasst die Vorzeichnungen, dann eben die Übertragungen und Verdoppelungen und das ganze Kopierverfahren, also Hodlers Pausverfahren, mit dem er seine serielle Herstellung von Bildern durchgeführt hat. So gibt es bei bestimmten Gemäldetypen eine klar bestimmbare Produktionskette. Natürlich bei Porträts weniger, bei Figurenbildern mehr, bei den Landschaften auch. ARTMAPP: Weiß man denn bei all den Verviel­ fältigungen überhaupt noch, was von Hodlers Hand stammt und was von seinen Gehilfen? OB: Man weiß nicht genau, was die Gehilfen gemacht haben. Aber es ist natürlich klar, dass bei der massenhaften Beschickung von Sammlern und Ausstellungen mit 17 „Holzfällern“ oder bei den riesigen Leinwänden die Gehilfen etwas gemacht haben. Zumindest haben sie die Pausen auf die neuen Leinwände übertragen oder die kleinen Ölskizzen vergrößert. Aber die Fälscher haben damals so nicht gearbeitet. Dann ­wären die Fälschungen auch besser! A u s s t e l l u n g „ H o d l e r// P a ra l l e l i s m u s“ 20. Apr il bis 19. Aug ust 2018 i m M u s é e d ’a r t e t d ’ h i s t o i r e G e n f 1 4 . September 2018 bis 13. Januar 2019 im Kunst museum Ber n

rechte Seite: Barthélemy Menn (1815–1893), „Selbstporträt mit Strohhut“, um 1867, Öl auf Karton, auf Holz geklebt, 42,6 x 60,1 cm © Musée d’art et d’histoire de Genève, Foto: J.- M. Yersin Don Marcel Guinand, inv. 1894 - 0012


49 BA RT HÉL E M Y ME N N

Im Rahmen des Hodler-Jahres zeigt das Cabinet d’arts ­graphiques des Musée d’art et d’histoire in Genf auch eine groß angelegte Überblicksschau zum Werk von Barthélemy Menn (1815–1893). Der Lehrer Franz Hodlers war seinerzeit zusammen mit Alexandre Calame Hauptvertreter der Genfer Schule. Seine systematische Erforschung von Landschafts- und Figurendarstellung bildete die Basis für Franz ­Hodlers Malerei: „Menn verdanke ich alles“, soll Hodler einmal gesagt haben. Doch auch zahlreiche andere Schüler profitierten von Menns systematisierter und rhythmisierter Auffassung der Bildfläche. Die Genfer Schau verfolgt Menns Werdegang vom Schüler ­Lugardons und ab 1833 in Paris von Jean-Auguste-­Dominique Ingres zu einem der bekanntesten Professoren für Malerei in Genf, das im 18. und 19. Jahrhundert ein Zentrum der Künstlerausbildung war, wie Ausstellungskuratorin ­Marie Therese Bätschmann erläutert. Unter den rund 130 Gemälden, Ölstudien, Aquarellen, Zeichnungen und Lithographien finden sich auch wichtige Leihgaben aus dem Aargauer Kunsthaus und dem Victoria & Albert Museum in London. 2 . März bis 8. Juli 2018 B a r t h é l e m y M e n n „ M a l e n u n d L e h r e n“ C a b i n e t d ’A r t s G ra p h i q u e s i m M u s é e d ’A r t e t d ’ H i s t o i r e , G e n f www. mah-gene ve. ch inst it ut ions.ville-geneve. ch


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Fade, 2017, Video, Detail, Courtesy the artist and Frith Street Gallery, London, Courtesy Be-Part, platform for contemporary art, Belgium

BARRIBALL

15.4.–10.6.2018 Mohan Samant, Musicians, 1999, Aquarell auf Papier; Foto: John Berns

LINUS BILL +

Gemälde, p. 139 / Gemälde, p. 161 / Gemälde, p. 73 / Gemälde, p. 91, 2015, Siebdruck und Acryl auf Leinwand, Courtesy the artists and Galerie Allen, Paris; Foto: Aurélien Mole

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„Plateforme 10“ in Lausanne

Weniger Romantik, mehr Besucher

Außenansicht des Musée de l‘Elysée und des mudac,

Das 1985 gegründete Musée de l’Elysée beherbergt neben der Fotostiftung Schweiz in Winterthur die wichtigste Schweizer Sammlung zur Fotografie des 19. bis 21. Jahrhunderts – mit über einer Million historischen Abzügen, Negativen und Dias, unter anderem von Francis Frith, Robert Capa, Ella Maillart und Adolphe Braun und fotografischen Nachlässen von Réne Burri oder Charles Chaplin. Schon das aktuelle Gebäude des Musée de l’Elysée ist eine Reise nach Lausanne wert. Vom Park der barockisierten Villa aus dem 18. Jahrhundert in Little Ouchy können Fotofreunde bei einem Kaffee den erhabenen Blick über den Lac Leman und bei passender Witterung auch das unvergleichliche Panorama der Savoyer Alpen genießen. In wenigen Jahren aber wird das Museum in das neue Mu­ seumsquartier „Plateforme 10“ umziehen – eine Entwicklung, die mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu verfolgen sein dürfte. Unweigerlich fragt man sich, wo ein so kleines Haus seine gewaltige Bildersammlung unterbringt. Die verwinkelten, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Archivräume im Keller des Musée de l’Elysée bergen nur einen Bruchteil der Schätze des Hauses, was Julie Maillard, die Sprecherin des Museums, auch bestätigt. Ein Großteil der Sammlung ist an zwei weiteren Standorten ausgelagert. Die Räume des einstigen Offizierspalais sind größ­ tenteils den Sonderausstellungen, der Lehre und Recherche vorbehalten. Ein Rundgang durch die derzeitige Schau mit Auswahlstücken aus der Sammlung von Sondra Gilman und Celso Gonzalez-Falla (mit Aufnahmen unter anderem von Bérénice Abbott, Eugène Atget, Robert Adams, Walker Evans, Man Ray und Lee Friedlander) lenkt den Blick automatisch auf die improvisierte Raumsituation. Das Knarren der Dielen, das Treppauf-Treppab im schmalen Stiegenhaus oder auch der erst kürzlich im Dachgeschoss eingerichtete winzige Raum für virtuelle Ausstellungen unterstreichen zwar die familiär-intime Atmosphäre, aber zeigen den schönen Sitz des Museums auch als dauerhaftes Provisorium. Das soll sich endlich mit dem für 2021 geplanten Umzug an den neuen sogenannten Museums-Pol von Lausanne, auch „Plateforme 10“ genannt, ändern, der derzeit in zentralster Lage neben dem Lausanner Hauptbahnhof entsteht. Drei ­Museen werden sich dort eine Gesamtfläche von 25.000 Quadratmetern teilen. Bereits für 2019 ist der Einzug des Musée

cantonal des Beaux-Arts (mcb-a), des Waadtländer Kunst­ museums in ein Gebäude der Architekten Barozzi/Veiga vorgesehen. Zwei Jahre später soll der Bau des portugiesischen Architektenbüros Aires Mateus fertiggestellt sein und neben dem Musée de l’Elysée auch das Mudac – Musée de design et d’arts appliqués contemporains aufnehmen. Den Mitarbeitern des Musée de l ’Elysée ist Wehmut anzumerken, wenn das Gespräch auf den absehbaren ­O rtswechsel kommt – vor allem jedoch Erleichterung. Die Ausstellungsflächen des Fotomuseums werden sich im Neubau verdoppeln, jene für Neue Medien gar verzehnfachen. Das Gesamtprojekt des Museums-Pols bedeutet für die Lausanner Museumslandschaft eine grundlegende Zäsur. Neben dem bisher bestehenden Museumsquartier im Palais de Rumine werden dann die drei bekanntesten Museen der Stadt fünf Fußminuten vom Hauptbahnhof entfernt an­ gesiedelt sein. Das ist zweckmäßig, allerdings nicht mehr besonders romantisch: Wer bislang von außerhalb zu diesen drei Museen gelangen wollte, konnte sich auf dem Weg hin und wieder mit schönen Stadteindrücken belohnen. Auch originelle Kooperationen wie jüngst anlässlich der großen Ai-Weiwei-Ausstellung des mcb-a mit den Häusern im Palais de Rumine wird es dann in dieser Form nicht mehr geben. Die neue Stadtanordnung und den Umstand, dass man den künftigen Museums-Pol künftig direkt vom Zug aus erreichen wird, ohne viel von der Stadt mitbekommen zu müssen, kann man bedauern. Die Museen aber versprechen sich gerade von kurzen Wegen mehr Besucher als von Stadtspaziergängen. CARSTEN PROBST

www. mudac. ch www. elysee. ch

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„PL ATEFORME 10“, © Aires Mateus 2017


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In der Spinnerei am Walensee

Das Lofthotel Über sieben Generationen hinweg wurden in der Spinnerei in Murg am Walensee (Kanton St. Gallen, Schweiz) unweit von Bad Ragaz Baumwollfäden gesponnen. 1996 mussten die Maschinen endgültig abgestellt werden: Die Globalisierung hatte ihren Tribut gefordert. Dass dies hier nicht zum Stillstand führte, haben Dieter und Esther von Ziegler bewiesen: Auch in der siebten Generation des Familienbetriebes fanden sich unternehmerisch denkende Köpfe, die mit Enthusiasmus, einer gehörigen Portion Mut und viel Kreativität die Räume für ganz neue Ideen öffneten und die alte Spinnerei in eine erfolgreiche Zukunft mit viel Potenzial führten: Ab 2006 konnte

gebaut werden: Rund zehn Jahre dauerte das Planen, Renovieren, Umfunktionieren – kurzum: das kreative Wiederbeleben der über 175-jährigen Familien- und Gebäudegeschichte. Die Vision einer gemischten Nutzung mit Wohnen, Arbeiten, Hotel, Restaurant und Infrastruktur wurde konsequent und mit Liebe zum Detail umgesetzt. Aus Freude an hochwertiger Architektur, an industriellem Design sowie an Kunst und Kultur entstand ein einmaliges Ensemble, das die perfekte Bühne für kosmopolitische Kunstfreunde, Genießer, Liebhaber neu genutzter Industriekultur und Ästheten bietet.


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linke Seite: Ansicht Lofthotel, Alle Fotos: © Lofthotel

I N D U S T R I E L L E U R B A N I TÄT, K U N S T VO L L E S U N D L Ä N D L I C H E I DY L L E

We n n d e r M a g e n k n u r r t , b i t t e z u T i s c h – direk t am See in de r ehe malige n Säge re i

In besonderer Atmosphäre direkt am See speisen oder einfach nur einen Drink genießen, dafür ist das Restaurant „sagibeiz“ ideal. Die ehemalige Sägerei behielt ihren einmaligen, stark durch Holz geprägten Charakter und eignet sich besonders für spezielle Anlässe oder einen entspannenden Zwischenhalt zwischen Chur und Zürich. ANDRIN SCHÜTZ

www. lof thotel. ch

Restaurant „sagibeiz“

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Wer das Spezielle und Individuelle sucht, der ist in der alten Spinnerei in Murg genau richtig: Das Hotel verfügt über ­diverseste Räumlichkeiten und Zimmer: So bietet ein „Bikerloft“ das perfekte Ambiente für Motorradfreunde. Yes – kein Scherz: Man kann mit dem Bike mitten ins Zimmer fahren! Die „Turmsuite“, in der früher das Löschwasser für das ge­ samte Areal untergebracht war, eröffnet den Blick über die mächtigen Gipfelzinnen der Churfirsten, während sich in der „Loftsuite“ (auf 330 Quadratmetern mit vier Doppelzimmern) Großzügigkeit pur erleben lässt. Ergänzt wird das Angebot von kreativen Seminarräumen, die inspirierend auf die jeweiligen Workshop-Teilnehmer wirken und somit auch ein klein wenig Murger Esprit in die Welt hinaustragen sollen. Ein so urban anmutendes Areal wie die alte Spinnerei in Murg ­w ürde man in dieser idyllischen Lage am Walensee kaum erwarten. Umso größer sind jeweils die Aha-Erlebnisse der Gäste. Überraschte Ausrufe wie „So etwas hätten wir hier nie erwartet!“ sind an der Tagesordnung. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil nebst der überzeugenden Architektur und der passionierten Gastfreundschaft auch Kunst und Kultur auf dem Areal eine Heimat gefunden haben. So gibt es in den Räumlichkeiten, aber auch im ganzen Außenraum zahlreiche Werke namhafter Künstler zu entdecken. Apropos Kunst: Ein besonderer Tipp für die Gäste des „Lofthotels“ ist in diesem Sommer die internationale 7. Triennale der Skulptur, die „Bad RagARTz“, die sich von Murg aus in weniger als 20 Minuten erreichen lässt und für Kunstliebhaber ab Mai 2018 ein wohl einzigartiges Erlebnis bietet. Auch wer Ruhe und Erholung sucht, kommt in Murg auf seine Kosten: Das Dorf, eingebettet zwischen See und ­B ergen sowie mit dem wunderbaren Murgtal im Rücken, wird gerne als Kraftort bezeichnet. Von hier aus lassen sich schöne Wanderungen unternehmen – in die Berge oder ins gegenüberliegende und autofreie Quinten. Auf dem Areal steht außerdem ein kleiner, aber feiner Wellness-/Fitnessbereich zur Verfügung wie überhaupt die ganze Region unzählige Möglichkeiten für Sommer- und Wintersport bietet.

Die „Turmsuite“


54 Kunstspinnereien am Walensee

seekultour.ch Noch bis vor wenigen Jahren summten und brummten in der alten Spinnerei in Murg am schweizerischen Walensee im Kanton St. Gallen munter die Maschinen. Nach der Schließung der Textilfabrik im Jahre 1996 und einer intensiven Phase der Umstrukturierung durch die traditionsreiche Besitzerfamilie herrscht in dem faszinierenden baulichen ­E nsemble nun wieder reges Treiben: Nebst Gastronomie, ­Hotellerie und spannungsvollen Wohnsituationen hat die Kultur Einzug in die großzügigen Räumlichkeiten und die ­labyrinthartigen Gänge gehalten. Unter der Ägide des Kurators und Publizisten Andrin Schütz organisiert der Verein „seekultour.ch“ seit rund vier Jahren regelmäßig Ausstellungen, Konzerte und Klangwanderungen in den mächtigen alten Mauern der einstigen Spinnerei. „Die Ausstellungs­ situation ist hier eine ebenso außergewöhnliche wie auch faszinierende“, berichtet Schütz. So sei es eine besondere ­Herausforderung, aber auch eine spannungsvolle Aufgabe mit den baulichen und organisatorischen Grundlagen sowie mit den künstlerischen Ansprüchen zu arbeiten. Kunst, Gebäude und historische Gegebenheiten müssen zu einem respektvoll

arrangierten Ganzen verschmelzen, so Schütz weiter. Rund 150 Werke verschiedener Künstler sind permanent in Murg zu sehen, wobei immer eine groß angelegte Einzelausstellung den Kern der Kunstinstallationen in den Innen- und Außenbereichen der Spinnerei bildet.

K U RT OSK A R W E BE R : DA S W E R K E I N E S R A S T L O S E N K Ü N S T L E R S F I N D E T E I N E H E I M AT I N D E R A LT E N S P I N N E R E I

Bis Ende Anfang September stehen die großzügige Galerie und die angrenzenden Räumlichkeiten ganz im Zeichen der Werke des bekannten, 2011 in Basel verstorbenen Malers Kurt Oskar Weber, dessen gesamter Nachlass sich dauerhaft in Murg befindet. 1938 in Zürich geboren, besuchte Weber von 1955 bis 1958 ebenda die Kunstgewerbeschule, die damals ganz unter dem Einfluss der Konkreten stand. Danach ging er nach Paris, wo er sich an der Académie von André Lhôte in Montparnasse weiter ausbilden ließ. Oft reiste Weber zu jener Zeit nach Italien, wo er die Fresken der italienischen Meister studierte. In der Folge begab er sich an Oskar Kokoschkas „Schule des Sehens“ in Salzburg. Kokoschka brachte ihm den spontanen und gestischen Pinselstrich nahe. Zurück in Paris

Ausstellungsdetail, alte Spinnerei in Murg

Alle Fotos: © seekultour.ch


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links: Kurt Oskar Weber, aufgenommen in den 1980er-Jahren im Atelier

rechts: Kurt Oskar Weber, „Time Square“, 2004, Öl auf Papier, 160 cm x 120 cm

bewegte er sich im Umfeld der Existenzialisten und pflegte unter anderem Austausch mit Jean-Paul Sartre. Auch Alberto Giacometti gehörte zu Webers Freundeskreis. Dieser riet dem jungen Künstler auch dazu, seine künstlerische Unabhängigkeit kompromisslos beizubehalten. 1964 begab sich Weber in die USA, wo sich eine neue internationale Avantgarde gerade zu etablieren begann. Weber unternahm zahlreiche Reisen nach Mexiko und Guatemala, um sich schließlich im kalifornischen San Francisco dauerhaft niederzulassen. Bis zu seinem Tod 2011 besuchte Kurt Oskar Weber, der inzwischen die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, die Schweiz nur noch selten, blieb aber seinem Heimatland stets verbunden.

GNA DE N LOSE R S T R ICH

Das Werk Kurt Oskar Webers nimmt in der Schweizer Kunstlandschaft des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts eine nahezu einzigartige Position ein. Die Werke aus Webers erster Lebenshälfte sind geprägt vom Paris der späten 1950er- und frühen 1960er-Jahre. Das künstlerisch-intellektuelle Umfeld beflügelte seinerzeit den jungen Schweizer und auch die Ausbildung beim großen Expressionisten Oskar Kokoschka hinterließ ihre Spuren. Weber unternahm wiederholt ausgedehnte Reisen durch Europa, aber auch in die USA, Mexiko und Guatemala. Die in beeindruckender zeichnerischer und malerischer Meisterschaft gefassten Gemälde und Zeichnungen jener Jahre zeigen die Motivik des Menschlichen in all ihren Facetten. Webers gnadenlos authentischer Strich schreckte vor Kriegsszenarien, dessen Zeuge er in Guatemala geworden war, ebenso wenig zurück wie vor individuellen Extremsituationen im großstädtischen Umfeld. Gewalt, Tod, Angst, aber auch Liebe prägen bis in die 1980er-Jahre hinein Webers Bildwelt. Bereits in frühen Schaffensphasen zeigt sich des Künstlers kraftvoller, zuweilen rücksichtsloser und zugleich akademischer Strich, der sich in seinem späteren Werk

zunehmend intensiviert. Schon 1964 war Weber definitiv in die USA emigriert und wendete sich dem abstrakten Expressionismus zu. Verblieb er in der Kompositionsweise sichtbar in der formalen europäischen Stringenz beheimatet, zeigt sich im vehementen, raumgreifenden Gestus sowie in der Rücksichtslosigkeit des wuchtigen Farbauftrages alsbald die Größe der US-amerikanischen Landschaft. Auch die Weite des nahen Pazifik sowie das intensive Licht und die überwältigende Farbenpracht Südamerikas werden verstärkt zu Themen seiner Bilder. In diesem Zuge entstehen wirkmächtige Color-Field-Arbeiten, welche in ihrer Farbigkeit und ihrer Vehemenz in der schweizerischen Kunstlandschaft bis heute ihresgleichen suchen. Die Ausstellung in Murg widmet sich dem Gesamtwerk des Künst lers und eröffnet ein faszinierendes Panoptikum von Figuration und Abstraktion im Werk Kurt Oskar Webers. ANDRIN SCHÜTZ

Bis 2 . September 2018 R e t ro s p e k t i v e K u r t O s k a r We b e r Alte Spinne re i, Murg w w w . s e e k u l t o u r. c h w w w . k u r t o s k a r w e b e r. c h

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U N D W I R K M ÄC H T I G E V E H E M E N Z


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57 Das größte Freiluf tmuseum Europas öf fnet im M ai

BadRagARTz 2018 Am r uhige n R he in und in unmit telbare r ­N achbarschaf t zu sanf t an ste ige nde n ­R ebbe rge n gelege n, da be f inde t sich die kle ine abe r fe ine St . Galle r G e me inde B ad R aga z . Noch he ute ze uge n viele architek toni sche Trouvaille n au s de r Epoche des Fin de Siècle sowie die au sgedehnte n romant i sche n Park­a nlage n von de r g roße n Tradit ion des Kurbe t r iebes vor de n Tore n

Gabriel Mazenauer und Markus Graf: z wei von 77 Künstlern, eingeladen zur 7. Schweizerischen Triennale der Skulptur 2018 in Bad Ragaz und Vaduz, Foto: BALZ KUBLI

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Graubünde n s.


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G E M ÄC H L I C H E S O N D E R L I N G E

Wer nun dieser Tage durch die Straßen und Parks von Bad ­R agaz schlendert, trifft allerdings auf unerwartete Sonderlinge: Mannsgroße gelbe Schnecken scheinen sich allenthalben breitgemacht zu haben. Treiben sich die einen gemächlich in den Gassen herum, streben andere auf dem Dorfplatz senkrecht nach oben. So verwunderlich dies auf den ersten Blick auch sein mag, so klar wird das Ziel der Schneckenwanderung gen Himmel beim zweiten Hinsehen. Dort oben, mitten auf dem Dorfplatz nämlich, zählt eine Uhr den Countdown bis zum Start der internationalen 7. Triennale der Skulptur am 5. Mai dieses Jahres.

James Licini, Teilnehmer der 7. Schweizerischen Triennale der Skulptur 2018, Foto: © Bad Ragartz

„ G R O S S A R T I G E S “ U N D M O N U M E N TA L E S B E I D E R 7. T R I E N N A L E D E R S K U L P T U R

Rund 70 Künstler, Bildhauer und Skulpteure aus aller Welt werden sich für den Großanlass mit ihren Werken in Bad ­R agaz versammeln, um gemeinsam ein internationales Fest der Skulptur zu feiern. Gemahnen die gelben Freunde zum Innehalten und zum konzentrierten Verweilen im Kunst­ genuss, laufen hinter den Kulissen die Vorbereitungen für die „Bad RagARTz“ auf Hochtouren: Denn erfahrungsgemäß ­f inden sich in den Sommermonaten während der Triennale rund 500.000 Besucher in Bad Ragaz ein, um internationales Kunstschaffen 1:1 und in ungezwungener und freier Atmosphäre zu erleben. Sage und schreibe 2.500 Tonnen Material müssen bis zur Eröffnung noch transportiert werden, auch kompetente Führungen für Erwachsene und kreative Workshops für Tausende von Kindern wollen organisiert sein. Selbst Besuche in zahlreichen Künstlerateliers in ganz Europa stehen noch an. Denn in diesen wird im Hinblick auf den Großanlass ebenso noch eifrig gehämmert, gegossen und konzipiert. Schließlich bietet die „BadRagARTz“ nicht nur Raum für „grossARTige“ Kunst, sondern auch Platz für nahezu monumentale Werke.


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Freuen darf man sich also auch in diesem Jahr mit den ­Hohmeisters und vielen anderen auf den 5. Mai, wenn auf dem Dorfplatz in Bad Ragaz die 7. Internationale Triennale der Skulptur eröffnet wird: Bis zum 4. November 2018 bietet sich dann die Gelegenheit durch die Straßen und Parks von Bad Ragaz zu wandeln und facettenreiche Kunst hautnah zu ­erleben. Sei es bei einem sinnlichen Vollmondspaziergang, bei einer literarischen Tour oder in einem spannenden Workshop. Aber auch der Blick über den beschaulichen Ort hinaus lohnt sich: In der faszinierenden Architektur des alten Bades in ­P fäfers unweit von Bad Ragaz eröffnet sich dem Betrachter die spannungsvolle Welt der Kleinskulptur. Und im liechten­ steinischen Vaduz gibt es ebenfalls „grossARTige“ Kunst zu sehen. Einen besonderen Leckerbissen für die Ohren wiederum bietet die Aufführung der Bad Ragazer „Cantate“ am 18. August 2018 im Rahmen der Verleihung des ersten Schweizer Skulpturenpreises. Auch schön an dem Ganzen: Trotz des großen Erfolges bleibt der Eintritt in die Triennale für Jung und Alt frei. ANDRIN SCHÜTZ

Martina Lauinger, „Chromosom 323-9“,

E rö f f n u n g s f e s t : 5 . M a i 2 0 1 8 , 1 6 U h r,

Teilnehmerin der 7. Schweizerischen Triennale

Dor f platz Bad R aga z

der Skulptur 2018, Foto: © Martina Lauinger

E rö f f n u n g F e s t i v a l d e r K l e i n s k u l p t u r : 6 . M a i 2 0 1 8 , 1 1 U h r, altes Bad Pfäfers E rö f f n u n g Va d u z : 6 . M a i 2 0 1 8 , 1 7 U h r w w w . b a d ra g a r t z . c h Hotels und Unterk ünf te auf www. heidiland. com

Angesichts dieser Zahlen und Fakten müsste man meinen, die gemächliche Gangart der gelben Botschafter der Triennale sei zurzeit ein vordergründiges Phänomen. Aber weit gefehlt. Die Initiatoren und Organisatoren der „Bad RagARTz“, das Ehepaar Esther und Rolf Hohmeister strahlen Ruhe und Fröhlichkeit aus, als wir sie in ihrer kleinen Küche in Bad ­R agaz treffen. Seit mehr als 20 Jahren fungieren der kunstliebende Rheumatologe und seine Gattin nun als unermüdlich treibende Kräfte hinter der Triennale. „Für uns“, berichtet Rolf Hohmeister, „ist die ‚BadRagARTz‘ jedes Mal ein groß­ artiges Ereignis. Ja sogar ein Geschenk.“ Natürlich, so Esther Hohmeister weiter, seien sie in der Vorbereitungsphase viel unterwegs. Dies aber sei zugleich eine Freude und eine Ehre: „Denn wer hat schon die Gelegenheit, den Staub der Ateliers in aller Welt 1: 1 zu atmen und bei der Entstehung großer ­Werke von Anfang an dabei zu sein?“ Es gibt auch Herausforderungen: „Einmal mussten wir wegen eines Transportes sogar den San-Bernardino-Tunnel sperren lassen“, lacht Rolf Hohmeister verschmitzt. „Aber wenn es sein muss, dann geht selbst das. Denn auch Freunde aus der Politik teilen unsere Freude an der Kunst.“ Esther und Rolf Hohmeister, die Initiatoren und Organisatoren der „Bad RagARTz“, Foto: © Bad Ragartz

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HE K T IK? N E I N: F R EU DE!


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Aargauer Kunsthaus, Aarau, Aussenansicht, Ausschnitt, Foto: Georg Aerni, Zürich

Das Aargauer Kunsthaus

Lob des Satteldachs Wer von Basel nach Zürich unterwegs ist, sollte auf halber Strecke im Aargauer Kunsthaus vorbeischauen, das zu den führenden Schweizer Museen für moderne und Gegenwartskunst gehört. Dies nicht nur wegen seiner exquisiten Sammlung, deren Geschichte bis auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgeht: beginnend mit Johann Heinrich Füssli und Ferdinand Hodler, Cuno Amiet und Giovanni Giacometti, schuf sich das Haus seit den 1970er Jahren zunehmend einen Rang mit dem Sammeln vergessener oder weniger bekannter Künstlerinnen und Künstler von höchster Qualität. Unter der ­L eitung von Madeleine Schuppli öffnet sich das Haus seit einigen Jahren ­verstärkt internationaler Gegenwartskunst und bleibt seinem Ruf treu, ein Museum für Entdeckungen zu sein. Wer hätte gedacht, dass das Aargauer Kunsthaus eines Tages in die Annalen der Berliner Stadtplanung eingehen würde? Als Jacques H ­ erzog und Pierre de Meuron Ende letzten Jahres ihren Entwurf für ein Museum der Moderne auf dem Berliner Kulturforum gegen wahre Hundertschaften von wütenden Kritikern verteidigen mussten, da verwiesen sie nicht zuletzt auf ihren Erweiterungsbau für das Aarauer Museum. Den Hauptzorn für den Berliner Entwurf zieht nämlich das dort geplante Satteldach auf sich, dem manche k ­ ategorisch die E ­ ignung für ein modernes Museumsgebäude ­ab­sprechen und es daher wahlweise als „Scheunen-“ oder „Diskounter-Architektur“ bespötteln. Herzog/de Meuron kontern mit Aufnahmen von Museen aus der jüngeren Vergangenheit in aller Welt – darunter auch die Erweiterung für das Kunsthaus Aargau, die 2003 nach ihren Entwürfen gebaut wurde und auf ihrem wuchtigen kubischen Mittelgeschoss einwandfrei ­erkennbar ein Satteldach aus Glas trägt. Trotzdem ist das Gebäude bislang keineswegs als Diskounter wahrgenommen worden.


61 Doch Aarau ist nicht Berlin, und das ist ein Glück, denn das Profil des Aargauer Kunsthauses hat sich gerade hier in seiner ­u nverwechselbaren Art entwickeln können. Die derzeitige Sonderausstellung „Blinde Passagiere“, die zusammen mit dem Autor und Kunstsammler Peter Suter konzipiert wurde, demonstriert das in der wechselseitigen Ergänzung von Museums-und Privatsammlung sehr eindrücklich. Bilder, die man selten zu sehen bekommt und die sich dem Klischee der Moderne widersetzen, sollen den Kanon der „­ einseitigen selektiven Kunstpf lege“ (so der Ausstellungstext) hinter­f ragen. Von Oskar Tröndle (1883-1945) ist ein fast schon abstraktes „Acker“-Gemälde von 1910 zu sehen, das nahezu monochrome Farbflächen zu einfachsten Landschafts­a nsichten verbindet. Im Grunde verweist es mit seiner eigentümlichen Reduktion bereits auf die F ­ arbfeldmalerei v ­ oraus. „Auf dem Schulplatz“, 1935 von Alfred Schuhmacher (1883 - ?) gemalt, gehört wiederum zu den Höhepunkten der f­ igurativen Malerei in dieser Ausstellung, ein ebenso stilisiertes wie wunderbar rhythmisiertes Figurenensemble, das die neusachliche Malerei zu einem Tanz aus Formen und Farben werden lässt. Das Aargauer Kunsthaus verteidigt somit weiterhin seinen Ruf als ein ­Museum der Entdeckungen und der ganz eigenen Wege durch die jüngere Kunstgeschichte. CARSTEN PROBST

Alfred Schuhmacher, „Auf dem Schulplatz“, um 1935, Öl auf Leinwand, 60 x 60 cm,

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Sammlung Peter Suter, Basel, Foto: ullmann.photography


Die Fondation Beyeler wird er weiter t und zeigt Georg Baselitz

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„Zumthors Dorf“

Die Fondation Beyeler, das beliebteste Kunstmuseum der Schweiz, wird schon bald durch drei kleine Erweiterungs­ bauten von Peter Zumthor ergänzt. Zuvor jedoch erweist man in einer gemeinsam mit dem Kunstmuseum Basel organi­ sierten Retrospektive Georg Baselitz zum 80. Geburtstag die Referenz. Die Schau gerät unversehens zum Kräftemessen zwischen Renzo Pianos geschmeidiger Museumsarchitektur aus den 1990er Jahren und Baselitz’ aggressiv-präpotentem Malergestus – und offenbart damit zugleich, dass der Erweiterungsbau mehr sein muss als nur eine räumliche Ergänzung .

„Zumthors Dorf “ titelte eine Bauzeitschrift, als die Fondation Beyeler im vergangenen Jahr die Entwürfe für drei vergleichsweise kleine, solitäre Bauten vorstellte, die das Stammhaus von Renzo Piano aus dem Jahr 1997 in naher ­Zukunft er­ weitern sollen. Denn das geplante neue Ausstellungshaus, ein Pavillon und ein Café nähern sich den Plänen zufolge respektvoll und durchaus harmonisch dem alten Baumbestand des Iselin-Weber-Parks und zugleich den Proportionen des ­Dorfes Riehen an, dem einstigen Wohnsitz Ernst Beyelers. Eine symbolische Geste in schweizerischer Bescheidenheit, verzichtet man doch auf Bilbao-Effekte und bindet dieses weltweit anerkannte Haus stattdessen an die dörf lichen ­Ursprünge seiner Entstehung an.


63 Das Er weiterungsprojekt der Fondation Beyeler von Atelier Peter Zumthor, Haus für Kunst und Pavillon (rechts), Sicht aus dem Berower Park, Courtesy: Atelier Peter Zumthor & Partner

Doch Zumthors Entwurf ist weit mehr als eine Erweiterung. Der lichten, mitunter idyllischen Weitläufigkeit, die Renzo Piano 1997 seinem Beyeler-Museumsbau mit Panoramablicken auf Kornfelder, weidende Kühe und die Ausläufer des Schwarzwaldes verliehen hat, setzt Zumthor nun bewusst eine ganz andere Interpretation von Landschafts- und Raumbezug entgegen. Die Bunker-Ästhetik seiner drei Solitäre propagiert nicht breit gefensterte Weitläufigkeit, sondern in ihrem Inneren Konzentration und Konfrontation: Im neuen Ausstellungshaus wird man der Kunst schwerlich durch zerstreute Blicke in die Natur ausweichen können. Dass der Natur-Kunst-Tempel von Renzo Piano für Monets „Seerosen“ zwar kongenial funktionieren mag, aber ansonsten eine ästhetisch eher roh formulierte Ergänzung durchaus dringend benötigt, unterstreicht eindrucksvoll die Geburtstagsschau für Georg Baselitz. Baselitz ist zwar alles andere als ein radikaler Künstler, seine Formate sind gewissermaßen museal geeicht und verstehen sich in diesem Sinn auch als konventionell. Doch sein viril-präpotenter Maler­ gestus, sein oft bekundetes Einzelgängertum, das gern die gespielte, ironische Provokation sucht, und auch sein ­G eltungsbedürfnis verleihen seiner künstlerischen Per­ formance einen aggressiven Ton, der zu Baselitz’ Werk mittlerweile so selbstverständlich dazugehört wie das ­K lischee der Über-Kopf-Bilder. Mit über 90 Arbeiten wird

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­ aselitz‘ malerisches und teils auch skulpturales Werk über B nahezu seine gesamte Entwicklung gezeigt. Es ist eine ­Ab­folge von teils wohlbekannten Gemälden wie der „Großen Nacht im Eimer“, frühen und jüngsten Skulpturen, einigen „Helden“-Bildern, Beispielen aus der „Remix“-Serie bis hin zu im vergangenen Jahr entstandenen Arbeiten über die ­S terblichkeit – und gerade die Motive aus den 1960er- bis 1980er-Jahren formulieren in all ihrer tafelbildhaften Konventionalität den Anspruch, den Betrachterblick zu irritieren. Ein Ausstellungshaus kann mit seinen Räumen nun die eine oder die andere Anlage der Bilder unterstützen, die aggressive, ­l aute, oder die konventionelle, beruhigte. Der Piano-Bau, trotz aller Bemühung, möglichst allein das Werk sprechen zu lassen, betont unnachgiebig das Letztere. Das Licht der Mu­ seumsräume mit dem sanften Abglanz des Naturlichtes von außen überzieht Baselitz’ Malerei mit dem Schimmer des ­E dlen und Altmeisterlichen, der ihr die Direktheit nimmt. Die Energie der Bilder der 1960er- bis 1980er-Jahre, jede von außen kommende Vereinnahmung künstlerischer Gesten ­g eradezu polternd zurückzuweisen, verf lüchtigt sich zu ­e inem Dienst am Erhabenen, zur Kirchenmalerei, der es ­i hrerseits schwer gemacht wird, sich gegen den Overload ­einer Verklärung ins Sprichwörtliche zu behaupten.

Baselitz hatte einst bei einer monumentalen Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen gerade die Befürchtung von einem W ­ eg­g elobt-Werden ins 20. Jahrhundert als einen Grund an­gegeben, frühere Motive mit seiner „Remix“-Serie neu zu interpretieren, so dass er auch als Maler für 21. Jahrhundert wahrgenommen würde. Von dieser Aktualität ist hier nichts zu spüren. Dass sich seine jüngste Serie in dieser Ausstellung mit dem Tod beschäftigt, rundet den Eindruck der sanft-­sakralen Transzendenz, mit der dieses Werk als Ganzes nun in die Zeit eingehen soll. Standesgemäß ließ sich der Maler denn auch vor der Eröffnung der Ausstellung in der Presse mit ­einem Lob auf Donald Trump zitieren. Die meist studienhafte, intime Qualität seiner Papierarbeiten, die zeitgleich im Kunstmuseum Basel zu sehen sind, zeigen Baselitz von einer anderen Seite, als nervös-konzentrierten Arbeiter, der in der Lage ist, Motive gleichsam mit einer einzigen Handbewegung schlüssig zu erfassen. Hier ist die Leichthändigkeit, die intime Unangestrengtheit und Spon­ taneität erahnbar, deren Wirkung freizulegen man sich von einem Museum nur wünschen kann, denn sie erzeugt selbst bei einfachsten Motiven Ansprache und Interesse. Womöglich wäre das dem Zumthor-Bau ja gelungen – wenn es ihn denn schon gäbe. CARSTEN PROBST

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Georg Baselitz in der Fondation Beyeler, 2018, Foto: Matthias Willi


66 Bernhard Bischof f und M ar tina Roth zur Debat te

Schweizer Kunstmarkt Weil Deutschland als einer der größten Umschlagplätze für ­i llegal gehandelte Kulturgüter gilt, wurde 2016 das Kultur­ gutschutzgesetz verabschiedet – gegen den fortgesetzten Widerstand einer großen Mehrheit von Kunsthändlern, die sich damit pauschal unter dem Verdacht dunkler Machenschaften fühlt, aber auch gegen den Protest von Sammlern und prominenten Künstlern wie Gerhard Richter und Georg Baselitz. In der Schweiz gibt es ein entsprechendes Gesetz ­b ereits seit 2005 . Inter­n ational wird es als vorbildlich ­a n­gesehen, aber die Diskussionen um ­illegale Praktiken und Transparenz auf dem Kunstmarkt dauern auch hier an. Mit ­i hren großen Zollfreilagern ­dulde die Schweiz einen Zustand permanenter Intrans­p arenz, der internationalen Kunsthändlern und ihren reichen Kunden systematisch ­G eldwäsche und Steuer­h interziehung ermögliche, sagen Kunstmarkt­k ritiker wie Monika Roth, Rechtsanwältin und P rofessorin an der Wirtschaftshochschule in Luzern,

Bernhard Bischoff, Geschäftsführer Auktionshaus Galerie Kornfeld, Bern, Foto: privat

­spezialisiert auf F ­ inanzmarktrecht, Corporate Governance und Com­pliance-Regelungen in der internationalen Wirtschaft. Bernhard Bischoff vom Auktionshaus Galerie Kornfeld in Bern und im Vorstand des Verbandes Kunstmarkt Schweiz hat dazu eine eindeutige Meinung. CARSTEN PROBST

BE R N H A R D BISCHOF F

Kriminelle Aktivitäten auf dem Kunstmarkt kann ich ­natürlich nicht ausschließen, wie in jeder anderen ­Branche übrigens auch nicht. Aber in vermeintlichen Skandalberichten wird oft ein verzerrtes oder falsches Bild des Kunstmarktes gezeichnet. Circa 50 % aller Werke auf der Welt werden unter USD 1.000 gehandelt. Der Markt für sehr teure Werke hingegen, bei denen sich die Beträge ja auch erst für kriminelle Geschäfte wie Geld­w äsche lohnen würden, ist sehr klein. Man spricht von weniger als 1 % Marktanteil von Werken, die über USD 300.000 kosten. Ein „Problem“ für das Image des Kunstmarktes ist sicherlich, dass Diskretion sehr hochgeschätzt wird. Darin wird von vielen großes Potenzial für kriminelle Aktivitäten gesehen. Aber viele verstehen nicht, dass ein Mensch, der ein Kunstwerk für eine Million erwirbt und bei sich zu Hause aufhängt, dies aus reinem Sicherheitsbedürfnis diskret behandelt wissen möchte. Ebenso will ein privater Verkäufer eines solchen Werkes nicht namentlich im Katalog erscheinen, sodass jeder weiß: Der hat jetzt neu eine Million auf dem Konto, da lässt sich etwas holen. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass solche Transaktionen auch den Steuerbehörden verschwiegen werden! Praktisch alle unserer Kunden stehen in engem und direktem Kontakt mit den Steuerbehörden und wünschen eine korrekte Abwicklung der Geschäfte. Die Frage bei den berühmten Zollfreilagern ist ja auch nicht so sehr, ob dort eventuell illegale Waren lagern könnten oder Geld­ wäsche betrieben wird. Die Gesetzeslage dazu ist glasklar: Alle Waren in Schweizer Zollfreilagern unterliegen den Schweizer Gesetzen und müssen gegenüber dem Staat ­deklariert werden. Die Frage ist eher: Hat der Staat genügend Mittel/Personal, um allenfalls zu kontrollieren, ob auch wirklich das offiziell Deklarierte dort einlagert? Der Druck vor allem aus der EU, wo übrigens Zollfreilager fast wie Pilze aus dem Boden s­ prießen, geht einzig in die R ­ ichtung, dass die


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MON IK A RO T H

Die Probleme im Kunstbereich bilden eigentlich keine typisch schweizerische Angelegenheit. Für die Schweiz wiederum typisch ist die Frage des Umgangs mit den Zollfreilagern. Bei den Themen Sorgfaltspflichten und Geldwäsche gab es schon x-mal die Feststellung, dass Regulierungsbedarf besteht. Die Kunstmarktlobby ist allerdings sehr stark. Die maßgeblichen Akteure in der Schweiz, etwa die Messe Basel, also das Unternehmen, das hinter der Kunstmesse Art Basel steht, können oder wollen nicht einmal eine Selbstregulierung formulieren, die diesen Namen überhaupt verdient. Denn die Folge würde sein, dass gewisse Geschäfte dann nicht mehr möglich wären. Kunsthändler, die bereits einen zweifelhaften Ruf haben oder schon wegen Geldwäschepraktiken vorbestraft sind, könnten dann nicht mehr teilnehmen. Die Schweiz ist mit ihrem Kulturgütertransfer­ gesetz sehr gut aufgestellt, was etwa den Handel mit Kunst aus Raubgrabungen oder die Finanzierung terroristischer Vereinigungen betrifft. Aber jedes Gesetz ist nur so viel wert wie seine Umsetzung. Das spielt dann gerade bei den Zollfreilagern eine große Rolle. Beim Zoll fehlt es an Fachpersonen, die beispielsweise den Wert von Kunst- oder Kunstgewerbeobjekten sicher beurteilen können. Wenn ein Sammler zum Beispiel Briefkastenfirmen benutzt und diese wiederum in irgendeiner anderen Firma „versteckt“ sind, dann endet die Kontrolle sehr schnell. Im aktuellen Fall des Schweizer Milliardärs Schwarzenbach, der verdächtigt wird, keine Steuern

Monika Roth, Rechtsanwältin und Professorin an der Wirtschaftshochschule in Luzern, Foto: privat

auf seine teuren Kunstwerke bezahlt zu haben, lautet das ­ egenargument, er habe aus Sicherheitsgründen nur Kopien G oder geringwertige Bilder in die Schweiz eingeführt. Wenn der Zoll nicht genügend Experten hat, die solche Fragen ­zuverlässig beurteilen können, bleiben Fälle wie dieser ungeklärt und verjähren irgendwann. Damit möchte ich nicht sagen, dass die Nutzung von Zollfreilagern generell illegal wäre: Es gibt ein legitimes ­Sicherheitsbedürfnis, und Zollfreilager sind sicher. Aber wie man durch die Enthüllung der „Panama Papers“ gesehen hat, werden über Briefkastenfirmen ganze Kunstsammlungen in Zollfreilagern auf bewahrt mit dem einzigen Zweck, zu verschleiern, wem was wirklich gehört. Das deutsche Kulturgutschutzgesetz setzt mir hier die falschen Akzente. Was kann das Interesse eines Staates sein, den Handel mit Kunst, gerade auch mit zeitgenös­ sischer Kunst, national zu beschränken? Da frage ich mich, was das in der ­g lobalisierten Welt von heute für einen zentralen Wert haben soll. Weniger der Gesetzgeber ist bei diesen Themen gefragt, als global wichtige Akteure des Kunstmarktes. Wenn sie all denen, die sich nicht an grundlegende Regeln halten wollen, den Zutritt zum Markt, vor allem zu den Kunstmessen und Auktionen, verweigerten, würde sich etwas bewegen! Auch Fälle wie zum Beispiel Preisabsprachen, die auf den Finanzmärkten schon lange nicht mehr zulässig sind, lässt die Kunstmarktlobby bislang an sich abperlen. Da frage ich mich, wann das Maß voll ist – denn was wir hier für den Kunstmarkt diskutieren, das dürfte für die Banken gar kein Thema mehr sein, die würden es sofort mit der Bankenaufsicht zu tun bekommen.

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Staaten genau wissen wollen, welche Vermögenswerte ihre Bürger wo e­ inlagern. Zollfreilager sind schlicht perfekt ­aus­g erüstete und gesicherte Warenlager, in denen Zoll­ abgaben bis zum definitiven Export aufgeschoben werden. Was mich an der ganzen Debatte stört, ist, dass sie so ideo­ logisch gefärbt daherkommt, mit einer Haltung, die sich generell gegen alles richtet, was mit Eigentum zu tun hat. Das deutsche Kultur­g ut­s chutzgesetz ist ebenso aus einer klar ­politisch gefärbten Haltung heraus formuliert worden. Menschen, denen e­ twas „gehört“, werden faktisch von vornherein kriminalisiert. ­Besonders stoßend ist, dass mit fadenschei­ nigen Argumenten behauptet wird, gewisse Werke seien nationales Kulturgut. Die Schweiz hat eines der strengsten Kulturgutschutzgesetze der Welt (Kulturgütertransfer­ gesetz), das von uns Kunsthändlern verlangt, dass wir alle Verkaufsdokumente für 30 Jahre auf bewahren. Auch gegen Geldwäsche haben wir klare gesetzliche Vorgaben, etwa eine verbindliche Bargeld­r egelung. Zudem sind wir nach dem ­Gesetz verpflichtet, verdächtige Transaktionen unvermittelt zu melden. Obwohl es bis heute in der Schweiz keinen ­a ktenkundig nachge­w iesenen Fall von Geldwäsche im ­Kunsthandel gibt, wird die ganze Branche dauernd „vorkriminalisiert“. Es mag sein, dass in Grauzonen in Einzelfällen Gesetze überstrapaziert werden, wie das in jeder Branche im ganzen Wirtschaftskreislauf auch geschieht. Aber deswegen dauernd die ganze, streng reg­lementierte Branche in Verruf zu bringen, dagegen wehren wir uns!


schatulle von cartier, paris, circa 1927 | aga-khan-sammlung | gestaltung: L2M3.com

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19 1.

Tony Cragg, Untitled, 2015, Sammlung Alexander Tutsek-Stiftung © VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Foto: Michael Richter

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ost trifft west exquisite kostbarke des art deco it 05.05 .1 bi s 0 6 .0

Ausstellung // 26.01. – 29.06.2018

Arbeiten in Gl as

Tony Cragg // Mona Hatoum // Ki-Ra Kim // Raimund Kummer // Alejandra Seeber // Kiki Smith // Pae White Karl-Theodor-Straße 27 // München — Germany // Tel +49 (0)89 - 55 27 30 60 // www.atstiftung.de

die sammlung von prinz und prinzessin sadruddin aga khan


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Natur, Kultur – entdecken und genießen!

Region Biel-Seeland Ligerzer Kirche und St. Petersinsel, Foto: © Biel Seeland

Oliver von Allmen, Direktor von Tourismus Biel Seeland, Foto: © Biel Seeland

Jahr wird das neue Omega Museum eröffnet, darauf freuen wir uns sehr. Aber schon heute kann das „alte“ Museum besucht werden, der Eintritt ist frei und ein Audioguide erzählt spannende Geschichten zu Uhren aus allen Epochen. ARTMAPP: Im Zusammenhang mit Biel/Bienne und dem Seeland fallen immer wieder bekannte Künstlernamen?

ARTMAPP: Herr von Allmen, was empfehlen Sie kulturell interessierten Besucherinnen und ­Besuchern, die die Stadt Biel/Bienne und das ­Seeland noch nicht kennen? Oliver von Allmen: Beginnen wir mit der Stadt Biel/Bienne. Die Leserinnen und Leser fragen sich vielleicht, was es mit diesem Doppelnamen auf sich hat. Das ist auch ein Teil un­ serer Kultur, denn die Stadt Biel/Bienne ist die größte zweisprachige Stadt der Schweiz. Es wird sowohl Französisch als auch Deutsch gesprochen. Man erlebt das französische Flair und kann sich problemlos auf Deutsch unterhalten – oder umgekehrt. Ein Besuch der historischen Altstadt ist ein Muss. Die romantischen Gassen und Plätze laden zum Flanieren und Genießen ein. Nebst den beiden in dieser ARTMAPP-Aus­ gabe dokumentierten Museen, lohnt sich ein Besuch der Umgebung. Das Seeland mit dem romantischen Bielersee und seinen historischen Weindörfern am Nordufer ist die perfekte Ergänzung zur Stadt. Eine besondere kulturelle Institution ist die „Coupole“. Ein internationales Konzert- und Eventlokal, das aus der Zeit der alternativen Jugendbewegung stammt und heute noch erfolgreich existiert. Für mich ein Symbol der attraktiven Kontraste unserer Region. ARTMAPP: Ist die Region Biel und Seeland nicht auch für das Uhrenhandwerk bekannt? OvA: Richtig! Weltberühmte Uhrenmarken wie Rolex, Breitling oder Omega haben heute noch ihren Sitz in Biel. Dieses

ARTMAPP: Wie verbindet sich Kunst und ­Kulinarik in Ihrer Region? OvA: Das ist ein wichtiges Thema. Es gibt viele regionale Produkte und Spezialitäten, die zu unserer Region gehören. Es gibt zwar keine direkte – oder noch keine – Kombination Kunst und Kulinarik, die Restaurateure achten aber stark darauf, dass lokale Produkte eingesetzt werden. Das Seeland mit seinen großen Agrarflächen südlich des Bielersees gilt als „Gemüsegarten der Schweiz“. Mehr als ein Drittel des produzierten Gemüses der Schweiz wird hier angebaut. Dann spielt der Bielersee-Wein eine wichtige Rolle. Dieser kann hier direkt zu frischem Fisch aus dem See genossen werden. Im Winter ist die „Treberwurst“ eine Spezialität, die Gäste aus der ganzen Schweiz anzieht. In den Wein­ kellern wird eine spezielle Garwurst auf dem Trester, zu Schnaps gebrannten Trauben, gegart – ein einmaliger ­G enuss und ein Stück kulinarische Kultur unserer Region. ARTMAPP: Herr von Allmen – vielen Dank für das Gespräch! www. biel-seeland. ch

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Für Kulturreisende und Naturgenießer bietet die Region Biel-Seeland eine Vielzahl an Geheimtipps. Oliver von ­A llmen, Direktor von Biel-Seeland, stellt vor. Das Interview für ARTMAPP führte Alice Henkes.

OvA: Künstler und Philosophen sind hier aufgewachsen oder haben sich hier aufgehalten. Jean-Jacques Rousseau, der ­berühmte französische Philosoph, lebte eine Weile auf der St. Petersinsel mitten im Bielersee. Das romantische Klosterhotel ist nach wie vor eine erholsame Oase der Ruhe. Das Hotel- beziehungsweise Arbeitszimmer kann heute noch ­besichtigt werden. Auch der berühmte Schweizer Künstler Albert Anker ist im Seeland aufgewachsen und hat hier gelebt. Eine andere berühmte Persönlichkeit ist der Schriftsteller Friedrich ­D ürrenmatt. Viele Leute kennen zwar seine Romane und Theaterstücke, aber dass er auch ein engagierter und passionierter Maler war, ist kaum bekannt.


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u n t e r t c b @ d a r m s t a d t.d e u n d T   + 49   ( 0 )   6151   13   4 5   11

Zuschauerraum vor der

z u s t e l l e n. Fü r E r w a c h s e n e

linken Trompeterloge mit der

­k o s t e t d e r Ei n t r i t t 15 C H F,

unter Ludwig II. installierten

f ü r K i n d e r a b 6 J a h r e n 8 C H F.

elektrischen Beleuchtung, © Bayerische Schlösser ver waltung

w w w.c a mil l e b l o c h.c h w w w.mys w it z e r l a n d.c o m

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71 Dessau -­ Wörlit z

Fr ank fur t/M .

L o gier en im

und ­R e gion

Gar t enr eich

lit er aTurm 2018

Sie suchen nach ungewöhn ­ lichen Übernachtungsmöglich Anfang Juni veranstaltet die S t a d t Fr a n k f u r t d a s b i e n n a l e

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tungsräumen zeichnet sich

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S c h l ö s s e r n u n d Ku n s t ­

T h e r e s i a s L e b e n a l s Ka i s e r i n

s a m m l u n g e n z u Fu ß o d e r p e r

von Österreich wird ebenso

Die kleine Marktgemeinde

die Salz welten H ­ a l l s t a t t,

Fa h r r a d z u e r k u n d e n.

vorgestellt wie der Lebens -

Hallstat t liegt malerisch am

die R ­ ieseneishöhle sowie

Ei n b i s z w e i Pe r s o n e n ü b e r-

w e g v o n Ka r l M a r x ; m i t

Ufer des Hallstät ter Sees im

die A ­ u s s i c h t s p l a t t f o r m Fi v e -­

nachten in der Hauptsaison

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a u t o b i o g r a p h i s c h e n H i n t e r-

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i s t b u c h b a r v o m 28. A p r i l b i s 28. O k t o b e r 2018. w w w.h o t e l - h a l l s t a t t.c o m

literaTurm, Frankfurt, Foto: © Alexander Paul Englert

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — A P P E T I Z E R

ke i t e n? M i t t e n i n d e r N a t u r und doch voller kultureller


72 Hotel Hirschen Schwarzenberg, Bregenzer wald, Foto: Hotel Hirschen Schwarzenberg

S chwarzenRiehen/Basel

ber g

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Kunst hot el

Kombit icket I n m i t t e n d e s B r e g e n z e r w a l d, z wischen sanf ten Hügeln und

Karlsruhe Die Et rusker – Husum

Wel t kul t ur im

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i n 10. G e n e r a t i o n g e f ü h r t.

Hafenstadt auf den Spuren

Identität entstand aus der

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b e i ü b e r 50 M u s e e n, S e h e n s -

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C a r d, d a s g e m e i n s a m e T i c ke t

schloss und in Marbach das

für die Landesausstellung

S c h i l l e r- N a t i o n a l m u s e u m.

„ Ka r l M a r x 1818 -18 83 –

Er wachsene erhalten die

L e b e n, We r k , Z e i t “ i m

„ S t u t t C a r d“ i m h a n d l i c h e n

Blick über die Mulde auf die Zwickauer Innenstadt, © Helge Gerischer

Zw ickau Die St ad t. W int er t hur

Ein Kunst ­

Flanier en und

pr oduk t

pr o bier en D i e S t a d t Zw i c ka u w a r s c h o n immer Gegenstand künstleriKo m b i n i e r e n S i e I h r e n B e s u c h

s c h e r Re f l e x i o n, m e i s t i n Fo r m d e r k l a s s i s c h e n S t a d t b i l d -­

­R h e i n i s c h e n L a n d e s m u s e u m

in Winter thur mit einer kulina -

S c h e c k ka r t e n f o r m a t m i t u n d

und Stadtmuseum Simeonstif t

r i s c h e n „Ve r- Fü h r u n g“: Zw e i

D o k u m e n t a t i o n. I n d e r g e g e n -

o h n e Fa h r a u s w e i s d e s Ve r-

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S t a d t r u n d g ä n g e, d i e n i c h t

w a r t s b ez o g e n e n A u s s t e l l u n g zum Stadtjubiläum beschäf­

ke h r s - u n d Ta r i f v e r b u n d s

stellungen des Museums

J a h r e s z a h l e n i n d e n Vo r d e r-

S t u t t g a r t ( V VS ) a l s 24 -, 4 8 -

­K a r l - M a r x - H a u s u n d d e s

g r u n d s t e l l e n, s o n d e r n S i e

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Medien- und Mobilitätspartner

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Im „Werk zentrum Weststadt“: Die 1928 erbaute ehemalige Reit- und ­M aschinenhalle nach dem Umbau im Jahr 2000 durch das Stuttgarter Büro Bottega + Ehrhardt Architekten, Foto: Alexander Fischer


Das Stadtbild Ludwigsburgs ist wesentlich geprägt von der Umnutzung historischer Gebäude. Etliche Kasernen und andere Militärareale beherbergen ­heute Kultur- und Bildungsinstitutionen. Ein Beispiel für die gelungene Konversion von urbanem Raum ist das „Werkzentrum Weststadt“: Das ehemalige Industrieareal der Firma Eisfink wurde von einem Investor revitalisiert und weiterentwickelt. Die ­u nterschiedlichen Backsteingebäude wurden sub­stanzerhaltend saniert, der Geist von Produktion und Innovation blieb erhalten. Nutzer sind heute hauptsächlich Medienunternehmen und Betriebe der Gastronomie sowie des Einzelhandels. Neben dem Platz für kreative Unternehmen bietet das „Werkzentrum Weststadt“ mehrere architektonisch einzigartige Locations, die für Veranstaltungen jeglicher Art wie geschaffen sind. HANSJÖRG FRÖHLICH


78

„Innovation gehör t zum genetischen Code von Ludwigsburg“

Barockstadt und Cybercity rechts: Nordgarten Blühendes Barock, Foto: © Tourismus & Events Ludwigsburg unten: Ludwigsburgs Oberbürgermeister Werner Spec, Foto: © Pfisterer

Ludwigsburgs Stadterhebung sowie die Ernennung zur dritten württembergischen Residenz jährt sich zum 300. Mal. Gegründet unter Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg (1676–1733) wurde die Barockstadt nach dem Vorbild Ver­sailles’ Anfang des 18. Jahrhunderts auf dem Reißbrett entworfen. Das Residenzschloss, der weitläufige Schlosspark, der Marktplatz, das Lustschloss Favorite und etliche andere Bauwerke erinnern an diese kunstsinnigen und kulturträchtigen Anfänge. War es damals der italienische Stadtplaner und Baumeister Donato Giuseppe Frisoni, der die Anlagen und das Erscheinungsbild der Stadt prägte, so sind es heute die Bürger selbst, die gemeinsam mit Gemeinderat und Verwaltung die zukünftige Ausgestaltung ihrer Stadt formen.

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — L U D W I G S B U R G

Ludwigsburg steht heute für eine nachhaltige Stadtentwicklung, moderne Mobilitätskonzepte, eine umweltverträgliche Energieversorgung. Es weist ein leben­diges wie vielfältiges Kulturleben auf und ist ein bedeutender Medien­standort. Für ARTMAPP sprach Hansjörg Fröhlich mit Oberbürgermeister Werner Spec über Bürgerbeteiligung, k ­ reative Berufe und ­barocke Lebensfreude.

ARTMAPP: Das Motto des Jubiläums „300 Jahre Stadt werden!“ weist das Stadtsein als einen ­dynamischen Prozess aus. Wie sieht eine ­nachhaltige Stadtentwicklung mit starkem ­partizipativem Ansatz aus? Werner Spec: Die Aufgaben einer Stadt und ihrer Gesellschaft sind komplex und vielfältig – gerade in einer Zeit, in der sich die Welt immer schneller dreht. Wir haben uns in Ludwigsburg seit dem Jahr 2004 verstärkt auf den Weg gemacht, eine konsequent sach- und zukunftsorientierte Richtung ­ein­zuschlagen, die unsere Bürgerinnen und Bürger aktiv mitgestalten, aber auch Verantwortung übernehmen. Auf ­Basis von Analysen haben wir in den Ludwigsburger Zukunfts­ konferenzen gemeinsam mit repräsentativen Vertretern der Stadtgesellschaft und des Gemeinderats Ziele definiert, um eine nachhaltige Politik zu den Themen Ökonomie, Ökologie und Sozialem generationengerecht in die Praxis umzusetzen. Wenn man die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ­umfassend angeht, dann steht alles zur Diskussion, was mit kommunalen Aufgaben zu tun hat. In der Folge werden ­kommunalpolitische Schwerpunkte nicht Schritt für Schritt nacheinander, sondern synchron ange­g angen. Diese Gleichzeitigkeit ist eine große Herausforderung. Themenfelder wie Bildung und Betreuung, das Zu­ sammen­leben von Generationen und Nationen, Demografie, Wohnungspolitik, Energie und viele andere mehr werden ­parallel mit allem notwendigen Fach- und Expertenwissen aufgearbeitet. Anschließend werden in Workshops die Re­ sultate den Bürgervertreterinnen und -vertretern und den Gemeinderäten zur Verfügung gestellt. Durch dieses Ver­ fahren fällt es wesentlich leichter, Bezüge herzustellen und ganzheitliche Konzepte zu entwickeln. Neben einem eigens dafür eingerichteten Referat „Nachhaltige Stadtentwicklung“


haben wir die hoch­leistungsfähige Software „KSIS“ ent­ wickelt, mit der wir unsere Prozesse steuern und über die wir als transparente Verwaltung auch die Kommunalpolitik, ­Medien und Öffentlichkeit informieren. Für das besondere Konzept hat Ludwigsburg im Jahr 201 4 den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ bekommen. Durch diese partizipative Herangehensweise wird den Bürgerinnen und Bürgern ­deutlich, dass am Ende zwar der gewählte Gemeinderat ­entscheidet, dass die Vielzahl an Ideen und Impulsen aus der Bürgerschaft aber die konzeptionelle Arbeit der Verwaltung und des Gemeinderats bereichert. Dies motiviert die Bürgerschaft, sich weiterhin aktiv an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen und sich in vielen Bereichen zu engagieren, etwa bei Lesepatenschaften für Migrantenkinder, in Seniorenbegegnungsstätten oder in Stadtteilbibliotheken. ARTMAPP: Ludwigsburg wurde für die zweite Phase im Wettbewerb „Zukunftsstadt“ des ­Bundesforschungsministeriums ausgewählt. Im Fokus dieser Förderung steht die Digitalisierung. Ist schon absehbar, wie das digitale Ludwigsburg aussehen wird? WS: Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck, im V ­ or­dergrund steht vielmehr der Nutzen für die Menschen und die Ge­ sellschaft. Es gilt, Risiken zu identifizieren und zu b ­ e­g renzen sowie gleichzeitig die Ziele guter Lebens- und Arbeitsbedingungen heute und in der Zukunft noch effizienter mit den Möglichkeiten der Digitalisierung zu erreichen. Hierzu hat Ludwigsburg gemeinsam mit Partnern das K ­ onzept „Stadt­ labor“ eingeführt. Eine neue Form der Bürgerbeteiligung, die den direkten Austausch von Entwicklern und Einwohnern ermöglicht, also eine unmittelbare Übertragung in städte­ bauliche Lösungen bietet. Es gelang, „Stadtlabor“ in Politik,

Bildung, Unternehmen und Bürgervereinen zu e­ tablieren. Konkret ist nun in Planung, dieses Format als Grundlage zur Neugestaltung des Bahnhofsareals zu verwenden. ARTMAPP: Wie kann Raum für die kreativen Berufe einschließlich der Künstler geschaffen werden, ohne auf die herkömmlichen Maßnahmen reiner Subventionierung zurückzugreifen? WS: Kreativität und Inspiration sind Nährboden für neue ­Ideen, Produkte und Dienstleistungen. Kunst ist ein Kata­ lysator, der für ein kreatives Umfeld und Denkanstöße unverzichtbar ist. In der Wirtschaft und der öffentlichen Hand gibt es hinsichtlich Wertschöpfung und Aufträgen für Künstler ein riesiges Potenzial, welches es zu nutzen gilt. ARTMAPP: Ludwigsburg: Barockstadt oder ­„Cybercity“? Wie schafft man den Spagat zwischen Tradition und Technologiestandort? WS: Innovation gehört zum genetischen Code von Ludwigsburg. Die Zeit des Barock war nicht nur von ausschweifender Lebensfreude, sondern von gezielten Brüchen mit der ­Tra­d i­t ion geprägt. Kunst und Künstler gaben schon damals kreative Impulse. Heutzutage ist die digitale Transformation der Bruch mit der Tradition. Der Bezug zum Barock und die prägende historische Bausubstanz von Schloss und Innenstadt sowie die Kasernenarchitektur aus Backstein stellen eine inspi­r ierende Spannung zur Transformation ehemaliger ­Industrieareale in moderne Arbeitswelten von IT-Experten, Kreativen sowie Film- und Medienschaffenden her.


7. bis 9. September 2018

250 Jahre Venezianische Messe Ludwigsburg Bei der Venezianischen Messe treffen sich alle, die das Spiel mit Masken lieben. Ein hochkarätiges Bühnenprogramm aus Akrobatik, Musik, Commedia dell’ Arte, Straßentheater, ­Stelzenperformances, Feuerzauber und Tanz, die weit über tausend bunt schillernden Kostüme und die venezianische Kulisse ­ent­f ühren Sie in eine Welt zwischen Traum und Wirklichkeit. Genau 250 Jahre, nachdem Herzog Carl Eugen die V ­ enezianische Messe zum ersten Mal in seiner Residenzstadt Ludwigsburg ausrichtete, ist diese ­einzigartige Veranstaltung in Form eines internationalen Festivals seit nunmehr 25 Jahren zu einem festen Bestandteil des Ludwigsburger Stadtbildes geworden und verwandelt den barocken Marktplatz alle zwei Jahre in eine magische Fantasiewelt. Bei der großen Künstlerprozession vom Residenzschloss durch die Innenstadt und den Kostümdefilees über den Gondelsteg lässt sich die ganze Pracht der illustren Maskerade bestaunen: goldbestickte Seidengewänder glänzen neben schrillen, avantgardistischen Kostümen, edle Masken sind ebenso zu bewundern wie prunkvoller Kopfschmuck und aufwändig verzierte Fächer. Der gesamte Marktplatz wird zur Spielf läche für herausragende inter­ nationale und nationale Künstler. Spektakuläre Auftritte wechseln sich hier mit kleinen, leisen Programmpunkten voller Magie und Geheimnissen ab. Ein Fest fürs Auge ist der exquisite Kunst- und Handwerkermarkt. An ­a llen drei Tagen bieten mehr als 50 Händler, einige davon eigens aus Venedig ­a ngereist, all das an, wofür die Lagunenstadt berühmt ist: Masken und Stoffe, Muranoglas, handgearbeitete Holzkunst und Goldschmiedearbeiten. Ausgewählte Gastronomen der Region verwöhnen Sie mit Köstlichkeiten der ­italienischen Küche. Die verlockenden Gaumenfreuden reichen von deftiger Hausmannskost bis zu exquisiten Feinschmeckermenüs. Hier spüren Sie das süße Leben und können es in vollen Zügen genießen. Infos unter : www.venezianische-messe. de Öf f nungszeiten: 7. 9 . 2 0 1 8 : 1 8 – 2 4 U h r, 8 . 9 . 2 0 1 8 : 1 4 – 2 4 U h r, 9.9. 2018: 11 – 2 2 Uhr



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„Die Jahreszeiten“, nach Joseph Haydn,

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Musiktheaterprojekt im Rahmen des Stadtjubiläums „Ludwigsburg 300 Jahre Stadt werden!“, Foto: Lili Weiss


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30 Jahre Forum am Schlosspark, Ludwigsburg

Das Festspielhaus M it der E röf f nu ng des Ludw ig sbu rger „ F or u m a m ­S chlosspark “ im Jahr 1988 wurde ein Meilenstein in der ­E ntwicklung der Stadt hin zu einem Kulturstandort mit überregionaler Strahlkraft gesetzt. Als Haus mit zwei ­unabhängig voneinander zu betreibenden Sälen konzipiert – Theatersaal und Bürgersaal – ist das „Forum am Schlosspark“ ebenso Veranstaltungshaus auf Metropolen-Niveau wie ­M ittelpunkt wichtiger bürgerschaftlicher Ereignisse und ­e ntscheidender Beitrag zum erfolgreichen Messe- und ­Kongressstandort ­Ludwigsburg. Als Festspielhaus für die „Ludwigsburger Schlossfestspiele“ im Sommer mit einem Dutzend Ver­a nstaltungen sowie als Spielstätte des städ­ tischen Kulturprogramms von September bis Mai mit rund 50 Veranstaltungen bietet das „Forum am Schlosspark“ das ganze Jahr hindurch Kulturerlebnisse. Dabei erfreut es sich seit 30 Jahren ungebrochenen Zuspruchs und die 1.200 Plätze können oftmals die große Nachfrage nach Karten nicht be­f riedigen. Regelmäßige Gastspiele berühmter ­i nternationaler Tanzkompanien, Auftritte hochkarätiger Dirigenten, Or­c hester und Solisten sowie bundesweit ­f ührender Theaterensembles ­b egründen diese große Po­ pularität. Zur Feier des 30-jährigen Bestehens des „Forum am Schlosspark “ findet am 17. März ein Festkonzert – eine ­konzertante Aufführung von Ludwig van Beethovens Oper „Fidelio“ mit Annette Dasch und Klaus F ­ lorian Vogt in den Hauptrollen– statt. Zum Stadtjubiläum „300 Jahre Stadt werden!“ bringen über 300 Beteiligte – Chorsänger, Sinfonieorchester, Tanz­ ensembles und Solisten unter professioneller künstlerischer Leitung – das Musiktheater „Die Jahreszeiten“ nach Joseph Haydn auf die Bühne. Vom Wandel der Natur und den ­L ebensbedingungen erzählt Haydn in seinem Werk. Von der

Schönheit und der Freude, die uns die Jahreszeiten bringen, aber auch von der vernichtenden Kraft und der Gewalt, die sie entfesseln können. Vielleicht war schon ihm angesichts der damals beginnenden Industrialisierung die aktive Rolle des Menschen dabei bewusst und wie zerbrechlich die jahr­ tausendealte Symbiose von Mensch und Natur ist. Mit großen Bildern, Haydns Musik, Neukompositionen, zeitgenös­ sischem Tanz und 150 Sängerinnen und Sängern erschafft das Musiktheater eine Liebeserklärung an unseren Planeten, die dazu aufruft, diesen verletzbaren Erdenball, auf dem wir ­leben, vor dem Untergang zu retten. Regie, Ausstattung und musikalische Leitung werden von Profis übernommen. Die Solopartien singen international renommierte Sängerinnen und Sänger. Im Bereich Tanz werden lokal aktive Ensembles um eine eigens für die Produktion gegründete internationale Tanzkompanie erweitert. So greifen das in Ludwigsburg vorhandene künstlerische Potenzial von Amateuren und die Qualität der Profis ineinander und lassen eine Produktion auf höchstem Niveau entstehen. HANSJÖRG FRÖHLICH

15 . bis 25 . März 2018 DI E JA H R E SZ EI T EN – Musik theater nach Joseph Haydn 1 7. M ä r z 2 0 1 8 F E S T KO N Z E R T 3 0 J A H R E – Fidelio von Ludwig van B eethoven For um am Schlosspark, Ludwigsburg for um . ludwigsburg. de

Foto: © Forum am Schlosspark


84 MIK – Ludwigsburg Museum, Kunst verein und Tourismus - Info

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Unter einem Dach

Foyer, Luftraum LRO mit HG Merz: MIK, Ludwigsburg © Roland Halbe 2013


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Fassade, LRO mit HG Merz: MIK, Ludwigsburg © Roland Halbe 2013

Ein vorzügliches Merkmal der Stadt Ludwigsburg ist die ­n achhaltig betriebene Konversion historischer Gebäude in neue Standorte für Kunst und Bildung. Über 250 Jahre ­b estimmte das Militär Leben und Architektur der Stadt. Mit dem Ende des Kalten Krieges Anfang der 1990er-Jahre ­w urden e­ tliche Liegenschaften frei und in einem stadtplanerischen Kraftakt der Umnutzung übergeben. So befindet sich heute im ehemaligen Artilleriedepot Mathilden­k aserne die Filmakademie Baden-Württemberg. Die Karlskaserne ­w iederum beherbergt jetzt ein Kunstzentrum, welches die Kunstschule „Labyrinth“, die „Tanz- & Theaterwerkstatt“, die Jugendmusikschule und weitere Institutionen auf dem Gelände vereint. In der vormaligen Bäckereikaserne residiert inzwischen das Viersternehotel „Nestor“ nebst einer Tagesklinik. Der frühere Sitz der Kriminalpolizei in der Ludwigsburger Innenstadt ist ein weiteres Gebäude, das nach aufwendiger baulicher Verwandlung heute ein Ort der ­Kultur ist: Das MIK (Museum – Information – Kunst) in der Eberhardstraße stellt eine außergewöhnliche Kombination dreier Einrichtungen dar. In dem Barockbau aus dem frühen 18. Jahrhundert sind seit Mai 2013 das Ludwigsburg Museum, der Kunstverein Kreis Ludwigsburg e. V. und die Tourist-Information unter einem Dach zusammengeführt. In einem dreijährigen Prozess hatten zuvor die Architekten des ­Stuttgarter Büros Lederer Ragnarsdóttir Oei das historische Amtshaus saniert und erweitert. Eine Auszeichnung der ­A rchitektenkammer Baden-Württemberg folgte. Für die aparte Gestaltung der Ausstellungsarchitektur sorgte das Team des Büros HG Merz, ihrerseits führende Spezialisten in der Konzipierung mu­sealer Räume. Beim Gang durch die ständige Ausstellung des Ludwigsburg Museum entfaltet sich vor den Besuchern die Geschichte der Stadt: Sechs zeitlich gestaffelte Stationen erzählen von der Entwicklung dieses Ortes von den Anfängen als herzogliche Reißbrettsiedlung zum Standort der Indus­ trialisierung, wo etwa das Streichholz, die Klosettspülung, der Kühlschrank, Aspirin und Botox erfunden wurden, bis hin zum heutigen Alltag als offene multikulturell geprägte Kommune mit einer Tendenz zur „Smart City“ und einer zunehmenden Prägung durch die Medienbranche. Als Beitrag zum 300-Jahre-Ju­biläum der Stadterhebung zeigt das Ludwigsburg Museum ab 11. März die Ausstellung „Hin und weg. Wohn- und Lebensräume in Ludwigsburg“. In seiner Serie zeigt hier der Fotograf Reiner Pfisterer die unterschiedliche Ausgestaltung der Wohnzimmer seiner Heimatstadt. Dieser Blick ins Herz der Privatsphäre präzisiert unsere Vorstellungen von Alltags- und Lebensmodellen, gerade auch weil

Pfisterer in seinen Fotografien die Bewohner der jeweiligen Zimmer ausspart. So ermöglicht er den Ausstellungsbesuchern Wohnungseinrichtungen mit bestimmten Soziotypen zu assoziieren und eine eventuelle Klischeehaftigkeit dieser Assoziationen sogleich wieder infrage zu stellen. Ebenfalls mit Wohnsituationen beschäftigt sich ein weiteres Projekt zum Stadtjubiläum. Das für „Raumpioniere – Wohnen auf kleinstem Raum“ an der verkehrsreichen Sternkreuzung ­entstandene Mikrohof haus zeigt, wie Bauen und Wohnen selbst in unwirtlicher Umgebung auf kleinstem Raum möglich sind. Weitere Räume des MIK bespielt der Kunstverein ­Ludwigsburg, darunter die nunmehr im Kunstkontext sehr spannenden ehemaligen Kripo-Haftzellen im Untergeschoss. Kuratorin Julia Connert schlägt einen programmatischen ­Bogen von internationalen bis hin zu regionalen Künstlern. Im Jubiläumsjahr werden unter anderem Ausstellungen des ­D üsseldorfer Künstlers Markus Vater, der türkischen Künst­l erinnen Sibel Horada und Buket Savci sowie des Stuttgarter Skulptur- und Performancekünstlers Thomas Putze zu sehen sein. HANSJÖRG FRÖHLICH

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116 Jahre Ludwigsburger Kulturinstanz

Scala „ O p e r, P o m p u n d P l e i t e n – a u f b e i d e n S t ra ß e n s e i t e n“

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„Scala“- Kino Ludwigsburg, Festakt Jubiläum, Foto: Sabine Hackenberg, © FABW

Eine meterlange Riesenschlange windet sich seit 1992 als Kreiselkunst über die Sternkreuzung der B27 um die eigene Achse gen Himmel. Sie weist Ortsunkundigen am gefühlten Ludwigsburg-Mittelpunkt wahlweise Richtung Schloss oder zu Stadt und „Scala“. Das meterlange Reptil ragt über vorbeirollenden Blechlawinen, markiert symbolisch die 300-jährige Trennlinie zwischen Stadt und Herrschaftssitz und wacht über Gedeih und Verderb eines kulturellen Aushängeschilds der Stadt, dem „Scala“. Deren Eingang bezüngelt und beäugt sie seit 26 aufregenden „Scala“-Jahren. Zuletzt hat sie wohl auch die „Scala“-Wiedereröffnung 2014 mitinitiiert: Von Schlangen Reanimierte leben länger. Das Schloss auf der einen, „Scala“ auf der anderen Seite: Beide stehen in ihrer Epoche für landesübergreifende Kulturarbeit der einst aus dem Sumpf gestampften Residenzstadt Ludwigsburg. Beide gelten als Leuchttürme aktiver Kultur­ leidenschaft, Orte für die Großen, Chancen für die Newcomer ihres Fachs. Im Schloss gastierte in etwa der echte Mozart, im „Scala“ die Band „Die Prinzen“. Doch im Ernst: Schloss wie Scala boten oder bieten Kulturrepertoire für fast jeden ­G eschmack: Konzert, Literatur, Tanz, Theater und Feste, ­C omedy, Kabarett, Opernveranstaltungen, Vorträge oder

auch exotischere „Kulturnummern“. Konkret: Casanovas Staatsbesuch, eingeheiratete Mätresse, unadelige Königs­ kinder hier, dort – im heutigen „Scala“ – die Zeit als verruchtes Pornokino der 1960er-Jahre sind programmatisch verbindend. Und dann wäre da noch eine weitere, windschiefe Gemeinsamkeit beider Häuser: Materielle Pannen in beträchtlichem Ausmaß. Doch wen wundert’s: Barocker Lifestyle oder heutiger Kultursparkurs schließen Bankrott eben nicht aus. Externe Untersuchungen lobten zuletzt die neuen „Scala“-Betreiber für ihr hochwertiges wie kostensparendes Programm. Eine ökonomische Schwachstelle fiel jedoch als Schreckensgespenst zukünftiger „Scala“-Arbeit auf. Seit 2000 blieb die Höhe der Kulturzuschüsse der Stadt gleich, während die Miete allein in den letzten sieben Jahren um 260 Prozent anstieg. 2011 zahlte das „Scala“ für alle Räumlichkeiten, darunter den seit den 1950er-Jahren optisch unveränderten Saal mit herausragender A kustik und schmucker Empore, 64 .000 Euro, zuletzt bereits über 230.000 Euro Jahresmiete.


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Foto: © „Theatersommer“ im Cluss- Garten, Ludwigsburg

Solche Finanzsorgen mindern die Qualität der Programmpunkte im großen Saal, im dazugehörigen Cluss-Garten, dem Open-Air-Theater des „Scalas“ und der hauseigenen Gastronomie glücklicherweise nicht. Was als ver­g nüglicher Lustspielsaal für die Ludwigsburger von der Brauerei-­ Cluss-Witwe 1902 erworben worden war, entwickelte sich über ein Jahrhundert vom Bier- zum Ballsaal, vom ersten Licht­spielhaus der Stadt zum Theater „Scala“ mit ­späterem Arthaus-Kino. Seit 1984 bietet das „Scala“ seinen heutigen Cross-over-Kulturmix und wurde von da an bis zum ersten „Scala“-Konkurs 1999 als Verein betrieben. Seit 2000 lenkt die Scala Kultur gGmbH die Geschicke der ­K ulturstätte. ­Trickfilmvorführungen, Extremsport-Film­festivals, Tage der Toleranz mit politischen Workshops, Afterwork-Rave, ­Tatort-T V-Kommissare mit Bandauftritt, Livestream-­ Screenings von Erstaufführungen aus einem Londoner Opernhaus, Shakespeares „Sommernachtstraum“ oder Dieter-Thomas-Kuhn-Konzert zur Wiedereröffnung 2014. Bei solchen Einblicken staunt die Schlange über der B27 – und die Stauschlangen auf der Bundesstraße nicht schlecht. Ein weiteres Highlight bietet übrigens auch der Gang durchs „Scala“-Hintertürchen. Dort versteckt sich als Teil der neu

renovierten, bestens ausgestatteten und hoch ­f requentierten Stadtbücherei ein lauschiger Lesegarten im Haus des Ludwigsburgers Kulturzentrums mit VHS und Co. Gerade wer es gartentechnisch ökologisch oder pathetisch liebt, wird rund ums „Scala“ fündig. Zum einen befindet sich hier ein preisgekröntes Vertikalgarten-Projekt, zum anderen der sogenannte Cluss-Garten, eine Theaterruine mit be­spielter Bühne, wo der Theatersommer stattfindet. Im Jubiläumsjahr der Stadt wird hier neben einer Adaption von Goethes „Faust“ die Eigen­ produktion „Stadt der Träume“ und „Die Wand“ unter der Leitung von Theatersommer-Intendant Peter Kratz aufgeführt. Bei so viel Natur und Kultur hätte sich wohl auch der württembergische Adel unter die Bürgerlichen auf der anderen Straßenseite gemischt – ins „Scala“. TOBIAS GREINER

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Marktplatz und evangelische Kirche, Foto: GDA Peter Albig

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h a b e n e s o r t s k u n d i g e S t a m m g ä s t e: D i e

diese Location schon zu Schillers Zeiten

Ta g v e r b r i n g e n, d a s m i t M i c h e l i n - S t e r n

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2017 ko m p l e t t r e n o v i e r t e Ka f f e e h a u s u n d

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Schlössern mit ten hinein ins Herz

h a u s, w i r d a b e r d u r c h d i e e i n l a d e n d e

B a ro c kg a r t e n s o w i e T h e a t e r.

L u d w i g s b u r g s . M e h r B a ro c kg e i s t g e h t

Sonnenterasse mit Blick auf den

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Blick auf die Filmakademie und den Akademie - Campus, Foto: © FABW

Thomas Schadt und Andreas Hykade

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Filmakademie Baden-Württemberg Wenn irgendwo in Deutschland im Kreis von Medien- und Kunstkreativen das Stichwort Ludwigsburg f ällt, folgt ­d arauf sogleich die Erwähnung der Filmakademie Baden-­ Württemberg (FABW). Auch international ist die Stadt mit der 1991 gegründeten Filmhochschule assoziiert. Dazu haben etliche Absolventen beigetragen, die auf Filmfestivals wichtige Preise erhielten, wie auch die rege Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen weltweit. Zudem eröffnete 2007 auf dem im Stadtzentrum gelegenen Campus die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg (ADK). Das Zusammenwirken bietet Gelegenheit für eine breite interdisziplinäre Ver­n etzung und Qualifikation. Für ART MAPP sprach Hansjörg Fröhlich mit dem Geschäftsführer der FABW, ­T homas Schadt, und dem Leiter des Animationsinstituts, Andreas Hykade, über neue Medien, neue Verantwortungen und alte Stummfilme.


91 ARTMAPP: In den letzten Jahren hat sich die mediale Landschaft komplett verändert. Durch VR und andere technische Innovationen ergeben sich neue Ästhetiken, durch Internetplattformen neue Distributionsformen und ein geändertes „Konsumverhalten“ beim Publikum. Wie reagiert die Filmakademie auf diese Neuerungen? Andreas Hykade: An der Filmakademie wird die Kreativität der Studierenden großgeschrieben, aber natürlich greifen wir auch technische Neuentwicklungen auf. Denn ein Grundsatz, den wir verfolgen, ist die Verbindung von Kunst und Technologie – eine Ehe, in der beide Partner gleichberechtigt sind, voneinander lernen und sich gegenseitig fördern. So hat die Abteilung Forschung und Entwicklung unter der Leitung von Volker Helzle mit der digitalen Darstellung Albert Einsteins nicht nur neueste technologische Standards eingesetzt, ­s ondern auch eine Ikone der Menschlichkeit wieder zum ­L eben erweckt. Die Fördermaßnahme „VR NOW“ ermöglicht es Alumni baden-württembergischer Hochschulen, innovative VR- und AR-Inhalte von der Idee bis zum Proto­ typen zu entwickeln. Es wurden bereits drei Projekte gefördert. Bei „Wheelhouse“ schlüpft der Nutzer in die Rolle eines Rollstuhlfahrers und erlebt damit experimentell all­ tägliche Hindernisse in nicht barrierefreien Räumen. Die virtuelle Welt von „Koshu VR“, angelegt in einer exotischen Kultur, kann mittels weltweit einmaliger „Holodeck “-­ Technologie frei zu Fuß erkundet werden. „Longing for Wilderness“ ist eine 360°-VR-Experience, die den Zuschauer auf eine rasante Fahrt hinaus aus der Großstadt in die Ruhe der Natur entführt.

ARTMAPP: Ist in Zeiten von Fake News und „alternativen Fakten“ der Dokumentarfilm nicht von noch viel größerer Bedeutung als bisher? Gemessen am Gesamtumfang der Fördermittel führt der Dokumentarfilm jedoch ein Schattendasein. Müssten im Interesse der Zivilgesellschaft hierfür nicht wesentlich mehr Fördermittel bereitgestellt werden? Thomas Schadt: Der Dokumentarfilm hat schon immer einen wichtigen kulturellen und gesellschaftlichen Auftrag ausgefüllt. Durch Fake News und „alternative Fakten“, vor allem aber mit dem Aufkommen der digitalen Medien sind die Möglichkeiten zur Wahrheitsfälschung vielfältiger und einfacher geworden. Als Hochschule geht es uns darum, den Studierenden ein verantwortungsvolles Bewusstsein zu vermitteln. Wir brauchen nicht nur Dokumentarfilmer, die sich mit den entsprechenden Themen beschäftigen, sondern diese Leute brauchen eine Haltung zu dem, was sie tun. Aufgrund der neuen digitalen Möglichkeiten ist im Umgang mit der Wahrheit die Frage der Verantwortlichkeit dem Medium gegenüber, also ebendiese Haltung, brennender und wichtiger denn je. Sie ist heute die Schlüsselfrage überhaupt. Die für den Dokumentarfilm bereitgestellten Mittel waren gegenüber jenen für Spielfilme immer schon geringer, wobei Spielfilme per se ­wesentlich teurer sind. Ich kann generell zustimmen, der ­D okumentarfilm müsste mehr finanzielle Zuwendungen ­b ekommen, wobei die Förderanstalten damit sehr unterschiedlich umgehen. Der SWR und die MFG zum Beispiel sind sehr dokumentarfilmaffin. Trotzdem ist es viel schwieriger, Geld für einen Doku- als für einen Spielfilm zu beschaffen. Wir unterstützen unsere Studierenden darin, auch andere Geldgeber anzusprechen, etwa Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen etc.

Thomas Schadt, Geschäftsführer der FABW, Foto: © FABW, Roland Mönch


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Andreas Hykade, Leiter des Animationsinstituts, Foto: © FABW, Marc Lutz

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ARTMAPP: Virtual-Reality-Künstler sind sehr auf die Kooperation mit Technologiekonzernen angewiesen. Was bedeutet das für die künstlerische Freiheit? Wie kann man eine Abhängigkeit von marktführenden Firmen verhindern bzw. was gibt es für Alternativen? AH: Die VR-Community wächst rasant und damit der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften. Der Studiengang Inter­ aktive Medien unter der Leitung von Prof. Inga von Staden schafft die besten Voraussetzungen für eine kreative Karriere in diesem Bereich. Die praxisnahe Ausbildung umfasst die vollständige E ­ ntwicklung eines VR-Erlebnisses inklusive ­i nhaltlicher Konzeption, audiovisueller und technischer ­G estaltung ­s owie Produktion und Veröffentlichung. Sie ­ermöglicht den Studierenden, ihre Virtual-Reality-Ideen mit ihrer eigenen künstlerischen Handschrift umzusetzen. ­Bereits während des Studiums werden Kontakte zur Medienbranche geknüpft. Wir schulen die Studierenden, eine „Intellectual Property“ zu schaffen, begleiten sie bei einer Ausgründung und wollen ­ihnen die besten Grundlagen für ­einen kraftvollen Eintritt ins Berufsleben mitgeben.

ARTMAPP: Die Filmakademie BW kooperiert mit anderen Bildungseinrichtungen weltweit. Studierende absolvieren Gastsemester in Übersee, andere kommen aus dem Ausland nach Ludwigsburg. Nivelliert dieser begrüßenswert rege internatio­ nale Austausch kulturelle Spezifika? Sind wir auf dem Weg zu einer „globalen Filmsprache“? TSCH: Wir haben seit drei Jahren eine internationale Klasse mit Studierenden aus unseren Partnerschulen und senden unsere Leute mittels Stipendien in alle Welt. Eine kulturelle Angleichung findet dennoch nicht statt, im Gegenteil, regionale Spezifika werden wichtiger. In unserer globalisierten, digital vernetzten Welt sind regional geprägte kulturelle Identitäten ein bedeutsames Moment, von dem wir gerade in Europa profitieren. Auf dem Campus der FABW erleben wir täglich, wie befruchtend dieser Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen ist. Hier entstehen andere Gespräche, andere Sichtweisen und neue Horizonte. Eine kongeniale „globale Filmsprache“ ­h atten wir bereits ganz zu Beginn der Filmgeschichte. Der Stummfilm funktionierte überall, gerade weil er auf Sprache verzichtete und Geschichten nur mit Bildern erzählte. Was jetzt gerade in dem ganzen Hype um Netf lix- und Amazon-Eigenproduktionen zu beobachten ist: Es werden Filmstoffe gesucht, die regional verortet sind, die aber in einer Filmsprache umgesetzt werden, die international verstanden wird. Um diese regional-globale Verbindung geht es im


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­ oment und daraus entstehen auch die aktuellen Finan­ M zierungsmodelle. Das bedeutet für die FA BW, unsere Studierenden so auszubilden, dass sie dieser Internationa­ lisierung der Branche gerecht werden. ARTMAPP: 300 Jahre Stadt Ludwigburg, 27 Jahre Filmakademie. Wie hat die FABW die Stadt geprägt?

FABW-Absolventen bleiben in Baden-Württemberg; in ­Ludwigsburg direkt gibt es mittlerweile eine Start-up-Szene von Medienkreativen, die von der Stadt umfassend unterstützt wird. ARTMAPP: Thomas Schadt, Andreas Hykade – vielen Dank für das Gespräch! www.f ilmakademie. de

T SCH: Die A nsiedlung der FA BW war ein absoluter ­Glücksfall. Der damalige Oberbürgermeister Hans Jochen Henke ermöglichte diesen Standort auf einem ehemaligen Kasernengelände mitten im Herz der Stadt. Das brachte für beide Seiten nur Vorteile. Die Hochschule ist sehr gut ­aufgenommen worden, die Ludwigsburger sehen die Film­ studierenden aus dem In- und Ausland als Bereicherung. Für die Studierenden wiederum ergeben sich durch die zentrale Lage und die räumliche Nähe auf dem Campus sehr schnell enge Kontakte. Es entsteht so ein studentischer Verbund und damit auch eine Fokussierung auf das Studium, wie es wohl in Berlin oder München weniger der Fall ist. Etwa ein Viertel der

F I L M PRODU K T ION A N L Ä SSL ICH 3 0 0 J A H R E S TA D T L U DW I G S B U RG

René Colling, Denis Pavlovic und Tobias Gerginov, drei S ­ tudierende der Filmakademie BW, gehen filmisch auf eine episodische Entdeckungsreise und bewegen sich durch „unerforschte Winkel“, immer auf die Suche nach den Menschen und den Orten dieser Stadt im Hier und Jetzt. Die Premiere ist für den 1. Oktober um 19.30 Uhr im Kino Caligari geplant.

Akademiehof mit Blick auf den Bühnenturm der ADK, Foto: © FABW


Ver wandelte Wirklichkeiten oder modifizier te Wahrnehmung

Virtuelle Realitäten Virtuelle Welten in Kunst, Film und Wissenschaft: Der Großraum Stuttgart ist mit dem Internationalen Trickfilm-Festival, der Filmakademie in Ludwigsburg, der Hochschule der ­Medien und etlichen Firmen aus der Animationsfilm- und ­V isual-Effects-Branche eine Schwerpunktregion dieser ­n euen Medientechnologie. Aus dieser Region stammen ­m ittlerweile die meisten VFX-Anbieter Deutschlands und ­außerdem tagt in Stuttgart jährlich die FMX, Europas größte und älteste Fachkonferenz für Animation, Effekte, Games

und digitale Medien. Im Kunstmuseum S ­ tuttgart finden in den kommenden Monaten gleich zwei Veranstaltungen zu diesen neuen Bilderwelten statt. Doch zunächst soll uns die Frage b ­ eschäftigen, was Virtual Reality eigentlich ­genau ist. Wohl keine andere Anwendung der digitalen Pro­ zessortechnologie hat das Potenzial, derart offensichtlich unseren Alltag zu verändern wie die Virtual Reality (VR) ­respektive die Augmented Reality (AR). Bei Letzterer handelt es sich um die Ergänzung, eine Art Überblendung, unserer


The Swan Collective, Still aus „NowForeVR“, 2016, Virtual- Realit y- Film, 360°, stereoskopisch, 4K, 4 - Min.- Loop © Felix Kraus NowForeVR – Virtual Realit y Experience w w w.SwanCollective.com Link: https://w w w.youtube.com/watch?v=Mjdc-2BiFeQ&t

analog wahrnehmbaren Umwelt mit digital eingespielten ­ ildern, Texten, Sounds etc. Dabei kann es zur ununterB scheidbaren Verschmelzung beider Bereiche kommen, oder aber die digitalen Inhalte bleiben als Zusatz erkennbar wie eine Vignette auf einer Fensterscheibe. Etwas ganz anderes ist die VR, sie stellt eine Totalsimulation von Wirklichkeit dar. Hier wird nichts Bestehendes ergänzt, sondern es werden neue Welten geschaffen. Schon sehr bald werden die dazu notwendigen Technologien so mobil und preiswert sein, dass

User mittels Datenbrille und Headset auch in Alltagssituationen, etwa auf dem Gang durch die Stadt, in Verkehrsmitteln oder beim Sport, in beliebige artifizielle Realitäten einsteigen können. Bis dahin sind VR-Erlebnisse noch auf stationäre ­A nlagen ­a ngewiesen, etwa bei Game Conventions, in For­ schungs­einrichtungen und natürlich in Museen und anderen Kunsthäusern. Denn die Schaffung neuer Wirklichkeiten respektive von alternativen Erlebnis- und Möglichkeits­räumen ist seit der Eiszeit die Domäne der Kunst. Anders als zum Beispiel Videokunst bietet VR-Art eine „echte“ Raum­erfahrung und ist daher mit der Plastik und der Installation verwandt. Jeff Koons ist gerade dabei, Skulpturen im Londoner Hyde Park „aufzustellen“, die nur durch ein Smartphone mit spezieller App zu sehen sind. Künstlerinnen und Künstler wie Manuel Roßner, David O’Reilly, Alicja Kwade und Philip Hausmeier experimentieren schon auf hohem Niveau mit VR, doch die Arbeit mit den kostspieligen Geräten und eben­ solcher Software zwingt Kunstschaffende momentan noch zur Kollaboration mit den wenigen einschlägigen Techno­ logiekonzernen, was eine Auseinandersetzung mit der Frage künstlerischer Freiheit aufwirft. Zudem ist der kreative Akt technisch gesehen nun ein ganz anderer, da die Schöpfung ­i nteraktiver VR-Kunst hauptsächlich aus mühseligem Programmieren besteht – ein Umstand, der ein intuitives Vorgehen praktisch ausschließt, was für die momentan aktive, noch analog ausgebildete Künstlergeneration gewöhnungsbedürftig sein dürfte. Wissenschaft und Forschung sind da schon weiter. ­I mmer dann, wenn Fragen nach Lösungen auftauchen, die an einem haptischen Modell nicht befriedigend untersucht ­werden können, kommen hier inzwischen VR zum Einsatz. Stadtplaner testen mittels VR Mobilitätskonzepte, um ein ­b estehendes Verkehrsauf kommen möglichst reibungslos und effizient durch eine Stadt zu schleusen. Oberflächen von Fahrzeugen werden per VR-Simulation auf ihr Strömungsverhalten hin geprüft. In den sturmgeplagten großen Ballungszentren Asiens werden virtuelle Hochhausmodelle drastischen Windstärken ausgesetzt, um zu verstehen, ­welche Form und Materialität ein noch zu realisierendes ­Gebäude haben muss, damit es einen Taifun möglichst schadlos übersteht. Überhaupt ist die Architektur ein Schwerpunkt beim Einsatz von VR. Doch nicht nur für die Forschung, ­sondern auch für die Lehre ist VR in einigen Fällen schon ­unverzichtbar. Wie sollen Techniker einen Schaden an einem hochkomplexen Kraftwerk beheben, ohne in der Ausbildung die nötigen Handgriffe etliche Male virtuell durchgespielt zu haben? Gleiches gilt für die Chirurgie: Operationen am ­Herzen, die Entfernung eines Tumors im Großhirn etc., all das wird heutzutage virtuell geübt, wodurch solche Eingriffe ­erheblich sicherer geworden sind. Es ist keine Frage, VR und A R werden unsere Lebenswelt massiv verändern. Wir ­stehen noch ganz am Anfang eines gravierenden Wandels, dessen Verlauf und Ausgang wir allerdings nicht simulieren können – auch nicht mit VR. HANSJÖRG FRÖHLICH

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VR-/AR-Projekte an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg

S E T- E RG Ä N Z U N G S -WO R K S H O P

Beim Set-Extension-Workshop entwickeln Kamera-, Szenenbildund Animations-/VFX-Studierende eine Kurzfilmszene und das entsprechende Szenenbild. Dann entscheiden sie, was real im Studio gebaut – in diesem Fall Kleopatras Milchbadewanne – und was in der Postproduktion digital hergestellt und ergänzt werden wird. ­Bereits vor dem Green-Screen-Studiodreh wird mit einer Real-Time-­ Graphic-Engine die digitale Prävisualisierung hergestellt. Beim Dreh selbst wird die Real-Time-Engine zusammen mit einem 3-D-Raumtracking-System benutzt, um eine Echtzeit-Visualisierung beim Dreh am Set zu erzeugen. Die gleiche Engine wird später auch in der Postproduktion verwendet, um die digitalen Szenenbildergänzungen wie Wände, Säulen, Hintergründe etc. zu produzieren.


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R E A L -T I M E - P R E V I Z -WO R K S H O P

Der Real-Time-Previz-Workshop nutzt innovative VR- und Echtzeit-Rendering-Technologie, um bereits in der Vor­ produktion die Kommunikations- und Entscheidungshilfe für das visuelle Storytelling zu unterstützen. Mithilfe der „Unity Real-Time-Graphic-Engine“, des „Motion Capture Tracking“ und einer Top-Down-Video-Projektion können die Studierenden so ihre Filmideen schnell und intuitiv in ­v irtuellen Räumen als Prävisualisierung auf einem inter­ aktiven Tisch umsetzten. Dafür platzieren sie Trackingmaker für virtuelle Kamera und Schauspieler auf dem projektierten Szenengrundriss und sehen auf einem zweiten Bildschirm in Echtzeit ihre Bildkompositionen und Kamerabewegungen. So können sie an Ort und Stelle dramaturgische Entschei­ dungen treffen, Schnittabfolgen definieren und einen Previz-Film produzieren.

V I R T UA L AC T I N G , P R E V I Z U N D E C H T Z E I T-A N I M AT I O N S L AYO U T

Beim „Motion Capture & Virtual Acting“-Workshop ­e r­a rbeiten Animationsstudierende und internationale Schauspielabsolventen gemeinsame Szenen, die dann mit ­e inem Motion- Capt ure-System und einer virt uellen ­K amera in einer Echtzeit-Graphic-Engine in digitale Animationen umgewandelt und anschließend zu Kurzfilmen geschnitten werden.

V P E T: V I R T UA L P R O D U C T I O N E D I T I N G T O O L

V PET: Das „Virtual P roduction Editing Tool “ ist eine ­S oftwareentwicklung der Forschungs- & Entwicklungs­ abteilung des Animationsinstituts. Durch 3-D-Tracking des Raumes, beispielsweise mithilfe des Apple-Frameworks „ARKit“, kann ein virtuelles Szenenbild in Echtzeit über das Livebild der Tablet-Kamera gelegt und animiert werden. ­Regie-, Kamera-, Produktionsdesign- und VFX-Abteilung können so bereits bei der Drehvorbereitung oder beim Dreh überprüfen, ob die geplanten digitalen Erweiterungen, die in der Postproduktion hergestellt werden sollen, ästhetisch, ­dramaturgisch und technisch funktionieren. Objekte, Licht sowie Kameraperspektiven und Objektive können zusätzlich intuitiv manipuliert werden. Alle Änderungen werden in Echtzeit an einen Server gesendet, der einen Bildrender­ prozess startet, mit dem das Produktionsteam schon nach kurzer Zeit erste hochqualitative Bilder und Videosequenzen als Beurteilungsgrundlage erhält. www. animat ionsinst it ut. de

Alle Fotos: © FABW


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Mixed Realities im Kunstmuseum Stuttgart Eva- Marina Froitzheim, Kuratorin am Kunstmuseum Stuttgart, Foto: Privat

Mit einem Spaziergang durch einen virtuellen Dschungel lockt der spanische Künstler Daniel Steegmann Mangrané (* 197 7). Seine Arbeit „Phantom“ basiert auf Aufnahmen ­e iner 360-Grad-Kamera im brasilianischen Regenwald und ­besticht durch eine naturalistische Anmutung, die den technoiden Stereotypen moderner Datenwelten entgegenwirkt. Die drastische Veränderung des Kunstorts Atelier durch den Übergang von einer analogen zu einer digitalen Bildproduktion beschreibt der Aachener Künstler Tim Berresheim (siehe folgende Seiten). Keine Frage, wir werden in nächster Zeit den Wandel grundlegender Rahmenbedingungen unseres Daseins erleben, werden Zeugen und Akteure der Konkretisierung eines neuen Zeitalters sein. „Mixed Realities“ ist eine Ausstellung, die das Terrain absteckt, auf dem dieser Paradigmenwechsel stattfinden wird. Im Vorfeld der Ausstellung findet im Kunstmuseum St ut t g a r t die „Ga meZone“ des 25 . I nter nat iona len ­Trickfilm-Festivals Stuttgart statt. Die diesjährigen Schwerpunktthemen der „GameZone“ sind „Games & Architecture“ und „E-Sports“. Zahlreiche nationale und internationale Computerspiel-Hochschulen sind zu Gast und präsentieren ihre neuesten Entwicklungen. Im Rahmen der „Raumwelten 2018 – Plattform für Szenografie, Architektur und Medien“ wird vom 14. bis 17. November 2018 ebenfalls eine „Game­ Zone“ in Ludwigsburg veranstaltet. HANSJÖRG FRÖHLICH

5 . Mai bis 26. August 2018 M I X E D R E A L I T I E S – V i r t u e l l e u n d r e a l e We l t e n i n d e r K u n s t www. k unst museum-st ut tgar t. de 2 4 . bis 29. Apr il 2018 „ G a m e Z o n e“ i m R a h m e n d e s 2 5 . I n t e r n a t i o n a l e n ­Tr i c k f i l m - F e s t i v a l s S t u t t g a r t www. it fs. de

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Mit der Marktreife kommerzieller High-End-Brillen wie „Oculus Rift“ oder „HTC Vive“ ist das Eintauchen in virtuelle Welten von der Profitechnologie in den Bereich der kommerziellen Massenverfügbarkeit gewechselt. So ist die Virtual Reality (VR) längst auch ein Thema für die bildende Kunst und für e­ nt­sprechende Ausstellungen geworden. Noch vor ein paar Jahren wäre das schon aus rein finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Solche, sich recht schlagartig einstellenden Zugriffsmöglichkeiten auf eine neue Technologie bedeuten für die Kultur immer einen Umbruch, einen Next-Level-Effekt. Man denke nur an die Einführung günstiger Synthesizer und Sampler Ende der 1970er-Jahre und erst recht an die Ver­breitung kostengünstiger Musiksoftware ab Ende der 1980er-Jahre. Beides hat die Popmusik sowie ihre Distribu­t ionskanäle mit einem Schlag bahnbrechend verändert, ja, neu erfunden. Was dieser Next-Level-Effekt nun für die an der Schwelle zur Alltagstauglichkeit stehenden Anwendungsmöglichkeiten von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) bedeuten könnte, versucht die Ausstellung ­„ Mixed Realities. Virtuelle und reale Welten in der Kunst“ im Kunst museum St uttga rt auszuloten. Sechs von der ­Kunsthistorikerin und Kuratorin Eva-Marina Froitzheim ­eingeladene Künstlerinnen und Künstler verwenden Ele­ mente sowohl der physisch realen sowie der virtuellen Welt und v ­ erbinden beides in ihren Werken. Die Ausstellung ­untersucht die Wechselwirkungen dieser beiden Realitäten, die sie nicht als Gegensätze begreift, sondern als Kontinuum mit der Option gegenseitiger Bereicherung. Überdies klopft die Schau das Potenzial von VR und AR als künstlerische ­Medien ab und untersucht die modifizierten Positionen aller Beteiligter: Künstler, Publikum, Kuratoren. „Was verändert die neue Technologie an den Produktions-, Rezeptions­s owie Prä­s entationsmodi von Kunst?“, das ist hier eine zentrale Fragestellung. Die Brasilianerin Regina Silveira (* 1939) hat für ihre Arbeit „Odyssey“ (2017) in Zusammenarbeit mit dem Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart einen virtuell begehbaren Kunstraum entwickelt. Die Künstlerin Mélodie Mousset (* 1981) arbeitet mit und über den eigenen Körper. Aus medizinischen Filmaufnahmen ihres Gehirns und ihrer inneren Organe entwickelt die Schweizerin Videofilme, die der Betrachter mittels VR-Brille „erleben“ kann.



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„Paradigmenwechsel in der Herstellung von Bildern“

Tim Berresheim Tim Berresheim (* 1975) studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und HBK Braunschweig. Seit 15 Jahren produziert er computergenerierte Kunst. Seine illusionistischen, bühnenhaften Bildwelten zeigen Szenen, die sich im 3-D-Raum abspielen. Mittels 3-D-Rendering-Programmen erschafft der in Aachen lebende Künstler eine einzigartige Synthese aus Kunst und Technik auf der Höhe der Zeit. Berresheims simulierte Wirklichkeiten befragen d ­ erzeit aktuelle ­Realitätsentwürfe. Eine Annäherung an seine Arbeiten nimmt immer den Weg über das Rätselhafte. Seine Werke sind zeitgenössische Vexierbilder – scheinen sie in e­ inem Aspekt entschlüsselt, öffnet sich sogleich eine weitere mögliche Interpretationsebene. Durch optische Ver­z errungen, ungewöhn­l iche Lichtsituationen und Raumanordnungen stellt er den Vorrang der zentralperspektivischen Ansicht infrage. Seine großforma­ tigen Wandarbeiten, zum Beispiel jene im Eingangsbereich der Firma GNT im niederländischen Mierlo, lassen sich durch eine „Augmented Reality“-App zum Leben er­wecken. Berresheim hat eine Grenzziehung zwischen analog und digital hinter sich gelassen, seine Hyperrealitäten umfassen beide ­Welten. Das abgebildete Objekt und sein computergeneriertes Avatar sind gleichermaßen real. Das Reale ist bei Berresheim komplett relativ, ein temporärer Zustand unter vielen denkbaren. Mit dieser Haltung wird er der Konstitution von Realität in einer vielstimmigen digitalen Informations­ gesellschaft vollkommen gerecht. Seine Arbeiten fragen nicht nach dem Wahren, sondern nach dem Möglichen. Unter Verwendung von Computersimulationsprogrammen wie sie auch in Wissenschaft und Forschung Anwendung finden, vergegenwärtigt Berresheim die Effekte digitaler Technologien auf visuelle Kultur, Lebensund Arbeitsbedingungen sowie auf Wahrnehmungs- und Erkenntniswelten. Neben seiner Tätigkeit als Künstler betreibt Berresheim einen Projektraum, ein Musiklabel und einen Buchverlag.

linke Seite: Tim Berresheim, „Steffens Schänke (Kohärenteste Licht) Blick II“, 2017, Pigment und Harz auf Papier, 180 x 155 cm

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HANSJÖRG FRÖHLICH


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Hansjörg Fröhlich stellte Tim Berresheim für ARTMAPP ­einige Fragen. ARTMAPP: In Ihren Bildwelten sehe ich eine Nähe zur Kunstrichtung Fluxus. Eine Art „Fluxus 2.0“. Täuscht dieser Eindruck? Tim Berresheim: Es ist wirklich so, dass mich viele verschiedene kunsthistorische Strömungen interessieren. Bei meiner Arbeit wende ich eine Praxis an, die aber nicht mit Ausschließlichkeit arbeitet, sondern integrativ und genau mit diesen Unterschieden. Wenn jemand darin auch Fluxus und Partizipation entdeckt, ist dieser Ansatz willkommen. Das ­a llein würde allerdings zu kurz greifen. Vielmehr geht es bei meiner Arbeit darum, Modelle zu entwickeln, welche sich mit exis­ tierenden und noch kommenden Systemen auf maximaler Ebene abdecken. Genrereinheit sehe ich nicht als Lösung, ­sondern verfolge den Ansatz, ein mögliches neues Genre zu entwickeln, welches verschiedene Strömungen aufnehmen und auf bereiten kann. Dies wäre jenseits des Prinzips der ­C ollage und des Fluxus zu verstehen. Aus der derzeitigen Transitsituation der Kunst möchte ich dabei das Beste herausholen. In meinem Alltag merke ich, dass es eine maximale Informationsverdichtung gibt, was direkten Einfluss auf die

Genese meiner Bilder hat. Wenn wir in Bezug auf meine ­ rbeit von einem Modell reden, dann vom Maximalismus. A Da meine Wege der Bildherstellung nicht immer offensichtlich sind, habe ich zur Auf klärung eigene Apps entwickelt, die man mit dem iPhone oder iPad nutzen kann. Mithilfe der „Augmented Reality“, also der erweiterten, statt der vir­t uellen Realität, werden Arbeitsprozesse ­s ichtbar oder es werden dreidimensionale Darstellungen gezeigt, die die Räum­l ichkeit der Bilder unterstreichen. Diese Tools sind jedoch nicht als Teil meiner Kunst zu betrach­t en, sondern als ­n iedrigschwelliges und zeitge­ mäßes Angebot der Kunstvermittlung. ARTMAPP: In der Ankündigung zur Ausstellung „Mixed Realities“ im Kunstmuseum Stuttgart ist von einer „drastische[n] Veränderung des ­Kunstorts Atelier durch den Übergang von analoger auf digitale Bildproduktion“ die Rede. Worin liegt der zentrale Unterschied zwischen einem digitalen und einem analogen Atelier?

Tim Berresheim, Foto: © Thomas Weidenhaupt / thomasweidenhaupt.de rechte Seite: Tim Berresheim, „Fundus S.O.D. (Flooz y)“, 2018, Pigmente und Harz auf Papier,180 x 155 cm


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ARTMAPP: Welche Arbeiten von Ihnen werden in Stuttgart zu sehen sein? TB: Im Kunstmuseum Stuttgart werde ich acht wichtige Stationen, die mein Prozess der Bildgenese durchläuft, darstellen. Ich ermögliche dem Betrachter Einblicke, die von der Inspiration über verworfene Skizzen, Übungen und weitere Bildprozesse bis hin zum Exponat, welches dann an einer Galerie- oder Museumswand hängen würde und wird, führen. Das Atelier als Thema werde ich ganz bewusst und so offen wie möglich präsentieren. Für die Stationen habe ich mit meiner Band „Die Wait Watchers“ auch einen entsprechenden Soundtrack entwickelt, der dann zu hören ist sowie zusätzlich auf Vinyl gepresst und vertrieben wird. Es werden also alle für mich relevanten Medien vertreten sein. ARTMAPP: Tim Berresheim – vielen Dank für das Gespräch!

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TB: Der zentrale Punkt ist sicherlich der Paradigmenwechsel in der Herstellung von Bildern. Dieser findet in einem digitalen Atelier dort statt, wo man „erwartungstreu“ arbeitet. Damit im Computer überhaupt etwas passiert, muss ich es vorher „erwarten“. Ein Maler, der mit seinem Pinsel über eine Leinwand fährt, muss dies nicht, da er ein sofortiges Ergebnis hat. Diesen direkten, manuellen Eingriff gibt es in meinem Atelier nicht, sondern ich muss erst ein System entwickeln, um in einen Prozess der Bildgenese einsteigen zu können. Der Computer muss als reines Werkzeug betrachtet werden, mit dem man in einer hochgradig handwerklichen Manier und mit viel Geschick arbeitet, um zu einem Ergebnis zu kommen, welches nichts mit Plug-ins oder Preset-Schieberei zu tun hat. Ich habe aber natürlich auch ein Atelier – als Raum der Inspiration, Arbeit und Kommunikation. Zusätzlich schaffe ich mir hier eine White-Cube-Situation, um die Exponate an der Wand überprüfen zu können. Nur ähnelt dieses Studio eher einem Büro als einem leicht schmutzigen, ungeordneten Kunstatelier, das manche Leute als Klischee vielleicht im Hinterkopf haben.



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We n n S i e i m A p p S t o r e d i e i O S - A p p „ T B – Tra n s i t f ro m B ­ ombay B each“ her unterladen, können Sie hier eine V ­ i d e o ­a n i m a t i o n s e h e n , die die Bildgenese des Kunst werks in Mie rlo (N L) dok ume nt ie r t . D i e A p p w u rd e f ü r T i m B e r r e s h e i m s v i e r t e i l i g e n K u n s t b a n d „ Tra n s i t f ro m B o m b a y B e a c h “ (St udios Ne w A ­ me r ika / I SB N 97 8 - 3- 9 8 19 2 6 8 - 0 - 4) ­e n t w i c k e l t , u m d a r i n v i e l e w e i t e r e a u g m e n t i e r t e

Tim Berresheim, 2017, ca. 12 x 7 m, Eingangsbereich der Firma GNT, Mierlo (NL) © Studios New Amerika / w w w.sna.works

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­Z u s a t z i n f o r m a t i o n e n z u e r f a h r e n .


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Kultur z wischen Neckar und Enz, Aich und Echaz

Hidden Champions

Ansicht Galerie Stihl, Waiblingen, Ólafur Elíasson, „Pavillon für Waiblingen“, 2009, Foto: Peter Oppenländer, w w w.galerie -stihl-waiblingen.de

Tina Haase, „Zwischenmaß“ (Detail), 2010, Kunststoff, Alustangen, Foto: Eberhard Weible, galerie.bietigheim-bissingen.de

Viel haben sie bewirkt, die württembergischen Regenten: Sie bauten Schlösser, förderten die Kultur und wirken damit über die Zeitläufe hinweg bis heute in der kulturellen Landschaft der Region nach. In diesem Klima gedeiht Kultur gut, wie die kleine Rundreise belegt. Sie führt von Heilbronn im Norden bis nach Waldenbuch im Süden, folgt dabei den Flussläufen von Neckar und Enz, Aich und Echaz und schlägt damit einen großen Bogen rund um die schwäbische Metropole Stuttgart. Trotz teils gravierender Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg lohnt sich die Rundfahrt aber auch wegen zahlreicher historischer Winkel und Ecken, die die Vielfalt der Architektur vom Mittelalter über die Renaissance bis in die Neuzeit belegen. Dies zeigt bereits die Heilbronner Innenstadt, die zwar ­weitgehend zerstört wurde, einen Rundgang aber dennoch lohnt. Insbesondere die Besichtigung der Kilianskirche ist empfehlenswert, die als erstes wichtiges Renaissancebauwerk nördlich der Alpen gilt und die Bedeutung der ehemaligen freien Reichsstadt bis heute transportiert. An einer die ­I nnenstadt f lankierenden Tangenten liegt die Kunsthalle ­Vogelmann, die passend zum Frühjahr in Kooperation mit der Stiftung Emil und Ada Nolde (Seebüll) und dem Museum Behnhaus-Drägerhaus (Lübeck) die Ausstellung „Far­ benzauber“ mit Papierarbeiten von Emil Nolde präsentiert. Die Schau stellt den expressionistischen Maler als be­deu­ tenden Aquarellisten des frühen 20. Jahrhunderts mit Werken von starker Leuchtkraft vor. Dabei werden noch nie gezeigte ­A rbeiten ebenso zu sehen sein wie etliche der ­sogenannten „ungemalten Bilder“, kleinformatige Papier­ arbeiten in Mischtechnik, die während Noldes Berufsverbot unter den Nationalsozialisten entstanden und die er später in


Gebäudeansicht Literaturmuseum der Moderne, Foto: DL A Marbach, w w w.dla-marbach.de

Kunsthalle Vogelmann, Heilbronn, Foto: Dietmar Strauß, w w w.museen-heilbronn.de/kunsthalle/

Ausstellungsansicht „Armin Göhringer. Synapsen“, Museum und Galerie im Prediger, Schwäbisch Gmünd, Foto: Museum

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Öl­gemälde umzusetzen gedachte. Werke Emil Noldes sind – zusammen mit Arbeiten weiterer norddeutscher Künstler sowie des gebürtigen Bietigheimers Gustav Schönleber – in ­einer Kabinettschau ab April auch in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen zu ­sehen. In den Fokus gerückt ist in dieser Ausstellung die Landschaft zwischen Ost- und Nordsee mit ihrem weiten Himmel, den Schafen auf dem Deich und den Kühen auf den aus­gedehnten Weiden. Davor ist noch bis 8. April „Out of Office. Büro-Kunst oder Das Büro im ­M useum“ zu sehen, bei der Künstler ihre Sicht auf den ­A rbeitsalltag, auf Arbeitsprozesse und Bürosituationen in ­G emälden, Skulpturen und Instal­l ationen schildern. Die ­ästhetische Seite des Büroalltags wird dabei ebenso beleuchtet wie ins Surreale gesteigerte H ­ andlungsanweisungen, die auf die mögliche Stupidität gleichförmiger Arbeit hinweisen. Bietigheim, seit der Gebietsreform 1975 mit der Nachbargemeinde Bissingen zur Großen Kreisstadt er­hoben, ist ebenso wie die Orte Marbach und Waiblingen Station der „Deutschen Fachwerkstraße“. Die Innenstädte sind, wie der Name der Kulturstraße bereits verrät, von Fachwerkhäusern geprägt; auch die Städtische Galerie Bietigheim selbst ­be­f indet sich seit 1989 in einer ehemaligen Getreidescheune. Zeitgenössische Kunst lässt sich aber auch im öffentlichen ­Außenraum der Doppelstadt Bietigheim-Bissingen erleben, denn in den vergangenen 30 Jahren entstanden zahlreiche stadtbildprägende Skulpturen von namhaften Künstlern wie Jürgen Goertz, Otto Herbert Hajek, Alfred Hrdlicka und ­D aniel Wagenblast. Marbach lockt natürlich mit dem ­G eburtshaus Friedrich Schillers und kann sich durch die ­f rühe touristische Vermarktung des bekannten Dichters (sie begann bereits Anfang des 19. Jahrhunderts) rühmen, einer der ältesten Tourismusorte Deutschlands zu sein. Während im Schillerhaus selbst eine Ausstellung über den Dichter zu sehen ist, firmiert das Schiller-Nationalmuseum auf der Schillerhöhe – das sich als Gedenkstätte nicht nur für ­F riedrich Schiller, sondern allgemein für Dichter aus ­Schwaben versteht – als Teil des Deutschen Literaturarchivs. Hierzu ­g ehört ebenfalls das Literaturarchiv der Moderne, das, von Chipperfield Architects auf der Schillerhöhe ­e rbaut, 2006 eingeweiht worden ist. Neben Nach- sowie ­Vorlässen von Dichtern und Gelehrten – darunter jener von Heinrich Mann sowie große Sammlungen zu Franz Kaf ka und Kurt ­Tu­cholsky – gibt es im Literaturarchiv der Moderne eine Daueraus­stellung zu sehen, die 2015 neu konzipiert wurde. Hier kann die Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts ­a us­g ehend vom Thema des Schreibens entdeckt werden. Die aktuelle Wechselausstellung „Die Familie. Ein Archiv“ ­versucht am Beispiel von Dichter-, Künstler- und


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Stiftung Sammlung Domnick, Nürtingen, Foto: Michael Steinert,

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w w w.domnick.de

HAP Grieshaber, „Weltgericht“, 2017, Installation für die Ausstellung „Die großen Menschheitsbilder eines Ketzers“, Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen, Foto: Frank Kleinbach, Stuttgart, w w w.reutlingen.de/kunstmuseum © VG Bild- Kunst, Bonn 2018

Gelehrtenfamilien Traditionen nachzuzeichnen, den Mythen, die diese Familien umgeben, nachzugehen und Wahlverwandtschaften aufzuzeigen. Die Exponate reichen von Theodor Fontanes Familienbibel bis zu Theodor Mommsens Testament – so ­werden zahlreiche bekannte Persönlichkeiten und deren ­familiärer Hintergrund vorgestellt. Zahlreiche mittelalterliche Gebäude zeugen bis ­heute von Waiblingens früher Bedeutung als Königsgut. Erhalten ist unter anderem der begehbare Wehrgang mit ­einem T ­ orturm aus dem 13. Jahrhundert. Das heutige „Haus der Stadtgeschichte“ wurde 15 49 bis 1553 als Gerberhaus ­errichtet und gilt als das älteste profane Gebäude der Stadt. Wie der Name schon nahelegt, wird dort Stadtgeschichte präsentiert; aktuell lassen sich 100 Jahre Fotografiegeschichte in der A ­ usstellung „Das Fotoatelier Kienzle“ nachvollziehen. Seit 2008 ist die Stadt zudem mit der Galerie Stihl Waiblingen um eine weitere Attraktion reicher. Die hier ansässige Unter­ nehmensgruppe gleichen Namens, respektive Eva Mayr-Stihl, die Tochter des Unternehmensgründers, engagiert sich seit ­Jahren für ihre Heimatstadt und ermöglichte mit einer Spende den zweiteiligen Museumsneubau, ein funktionalistisches Gebäude, das überwiegend Ausstellungen mit Arbeiten auf Papier zeigt. Momentan wird dort „Scharf geschnitten. Vom Scherenschnitt zum Papercut“ präsentiert, wobei der Schwerpunkt auf Luise Duttenhofer liegt, die in Waiblingen geboren wurde. Daran anschließend wird es um die Modeillustration gehen: „Dior, Lacroix, Gaultier. Haute Couture auf Papier“ lautet dann der Titel der Schau, die auf Zeichnungen und Druckgrafiken großer Modeschöpfer und damit ihre Sicht, aber auch ihre Visionen für die Mode von morgen fokussiert. Die ehemals von Silbermanufakturen geprägte ­ostschwäbische Stadt Schwäbisch Gmünd kann mit einer gut erhaltenen Altstadt aufwarten. Hier erinnert etwa die Ott-Pausersche Fabrik an dieses Erbe und präsentiert eine Zeitreise zu den Anfängen der Industrialisierung vor rund 150 Jahren. Ursprünglich als Kunstgewerbemuseum und Schausammlung für die örtlichen Gold- und Silberschmiede gegründet, ist das Museum im Prediger eines der ältesten ­Museen im deutschen Südwesten. Es beherbergt stattliche Sammlungen, die Kirchenschätze – darunter den umfangreichsten in ganz Baden-Württemberg aus dem Gmünder Münster – ebenso enthalten wie bildende Kunst und Kunsthandwerk, das bis in die Römerzeit zurückreicht. Im ehemaligen Dominikanerkloster ist neben dem Museum im Prediger auch die Galerie im Prediger mit ihren Wechselausstellungen untergebracht. Aktuell ist dort Armin Göhringer mit seinen Holzskulpturen zu sehen, die allesamt (und trotz teils beachtlicher Fragilität) mit der Kettensäge entstanden sind. „Synapsen“ ist die Schau betitelt, die Werke aus den letzten 14 Jahren zeigt, wobei dieser Titel durchaus auch für sein gesamtes bildhauerisches Werk gelten kann, das insgesamt


109 durch spannungsreiche Bezüge auffällt. Daran anschließend wird Gerda Bier mit ihren Collagen aus unterschiedlichen ­Materialien unter dem Titel „Figur und Gehäus“ zu sehen sein. Zwei weitere Sammlungen im näheren Umkreis der Metropole Stuttgart widmen sich explizit der zeitgenös­ sischen Kunst – und könnten doch unterschiedlicher nicht sein: Die Sammlung Domnick versteht sich ihrem Gründer gemäß als „Museum zum Wohnen“. Ottomar Domnick ­beauftragte 1967 den Stuttgarter Architekten Paul Stohrer, ein Haus im Grünen mit Skulpturengarten für seine Sammlung zu er­r ichten. Bis heute hat der Besucher den Eindruck, Ottomar und Greta Domnick würden ihre Gäste gleich begrüßen, so intim ist die Ausstellungssituation in dem klaren Betonkubus mit verschiedenen, ver­s pring­ enden Ebenen, auf denen G ­ emälde Hans Hartungs, Willi Baumeisters und Fritz ­W inters neben anderen Kunst­ werken präsentiert werden. ­Industrielle Kühle prägt dagegen die Sammlung für Konkrete Kunst in Reutlingen, die im Sommer 2017 in den Besitz der Stadt übergegangen und im selben ehemaligen Fabrikgebäude wie die Städtische Galerie untergebracht ist. Dort wird ab März der Bildhauer Aron Rauschhardt als Stipendiat der HAP-Grieshaber-Stiftung mit einer eigens für den Raum konzipierten Arbeit unter den Titel „aufräumen“ gezeigt. Im Museum im Spendhaus sind derweil der „Osterritt“ und christliche Themen von HAP Grieshaber selbst zu sehen, der unweit von Reutlingen auf der Achalm die letzten 34 Lebensjahre verbrachte. Auch im TTR Tech­nologiepark Tübingen-Reutlingen werden regelmäßig Kunstausstellungen gezeigt, so wieder ab Mitte Mai die Malerin Nicole Bold. Dass Baden-Württemberg „Sammlerland Nummer eins“ ist, lässt sich gut an der Fülle der Privatsammlungen festmachen, die in den letzten Jahrzehnten teils mit eigenen Museen an die Öffentlichkeit drängten. So auch in Waldenbuch, idyllisch gelegen im Schönbuch, dem Naherholungsgebiet der Stuttgarter, wo sich das Museum Ritter befindet. „Quadratisch. Praktisch. Gut.“, so lautet der Slogan des Schokoladenherstellers, dem das Privatmuseum von ­Marli Hoppe-Ritter mit seiner quadratischen Architektur und dem Profil der Kollektion seine Referenz erweist. „Von Alu bis Zement“ zeigt Bilder, Plastiken und Objekte aus ihrer ­P rivatsammlung, die aus den unterschiedlichsten, auf den ersten Blick kunstfremden Materialien hergestellt wurden. Sie verweisen dabei auf die Ästhetik des Alltags und die Möglichkeiten der Transformation. Darauf fokussiert – allerdings mit gänzlich anderem Schwerpunkt – auch das Kunstwerk Klein mit seiner aktuellen Ausstellung: „Räumlichkeiten“ ist sie betitelt und thematisiert unser Gedächtnis an Räume, lässt dabei die ursprünglichen baulichen Gegebenheiten des Galerieraums deutlich werden, die noch verstärkt werden durch Arbeiten unter anderem von Julius von Bismarck und Sinta Werner, die sich mit den vorhandenen architektonischen Strukturen auseinandersetzten und damit die Erfahrung und Wahrnehmung von Raum thematisieren. CHRIS GERBING

Eva Borsdorf, Projektion 2008, Außenansicht TTR Technologiepark Tübingen- Reutlingen, 1. Block, 2008, w w w.ttr- gmbh.de

Ulrich Wagner, Werk aus der Serie „Mannheim“, 2007, Museum Ritter, Waldenbuch, w w w.museum-ritter.de © VG Bild- Kunst, Bonn 2018

Rolf Wicker, „Rekonstruktionsversuch“, 2018, temporäre Installation, KUNSTWERK Sammlung Klein, Eberdingen- Nussdorf, w w w.sammlung-klein.de, Foto: Jochen Detscher, © Rolf Wicker / VG Bild- Kunst, Bonn 2018


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113 Thomas Judisch

Die Wichtigkeit des Unwichtigen

Visualität wird also zugunsten sprachlicher Deskription verweigert. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkt man, mit welch s­ ubtilem Aufwand hier vorgegangen wurde: Jede Postkartenrückseite wurde im Medium der Kaltnadelradierung reproduziert und auf edles Büttenpapier übertragen. Spannend ist auch der Ort der Ausstellung. Esther und Alexander Sairally, zwei Hamburger Kunsthistoriker, haben den Drawing Room im März 2014 in ihrer Ham­burger Altbauwohnung eröffnet. Dazu das Paar: „Wir betrachten den Drawing Room bewusst nicht als White Cube, sondern als Galerie-Hybrid, der den Besuchern in salonartiger Atmosphäre eine intensive Auseinandersetzung mit aktuellen künstlerischen Positionen ermöglichen soll – sowohl in den konzentrierten Ausstellungen im Drawing Roo‘, der Begriff steht im Englischen für ‚Gesellschaftszimmer‘, als auch in den angeschlossenen Wohnräumen, in denen unsere Kunstsamm­l ung zu sehen ist.“ Das Programm dieser ungewöhnlichen Galerie konzentriert sich gattungsüber­ greifend und international auf junge, aber auch bereits etablierte künstlerische Positionen. Doch zurück zu Thomas Judisch: In vielen seiner Arbeiten bedient sich der Künstler der Methode der variierenden Nachahmung. Vergängliche Materialien, etwa Müslireste, eine Plastikfliegenklatsche oder auch ein angebissenes Stück

linke Seite von oben nach unten: Thomas Judisch, „Beelzebub“, 2015, Thomas Judisch, „After the Breakfast“, 2016, Thomas Judisch, „Selbstportrait als Knallkopp“, 2017, Thomas Judisch, „Das letzte Hemd“, 2017, Courtesy: Der Künstler und Drawing Room, Hamburg, Fotos: Thomas Judisch, Hamburg

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Der Hamburger Bildhauer Thomas Judisch fordert den ­B etrachterblick mit ebenso kleinen wie geistreichen kon­ zeptuellen Eingriffen heraus. Aktuell sind seine Arbeiten im Drawing Room in Hamburg zu sehen. Ein schlaffer, nur zur Hälfte mit Luft gefüllter Fußball liegt wie achtlos weggeworfen auf dem Parkett des Aus­ stellungsraums. Doch Vorsicht, zerbrechlich! – Der Ball im klassischen Schwarz-Weiß-Muster mit „Nike“-Logo ist gar nicht aus Leder. Das Ganze ist ein Kunstobjekt aus Keramik, das den Titel „Game Over“ (2016) trägt. Es stammt von ­T homas Judisch, der bekannt ist für seine augenzwinkernden konzeptuellen Eingriffe, bei denen mal ganz profane, mal kunsthistorisch relevante Vorlagen eine Rolle spielen. Kennzeichnend für Judischs künstlerische Strategie ist, dass Konventionen der täglichen Wahrnehmung und ästhetische Kategorien von ihm ebenso analytisch wie hintergründig-humorvoll infrage gestellt werden. So auch im Falle der eher konzeptuellen Arbeit „Masterpieces“ (2017), die jetzt – neben dem Fußball und zahlreichen weiteren Arbeiten – im Rahmen der Ausstellung „Eine Fliege mit zwei Klappen“ im Hamburger Drawing Room präsentiert wird. Ausgehend von der Beobachtung, dass in Museumsshops eine Vielzahl von Meisterwerken im Postkartenformat angeboten wird, zeigt uns der Künstler in dieser 26-teiligen Arbeit eben nicht die bekannten und vielfach reproduzierten Picassos und Botticellis, sondern lediglich die mit Bildlegenden beschrifteten Rückseiten der Postkarten. Allzu augenscheinliche


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Bis 1 2 . Apr il 2018 T h o m a s J u d i s c h , „ E i n e F l i e g e m i t z w e i K l a p p e n“ w w w . d ra w i n g ro o m - h a m b u r g . c o m A u s s t e l l u n g s k a t a l o g i m K e r b e r Ve r l a g , m i t Te x t e n v o n C h r i s t i a n e M o r s b a c h u n d S t e f a n S a n d ro c k

Pizza, werden aus höherwertigen Werkstoffen wie Bronze oder Keramik nachgeformt und so in etwas Dauerhaftes und Stabiles übersetzt. Thomas Judisch wurde 1981 in Waren (Müritz) geboren. Er hat an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und an der Hochschule für Bildende Künste Dresden studiert. Eine Reihe von Stipendienaufenthalten, unter anderem im Museum Kunst der Westküste auf der Insel Föhr im Jahr 2014, ermöglichten ihm, ortsspezifische Arbeiten zu realisieren und mit diversen bildhauerischen Materialien zu experimentieren. Um Materialität und komplexe Transformations­ prozesse geht es auch in der 2017 entstandenen Arbeit „Das letzte Hemd“. Ein weißes T-Shirt liegt ganz beiläufig auf ­einem Sideboard. Es wurde nach dem Vorbild eines getra­ genen T-Shirts aus kleingehackter Zellulose produziert, aus der dann Papier geschöpft wurde. Dann wurde eine Gussform hergestellt, mit deren Hilfe dann das superleichte T-Shirt ­gegossen wurde. Wer der Träger der Vorlage war, das bleibt ­indes unbeantwortet. „Es geht bei meinen Arbeiten häufig um fehlende ­P rotagonisten“, sagt Thomas Judisch. So fehlt auch die titel­ gebende Venus in seiner Skulptur „Venus de Medici“ (2015). Hier hat Judisch, der seine Interventionen bereits mehrfach in musealen Antikensammlungen gezeigt hat, kurzerhand die Göttin der Schönheit entfernt und lediglich das der Skulptur Stabilität verleihende Beiwerk stehen gelassen. Zudem ­präsentiert er das skulpturale Setting ganz unprätentiös auf einer gängigen Europalette. Ob die Bronzeversion einer Plastikf liegenklatsche, ein ebenfalls in Bronze abgegossenes Stück Pappe mit ­P izzaresten oder ein „duftender“ Heuhaufen, der jedoch nur aus farbigem Büttenpapier besteht: Thomas Judisch gelingt es immer wieder, hintergründige Kommentare zu oft übersehenen Alltagssituationen zu erfinden. Raumbezogene Arbeiten sind seine Stärke. Das beweist er jetzt einmal mehr mit seiner Ausstellung im Hamburger Drawing Room, wo er das salonartige Ambiente mit dezent irritierenden situa­t iven Eingriffen destabilisiert hat. „Mich interessiert die Sensibilität für bestimmte Situationen, wo man eigentlich nicht hinguckt. Das Unwichtige mache ich wichtig.“ NICOLE BÜSIN G & HEIKO KL A AS

23. März bis 20. Mai 2018 T h o m a s J u d i s c h , „ E i n G a s t u n d v i e l e M u s e n“ www. schloss- eut in . de

Thomas Judisch, Foto: Helge Mundt, Hamburg


Thomas Judisch, „Venus de Medici“, 2015, Courtesy: Der Künstler und Drawing Room, Hamburg, A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — P O R T R ÄT S

Foto: Thomas Judisch, Hamburg


TERESA DIEHL STEFAN BIRCHENEDER MARKUS EICHENBERGER WALTRAUD SPÄTH DIERK MAASS


SOMMERAUSSTELLUNG 2018 IN SALENSTEIN (CH) WWW.THE-VIEW-CH.COM


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Ute Robitschko, „Highway“, 2006, Acr yl auf Karton, 120 x 80 cm

Alle Arbeiten Courtesy: Galerie 21.06


119 Ute Robitschko

Ute Robitschko bezeichnet sich selbst nicht per se als Malerin. Eher liege die Zeichnung ihrem malerischen Schaffen zugrunde. 1968 in Eppingen geboren, lebt sie seit über zehn Jahren in Ludwigsburg. Von 1996 bis 2001 hat sie ein Studium der Freien Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden K ­ ünste Karlsruhe absolviert. Es folgte in den Jahren 2003 und 2004 ein ­E rgänzungsstudium am Institut für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin. Von 2002 bis 2007 war sie im eigenen Atelier in Potsdam und Ravensburg freischaffend tätig. Ihre Werke, darunter auch Zeichnungen und Arbeiten in Mischtechnik, sind in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten. Meisterschülerin war sie bei Gustav Kluge in Karlsruhe, also einem Maler, der sich radikal mit den Bedingungen körperlicher und geistiger Existenz des Menschen in der Welt auseinandersetzt. Ute Robitschko selbst malt in Acryl auf Plexiglas. Sie bevorzugt diesen glatten, harten und transparenten Bilduntergrund – im Unterschied zur Leinwand, die nie ihr Material gewesen sei. Das habe sie bereits während des Studiums erkannt und angefangen, mit Plexiglas zu experimentieren, das in seinem Charakter durchaus einer Druckplatte ähnelt. Anfangs in Form von Zeichnungen mit schwarzem Pinsel und ausgemalten Flächen auf kleinen Formaten, wobei Durchscheinendes offen gelassen wurde. Hierbei kam der grafische Aspekt zum Tragen, später wurden die Oberflächen dann fast vollständig opak. Generell werden ihre Bilder in Ausstellungen einige Zentimeter vor den Wänden präsentiert, sodass sie trotz aller farbigen Geschlossenheit durch diesen leicht schwebenden Z ­ ustand transparent wirken und den Betrachter irritieren: durch den matten Glanz, der den Eindruck des Surrealen und Außerweltlichen der Bildmotivik unterstreicht. Gebäude, seien sie privater, öffentlicher oder industrieller Art, sind Ausgangspunkt vieler Bildfindungen. Die Motive fallen optisch ins Auge, Architekturen im weitesten Sinne ebenso wie Autos, Schiffe oder G ­ ondeln. In jedem Fall geht es um Gehäuse, deren Innen Menschen aufnimmt. „Dort, wo der Mensch drinnen ist oder sein kann“, formuliert Ute Robitschko ihren Ansatz. Die Hausarchitekturen können dabei von ­g läsern-avantgardistischer Art sein, alternativ aus Stein oder Beton als Bungalow oder Turm. Das Wüstenrot-Hochhaus in Ludwigsburg etwa hat sie abfoto­ grafiert und unter dem Titel „Office“ in Malerei umgesetzt. Als hoch auf­ragendes Gebäude mit hell leuchtenden Fensterfronten dominiert es den rechten Bildrand. Vollkommen dem gewohnten Stadtambiente enthoben, ist es von einer Szenerie aus dunklem Meer im Mittelgrund und verschneiter Bergkulisse im Hintergrund umgeben. Vorn ist ein Sandstrand mit ­aufstrebenden Agaven auszumachen. Ute Robitschko spricht von dar­gestellten „Un-Orten“, die sich durch Menschenleere und ein

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Utopische Geflechte


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Ute Robitschko, „Fogo Island“, 2014, Acr yl auf Plexiglas, 70 x 70 cm

Ute Robitschko, „Berghotel Malta, Österreich“, 2014, Acr yl auf Plexiglas, 70 x 70 cm


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Ute Robitschko, „Office“, 2010, Acr yl auf Plexiglas, 120 x 120 cm

Ute Robitschko, „Schneehotel“, 2014, Acr yl auf Plexiglas,

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70 x 70 cm


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Ute Robitschko, „Fahrt“, 2013, Acr yl auf Plexiglas, 50 x 50 cm

Gefühl von Verlassenheit auszeichnen. Einerseits. Ande­rerseits sieht sie darin die Chance, sich „unbeobachtet“ einem neuen, unbekannten Ort zu öffnen. Wie in Kindertagen, als man sich ­geheimnisvoll umwitterten Gegenden näherte. Voller Spannung und Entdeckergeist in „einer Art Mischung aus Vorsicht, aber zugleich mit einem Gefühl von Übermut und Freiheit“. Um Emotionen wie diese wachzurufen, geht Ute Robitschko collageartig vor. Ihre reduzierten Gebäudemotive verpflanzt sie in Landschaftliches – Wald, Berge, Wasser, Sand und exotische Gewächse. Wie deplatziert wirken sie an ihren neu erfundenen Orten. Oft unter einem schwarzen wolken­losen Himmel, der von feinen weißen, b ­ isweilen ­g ratigen Lineaturen durchzogen ist, die wiederum das Grafisch-Zeichnerische betonen. Helle und dunkle Farbkontraste prallen aufeinander, um sich zu e­ inem „Anderswo“ zu fügen. Menschen in den Landschaften ­ab­zubilden, würde ihr zu erzählerisch wirken. „Ich will, dass die Bilder frei bleiben“, sagt sie über diese stillen, zeitlosen und überaus detailreich gestalteten Szenen, denen es sich schrittweise zu nähern gilt. Sie bauen sich aus Gegen­ständlichem auf und sind dennoch fiktiv. Und sie bergen eine gewisse Mystik in sich, weil sie den Betrachter ent­g egen seiner ­S ehgewohnheiten mit „­ utopischen Gef lechten“ konfrontieren. Ute ­Robitschko sieht in ­dieser Art der Malerei eine „Möglichkeit, den Ort zu wechseln oder auch etwas bisher nicht Wahrgenommenes an einem ­Gebäude neu zu sehen, es neu zu lesen“. BABETTE CAESAR

13. bis 15 . Juli 2018 Neue Arbeiten von Ute R obitschko Ar t Bodensee, Dor nbir n www. galer ie 2 106. de w w w . u t e ro b i t s c h k o . n e t


Ute Robitschko, „Salon“, 2012, Acr yl auf Plexiglas, 120 x 120 cm, Privatsammlung

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Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. - Albert Einstein

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126 Deutsches Zeitungsmuseum in Wadgassen bei Saarbrücken

Kunst und Alltag im Bergbau

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wider. „Schacht und Heim“ war grafisch aufwendig gestaltet, enthielt großformatige Fotos mit künstlerischem Anspruch und häufig auch Abdrucke von Kunstwerken saarländischer Maler mit Industriemotiven. Die Ausstellung entst and in Kooperat ion des ­D eutschen ­Z eitungsmuseums mit den Fachbereichen „Kuratieren/­Museumspädagogik“ und „Media Art & Design“ der Hochschule der Bildenden Künste Saar. Man betritt die ­R äume über ein dunkles Stollenlabyrinth und landet ­unversehens in einer typischen Bergmannsküche mit Originalrequisiten. Die nächsten Räume sind vor allem der Kunst gewidmet: Hier werden Fotos und Grafiken aus der Zeitschrift sowie zeitgenössische Arbeiten präsentiert, die sich mit dem Bergbau und seinem Erbe beschäftigen. Zeitzeugeninterviews und Geräte der Bergleute sind ausgestellt und beleuchten den beruflichen Alltag. Geschickt verweben die Ausstellungsmacher Kunst und Leben der saarländischen ­Bergleute und bieten viele Möglichkeiten zum Mitmachen. Zu den partizipativen Ausstellungsmodulen zählen unter anderem ein „Escape Room“, in dem die Besucher ­R ätsel lösen können, und ein virtueller Förderkorb, der eine Einfahrt unter Tage simuliert. Der Rundgang endet mit einer originalgetreu aufgebauten Bergarbeiter-Kneipe mit funktionierender Jukebox und spielbarem Flipperautomaten. Hier kann man verweilen und in alten Ausgaben von „Schacht und Heim“ blättern. Die Ausstellung „Schacht und Heim“ möchte den beruflichen und privaten Alltag des saarländischen Bergmanns nachzeichnen. Ausgangspunkt war die gleichnamige Werkzeitung der Saarbergwerke, die in den 1950er- und 1960er-Jahren nicht nur das Arbeitsleben der Bergleute thematisierte, sondern sich auch dem Familienleben und der Freizeit der Bergarbeiter widmete. 1970 wurde sie eingestellt. Die Zeitschrift ermöglicht heute einen lebendigen Einblick in die saarländische Arbeits- und Sozialgeschichte der Nachkriegszeit. Im anspruchsvollen Layout der Zeitschrift spiegelt sich das ganze Panorama der damaligen Lebenswelt

oben: „Schacht und Heim“, Titel der Werk zeitung der Saarbergwerke, Februar 1956 rechts: „Gute Stube“, Ausstellung „Schacht und Heim“

Fotos: © Deutsches Zeitungsmuseum, Wadgassen

BÜLENT GÜNDÜZ

Bis 30. Juni 2018 Schacht und Heim – eine Zeitschr if t f ür den saarländischen B erg mann D e u t s c h e s Z e i t u n g s m u s e u m , Wa d g a s s e n www. schacht undheim. de


06. MAI BIS 16. SEPTEMBER 2018 Ein Ausstellungsprojekt der RuhrKunstMuseen

RUHRKUNSTMUSEEN.COM


128 Inter view mit Leane Schäfer, Sprecherin der RuhrKunst Museen

Glück auf! „Wa s w i rd m i t d e n B e r g w e r k s c h ö r e n , wenn es keine B erg werke mehr g ibt?“

Kohle war gut 250 Jahre lang der gemeinsame Nenner des Ruhrgebiets. Das „schwarze Gold“ hat die Region ernährt, zusa mmengeha lten und sie wachsen lassen, hat die ­W irtschaft bestimmt und eine ganz spezielle Kultur her­ vorgebracht . Jet zt ist mit der Schließung des let zten Steinkohlebergwerks der endgültige Abschied gekommen. Der Wandel freilich ist im Revier lange schon nicht mehr zu übersehen gewesen. Diverse Initiativen wurden ins Leben gerufen, um den Übergang zu erleichtern. Die große Frage aber bleibt: Übergang wohin? Von Mai bis September 2018 wird in 17 RuhrKunst­ Museen ein gemeinsames Ausstellungsprojekt zum Thema realisiert: „Kunst & Kohle“. Anlässlich des großen Jubiläums­ events traf Katja Behrens für ARTMAPP Leane Schäfer, Direktorin des Kunstmuseums Gelsenkirchen und seit 2017 Sprecherin der RuhrKunstMuseen, dem Netzwerk der 20 Kunstmuseen der Region, zum Interview. Leane Schäfer, Foto: Ruhr Tourismus GmbH

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ARTMAPP: Frau Schäfer, zum Kohleaus ein ­Ausstellungsprojekt? Was haben „Kunst & Kohle“ miteinander zu tun? Leane Schäfer: Ganz einfach: Ohne Kohle keine Kunst! ­Konkret verdanken die Kunstmuseen im Ruhrgebiet ihre Existenz überhaupt erst der Industrialisierung durch Kohle und Stahl sowie der damit verbundenen Prosperität seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Da gibt es einen direkten Zusammenhang. Die unmittelbare Existenzsicherung durch Befriedigung der Primärbedürfnisse geht stets einher mit der Entwicklung kultureller und geistiger Bedürfnisse. Insofern ist das Ruhrgebiet immer schon auch ein Kulturgebiet ge­ wesen. Zuletzt hat die Kulturhauptstadt RUHR.2010 das schlagend unter Beweis gestellt. ARTMAPP: Um was genau geht es bei den ­Ausstellungen? Was wird es zu sehen geben? Wer nimmt teil? LS: „Kunst & Kohle“ umfasst Ausstellungen in 17 Kunst­ mu se en der R eg ion , d ie sic h 2 0 0 8 i m Vor feld der Kulturhauptstadt RUHR. 2010 zu dem bis heute bestehenden Netzwerk der RuhrKunstMuseen zusammengeschlossen ­haben. Dabei widmet sich jedes Haus einem anderen Aspekt

des Themas. So spielen natürlich die Kohle an sich, aber auch Stahl, Energie, Industrielandschaft und Architektur eine ­zentrale Rolle. Jedoch wird es nicht nur um den retrospektiven Blick gehen, sondern auch um die überzeitlichen Aspekte und die Zukunft, um Veränderung und Wandel. Die Aus­ stellungsformate bewegen sich zwischen monografischen Einzelausstellungen bekannter sowie renommierter Künstler und thematischen Gruppenschauen. Gezeigt werden klassische Medien wie Malerei und Skulptur. Aber auch Fotografien und Videos werden zu sehen sein ebenso wie eigens für die Ausstellungen konzipierte Installationen, die vielfältige ­sinnliche Erfahrungen bis hin zum akustischen oder olfaktorischen Erlebnis bieten. Die künstlerischen Positionen sind breit aufgestellt und reichen von regionalen bis zu international Künstlerinnen und Künstlern. Insofern reflektieren sie alle das Thema aus sehr unterschiedlichen Perspektiven.


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Andreas Gursky, „Hamm, Bergwerk Ost“, 2008, C- Print, © VG Bild- Kunst, Bonn 2018, Ausstellung vom 4. Mai bis 12. August 2018 im Museum Ost wall im Dortmunder U., Courtesy: Sprüth Magers


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Hendrik Dorgathen, „Die Gegenwart der Zukunft“, 1999, © Hendrik Dorgathen Ausstellung vom 6. Mai bis 16. September 2018, LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen


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LS: Die Identität des Ruhrgebiets ist die Veränderung. Unter den Bedingungen des industriellen Wandels entsteht aber auch eine kulturelle Identität, die neu und alt zugleich ist. Aus der Tradition entwickelt sich das notwendig Neue. Insofern kämpft das Revier immer noch und immer wieder um seine Identität. Und das wird so bleiben. Zugleich ist das auch der Garant für Offenheit und Toleranz gegen die Abschottung einer einmal gefundenen Identität. ARTMAPP: Was verspricht man sich von dem Projekt? Gibt es so etwas wie ein großes Ziel bei „Kunst & Kohle“? LS: Zunächst geht es darum, der Kohle Tribut zu zollen. Bei ­a llem durchaus nachvollziehbaren Bestreben zur Dekarbo­ nisierung gilt es doch anzuerkennen, dass die Kohle uns auf vielfältige Weise geprägt hat – wirtschaftlich, sozial und nicht zuletzt auch kulturell. Und das wird auf absehbare Zeit so ­b leiben. Denn der Bergbau ist durch die sogenannten ­Ewigkeitsaufgaben weiterhin präsent. Abgesehen von den geistigen und kulturellen Nachwirkungen bleiben uns selbst die Kohlekraftwerke noch einige Zeit erhalten. Nur werden sie dann mit Importkohle befeuert. Dieser Aspekt der Glo­ balisierung schafft neue Probleme. Das „große Ziel“ ist es, diesen einschneidenden geschichtlichen Zeitraum der In­ dustrialisierung nicht einfach vergessen zu machen, sondern ihn als prägend für das Bewusstsein und damit für die Identität zu begreifen. Historische und Industriemuseen mit ihren Sammlungen zum Bergbau, die Erinnerungsstätten oder Schauwerke zum Bergbau zeigen dabei andere Aspekte als Kunstmuseen. Hier geht es eher um Denkanstöße, visionäre Weltbilder und Entwicklungen.

ARTMAPP: Wird also alles, was irgendwie mit Kohle zu tun hat, bald nur noch Erinnerung sein, die im Museum auf bewahrt und gepflegt wird? Eine große Geschichte, die man seinen Enkeln erzählt? LS: Kultur verändert sich immer – und Kultur ist zugleich Konstante, ein ewiger Wert. Kohle hat einen so großen sinn­ lichen Wert, der sich als ein sehr starker Erinnerungswert erweisen wird und sich bereits ins Gedächtnis eingegraben hat. Gerade angesichts der zunehmenden Digitalisierung und der damit verbundenen Virtualisierung der Welt entsteht eine Sehnsucht nach der Unmittelbarkeit der sinnlich-materiellen Dimension. Dafür steht die Kohle als ein intensiver Erinnerungswert, der eine große Geschichte verdient. ARTMAPP: Sind mit der Schließung des letzten Steinkohlebergwerks in Bottrop die ökonomische und die soziale Komponente des Zusammenhalts im Revier nun endgültig verschwunden? Und soll bzw. kann eine ästhetische Sicht auf die Kohle den arbeitslosen Kumpeln und ihren Familien überhaupt helfen oder ihnen eine neue Perspektive für ihr Leben eröffnen? LS: Das Leben ist immer mehr als bloße Daseinsbewältigung und pures Überleben. Die Bewältigung des Alltäglichen, so notwendig es ist, kann nicht der Sinn unseres Daseins sein. Hier geht es um geistige Dimensionen. Da können die Kultur und darin die Kunst nicht nur hilfreich sein – beides ist dafür unabdingbar. Das bildet auch die Basis eines sozialen Zusammenha lt s, der sich nun nicht mehr aus den ha rten Arbeitsbedingungen gleichsam automatisch ergibt, sondern der auf der Grundlage von Bildung, Aufklärung und Kultur geschaffen werden muss. Dazu sind alle aufgefordert: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kunst. Und im Übrigen – kein Kumpel stürzt ins „Bergfreie“. Die soziale Abfederung war und ist eine der ganz elementaren Leistungen des Sozial­ staates, der auch ein Kulturstaat ist. Der sozialverträgliche Ausstieg aus der Steinkohleproduktion ist zugleich eine höchst kulturelle Leistung. ARTMAPP: Leane Schäfer – vielen Dank für das Gespräch! www. r uhrk unst museen. com w w w . r u h r- t o u r i s m u s . d e

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — R U H R K U N S T

ARTMAPP: Die Deindustrialisierung schreitet ja schon länger voran. Kämpft das Revier immer noch mit seiner neuen Identität? Worin besteht sie überhaupt?


Inter view mit Brit ta Peters, künstlerische Leiterin „Urbane Künste Ruhr“

Das große „Ruhr-Ding“ ARTMAPP: Frau Peters, was genau sind die ­Aufgaben von „Urbane Künste Ruhr“? Was ist das Besondere daran? Katja Behrens sprach für ARTMAPP mit der seit Januar 2018 amtierenden neuen künstlerischen Leiterin Britta Peters und hat gefragt, was es mit der 2012 gegründeten Institution für Gegenwartskunst auf sich hat. Schon lange ist das Ruhrgebiet vom Strukturwandel betroffen. Mit dem wirtschaftlichen Wandel gehen städtebauliche, soziale, kulturelle und ökologische Veränderungen einher. In diesem Kontext haben das Land NRW und der Regionalverband Ruhr mehrere Initiativen ins Leben gerufen, die der einstigen Industrieregion dabei helfen sollen, den Übergang in eine moderne Innovations-, Technologie-, Kultur- und Dienstleistungsgesellschaft zu meistern, und neue Perspek­t iven eröffnen. Eines dieser Projekte, die im Anschluss an RUHR.2010 entstanden sind, als 53 Städte des Ruhrgebiets gemeinsam unter dem Titel „Kulturhauptstadt Europas“ ­f irmierten, ist „Urbane Künste Ruhr“, eine dezentrale Institution für Gegenwartskunst im Ruhrgebiet.

Britta Peters: Das Besondere an „Urbane Künste Ruhr“ ist, dass wir eine Kulturinstitution ohne festes Haus sind. Unser Interesse gilt dem öffentlichen Raum als Thema und Projektstandort, aber auch der Zusammenarbeit in interdisziplinären Kooperationen und Netzwerken. Vor allem initiieren und organisieren wir künstlerische Projekte im öffentlichen Raum. Das können Ausstellungen sein, Installationen, performative und partizipative Projekte, genauso laden wir aber auch Gastkünstler ein, die eine Zeit lang hier leben und arbeiten.

Truck Tracks Ruhr, Recklinghausen, 2016, Foto: Volker Hartmann/Urbane Künste Ruhr 2016


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ARTMAPP: Welche Menschen erreichen Sie? Wer ist Ihr Publikum? BP: Das Publikum im öffentlichen Raum ist per se vielfältig. Es gibt die zufällig vorbeikommenden Passanten, die nur kurz oder auch etwas länger verweilen. Dann gibt es häufig eine Nachbarschaft, die alles über einen längeren Zeitraum beobachtet und aufmerksam begleitet, aber auch Spezialisten auf anderen Gebieten, die mit ihren Fähigkeiten in die Entstehung der Kunstprojekte eingebunden sind. Und natürlich das Fachpublikum. Eine Besonderheit ist auch, dass der Eintritt überall frei ist und dass es keine Schwelle gibt, wie es bei den meisten Museen der Fall ist. Diese demokratische Zugänglichkeit ist eines der zentralen ­E lemente in der Arbeit von „Urbane Künste Ruhr“. Insgesamt geht es um ein entspannteres Verhältnis zur Kunst – ohne Hochkultur-Bildungsdruck, wie er häufig in Schulen ver­mittelt wird. ARTMAPP: Aber ist nicht das Ruhrgebiet bereits die Region mit der dichtesten Museumslandschaft? Muss es da noch Projekte wie Ihres geben? BP: Auf jeden Fall! Das Besondere an „Urbane Künste Ruhr“ und den Projekten der beteiligten Künstlerinnen und ­Künstlern ist ja gerade die Arbeit in dem weiten Netzwerk aus verschiedenen Ins­t itutionen, Initiativen, Partnern. Auf diese Weise entstehen innerhalb des Ruhrgebiets und überregional neue Verbindungen, Gemeinschaften und Öffentlichkeiten.

BP: Mein kuratorischer Background sind Kunstprojekte im öffentlichen Raum, zuletzt die „Skulptur Projekte Münster 2017“, und die Kunstvereinsarbeit. Wichtig ist für mich die vermittelnde Funktion unseres Tuns, das Experimentelle und die Herausforderung, den schützenden Raum der Institutionen zu verlassen. Die lokalen Bedingungen im Ruhrgebiet bieten eine sehr fruchtbare Ausgangssituation, denken Sie nur an die großen Themen Arbeit und Migration, die sich ästhetisch und politisch in eine globale Perspektive überführen und weiterdenken lassen. Eine große Neuerung wird ab Frühjahr 2019 das „Ruhr-Ding“ sein, ein Ausstellungsvorhaben, das in einer Kernlaufzeit von sechs bis acht Wochen parallel etwa 15 bis 20 verschiedene Projekte zeigt. Es wird die unterschiedlichen Positionen unter einem weit gespannten thematischen Schirm in einen Dialog verwickeln. Davor wird es im Sommer 2018 einen Beitrag zur Ruhr­t riennale geben, das hat Tradition. Zudem begründen wir in Kooperation mit KunstVereineRuhr und dem Ringlok­schuppen Ruhr fünf neue Künstlerstipendien und bemühen uns, einen gemeinnützigen Materialfundus für die Region ins Leben zu rufen.

ARTMAPP: Britta Peters – vielen Dank für das Gespräch!

Britta Peters, Foto: Henning Rogge/Urbane Künste Ruhr 2018

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — R U H R K U N S T

ARTMAPP: Sie haben gerade erst die Leitung von „Urbane Künste Ruhr“ übernommen. Was hat sich in der Vergangenheit bewährt und wird fort­ gesetzt? Was werden Sie anders machen?


134 Rebecca Horn im LEHMBRUCK MUSEUM Duisburg

Schön und gefährlich R e b e c c a H o r n , d i e P r e i s t rä g e r i n d e s W i l h e l m - L e h m b r u c k - P r e i s e s 2 0 1 7, w i rd i n D u i s b u r g m i t e i n e r G e s a m t s c h a u g e e h r t , i n d e r e r s t m a l s a u c h i h r e n e u e s t e We r k g r u p p e „ H a u c h k ö r p e r“ g e z e i g t w i rd .


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Rebecca Horn, Foto: Ute Perrey, Courtesy: Sean Kelly, New York

An einer kleinen Raumbox kann man auf zwei Moni­toren die in den 1970er-Jahren entstandenen wunderbaren Perfor­ mances Rebecca Horns ansehen, etwa die Arbeit „Mit beiden Händen gleichzeitig die Wände berühren“ (1974/75), für die die Künstlerin ein Paar bizarrer Fingerhandschuhe e­ ntworfen hatte. Viele solcher seltsamen Körpererweiterungen kamen damals zum Einsatz, unter anderem auch eine Einhornkappe oder eine Bleistiftmaske, außerdem sind da noch die großen Fächer und Schwingen aus Pfauenfedern oder das in einer Filmsequenz am nackten Körper hinauf­kriechende schwarze Schamhaar. Im Innern der Videoboxen laufen zwei Filme der Künstlerin, in anderen Ausstellungsräumen bewegen sich Wand- und Bodenobjekte, fallen Violinen plötzlich krachend herab, fahren goldene Phalli in Muschelöffnungen. Stäbe, Schnecken, Spiralen, Muscheln, Schneckenhäuser gehören von Beginn an zum Repertoire der Künstlerin ebenso wie Messer, Nadeln, Hacken, Hämmer oder hochgiftiges Quecksilber. Schönheit und Gefahr liegen in der Kunst Rebecca Horns stets nah beieinander. K ATJA BEH REN S

Bis 2 . Apr il 2018 R ebecca Hor n . Hauchkör per als L ebenszyklu s L ehmbr uck Mu seum, Duisburg www. lehmbr uck museum. de

linke Seite: Rebecca Horn, „Amore Continental“, 2008, Privatsammlung, Foto: Dejan Saric, © Rebecca Horn / VG Bild- Kunst, Bonn 2017

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — A U S S T E L L U N G E N

Mit ihren poetischen Installationen, körperbezogenen Per­ formances und Skulpturen wurde sie weltberühmt – als Bildhauerin ist sie bis heute eine der international prägendsten Künstlerinnen. Die mehrmalige „documenta“- und Venedig-Biennale-Teilnehmerin war und ist ebenso Filmemacherin wie Aktionskünstlerin, sensible Zeichnerin, Literatin und Opernbühnenbildnerin. Nun erhielt Rebecca Horn (* 1944 in Michelstadt) den Wilhelm-Lehmbruck-Preis 2017 für ihr Lebenswerk, „mit dem sie die Skulptur des 20. und 21. Jahrhunderts maßgeblich geprägt hat“ – so die ­Begründung der Jury. In einer langen Reihe bekannter Kollegen – von Eduardo Chillida und Norbert Kricke bis zu Joseph Beuys und Richard Serra – ist sie, nach mehr als 50 Jahren, die erste Bildhauerin, die diesen renommierten Preis erhält. Der Museumsdirektorin und den anderen Laudatoren ist dies durchaus ein bisschen peinlich – richtig so. Verschieden lange, auf ihren Spitzen balancierende Messingstäbe bewegen sich nur ganz sanft – „Hauchkörper“ nennt Rebecca Horn diese Skulptur. Als würde ein feiner Windhauch durch Schilf streifen, so schaukeln sie sacht hin und her, asynchron, ein jeder in eine andere Richtung, ohne sich je zu berühren. Ein streng choreografiertes Schwingen in Zeitlupe, das einer ungestillt bleibenden Sehnsucht nach Nähe Ausdruck verleiht. Wer an den glänzenden Stäben ­vorübereilt, verpasst womöglich ihre sachten Bewegungen. Fast nämlich scheinen die langen Speere reglos, allein konzentriert darauf, ihr heikles Gleichgewicht nicht zu verlieren. In der Ausstellung begegnet uns im Weiteren der wunderbare „Schildkrötenseufzerbaum“ (1994), an dessen lautsprecher­ besetzten Tentakeln man gef lüsterten Geschichten von Sorgen und Kummer lauschen kann – ohne das Positive der Welt gänzlich zu verlieren. Oder das große Ei, das sanft gestreichelt wird, während ein spitz-metallischer Blitz durch es hindurchzudringen scheint. Oder eine Schreibmaschine, die von dem Liebesbrief träumt, den sie gleich schreiben wird ... Es ist diese Poesie des Mechanischen und zugleich Wundervollen, die einen unmittelbar gefangen nimmt und nicht wieder loslässt. Aggressiv und zärtlich, lustvoll und schmerzlich, Rebecca Horns Arbeiten provozieren stets mit diesem Doppelgesicht. Mit ihnen hielt einst eine ganz neue Theatralität Einzug ins Museum.


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Museumstipps in NRW

Tief im Westen F o l g t m a n d e m R h e i n n a c h N o rd e n , b i e t e n s i c h in NRW auch 2018 die verschiedensten Gelegenheiten f ür lohnende Zwischenstopps:

In Bonn lädt das nach seiner Erweiterung kürzlich wiedereröffnete August Macke Haus zu einer Entdeckungstour rund um Werk und Leben des expressionistischen Malers ein, noch etwas weiter westlich, im Max Ernst-Museum in Brühl, wird es eine Schau des legendären Choreografen, Regisseurs und Theaterautors Robert Wilson geben, in Düsseldorf ist es das Goethe-Museum, das mit einer Kunstausstellung Fragen zu Goethes Farbenlehre untersucht, und in Oberhausen, der „Wiege der Ruhrindustrie“, wird Geburtstag gefeiert, bevor es dann zum großen Ruhrgebiets-Projekt „Kunst & Kohle“ weitergeht.


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AU G U S T M AC K E H AU S , B O N N

www. aug ust mackehaus. de

Max Ernst Museum Brühl des LVR, Foto: LVR/Hans-Theo Gerhards

linke Seite: August Macke, „Gartenbild“, 1911, Öl auf Leinwand, 70 x 88 cm, Kunstmuseum Bonn, Dauerleihgabe Stiftung Kunst im L­ andesbesitz, Nordrhein-Westfalen © Kunstmuseum Bonn

ROBE RT W I L SON I M M A X E R N S T M U S E U M B R Ü H L D E S LV R

Der Allroundkünstler Robert Wilson (* 1941 in Waco, Texas) ist in diesem Frühsommer endlich wieder einmal zu Gast in Deutschland. Da lohnen ein paar kleine Umwege erst recht. Nicht nur kann man das Schaffen eines der wichtigsten Theatermacher der US-amerikanischen Avantgarde auf der Bühne der KunstFestSpiele Herrenhausen in einer szenischen Performance live erleben („Lecture on Nothing“ von John Cage, das schon bei der Ruhrtriennale 2012 als gefeierte Neuinszenierung zu sehen war), auch eine Museumsausstellung im Max Ernst Museum in Brühl erkundet das vielfältige Œuvre des bedeutenden Regisseurs und Videokünstlers. Hier wird er eine ortsspezifische Arbeit entwickeln, die sich ausführlich mit ihrem Standort auseinandersetzt. Eigene sowie Arbeiten aus seiner eigenen Sammlung werden in einen schöpferischen Dialog mit dem Werk des Hausherrn Max Ernst treten. Der Vogel als Motiv ist dabei eine Gemeinsamkeit, die sich durch die gesamte Ausstellung zieht. Sowohl in Wilsons Videoporträt von „ KOOL“, der Schneeeule, als auch in vielen surrealistischen Kompositionen Max Ernsts spielen Vögel eine zentrale Rolle – als Tier, als mythische Figur, als Märchenoder Traumgestalt. Neben den Videofilmen Robert Wilsons werden auch Zeichnungen und Skizzen sowie Theaterrequisiten Teil der Inszenierung sein. Man darf gespannt sein, ob der Künstler bei seiner Kunstausstellung ähnlich „regelwidrig“ und traumwandlerisch verfährt wie bei seinen Theaterinszenierungen. Wie mag wohl eine „Ausstellung in Trance“ ausschauen? www. ma xer nst museum. de

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„Wir Maler wissen gut, dass mit dem Ausscheiden seiner Harmonien die Farbe in der deutschen Kunst um mehrere Tonfolgen verblassen muss.“ Mit diesen Worten drückte Franz Marc im Nachruf auf den Freund und Kollegen August Macke seine Trauer aus. „Er hat vor uns allen der Farbe den hellsten und reinsten Klang gegeben, so klar und hell wie sein ganzes Wesen war.“ Bevor August Macke in den ersten Wochen des Ersten Weltkriegs an der Front mit nur 27 Jahren starb, hatte er mit seiner Frau Elisabeth und den zwei Söhnen zwischen 1911 und 1914 in Bonn gelebt und hier, im kleinen Dachatelier des großen Hauses, eine künstlerisch hochproduktive Phase erlebt. Im vergangenen Jahr, 2017, wurde das August Macke Haus nach einer umfassenden Erweiterung wiedereröffnet und ist nun fraglos ein weiteres lohnendes Ziel in der Museumslandschaft entlang der Rheinschiene. Hier ist der Maler August Macke am Originalschauplatz in Werken, Fotos, Briefen und Multimediastationen zu entdecken: Wir erfahren Familiengeschichten und etwas über seine Reisen, von Begegnungen mit Kollegen, dem Musizieren im Familienkreis. Wohnhaus und Garten mit den or ig inalen knarrenden Treppen und dem großen Tisch geben ein prächtiges Ambiente. An diesem Tisch nämlich hat nicht nur Elisabeth einst ihre Handarbeiten gefertigt, sondern hier kamen die Mackes häufig auch mit ihren Gästen und den Künstlerkollegen der rheinischen Avantgarde zusammen: Man feierte und diskutierte, schmiedete Pläne und vielleicht plante man auch die nächste künstlerische Revolution.


138 G O E T H E U N D M AC K I N D Ü S S E L D O R F

Das Düsseldorfer Goethe-Museum, zu Hause im anmutigen kleinen Schloss Jägerhof, ist nicht nur eines der drei großen Goethe-Archive und eine wichtige Forschungsstätte, sondern das Museum beherbergt mit gut 50.000 Objekten auch die weltweit größte Goethe-Privatsammlung. Nun ist Heinz Mack bis zum 27. Mai im Museum zu Gast. Seine ­A rbeiten setzen sich seit Jahrzehnten mit dem Licht und seiner Wirkung auseinander. Das berühmte Zitat aus Goethes Farbenlehre ist hier freilich nur Anlass, über eventuelle Gemeinsamkeiten oder Berührungspunkte des großen Dichters und des ZERO-Künstlers nachzudenken. Die Lichtobjekte und Lichtcollagen Heinz Macks ­r eichen zurück bis in die späten 1950er-Jahre, als Mack ­g emeinsam mit seinem Künstlerkollegen Otto Piene die Künstlervereinigung ZERO gründete. Auf der Suche nach ­einer radikalen Erneuerung der Kunst stellten die jungen Künstler alles zurück auf Null. Sie wollten einen zeitgemäßen Neustart wagen, einen Anfang, der sogar das Nichts zuließ. Bald stieß auch Günther Uecker zu ihnen und von da an revolutionierten und befreiten sie zu dritt die Kunst. Auch für die Literatur der Goethezeit war Freiheit ein zentrales Thema und Goethe seinerseits wirkte in literarischer Hinsicht als ein großer Neuerer und Experimentator. Auch wenn es etwas seltsam erscheinen mag, es gibt so manche Gemeinsamkeit zwischen dem Künstler und dem Dichter zu entdecken. Das Interesse an Licht und Farbe ist vielleicht nur die augenscheinlichste.

Heinz Mack, Ohne Titel, 2016, Acr yl auf Leinwand, 210 x 223 cm © VG Bild- Kunst, Bonn 2018


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LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen, Foto: Thomas Wolf

KO H L E I N D E R L U DW I G G A L E R I E

Vor 20 Jahren eröffnete die von Irene und Peter Ludwig ein­ gerichtete Kunststiftung mit Hauptsitz in Aachen auch eine Dependance im Ruhrgebiet: Oberhausen mit seinem kleinen klassizistischen Schlösschen war der Ort der Wahl. Seither werden dort regelmäßig Ausstellungen gezeigt, die sich aus den Beständen der riesigen Sammlung Ludwig speisen, darunter große Namen, wichtige andere Sammlungen schauen vorbei. Daneben aber gibt es auch gänzlich andere Aus­ stellungsprojekte, die die LUDWIGGALERIE stärker mit ihrem Standort verkuppeln und die enge Anbindung an die Region aufscheinen lassen bzw. suchen. In diesem Jahr, 2018, ist die LUDWIGGALERIE nun Teil des großen Ausstellungsprojekts der RuhrKunstMuseen, die das gesamte Ruhrgebiet umfasst: „Kunst & Kohle“ (siehe das Interview auf der fol­ genden Seite) – ein Ausstellungsreigen unter Beteiligung von 17 Museen, der sich eingehend mit der Kultur der Bergbau­ region befasst. Die Ausstellung in Oberhausen scheint dabei eine etwas abseitige Facette zu berühren, sie fragt nämlich, wie sich das Thema Kohle in Comics und Cartoons niedergeschlagen hat. Welche Geschichten rund ums „schwarze Gold“ wissen die Cartoonisten in ihren Bildergeschichten zu erzählen? Wie gehen die zeichnenden Scherzkekse mit den ernsten Themen rund um das „schmutzige Geschäft“ um? Ist es eventuell gerade heilsam und tröstlich, eine unbequeme Geschichte auch einmal von ihrer humorvollen Seite zu betrachten? Donald Duck als Kumpel unter Tage? Hendrik Dorgathens „Stahl­ golem“ im Bergwerkschor? Ulf K.’s „Hieronymus B.“ als Taubenzüchter? Dachma, Ulrike Martens, Kreitz und Mrozek, Walter Moers und Florian Biege ... Kumpel Anton, Opa Hausen? – Den Kennern werden die Namen sicher etwas sagen. www. ludwiggaler ie. de

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S C H L O S S O B E R H AU S E N



Abb.: Persis Eisenbeis | The rocket | 2017 | Öl auf Nessel | 120 x 100 cm

16. März – 21. April 2018: PERSIS EISENBEIS - Malerei KARSTEN KUSCH - Malerei / Zeichnungen

27. April – 23. Juni 2018: MORITZ GÖTZE - Emaille-Malerei / Zeichnungen RÜDIGER GIEBLER - Malerei / Zeichnungen

26. - 29. April 2018 paper positions berlin Galerie Tammen mit den Künstlern MARION EICHMANN - Collage / Papierschnitte / SAM GRIGORIAN - Papiercollagen Location: Deutsche Telekom Hauptstadtrepräsentanz Jägerstraße 42 - 44 / Ecke Oberwallstrasße / 10117 Berlin D-10969 Berlin • Hedemannstr. 14

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Gespräch mit Alexander Klar, Direktor des Museums Wiesbaden

Renaissance einer Kunststadt


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Das Museum Wiesbaden etwa kann in der dichten Museumslandschaft des Rhein-Main-Gebiets nicht nur mit seinen naturhistorischen Sammlungen, sondern auch mit einer weltweit einzigartigen Jawlensky-Sammlung sowie mit herausragenden Arbeiten des US-amerikanischen Minimalismus Akzente setzen, während Kunstvereine wie der Bellevue-Saal oder der 1847 gegründete Nassauische Kunstverein sich mit ihrem Programm der Kunst der Gegenwart verpf lichtet ­zeigen. Einerseits. Doch andererseits gibt es gerade einmal eine Handvoll ernst zu nehmende Galerien, dümpelt die Kunsthalle am Kunsthaus seit Jahren einigermaßen orientierungslos dahin und die Kunstlandschaft abseits der Institutionen erscheint für eine Stadt wie Wiesbaden mithin doch ziemlich überschaubar. Glaubt man dem Museum freilich, das mit der mitreißenden Ausstellung „Der Garten der Avantgarde“ gerade erst an die Sammlung Heinrich Kirchhoff erinnert hat, dann hat die Stadt auch diesbezüglich einmal bessere, ja wahrhaft glanzvolle Zeiten erlebt. Gingen doch bei besagtem seit 1908 in Wiesbaden ansässigem Sammler die Avantgarden ein und aus. Mit Max Liebermann waren die Kirchhoffs befreundet, Jawlensky ließ sich nicht zuletzt dank des Engagements des Sammlers in der Kurstadt nieder und wären nicht die Nazis an die Macht gekommen, wäre die hochkarätige, rund 800 Werke umfassende Sammlung womöglich nicht in alle Winde zerstreut worden, sondern an das Museum gegangen. Mit dem Haus nämlich war er eng verbunden und die Sammlung hier zu Kirchhoffs Lebzeiten mehrfach vorgestellt worden. Allein, alles Klagen hilft nicht. Und wenn nun dieser Tage allenthalben wieder von Wiesbadener Sammlern die Rede ist, die wie das Ehepaar ­S onja und Reinhard Ernst auf einem prominenten, in Erbpacht überlassenen Grundstück an der Wilhelmstraße auf eigene Kosten ein Museum errichten oder wie Frank Brabant der Sammlung des Museums Wiesbaden rund 300 Werke als Schenkung überlassen will, dann möchte es beinahe scheinen, die Landeshauptstadt Hessens erhalte nun, 100 Jahre nachdem die verlorene Sammlung Kirchhoff erstmals im Museum zu sehen war, noch einmal eine Chance. Was das bedeutet, für die Stadt, für das Museum und die Kunst, dazu hat ARTMAPP den Direktor des Museums Wiesbaden, Alexander Klar, befragt. Das Gespräch führte Christoph Schütte.

Blick in die Ausstellung „Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde…“ mit einem Foto des Sammlers in seinem Garten, um 1926, Foto: Bernd Fickert, © Museum Wiesbaden

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Es ist müßig, groß zu lamentieren. Sich vorzustellen auch, was gewesen wäre, wenn ... Und doch kam man in den vergangenen Monaten kaum umhin, sich derlei auszumalen. Dass nämlich die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden, die sich noch immer gern im Glanz vergangener Zeiten sonnt, eine veritable Kunststadt hätte werden können. Sicher, auch heute ist die um 1900 blühende Kurstadt keineswegs Provinz.


Julian Rosefeldt | Albrecht Dürer | Johannes Gerson

18.03.–26.08.2018

DER FALL DER STERNE

© Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen. Foto: Anne Gold, Montage: Uwe Eichholz


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Alexander Klar, Direktor Museum Wiesbaden, Foto: Arne Landwehr © Museum Wiesbaden

Alexander Klar: Die Qualität der Sammlung von Reinhard Ernst konnte ich bereits 2011 kennenlernen, damals beim ­v irtuellen Durchblättern der Datenbank. Was mich damals sofort sehr beeindruckt hat, war die Breite dieser Kollektion, ein Panorama der abstrakt-gestischen Malerei der Mitte des 20. Jahrhunderts, von der heute zwar die Spitzenkünstler zum allgemeinen Kanon gehören, aber längst nicht die ungeheure Bandbreite der Malerei dieser Zeit. In der Sammlung von Reinhard Ernst erschließt sich die Vielfalt der Positionen der abstrakten Malerei der 1940er-, 1950er- und 1960er-Jahre in Europa, Amerika und Japan. Und zur Breite hinzu kommen die Spitzenwerke von Morris Louis, Helen Frankenthaler, Robert Motherwell, K. O. Götz oder Antonio Saura, um nur fünf der vielen großen Namen der Sammlung Ernst zu nennen. ARTMAPP: Und? Fürchten Sie sich schon? Immerhin wird der Bau geradewegs gegenüber von Ihrem Haus entstehen. AK: Wie sagt man so schön: Wettbewerb belebt das Geschäft ... Das Museum Ernst wird den Kulturstandort Wiesbaden gewaltig stärken und das hilft auch uns. Also nein – keine Angst. Zwischen Reinhard Ernst und mir besteht Einigkeit in der Erkenntnis, dass die beiden benachbarten ­Museen nur voneinander profitieren können. Beide Häuser haben durch ihre Sammlungen klare Profile, die jeweiligen Bestände ergänzen sich gut und schließlich gibt es eine historische Mission, welche uns zusammenbindet: Die Sammlung Ernst spiegelt auf ideale Weise eine der wichtigsten Ausstellungen im Museum Wiesbaden wieder: Die 195 7 hier organisierte Schau „Couleur vivante“ war eine der frühesten Präsentationen des Informel in Deutschland und damit ein Ausgangspunkt der Wiedergeburt der deutschen Malerei nach dem Nationalsozialismus.

ARTMAPP: Wie wird sich das Haus positionieren? Und was bedeutet das für Wiesbaden? AK: Dass die Sammlung Ernst als Spezialmuseum für ­abstrakten Expressionismus, Informel und Gutai deutschlandweit einzigartig dastehen wird, das ist eine sehr komfortable Position. Und da der Inhalt der Kollektion seinen eben genannten historischen Ursprung in Wiesbaden hat, ist sie hier auch noch sehr à propos positioniert. ARTMAPP: Gerade erst ist im Museum Wiesbaden die Ausstellung „Der Garten der Avantgarde“ zu Ende gegangen, die an die Sammlung Kirchhoff erinnerte und damit auch an eine glanzvolle Vergangenheit Wiesbadens als Kunststadt. Und ohne die Exponate der Sammlung Hanna Bekker vom Rath, die 1987 nach Wiesbaden gelangten, wäre der Bestand der klassischen Moderne des Museums ungleich ärmer. – Hat sich die Bedeutung von Stiftern in den vergangenen 100 Jahren verändert? AK: Für Wiesbaden würde ich sagen, dass sie sich in der Qualität und zum Positiven gewandelt hat. Im vergangenen Jahr schenkte das Ehepaar Neess dem Museum Wiesbaden seine Jugendstilsammlung im Wert von rund 42 Millionen Euro – ohne Bedingungen, die das Museum nicht leisten könnte. Diese Sammlung wird im Südflügel des Hauses ab Sommer 2019 dauerhaft präsentiert werden, die Planung geschieht in enger, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den beiden Schenkern, die ihre Expertise einbringen, sich aber nicht aufdrängen. Sie tun dies, weil sie unsere Expertise achten und unsere inhaltliche Wertschätzung ihrer Sammlung spüren. Und ihnen liegt sowohl ihre Sammlung als auch – und das ist wichtig – das Museum Wiesbaden sehr am Herzen. Das ist die besondere Qualität dieser großen Schenkung an unser Haus.

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ARTMAPP: Als die Idee aufkam, in Wiesbaden einen Museumsneubau zu errichten für die Sammlung Ernst, ist viel über deren Qualität spekuliert worden. Haben Sie sie inzwischen sehen können?


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ARTMAPP: Frank Brabant hat anlässlich seines 80. Geburtstags dem Museum eine bedeutende Schenkung in Aussicht gestellt. Können Sie Näheres dazu sagen? AK: Frank Brabant wird dem Museum Wiesbaden und dem Staatlichen Museum Schwerin, also seiner Heimatstadt und seiner Geburtsstadt, seine Sammlung als gemeinschaftliche Stiftung zukommen lassen. Eine entsprechende Vereinbarung dazu haben wir im November 2017 in Schwerin anlässlich der Eröffnung der Ausstellung seiner Sammlung dort unterzeichnet. ARTMAPP: Wie fügt sich das in den Bestand Ihres Hauses? AK: Die Kuratoren beider Institutionen haben den Gesamtbestand gesichtet und nach Anbindung an das jeweilige Museumsprofil auf die beiden Häuser verteilt, wobei der gegenseitige Austausch von Werken der Sammlung in Zukunft sicher ein schönes verbindendes Element der beiden Museen werden wird. Im Fall des Museums Wiesbaden ergänzt die Sammlung Frank Brabant unseren Sammlungsschwerpunkt Expressionismus mit großartigen Werken und erweitert unser Spektrum der Kunst aus den 1920er-Jahre.

ARTMAPP: Nun ist in den vergangenen Jahren immer wieder von großen Sammlern und ihren Kollektionen die Rede, vom Einfluss, den sie auf den Kunstmarkt ebenso nehmen wie auf die Museumslandschaft. Wie sehen Sie das? AK: Museen sollten und können da sehr selbstbewusst sein. Wir, die öffentlichen Museen, sind der Maßstab für das, was relevant ist und was bleibt. Keine finanziell noch so potente Einzelperson ist in der Lage, zu definieren, was die für unsere Kultur bedeutsamen Positionen sind, auch nicht mit einem Heer von Art Consultants. Es sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die Kuratorinnen und Kuratoren öffentlicher Institutionen, die unter Einbezug ihres objektiven Wissens wie auch der eigenen Intuition und im Dienste ihres öffentlichen Auftrages, den sie wahrnehmen, die für unsere Gesellschaft repräsentativen kulturellen Entscheidungen treffen. Nichts gegen François Pinault, aber dieser Mann sammelt für sich, allein nach seinem Geschmack, auf seine Kosten und zum Besseren der eigenen Luxury Brands. Er repräsentiert: sich selbst. Das ist der Grund, warum ich Ausstellungen wie die seiner Sammlung im Museum Folkwang für eine Bankrotterklärung eines öffentlichen Hauses vor sich selbst halte. Mag der Mann als Sammler Einf luss auf den Kunstmarkt haben, auf uns hat er keinen – und wir definieren, was bleibt, nicht er. ARTMAPP: Alexander Klar – vielen Dank für das Gespräch! www. museum-wiesbaden. de

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Museum Wiesbaden, Fassade Juni 2014, Foto: Arne Landwehr, © Museum Wiesbaden


Frick und Frack Nov. 1946, © Gabriel moulin Studios, San Francisco / Peter Fischli / David Weiss Dr. Hofmann auf dem ersten LSD-trip I, 1981/ 2013, aus der Serie «Plötzlich diese Übersicht», Emanuel Hoffmann-Stiftung, Geschenk von Peter Fischli 2015, Depositum in der Öffentlichen Kunstsammlung basel, Foto: tom bisig, basel / Giorgio de Chirico L’énigme de la fatalité, 1914, Emanuel Hoffmann-Stiftung, Geschenk der Stifterin maja Sacher-Stehlin 1953, Depositum in der Öffentlichen Kunstsammlung basel, Foto: bisig & bayer, basel, © 2017, ProLitteris, Zurich

BASEL SHORT STORIES

VoN ErASmuS bIS IrIS VoN rotEN

10. 2. —— 21.5.2018 Neubau: St. Alban-Graben 20



149 Die neue M annheimer Kunsthalle – Inter view mit Direktorin Ulrike Lorenz

Ort der Begegnungen Es ist zurzeit der größte Museumsneubau in Deutschland, entworfen von den Hamburger Architekten gmp – von ­Gerkan, Marg und Partner. Zur offiziellen Übergabe kam im Dezember 201 7 sogar Bundespräsident Frank-Walter ­Steinmeier nach Mannheim. Zuvor konnten die Bürger der Stadt bei den „Tagen der offenen Tür“ ihre neue Kunsthalle schonmal in Augenschein nehmen, zumindest die Archi­ tektur. Denn nur wenige Kunstwerke, unter anderem von Rebecca Horn, Anselm Kiefer, Alicja Kwade und William Kentridge, waren bereits installiert. Erstmal stand der Neubau selbst im Mittelpunkt. Beim „Grand Opening“ am 1. Juni 2018 wird er dann – verbunden mit dem Jugendstilbau von ­Hermann B ­ illing aus dem Jahr 1907 – offiziell neu eröffnet. Zum Auftakt gibt es die Neupräsentation der Sammlung und eine mit internationalen Leihgaben bestückte Ausstellung des kanadischen Fotokünstlers Jeff Wall. Kim Behm sprach für ARTMAPP mit Ulrike Lorenz, der ­ irektorin der Kunsthalle. D

Ulrike Lorenz: Wir nennen es „Stadt in der Stadt“: die Öffnung des Museums, was wir tatsächlich ernst meinen. Das ist nicht neu, aber das Besondere an der Kunsthalle Mannheim ist, dass uns das Architekturkonzept in diesem Wunsch ­u nterstützt, das Haus für die Gesellschaft zu öffnen, den ­Status als Elfenbeinturm komplett zu verlieren. Wir sind ­eines der wenigen Museen, bei dem Architektur und Mu­ seumskonzept eine wirkliche Einheit bilden. Wir werden ein Haus sein, das zur Benutzung einlädt, und der Neubau bietet uns die Grundlage dafür. „Stadt in der Stadt“ bedeutet: Es gibt einen Platz in der Mitte des Museums, das Atrium, das man als Forum oder Agora bezeichnen kann, also einen Treffpunkt freier Bürgerinnen und Bürger zum Austausch miteinander. Und um diesen Platz herum stehen die „Ausstellungshäuser“, die auf drei Ebenen 250 bis 450 Quadratmeter große Kuben beinhalten, unsere Kunsträume. Es gibt Terrassen, Brücken und Wege, das heißt, wir docken an Erfahrungen und Be­ nutzungsmuster an, die jeder von uns aus Städten kennt. Unser Wunsch war ein Museumsgebäude, das so nur in Mannheim stehen kann. Die Architekten haben die Schachbrettstruktur der einstigen barocken Idealstadt aufgegriffen, sodass der Neubau wie eine kleinere, verdichtete „Qua­drateStadt“ wirkt.

Ulrike Lorenz, Direktorin der Kunsthalle Mannheim

linke Seite: „Tagen der offenen Tür“ im Neubau der Kunsthalle Mannheim

Fotos: © Dietrich Bechtel

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ARTMAPP: Was ist das Besondere an Ihrem ­Neubau, welches Konzept steht dahinter?


150 ARTMAPP: Es gibt ja sehr viel umbauten Raum, viel Raum zum Flanieren … UL: Es ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Kunsträumen, die sehr zurückhaltend und mit zwei Sei­ tenlichträumen für unsere Skulpturensammlung auch maßgeschneidert gestaltet sind, und dem öffentlichen Innenraum, der atemberaubend ist. Er wirkt fast wie eine Kathedrale, wenn man im Atrium steht. Wir glauben, dass es ganz ­wesentlich ist, dass das Kunsterlebnis, ein oft sehr privates ­E rlebnis, das Ruhe braucht, ausbalanciert wird durch dieses Öffentliche der Institution Museum. Hier ist dann Bewegung, da kann es auch mal laut werden, weil verschiedene Interessen zusammentreffen. Ich denke, dafür ist genügend Raum in ­diesem Neubau. Er wird die Leute einfach mitnehmen, sie mit diesem „Wow“-Erlebnis herausheben aus dem Alltag, um dann wieder Konzentration zu ermöglichen, wenn man in die Kunsträume tritt. ARTMAPP: Im eintrittsfrei zugänglichen Atrium wird auf der „Collection Wall“ die komplette Sammlung digital zu besichtigen sein … UL: Ja! Mit unserer „Collection Wall “ kann man die ­S ammlung interaktiv erleben. Im Juni werden wir mit ­zunächst circa 4.000 Werken starten. Mittels der „Collection Wall“ kann ich mir als Besucher eigene Führungen zu­ sammenstellen und I­ nformationen auf mein Handy laden. Ich kann aber auch m ­ eine Vorstellung von Kunst, beispielsweise meine Favoriten oder meine Führung, für andere Besucher hinterlassen. So ­eröffnen wir die Möglichkeit, dass Besucher mit Besuchern kommunizieren, und zwar ohne das Museum als Kontroll­institution. Das ist revolutionärer, als es klingt! Die „Collection Wall“ ist aber nur ein einzelnes Werkzeug unserer ganzheitlich gedachten digitalen Strategie. Sehr wichtig wird auch unsere Multimedia-App sein. Wir streben da – nach dem Städelmuseum – eine Pionierrolle zumindest in Deutschland an. ARTMAPP: Wenn alles digital erreichbar ist, ­warum soll ich dann noch Eintritt zahlen, um ins Museum zu gehen? UL: Diese Befürchtung bestand noch vor zehn Jahren, ganz am Anfang der Digitalisierung in Museen, sie hat sich aber nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Wenn mittels Digita­ lisierung zugleich die internationale Wahrnehmung des Hauses deutlich gestärkt wird, wenn es also aus den analogen Mauern herausbricht in die Netzöffentlichkeit, dann kommen tatsächlich auch viel mehr Menschen irgendwann einmal an den realen Ort. Für uns ist ein anderes Problem viel schwerwiegender: Wenn es interessante digitale Angebote gibt, richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Handy und nicht auf die Wand oder in den Raum, und genau das wollen wir ja ­verhindern. Wir arbeiten daran, dass das Digitale wirklich eine Vertiefungsebene für die analoge Erfahrung bietet und damit zu einer Steigerung und Bereicherung der Wahr­ nehmung führt.

ARTMAPP: Blockbuster-Ausstellungen sind ­immer gut besucht, jenseits davon hat man als Besucher mitunter den Luxus, fast alleine zu sein mit der Sammlung … UL: Dass durch Sammlungssäle sozusagen der Wind pfeift, kommt daher, dass es Museen gibt, die ihre Exponate zehn, 20 Jahre oder länger hängen lassen. Und das wird es bei uns nicht geben. Mit unserem Konzept „Museum in Bewegung“ planen wir einen dynamischen Umgang mit unseren Sammlungen. Das heißt, wir werden Sammlungspräsentationen eher wie Ausstellungen behandeln. Das ermöglicht uns, ständig neue Zusammenstellungen, auch unkonventioneller Art, zu e­ r­proben. Und wir hoffen, das Publikum damit viel stärker in die Sammlungsräume hineinzuziehen und an unseren ­Ü berlegungen teilhaben zu lassen. Es wird immer wieder ­etwas Neues, auch Kontroverses zu entdecken geben. ARTMAPP: Die Mannheimer Sammlung ist ­berühmt für ihre Skulpturen. Inwiefern nimmt der Neubau darauf Rücksicht, bleibt der Fokus auf der Skulptur? UL: Die Architekten sind auf diesen Schwerpunkt eingegangen, indem sie zwei verschieden proportionierte, sehr schöne Seitenlichträume geschaffen haben: einen etwas kleineren Nordlichtraum, der auf den Friedrichsplatz zeigt, und einen großen Südlichtraum, von dem aus man auf den Jugendstilbau und den Mannheimer Stadtteil Schwetzingerstadt blickt. Allein durch das diametrale Tageslicht wirken diese beiden Räume vollkommen verschieden. Das ist wirklich eine ­R iesenüberraschung! Dort werden wir sehr differente Ein­ blicke in unsere Skulpturensammlung inszenieren können. Vor dem Jugendstilbau soll außerdem die Straße zu einem Skulpturenplatz werden. Und es steht bereits eine wichtige Neuerwerbung vor dem Eingang am Friedrichsplatz: von Dan Graham. Das ist eine ganz bewusste Setzung vor dem Kunstmuseum dieser Stadt. Dessen offene, elegante, gläserne Pavillonarchitektur verkörpert einen erweiterten Skulp­ turenbegriff, der mit Wahrnehmung und Raum arbeitet.


ARTMAPP: Auch die lange im Depot verborgene kunstgewerbliche Sammlung wird künftig in einer eigens entworfenen variablen Regallandschaft mit Sockeln und Vitrinen präsentiert werden.

Neubau der Kunsthalle Mannheim, Foto: gmp / H.G. Esch

UL: Der Gedanke des „Museums in Bewegung“ ist, alle Teile der Sammlung zu aktivieren. Der dritte Direktor des Hauses (Walter Passarge, Anm. d. Red.) ist den Nationalsozialisten ideologisch entwischt, indem er etwas gesammelt hat, das keine politischen Fragen aufwirft. So entstand unsere Werkkunstsammlung, die noch nie angemessen dargestellt worden ist. Mit der geplanten Regallandschaft, die einen ganzen ­Kubus ausfüllen wird, wollen wir diesen Schwerpunkt erstmals fast komplett ans Tageslicht heben; viele Menschen kennen diesen Sammlungsteil gar nicht.

UL: Auf jeden Fall! Die Jeff-Wall-Ausstellung ist bereits eine Kooperation mit dem MUDAM – Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean in Luxemburg. Wir hatten natürlich immer internationalen Leihverkehr, aber Allianzen, bei denen man gemeinsam längerfristig an einem Ausstellungsprojekt oder einer wissenschaftlichen Publikation arbeitet, waren bislang sporadisch. Das wird uns in Zukunft stetig begleiten, weil es letztlich ressourcenschonend ist und Synergieeffekte erzeugt, auch in Bezug auf Besucherströme. Für die nächste Aus­ stellung „Konstruktion der Welt: Kunst und Ökonomie“ ab Oktober 2018, in der wir die Neue Sachlichkeit international kontextualisieren, gibt es etwa Projektpartnerschaften mit der Tretjakow-Galerie in Moskau und dem Smithsonian American Art Museum in Washington, die uns nicht nur mit Leihgaben, sondern auch bei der wissenschaftlichen Vorbereitung der Ausstellung unterstützen.

ARTMAPP: Würden Sie uns eine kleine Vorschau auf das nächste Jahr geben? UL: Im Herbst 2019 wird es eine große Ausstellung geben, in der wir den französischen Maler-Bildhauer Henri Matisse im internationalen Kontext seiner Zeit verorten. Weiterhin nehmen wir immer wieder Impulse auf, die für die Geschichte des Hauses eine Rolle gespielt haben, und entwickeln daraus Ausstellungsprojekte, so 2020 mit der Ausstellung „Der Genius im Kinde“, mit der wir aus aktueller Perspektive an Gustav Friedrich Hartlaub, den zweiten Kunsthallen-Direktor erinnern, der Kinderzeichnungen von Künstlern gesammelt hat. Vor allem aber wird es verschiedene Formate für die Auseinandersetzung mit der Kunst unserer eigenen Zeit geben. Die Kunsthalle Mannheim will ein offener Ort des Diskurses sein, an dem Menschen spüren können, wie sich Kunst und Künstler weiterentwickeln. Wir halten auch Streit aus. ARTMAPP: Ulrike Lorenz – vielen Dank für das Gespräch! www. k uma. ar t

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ARTMAPP: Jetzt entspricht die Kunsthalle den internationalen Standards des Leihverkehrs. Ist das auch der Startschuss für mehr internationale Zusammenarbeit?


BRAUNSCHWEIG halle 267 – städtische galerie braunschweig

Nächste Ausstellungen Sommer 2018: Bjørn Melhus Herbst 2018: Ute Heuer

www.braunschweig.de/halle267 Hamburger Straße 267 38114 Braunschweig

Nullserie I-VI von Hanna Nitsch in der halle267 (01.2018), Foto: Stadt Braunschweig / Daniela Nielsen

NEU IN



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Zwolle, Brüssel und Luxembourg

Modern Benelux VON CARSTEN PROBST

Aus anderer Sicht: Die Neo-Rauch­Retrospektive im Museum de Fundatie in Zwolle

Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer – und jetzt Neo Rauch: Im niederländischen Zwolle hat man die ostdeutsche figurative Malerei für sich entdeckt. Man widmet den „Neorealisten“, wie man sie hier nennt, Überblicksausstellungen und bringt ihnen eine unverkrampfte Wertschätzung entgegen, wie sie in Westdeutschland kaum denkbar erscheint. Eigentlich ist es Neo Rauch seit Langem leid, dass seine Malerei immer nur in Retrospektiven gezeigt wird. Retro­spektiven lassen ein Werk als historisch erscheinen, und das heißt: als nicht mehr wirklich aktuell. In Zwolle aber scheint er das in Kauf zu nehmen, denn dort widmet man sich im Museum de Fundatie bis zum 3. Juni seinen Arbeiten mit so inständiger Neugier, wie Rauch es in Deutschland vermutlich nur noch selten erlebt. Gern erzählt Ralph Keuning, der Direktor des Museums, wie er sich bei Rauchs Galerie Eigen+Art in Berlin um ein Gemälde für die Sammlung des Hauses bemüht und es zuerst nur geheißen habe: Keine Chance, die Werke der nächsten Jahre sind alle schon bestellt, und im Übrigen wären sie für das Museum unerschwinglich. Dann aber habe sich Rauch selbst, als er davon gehört habe, um eine Lösung bemüht, es habe dann ein Angebot zu vergünstigten Konditionen gegeben. Und mit vereinten Kräften habe das Museum schließlich die Mittel aufgetrieben. Seitdem hängt das seinerzeit noch taufrische Gemälde „Gewitterfront“ von 2016 im Museum de Fundatie, und auch aus Dankbarkeit veranstaltet Keuning nun eine große Retrospektive mit 65 Werken aus der Zeit zwischen 1993 und 2017. Mit der Malerei in Ostdeutschland war Keuning in der unmittelbaren Nachwendezeit in Berührung gekommen, als er an der Neuen Nationalgalerie in Berlin arbeitete. Schon die ­A nkündigung der Rauch-Ausstellung verrät seinen ganz speziellen Blick auf diese Kunstregion. „Aufgrund der in Leipzig

Neo Rauch, „Gewitterfront“, 2016, Öl auf Leinwand, 150 x 100 cm, Sammlung Museum de Fundatie, Zwolle und Heino/Wijhe, Foto: Uwe Walter, Berlin, © Neo Rauch / VG Bild- Kunst, Bonn 2018


155 vorherrschenden Konzentration auf Malerei und die figurative Darstellung verblieb die dort entstehende Kunst außerhalb der Modest römungen der internat ionalen Kunstwelt“, heißt es da. „Die Werke Neo Rauchs überwanden diese Isolation und ernteten seit den 1990er-Jahren weltweit Lob und Bewunderung.“ Eine so unbefangene Ausblendung der Ost-West-Spaltung in der Kunstre­z ep­ t ion m a g ei nen ­d eut schen Bet r achter i m mer noch befremden. In den Niederlanden hingegen bewundert man einfach die erzählerischen Qualitäten dieser Malerei und im

Übrigen – ganz bodenständig –, dass diese Bilder scheinbar noch etwas über die sichtbare Welt mitteilen wollen. Es darf dann, wie im Falle Rauchs, gern auch ein wenig düster und rätselhaft sein. Befreit von der Engherzigkeit einer fort­ dauernden deutsch-deutschen ­Nabelschau, wirken Rauchs Gemälde hier ganz unverhofft tatsächlich wie Botschaften aus einem anderen Land, das s­ eine Nachbarn immer wieder vor große Rätsel stellt. www. museumdef undat ie. nl

Fernand Léger, „Deck eines Schleppers“, 1920, Centre Pompidou/Musée national d’art moderne, Paris, © VG Bild- Kunst, Bonn 2018

In Kooperation mit den Centres Pompidou Paris und Metz zeigt das BOZAR in Brüssel bis zum 3. Juni eine sehenswerte Schau zum Werk des französischen Avantgardemalers ­Fernand Léger, den alle Welt für seine Röhrenbilder mit spielzeugartigen ­M aschinenmenschen kennt. Die Ausstellung gewinnt dem Gesamtwerk viele bislang wenig bekannte ­Facetten ab. Fernand Léger einfach zu den Kubisten zu zählen, das wäre mit den Erfindern des Kubismus, mit Georges Braque und Pablo Picasso, nicht zu machen. Léger, Delaunay und all die anderen „Salonkubisten“ verwässerten für Picasso die

Grundlagen, indem sie Formen nicht aus der Malerei selbst gewannen, sondern durch äußere Themen. Im Fall Légers waren die „von außen“ kommenden Hauptthemen der technische Fortschritt, die Großstadt und die Welt der Maschinen. Dass ein Kritiker ihn zu Lebzeiten statt als Kubisten als „Tubisten“, als Röhrenkünstler, bezeichnete, hängt mit Légers als „unmalerisch“ angesehener Haltung zusammen, die sich in einem Wandtext in der Ausstellung widerspiegelt: „Die Existenz der schöpferischen Menschen ist um so vieles intensiver und komplexer als die in früheren Jahrhunderten“, hielt Léger 1914 in einem Tagebuch fest. Und weiter: „Ein moderner Mensch

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Schönheit ist überall: Retrospektive von Fernand Léger in Brüssel


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registriert hundertmal mehr sensorische Eindrücke als ein Künstler des 18. Jahrhunderts: so viele, dass beispielsweise unsere Sprache heute voller Verkleinerungen und Abkür­ zungen ist.“ Er konstatierte, dass sich die Malerei verändert habe, weil eben auch die Realität eine veränderte sei. Damit widerlegte Léger das Klischee vom Künstlerhelden der modernen Avantgarde als Schöpfer einer „neuen“ Welt aus dem Geist der Kunst. Léger, das verdeutlicht diese so unprätentiös wie sachlich und dabei mit großartigen Leihgaben aus dem Centre Pompidou gehängte Ausstellung, verstand sich als Interpret, nicht als Schöpfer von Realität, und er suchte mit den Mitteln der Malerei sowie anderer Medien die Kommunikation über die neue, technische Realität mit einem möglichst breiten ­P ublikum. So beispielsweise mit einem Filmexperiment. 1924 und damit zehn Jahre vor Chaplins „Modern Times“ realisiert

Léger mit einigen Künstlerkollegen den aus aneinandergeschnittenen Schnipseln collagierten Stummfilm „Ballet Mechanique“, in dem er Bildwelt, Unterhaltungsindustrie und Film als beschleunigtes Bildmedium miteinander zu ­verbinden suchte. In den 1930er-Jahren interessiert er sich vermehrt für Werbung und Typografie und wirkt in manchen Arbeiten wie ein früher Vordenker der Pop-Art. Sein Interesse an Bewegung und Wiederholung entdeckte schließlich den Zirkus, seine Figuren wurden organischer, tänzerischer; schließlich erschloss er sich Naturformen als Gegenwelt zur modernen Stadt, indem er sich von Fotografien inspirieren ließ. In ­seinem Spätwerk – er war wie Picasso inzwischen der Kommunistischen Partei Frankreichs beigetreten – entwarf er geradezu anrührend naive Visionen von der Versöhnung der modernen Arbeitswelt mit der Natur. w w w . b o z a r. b e

Die neue Direktorin des MUDAM Luxemburg: Suzanne Cotter über Ihre Ziele Nach dem Aufruhr um die Demission des bisherigen Direktors Enrico Lunghi war das Musée d’art moderne Grand-Duc Jean in Luxemburg, kurz MUDAM, seit Ende 2016 quasi ohne Führung. Am 1. Januar 2018 trat nun Suzanne Cotter die ­Nachfolge in dem monumentalen Museumsbau von Ioeh Minh Pei auf dem Kirchberg an. Die Verpflichtung Cotters, die in­ternational zu den renommiertesten Kuratorinnen für Gegenwartskunst gehört und bislang das Museu Serralves in Porto leitete, wurde in der Kunstwelt als Coup und kleine ­Sensation aufgenommen. Über ihren Start und ihre ambitionierten Vorstellungen für das Luxemburger Haus sprach mit ihr für ARTMAPP Carsten Probst. ARTMAPP: Suzanne Cotter, die Gründung des MUDAM 2006 und auch die Amtszeit ihres ­Vorgängers Enrico Lunghi verliefen nicht ganz konfliktfrei. Lunghi wollte als eine Art Pionier den Luxemburgern die Gegenwartskunst ­nahebringen – auch im Wettbewerb mit Museen in Belgien, Frankreich und Deutschland. Was werden Sie anders machen?

Suzanne Cotter © Marion Dessard / Mudam Luxembourg

Suzanne Cotter: Ich bin gerade erst im Übergang vom Museu Serralves zum MUDAM und verbringe noch viel Zeit damit, zu erkunden, was bis jetzt hier ganz gut funktioniert hat. Was ich schon sagen kann, ist: Dieses Haus wird in jedem Fall weiterhin seine Mission verfolgen, die interessanteste Kunst unserer Zeit zugänglich und sichtbar zu machen. Der Begriff „Gegenwartskunst“ ist ja seit Langem umstritten. Viele denken dabei nur an den westlichen Kunstmarkt. Andere ­sehen das als Synonym für alles, was ihnen schwer verständlich vorkommt. Aber inzwischen hat das Zeitgenössische ja selbst ­einen historischen Stammbaum ausgebildet. In einem Museum muss man das berücksichtigen – mit der eigenen Sammlung, aber auch durch multidisziplinäre Programme. Meine Vision für das MUDAM ist: Künstler sollen es ge­stal­ ten, mit Kunst, mit Stipendien und nicht zuletzt mit dem Engagement verschiedener Öffentlichkeiten. Das MUDAM soll ein Referenzprojekt für die Gegenwartskunst sein – in Luxemburg und in Europa. Kunst global als Teil des Lebens zu verstehen, das ist die Aufgabe.


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SC: Das ist Kunst doch schon von Natur aus! Wir haben vielleicht noch nie einen historischen Moment erlebt, in dem die Kunst und ihre Institutionen so politisiert waren wie jetzt! In meinem ersten Jahr werde ich vor allem versuchen, ein größeres und heterogenes Publikum zu erreichen. Wir müssen hinterfragen, wie wir die Leute im Museum ansprechen, und auch, wen wir ansprechen wollen! ARTMAPP: Wie empfinden Sie die Architektur des Hauses von Ieoh Minh Pei, die ja von Kritikern oft als zu klobig und nicht mehr zeitgemäß bezeichnet wird ... CS: Ich mag sie! Gut, sie war schon ein wenig überwältigend auf den ersten Blick, sie ist ja ziemlich monumental. Aber sie ist auch unglaublich gut gemacht und durchdacht! Sie hat wunderschöne Säle, die in letzter Zeit vielleicht nur nicht ganz so schön präsentiert wurden. Bei der Beleuchtung müssen wir noch etwas unternehmen, im Moment gibt es nur die Optionen, entweder überhaupt kein Naturlicht oder volles ­Tageslicht einzulassen.

ARTMAPP: Sie waren fünf erfolgreiche Jahre am Museu Serralves in Porto. Das MUDAM und das Serralves wollen jetzt kooperieren. Heißt das, es wird zukünftig einen ständigen Austausch von Ausstellungsprogrammen oder Kuratoren geben? Werden Sie in Porto weiterhin Ausstellungen realisieren? CS: Das MUDAM hat mir freundlicherweise erlaubt, meine Arbeit für das Serralves noch für eine Übergangszeit fortzusetzen, um den Einstieg für neuen Direktor dort [Joâo Ribas, CP] zu vereinfachen. Ich selbst kuratiere in Porto noch eine Ausstellung mit Skulpturen von Anish Kapoor im Außenraum, die im Juni eröffnet. Danach werden wir sehen, wie die beiden Häuser weiter zusammenarbeiten. ARTMAPP: Sind weitere Kooperationen geplant? Im Oktober reist etwa eine Retrospektive von Jeff Wall von der Kunsthalle Mannheim ans MUDAM. CS: Ja, das sind im Wesentlichen Arbeiten der letzten zehn Jahre. Walls Werk bekommt gerade eine neue, eine politische Relevanz, und seine Überlegungen zur Fotografie und zum fotografischen Bild sind längst zu einem Bezugspunkt für uns alle geworden. ARTMAPP: Suzanne Cotter – vielen Dank für das Gespräch! www. mudam. lu

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ARTMAPP: Muss Gegenwartskunst nicht gerade am Bankenstandort Luxemburg provokativ, ­politisch, aktivistisch sein?



159 Akademie der Künste und New ton Foundation, Berlin

Kreativität und Freundschaft In der unübersichtlichen Vielfalt der Fotoau sstellungen und – fest ivals haben wir zwei Au sstellungen au sgesucht, auf die wir besonders hinweisen wollen. B e i d e s i n d i n B e r l i n z u s e h e n u n d b e i d e b e f a s s e n s i c h m i t d e r k r e a t i v e n K ra f t f re und schaf tliche r Kün stle r ve rhält ni sse. Um Au stau sch geht es! Um k ünstler ische Arbeit, die aus einem gemeinsamen Geist entstanden ist.

A K A DE M I E DE R K Ü NS T E I N BE R L I N Z E IGT

„Abfallprodukte der Liebe“ heißt eine Ausstellung mit Werken von Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter in der Akademie der Künste in Berlin. Vom 18. Mai bis zum 12. August werden mit der Fotografin, Kamerafrau und Re­ gisseurin Elfi Mikesch, dem Filmemacher, Maler, Autor und Aktivisten Rosa von Praunheim und dem 2010 verstorbenen ­Regisseur Werner Schroeter erstmals drei Künstler zusammengeführt, die den ­Bilderkanon des künstlerischen Undergrounds seit den 1960er-Jahren bis heute wesentlich prägen. Der Ausstellungstitel bezieht sich auf Schroeters 1996 entstandenen Film „Poussières d’Amour“, der das Entstehen und die Vergänglichkeit von Kunst thematisiert. „Die Poetin, den Politischen und den Ästheten“, wie ­P raunheim es formuliert, eint ihre Sozialisation in der bundes­ republikanischen Nachkriegszeit, ihr offensives Eintreten für divergierende Sexualitäten, ihre Verweigerung von Konven­ tionen als Lebensprinzip und künstlerische Position. Auf der Suche nach „anderen Filmen, anderen Bildern und anderen ­L ebensformen“, so Mikesch, speisen sich ihre Emanzipations­ gesten gleichermaßen aus dem künstlerischen Underground, politischen Aktivismus wie expressiven Pathos. Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter: Alle drei sind sie Grenzgänger. In der Ausstellung werden ihre ­gemeinsamen Wurzeln in der Westberliner Subkultur sichtbar. Die künstlerische Freundschaft wird zu einem Motiv verdichtet, das die Räume biografisch miteinander verbindet. Entlang von fünf Dekaden wird eine Brücke bis in die Gegenwart geschlagen. Die Ausstellung präsentiert erstmals zusammenhängend ihre ­Fotografien, Filme, Klanginstallationen und Dokumente, die die vielfältigen ästhetischen und biografischen Bezüge anschaulich werden lassen. www. adk. de

Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim, Werner Schroeter © Collage von Markus Tiarks aus Fotos von Elfi Mikesch und Rosa von Praunheim

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„ A B FA L L P R O D U K T E D E R L I E B E “


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GU Y BOU R DI N, HEL M U T N EW TON U N D A NGELO M A R I NO

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I N D E R H E L M U T N E W T O N F O U N DAT I O N I N B E R L I N

Und noch eine weitere Ausstellung in Berlin – in der Helmut Newton Foundation – feiert die Künstlerfreundschaft. Oder anders: eine künstlerische Arbeit, die aus einem gemeinsamen Geist entstanden ist, nämlich das fotografische Werk von Guy Bourdin und Helmut Newton. Wäre Guy Bourdin nicht 1928, sondern zwei Jahrzehnte früher geboren worden, dann hätte er sich in Paris sicher der ­s urrealistischen Gruppe um André Breton angeschlossen. ­Bourdin, 1991 verstorben, war ein Revolutionär, der in den frühen 1970er-Jahren erkannte, dass man aus Eros, Glamour, Geheimnis und der Ahnung des Über­w irklichen echtes Begehren schaffen kann. Vor Bourdin war die französische Modefotografie ein „Mannequin vor dem Eiffelturm“, hat der Kunsthistoriker Werner Lippert einmal ganz zu Recht gesagt. Mit den Themenbereichen „Guy Bourdin. Image Maker“ und „­ Helmut Newton. A Gun For Hire“ zeigt die Helmut Newton Foun­d ation in Berlin bis zum 13. Mai eine Schau, welche die ­beiden Fotografen g­ egenüberstellt. In der Berliner Ausstellung werden die beiden einf lussreichen Modefotografen erstmals ­gemeinsam mit ­ausgewählten Auftragsarbeiten in diesem Umfang gezeigt. Guy Bourdin und Helmut Newton revolutionierten in den 1960er- und 1970er-Jahren die Modefotografie. Beide arbeiteten für die gleichen Magazine und direkt für Klienten aus der Modewelt; ­dabei entwickelten sie – neben der offensichtlichen zeitlosen Eleganz in ihrem Schaffen – unabhängig voneinander die Idee des „Radical Chic“. Viele der Werke wirken auch heute noch überaus über­ raschend und ungesehen. Was die fotografische Sprache von Guy Bourdin stets auszeichnet, ist die Anwesenheit von Sex. Sexy sind diese Bilder, doch gleichzeitig, und hier steckt die Bourdin’sche Dialektik, niemals plakativ, sondern verschlüsselt, chiffriert, als geheimnisvolle, nie vollständig zu enträtselnde Geschichte erzählt. Im kleinen „June’s Room“ der Helmut Newton Stiftung ist ­parallel dazu noch eine Schau mit Werken von Helmut Newtons ­ehemaligem Assistenten Angelo Marino zu sehen. Ergänzend zu Bourdin und Newton stellt er unter dem Titel „Another Story“ ­einen sehr individuellen Blick auf seine unmittelbare Umwelt vor: schnappschussartige Porträts und Landschaften in surrealer Farbigkeit. w w w . h e l m u t- n e w t o n . d e MARC PESCHKE


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Guy Bourdin, VOGUE Paris, Mai 1970, Courtesy: Louise Alexander Galler y © Guy Bourdin Estate 2017


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Leo Putz und die „Scholle“

SOMMERLICHT

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Leo Putz, „Dame in Blau“, 1908

Mit 80 Gemälden, Zeichnungen und Grafiken aus der Sammlung von Siegfried Unterberger richtet Schloss Achberg seinen Fokus in dieser Sommersaison auf den in Meran geborenen und lange in München lebenden Maler Leo Putz (1869–1940) und die Künstlervereinigung „Scholle“ (1899–1911). Leo Putz kommt 1885 durch seinen Stief bruder in die bayerische Kapitale, wo er an der Akademie Malerei studiert und ab 1895 ein eigenes Atelier betreibt. Schon 1896 erregt sein Bild „Vanitas“ während der Jahresausstellung der „Münchner Secession“ großes Aufsehen. Das Gemälde „Bacchanal“ löste im Juni 1905 im Glaspalast gar einen Skandal aus und wurde nach wenigen Tagen wegen Anstößigkeit abgehängt. Das Werk von Leo Putz ist in enger Beziehung zum Schaffen etwa Lovis Corinths, Ludwig Dills oder Adolf Hölzels zu sehen. Es erweist sich beeinflusst durch einen Studienaufenthalt 1891/92 an der Académie Julian in Paris, vom Licht der französischen Impressionisten ebenso wie vom Stil Max Liebermanns. Zeigen die frühen Werke noch deutliche Anklänge an Jugendstil und Symbolismus, geben sich die Sujets seiner reifen Werke offen, energiegeladen und dem prallen Leben zugewandt. Mit Porträts, Landschaften, Stillleben, Akten, seinen erotisierten Schneckenbildern, den Kahnbildern und Damenbildnissen in der Mode ihrer Zeit avanciert Leo Putz rasch zum Star des aufstrebenden Münchner Bürgertums.

Der wie der Künstler eng mit Meran verbundene Sammler ­Siegfried Unterberger hat den Maler und sein Werk bekannt gemacht. Noch immer treiben ihn die Vorliebe für Südtiroler Künstler und die eigene Heimatverbundenheit an. Speziell dem Frühwerk von Leo Putz gilt sein Interesse, welches z­ugleich einen ersten Höhepunkt des Œuvres markiert. Dem widmet sich nun eine Ausstellung auf Schloss Achberg. Darin eingebunden sind weitere Arbeiten von Künstlern der ­„ Scholle“, ebenfalls aus der Sammlung Unterberger. Werke von Gustav Bechler, Reinhold Max Eichler, Erich Erler, Fritz Erler, Max Feldbauer, Walter Georgi, Adolf Höfer, Adolf Franz Theodor Münzer, Walter Püttner, Franz Wilhelm Voigt und Robert Weise werden in der nach Themenblöcken geglie­ derten Schau zu sehen sein. Zwar gehörte Leo Putz einst nicht zu ihren Gründungsmitgliedern – er kam erst 1903 dazu –, trat dann aber als führendes Mitglied an die Spitze der Gruppe. „Einer ist durch den und die anderen etwas geworden, denn gegenseitig haben sich die Mitglieder unserer Vereinigung ­a ngeeifert, angespornt“, urteilt er über die „Scholle“, die im Gegensatz zur „Münchner Secession“ juryfrei war. Die „Scholle“ habe kein anderes gemeinsames Ziel, keine andere Marschroute, als dass „jeder seine eigene ‚Scholle‘ bebaue, die freilich auf keiner Landkarte zu finden ist“, hieß es in einer ­d amaligen Erklärung, um Missverständnisse die Namens­ gebung betreffend auszuräumen. Die Mehrheit der ausgestellten Werke in Schloss ­Achberg stammt von Leo Putz. Darunter auch solche, die von seiner Arbeit als Illustrator für die Wochenzeitschrift ­„ Jugend“ bis in die 1920er-Jahre zeugen. Nach großen Prä­ sent at ionen zu „ Ma x L iebermann und der deutsche Impressionismus – Künstler der Berliner Secession“ (2013) und „Auf bruch ins Freie. Künstlerkolonien in Deutschland um 1900“ (2015) bilden die sinnenfrohen, vielfach groß­ formartigen Gemälde in „Leo Putz und die ‚Scholle‘“ 2018 einen nächsten Höhepunkt im sommerlichen Ambiente von Schloss Achberg. BABETTE CAESAR

1 4 . Apr il bis 2 1. Ok tober 2018 S O M M E R L I C H T – L e o P u t z u n d d i e „ S c h o l l e“ We r k e a u s d e r S a m m l u n g U n t e r b e r g e r Schloss Achberg www. schloss- achbe rg. de


BEGE Galerien Röthel Ledergerber Wurch

Thomas Röthel / Pi Ledergerber / Manu Wurch STAHL STEIN PAPIER 9. März – 22. April 2018 Thitz Tüten Kunst 27. April – 2. Juni 2018 Internationaler Museumstag 13. Mai 2018 Erich Hauser / Jürgen Knubben Im Dialog 8. Juni – 4. August 2018 Art Bodensee 13. – 15. Juli 2018 James Francis Gill American POP ART 14. September – 3. November 2018 BEGE Galerien Ulm 89073 Ulm Tel +49 (0) 179 . 483 41 88 www.bege-galerien.de

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164 Eine Ausstellung in der EnBW zeigt Horst Egon Kalinowski

Erst, wenn der letzte Baum gerodet ist … Die „Weissagung der Cree“ war einer jener Sprüche, mit ­denen Umweltbewusste in den 1980er-Jahren ihrer Über­ zeugung – sinnigerweise oft in Form eines Auf klebers auf dem Autoheck – Ausdruck verliehen. Angesichts zahlreicher umweltspezifischer Globalisierungsprobleme ist er bis heute aktuell. Horst Egon Kalinowski (192 4–2013), von 1972 bis 1989 Professor an der Karlsruher Kunstakademie, schuf mit der Skulptur „Baummark II“, die sich inzwischen als ­Dauerleihgabe im ersten Innenhof der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) in Karlsruhe befindet, eine Arbeit, die diesen Spruch zu illustrieren scheint. Das Kunstwerk, das ­K alinowski 1978 im Auftrag der Karlsruher Kunsthalle geschaffen hatte, wurde zunächst im Botanischen Garten der Stadt aufgestellt, für den sie auch entworfen worden war.

rechte Seite: Horst Egon Kalinowski, „Baummark I“, 1975, Holz, Leder, Städtische Galerie Fruchthalle Rastatt

links: Horst Egon Kalinowski, „Baummark II“, 1978/79, 1993 und 1998 verändert, Dauerleihgabe des Landes Baden-Württemberg bei der EnBW in Karlsruhe (1978/79 Holz und Bronze; seit 1998 alle Teile aus Bronze)

Allerdings sollte das Werk dort nicht auf immer bleiben, wobei die Kunsthalle selbst dafür keine Verwendung hatte – und so kam es 1998 als Dauerleihgabe des Landes Baden-Württemberg in die EnBW. Ihre dortige Aufstellung vor 20 Jahren ist dem Konzern nun Anlass, eine Ausstellung auszurichten, die die Entstehungsgeschichte der Skulptur nachzeichnet und in das Gesamtwerk des Künstlers unter den Aspekten Baum und Verwundung einordnet. Denn ursprünglich bestand die Plastik aus zwei abgestorbenen Ulmen-Stämmen, aus denen ihr „Mark“ – in Bronze gegossen – herausquoll. Dieser Einsatz unterschiedlicher Materialien, die Weiterentwicklung und Abstrahierung von Vorgefundenem sind charakteristische Themen in Kalinowskis Schaffen. Da er oft mit organischen Substanzen wie Holz und Leder arbeitete, eignen sich seine Werke nicht dauerhaft für den Außenraum. Diese Erfahrung musste auch die Kunsthalle machen: Die beiden übereinandergelegten Baumteile begannen alsbald zu verrotten, sodass sich Kalinowski dazu entschied, sie in Bronze zu gießen.


Damit erhielt die Plastik noch deutlicher jene Bedeutung, die Zeit von Ölkrise über Baumsterben bis zu der sich damals ihr der Bildhauer von Anfang an beimaß. Sie sei, so Kalinows- ­formierenden Umweltbewegung auseinandersetzte und mit ki, „ein Denkmal für einen gefällten Baum, das aber nicht nur seinen Arbeiten eine frühe künstlerische Positionierung an seine Monumentalität erinnern soll, sondern gleichzeitig ­l ieferte – und das noch vor Joseph Beuys’ spektakulärer stellvertretend für alle Bäume steht, die infolge von Industri- „Stadtverwaldung“, die 1982 anlässlich der „documenta 7“ in alisierung und Urbanisierung gefällt werden müssen“. Sie sei Kassel ihren Ausgang nahm. eine „Baum-Reliquie“; dem damals frisch gefällten Baum, der zur Entstehungszeit der Orangerie 150 Jahre zuvor gepflanzt CHRIS GERBING worden war, werde so ein Weiterleben gesichert. Gleichzeitig ist das Herausquellen des „Marks“ ein letztes Aufbäumen des 4 . Mai bis 6. Juli 2018 dann toten Baumes, ein Aufschrei, den K ­ alinowski einfing E rö f f n u n g : 3 . M a i , 1 8 U h r und als Akt des Widerstands gegen den Verlust der Lebens­ Horst Egon Kalinowsk i energie deutete. En B W AG, Durlache r A lle e 9 3 , 7 613 1 K arl s r uhe Auch wenn sich Kalinowski selbst nicht als p ­ olitischen www. enbw. com Aktivisten bezeichnet hätte, so sind die „Baummark “-­ Fassungen (es gibt drei, die in der Aus­stellung temporär zusammengeführt werden) doch Ausweis eines Künstlers, der sich mit der Natur und der Umweltproble­m atik seiner

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EOS.KUNST.R AUM zeigt Presenza Trasparente von Nane Zavagno

Kunst und Technologie. Kontrast oder Symbiose? Wer zwischen Mai und Dezember letzten Jahres das Gewerbegebiet KIM (Kraillinger Innovationsmeile) in der Nähe von München besucht hat – sei es aus geschäftlichem Anlass oder einfach für einen Spaziergang im umliegenden Kreuzlinger Forst – der hat kurz innehalten und vielleicht ein bisschen staunen müssen. Denn die auf dem Firmengelände der EOS ausgestellten geometrischen Skulpturen wollten auf den ersten Blick so gar nicht zum industriell geprägten Umfeld passen. Und doch erschloss sich dem Betrachter bei genauerem Hinsehen bald, was diese Ausstellung gerade an diesem Ort so außergewöhnlich machte.



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Hella und Dr. Hans J. Langer

Alle Fotos: Toni Ott © EOS

Aber der Reihe nach: Wir sprechen vom Firmensitz des weltweit führende Anbieters im industriellen 3D-Druck. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Krailling wurde 1989 ge­g ründet. Die Eigentümerfamilie, vertreten durch Hella und Dr. Hans J. Langer, nimmt ihre unternehmerische ­Verantwortung ernst und versteht Nachhaltigkeit als Handlungsprinzip – nach innen und außen. „Disruptive Technologien machen den Weg frei für einzigartige und nachhaltige Produkte, die unser Leben verändern und einen enormen Nutzen für die Gesellschaft schaffen können. Aber Zeiten des stetigen Wandels verlangen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch ein hohes Maß an Flexibilität und Innovationsbegeisterung ab. Dabei hilft uns die Kunst. Denn sie schlägt die Brücke zwischen ­digitaler und realer Welt, zwischen Technologie und Mensch“, so Dr. Hans J. Langer, CEO & Chairman EOS GROUP. Getragen von diesem Gedanken hat die Gründer­ familie das Kunstprojekt EOS.KUNST.RAUM ins Leben gerufen, im Rahmen dessen jährlich wechselnde Ausstellungen einzelner Künstler gezeigt werden. Dazu Hella Langer, Gesellschafterin und Beraterin für Arbeitsplatzkonzepte und -gestaltung in den EOS-Gebäuden: „Schon Paul Klee hat gesagt: Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern Kunst macht sichtbar. Mit EOS.KUNST. RAUM wollen wir den Blick weiten für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich gefordert sind, Neues zu schaffen. Wir glauben, dass durch den unverstellten Blick auf die Kunst eine Inspiration entsteht, die unterstützend wirken kann. Denn es bef lügelt unseren Geist, wenn wir hin und wieder gewohnte Sichtweisen überdenken und neue Perspektiven einnehmen.“ Den Auftakt der Ausstellungsreihe bildete 2017 der ­italienische Künstler Nane Zavagno. In seiner Ausstellung Presenza Trasparente zeigte er moderne Skulpturen aus ­Metallplatten und Metallgitter, die die EOS-Gebäude optisch miteinander verbanden und sich in die umgebende Architektur und den Landschaftsraum einfügten. Geometrische Körperpaare auf dem Firmengelände, in den Innenhöfen und den Foyers formten so eine „Skulpturen-Achse“.

Zavagnos Werke werden gewöhnlich in großen historischen Bauwerken und Schlössern sowie in Museen gezeigt, selten jedoch in einem modernen Umfeld. Hier aber standen sie im freien Raum, so dass die Begegnung mit der Kunst gewissermaßen im Vorbeigehen geschah. Besonders spannend gestaltete sich die Positionierung der semi-transparenten Skulpturen vor der Verkleidung der EOS-Gebäude aus Aluminium-Streckmetallgittern, die eine Entsprechung in den Gitternetzstrukturen von Zavagnos Werken fanden, halbtransparent, einem Vorhang gleich. Je nach Tageszeit und Lichteinfall zeigten sich die Gebäude in ­einer anderen Gestalt, die Fassade wirkte flacher oder tiefer, der Bezug von innen nach außen schwächer oder stärker. Ähnlich wie die Fassade reagierten auch die Skulpturen selbst. Abhängig vom verwendeten Material – Chromstahl verzinkt, rostig oder lackiert – änderten sie ihr Lichtverhalten. Und je nachdem von welcher Seite man eine Skulptur betrachtete, veränderte sich auch deren Interaktion mit ihrer Umgebung. Nane Zavagno ist ein außergewöhnlicher Künstler. ­Geboren 1932 in San Giorgio della Richinvelda, lebt er heute in Valeriano in der Provinz Pordenone, Friaul-Julisch Venetien. Als Bildhauer und Maler hat er sich mit über zweihundert Gruppenausstellungen und über vierzig Einzelausstellungen einen internationalen Ruf erworben, u. a. im Forum in Klagenfurt, in der Villa Manin in Passarino und im Grand Palais in Paris. Einige seiner Werke sind Teil von privaten Sammlungen in der ganzen Welt, weitere befinden sich in öffentlichen Parks und Gebäuden in ganz Europa. Die Ausstellung Presenza Trasparente von Nane ­Z avagno war wohl ein würdiger Anfang von EOS.KUNST. RAUM. Und auch auf die nächste Ausstellung, die mit einer Vernissage am 15. Juni eröffnet wird, darf man gespannt sein. Der Künstler wird noch nicht verraten. BIRGIT LINKE

We i t e r e I n f o s f i n d e n S i e u n t e r w w w . e o s . i n f o / u e b e r_ e o s /e o s k u n s t ra u m


A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — A U S S T E L L U N G E N

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Schirmherr Günther Uecker

„Fünf Positionen der Gegenwart in MecklenburgVorpommern“ Ausstellung in der Kunstsammlung Neubrandenburg vom 10. Juni bis 2. September 2018

Pauline Stopp

Iris Thürmer

Willy Günther

Eröffnung und Preisverleihung: Sonntag, den 10. Juni 2018 · 11 Uhr Vorgeschlagen für den Kunstpreis sind: Sarah Fischer, Willy Günther, Pauline Stopp, Iris Thürmer und Barbara Camilla Tucholski

Sarah Fischer

Barbara Camilla Tucholski

© Fotografien: Roman März (3); Christian Schmidtke (Günther); Pauline Stopp (Detail, selbst)

KUNSTSAMMLUNG NEUBRANDENBURG Große Wollweberstraße 24 · 17033 Neubrandenburg Tel. 0395 555-1290 · www.kunstsammlung-neubrandenburg.de Mi., Fr. 10 – 17 Uhr · Do. 10 – 19 Uhr · Sa., So. 11 – 17 Uhr


Dora Koch-Stetter (1881–1968)

Ein Ahrenshooper Weltbild der Moderne

24. März – 2. September 2018 geöffnet

März ab April

Di – So täglich

10 – 17 Uhr 11 – 18 Uhr

kunstmuseum-ahrenshoop.de Dora Koch-Stetter Junger Mann am Strand (Ausschnitt) 1925 | Kunstmuseum Ahrenshoop Dauerleihgabe aus Privatbesitz

Gefördert durch


museum am dom Würzburg

Cäsar W. radetzky Die blaue krone 24.3. 24.6.2018

www.kunstmuseum-ravensburg.de

Art Bodensee Messe für zeitgenössische Kunst Dornbirn

Messe Dornbirn Messeplatz 1, A 6854 Dornbirn, artbodensee.info, facebook.com/artbodensee

www.museum-am-dom.de

Juli 13 – 15 2018


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A m r e i’s A r t b l o g f ü r E n t d e c k e r Amrei Heyne ist Kunstberaterin (Stuttgart/München) und berichtet sehr persönlich vom Suchen und Finden der Kunst.

für Auslandsbeziehungen, des Schauspiels Stuttgart, der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, des Theaters Rampe und des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart.

Wann haben Sie zuletzt nachgedacht? Nicht, was Sie am Abend kochen, ob das Rot Ihres Lippenstifts oder die Flamingos auf Ihrem Jumpsuit noch gehen. – ­L eben Sie am richtigen Ort? Ist das, was Sie tun, sinnvoll? Plötzlich sind sie da, Gedanken wie Gespenster und stellen Fragen. Mir helfen dabei Blumen. Blumen sind überhaupt die treuesten Begleiter, gerade wegen ihrer Vergänglichkeit – im Moment sind es Tulpen; in allen Farben und Formen übernehmen sie wild und frei das Kommando auf meinem Schreibtisch ... Ein Mann: „Gärten der Kooperation“ im Württembergischen Kunstverein Stuttgart oder „Pluriversum“ im Essener Folkwang Museum – zwei Ausstellungen von und mit Alexander-dem-Großen-Kluge. Schriftsteller, Filmemacher, Denker, der (wer kennt noch die dctp-Fenster im späten Privatfernsehen?) … intelligent, ehrlich unterhält und sehr direkt zur Wahrnehmung und Selbstgestaltung des Lebens und aller Umstände auffordert. Er lehrt uns genreübergreifend, wie wirkliche gesellschaftliche Zusammenarbeit ginge – unter anderem mit Pier Paolo Pasolini, Rainer Werner Fassbinder, Anselm Kiefer, Helge Schneider, Gerhard Richter, Kerstin Brätsch, Sarah Morris … Geschichte, Gegenwart und Zukunft im Blick! Ich wünsche mir Alexander-Kluge-Ausstellungen in allen Kunst- und Sportvereinen des Landes, in Kleingartenanlagen, im Bundestag und in sämtlichen Konzern- und Parteizentralen, an Schulen und Universitäten sowieso. Der Mann, der den Marxismus verfilmte! Happy 86. Birthday, lieber Herr Kluge! „Was sind die Wolken?“, noch bis 4. März 2018 im Kuppelsaal des WKV, nimmt Bezug auf Pier Paolo Pasolinis Kurzfilm „Che cosa sono le nuvole?“ von 1968 und thematisiert Freiheit und Emanzipation über Shakespeares „Othello“ hinaus! Kuratiert von Iris Dressler und Christine Peters als gemeinsames Projekt der Akademie Schloss Solitude, des Instituts

Kiki Smith @ Haus der Kunst

Kiki Smith @ Haus der Kunst

Denken Sie nach. Gehen Sie, so oft Sie können, raus in die Natur. Nehmen Sie wahr! Das frische Grün! Die Groko! Krokusse! Und streiten Sie! Konstruktiv! Huhn à l’Orange. Leere Teller sind eine Message! ... und ich schau dctp.tv! Jochen Plogsties @ Amrei Heyne

Machen Sie doch, was Sie wollen!

Tulpen an die Macht!

in Stuttgart bei Hanselmann & Cie.

Stuttgart 21 ?

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — A M R E I ’ S A R T B L O G

Alle Fotos: Amrei Heyne

Eine Frau: „Procession“ – die erste große Einzelausstellung von Kiki Smith in Deutschland im Haus der Kunst in München ist noch bis 3. Juni 2018 eine Reise wert. Kuratiert von Petra Giloy-Hirtz. Die Grande Dame, in einem Atemzug genannt mit Eva Hesse und, ja, Louise Bourgeois, verhandelt in ihrem Werk in Skulpturen, Bildteppichen, Radierungen … Alter und Tod, Verwundung und Heilung, Wiederbelebung, Fragmentierung, Geburt, Sexualität, Gender. Eine starke Ausstellung und nichts für zarte Nerven! Aber: Wunderbar! Und sonst noch so? … Wünschen wir uns eine aufregende Berlinale mit Jurypräsident Tom Tykwer und Ry ū ichi Sakamoto (!) im eisigen Februar in der Hauptstadt sowie auf arte und 3sat! Im Haus am Lützowplatz läuft noch bis 4. Mai 2018 „Rechts“, eine von Raimar Stange kuratierte wichtige Ausstellung zur Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus – mit Werken von Dellbrügge & de Moll, Peter Friedl, Shila Khatami, Daniel Knorr, Michaela Meise, Anna Meyer, Manfred Pernice, Stefanie von Schroeter, Silke Wagner und dem Zentrum für politische Schönheit. Im Frankfurter Museum Angewandte Kunst wird endlich Jil Sander gefeiert! „Präsens“ ist die weltweit erste Soloausstellung der Hamburgerin – noch bis 6. Mai 2018.


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Aachen

Bern

Bietigheim-Bissingen

Gestatten, Suermondt! Sammler, Kenner, Kunstmäzen 8.3. – 17.6.2018 Suermondt-Ludwig-Museum

Franti č ek Klossner Visual Poetry / Zeichnung / Videokunst 18.8. – 15.9.2018 Vernissage: 17.8.2018, 18 Uhr Galerie da Mihi Contemporary Art

Out of office Büro-Kunst oder das Büro im Museum bis 8.4.2018 Im Bann der Nordsee Die norddeutsche Landschaft seit 1900 21.4. – 8.7.2018 Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen

Anlässlich des 200. Geburtstages von Barthold Suermondt (1818–1887) würdigt das ­S uermondt-­L udwig-Museum die Sammlertätigkeit des Aachener Industriellen, der aufgrund seiner großzügigen Stiftungen zu einem der Namensgeber des Hauses wurde, in einer umfassenden Ausstellung. Durch die frühe Öffnung seiner Privatgalerie und die Stiftung von 177 Gemälden nahm er einen wichtigen Platz in der Entwicklung der Aachener Museumslandschaft ein. Bevor er wegen der Wirtschaftskrise 1874 zu einem Teilverkauf der Sammlung nach Berlin gezwungen war (heute: Gemäldegalerie Staatlichen Museen zu Berlin), umfasste seine Kollektion ungefähr 300 Gemälde und 400 Zeichnungen, darunter Meisterwerke wie der „Singende Knabe mit Flöte“ von Frans Hals, Vermeers „Mädchen mit dem Perlenhalsband“ oder Rembrandts „Porträt eines alten Mannes“. Im Rahmen dieser Schau werden 22 Handzeichnungen und 60 Gemälde der ehemaligen Sammlung Suermondt aus Berlin und Aachen zusammengeführt und somit ein Teil der Suermondtschen „Privatgalerie“ wieder erfahrbar. ☞ Suermondt-Ludwig-Museum Di–So 10–17 Uhr Wilhelmstraße 18, 52070 Aachen T +49 (0) 241 47980-40 www.suermondt-ludwig-museum.de

Franti č ek Klossners Werke sind durchdrungen von existenziellen Themen. Das Menschenbild der Gegenwart steht in Fokus seines spartenübergreifenden Schaffens. In Zeichnungen und Textbildern, Installationen und Videoskulpturen fungiert der menschliche Körper als Repräsentant für die Prozesse psychischer Individuation und sozialen Interdependenzen. Die Vehemenz seiner wirkmächtigen Bildwelten wird von einer äußerst sinnlichen Materialität getragen. In geradezu listiger Weise verführen seine Werke das Publikum zur Hinterfragung innerer Bilder und involvieren das Gegenüber zur Überprüfung des eigenen Denkens. Die Ausstellung in der Galerie da Mihi Contemporary Art Bern, bietet mit mehreren thematischen Räumen einen umfassenden Einblick in sein facettenreiches Werk. Der Künstler sagt dazu: Menschliche Aggregatzustände, Existenz und Essenz, Veränderung und Hingabe, Kairos und Chronos nähren die innere Notwendigkeit, die mich in meinen künstlerischen Untersuchungen vorantreiben. ☞ Galerie da Mihi Contemporary Art Do 14–20 Uhr, Fr 14–19 Uhr, Sa 11–17 Uhr KunstKeller, Gerechtigkeitsgasse 40, CH-3011 Bern T +41 (0) 31 332 11 90 www.damihi.com

Die Ausstellung „Out of office“ thematisiert in Malerei, Installation, Video und Fotografie die weite Welt des Büros als Materialfundgrube und Sujet zeitgenössischer Künstler. Durch Aneignung und Verfremdung offenbaren sie uns ästhetische Seiten des Arbeitsplatzes, für die wir in täglicher Routine meist blind sind. Oder die Abläufe des Büros rücken ins Zentrum: Ordnen, Verwalten, Sortieren, Regulieren. Die Spanne reicht von Materialien und Maschinen, die wir kaum noch kennen, bis hin zur gängigen Abwesenheitsnotiz unseres E-Mail-Zeitalters: „Out of office“. Vom Büro aus geht es dann in den hohen Norden an die See: Dort, wo der Himmel den Horizont zu berühren schient, wo oftmals eine steife Brise weht, wo auf den Deichen die Schafe und auf den Weiden die Kühe grasen, fanden Maler seit jeher viele inspirierende Sehnsuchtsorte. Die Ausstellung zeigt neben bekannten Künstlern der Moderne – wie Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff oder Franz Radziwill – insbesondere viele zu „entdeckende“ Künstler aus dem Norden von 1900 bis heute. ☞ Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Di/Mi/Fr 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr, Sa/So/feiertags 11–18 Uhr Hauptstraße 60–64, 74321 Bietigheim-Bissingen T +49 (0) 71 42 74-483 galerie.bietigheim-bissingen.de

Poppe Folkerts, „Bewegte See mit Booten“, 1925, Öl auf Leinwand, Ost friesisches Landesmuseum Emden, Foto: Eberhard Weible Frans Hals, „Singender Knabe mit Flöte“, um 1627, Foto: © Gemäldegalerie der SMBPK / Christoph Schmidt

Franti č ek Klossner, „Generation Head Down”, Videoinstallation, 2017 © VG Bild-Kunst, Bonn 2018


Braunschweig

Dornbirn

GROSSER WURF 1 Hanna Nitsch bis 4.3.2018 Finissage: 4.3.2018 OUT OF SASNAK Bjørn Melhus Juni – Juli 2018 halle267 – städtische galerie braunschweig

Zeitgenössische Vielfalt auf der 18. Art Bodensee in Dornbirn 13.7. – 15.7.2018 Messe Dornbirn

Mit dem doppeldeutigen Ausstellungstitel „Großer Wurf 1“ verweist die Künstlerin Hanna Nitsch, die selbst in Braunschweig lebt und arbeitet, auf die subjektive Erwartungshaltung, die sie stellvertretend diesem neuen Ort für Gegenwartskunst, in einer Stadt der Forschung und Wissenschaften, entgegenbringt. Zugleich nimmt Hanna Nitsch mit einem ironischen Augenzwinkern die eigene Rolle der Künstlerin als Bildproduzentin ins Visier. Nach über zwei Jahrzehnten kehrt der Künstler Bjørn Melhus an den Ort seines Studiums zurück, um in einer Einzelausstellung eine Auswahl von Arbeiten aus 25 Jahren seines künstlerischen Schaffens zu zeigen. Neben drei wegweisenden Werken, die bereits während des Studiums an der HBK Braunschweig entstanden sind, wird auch eine exemplarische Auswahl aus den Folgejahren zu sehen sein. ☞ halle267 – städtische galerie braunschweig Di–So 15–18 Uhr, Do 15–20 Uhr Hamburger Straße 267, 38114 Braunschweig T +49 (0) 531 470 4856 www.braunschweig.de/halle267

Der Kunst-Marktplatz in Dornbirn zieht alljährlich zahlreiche Sammler und Kunstliebhaber aus der 4-Länder-Region Bodensee an und hat sich als wichtiger Treffpunkt für die regionale und überregionale Kunst-Szene etabliert. Gute Verkäufe, reges Medieninteresse und eine stabile Frequenz von rund 6.000 BesucherInnen sorgen dafür, dass jedes Jahr eine große Zahl an Stamm-Galerien aus Österreich, Deutschland, Liechtenstein, Italien, Frankreich, Spanien und der Schweiz auf der Art Bodensee vertreten ist. Seit 2017 findet die Art Bodensee in den neu errichteten Messehallen 11 und 12 statt. Die Messe ist limitiert auf maximal 75 Galerien, die von einer Jury ausgewählt werden. Klein genug und groß genug, ist die Art Bodensee eine sympathische, sommerlich-entspannte Kunstmesse, welche die Kulturlandschaft und die baukulturellen Stärken der Region einbindet und ein erfrischendes Gegenmodell zum üblichen hektischen Messetreiben darstellt. ☞ Messe Dornbirn Fr–So 11–19 Uhr Messeplatz 1, A-6854 Dornbirn/Vorarlberg T +43 (0) 5572 305 0 www.artbodensee.info www.facebook.com/artbodensee

Art Bodensee 2017, Foto: © Udo Mittelberger

Pulp in Bern

Hanna Nitsch, „Großer Wurf #1“, 2018

M.S. Bastian / Isabelle L. 12. Januar bis 9. Februar 2019 Galerienwochenende Bern 12./13. Januar www.damihi.com


JORDAN DER WEG AUF BEIDEN SEITEN

10. März bis 10. Juni 2018 Panorama Museum Bad Frankenhausen Tel.: 034671/6190 www.panorama-museum.de Di bis So 10 - 17 Uhr ab April bis 18 Uhr

Andy Warhol, Paul Anka, 1976, Acryl und Siebdruck-Tinte auf Leinwand, 101,5 x 101,5 cm. Hall Art Foundation. 2017 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. /Licensed by Artists Rights Society (ARS), New York

Abschied, 1985–86, Öl auf Leinwand, 75 x 90 cm, Besitz des Künstlers, Zagreb

The American

Amerikanischer Realismus 1945 bis 2017

Corporate Design: Studio Good | Gestaltung: www.arte-fakt.info

19. Nov. 2017 bis 27. Mai 2018

1945 -1965

1965 -2017

www.visittheamericandream.com Kunsthalle Emden Die Ausstellung wird gefördert von

Kunsth_RZ_AusstAmericanDream_ArtMapp181x125.indd 1

Die Kunsthalle wird gefördert von

Partner

Hinter dem Rahmen 13 D – 26721 Emden www.kunsthalle-emden.de

Drents Museum Brink 1-5 NL – 9400 AC Assen www.drentsmuseum.nl

Gefördert durch

Europäische Union Europese Unie

16.02.18 08:09


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Eberdingen

Eisingen

Emden

Räumlichkeiten Julius von Bismarck, Katja Ka, Umschichten, Sinta Werner, Rolf Wicker bis 24.6.2018 KUNSTWERK – Sammlung Klein

erbachshof-art-project Sonja Edle von Hoeßle Herbert Mehler 13.5. – 23.7. und 14. – 30.9.2018 Eröffnung: 13.5.2018, 11 Uhr erbachshof-art-project, Eisingen

„The American Dream. American Realism 1945–2017“ bis 27.5.2018 Kunsthalle Emden / Drents Museum Assen

Das erbachshof-art-project wurde 2016 von der Malerin und Bildhauerin Sonja Edle von Hoeßle und dem Bildhauer Herbert Mehler ins Leben gerufen. Das ehemalige Schulgebäude wurde von dem renommierten Künstlerehepaar erworben und in Ateliers, Galerieräume und eine Metallwerkstatt umgestaltet. Der über ein Hektar große Skulpturenpark ist eine wunderbare Symbiose aus Natur und Kunst. Die „ENDLOSSCHLEIFEN“ aus Cortenstahl von Sonja Edle von Hoeßle verändern ihr Erscheinungsbild mit der Bewegung und dem Blickwinkel des Betrachters. Zugleich wandeln sich die Durchblicke und die ausschnitthafte Rahmung des umgebenden Raumes. Sie sind gleichsam Zeichnungen des Raumes. Mit der Serie „KAVEX“ hat Herbert Mehler Figuren erschaffen, die scheinbar schwerelos und weich das Material verleugnen. Aus Lamellen präzise konstruiert, entstehen stereometrische und organisch anmutende Gebilde. Zu Beginn zeigt Mimmo Roselli aus Florenz, Biennale-Teilnehmer 2013, Installationen. ☞ erbachshof-art-project Sa–So 11–18 Uhr und nach Vereinbarung Erbachshof 3, 97249 Eisingen T +49 (0) 1702831640 www.erbachshof-art-project.com

Die Kunsthalle Emden und das nahegelegene Drents Museum Assen (NL) präsentieren gemeinsam die Ausstellung „The American Dream. American Realism 1945–2017“ als zweiteilige Schau, die in beiden Häusern parallel läuft. Die grenzüberschreitende Doppelausstellung gibt mit insgesamt 200 Werken von rund 70 Künstlern einen breiten Überblick über den amerikanischen Realismus, u. a. mit herausragenden Arbeiten von Edward Hopper, Andy Warhol, Alice Neel, Richard Diebenkorn, Martha Rosler, Alex Katz und Chuck Close. In Assen liegt der Schwerpunkt auf Kunst von 1945 bis 1965, in Emden ist es die Zeit von 1965 bis zur Gegenwart. Die Häuser arbeiten dabei mit den großen US-amerikanischen Museen und Sammlungen vor allem in New York und an der Ostküste zusammen. „The American Dream“ ist die erste umfassende Übersichtsausstellung zum amerikanischen Realismus in Europa. Die aktuelle Diskussion um die politisch-gesellschaftliche Entwicklung in den USA und den American Way of Life verleiht den künstlerischen Reflektionen zusätzliches Gewicht. ☞ Kunsthalle Emden Di–Fr 10–17 Uhr, Sa/So/feiertags 11–17 Uhr, 1. Di/Monat 10–21 Uhr Hinter dem Rahmen 13, 26721 Emden T +49 (0) 4921 975050 www.kunsthalle-emden.de www.visittheamericandream.com

Julius von Bismarck, „Top Shot Helmet“, Berlin 2007 © Julius von Bismarck / VG Bild-Kunst, Bonn 2018 Skulpturenpark im erbachshof-art-project

Kehinde Wiley, „Passing/Posing“ (Female Prophet Deborah), 2003, Öl auf Leinwand, auf Holz montiert, 243,8 × 152,4 cm, Brooklyn Museum, Mary Smith, Dorward Fund and Healy Purchase Fund B, © Kehinde Wiley

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

Bauliche Veränderungen im KUNSTWERK haben eine neue räumliche Situation und im wörtlichsten Sinn Freiräume für die Ausstellung geschaffen, die das Thema des Raumes selbst zum Inhalt macht. Es werden künstlerische Positionen vorgestellt, die Verbindungen zu architektonischen Strukturen aufweisen und damit die Wahrnehmung und Erfahrung von Raum und Räumlichkeit in unterschiedlicher Weise reflektieren. Der „Top Shot Helmet“ von Julius von Bismarck sowie die Fotografien und Collagen von Sinta Werner zeigen modifizierte Perspektiven im und auf den Raum. Die raumgreifende Installation von Rolf Wicker und die „Retrouvagen“ von Katja Ka bewegen sich im Spannungsfeld von Architektur und Skulptur, unterscheiden sich jedoch maßgeblich in ihrer räumlichen Dimension. Mit dem Beitrag des Architekturbüros „Umschichten“ präsentiert das KUNSTWERK erstmals ein sogenanntes „offenes Projekt“: Lukasz Lendzinski und Peter Weigand werden während der Ausstellungslaufzeit unterschiedliche räumliche Konstellationen aus wiederverwendbaren Modulen entstehen lassen. ☞ KUNSTWERK – Sammlung Klein Mi–Fr/So 11–17 Uhr Siemensstraße 40, 71735 Eberdingen-Nussdorf T +49 (0) 7042 3769566 www.sammlung-klein.de



Hannover

H aus e n o b Ve re n a

Heilbronn

KunstFestSpiele Herrenhausen 18.5. – 3.6.2018 Eröffnung: 18.5.18 mit Robert Wilson Herrenhäuser Gärten u.a. Lecture on Nothing John Cage / Robert Wilson Fr 18.5.2018, 19:30 Uhr Sa 19.5.2018, 19:30 Uhr Orangerie Herrenhausen

Albert Weisgerber: Landschaft und Figurenbild 25.3. – 15.7.2018 Kunstmuseum Hohenkarpfen, Hofgut Hohenkarpfen

Emil Nolde. Farbenzauber Eine Retrospektive auf Papier 17.3. – 17.6.2018 Kunsthalle Vogelmann

Albert Weisgerber (1878–1915) ist als einer der bedeutendsten Maler der Klassischen Moderne immer noch wiederzuentdecken. Die Ausstellung „Landschaft und Figurenbild“ belegt mit herausragenden Gemälden seine Entwicklung als Künstler der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Der erste Präsident der Neuen Münchner Secession zählte mit Wassily Kandinsky, Paul Klee u.a. zu den viel beneideten Schülern des Malerfürsten Franz von Stuck. In seiner Malerei setzte er sich eindrucksvoll mit Licht und Farbe im Impressionismus und Expressionismus auseinander. Studienreisen mit Gino de Finetti nach Italien und Aufenthalte in Paris an der Académie Matisse und im Künstlerkreis des Café du Dôme mit Hans Purrmann, Rudolf Levy u. a. waren prägend. Neben Matisse gewannen Cézanne und Manet entscheidende Bedeutung. Bei seinem frühen Tod im Ersten Weltkrieg hinterließ Weisgerber ein umfangreiches und vielschichtiges Oeuvre von hoher künstlerischer Qualität und Aussagekraft. Exemplarische Werke von Purrmann, Finetti, Levy und Straube ergänzen die Schau. ☞ Kunststiftung Hohenkarpfen – Kunstverein Schwarzwald-Baar-Heuberg Mi–So/feiertags 13.30–18.30 Uhr Hofgut Hohenkarpfen, 78595 Hausen ob Verena T +49 (0) 7424 4017 www.kunststiftung-hohenkarpfen.de

Emil Nolde zählt zu den bedeutendsten Künstlern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die expressive Leuchtkraft und die malerische Virtuosität seiner Werke, aber auch seine markante Persönlichkeit faszinieren bis heute. Die Ausstellung widmet sich dem vergleichsweise selten ausgestellten Medium Papier im Schaffen Noldes. Sie ist retrospektiv angelegt und spannt einen Bogen von bislang kaum gezeigten Arbeiten der Schweizer Jahre über Noldes legendären, in Cospeda bei Jena geschaffenen Aquarellen bis hin zu Werken, die auf seinen zahlreichen Reisen entstanden. Selbstverständlich fehlen weder die Meisterwerke mit Darstellungen des Meeres und der norddeutschen Küstenlandschaft noch die sogenannten „Ungemalten Bilder“ der späten 1930er- und 1940er-Jahre. Die Ausstellung mit 80 Werken aller Schaffensphasen wurde in Kooperation mit der Nolde Stiftung Seebüll eigens für die Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn zusammengestellt und wird im Anschluss im Museum Behnhaus Drägerhaus in Lübeck gezeigt. ☞ Kunsthalle Vogelmann Di/Mi/Fr–So/feiertags 11–17 Uhr, Do 11–19 Uhr Allee 28, 74072 Heilbronn T +49 (0) 71 31 56 44 20 www.museen-heilbronn.de

Zur Eröffnung ihrer 9. Ausgabe empfangen die KunstFestSpiele Herrenhausen in Hannover die amerikanische Theaterlegende Robert Wilson. Seine außergewöhnliche Inszenierung von John Cages „Lecture on Nothing“, bei der Wilson persönlich auf der Bühne zu erleben ist, ist eine Referenz an seine frühen New Yorker Jahre, in denen er von Cage und Cunningham stark beeinflusst war. Zusammen mit dem Komponisten Arno Kraehahn und dem Videokünstler Tomek Jeziorski, hat er mit der „Lecture on Nothing“ einen überaus inspirierenden Zugang zu Cages bahnbrechendem Text entwickelt. Rund 60 Veranstaltungen sind vom 18. Mai bis 3. Juni 2018 in Hannovers berühmten Gärten und in der Stadt zu sehen. Das GrauSchumacher Piano Duo, Tim Etchells, graindelavoix, Tabea Zimmermann, Eszter Salamon, Rabih Mroué und viele andere internationale Künstler und Künstlerinnen sind zu Gast in Herrenhausen. Ein Höhepunkt des Festivals ist das Requiem von Berlioz mit rund 500 Mitwirkenden am 27. Mai im riesigen Kuppelsaal des HCC. ☞ KunstFestSpiele Herrenhausen Alte Herrenhäuser Str. 6b, 30419 Hannover Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen und unter www.kunstfestspiele.de

Robert Wilson, „Lecture on Nothing”, Foto: Lucie Jansch, 2012

Albert Weisgerber, „Atelierszene“, 1908

Emil Nolde, „Mädchen mit rotem Hut“, o. D., Aquarell © Nolde Stiftung Seebüll

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©2018: www.d-werk.com | Bildausschnitt: Leo Putz, Am Ufer, um 1909 | Sammlung Siegfried Unterberger

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Schloss Achber

SHOOT! SHOOT! SHOOT! Fotografien der 60er und 70er Jahre aus der Nicola Erni Collection 21. 1. – 27. 5. 2018

FIX & FOXI Rolf Kauka, der deutsche Walt Disney, und seine Kultfüchse

© Thomas Wolf

© VG Bild-Kunst, Bonn 2017

10. 6. – 9. 9. 2018

DIE GESTE

© Your Family Entertainment AG

Kunst erleben neben CentrO und Gasometer …

© Paul Schmulbach/Ron Galella, Ltd.

20 Jahre LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

KUNST ZWISCHEN JUBEL, DANK UND NACHDENKLICHKEIT Meisterwerke aus der Sammlung Peter und Irene Ludwig Von der Antike über Albrecht Dürer bis Roy Lichtenstein

23. 9. 2018 – 13. 1. 2019


Karslruhe

Köln

Köln

EUNIQUE – Internationale Messe für Angewandte Kunst & Design 8.6. – 10.6.2018 Messe Karlsruhe

Louise Bourgeois Works on Paper bis 7.4.2018 Galerie Karsten Greve

BO[O]TE 13.4.– 19.5.2018 Eröffnung: 13.4.2018, 19 – 22 Uhr Galerie Schmidt & Schütte

Die einzige jurierte Messe Europas im Unikat- und Kleinserienbereich präsentiert Objekte, die durch ihre Einmaligkeit faszinieren – von fein gearbeitetem Schmuck über individuell geschneiderte Mode bis hin zu liebevoll gestalteten Möbeln und Wohnaccessoires. Ein Highlight der Messe ist die Verleihung des EUNIQUE-Awards. Mit der Auszeichnung würdigt der Bundesverband Kunsthandwerk gemeinsam mit der Karlsruher Messe- und Kongress-GmbH (KMK) jährlich einen herausragenden Gestalter unter den Ausstellern. Ein wahrer Publikumsmagnet der EUNIQUE sind die Fashion Shows: Professionelle Models zeigen auf dem Catwalk die besonderen Kreationen der Austeller. Zeitgleich zur EUNIQUE findet die LOFT – Das Designkaufhaus in der Messe Karlsruhe statt. Design-Professionals, Labels, Newcomer und Hochschulen präsentieren junges und innovatives Design aus den Bereichen Möbel, Wohnaccessoires, Mode und Schmuck. Der Eintritt gilt für beide Messen. ☞ Messe Karlsruhe Fr/Sa/So 11–19 Uhr Messeallee 1, 76287 Rheinstetten www.eunique.eu

Die Galerie Karsten Greve präsentiert in einer einmaligen Zusammenstellung beinahe 40 Zeichnungen von Louise Bourgeois aus der Privatsammlung von Karsten Greve, deren Entstehungszeit zwischen 1947 und 2007 angesiedelt ist. Für Louise Bourgeois ist das „Kunstwerk eine Sprache“, deren Ursprung in seelischen Zuständen zu verorten ist, die wiederum in der biografischen Vergangenheit der Künstlerin verankert sind. Die Intensität der Gefühlsinhalte schlägt sich mit urtümlicher Kraft in ihren Motiven nieder, die sich, einem archaischen Vokabular gleich, als abstrahierte Verkörperungen der prägenden Figuren in ihrem Elternhaus herausbilden. Im Beziehungs- und Rollenkonflikt entsteht für Bourgeois eine Fantasiewelt, die sich in ihren zutiefst persönlichen Zeichnungen unvermittelt offenbart. Bourgeois bedeckt die Fläche des Blattes mit eiförmigen, wuchernden Wülsten, die sich wahlweise zu Blütenblättern, Brüsten oder Hodensäcken weiterentwickeln, sowie mit Wolken, Wellen, Augen, Vaginae, Bäumen, Kreisen, Ellipsen, Spiralen. ☞ Galerie Karsten Greve Köln Di–Fr 10–18.30 Uhr, Sa 10–18 Uhr Drususgasse 1–5, 50667 Köln T +49 (0) 221 257 10 12 www.galerie-karsten-greve.com

Petra Höcker zeigt in der Ausstellung BO[O]TE aktuelle Malerei und Objekte. „Petra Höcker gibt ihren Arbeiten grundsätzlich keine Titel. Sie will die Assoziationen und Deutungen der Betrachter nicht in eine bestimmte Richtung lenken. Das Werk kann viele Vorstellungen und Erinnerungen auslösen – doch ist diese Vielfalt das Gegenteil von Beliebigkeit. Fasst man alle Interpretationsansätze zusammen, so stecken sie ein semantisches Feld ab, das durch Begriffe wie Körperlichkeit, Kreatürlichkeit, Sterblichkeit und Verletzlichkeit gekennzeichnet ist. Im Kunstwerk kann sich das reale plötzlich zeigen oder in Erinnerung bringen, eine Ahnung von dem existenziellen, stets unbegreiflichen Rätsel vermitteln, dass wir Menschen, nicht anders als die Tiere, körperliche, verwundbare, sterbliche, nach Schutz und Geborgenheit strebende Lebewesen sind.“ Textauszug: Dr. Peter Lodermeyer, 2017 ☞ Galerie Schmidt und Schütte Do/Fr 14.30–18.30 Uhr, Sa 12.30–15.30 Uhr und nach Vereinbarung Albertusstraße 26, 50667 Köln T +49 (0) 221 28 06 75 01 www.schmidtundschuette.de

EUNIQUE 2017 Messeansicht

Petra Höcker, Detail von Wandobjekt, 2017 © VG Bild-Kunst, Bonn 2018 Louise Bourgeois, „Spider (la femme araignée)“, 1994, Courtesy: Galerie Karsten Greve, Foto: Jochen Littkemann © The Easton Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

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MEIN METIER IST DAS BÜCHERMACHEN AXEL HERTENSTEIN ZUM 80. 22 04 – 21 10 2018 PFORZHEIM GALERIE Bleichstraße 81 / 75173 Pforzheim Fon 07231.393779 Mi und Sa 14 –17 Uhr / So 10–17 Uhr www.kultur.pforzheim.de

MW_Gries_Ad_4c_181x125.qxp_Artmapp 09.02.18 11:12 Seite 1

HAP Grieshaber und der Holzschnitt Sammlung Würth und Leihgaben

Museum Würth, Künzelsau 23. Oktober 2017– 3. Juni 2018, täglich 11–18 Uhr Eintritt frei www.kunst.wuerth.com

HAP Grieshaber: Uf dem anger II, aus dem Buch »Carl Orff: Carmina Burana«, 1965 Sammlung Würth, Inv. 9586

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog im Swiridoff Verlag erschienen.

Alle Aktivitäten des Museum Würth sind Projekte der Adolf Würth GmbH & Co. KG.

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Mettingen

Neu-Ulm

Oberhausen

Der Fall der Sterne Julian Rosefeldt – Albrecht Dürer – Johannes Gerson 18.3. – 26.8.2018 Draiflessen Collection

„SECRETS“ AN EXHIBITION BY JOHANN BÜSEN & TERENCE CARR 10.4. – 3.6.2018 Venet-Haus Galerie

SHOOT! SHOOT! SHOOT! Fotografien der 60er und 70er Jahre aus der Nicola Erni Collection bis 27. Mai 2018 LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Apokalyptische Vorstellungen vom Weltuntergang ziehen die Menschen seit Jahrhunderten in den Bann. In der Ausstellung treffen Julian Rosefeldts Videoarbeit „In the Land of Drought“, Albrecht Dürers Darstellungen der Johannesoffenbarung und endzeitliche Ankündigungen des Theologen Johannes Gerson aufeinander. Rosefeldt (*1965) zeichnet in seiner Videoinstallation das Bild einer postapokalyptischen imaginären Zukunft, in der der Mensch mit den Folgen des Raubbaus an den Ressourcen der Erde unausweichlich konfrontiert ist. Über 500 Jahre zuvor illustrierte Dürer (1471–1528) die biblische Vorhersehung des Weltendes mit 15 Holzschnitten. Erstmals 1498 erschienen, antwortete die fantasiereiche, doch angsteinflößende Serie auf die damalige Weltuntergangsstimmung in Anbetracht des bevorstehenden Jahrhundertwechsels. Fast zeitgleich datiert eine niederländische Druckausgabe der endzeitlichen Ankündigungen des Theologen Gerson (1363–1429). Bebildert mit 15 naiv-anschaulichen Sequenzen zeigt das Büchlein ganz praktisch auf, wie sich die Menschen die Vorzeichen von Weltuntergang und Jüngstem Gericht vorzustellen hatten. ☞ Draiflessen Collection Mi–So 11–17 Uhr, jeder 1. Do/Monat 11–21 Uhr Georgstraße 18, 49497 Mettingen T +49 (0) 54 52 91 68-0 www.draiflessen.com

Bilder und Skulpturen transportieren Emotionen wie kein anderes Medium. Interessant die Frage: was passiert wenn mehrere Bilder aus unterschiedlichen Themenbereichen nebeneinander geschichtet, miteinander verwoben und verflochten werden? Der Computer dient Johann Büsen als Archiv für seine Kunst. Durch digitale Bearbeitung werden die ursprünglichen Motive getrennt, verfremdet, überlagert und zu neuen, mystischen Bildwelten verdichtet. Die Motive stammen aus Politik, Natur, Literatur, Film, Kunst und Alltagskultur. Dabei erzählt Büsen surreale Geschichten, in denen mysteriöse oder skurrile Begebenheiten zu entdecken sind. Mit Hilfe von Maus, Grafiktablett, Scanner und diversen Programmen entstehen am Computer malerische Bilder. Anfänglich noch in der realistischen Malerei, entdeckte Terence Carr die Bildhauerei und erarbeitete sich eine ganz eigene „Handschrift“ mit der Motorsäge. Seine Werke sind filigran bis monumental, voller Symbolik und Leidenschaft. Ab dem 10.4.2018 kann in der Ausstellung „SECRETS“ diese Verbindung aus vielen kleinen Geheimnissen zu einem Ganzen, aus Bildern und Skulpturen erlebt werden. ☞ Venet-Haus Galerie Mi–Fr 16–19 Uhr und nach Vereinbarung Bahnhofstraße 41, 89231 Neu-Ulm www.galerie-im-venet-haus.de

Brigitte Bardot mit blonder Mähne, Yves Saint Laurent nackt und Mick Jagger mit Pelzkapuze: Ikonen der Film-, Mode- und Musikszene, fotografiert von Superstars wie Richard Avedon, Bert Stern oder Helmut Newton, lassen in der LUDWIGGALERIE das Lebensgefühl der 1960er- und 1970er-Jahre aufleben. Die Fotografie dieser Zeit bietet den Stars in ihrem Pakt mit den Fotografen ein Höchstmaß an medialer Präsenz. Die Bilder finden Verbreitung in der Tagespresse, in Magazinen und Illustrierten und werden als Werbung oder Promotion eingesetzt. Die Beatles, ausgelassen bei einer Kissenschlacht, Twiggy als neues androgynes Supermodel und die Stars aus Hollywood spiegeln in eindrucksvollen Porträts bedeutende Momente der Zeit. Die Ausstellung zeigt überwiegend Schwarz-Weiß-­ Fotografien. Rund 200 Werke aus der Schweizer Nicola Erni Collection versammeln das Who is Who der Celebrity-Gesellschaft. ☞ LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Di–So 11–18 Uhr Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen T +49 (0) 208 41249 28 www.ludwiggalerie.de

Ausstellungsansicht „SHOOT! SHOOT! SHOOT!”, 2018 © LUDWIGGALERIE, Axel J. Scherer Julian Rosefeldt, „In the Land of Drought” (Filmstill), 2015/2017 © Julian Rosenfeldt / VG Bild-Kunst, Bonn 2018

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S ank t Petersb urg

Schramberg

Schwäbisch Gmünd

BERND LUZ – WM-HistoryPop 10.5. – 15.09.2018 Sokos Hotel Vasilievsky

40 x 40 23.9. – 18.11.2018 Vernissage mit Künstlerfest: 22.9.2018, 18 Uhr Podium Kunst Schramberg

Armin Göhringer. Synapsen bis 13.5.2018 Galerie im Prediger Schwäbisch Gmünd

Der Schramberger Kunstverein Podium Kunst feiert 2018 sein 40-jähriges Bestehen mit einer besonderen Ausstellung. Alle bisher ausgestellten Künstler wurden eingeladen, ein Werk im Maß 40 x 40 cm zu präsentieren. Über 150 Einladungen wurden an die Künstlerinnen und Künstler im In- und Ausland verschickt. Die Resonanz verspricht eine Schau zu werden, die eine große Bandbreite künstlerischer Positionen aufzeigt und somit 40 Kunstjahre auf kleinem Format dokumentiert. Seit seiner Gründung hat Podium Kunst jedes Jahr drei Kunstausstellungen realisiert und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf junge Künstler mit professioneller Ausbildung gelegt. Für viele der Künstler waren die Ausstellungsräume im Schloss gerade in ihrer Anfangszeit ein wichtiges Podium um ihre Werke in einer Einzelausstellung der Öffentlichkeit zu zeigen. Nun wird es spannend sein zu sehen, wie sich ihre Entwicklung auf 40 x 40 cm wiederspiegelt. ☞ Podium Kunst Schloss Di–Sa 13–17 Uhr, So/feiertags 11–17 Uhr Bahnhofstraße 1, 78713 Schramberg. T +49 (0) 7422 29268 www.podiumkunst.com

Das Werk von Stefan Rohrer, geb. 1968, dreht sich um das wohl wichtigste Kulturgut des 20. Jahrhunderts, um einen modernen Mythos, ja gar einen Fetisch: das Auto. Alte Autokarosserien, Motorroller und Modellautos zerlegt er in ihre Einzelteile. Neu zusammengesetzt, schweißt, schraubt und schleift er daraus in Popfarben lackierte und auf Hochglanz polierte Skulpturen, die mit bekannten Formen beginnen und sich alsbald im Fantastischen verlieren. Stefan Rohrer, der seine Skulpturen als ins Dreidimensionale übersetzte Comicstrips versteht, spielt dabei mit Ambivalenzen: „Meine Arbeiten vereinen Bewegung und Erstarrung, Realität und Täuschung, Spiel und Ernst“, sagt er. In Kooperation mit der Galerie Scheffel, Bad Homburg v. d. H. zeigt die Ausstellung ältere und neue, speziell auf den Ausstellungsraum abgestimmte Boden- und Wandarbeiten sowie ausgewählte Zeichnungen. ☞ Museum im Prediger Di/Mi/Fr 14–17 Uhr, Do 14–19 Uhr, Sa/So/feiertags 11–17 Uhr Johannisplatz 3, 73525 Schwäbisch Gmünd T +49 (0) 7171 603 4130 www.museum-galerie-fabrik.de

Rémy Trevisan, a. d. Serie „Durchblick“, 2016, 40 x 40 cm, Bernd Luz, „Maradonna“, Foto: Bernd Luz

Acryl/Mischtechnik auf Leinwand © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Ausstellungsansicht: Armin Göhringer, „Synapsen“, Foto: Frank Kleinbach © Museum und Galerie im Prediger Schwäbisch Gmünd

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

Pop Art Ausstellung begleitend zur Fußball-WM in Russland. Die Ausstellung WM-Legenden zeigt einen Querschnitt mit Highlights der Geschichte der Fußball-Welt­ meisterschaften. Sie erinnert an wichtige Spieler, Begegnungen und Besonderheiten. Jahrhundert­ torhüter Lev Jashin, Wunder von Bern, Maradonas Hand Gottes, Pele bis zu Russlands Arshavin. Kunst verbindet Kulturen. Kunst lässt Ländergrenzen fallen. Kunst illustriert und bereichert diesen sportlichen Wettkampf. Spannend, energiereich und farbenfroh illustriert und umgesetzt in speziellem Pop Art-Stil. Zu jedem Werk gibt es interessante Hintergrundinformationen, die mittels QR-Code abgescannt werden können. Die Ausstellung lässt Erinnerungen zu alten Weltmeisterschaften aufleben. Der renommierte Pop Art- und Abstrakt-Künstler Bernd Luz hat es in nur wenigen Jahren ganz nach vorn in der weltweiten Pop Art Szene geschafft: Ausstellungen in verschiedensten Museen, auch Nationalmuseen, für Botschaften, selbst internationale Rundfunkund TV-Auftritte. ☞ www.BerndLuz.de Sokos Hotel Vasilievsky 8-Ya Liniya V.o., 11-13, RUS-197701 Sankt-Peterburg


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Soest

Stuttgart

Brent Birnbaum – That‘s what (s)he said. 17.3. – 27.5.2018 RAUM SCHROTH im Museum Wilhelm Morgner

EURYDIKE – Kunstinstallation. Musiktheater. Real-Life-Game. Mixed Reality Experience 18.4. – 1.5.2018 Theater Rampe Stuttgart

Durch die Verwendung gebrauchter Gegenstände vermittelt der US-Konzept- und Aktionskünstler emotionale Aussagen über deren ursprüngliche, profane Bestimmung hinaus. Die Ausstellung beinhaltet eine über 9 Meter lange farbige Installation aus gebrauchten Tischplatten und Regalbrettern der IKEA-Serie L ACK. Die darauf zu findenden Gebrauchsspuren weisen auf ihre Nutzung hin, beinhalten durch ihre Entsorgung über eBay und ähnliche Portale in New York aber auch die Aussage, dass der Anbieter, z.B. nach Beginn seiner beruflichen Karriere, nun zu höherwertigem Lebensstil finden kann und möchte. Die Lichtinstallation „That‘s what (s)he said.“ findet ihren Ursprung in der Amerikanischen Pop-Musik, steht in dieser Ausstellung im Kontext zu der Installation L ACK. Als weitere typische Arbeit beinhaltet die Ausstellung eine Installation aus gebrauchten und farbig bemalten, funktionsfähigen Laufbändern. ☞ Museum Wilhelm Morgner Raum Schroth der Stiftung Konzeptuelle Kunst Di–Fr 14–17 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr Thomästraße1, 59494 Soest T +49 (0) 2921 14177 www.skk-soest.de

Die Mixed Reality Experience EURYDIKE vereint Bildende Kunst, Musiktheater, Film, Games und Hightech in einer interaktiven Rauminstallation: Ein haptisch erlebbarer Spielort wird durch neue Technologien erweitert. Besucher und Besucherinnen tauchen via Virtual Reality-Brille in ein retrofuturistisches Universum zwischen „A Space Odyssey“ und „Clockwerk Orange“ (Süddeutsche Zeitung) ein, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen. Jeweils alleine kreieren sich die „Singleplayer“ ihre individuelle ästhetische Grenzerfahrung und werden zu Orpheus, das Environment zu EURYDIKE. EURYDIKE hinterfragt die Rolle der Frau in unserer Hightech-Gesellschaft in Zeiten von #MeToo und spannt einen Bogen vom Mythos ins Jetzt. Die vielfach ausgezeichnete Medienkünstlerin und VR-/ AR-Pionierin Evelyn Hriberšek lädt ein Publikum von Hochkultur bis Mainstream (18–75 J.) zu Grenzüberschreitung, Experiment und Selbstversuch zwischen Elysium und Hades ein: Exklusiv, interaktiv, immersiv – am Puls der Zeit. ☞ Theater Rampe Stuttgart Mo–Fr 16–22 Uhr, Sa/So/feiertags 14–23 Uhr Filderstraße 47, 70180 Stuttgart T +49 (0) 711 620 09 09-15 www.eurydike.org www.theaterrampe.de

geöffnet: Mi - Fr: 15 - 19 Uhr Sa / So / FT: 11 - 18 Uhr

Brent Birnbaum, „That‘s what (s)he said.”, 2011, Neonröhren, 102 x 10 x 7 cm

Evelyn Hriberšek, EURYDIKE, Foto: Adrian Schaetz © Evelyn Hribersek & Adrian Schaetz


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Ti e f e n t h a l

Waib ling en

Wal d enb u ch

DIALOG Gestische Abstraktion in Fläche und Raum Malerei K. O. Götz / Skulptur Michael Dekker 27.5. – 24.6.2018 KunstKabinett Tiefenthal

Scharf geschnitten. Vom Scherenschnitt zum Papercut bis 22.4.2018 Dior, Lacroix, Gaultier. Haute Couture auf Papier 19.5. – 12.8.2018 Galerie Stihl Waiblingen

„Weiß ist der Grund“ „Ulrich Wagner – Urbane Systeme“ 6.5. – 16.9.2018 Eröffnung: 5.5.2018, 17 Uhr MUSEUM RITTER

In dem außergewöhnlichen Projekt DIALOG trifft die Maler-Legende K. O. Götz (1914–2017) auf den Bildhauer Michael Dekker (1983), Meisterschüler von Tony Cragg. Die Ausstellung im KunstKabinett Tiefenthal stellt die farbig gefassten Metallskulpturen von Michael Dekker den informellen Strukturen von K. O. Götz gegenüber. Der junge Bildhauer bildet mit seinen stark linear geprägten Arbeiten im Raum ein Pendant zu der gestischen Abstraktion des Malers mit dessen individueller Bildsprache. Dieser DIALOG ist eine Hommage an K. O. Götz, Pionier der gegenstandslosen Malerei, und zugleich ein Ausblick in die Formensprache des Bildhauers Michael Dekker, der 2014 den Pfalz-Nachwuchspreis für Bildende Kunst in der Sparte Plastik erhielt. Vernissage: 27.5.2018, 11 Uhr; Laudatio: Dr. Annette Reich, Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern. Es erscheint ein Katalog. ☞ KunstKabinett Tiefenthal Sa/So 11–16 Uhr und nach Vereinbarung Altes Pastorat, Bahnhofstr. 1, 67311 Tiefenthal/Pfalz T +49 (0) 6351 12 40 21 www.kunstkabinett-tiefenthal.de

Die Ausstellung „Scharf geschnitten. Vom Scherenschnitt zum Papercut“ widmet sich einer Technik, die wie kaum eine andere das Papier selbst in den Fokus rückt. Aus dem Material entstehen, mit Schere oder Messer „gezeichnet“, unmittelbar Formen und Figuren. Die Kunst besteht dabei im Weglassen. Streng auf ihre Umrisse reduziert, sind die gezeigten Motive dennoch klar erkennbar, wobei die Arbeiten durch höchste Kunstfertigkeit bestechen. Die Waiblinger Ausstellung spannt einen Bogen von der Blütezeit des Papierschneidens um 1800 bis zu zeitgenössischen Werken, die die traditionelle Kunstform wieder aufgreifen und gänzlich neu interpretieren. Zu sehen sind rund 70 Scherenschnitte und Cut Outs, darunter vier historische und 15 zeitgenössische Künstlerpositionen. Sie zeigen die immense gestalterische Vielfalt, die von klassischen Silhouettenporträts über monumentale Rauminstallationen und dreidimensionale Objekte bis hin zu filmischen Animationen reicht. ☞ Galerie Stihl Waiblingen Di/Mi/Fr–So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr Weingärtner Vorstadt 12, 71332 Waiblingen T +49 (0) 7151 50 01 16 86 www.galerie-stihl-waiblingen.de

Ab 6. Mai 2018 lautet das Ausstellungsmotto im Museum Ritter „Weiß ist der Grund“. Gezeigt werden Werke verschiedener Künstler aus der Sammlung Marli Hoppe-Ritter, in denen Weiß eine besondere Rolle spielt, die über den weißen Bildgrund hinausgeht. Gerade im Bereich der konstruktiv-­ konkreten Kunst findet sich die Beschränkung auf die sogenannten Nichtfarben Schwarz und/oder Weiß häufig, denn dann treten geometrische Formen und analytische Strukturen umso klarer hervor. Durch eine reduzierte Farbigkeit werden systematische Bildmuster wie auch feine, subtile Gestaltungen mit Licht und Schatten besonders gut sichtbar und ästhetisch wirksam. Parallel erwartet die Museums­ besucher eine Ausstellung über den Kölner Künstler Ulrich Wagner. Geometrische Elemente, eingebettet in umfassende Ordnungsstrukturen, grafische Formverdichtungen und serielle Gliederungen sind die Kennzeichen seiner Kunst. Im Erdgeschoss des Museums realisiert Wagner einen begehbaren Lichtraum. ☞ MUSEUM RITTER Sammlung Marli Hoppe-Ritter Di–So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr Alfred-Ritter-Straße 27, 71111 Waldenbuch T +49 (0) 7157 535 11 0 www.museum-ritter.de

© VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Ulrich Wagner, „Tanzbrunnen“, 2010, Serie Ortsgedächtnis © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Annette Schröter, „Kawummh!“, 2009, Papierschnitt, Courtesy: Annette Schröter und Wichtendahl Galerie, Berlin, Foto: Erasmus Schröter © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Michael Dekker, „Act“, 2015, Bronze lackiert, 44 x 51 x 32 cm

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

K. O. Götz, „Senza Titolo“, 1961, Mischtechnik auf Karton, 65 x 100 cm


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Skulpturen in Bad Homburg und Frankfurt RheinMain in Zusammenarbeit mit der Fondation Marguerite et Aimé Maeght, Magazin für Saint-Paul-de-Vence, Frankreich Kunst Architektur Design

Magdalena Abakanowicz | Arman | Hans Arp | Hanneke Beaumont | Caspar Berger Damien Cabanes | Ricardo Calero | César | Richard Deacon | Erik Dietman | Laura Ford Gloria Friedmann | Antony Gormley | Camille Henrot | Sean Henry | Kenny Hunter Fabrice Hyber | Claire-Jeanne Jézéquel | Ilya & Emilia Kabakov | Dietrich Klinge Masayuki Koorida | Luigi Mainolfi | Yazid Oulab | Jaume Plensa | Peter Randall-Page Germaine Richier | Jean-Paul Riopelle | Stefan Rohrer | Shim Moon-Seup | Assan Smati Hans Steinbrenner | Sui Jianguo | Matthäus Thoma | Bernar Venet | Henk Visch Not Vital | Michael Zwingmann Mode

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Veranstalter Stiftung Blickachsen gGmbH Magistrat der Stadt Bad Homburg v.d.Höhe Kur- und KongreÃ&#x;-GmbH Bad Homburg v.d.Höhe Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen

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Unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier

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Förderer Blickachsen 9 wird ermöglicht durch die Förderung von Deutsche Leasing AG, Freunde der Blickachsen, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Kulturfonds Frankfurt RheinMain, Stefan Quandt

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23.10.12 13:58 aus Artmapp, Herbst / Winter 2012 / 2013, Redaktion / Text Christiane Morsbach, c.morsbach@artmapp.net.

3/13 – Winter 2013/14

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1/12 – Winter 2012/13


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17. Ausgabe – 7. Jahrgang – März 2018

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erscheint im Verlag ARTMAPP GmbH Geschäftsführerin Silvia Brouwer

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Verlag in der Pfizerstraße 11, 70184 Stuttgart

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HRB 760200 Amtsgericht Stuttgart USt.-IdNr. DE284814593

VERTRIEB DPV Vertriebsservice GmbH

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REDAKTION

ANZEIGENLEITUNG

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Silvia Brouwer, s.brouwer@artmapp.net

Am 13. Juli 2018 erscheint die nächste Ausgabe

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Weitere Informationen unter www.artmapp.net

AUTOREN DIESER AUSGABE

T +49 (0) 711 161 224 15 ISSN 2195-1594

Kim Behm, Katja Behrens, Nicole Büsing & Heiko Klaas, Babette Caesar, Hansjörg Fröhlich,

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Dr. Chris Gerbing, Tobias Greiner, Bülent Gündüz,

Design – Chris Steurer, www.csteurer.com

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Der ARTMAPP-Gesamtauflage liegt auf Seite 81 die Broschüre „Venezianische Messe“ der Tourismus & Events Ludwigsburg und auf der Umschlagrückseite die Hotelbroschüre „Sightsleeping-Hotels – Besondere architektonische Hotels in Bayern“ von BAYERN TOURISMUS Marketing GmbH, München, bei. Sollten diese Beilagen nicht vorhanden sein oder Sie weitere Exemplare wünschen, wenden Sie sich bitte an: mail@artmapp.net.

A R T M A P P   F R Ü H J A H R 2 018 — I M P R E S S U M

HERAUSGEBER


Jeppe Hein, INHALE HOLD EXHALE, 2016. Courtesy der Künstler; KÖNIG GALERIE, Berlin; 303 Gallery, New York; Galleri Nicolai Wallner, Kopenhagen. Foto: Hendrik Albrecht



The Foundation Swiss Sculpture Exhibition Biel/Bienne ESS-SPA congratulates Thomas Hirschhorn on being awarded the Prix Meret Oppenheim 2018

The SWISS ART AWARDS are part of Switzerland’s oldest and most renowned art competition – The Schweizer Kunstwettbewerb (Swiss Art Competition). Organized annually by the Swiss Federal Office of Culture since 1899, the exhibition offers insight into current art and architecture making in Switzerland and is a valuable index for art professionals and lovers. www.ess-spa.ch

Current project in Switzerland initiated by ESS-SPA: “Robert Walser-Sculpture” Thomas Hirschhorn Biel/Bienne


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