Intro #174

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Mode

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Fotoausstellung Melt! & Berlin Festival

DANCING SHOES

UdK schau09

FALLSCHIRME UND PFERDEKÖPFE Die Berliner Universität der Künste (UdK) ist als einzige Modeschule auf der Berlin Fashion Week im Spotlight vertreten. Ein Grund mehr, dass unsere Autorin Kathrin Leist etwas genauer hinschaute, als die Mode-Diplomanden ihre Abschlusskollektionen vorstellten. Gelegenheiten, ihren Models den Gang zu erschweren, fanden die Jungdesigner en masse: Zarten Staturen wurden Schwergewichtsheber-Felle aufgeschultert oder gleich Pferdeköpfe aufgeschnallt, Schilder und eine Armsessel-Rückenlehne hingen auf den schmalen Rücken, und an die Hemden wurden fallschirmartige Umhänge genäht, sodass die Lauf-Luft anti-aerodynamisch eingefangen wurde. Kurzum: Es gab sie, die Entwürfe, wie man sie von jungen Designern erwartet, auf der sonstigen Berliner Fashion Week aber immer noch selten findet: nicht praktisch, sondern inspirierend. Damit wir uns aber nicht

falsch verstehen, ganz so abgrenzlerisch waren die Absolventen dieses Jahr nicht unterwegs. Statt in futuristischen Visionen zu schwelgen, nahmen die elf Absolventen moderne Trends aus Mode und Kunst auf: megabreite Schultern, Schleifen und Korsetts, Materialien wie Fell, Federn und Leder erinnerten an Werke Joseph Beuys’. Spielt die Zukunft keine große Rolle bei der AbschlussSchau, weil die Studenten Angst vor ihr haben? »Natürlich sind sie nicht glücklich über die gegenwärtige Berufssituation«, so Professor Stephan Schneider trocken. Absolvent Thomas Behrens ist dagegen positiver eingestellt: »Ich glaube umso fester an mich.« Und auch Kommilitonin Teresa Lindenmayer kann den aktuellen Zukunftsängsten ihr Gutes abgewinnen, indem sie in die Sensibilität flüchtet: »Ich bin mehr interessiert an abstrakten Atmosphären und stillen Momenten, ähnlich wie in Träumen.«

opstar-Visagen langweilen Gerrit Starczewski. Den unnahbaren Gesichtsausdrücken der Performer zieht der Konzertfotograf den Musikerfuß und das ihn umhüllende Schuhwerk vor. Für Starczewski sind sie das entlarvende Element der Musikerseele: »Der Blick eines Musikers kann täuschen, der Schuh und die Stellung der Füße jedoch nicht, ähnlich wie beim Händedruck. Der Schuh bietet eine Menge Anhaltspunkte: die Farbe, der Zustand, das Material, die Haltung, aber auch die Marke. Man braucht noch nicht einmal die Musik kennen, beim Betrachten des Fotos wird schon vieles klar. Zeigen die Schuhe mit den Zehen nach vorne, ist der Musiker gefestigt, die Musik prescht dann meist schnell nach vorne. Steht er zur Seite abgeknickt, ist das oft ein Melancholiker-Singer/Songwriter.« Seit 2005 befindet sich Starczewski im Fotografengraben auf Augenhöhe mit abgewetztem Leder und ausgetretenem Gummi, von Adam Green bis Zoot Woman hat er mehrere hundert Schuhpaare gesammelt. Ein Motiv zeigt sogar die nackte Wahrheit: »Den Sänger der schwedischen Band Lo-Fi-Fnk habe ich barfuß fotografiert, mit dreckigen Zehennägeln – dieses Bild verrät sehr viel über seine Lebenseinstellung: den Moment genießen, verrückt sein und sich um nix Gedanken machen.« Gerrit Starczewskis Serie »Dancing Shoes« wird auf dem Melt! Festival im Revolutionspalast als Projektion zu sehen sein, auf dem Berlin Festival wird die Ausstellung in der Eingangshalle des Flughafens Tempelhof hängen. Text: Katharina Poblotzki

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