ZUSAMMEN Frühling 2019 #04

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zusammen Das Magazin zu Integration in Österreich

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ÖSTERREICHISCHE POST AG/SP 08Z037821S, ÖSTERREICHISCHER INTEGRATIONSFONDS, SCHLACHTHAUSGASSE 30, 1030 WIEN

Frühjahr 2019

Männer in die Pflicht nehmen Gewalt gegen Frauen nimmt zu – viele Täter haben Migrationshintergrund. Wo die Ursachen dieser Entwicklung liegen und warum Männer mit patriarchalen Rollenbildern umdenken müssen.

INTEGRATIONSBERATUNG FÜR MÄNNER

VON WIEN BIS VORARLBERG

NOBELPREISTRÄGERIN SHIRIN EBADI

Aufklärung über Selbstbestimmung von Frauen und Gewaltverbot in Österreich

Aktuelle Statistiken zu Integration in Österreichs Bundesländern

„Wer Frauen in ihren Rechten beschneidet, verdient keine Toleranz!“ Sommer 2018

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EDITORIAL

[giwalt] lautet der althochdeutsche Begriff für Gewalt, dessen Verwendung seit dem 8. Jahrhundert belegt ist. Zu „walten“ – ähnlich dem Altenglischen geweald oder dem Schwedischen våld – bedeutete ursprünglich, Macht oder Herrschaft über etwas oder jemanden zu haben.

Erschreckende Wahrheit

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ewalttaten gegen Frauen haben in den ersten Monaten des Jahres 2019 die Schlagzeilen der österreichischen Medien beherrscht. Ein Großteil der beschuldigten Täter hatte Migrationshintergrund und stammte aus patriarchal geprägten Kulturen. Die stark gestiegene Zahl an tödlichen Angriffen gegen Frauen ist alarmierend, wenngleich sie auch nur die Spitze des Eisbergs darstellt: Abwertung und Benachteiligung, Überwachung innerhalb der Familie und die Einschränkung persönlicher Frei-

Die ZUSAMMENRedaktion, von links: Roland Goiser, Kristin Bernhard, Julian Unger, Aleksandra Klepic und Franziska Micheler

heiten – diese Formen der Gewalt, die häufig im Versteckten stattfinden, sind für viele Mädchen und Frauen brutaler Alltag. Für die aktuelle Ausgabe haben wir mit Emina Saric, die jahrelang in der Frauenberatung tätig war und nun mit jungen Männern aus sogenannten „Ehrkulturen“ arbeitet, mit Außen- und Integrationsministerin Karin Kneissl, die sich gegen Gewalt an Frauen und weibliche Genitalverstümmelung einsetzt, und Shirin Ebadi, die für ihr Engagement für Menschenrechte und die gleichberechtigte Rolle von Frauen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, gesprochen und nachgefragt, welches Frauen- bzw. Männerbild Flüchtlinge und Zuwanderer nach Österreich mitbringen, welche Gründe es für die erhöhte Gewaltbereitschaft unter diesen Männern gibt und was nun getan werden muss.

Fotos: Eugénie Sophie Berger (Cover), ÖIF/Ibragimova

Wir wünschen eine aufschlussreiche Lektüre und freuen uns über Ihre Meinung oder Abo-Bestellungen unter magazin@integrationsfonds.at.

Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) ist ein Fonds der Republik Österreich mit Integrationszentren in allen Landeshauptstädten und mobilen Beratungsstellen in zahlreichen Gemeinden. Für die Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern stellt der ÖIF Beratungsformate, Werte- und Orientierungskurse, Deutschkurse und Integrationsprüfungen zur Verfügung. Mit Initiativen wie ZUSAMMEN:ÖSTERREICH, Veranstaltungen in ganz Österreich sowie Studien und Publikationen fördert der ÖIF eine sachliche Auseinandersetzung mit integrations- und gesellschaftspolitisch relevanten Themen. www.integrationsfonds.at Impressum: Medieninhaber, Herausgeber und Redaktionsadresse: Österreichischer Integrationsfonds, Schlachthausgasse 30, 1030 Wien, Tel.: +43 1/710 12 03, magazin@integrationsfonds.at. Chefredakteur: Mag. Roland Goiser. Leitende Redakteurin: MMag. Franziska Micheler. Chefin vom Dienst: Mag. Kristin Bernhard, MAS. Redaktion: Mag. Aleksandra Klepic, Mag. Julian Unger, MA. Produktion & Anzeigen: CONTENT MARKETING & CORPORATE PUBLISHING, VGN Medien Holding GmbH, Taborstraße 1-3, 1020 Wien, Tel.: +43 1/213 12-0, www.vgn.at. Leitung: Mag. Sabine Fanfule, MBA. Artdirektion: Erich Schillinger. Grafik: Mag. Christa Vadoudi. Korrektur: Mag. Pia Praska. Hersteller: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Wiener Straße 80, 3580 Horn. Beiträge von Gastautorinnen und Gastautoren drücken deren persönliche Meinung aus und müssen nicht zwangsläufig den Positionen des Medieninhabers entsprechen. Alle Rechte vorbehalten gemäß § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz. Impressum und Offenlegung nach § 25 MedienG abrufbar unter www.integrationsfonds.at/impressum.

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RessoRt Inhalt

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titelgeschichte. Gewalt gegen Frauen nimmt zu – viele Täter haben Migrationshintergrund. Zu den Ursachen dieser Entwicklung und warum Männer mit patriarchalen Rollenbildern radikal umdenken müssen, nimmt auch Bundesministerin Karin Kneissl Stellung.

Männer in die Pflicht nehmen 14 Integration in Zahlen. Frauen als opfer von Gewalt Wie viele Frauen in Österreich von Genitalverstümmelung oder Zwangsehe betroffen sind und welche Einstellungen zu Gewalt gegen Frauen führen können.

15 termine. Rudolf Burger, Jan Assmann und Peter sloterdijk im Gespräch

Der ÖIF lädt zu Podiumsdiskussionen über Identität, die Rolle der Religion und Auswirkungen von Migration und Integration auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Meinungen

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Franz Wolf. Frauen nicht im Stich lassen.

Andrea Walach. Elternarbeit an Brennpunktschulen – wie klappt’s?

16 Interview. „Wer Frauen in ihren Rechten beschneidet, verdient keine toleranz!“

Die iranische Nobelpreisträgerin und Menschenrechtsaktivistin Shirin Ebadi spricht über Frauenbilder von Flüchtlingen und die Überwindung patriarchaler Werthaltungen.

18 ÖIF-Projekt. „Auch Ihre tochter hat dieselben Rechte wie jede Österreicherin!“

In einem neuen Beratungsformat informiert der ÖIF männliche Flüchtlinge über die Rechte, Freiheiten und Selbstbestimmung von Frauen sowie das Gewaltverbot in Österreich.


Leserbriefe

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Interview. Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi über die Frauenbilder von Flüchtlingen, missbrauchte Religion und patriarchale Traditionen.

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Ausgabe 3/2018 Frage zur Verlosung des Buchs „Jenseits von Schuld und Sühne“ von Jean Améry

„Was bedeutet Heimat für Sie?“

Projekt. In neuen Beratungen informiert der ÖIF männliche Flüchtlinge über die Rechte, Freiheiten und Selbstbestimmung von Frauen in Österreich.

19 Rat für Engagierte. Elternarbeit an Brennpunktschulen

Fotos: Eugénie Sophie Berger, BMEIA/Mahmoud Ashraf, Thomas Kost/laif/picturedesk.com, ÖIF/Unger llustrationen: Ruth Veres

magazin@integrationsfonds.at

Verantwortung vermitteln, Konsequenz einfordern: Wie NMS-Direktorin Andrea Walach Eltern mit Migrationshintergrund erreicht und einbindet.

20 Publikation. Integration von Wien bis Vorarlberg

Aktuelle Bundesländer-Daten zu Migration und Integration sowie zu den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Sprache.

22 Zusammenleben. Wenn die Osterratschen klappern

Wie Kinder und Jugendliche zu Ostern bei kirchlichen und regionalen Traditionen zusammenkommen.

Die für mich rhetorische Frage Jean Amérys „Wie viel Heimat braucht der Mensch“ kann nur mit „jede Menge“ beantwortet werden. Ich spreche als voll integrierter Immigrant, der österreichischen Boden durch Heirat vor 41 Jahren erstmals betrat. Das anfängliche Gefühl einer stark verunsichernden Heimatlosigkeit legte sich bald – durch das Anwachsen meiner Familie, das Finden neuer Freunde und eine ausgesprochene Akzeptanz durch die lokale Bevölkerung. Heute kann ich Hegel zustimmen, dass Heimat dort ist, wo man sich nicht erklären muss. Somit ist mein Wohnort in Österreich gleichwertig dem Geburtsort in Siebenbürgen geworden. T. Ziegler Heimat bedeutet für mich unter anderem die vertraute Landschaft, die ein Abbild meiner Seele ist – und umgekehrt. R. Ambichl

24 Persönlichkeiten. „The girl who was too beautiful“

Heimat ist für mich ein Gefühl von Geborgenheit. H. Harlander

25 Wortwanderung. Alpinismus in Österreich

Ich fühle mich als europäische Österreicherin. Meine Heimat ist dort, wo mein Herz ist, bei meiner Familie, meinen Freundinnen und Freunden – wo immer sie auch sein mögen. R. Weiss

Als Leinwandstar verehrt, als Erfinderin nicht anerkannt: Wie die Wienerin Hedy Lamarr an den stereotypen Rollenbildern ihrer Zeit scheiterte.

Begriffe rund um Bergsport und Natur, die in den deutschen Sprachraum einoder aus diesem ausgewandert sind.

26 Kultur-Kontroverse. Frauen, die Wien modern machten

Über Helene Funke und andere vergessene Künstlerinnen der Wiener Moderne, deren Werke in einer Retrospektive des Belvedere zu sehen sind.

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Foto: Eugénie Sophie Berger

RessoRt Titelgeschichte

Emina Saric war lange in der Frauenberatung tätig und hat viele weibliche Gewaltopfer betreut. Jetzt arbeitet sie präventiv mit Männern aus patriarchal geprägten Gesellschaften.

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Männer in die Pflicht nehmen Gewalt gegen Frauen gerät seit Anfang des Jahres nicht mehr aus den Schlagzeilen. Ein Großteil der Tatverdächtigen hat Migrationshintergrund. Über die Gründe für diese Gewaltbereitschaft, wie man patriarchale Rollenbilder aufbrechen kann und warum bei vielen dieser Männer ein radikales Umdenken notwendig ist. Aleksandra Klepic, Franziska Micheler und Roland Goiser

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en ganzen Tag in der Wohnung eingesperrt sein, kein eigenes Telefon besitzen, nur kochen und aufräumen, sexuelle Gefügigkeit auf Kommando, aber auch Schläge und Tritte aushalten, wenn die Kinder zu laut sind oder der Mann einen schlechten Tag hatte. Das ist Alltag für viele Frauen – in Österreich“, erzählt Emina Saric. Die Grazer Inte-

grationsexpertin hat langjährige Erfahrung in der Frauenberatung und arbeitet nun präventiv mit Männern aus Ländern mit patriarchaler Gesellschaftsordnung. Gewalt gegen Frauen, meist ausgeübt durch den eigenen Partner, Ex-Partner, Bruder oder den Familienverband, hat laut Saric viele Gesichter: durchgehende Kontrolle, Verweigerung der

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RessoRt Titelgeschichte

Selbstbestimmung, Beschimpfungen und Schläge, bis hin zu Mord. Eine Reihe von Frauenmorden hat erst zu Jahresbeginn Österreich erschüttert, nahezu wöchentlich war ein Tötungsdelikt in den Schlagzeilen. Saric warnt jedoch davor, sich in der Diskussion nur auf die extremste Form der Gewaltausübung zu fokussieren. Denn Morde seien nur der drastische Ausdruck eines grundlegenden, viel tiefer liegenden Problems und „Gewalt beginnt bereits viel früher!“

„Frauen werden häufig als Eigentum betrachtet“ „Morde sind die grausame Spitze des Eisbergs, die ultimative Eskalation. Wir müssen als Gesellschaft aber auch die zahlreichen anderen Gewaltformen ernst nehmen, die Frauen tagtäglich widerfahren“, betont Saric. „Psychische Gewalt durch den Partner, aber auch Vergewaltigung innerhalb der eigenen Familie, Zwangsverheiratung und weibliche Genitalverstümmelung – all das waren die Schicksale meiner Klientinnen.“ Der Großteil der Frauen hatte – so wie auch ihre Partner – Migrationshintergrund: „Viele kommen aus patriarchal geprägten, kollektivistischen Gesellschaften, in denen der Mann oder der Familienverband das Sagen hat und die Frau nicht mitreden darf.“ Über ihr Schicksal würden andere entscheiden: „In patriarchal geprägten Kulturen werden Frauen nicht als gleichwertig betrachtet, sondern als Eigentum des Mannes und der Familie.“

Männliche Angst vor Kontrollverlust Welche Denkmuster und insbesondere Männlichkeitsbilder einem solchen Besitzdenken zugrunde liegen,

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„Frauen werden in patriarchal geprägten Kulturen nicht als gleichwertig betrachtet, sondern als Eigentum des Mannes.“ Emina Saric, Leiterin des Projekts „Heroes“

„Viele dieser Männer haben Angst, die Kontrolle und Macht über ihre Frauen zu verlieren.“ Ahmad Mansour, Psychologe und Autor

weiß der deutsche Psychologe und Autor Ahmad Mansour: „Männer aus Afghanistan, Pakistan oder dem Irak wachsen in stark muslimisch geprägten Gesellschaften und Strukturen auf, in denen von ihnen als Mann erwartet wird, dass sie Frauen kontrollieren.“ Frauen hätten in diesen Ländern nicht die gleichen Freiheiten, in liberalen Gesellschaften löse ihre Emanzipation bei Männern aus patriarchal geprägten Herkunftsländern dann oft Überforderung aus: „Viele dieser Männer haben Angst, die Kontrolle und Macht über ihre Frauen und damit ihre Männlichkeit zu verlieren, wenn diese die Freiheiten hierzulande kennenlernen. Und im Extremfall kommt es zur Entladung von Gewalt.“ Mansour arbeitet seit vielen Jahren mit Jugendlichen aus patriarchal geprägten Kulturen und versucht ihre Vorstellungen über Beziehungen und das Verhältnis von Frauen und Männern aufzubrechen: „Diese Jungen und Männer müssen verstehen, dass das, was sie als ‚normal‘ kennengelernt haben, hier nicht gilt; dass Frauen wie ihre Partnerinnen und Schwestern in Österreich und Deutschland gleichwertig sind und dass eine religiös oder kulturell tradierte Ungleichheit zwischen Mann und Frau bei uns nicht akzeptiert wird und keinen Platz mehr hat. Diesem Thema müssen wir uns stellen, ohne Angst davor zu haben, dass das fremdenfeindlich oder rassistisch ist.“ Dem stimmt auch Marina Sorgo, Bundesvorsitzende der Gewaltschutzzentren Österreich, zu: „Diesen Männern fehlt in einer liberalen Gesellschaft wie unserer oft plötzlich die Orientierung. Sie kommen aus Ländern, in denen Gewalt gegen Frauen oftmals keine rechtlichen oder gesellschaftlichen Konsequenzen hat.“ In vielen Herkunftslän-


Titelgeschichte RessoRt

Fotos: Christian Wind, Heike Steinweg, Eugénie Sophie Berger

dern werde die Gewalt an Frauen sogar durch staatliche oder religiöse Gesetze gestützt.

„Gewalt ist in Österreich keine Privatangelegenheit“ „In Österreich erleben diese Männer zum ersten Mal, dass Gewalt keine Privatangelegenheit ist, dass hier der Staat das Gewaltmonopol hat und dass die Polizei einschreitet, wenn sie von häuslicher Gewalt Kenntnis erlangt“, erklärt Susanne Pusch von der Landespolizeidirektion Wien. „Opfer von Gewalt werden hier vom Staat ge-

schützt; für die Männer hat ihr Handeln rechtliche Konsequenzen.“ Die Zusammenarbeit mit den Gewaltschutzzentren und anderen Behörden sei wesentlich für den Opferschutz. Behörden, Institutionen und Gerichte stehen auf Seiten der Opfer und arbeiten in ihrem Interesse zusammen. Auch die Bundesvorsitzende der Gewaltschutzzentren Marina Sorgo betont die Wichtigkeit dieser Zusammenarbeit und hebt hervor: „Man muss Gewalt dort bekämpfen, wo sie beginnt: bei den Tätern. Nach einer Verurteilung muss man verhindern, dass es erneut

In Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Iran oder der Türkei waren Gleichberechtigung und die Selbstbestimmung von Frauen bereits viel ausgeprägter als heute. Politische Machtwechsel und neu erstarkte patriarchale Strukturen haben Frauen diese Freiheiten oft wieder genommen. Eine Ausstellungswand im Integrationszentrum Wien des ÖIF gewährt Einblicke in das Leben von Frauen im Mittleren und Nahen Osten seit den 1920erJahren bis heute.

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RessoRt Titelgeschichte

„Patriarchale Einstellungen sind tief verwurzelt“ Bei jungen Männern, die aus Kulturen kommen, in denen Väter und Brüder über das Leben anderer Familienmitglieder bestimmen, setzt auch das Projekt „Heroes“ an. Leiterin Emina Saric: „Es gibt so etwas wie traditionsbedingte Gewalt. Diese entspringt tief verwurzelten patriarchalen Einstellungen“, erklärt sie. So würden viele der Burschen, mit denen ihr Team arbeite, ihre Schwestern kontrollieren und über sie bestimmen, weil sie das als ihre Pflicht als Bruder ansähen. Diese archaischen Vorstellungen würden vielfach von Generation zu Generation weitergegeben und setzen nicht zuletzt auch viele der Burschen unter starken Druck. „Trotzdem hinterfragen sie die Muster oft nicht. In unseren Seminaren machen wir ihnen klar, dass Gewalt gegen Frauen unter keinen Umständen in Ordnung ist und dass es keine Rechtfertigung dafür geben kann – weder eine religiöse noch eine kulturelle. Viele lernen bei uns zum ersten Mal Handlungsalternativen kennen.“ Die Folge sei oft Erleichterung: „Sie hören plötzlich, dass die österreichische Gesellschaft, anders als ihre Eltern oder Verwandten, nicht von ihnen erwartet, dass sie ihre Frauen und Schwestern kontrollieren und dominieren, sondern vielmehr das Gegenteil.“ Wie tief verwurzelt patriarchale Einstellungen in den Herkunftsländern vieler Jugendlichen und

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„In den Herkunftsländern vieler Männer hat Gewalt gegen Frauen oft keine rechtlichen Konsequenzen.“ Marina Sorgo, Bundesvorsitzende Gewaltschutzzentren Österreich

„In Österreich tolerieren wir kulturell oder religiös begründete Unterdrückung und Gewalt an Frauen nicht.“ Susanne Raab, Leiterin der Sektion Integration im BMEIA

ihrer Eltern sind, zeigt eine 2017 in Ägypten, Marokko und dem Libanon durchgeführte UN-Studie, bei der rund 90 Prozent der befragten Männer zustimmten, dass eine Frau Gewalt zu ertragen habe, um die Familie zu erhalten. Dass eine Frau die Scheidung einreichen dürfte, war hingegen nur für 35 Prozent in Ordnung.1

„Überkommenen Rollenbildern etwas entgegensetzen“ Marina Sorgo ist seit 30 Jahren im Gewaltschutz tätig. Sie plädiert in der Diskussion für Aufrichtigkeit, warnt jedoch vor Pauschalisierungen: „Der Migrantenanteil in unserer Gesellschaft steigt, aber natürlich ist nicht jeder Migrant gewalttätig. Auch unter Österreichern gibt es Männer mit problematischen Werthaltungen. Wenn allerdings Migranten patriarchale Rollenbilder mitbringen und diese nicht ablegen wollen, müssen wir dem etwas entgegensetzen, so wie wir es schon vor Jahrzehnten auch in Österreich begonnen haben.“ Staatliche Maßnahmen, wie etwa Wertekurse, seien wichtige erste Schritte, dennoch brauche es hier Kontinuität: „Diese Einstellungen werden über Generationen weitergegeben, daher streift man sie auch nicht über Nacht ab. Es braucht die intensive Weiterarbeit. Deshalb ist es wichtig, dass sich diese Zielgruppe gründlich mit Gleichberechtigung und Selbstbestimmung auseinandersetzt.“

Werte selbstbewusst einfordern Auch für Susanne Raab, Leiterin der Sektion Integration im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, braucht es neben verpflichtenden Integrationsmaßnahmen vor allem eine klare Haltung der Gesell-

Fotos: Gewaltschutzzentren, Armin Muratovic.

zu Gewaltexzessen kommt.“ Polizistin Susanne Pusch ist überzeugt davon, dass Gewaltprävention möglichst früh beginnen muss: „Wir müssen bereits in Kindergarten und Schule vermitteln, dass wir Gewalt nicht tolerieren und es andere Lösungsstrategien gibt.“


Titelgeschichte RessoRt

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Hinweise

M I G R AT I O N & I N T E G R AT I O N I N Ö S T E R R E I C H

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Z A H L E N , DAT E N U N D FA KT E N Z U M I G R AT I O N & I N T E G R AT I O N

Anteil der Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit an der weiblichen Bevölkerung in Österreich

———

2018

ZAHLEN FÜR ÖSTERREICH

W W W. I N T E G R AT I O N S F O N D S . AT

Gesammelte Informationen zur Situation von Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in

Österreich bringt der ÖIF in der Publikation „Frauen – Zahlen, Daten und Fakten zu Migration und Integration 2018“ heraus. Im Mittelpunkt stehen dabei Daten aus den Bereichen Zuwanderung und Aufenthalt, Arbeit und Beruf, Sprache und Bildung sowie Familie und Gesundheit. Jetzt kostenlos herunterladen oder bestellen unter www.integrationsfonds.at/publikationen.

Wie erkennt man Gewalt gegen Frauen? Sind bestimmte Frauengruppen besonders gefährdet? Warum treten Zwangsehen und Genitalverstümmelung in den vergangenen Jahren auch in Europa häufiger auf? Und was können Gesellschaft und Politik tun, um Frauen vor Gewalt zu schützen? Zu diesen und anderen Fragen nehmen Expertinnen aus Wissenschaft und Praxis in der ÖIFInterviewreihe „Perspektiven Integration“ zum Thema Gewalt gegen Frauen im Kontext von Migration Stellung, unter anderem Waris Dirie, Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen gegen weibliche Genitalverstümmelung und Autorin des weltbekannten Buchs „Wüstenblume“, Naila Chikhi von der Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES in Deutschland oder Sibel Öksüz von der Wiener Frauenberatungsstelle Orient Express. Lesen Sie alle Interviews online nach oder bestellen Sie die Ausgabe unter www.integrationsfonds.at/publikationen.

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Interviews mit expertinnen zu Gewalt an Frauen Die Publikationsreihe „Perspektiven Integration“ präsentiert Einschätzungen von anerkannten Expert/innen, um eine fundierte Debatte über aktuelle Themen im Bereich Integration zu fördern. In der vorliegenden Ausgabe setzen sich sieben Expert/innen mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen im Kontext von Migration – Zwangsheirat, Genitalverstümmelung und häusliche Gewalt“ auseinander. Im Gespräch mit Köksal Baltaci („Die Presse“) Emina Saric

Emina Saric ist Projektleiterin des Projekts „HEROES - Gegen Unterdrückung im Namen der Ehre“ in der Steiermark. HEROES arbeitet präventiv mit jungen Männern aus sogenannten Ehrenkulturen, die sich für ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Frauen und Männern einsetzen. Ziel ist ein partnerschaftliches und gewaltfreies Geschlechter- und Generationenverhältnis auf Basis der Menschenrechte. Zusätzlich unterrichtet sie im Ausbildungszentrum für Sozialberufe in Graz. Zuvor war sie als Beraterin bei der Frauenspezifischen Beratungsstelle für Migrantinnen – DIVAN tätig. Jasmin El-Sonbati

Jasmin El-Sonbati ist Vertreterin eines liberalen Islam, Gymnasiallehrerin, Initiatorin von „Offene Moschee Schweiz“ und Autorin der Bücher „Gehört der Islam zur Schweiz?“ sowie „Moscheen ohne Minarett“. Sie verbrachte ihre Kindheit in Kairo und studierte Romanistik in Wien und Basel. Karin Kneissl

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„Understanding Masculinities. Results from the INTERNATIONAL MEN AND GENDER EQUALITY SURVEY (IMAGES) – MIDDLE EAST AND NORTH AFRICA“; https://imagesmena.org/en

Frauen

schaft: „Wir haben in Österreich Grundwerte, die nicht verhandelbar sind – wie etwa die Gleichberechtigung oder Selbstbestimmung von Frauen. Das vermitteln wir in Wertekursen und Beratungen sehr deutlich. Diese Werte müssen wir aber als Gesellschaft im Zusammenleben tagtäglich selbstbewusst von all jenen einfordern, die sie nicht einhalten.“ Gerade in den letzten Jahren habe man in der Integrationspolitik mit Beratungen, Kursen und Seminaren stark in Integrationsmaßnahmen für weibliche Flüchtlinge investiert. Der überwiegende Teil von ihnen kommt aus stark patriarchal geprägten Ländern wie Afghanistan, Syrien und dem Irak und hat vor allem durch das 2017 verabschiedete Integrationsgesetz profitiert: „Sie sind jetzt per Gesetz dazu verpflichtet, den Deutschkurs oder den Wertekurs zu besuchen – Männer können es ihnen nicht mehr verbieten“, betont Raab. Die Zahl der weiblichen Teilnehmenden in Werte- und Orientierungskursen habe sich dadurch im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Nun seien auch die Männer gefordert: „Bei diesen Rechten und Freiheiten, die Frauen in Österreich hart erkämpft haben, ist kein Platz für Toleranz und Nachsicht. Wir müssen von diesen Männern als Gesellschaft und Staat noch viel mehr verlangen, jeder muss verstehen: ‚In Österreich tolerieren wir kulturell oder religiös begründete Unterdrückung und Gewalt an Frauen nicht!‘ Eigene Beratungsformate vermitteln das sowohl Frauen als auch Männern“. Dies sei auch ein notwendiger Schritt für folgende Generationen, betont Raab: „Kinder und Jugendliche, die in Österreich aufwachsen, haben so die Chance, sich aus diesen patriarchalen Mustern und Strukturen zu lösen.“

Aktuelle Statistiken zu Frauen

Perspektiven Integration

Karin Kneissl ist eine der anerkanntesten Nahostexpertinnen und viel im arabischen Raum tätig. Sie spricht fließend Arabisch und Hebräisch. Außerdem ist sie Vizepräsidentin der Gesellschaft für politisch-strategische Studien STRATEG und Autorin einiger Sachbücher zu nahöstlichen und energiepolitischen Themen. Naila Chikhi

Naila Chikhi ist Projektreferentin bei CONNECT, einem Projekt von TERRE DES FEMMES in Deutschland. Ziel des Projekts ist es, weibliche Flüchtlinge in Berlin bei ihrem Integrationsweg zu begleiten, sodass sie ein selbstbestimmtes und freies Leben in Deutschland führen können. Waris Dirie

Waris Dirie ist Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen gegen weibliche Genitalverstümmelung. 2002 gründete sie die Desert Flower Foundation, um ihre Arbeit im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung zu unterstützen. Sie selbst ist Tochter einer Nomadenfamilie in Somalia und wurde in ihrer Kindheit Opfer von FGM. Mit 13 Jahren flüchtete sie vor der Zwangsverheiratung mit einem älteren Mann nach London. Dort wurde sie als Model entdeckt und startete eine international erfolgreiche Karriere als Supermodel. Sibel Öksüz

Sibel Öksüz ist seit 2007 für den Verein Orient Express tätig und seit 2011 ehrenamtliches Vorstandsmitglied des Vereins. Bei diesem werden Frauen mit Migrationshintergrund vor allem aus der Türkei und den arabischspra-

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T H E M A

Gewalt gegen Frauen im Kontext von Migration Zwangsheirat, Genitalverstümmelung und häusliche Gewalt

chigen Ländern bei Fällen von Gewalt, Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung beraten. Des Weiteren werden Trainings und Workshops für Multiplikator/innen angeboten. Elisabeth Tichy-Fisslberger

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G E S P R Ä C H

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K Ö K S A L

B A L T A C I

Elisabeth Tichy-Fisslberger ist seit 2007 im BMEIA Leiterin der Sektion IV, die für Rechts- und Konsularangelegenheiten zuständig ist. Seit 2009 ist sie auch als Koordinatorin zur Bekämpfung des Menschenhandels tätig und Vorsitzende der interministeriellen Task Force zur Bekämpfung des Menschenhandels. Hinzu kommen Lehraufträge an der Diplomatischen Akademie Wien sowie der Universität Wien. Zuvor war sie für das Außenministerium in London, Dublin und Brüssel tätig.

www.integrationsfonds.at

Emina Saric

Waris Dirie

Jasmin El-Sonbati

Sibel Öksüz

Karin Kneissl

Elisabeth Tichy-Fisslberger

Naila Chikhi

OEIF_Perspektiven_U1-U4_GewaltgegenFrauen_200x260_RZ.indd 1-2

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RessoRt Titelgeschichte

„Kein Vater, Bruder oder Ehemann hat das Recht, über eine Frau zu bestimmen“ Außen- und Integrationsministerin Karin Kneissl über Ursachen aktueller Gewaltakte gegenüber Frauen, das Frauenbild von Flüchtlingen aus arabischen Ländern und darüber, wie Frauen aus patriarchalen Familienstrukturen Werte der Gleichberechtigung und Eigenverantwortung vermittelt werden können.

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Frühjahr 2019

merksamkeit widmen. Denn einerseits sind sie ein Motor der Integration, aber andererseits geben sie überkommene patriarchale Wertvorstellungen selbst an ihre Kinder weiter. In Österreich treten im Lichte starker Migration auch zunehmend Fälle von Verbrechen im Namen patriarchaler Traditionen auf, etwa die Genitalverstümmelung von Frauen (FGM). Was ist hier notwendig? Die Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen ist ein Problem, das erst mit der Zuwanderung nach Österreich gekommen ist. Es ist eine besonders grausame und archaische Form der Gewalt, die Frauen und Mädchen unsagbares Leid zufügt und sie daran hindert, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wir haben es hier mit einem Migrationsthema zu tun: 100 Prozent der Betroffenen haben Migrationshintergrund. Laut Experten sind hierzulande rund 8.000 Frauen betroffen. Eine höhere Dunkelziffer ist anzuneh-

men, denn diese Gewalt passiert meist im Verborgenen. Wir müssen entschieden gegen diese Form der Gewalt vorgehen und sie als das benennen, was sie ist: schwerste Körperverletzung. Es war mir daher ein wichtiges Anliegen, dass dieses Phänomen Eingang ins Strafrecht erhält. Ich bin froh, dass wir das in der Bundesregierung gemeinsam mit Staatssekretärin Edtstadler umsetzen konnten. Zur Bekämpfung von FGM in Österreich stellt das Außen- und Integrationsministerium

„Weibliche Genitalverstümmelung ist ein Migrationsthema: 100 Prozent der Betroffenen haben Migrationshintergrund.

Foto: BMEIA/Mahmoud Ashraf

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ahezu wöchentlich wird Österreich aktuell von Gewaltakten gegen Frauen erschüttert. Ein Großteil der mutmaßlichen Täter hat Migrationshintergrund. Sie haben selbst lange Zeit in Ländern des Nahen Ostens gelebt. Warum gibt es überproportional viele Fälle von Gewalt gegen Frauen von Männern aus diesen Ländern? Ich bin zutiefst erschüttert über diese jüngste Welle der Gewalt gegen Frauen. Die Flüchtlingskrise ab 2015 hat in Österreich sicher zu einer Zäsur geführt. Ohne die Zuwanderung von vorwiegend jungen und mittellosen Männern aus diesen stark patriarchal geprägten Kulturen hätten wir nicht dieses Ausmaß an Gewalt, mit dem wir aktuell in Österreich konfrontiert sind. Das ist die Folge eines vollkommen anderen Frauenbildes, das Frauen und Mädchen nicht als gleichberechtigt akzeptiert und der Gewalt den Boden bereitet. Wir müssen in der Integrationsarbeit aber auch den Frauen Auf-


außerdem zusätzlich eine Million Euro für Projekte gegen FGM und für den Kampf gegen Gewalt an Frauen zur Verfügung. Auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit werden Initiativen in Äthiopien und Burkina Faso im Ausmaß von fünf Millionen Euro finanziert. In diesem Zusammenhang sollte nicht nur mit Frauen gearbeitet, sondern auch Männern und Burschen vermittelt werden, welche Gesetze, Regeln und Normen in Österreich gelten. Was braucht es hier und was geschieht in diesem Bereich? Wir müssen klarer werden, wenn es darum geht, die gleichberechtigte Stellung von Frauen insbesondere im öffentlichen Leben zu vermitteln: Frauen sind in ihrer Tätigkeit als Lehrerinnen, Polizistinnen oder Richterinnen zu respektieren. Das ist in Österreich gesellschaftlicher Grundkonsens und nicht verhandelbar. Innerhalb der Familien muss vermittelt werden, dass

„Wir müssen klarer werden, wenn es darum geht, die gleichberechtigte Stellung von Frauen zu vermitteln.“ es nicht die Entscheidung des Mannes ist, ob eine Frau eine Integrationsberatung in Anspruch nehmen, Deutsch lernen oder einen Beruf ausüben darf. Kein Vater, Bruder oder Ehemann hat das Recht über eine Frau zu bestimmen oder Gewalt gegen sie anzuwenden. In Österreich hat der Staat das Gewaltmonopol inne. Gewalt ist nicht Privatsache und wird mit harten, strafrechtlichen Konsequenzen geahndet. Das müssen Männer verinnerlichen –

aber auch Frauen, die zum Beispiel bei Genitalverstümmelung innerhalb der Familie selbst vielfach nicht nur Opfer, sondern auch Täterinnen sind. Wie gelingt es, Frauen in patriarchalen Familienstrukturen zu erreichen? Das kann nur mit klaren Regeln funktionieren, die Integration einfordern. Mithilfe der gesetzlichen Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationsmaßnahmen wie Beratungen oder Wertekursen haben sich die Teilnahmezahlen von Frauen stark erhöht oder gar verdoppelt. So können wir unterdrückte Frauen erreichen und ihnen unser österreichisches Gesellschaftsmodell – ein Leben in individueller Freiheit – näherbringen. Sie werden dazu ermutigt, die patriarchalen Muster ihrer Herkunftsländer hinter sich zu lassen und ihre Chancen in Österreich aktiv zu nutzen. Zugleich wird ihnen auch vermittelt, dass es ihre Pflicht ist, sich in Österreich selbstständig für ihre Integration und die ihrer Kinder einzusetzen.

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RessoRt Integration in Zahlen

Frauen als Gewaltopfer taten, Motive, Hintergründe

Schätzungen zufolge sind in Österreich bis zu

5.000 Frauen

Wie viele Frauen in Österreich von Zwangsehe oder weiblicher Genitalverstümmelung betroffen sind, welche Werthaltungen dazu beitragen können, Frauen gewaltsam an der Ausübung eines selbstbestimmten Lebens zu hindern und welche Rolle dabei der Familienehre zukommt.

4 5 von

Flüchtlingen in Österreich sprechen sich für die Einhaltung religiös begründeter Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften im öffentlichen Raum aus.

Von 76 Mordopfern im Jahr 2018 waren 47 Frauen – das sind über 60 Prozent.

2018 spielten sich

60

Prozent der angezeigten Delikte gegen

Frauen im Familienbereich ab.

von

Zwangsehe bedroht oder betroffen.

1/3 der Somalier und 1/4 der Tschetschenen stimmen der gewaltsamen Verteidigung der Familienehre zu.

Es wird angenommen, dass in Österreich

6.000-8.000 Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) betroffen sind und rund ein Drittel von ihnen in Wien lebt.

Über alle muslimischen Gruppen hinweg wird diese Aussage aber mehrheitlich abgelehnt.

Nur eine Minderheit der Flüchtlinge in Österreich befürwortet eine Geschlechtertrennung im Alltag: in Lokalen: 5,6 % in Schulen: 7,9 %

in Krankenanstalten: 11,1 % im Religionsunterricht: 18,6 %

Die höchste Zustimmung mit 36,2 % gibt es für eine Trennung im Turn- und Schwimmunterricht. 1990 waren

69 Prozent

der wegen Sexualstraftaten Angeklagten Österreicher – 2016 waren

63 Prozent Ausländer.

Laut Erhebungen in Ländern des Nahen Ostens und Nordafrika sehen zwei Drittel bis 90 Prozent der Männer es als ihre Aufgabe an, die persönlichen Freiheiten der Frauen in ihrem Haushalt zu überwachen.

Quellen: „Vorstoß nach deutschem Vorbild“, ORF, 1.8.2017, https://orf.at/v2/stories/2400746/2400763/; International Men and Gender Equality Survey (IMAGES) – Middle East and North Africa (MENA), 2017; ÖIFForschungsbericht „Muslimische Gruppen in Österreich“, Filzmaier/Perlot, DUK, 2017; „Wertehaltungen und Erwartungen von Flüchtlingen in Österreich“, ÖAW, 2017; Sicherheitsbericht, BMI, 2017, Kriminalitätsbericht – Statistik und Analyse; „Mehr Anzeigen als ‚paradoxer Erfolg‘“, ORF, 28.12.2018, https://orf.at/stories/3105754; Evaluierung Sexualstraftaten, Institut für Konfliktforschung, 2018; „Stichhaltige Fakten“, Falter, 23.1.2019.

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Frühjahr 2019


T

Termine

WIEN 10. April 2019 zu Gast: Rudolf Burger

Frauen nicht im Stich lassen

D

ie Gleichberechtigung von Frau und Mann in Österreich gilt heute als Selbstverständlichkeit. Sie ist verfassungsrechtlich verankert und in den Bereichen, in denen sie noch nicht erreicht ist, gibt es einen Grundkonsens über das gemeinsame Ziel. Im Gegensatz dazu können Frauen, die aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Irak, aber auch Teilen der Türkei stammen, häufig nicht über ihr eigenes Leben bestimmen. Väter, Mütter, Brüder und Ehemänner geben den Weg vor. Oft ist dies ein Umfeld, das Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund daran hindert, eigenständig und damit unabhängig zu werden.

Kulturelle Gewohnheiten der Herkunftsländer sorgen dafür, dass auch in Österreich an kulturellen oder religiösen Regeln festgehalten wird, die der wegen den Werten einer liberalen Gesellschaft widersprechen. Vergewaltigung ermittelten Tatverdächtigen Die Unterdrückung von Frauen manifestiert sich auch in 2017 waren unterschiedlichen Formen der ausländische physischen und psychischen Gewalt. Was für eine moderStaatsangehörige. ne Gesellschaft des 21. Jahrhunderts kaum vorstellbar scheint, ist für zahlreiche Frauen in Österreich bis heute Realität. Besonders die letzten Monate haben uns das Ausmaß der Gewalt an Frauen drastisch vor Augen geführt. Es gilt Maßnahmen zu setzen, damit die Täter erkennen, dass Unterdrückungsmechanismen und Gewalt gegen Frauen in Österreich nicht toleriert werden und ihr Handeln bestraft wird.

44,3 Prozent

Vermeintliche religiöse und kulturelle Begründungen können an dieser Stelle nicht gelten und haben in der österreichischen Gesellschaft keinen Platz. Gewalt an Frauen ist ein Verbrechen, Mitwisserschaft heißt auch Mittäterschaft.

Rudolf Burger zählt zu Österreichs bedeutendsten Philosophen. 2000 mit dem Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik ausgezeichnet, befasst er sich mit der Eigenart der österreichischen Identität, geschichtsphilosophischen Themen und kultureller Diversität. Burger war Professor für Philosophie und zuletzt Rektor der Universität für angewandte Kunst in Wien. Im Rahmen des Podiumsgesprächs kommt Burger auf Kernthemen seines kürzlich erschienenen Buches „Multikulturalismus, Migration und Flüchtlingskrise“ zu sprechen.

WIEN 5. Juni 2019 zu Gast: Jan Assmann Mit der Theorie des kulturellen Gedächtnisses, die er mit seiner Frau Aleida Assmann entwickelte, erlangte der deutsche Ägyptologe und Religionswissenschaftler internationale Bekanntheit. Seine Forschungen zum Monotheismus oder zum Gewaltpotenzial von Religion lieferten zentrale Debattenbeiträge zu religiösen und kulturellen Grundfragen. 2018 erhielten Jan und Aleida Assmann für ihre Verdienste rund um einen zeitgenössischen Diskurs und ein friedliches Zusammenleben den „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“.

STEIERMARK 6. Juni 2019 zu Gast: Peter Sloterdijk Der deutsche Philosoph, von der politischen Zeitschrift „Cicero“ 2019 zum wichtigsten Intellektuellen des deutschsprachigen Raums gewählt, blickt in seinen vieldiskutierten Publikationen kritisch auf Entwicklungen in Gesellschaft, Religion und Wirtschaft. Mit Rüdiger Safranski lud er zehn Jahre lang zur ZDF-Gesprächsrunde „Das Philosophische Quartett“, seit 2005 ist er Träger des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst. Das Podiumsgespräch des ÖIF findet im Rahmen des Geist & Gegenwart-Pfingstdialogs statt. Weitere Informationen & Anmeldung zu den Veranstaltungen des ÖIF unter www.integrationsfonds.at/veranstaltungen

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Fotos: Robert Newald/picturedesk.com, Anke Waelischmiller/dpa Picture Alliance/picturedesk.com, Thomas Unterberger

von Franz Wolf, Direktor des ÖIF


RessoRt Interview

„Wer Frauen in ihren Rechten beschneidet, verdient keine Toleranz!“ Die iranische Nobelpreisträgerin und Menschenrechtsaktivistin Shirin Ebadi lebt seit 2009 im britischen Exil. Mit ZUSAMMEN sprach sie über Frauenbilder von Flüchtlingen, missbrauchte Religion und patriarchale Traditionen sowie darüber, was man von Migranten einfordern kann und soll. Interview: Franziska Micheler

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eit 2015 kommen verstärkt Frauen und Männer aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Iran und auch Iran nach Österreich. Sie sind selbst im Iran geboren und haben lange Jahre dort gelebt. Welches Frauenbild prägt Migranten aus diesen Ländern? Flüchtlinge und Migranten, die nach Europa kommen, bringen zum Teil sehr unterschiedliche Prägungen mit: Das Frauenbild von Frauen aus dem Iran unterscheidet sich radikal von jenem in Ländern wie beispielsweise Afghanistan. Die feministische Bewegung im Iran ist die stärkste im Mittleren Osten, seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 hat sie allerdings unter einer Fülle diskriminierender Gesetze gelitten. Frauen im Iran kämpfen seit 40 Jahren um Gleichberechtigung. Werden Frauenrechte im Islam unterdrückt? Religion wird vielfach missbraucht, um patriarchale Strukturen zu legitimieren

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und zu stärken! Solche Strukturen gibt es in vielen Religionen. Die Wurzeln patriarchaler Einstellungen liegen aber in kulturellen Traditionen. Sie suchen ihre Legitimation durch die Religion. So wird zum Beispiel vielen Musliminnen vermittelt, dass es ein religiöses Gesetz sei, den Hijab zu tragen. Viele liberale Musliminnen stellen sich aber inzwischen gegen diese Tradition. Es gilt, sie dabei zu unterstützen. Kann man erwarten, dass Männer und Frauen aus patriarchal geprägten Gesellschaften ihr Frauenbild in Europa ablegen? Wenn jemand aus einer völlig anderen Kultur nach Europa kommt, braucht er Zeit, bis er sich einfindet, bis sich auch Spannungen zwischen seinen alten Wertvorstellungen und den neuen lösen. Aber wir können erwarten, müssen sogar einfordern, dass er oder sie diese patriarchalen Einstellungen ablegt. Denn wer nach Europa kommt, darf nicht sagen: ‚Ich lebe weiter nach meiner Tradition, ver-

„Frauenrechte sind Menschenrechte und gelten für alle, egal ob Muslim oder Christ, ob Einheimischer oder Ausländer.“

heirate meine Tochter mit 13 Jahren oder lasse sie genital verstümmeln, weil es meine Kultur vorschreibt.‘ Hier ist auch der Staat gefragt, seine ganze Macht zur Verhinderung dieser Gewaltausübung anzuwenden.


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zur Person

Foto: Thomas Kost/laif/picturedesk.com

Shirin Ebadi ist eine iranische Juristin und Menschenrechtsaktivistin. 1969 war sie die erste weibliche Richterin im Iran, nach der Islamischen Revolution war sie jedoch gezwungen, ihr Amt niederzulegen. Als Menschenrechtsaktivistin setzt sie sich für die gleichberechtigte Rolle von Frauen im öffentlichen Leben sowie für Dissidenten des iranischen Systems ein. 2003 erhielt sie für ihr Engagement als erste muslimische Frau den Friedensnobelpreis. Seit 2009 lebt Ebadi aus Sicherheitsgründen im Exil in Großbritannien.

Was braucht es dazu, dass diese Männer und Frauen sich im europäischen Wertekanon einfinden? Wissen zu vermitteln und Bildung zu fördern sind für mich dabei zentrale Schritte. Jene, die Frauen ihre Rechte absprechen, sie in ihrer Selbstbestimmung einengen oder sogar Gewalt ausüben, müssen begreifen, dass ihre Traditionen und kulturellen Vorstellungen hier als falsch abgelehnt werden und gegen das Gesetz sind. Frauenrechte sind Menschenrechte und gelten für alle – egal ob Muslim oder Christ, ob Einheimischer oder Ausländer. Hier braucht es jedenfalls einen klaren Blick: Wer Frauen in ihren Rechten beschneidet, verdient keine Toleranz! Wie viel Integration soll man Flüchtlingen und Migranten Ihrer Meinung nach „verordnen“?

„Religion wird vielfach missbraucht, um patriarchale Strukturen zu legitimieren und zu stärken.“ Ein Mensch, der ein Land gewählt hat, in dem er leben will, oder hier gar Schutz erhält, muss die Sprache des Landes erlernen, sich eine Arbeit suchen und sich kulturell integrieren. Die Verantwortung für gelungene Integration liegt also nicht nur beim Staat, sondern auch bei der Zivilgesellschaft und den Flüchtlingen und Migranten

selbst. Jene zu verpflichten, die dies nicht von sich aus anstreben, ist aus meiner Sicht eine gute Sache. Was raten Sie Flüchtlingen für ihre Integration in Europa? Europa hat in den vergangenen Jahren eine große Zahl an Menschen aufgenommen und ermöglicht ihnen ein sicheres Leben in Frieden. Ich habe die Hoffnung, dass diese Migranten gute Bürgerinnen und Bürger Europas werden und ihre Chancen auf ein selbstständiges Leben in der Mitte der Gesellschaft ergreifen. Ich rate ihnen deshalb, die Kultur der Länder, in denen sie leben, zu respektieren. Das heißt nicht, dass sie ihre eigene Kultur völlig ablegen müssen, aber sie müssen ihre Lebensweise an den geltenden Gesetzen und insbesondere an den Menschenrechten ausrichten und diese zum Maßstab ihres Handelns machen.

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RessoRt ÖIF-Projekt

„Auch Ihre Tochter hat dieselben Rechte wie jede Österreicherin!“ In einem neuen Beratungsformat informiert der ÖIF männliche Flüchtlinge über die Rechte, Freiheiten und Selbstbestimmung von Frauen in Österreich.

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ind Sie der Meinung, dass jeder Mensch in Österreich ein selbstbestimmtes Leben führen sollte? Diese Frage steht am Beginn der neuen Schwerpunkt-

Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien, dem Iran oder Irak in der ÖIFSchwerpunktberatung für Männer zum Thema Gleichberechtigung und Gewaltprävention.

Weitere Informationen www.integrationsfonds.at/ beratung

beratungen, die der ÖIF speziell für männliche Flüchtlinge anbietet. Viele dieser Männer kommen aus patriarchal geprägten Gesellschaften, in denen Frauen deutlich weniger Rechte und Freiheiten haben als sie selbst. Der ÖIF vermittelt ihnen die Bedeutung der Gleichberechtigung und die Rechte von Frauen in Österreich und arbeitet so auch aktiv gegen Gewalt in der Familie, Zwangsehe oder weibliche Genitalverstümmelung (FGM).

„Gleichberechtigung muss zur Selbstverständlichkeit werden“ „Um Frauen bei ihrer Integration in Österreich zu unterstützen, reicht es nicht, sie bei ihrer Integration gezielt zu fördern. Wir müssen uns auch mit ihren Ehemännern, Vätern, Brüdern und Söhnen beschäftigen, damit sie die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft verstehen“, so Anja Jennel, Beraterin beim ÖIF. „Gleichberechtigung muss für sie zur Selbstverständlichkeit werden.“ In den Beratungen erklären Jennel und ihre Kollegen, wie und warum Frauen in Österreich gesetzlich vor Ungleichbehandlung oder Gewalt geschützt sind und dass es zu ihren Grundrechten gehört, selbst über ihr Leben und ihren Körper zu bestimmen oder ihren Partner frei zu wählen. „Dabei behandeln wir ganz konkrete Fallbeispiele und Fragen wie: ‚Was wäre, wenn Ihre Ehefrau arbeiten gehen will? Oder ihr Kopftuch abnehmen möchte? Oder wenn sich Ihre Tochter in einen Österreicher verliebt?‘“. Die Teilnehmer werden auch darüber informiert, welche strafrechtlichen Konsequenzen Gewalt oder Zwangsheirat haben können. „Wir vermitteln, dass in Österreich das Gesetz immer über religiösen Vorgaben oder kulturellen Traditionen steht“, schildert Jennel.

„Es reicht nicht, Frauen zu fördern. Wir müssen auch mit den Männern reden.“ Anja Jennel, ÖIF-Beraterin

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Neben der Zielgruppe Männer bietet der ÖIF auch Schwerpunktberatungen für Frauen an und informiert diese über ihre Rechte und Freiheiten in Österreich, mögliche Bildungs- und Berufswege sowie Anlaufstellen bei Gewalt, Zwangsheirat oder FGM. Nähere Informationen erhalten Sie in den Integrationszentren des ÖIF.

Fotos: ÖIF/Unger

Beratungen auch für Frauen


Anregungen & Tipps RessoRt

Rat für Engagierte Erhalten Sie hier Anregungen von Experten für die Arbeit oder für das Zusammenleben mit Flüchtlingen und Zuwanderern.

Eltern an Brennpunktschulen erreichen – wie klappt’s? In vielen Schulen in Ballungszentren sind Kinder mit Migrationshintergrund oder jugendliche Flüchtlinge bereits in der Überzahl. Ihren Eltern mangelt es oft an Deutschkenntnissen – nicht selten fehlt auch das Bewusstsein für den Wert der Ausbildung ihrer Kinder. Wie kann die Elternarbeit an solchen Schulen dennoch gelingen?

Anregungen von Andrea Walach:

1.

Vertrauensaufbau ist wichtig Gute Elternarbeit beginnt stets damit, freundlich aufeinander zuzugehen und Vertrauen zu schaffen. Zeigen Sie Verständnis, wenn Personen, die erst seit Kurzem in Österreich leben, noch nicht mit allen Gegebenheiten des Schulalltags vertraut sind. Halten Sie aber dennoch selbstbewusst die Regeln des Zusammenarbeitens fest und stellen Sie klar, dass alle Kinder – Mädchen wie Burschen – ein Recht auf Bildung haben.

2.

einzelgespräch statt elternabend Einzelgespräche sind in Klassen, wo Schüler viele verschiedene Herkunftssprachen haben, sinnvoller als Elternabende. Planen Sie für diese Gespräche viel Zeit ein, denn bei Eltern aus anderen Kulturkreisen gibt es oft viel zu vermitteln. Auch dauern Gespräche, die mit einem Dolmetscher abgewickelt werden, meist doppelt so lang. Um einen geeigneten Dolmetscher sollten sich die Eltern bemühen. Holen Sie dafür nicht die Kinder aus dem Unterricht!

3.

schul- und Mitwirkungspflicht vermitteln Stellen Sie klar, dass es für Kinder eine Schulpflicht und für Eltern eine Mitwirkungspflicht gibt und dass Mütter und Väter gewisse Aufgaben im Schulalltag erfüllen müssen. Tolerieren Sie dabei keine Regelbrüche! Auch Schulschwänzen sollte sofort gemeldet werden. Informieren Sie die Eltern, dass unentschuldigtes Fernbleiben der Kinder vom Unterricht rechtliche Folgen hat und ab dem vierten Tag mit einer Geldstrafe geahndet werden kann.

Andrea Walach

Illustration: Ruth Veres

ist seit 1999 Direktorin der Neuen Mittelschule Gassergasse in Wien, an der 98 Prozent der Schüler Migrationshintergrund haben. Seit Jahren macht Walach auf die schulischen Herausforderungen im Kontext von Migration aufmerksam und setzt sich insbesondere für die Bildungchancen von Mädchen ein.

4.

Konsequenz einfordern Fixieren Sie nach dem Erstgespräch gleich einen Folgetermin. Konsequente Elternarbeit bedeutet, sich in regelmäßigen Abständen zu treffen und zielgerichtet weiterzuarbeiten. Was hat sich in der Zwischenzeit getan, wie ist der Lernerfolg des Kindes, was ist der nächste Schritt in seiner Schullaufbahn?

5.

Im Fall einer eskalation Polizei rufen Sollte es seitens der Eltern zu respektlosem oder sogar aggressivem Verhalten kommen, holen Sie die Direktion oder Kollegen zum Gespräch dazu. Das gemeinsame Vorgehen gibt Rückhalt und kann helfen, die Situation zu beruhigen. Sollte eine Unstimmigkeit dennoch eskalieren, zögern Sie nicht, die Polizei zu rufen und damit zu signalisieren, dass ein solches Verhalten ernste Konsequenzen hat.

ombudsstelle für Wertefragen: Seit 1. Februar 2019 gibt es im Bildungsministerium eine Ombudsstelle für Wertefragen und Kulturkonflikte. Ombudsfrau ist die Pädagogin und Buchautorin („Kulturkampf im Klassenzimmer“) Susanne Wiesinger, die Lehrkräften und Schulleitungen mit konstruktiven Lösungsvorschlägen beratend zur Seite steht. Mehr per E-Mail an vertrauenslehrerin@bmbwf.gv.at.

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RessoRt Publikation

Integration von Wien Mit Statistiken zu allen neun Bundesländern bietet der ÖIF einen kompakten Überblick zu Herkunft und Zuwanderung von Migranten und Flüchtlingen in Österreich sowie zu den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Sprache.

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und 1,7 Millionen im Ausland geborene Menschen lebten Anfang 2018 in Österreich – das ist beinahe ein Fünftel der österreichischen Gesamtbevölkerung. Mehr als 54 Prozent von ihnen stammten aus Drittstaaten, also aus Staaten außerhalb der EU und EFTA. Davon machten die in Bosnien und Herzegowina Geborenen mit rund 166.800 Personen die größte Gruppe aus, gefolgt von Personen mit Wurzeln in der Türkei (160.300), Serbien (141.900), Syrien (47.000) und Afghanistan (44.400). Der Anteil der Bevölkerung mit ausländischem Geburtsort an der Gesamtbevölkerung eines Bundeslandes war mit 36 Prozent in Wien am höchsten.

Deutsch als Umgangssprache. Etwas mehr als ein Viertel der rund 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler in ganz Österreich im Schuljahr 2016/17 hatte eine andere Umgangssprache als Deutsch. Besonders in Pflichtschulen ist der Anteil an nichtdeutschsprachigen Kindern hoch, vor allem in Wien: Hatte österreichweit jeweils etwa rund ein Drittel aller Schüler an Neuen Mittelschulen (NMS) und Polytechnischen Schulen nicht Deutsch als Umgangssprache, waren es an NMS und Polytechnischen Schulen in der Bundeshauptstadt jeweils rund sieben von zehn. Über alle Schultypen hinweg hatte in Wien etwa jeder zweite Schüler eine andere Umgangssprache als Deutsch – im Bundesländervergleich der deutlich höchste Wert.

Vorarlberg 81.485 4,8%

tirol 137.919 8,1%

oberösterreich 225.567 13,3%

salzburg 104.206 6,1% Kärnten 69.259 4,1%

M I G R AT I O N & I N T E G R AT I O N I N Ö S T E R R E I C H

N

Bundesländer

Z A H L E N , DAT E N U N D FA KT E N Z U M I G R AT I O N & I N T E G R AT I O N ———

Im Ausland geborene Menschen leben häufiger in Städten als in ländlichen Regionen: 63% der im Ausland Geborenen (Grafik links), aber nur 33% der in Österreich Geborenen (Grafik rechts) lebten in Städten.

In „Bundesländer – Statistiken zu Migration & Integration 2018“ bereitet der ÖIF aktuelle Zahlen zu Herkunft und Migrationsbewegungen von Migranten und Flüchtlingen sowie zu den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Sprache in allen neun Bundesländern Österreichs kompakt und übersichtlich auf. Sie können die Publikation herunterladen oder bestellen unter www.integrationsfonds.at/publikationen. 2018

ZAHLEN FÜR ÖSTERREICH

Nachlese

W W W. I N T E G R AT I O N S F O N D S . AT

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Migration in Zahlen 2018 lebten rund 1,7 Millionen im Ausland geborene Menschen in Österreich – die meisten in den Bundesländern Wien, Oberösterreich und Niederösterreich, die wenigsten in Kärnten und dem Burgenland.


bis Vorarlberg Wien 679.616 40,0%

Niederösterreich 210.865 12,4%

Steiermark 155.456 9,2%

Syrer und Afghanen vorwiegend in Wien. Personen, die in Syrien oder Afghanistan geboren wurden, lassen sich hauptsächlich im Bundesland Wien nieder: Anfang 2018 lebten rund 23.100 Personen aus Syrien und knapp 17.700 in Afghanistan geborene Personen in Wien. Das Burgenland verzeichnete österreichweit den niedrigsten Anteil an Syrern Burgenland und Afghanen (376 bzw. 866). 32.750 1,9%

4 von 10 Migranten leben in Wien. Im Bundesländervergleich zeigt sich, dass 40 Prozent bzw. knapp 680.000 der im Ausland geborenen Personen in Wien lebten. Die meisten Zuwanderer in Wien stammten aus Serbien und der Türkei. Der Bezirk mit dem höchsten Anteil an im Ausland Geborenen war Rudolfsheim-Fünfhaus mit über 48 Prozent. In den Bundesländern war der Anteil an Ausländern in SalzburgStadt mit über 31 Prozent am höchsten, gefolgt vom Bezirk Wels-Stadt in Oberösterreich mit 30,4 Prozent und der Stadt Innsbruck in Tirol mit 30,3 Prozent. Den geringsten Anteil an Menschen mit ausländischem Geburtsort verzeichneten 2018 die Bezirke Zwettl und Waidhofen an der Thaya in Niederösterreich mit 3 bzw. 4 Prozent sowie der Bezirk Freistadt in Oberösterreich mit 4,5 Prozent.

Arbeitslosigkeit. 12,5 Prozent der ausländischen Staatsangehörigen waren 2017 ohne Arbeit (2016: 13,5 Prozent). Unter Inländern betrug die Arbeitslosenquote österreichweit 7,5 Prozent (2016: 8 Prozent). Besonders hoch war die Arbeitslosenquote weiterhin in Wien: Unter Zuwanderern (18,4 Prozent) und unter Österreichern (10,9 Prozent) lagen die Wiener Zahlen markant über den österreichischen Durchschnittswerten. Im Bundesländervergleich die zweithöchsten Werte verzeichnete Kärnten: Mit 14 Prozent der ausländischen Staatsangehörigen und 9,6 Prozent der Österreicher, die im vergangenen Jahr arbeitslos waren, lag Kärnten auch deutlich über dem nationalen Durchschnitt. Die österreichweit niedrigste Arbeitslosigkeit unter ausländischen Staatsangehörigen wies mit 5,7 Prozent das Burgenland auf (Inländer: 9,4 Prozent).


RessoRt Zusammenleben in Österreich

Wenn die Osterratschen klappern Zu Ostern gibt es eine Vielzahl an kirchlichen und regionalen Traditionen. Oft sind es Kinder und Jugendliche, die zusammenkommen, um Brauchtum aktiv zu leben.

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ür Christinnen und Christen ist Ostern das wichtigste Fest im Jahr“, erklärt Pfarrer Martin Glechner. Seit fünf Jahren ist er für die Pfarre Schwarzau am Steinfeld zuständig, etwa zweitausend Gläubige wenden sich an ihn, wenn es um kirchliche Traditionen und Feiern geht. Zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag, wenn die Kirchenglocken sprichwörtlich „nach Rom geflogen“ sind und nicht wie gewohnt läuten, sind vielerorts die Osterratschen in Gebrauch. Ministranten, aber auch andere Kinder und Jugendliche der Ortschaft, ziehen dabei durchs Dorf und machen mit ihren Ratschen auf den Gottesdienst aufmerksam. Am Palmsonntag wiederum spielen Palmbuschen eine besondere Rolle: Mit außerhalb der Kirche gesegneten und bunt verzierten Palmzweigen ziehen die Besucher des Gottesdienstes in die Kirche ein. Aus den Palmbuschen, die zu einem späteren Zeitpunkt verbrannt werden, entsteht die Asche für den Aschermittwoch des nächsten Jahres. „Alljährlich kommen neben den Erwachsenen auch viele Kinder und Jugendliche zusammen, um das Osterfest und die damit verbundenen Bräuche zu feiern. Traditionen verbinden, sind Teil unserer Gemeinschaft und auch Identität“, ist Glechner überzeugt. Kinder und Jugendliche der Pfarre Schwarzau am Steinfeld ziehen zu Ostern mit Ratschen durchs Dorf.

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Perspektiven Integration RESSORT

Was sagen Experten zu …

Heimat und Identität In der zehnten Ausgabe der ÖIF-Interviewreihe „Perspektiven Integration“ setzen sich Kulturwissenschaftler Jan Assmann, Ethnologin Helga Maria Wolf, Botschafterin Ursula Plassnik, Journalist Ulrich Greiner, der Schweizer Nationalratsabgeordnete Gerhard

Pfister, Schriftsteller Florjan Lipuš und Herwig Hösele vom Zukunftsfonds Österreich mit der individuellen Bedeutung von Heimat, kultureller Identität sowie dem Einfluss verstärkter Migration auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt auseinander.

„Gemeinsame kulturelle Identität schafft die Möglichkeit von Zugehörigkeit und Anerkennung, ohne Menschen auszuschließen. Die Verbundenheit besteht in einer bestimmten Art, Musik zu machen, zu sprechen, sich zu kleiden, einander zu begegnen.“ Ursula Plassnik über Zugehörigkeit

„Kultur ist eine anerzogene, vermittelte, selbst erlebbare Konstante und verändert sich nicht so schnell, passt sich höchstens an.“ Fotos: Christian Wind, Parlamentsdirektion/Wilke, Marko Lipus, Susanne Schleyer/autorenarchiv.de

Florjan Lipuš über Kultur und Veränderung

„Zentral ist die Sprache. Sie bildet das Feld, in dem wir denken. Und natürlich die Geschichte, aus der wir kommen, der kulturelle Raum, in dem wir groß geworden sind.“ Ulrich Greiner über Sprache und Kultur

Sie können die Ausgabe zu Heimat und Identität sowie alle bisher erschienenen Ausgaben der Reihe „Perspektiven Integration“ zu weiteren Themen wie Schule und Migration, Gemeinschaft, Zusammenhalt und Solidarität, Sozialstaat oder Parallelgesellschaften online nachlesen oder bestellen unter www.integrationsfonds.at/mediathek.

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N Nachlese


RessoRt Persönlichkeiten

„The girl who was too beautiful“ Die Wienerin Hedy Lamarr avancierte zum Hollywoodstar und galt als schönste Frau der Welt. Nur wenige wissen, dass sie als Erfinderin die Basis für den heutigen Mobilfunk legte und lieber mit ihrem Intellekt in Erinnerung geblieben wäre.

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ede Frau könne glamourös sein forscht in ihrer Freizeit an Flugzeugflü– sie müsse nur dasitzen und geln oder Tabletten zur Herstellung von dumm schauen, wird Hedy LaSprudelwasser. Sogar am Filmset soll die marr oft zitiert. Eine Feststeltechnische Autodidaktin einen Wagen lung, die auch auf einen Grundfür ihre Erfindungen gehabt haben. 1942 konflikt im Leben der Schauspielerin angelingt ihr mit dem befreundeten Komspielt: dass Glamour alleine nicht erfüllt. ponisten George Antheil der große Wurf: Geboren wird sie 1914 in Wien als HedInspiriert von mechanischen Klavieren entwickeln sie das Frequenzsprungverwig Kiesler und Tochter jüdischer Eltern. fahren zur abhörsicheren KommunikaSie lernt Klavier, tanzt Ballett und steht schon früh im Rampenlicht. Der Durchtion zwischen U-Booten. Die neue Funkbruch gelingt ihr mit „Symphonie der Lietechnik lassen sie sich patentieren und bieten sie der US-Marine kostenlos zur be“: Lamarr ist darin in der ersten Nacktszene der Kinogeschichte zu sehen – ein Unterstützung im Zweiten Weltkrieg an. Skandal, der sie schlagartig berühmt macht. 1937 flüchtet sie aus Österreich Fluch der Schönheit wegen der politischen Lage, aber auch, Das US-Militär erteilt Lamarrs Erfindung um der Herrschsucht ihres ersten Ehejedoch eine Absage – stattdessen wird mannes zu entkommen. Kaum in Ameihr geraten, Küsse gegen Kriegsanleihen rika, nimmt sie das Filmstudio MGM zu verkaufen, um sich nützlich zu maunter Vertrag. Es ist Studioboss Louis B. chen. Es ist eine bittere Erfahrung, dass Mayer, der ihr den Künstlernamen Hedy sie als Frau nur mit ihrem Aussehen, Hedy Lamarr, Schauspielerin Lamarr gibt. Der Legende nach benennt aber nicht mit ihrem Wissen reüssieren und Erfinderin er sie nach Stummfilmstar Barbara La kann. Lange bleibt der Erfinderin jegliMarr, die als „The girl who was too cher Ruhm verwehrt – und das, obwohl beautiful“ berühmt wurde. Auch Hedy Lamarr wird in den ihre patentierte Idee als Vorläufer der heutigen Mobiltelefokommenden Jahren als „schönste Frau der Welt“ beworben. nie gilt. Erst in den 1990ern, wenige Jahre vor Lamarrs Tod, bringen amerikanische Fachmedien ihre Entwicklungen mit Leben zwischen Leinwand und Labor Bluetooth oder WLAN in Verbindung. Die offizielle wissenLamarr wird zum Weltstar und gilt mit ihren makellosen schaftliche Anerkennung mit der Aufnahme in die „NatioGesichtszügen und dem legendären Mittelscheitel als Schönnal Inventors Hall of Fame“ 2014 erlebt sie schon nicht mehr. heitsideal ihrer Zeit. Äußerlichkeiten und die Traumkulisse Es ist das Schicksal einer Frau, der die Befreiung aus stereoHollywoods langweilen sie aber zunehmend. Was niemand typen Rollenbildern verwehrt blieb – die zwar glamourös, aber nicht genial sein durfte. ahnt: Lamarr hat großes naturwissenschaftliches Talent,

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Das Buch „Hedy Darling“ beleuchtet aus der Sicht von Lamarrs Sohn die vielen Facetten der Schauspielerin, Erfinderin und Mutter und versucht offenzulegen, wer Hedwig Kiesler wirklich war. Wir verlosen drei Exemplare

Verlosung

und möchten dafür wissen, welche Leistungen einer Österreicherin Sie für besonders bemerkenswert halten. Senden Sie ein E-Mail mit Ihrer Antwort und Postanschrift an magazin@integrationsfonds.at. Viel Glück!

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Foto: Everett Collection/picturedesk.com

„Forschung hat mir große Freiheit und Selbstbewusstsein gegeben.“


Wissenswertes RessoRt

Wortwanderung Begriffe rund um Bergsport und Natur, die in den deutschen Sprachraum ein- oder aus diesem ausgewandert sind.

Österreich hat viele große Bergsteiger hervorgebracht – etwa Peter Habeler, der gemeinsam mit Reinhold Messer 1978 den Mount Everest erstmals ohne künstlichen Sauerstoff bestieg. Erfolgreich waren auch deutsche Alpinbegriffe, die sich im Englischen durchgesetzt haben: darunter das Abseilen, das sich als abseiling oder abseil technique wiederfindet.

Das edelweiß, die wohl bekannteste Alpenpflanze, steht in Österreich seit 1886 unter Naturschutz. Man kennt sie auch von einem der berühmtesten Porträts von Kaiserin Elisabeth mit neun ins Haar geflochtenen Sternen, die an das Edelweiß erinnern – die „Sisi-Sterne“ bescherten der mythenrumrankten Pflanze, die auch als Liebesbeweis oder „Bauchwehblüml“ zum Einsatz kam, noch mehr Ruhm. Mit dem Alpintourismus im 19. Jahrhundert wanderte ihr Name in andere Länder aus, etwa nach Russland, wo vom Эдельвей die Rede ist.

Am Schuh befestigt, dienen steigeisen der Fortbewegung auf Schnee- und Eisflächen – erfunden wurden sie angeblich von Spionen um 300 nach Christus, um auf eisigen Berghängen Halt zu finden. Unter japanischen Bergfexen sind sie als aizen bekannt.

Mit 3.798 Metern ist der Großglockner der höchste Berg Österreichs, der südöstlicher Richtung vom Alpenhauptkamm abzweigt und dort die Grenze zwischen Tirol und Kärnten bildet. Das deutsche Wort Grenze stammt vom altpolnischen granica ab.

zusammen

„Die Alpen erschließen, sie bereisen und darüber publizieren“ lauteten die ursprünglichen Ziele des Österreichischen Alpenvereins, der im Jahr 1862 als erster Bergsteigerverband des europäischen Festlands gegründet wurde. Heute widmet sich der Verein vorrangig Aufgaben wie dem Schutz der Berge als Natur- und Kulturlandschaft, der Förderung des Bergsports und der Pflege alpiner Infrastruktur wie der rund 26.000 Kilometer umfassenden markierten Wanderwege und Klettersteige. Mit 230 Schutzhütten und 13.000 Schlafplätzen ist der Alpenverein auch der größte Beherbergungsbetrieb des Landes. Im Rahmen seines kulturellen Auftrags bewahrt er an die 3.000 Gemälde und Grafiken von den Anfängen der Alpenmalerei bis ins 20. Jahrhundert, historische Karten wie die älteste Zillertalkarte aus 1530 und Objekte der alpinen Alltagsgeschichte.

zusammen Das Magazin zu Integration in Österreich

Das Magazin zu Integration in Österreich

Sie möchten vier Mal im Jahr über aktuelle Integrationsthemen und neue Angebote des ÖIF informiert werden? Dann können Sie das Magazin ZUSAMMEN jetzt kostenlos abonnieren. Senden Sie dazu eine E-Mail mit Ihrem Namen und Ihrer Postanschrift an magazin@integrationsfonds.at. Die nächste Ausgabe erscheint am 10. Juni! Mit der Zusendung meines Namens und meiner Postanschrift stimme ich zu, dass diese personenbezogenen Daten für die Durchführung des Versandes vom ÖIF elektronisch verarbeitet und verwendet werden. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Diese Zustimmung kann jederzeit schriftlich widerrufen werden. Nach einem Widerruf werden meine Daten vom ÖIF gelöscht. Eine Stornierung des Abos ist jederzeit möglich. Sie erwerben keinen Rechtsanspruch auf den Erhalt des Magazins. Sollte das Magazin, aus welchen Gründen auch immer, nicht erscheinen, behält sich der ÖIF das Recht vor, den kostenlosen Bezug des Abos zu stornieren.

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ÖSTERREICHISCHE POST AG/SP 08Z037821S, ÖSTERREICHISCHER INTEGRATIONSFONDS, SCHLACHTHAUSGASSE 30, 1030 WIEN

Illustration: Ruth Veres

Seit wann Menschen jodeln, ist ungeklärt – in vielen Gebirgsregionen der Welt sollen aber Techniken entwickelt worden sein, um große Distanzen akustisch zu überbrücken. Vielleicht ist der Begriff deshalb so verbreitet, zum Beispiel in Finnland, wo man jodlata sagt, in der Slowakei, wo es jódlovat’ heißt, oder auch im Englischen Verb to yodel. In Österreich scheint das Wort erstmals 1796 in einem Volksstück von Emanuel Schikaneder auf, als Kombination von „jolen“ und „dudeln“.

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Abo-Bestellung Männer in die Pflicht nehmen Gewalt gegen Frauen nimmt zu – viele Täter haben Migrationshintergrund. Wo die Ursachen dieser Entwicklung liegen und warum Männer mit patriarchalen Rollenbildern umdenken müssen.

INTEGRATIONSBERATUNG FÜR MÄNNER

VON WIEN BIS VORARLBERG

NOBELPREISTRÄGERIN SHIRIN EBADI

Aufklärung über Selbstbestimmung von Frauen und Gewaltverbot in Österreich

Aktuelle Statistiken zu Integration in Österreichs Bundesländern

„Wer Frauen in ihren Rechten beschneidet, verdient keine Toleranz!“ Sommer 2018

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RessoRt Kultur-Kontroverse

Frauen, die Wien modern machten Autor: Julian Unger

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ird die Kunst der Wiener Moderne vielfach mit Männern wie Gustav Klimt oder Egon Schiele verbunden, ist wenig über jene Frauen bekannt, die Wien durch ihren Beitrag in Kunst und Kultur modern machten. Helene Funke, die deutschösterreichische Malerin, war eine von ihnen. 1869 in eine deutsche Industriellenfamilie geboren, verfolgt sie trotz großer Widerstände ihren Wunsch, einen eigenen Beruf zu ergreifen und in die Malerei zu gehen: „Eine Tochter zu haben, die Malerin werden will, das kam gleich nach der Prostitution“, erinnert sich ihr Neffe. Doch die junge Frau bleibt unbeirrt, studiert Malerei, bereist Europa und lässt sich im Jahr 1911 schließlich in Wien nieder. Funkes modernes Selbstverständnis spiegelt sich in ihren fauvistisch inspirierten Werken wider. Darin präsentiert sie weibliche Motive, die dem Betrachter selbstbewusst entgegenblicken – ganz anders, als es für Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich war.

Für ihre Arbeit, aber auch ihren Freigeist, muss sich die Künstlerin immer wieder gegen Verrisse und Anfeindungen männlicher Kollegen behaupten. Dank ihrer Beharrlichkeit schafft sie es, sich in der männerdominierten Wiener Kunstszene durchzusetzen, stellt regelmäßig aus und wird von renommierten Medien angepriesen. 1928 erhält sie den Österreichischen Staatspreis für bildende Kunst – als erst zweite Frau in der Geschichte des Landes. Helene Funke und anderen emanzipierten Malerinnen der Wiener Moderne ist noch bis Mai 2019 eine Retrospektive im Wiener Belvedere gewidmet. Die darin vertretenen Künstlerinnen wie Elena Luksch-Makowsky, Helene von Taussig oder Erika Giovanna Klien teilen Funkes Schicksal als unterschätzte Vorreiterinnen von Impressionismus, Expressionismus oder Neuer Sachlichkeit. Während Funke für ihr Schaffen noch zu Lebzeiten Anerkennung erhielt, hätten viele von ihnen von ihrer heutigen Bedeutung für die Kunstwelt wohl nicht einmal zu träumen gewagt.

© Belvedere, Wien, Foto: Johannes Stoll

„Träume“ ist eines von mehreren Werken, in denen die Malerin Helene Funke selbstbestimmte Frauen in den Mittelpunkt rückt. Das Bild ist Teil der bis 19. Mai 2019 laufenden Ausstellung „Stadt der Frauen“ im Wiener Belvedere, die Künstlerinnen in Wien von 1900 bis 1938 gewidmet ist.




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