Innsbrucker Stadtnachrichten

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Das Arbeitslager Reichenau 1941—1945

A n der Haupteinfahrt zum städtischen Zentralhof in der Roßau erinnert eine in Stein gehauene Gedenkschrift an das Arbeits- und Auffanglager Reichenau, das in den Jahren 1941 bis \ )45 von der Gestapo

zum Arbeitseinsatz nach Westdeutschland verpflichtet worden waren, wegen der zunehmenden Bombenangriffe auf die westdeutschen Industriezentren aber ihre Arbeitsplätze eigenmächtig verließen und nach Italien zurückfluteten. Diese Arbeiter sollten im Lager Von Josefine Justic Reichenau gesammelt, mit or(= Geheime Staatspolizei) dentlichen Papieren versehen Innsbruck betrieben wurde. D a und über das Arbeitsamt wieder der Bestand eines solchen L a - in Arbeit vermittelt werden. Begers in unserer Stadt der j ü n g e - reits im Sommer 1942 hatte das ren Generation vielleicht ganz Lager Reichenau seinen urunbekannt ist, sei als E r g ä n - sprünglichen Sinn verloren, zung zu der derzeit im Stadtar- weil kaum mehr ein italienichiv laufenden Ausstellung scher Zivilarbeiter aufgegriffen ü b e r die Innsbrucker Zeitge- wurde. Der seinerzeitige Leiter schichte 1938—1945 mit diesen der Gestapostelle in Innsbruck, Zeilen nochmals ein Bereich dem das Lager unmittelbar under — obwohl unerfreulichen — terstand, ä n d e r t e daher im E i n Zeit der NS-Herrschaft aufge- vernehmen mit dem Reichssigriffen. cherheitshauptamte die ZweckDie folgend zitierten Zeilen bestimmung dieses Lagers: es stammen aus dem umfassenden wurde zum ArbeitserziehungsWerk „Widerstand und Verfol- lager f ü r arbeitsunwillige Ausgung in Tirol 1934-1945", hg. länder. . . . A b 1943 wurden vom Dokumentationsarchiv auch Juden . . . von der Gestapo des österreichischen Wider- im Lager verwahrt." standes, Wien 1984, in dem Welche Brutalität dann auch an Häftlingen angevorwiegend Urteile über Schul- jüdischen dige und Aussagen Betroffener wandt wurde, wird durch die folgende — auszugweise — wiedergegeben werden. „ D a s Lager Reichenau diente Schilderung vermittelt: „Der bis Sommer 1942, seinem ur- Likörfabrikant D(ubsky) aus sprünglichen Zwecke entspre- Innsbruck befand sich bis 21. chend, als Auffanglager f ü r ita- M a i 1943 in der H e i l - und Pflelienische Zivilarbeiter, die über geanstalt Solbad Hall in Tirol die italienische Arbeitsfront als Patient. . . . A m 21. M a i L

1943 verhaftete ihn dort die G e stapo und lieferte ihn in das L a ger Reichenau ein. A m 2. Juni 1943 gegen abends kam der Leiter der Gestapostelle Innsbruck, Hilliges, in das Lager Reichenau. . . . Hilliges war entschlossen, den Juden, der nichts verbrochen hatte, aus Rassenh a ß zu liquidieren'. . . . Hilliges ü b e r n a h m den Häftling und schickte den Wachmann fort. E r ließ nun D . wenige Schritte vor sich hergehen. . . . Kurz vor dem Schießstand (des Lagers) verwickelte Hilliges den Juden in ein G e s p r ä c h , so d a ß die beiden sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, und zwar der Jude mit dem Rücken z u m Schießstand. . . . Während dieses kurzen G e s p r ä c h s zog Hilliges die im Futteral an seinem Koppel verwahrte, durchgeladene Pistole und schoß D . aus nächster N ä h e durch die Stirn. D. brach sofort zusammen und verstarb unmittelbar danach." D e r Häftlingsstand in der Reichenau schwankte zwischen 100 und 800; der Zustand der H ä f t l i n g e war im allgemeinen bedauerlich. Sie hatten weder ausreichende Kleidung noch entsprechendes Schuhwerk und litten an Hunger. Unter diesen Bedingungen wurden diese Menschen damals angehalten, tagsüber 12 Stunden schwerst

zu arbeiten. Ihre Einsatzgebiete waren der Straßenbau, die Schottergewinnung am Inn und Arbeiten für die Obuslinien im Stadtgebiet. Jegliche geringste Übertretung oder Nichteinhaltung der von „ o b e n " angeordneten Weisungen wurde grausamst geahndet: Die Lagerstrafen waren Essensentzug; Bunkerstrafen von 1 bis 14 lägen, bei denen der Häftling in einer kleinen, ungeheizten Zelle mangels Platz weder sitzen noch liegen, sondern kauern m u ß t e ; Strafrundenlaufen bis zum Z u sammenbruch; die Prügelstrafe und als besondere Barbarei das Kaltbaden, bei dem der entblößte Häftling speziell in der kalten Jahreszeit mit einein scharfen kalten Wasserstrahl so lange angespritzt wurde, bis er blaugefroren war und meist zusammenbrach; in diesem Z u stand wurde er oft noch in den Bunker gesperrt. Abschließend sei noch aus dem Bericht eines ehemaligen Häftlings des Lagers zitiert, der auch dem obgenannten Buche entnommen wurde: „Das Reichenauer Lager ist sehr bekannt gewesen, denn die Häftlinge wurden offen im Stadtgebiet eingesetzt. . . . A u s Erfahrung im Konzentrationslager Buchenwald kann man sagen, d a ß die Verhältnisse nicht viel anders waren. Sicher, Massenmorde und Massenvernichtungen gab es im Lager Reichenau nicht.... Die Schikanen im Lager selbst aber waren fast ärger als in den größeren Lagern, weil hier durch die Kleinheit des Lagers jeder Häftling dementsprechend dem SS-Mann besonders aufgefallen ist und daher vielmehr im Blickpunkt gestanden ist als in einem Konzentrationslager."

VORHUNDE JAHREN

Das 1941 errichtete Gestapolager Reichenau — hier als Heimkehrerauf dem Gelände des heutigen städtischen Zentralhofes.

und Flüchtlingslagernach 1945 — ( Foto: Frischauf)

16. Jänner: „Eislauf-Verein. Nachdem nunmehr die ganze Bahn (= heutiges Messegelände) mit einem recht guten Eise der Benützung zugeführt ist, so wird Sonntag Nachmittag von 2—4 Uhr die Militärskapelle auf dem Eisplatze konzertiren und findet Montag den 18. d. MtS. das in Aussicht genommene Nachtfest statt. Entrée für Nichtmitglieder 40 kr. Für Z u seher ist im ersten Stock ein ge-

heiztes Zimmer bereit."

w.


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