Messerstichen und Fußtritten in den Unterleib. Nur mit Mühe konnten die Gendarmen und ein größeres Militäraufgebot die Umgebung des Gebäudes abriegeln und die eingeschlossenen Nationalsozialisten vor der sich nach der Schlägerei in Hötting binnen kurzem ansammelnden großen Menschenmenge schützen. Die Erregung der Arbeiterschaft von Hötting und Innsbruck war jedoch so stark, daß sich die Rettungstransporte kaum und nicht unbeschädigt den Weg durch die Menge bahnen konnten. Bis spät nachts kam es in den beiden Orten zu bedrohlichen Ansammlungen und vereinzelten Ausschreitungen zwischen Anhängern der Arbeiterpartei einerseits und Nationalsozialisten und Exekutivbeamten andererseits. Auch der Heimwehrführer Steidle wurde in einem Straßenbahnwagen durch Steinwürfe bedroht. Sogar in der chirurgischen Klinik gerieten in der Nacht die schwerverletzten Gegner noch in einen heftigen Streit." Weiters wird nachstehend jene Darstellung wiedergegeben, welche die „Volks-Zeitung", das damalige sozialdemokratische Tagblatt für Tirol, am 28. Mai 1932 über die Ereignisse im Goldenen Bären in Hötting am Abend zuvor gegeben hat. Dort steht auf Seite 1 zu lesen: „In Hötting ist gestern Blut geflossen. Zahlreiche Menschen sind verletzt, ein Verletzter starb noch nachts im Krankenhaus, die gesamte Bevölkerung in größte Unruhe und Aufregung versetzt worden. Polizei, Gendarmerie und Militär mußten aufgeboten werden. Die Rettungsabteilung mußte mindestens ein ganzes Dutzend Mal Hilfsfahrten nach Hötting machen, mehrere Dutzend Verletzte in die Klinik überführen, während eine ebenfalls nicht kleine Anzahl leichter Verletzter sich in häuslicher Pflege befinden. Die verbrecherischen Urheber aller dieser Vorgänge sind — darüber kann es wohl keine Meinungsverschiedenheiten geben — die aus Deutschland nach Tirol importierten Strolche im braunen Hitlerhemd, die auf Geheiß des Braunen Hauses
in München in Tirol, besonders in den letzten Wochen, landauf, landab die Bevölkerung zu terrorisieren versuchen, das Evangelium der Gewalt predigen, nach dem Muster der Nazi in Deutschland auch bei uns der Bevölkerung einen Vorgeschmack der Dritten-Reich Methode gebend. Gestern wurde nun der Höttinger Bevölkerung vordemonstriert, was sie zu erwarten hätte, wenn die braune Pest auch bei uns „Heimatsrecht" bekäme, wie die Hitlerstrolche den Kampf mit „geistigen Waffen" verstehen, wie die Legalität der Horden aussieht, die nach Innsbruck kommandiert wurden, um hier der Bevölkerung die „Segnungen" des mit den Millionen der deutschen Großkapitalisten ausgehaltenen deutschen Faschismus zu vermitteln! Die braunen Mordgesellen wollten gestern in Hötting beim „Bären" eine ihrer üblichen Schimpforgien veranstalten und luden die Höttinger Bevölkerung ein, ihre öffentliche Versammlung zu besuchen, zu der sie sich eine ihrer rethorischen Dreckschleudern, diesmal aus Salzburg, verschrieben. Da die Versammlung, wie erwähnt, öffentlich war, kamen natürlich auch Arbeiter in den „Bären", um sich den Naziredner anzuhören. Es sollte aber nicht dazu kommen! Als um 8 Uhr abends die uniformierten Hakinger in den Saal einmarschierten, war die erste Tat der Hitlerhalunken, sofort über die anwesenden Arbeiter herzufallen, eine blutige Saalschlacht zu entfesseln, die zahlreiche Opfer forderte! Daß dieser Überfall wohl vorbereitet und organisiert war, daß die Südtirolverräter die Angreifer und nicht die Überfallenen waren, geht daraus hervor, daß sie dem „Bären"-Wirt eine Kaution für entstehende Schäden stellten, daß sie bei ihrem Marsch durch Hötting von keinem Arbeiter (!) behelligt wurden. Am Kampfplatz Um 8 Uhr marschierten etwa 80 bis 100 uniformierte Hakinger zum Gasthof „Goldener Bär". Sie „sangen" in ungemein frecher Weise ein „antimarxistisches" Spottlied. Und als die
A r b e i t e r s c h a f t
von
Wir rufen Euch zur Demonstration gegec den K a c k e n k r e u z f a s c h l s c u Die Nationalsozialisten haben far
s. Freitag, den 27.
-ai-1932, in dencGas-shof "Goldener Bär " in'Hött;Ing eine Versammlung einberufen. Wir aber fordern Arbeiter und Angestellte auf,
an
diesem Freitag abends halb 9 Uhr im Hofe vor dem Gasthaus "Reiter" in Mariafr>lf
sich einzufinden, um dort in der
Volksversammlung; flammenden Protest gegen den Hacxenkreuzfaschisxus zu erheben. Jeder werbe und konroe ! Soz.den.Parteiausschuss Hötting.
Der Sozialdemokratische Parteiausschuß Hötting hatte mit obenstehenden Worten zu einer Volksversammlung im Gasthaus „Reiter" eingeladen. Braunhemden in den Gasthof marsch der Hakinger kamen einzogen, brüllten sie — india- bereits nermäßig wie immer — ihr fa- die ersten Verwundeten schistisches „Heil Hitler!" Ob- aus dem „Bären", manche wohl die Mehrzahl der Saalbe- mußten hinausgetragen wersucher Sozialdemokraten und den, wurden zum Teil zur GenNichtfaschisten waren, wagten darmeriestation gebracht, anes die Hitlerianer, mit dem wel- dere lagen im Gang, der vom schen Faschistengruß die Tiro- Saal herausführte. U. a. sah man ler zu „grüßen". Auf all diese eine F r a u aus dem Gasthof Provozierungen erwiderten die herauswanken, das ganze GeAnwesenden mit Pfuirufen. Die sicht blutüberströmt... So hatHitlerfaschisten griffen nun — ten sie die viehischen Burschen wie es die Arbeitermörder ja zugerichtet. Gendarmerie ging immer tun — sogleich zu den schließlich — nicht gegen die mitgebrachten Totschlägern Nazi, sondern und Waffen. Da die von den Hakingern Angegriffenen sich gegen die Arbeiter mit gefällnatürlich kräftig zur Wehr setz- tem Bajonett vor und sperrte die Umgebung ten, kam es nun zu einer des „Bären" ab. Besondere Emgroßen Saalschlacht, pörung löste es unter der Bevöldie meist mit Sesseln ausgefoch- kerung aus, daß ein alkoholiten wurde. Die Hakinger (SA.) sierter Gendarm sich besonders benahmen sich wie Tiere und gegen die Arbeiter hervortat, hieben in der brutalsten Art los. mit dem Bajonett herumfuchIm Saal wurde fast alles zer- telte und dadurch auch ein paar schlagen. In Innsbruck sah man Menschen verletzte. Auf Einnoch selten einen Saal, der der- schreiten einiger Genossen art demoliert war. Die Fahne mußte der Mensch schließlich der braunen Mordgesellen wur- vom Schauplatz seiner „Helde so übel zugerichtet wie der dentaten" abgezogen werden. große Saal. Von der Gendarme- Es muß festgestellt werden, rie muß hier gesagt sein, daß daß von sozialdemokratischer einige der Gendarmen in einer Seite keinerlei Störungsversuaufreizenden „forschen" Wei- che der Hakingerversammlung se gegen die Arbeiter losgin- beabsichtigt waren, die ungegen. Dadurch wurde die Empö- heure Empörung der Bevölkerung der Bevölkerung noch viel rung über das Wüten der Nazi größer. Eine große Menschen- eine spontane und durchaus menge — fast ganz Hötting — begreifliche war, eine Empöwar auf den Beinen. Die Ver- rung, die sich in den stürmisammlung der Hakinger konnte schen, bis in die späten Nachtalso nicht stattfinden. Fast alle stunden andauernden Protesthatten ja etwas abbekommen. kundgebungen in Hötting draFünf Minuten nach dem Ein- matisch offenbarte.
Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1985, Nr. 7
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