Innsbrucker Stadtnachrichten

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Die Höttinger Saalschlacht Der Beginn der dreißiger Jahre in der noch jungen Republik Österreich war politisch gesehen von starken Machtkämpfen zwischen den Parteien gekennzeichnet. Sie eskalierten zum offenen Bürgerkrieg zwischen

sammlung im Gasthof zum „Goldenen Bären" in der Schneeburggasse (Nr. 31) einberufen. Die Sozialdemokraten der Stadt, die Hötting „als ihre ureigenste Domäne" betrachteten, organisierten Widerstand. Bereits vormittags wurden allgemein Flugzettel mit folgendem Inhalt verteilt: „Arbeiterschaft von Hötting. Wir rufen Euch zur Demonstration gegen den Hakenkreuzfaschischmus. Die Nationalsozialisten haben für Freitag, den 27. Mai 1932, in den Gasthof ,Goldener Bär' in Hötting eine Versammlung einberufen. Wir aber fordern Arbeiter und Angestellte auf, an diesem Freitag abends halb 9 Uhr im Hofe vor dem Gasthaus ,Reiter' in Mariahilf sich einzufinden, um dort in der Volksversammlung flammenden Protest gegen den Hakenkreuzfaschismus zu erheben! Jeder werbe und komme!" Es blieb jedoch nicht allein bei der Abhaltung dieser Protestversammlung in Mariahilf, sondern im Gegenteil, Sozialdemokraten fanden sich bereits am frühen Abend dieses Tages im Hotel „Sonne", ihrem Hauptquartier am Südtiroler Platz, ein und marschierten geschlossen, sichtlich bewaffnet mit Stöcken durch die Stadt in Richtung Schneeburggasse und besetzten bereits vor Einlangen der Nationalsozialisten den Versammlungssaal im „Goldenen Bären". Nach damaligen amtlichen Mit-

teilungen befanden sich vor 20 Uhr ca. 150 Besucher, mehrheitlich kampfbereite Sozialdemokraten und Kommunisten, im Saale und erwarteten das Eintreffen der 70 uniformierten Nationalsozialisten. Über den weiteren Ablauf der Ereignisse Von Josefine Justié berichten die „Innsbrucker Nachrichten" am 28. Mai: „Mit dem seit 1933 verbotenen ohrenbetäubendem Gejohle Wehrverband der Sozialdemowurde die in Ruhe, die Fahkratischen Partei, genannt „Rene voran, einziehende SA publikanischer Schutzbund" ei(= Sturmabteilung, Anm.) nerseits und der staatlichen empfangen. Ihre Spitze hatte Exekutive und der „Heimatungefähr die Mitte des Saales wehr" auf der anderen Seite im erreicht und war nun mitten unFebruar 1934 in den östlichen ter der vielfachen Ueberzahl toBundesländern. bender und schreiender GegDiese Zeilen dokumentieren jener, als plötzlich von mehreren doch anhand von Berichten der Seiten gleichzeitig Bierkrügeln, Tagespresse ein blutiges EreigSteine und Stühle in die Reihen nis in unserer Stadt, das sich der Nationalsozialisten gebereits zwei Jahre zuvor, am schleudert wurden. Von allen 27. Mai 1932, in Hötting abSeiten stürzten sich die Marxispielte und als „Höttinger Saalsten auf die von ihnen eingeschlacht" ein Begriff der Innsschlossenen Nationalsozialibrucker Zeitgeschichte wurde. sten... diese setzten sich aber Allerdings bekämpften sich dakräftigst zur Wehr, obwohl sehr bei nicht die „privaten" Wehrviele SA-Leute, durch Wurfgeverbände der etablierten Parschosse der verschiedensten Art teien, sondern es kam zu Ausgetroffen, mehr oder weniger einandersetzungen zwischen schwer verletzt wurden. Die Mitgliedern der SozialdemoNationalsozialisten hatten in kratischen und Kommunistiungefähr zehn Minuten die schen Partei und Anhängern Mehrzahl der Angreifer aus der inzwischen auch in Tirol dem Saal geworfen. Bei diesem erstarkten NationalsozialistiKampfe zersplitterten Stühle schen Deutschen Arbeiterparauf blutenden Köpfen, da und tei (NSDAP), auch Hitlerbewedort sank, von heimtückischen gung genannt. Messerstichen getroffen, ein SA-Mann zu Boden... Im Nu Für den Abend des 27. Mai war die Saaleinrichtung restlos 1932 hatten die Nationalsoziazertrümmert... und alle Scheilisten Innsbrucks eine Verben zersplittert." Eine inzwischen von der Gendarmeriekaserne angeforderte Reserveabteilung eilte durch die Bachgasse in die Schneeburggasse und mußte mit gefällten Bajonetten vorgehen, um die bereits auf die Straße ausgedehnten Kampfhandlungen einzudämmen und Platz zur Evakuierung und zum Abtransport der Verletzten zu schaffen. Gegen 22.30 Uhr rückte dann noch eine Bundesheerabteilung, von der Höttinger Kirche kommend, vor, um unterstützend einzugreifen. Der Abzug Die anläßlich einer nationalsozialistischen Versammlung mit der restlichen im „Goldenen „spanischen Reitern" abgesperrte Schneeburggasse. Original im Bären" verbliebenen NationalStadtarchiv — Fotosammlung. (Repro: Murauer) sozialisten wurde durch die

Gendarmerie ermöglicht, und diese kehrten nun in ihre Zentrale in die Müllerstraße 3 zurück. Gegen Mitternacht war der „gesetzliche Zustand" wiederhergestellt. Dem Bericht der Freiwilligen Rettungsgesellschaft zufolge wurden bei den Zusammenstößen 38 Personen verletzt, zwei bis drei davon trugen schwere Verwundungen davon. Die Höttinger Saalschlacht forderte auch ein Todesopfer. Der Nationalsozialist Silvester Fink erlag noch in der Nacht seinen schweren Verletzungen. Er wurde späterhin als einer der ersten „Blutzeugen" von der NSBewegung in Tirol „märtyrisiert". Eine Fülle von Materialien aus dieser bewegten Zeit in Innsbruck und Tirol zeigt die im Stadtarchiv laufende zeitgeschichtliche Ausstellung, die die Jahre 1932 bis 1938 umfaßt.

VOR HUNDERT JAHREN 18. April: „Anzeige. Es wird eine Sängerin von angenehmen Äußeren und mit guter Stimme begabt, wenn möglich Altistin, gesucht für die ,Tiroler SängerGesellschaft' Sutterlüty in Buffalo, Nordamerika. Reise dahin frei. Bedingungen günstig." 25. April: „Wie bekannt, wurde von Seite der Staatsbahn die Anlage eines Bahnhofes mit Personenaufnahme und Magazinen in der Gemeinde Wüten bei Kilometer 1,2 projectiert. Dieses Project erlitt nun eine Verkürzung, indem von der k. k. Generaldirection der Staatsbahnen nur die Errichtung eines Güterschoppens bewilligt wurde." 30. April: „Wie uns berichtet wird, ist nun die Straße vom Schlosse Ambras nach Aldrans in ihrer ganzen Länge fertiggestellt und kann vom 3. Mai an befahren werden." 6. Mai: „In Innsbruck ist ein Gesangverein mit dem Namen ,Sängerbund Eintracht' gegründet worden; seine Statuten wurden von der k. k. Statthalterei bescheinigt. In Igls ist ein Verschönerungs-Verein gegründet worden, dessen Statuten von der k. k. Statthalterei bescheinigt worden sind." W.


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