Innsbruck

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Während des Mittelalters gab es im Raum Innsbruck nur eine feste Verbindung der beiden Innufer: die um 1180 erbaute Innbrücke bei der Ottoburg. Das Gebiet des Saggens war wie ein „Sack" von Inn und Sill eingeschlossen, die Saggengasse war eine Sackgasse. Im Jahre 1581 errichtete Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529-1595) das Residenzpalais „Ruhelust" am Rennweg und ließ vom Wurmbach in Mühlau ein „Hof-Brunnen-Geleit" legen, das auf der neu gebauten V o n M a g . Herbert Woditschka Saggenbrücke den Inn überquerte. Diese Brücke hatte mehrere Pfeiler; 1728 hatte sie fünf, 1802 drei und 1822 zwei Pfeiler. Am 19. Februar 1837 empfahl die Innsbrucker Baudirektion in einem Gutachten von Baudirektor Graf Alois von Reisach und Baudirektionsadjunkt Josef Duile den Bau einer Kettenbrücke: „Endlich dürfte der Bau einer Kettenbrücke doch auch wegen der Nähe der Provinzialhauptstadt als ein der Würde der höchsten Regierung entsprechendes und dem geläuterten Geschmack der Baukunst und des Zeitgeistes würdiges Monument den nachfolgenden Generationen rückgelassen zu werden verdienen." Kaiser Ferdinand I. (1793-1875) erteilte am 23. Jänner 1838 die Baubewilligung. Mit der Bauleitung wurde Ing. Duile betraut. Josef Duile wurde am 19. Februar 1776 in Graun im Vinschgau geboren. Seit 1798 war er als technischer Beamter im Staatsdienst. Er war am Bau der Brenner- und Arlbergstraße beteiligt und wirkte bahnbrechend auf dem Gebiet der Wildbachverbauung. Duile war zeit-

lebens seinem geliebten Graun verbunden; für den Neubau der dortigen Pfarrkirche stiftete er zwei Marmoraltäre mit Altarblättern von Kaspar Jele (1814-1893). Die Kettenbrücke war sein Meisterstück; er trat 1843 in den Ruhestand und starb am 3. Februar 1863 in Innsbruck. Die Vorarbeiten zum Bau begannen: Die Steine wurden von fünf Steinbrüchen herbeigeschafft, von Silz, Meilbrunnen bei Kranebitten, dem „Höttinger Gebirge" an der Höhenstraße, der Gufi ober Mühlau und von Amras. Das Eisen vom Pillersee wurde in den Jenbacher Werken verarbeitet, die Entdekkung der Türme erfolgte mit dem ersten Tiroler Asphalt, den Duile selbst erzeugte. Am 30. November und 2. Dezember 1842 wurden die Ketten von Turm zu Turm gelegt, und am 15. Juli 1843 fand die Belastungsprobe statt, bei der 15 Fuhrwerke mit einem Gesamtgewicht von 58 Tonnen auf der Brücke standen. Anschließend wurde sie sang- und klanglos dem Verkehr übergeben; denn für die geplante Eröffnungsfeier waren die Gemüter zu erhitzt. War es doch dem Wiener Hofbaurat gelungen, den Voranschlag der Innsbrucker Baudirektion von 126.000 auf 113.000 Gulden zu senken; und nun ergab die Abrechnung 206.000 Gulden. Die Kettenbrücke wurde in der Fachpresse als „technisches Meisterwerk" bezeichnet; sie war die schönste der österreichisch-ungarischen Monarchie - und die teuerste. Der „Bote für Tirol" bringt eine Beschreibung: „Diese Brücke hat zwei Ketten. Jedes Kettenglied besteht aus 7 Gliederstangen mit 5 Fuß (= 1,58 m) in der Länge, 4 Zoll (= 11 cm) in der Breite, und 1 / Zoll (= 4 cm) in der Dicke. Die 3

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Spannweite der Ketten beträgt 252 Fuß (= 80 m), und ihre Hängetiefe 19 Fuß (= 6 m). Die Breite der Fahrbahn haltet 17 Fuß (= 5,37 m), und jene der ganzen Brücke mit den beidseitigen Trottoirs 31 Fuß (= 9,8 m). Der Unterbau der Brükke wird von 92 schmiedeeisernen Hängstangen getragen. Die Fahrbahn liegt 20 Fuß (= 6,32 m) über dem niedrigsten Wasserstand. Jeder der beiden Thorpfeiler haltet 42 Fuß (= 13,27 m) in der Länge, 28 Fuß (= 8,8 m) in der Breite, und 51 Fuß (= 16 m) in der Höhe. Die Durchfahrtsgewölbe sind 14 Fuß (& 4,4 m) breit und 21 Fuß (= 7,6 m) hoch gehalten. Um uns über die Tragfähigkeit zu beruhigen, darf

man nur anführen, daß die zwei Tragketten außer jenem, aus ihrem freien Aufhängen entstehenden Gewicht von mehr als 1000 Zentner (= 56 t) noch die Last der Brücke, welche sich auf 3000 Zentner (= 168 t) berechnet, und über dieses noch jene Last von 4500 Zentner (= 2521) zu tragen haben, mit welcher die Brücke belastet werden kann." Die Überprüfungen von 1888, 1909, 1915, 1921, 1926 und 1937 erbrachten ein gutes Ergebnis. Doch war die Kettenbrücke dem modernen Verkehr nicht mehr gewachsen. So beschloß der Innsbrucker Gemeinderat in seiner Sitzung vom 23. Oktober 1936 den Neubau der Mühlauer Brücke, der am 15. November 1937 begonnen und am 5. August 1939 vollendet wurde. Am 19. Februar 1938 begann der Abbruch der Kettenbrücke.

VOR HUNDERT J A H R E N

17. Juli: „Heute Morgens um V nach 6 Uhr wurde in Innsbruck und Umgebung unter dumpfem Rollen ein ziemlich heftiger Erdstoß von wellenförmiger Bewegung mit sehr bemerkbarer Erschütterung der Gegenstände in den Wohnungen wahrgenommen." 4

18. Juli: Der von Herrn Statthalter Alois Fischer zum Andenken des Landesverteidigers Josef Speckbacher gestiftete Jahresgottesdienst wurde in feierlicher Weise abgehalten; auch die Angehörigen Speckbachers nahmen daran teil. 24. Juli: In der Sitzung des Innsbrucker Gemeinderates wurden verschiedene Probleme zur Spra-

che gebracht: Wegen des Verkaufs von Edelweiß mit Wurzeln und in ganzen Stöcken sei diese Alpenpflanze von der Ausrottung bedroht; zu ihrem Schutz wurden Maßnahmen gefordert, wie sie in der benachbarten Schweiz bereits bestehen. Herr Gemeinderat Ludwig „macht auf den Unfug aufmerksam, der durch das Häufige und schädliche Tabakrauchen der Jungen auf der Straße getrieben wird. Der Vorsitzende gibt bekannt, daß diesbezüglich die städtische Polizei schon mehrfach eingeschritten sei und thatsächlich schon eine ansehnliche Zahl von Reifen abgenommen worden sei." Es wird auch Klage geführt „wegen der vielen herrenlosen Tauben, die besonders in den Straßen gegen den Bahnhof vielfach lästig fallen." 26. Juli: Am gestrigen Tag erhielten 23 Studenten der Theologischen Fakultät von Weihbischof Johann Nepomuk Amberg die niederen Weihen und 33 die Diakonatsweihe. Morgen wird 30 Kandidaten in der Jesuitenkirche die Priesterweihe gespendet.

Kettenbrücke

nächst Innsbruck.

Lithographie

von Basilio Armani.

(Original im Stadtarchiv

- Repro:

Murauer)

30. Juli: Feierlich begangen wird der Beginn der Adaptierungsarbeiten an der von der evangelischen Gemeinde angekauften Kapelle des ehemaligen Normalschulgebäudes (= Kiebachgasse 10). In seiner Rede sprach Herr Pfarrer Ergenzinger den Wunsch aus, „daß einst die Zeit kommen möchte, in der endlich des unseligen Zwistes zwischen beiden Schwesterkirchen völlig ein Ende sein möchte."


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