Munich Quality Ausgabe 1/2016

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ESSEN & TRINKEN

das nach dem RenaissanceHofkapellmeister Orlando di Lasso benannt ist. Tagsüber eine gut besuchte arkadengeschützte Caféterrasse vermittelt das Innere mit hohem Gewölbe und goldenem Stuck noch viel von der einstigen Atmosphäre des 1898 eröffneten Kaffeehauses, das sich bald zu einem wichtigen Theatercafé mauserte und heute von Alfons Schuhbeck geführt wird. Zum beliebten Künstlerund Literatentreff avancierte um die vorletzte Jahrhundertwende auch das Café Stefanie in der Amalienstraße, das der Volksmund „Größenwahn“ nannte. Warum, beschreiben die Münchner Neuesten Nachrichten 1921: „An den nüchternen Kaffeehaustischen warteten junge Dichter auf den Kuß der Muse, oder auf den Vorschuß des Verlegers, junge Maler und Bildhauer suchten den Mäzen für einen großen Auftrag oder den Gönner, der eine Tasse Kaffee bezahlte; der Wahn berühmt zu werden war zumeist stärker als die Nüchtern3 4 — MQ Frühling 2016

heit des Alltags, und der Traum von ‚Größe‘ bald verrauscht. Der Größenwahn war nur die berechtigte Hoffnung der Jugend auf Erfolg und im Café Größenwahn waren die Hoffenden unter sich.“ Nur einen Katzensprung entfernt, im Café Altschwabing in der Schellingstraße, trafen sich ab 1887 ebenfalls illustre Vertreter des Intellekts, darunter Thomas Mann, Wedekind, Ringelnatz, Kandinsky, Franz Marc, Paul Klee und Lenin. Den Ort, wo sie debattierten, gibt es heute noch, das Café blieb vor Kriegszerstörung verschont. Ebenfalls ganz in der Nähe, in der Theresienstraße, etablierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Café Modern, es wurde richtungsweisend für die besondere Form der „Konzertcafés“. Auf musikalische Unterhaltung ausgerichtet, waren diese, um die Kosten für Kapellen und Solisten zu decken, meist Großbetriebe, die jedoch bedingt durch den zunehmenden Erfolg von Kino und Rundfunk an Bedeutung verloren.

Vors Café Prinz­ regent konnte man um 1900 noch gemütlich mit der Kutsche vorfahren, um dort das Novum elektrischer InnenraumIllumination be­ staunen zu können

Wobei fortscheitende Inflation und Kriegswirren ein Übriges taten. Das goldene Zeitalter luxuriöser Kaffeepaläste war vorbei. Die Zukunft gehörte jetzt, vor allem in der Nachkriegszeit, deutlich kleineren Konditoreicafés, die geringere Unterhaltskosten hatte und durch die kürzere Verweildauer der Gäste und den fast obligatorischen Verzehr von Kuchen höheren Umsatz machten. Trotz mancher Relikte, die die Zeiten überdauert haben, ist die große Kaffeehaustradition, die München einst hatte, ein für alle Mal verloren. Auch wenn einige Cafés noch einen kleinen Eindruck von dem zu vermitteln versuchen, was einmal war. Darunter auch das Café am Beethovenplatz – einst bekannt als Musikcafé Mariandl –, wo auch heute noch Konzerte gegeben werden. Doch wer echte Kaffeetradition von einst erleben will, muss sich nach Österreich aufmachen, in die Metropole Wien. Dort ist sie noch selbstverständlich und höchst lebendig: die wahre Kaffeehauskultur.


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