Manfred Deix trifft Werner Berg

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100 Jahre Kärntner Volksabstimmung Ein Land in Zeitreisen und Perspektiven 100 let koroškega plebiscita Dežela na potovanju skozi čas in prostor

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HERAUSGEGEBEN VON HARALD SCHEICHER WERNER BERG MUSEUM BLEIBURG | PLIBERK

5 16 HAR ALD SCHEICHER Deren große Liebe: die Menschen in ihrer Erbärmlichkeit 32 GOTTFRIED GUSENBAUER Werner Berg im Dialog mit den Arbeiten von Manfred Deix 74 BARBAR A BILLER Über Zeichnung und Überzeichnung 110 MAGDALENA SCHEICHER Von Heimatbildern und der Faszination für das Fremde 291 Biografie MANFRED DEIX 297 Biografie WERNER BERG
MANFRED DEIX, MANN MIT ZU GROSSEN BRÜSTEN, AUSSCHNITT
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WERNER BERG, NACHBAR,
1954
MANFRED DEIX, LACHEN IST GESUND, AUSSCHNITT

Es gibt Leute die irgendein Blatt, eine Zeitung, aufschlagen und sagen: Geh, bitte muss das sein! Das hab ich so gern. Ich verschrecke die Leute so gern.

Das ist ein Trauma, ich weiß nicht was in mir ist, aber ich muss das ausleben. Ich werde das machen, wenn ich 80 bin, quatsch, werd ich leider nicht, aber sollte ich so alt werden – ich werd immer wo irgendwem fallweise die Gurke aushängen lassen. Das gefällt mir.

Das ist mir ein großer Genuss, den ich hab. Ich möcht Leut immer wieder ein bissel sekkieren oder wenn wer vorbeigeht – a Blader – in Orsch zwicken, dass er aaah schreit, das macht Spaß.

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MANFRED DEIX CASTING FÜR DEN EROTISCHEN BAUERNKALENDER 2002
WERNER BERG, LÄCHELNDE ALTE, 1953, AUSSCHNITT

Zuweilen drängen sich Themen geradezu auf, die im Gegensatz zu dem stehen, was man von mir erwartet. Dinge, die im Gegenschlag zur rein ländlichen Welt einfach notwendig sind. Wie ich überhaupt glaube, dass die Themen in einem noch so engen Bereich durch ihre Gegensätzlichkeit gewinnen, dass das Idyllische und Romantische nie die Kraft und Aussagemöglichkeit hätte, wenn das Scharfe und Groteske oder auch das Unheimliche dem nicht gegenüberträte. Ich glaube gerade, dass die Gegensätze sich bedingen und herausfordern. Und dass das Leben auf kleinem Raum die Gegensätze noch viel deutlicher macht.

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WERNER BERG MARKTBETRACHTER 1980
15 WERNER BERG SCHWEINEMARKT 1934

Manfred Deix, der Spötter, der schonungslos die Schwächen seiner Mitmenschen aufzeigt und Werner Berg, der mitfühlende Chronist der Kärntner Slowenen – wie passt das zusammen? Wie nahe steht Werner Bergs zu Unrecht kaum beachteter Humor der Karikatur? Und ist nicht Manfred Deix – unabhängig von seinen Verdiensten als Karikaturist – einer der genialsten österreichischen Zeichner aller Zeiten? Und was hat das alles mit „100 Jahre Kärntner Volksabstimmung“ zu tun?

Die Gegenüberstellung der beiden Künstler mit einer repräsentativen Auswahl ihrer Menschendarstellungen soll zeigen, wie einerseits Eigentümlichkeiten und Besonderheiten der Menschen einer bestimmten Region ihren künstlerischen Niederschlag finden, wie es aber auch möglich ist, nationalistischer Selbstherrlichkeit, bösartigem Chauvinismus und bornierter Verklemmtheit durch überspitzte Darstellung eine klare Absage zu erteilen.

Gruppenzugehörigkeit und damit so etwas wie eine überindividuelle Identität im Physiognomischen ausmachen zu wollen, ist obsolet. Häufig jedoch definiert sich die Fremd- wie Eigenzuordnung zu regionalen Gruppen über Sprache, Aussprache und Dialekt. Vielfalt statt Einheit bestimmt heute das Bild der Menschen, die z.B. in einer europäischen Stadt oder Region leben. Das Wunschbild einer ethnisch homogenen Bevölkerung ist nicht nur atavistisch, sondern auch gefährlich. Wären dennoch für den Außenstehenden charakteristische Eigenheiten – bestimmter Regionen nicht Volksgruppen – auszumachen, so rühren diese meist aus einer früheren Zeit deutlich verminderter Mobilität und verlieren im Zeitalter der Globalisierung in Europa an Bedeutung. So sind die „Österreicher“ des Manfred Deix oder die „Windischen“ (wie die Kärntner Slowenen früher wertfrei bezeichnet wurden und heute mit meist deutlich deutschnationaler Tendenz oftmals noch benannt werden) in Werner Bergs Bildern jeweils auch stark ihrer Entstehungszeit verhaftet. So treffsicher – kompromittierend wie empathisch –die beiden Künstler die Menschen ihrer Umgebung

DEREN GROSSE LIEBE: DIE MENSCHEN IN IHRER ERBÄRMLICHKEIT

Nihil humanum mihi alienum est – nichts Menschliches ist mir fremd

dargestellt haben – vieles ist trotz aller überzeitlichen Aktualität inzwischen historische Vergangenheit – gerade, weil die Künstler den Nerv ihrer Zeit genau trafen. Seit Jahrzehnten werden regionale Eigenheiten durch Aufhebung geografischer Barrieren immer bedeutungsloser – in einer ferneren Vergangenheit mit deutlich erschwerter Mobilität hingegen hatte nahezu jedes Tal seinen eigenen Dialekt. Der Erfahrungshorizont vieler sehr abgeschieden lebender Menschen war begrenzt und weitgehend autarke Gemeinschaften mit eigenen Bräuchen prägten das Bild von Regionen.

So stellt sich die Frage: was bestimmt heute überpersonale Identität? Ist die Selbst- und Fremdzuordnung zu homogenen Ethnien überhaupt noch möglich und wenn, wünschenswert? Oder gab es vielmehr eine stets mehr oder weniger multikulturelle Bevölkerung, die erst durch die aufkommenden Nationalismen des 19. und 20. Jahrhunderts meist mit verheerender Gewalt in verfeindete Gruppen auseinanderdividiert wurde? Was aber kennzeichnet dann eine mögliche regionale Gruppenidentität? Sprache? Gemeinsame Merkmale im Aussehen? Religion? Kleidung und Brauchtum? Amtsentscheid? Name und Herkunft? persönliche Entscheidung?

Mit der Volksabstimmung von 1920 hatte die Bevölkerung Unterkärntens die demokratische Gelegenheit, ihre Identität selbst zu wählen. Durch die folgenden Jahrzehnte machte es einen großen Unterschied ob man Staatsbürger Jugoslawiens oder Österreichs war. Durch andere Eingrenzungen des Abstimmungsgebietes hätte das Ergebnis auch anders ausfallen können. Die staatliche Identität war sowohl per Mehrheitsentscheid selbstgewählt als auch zufällig.

Die vorliegende Gegenüberstellung veranlasst daher auch Fragen einer personenübergreifenden Gruppenidentität nachzugehen. Die Überspitzung und Überzeichnung der Karikatur steht dabei dem intendierten Verdichten und Erfassen eines scheinbar „Wesentlichen“, Typischen gegenüber.

Durch den vorgehaltenen Spiegel, die immense Fülle der Darstellungen einzelner „charakteristischer“ Menschen bildet sich für den außenstehenden Betrachter ein mehr oder weniger konkretes Gruppenbild. Auch die Selbstwahrnehmung bleibt von den Bildern der Künstler nicht unbeeinflusst. Ist diese positiv konnotiert, führt dies zum Beibehalten, Unterstreichen und Verstärken von Gruppenmerkmalen, während negative Selbstwahrnehmung zum Wunsch nach Veränderung führen kann.

Manfred Deix wies frech, pointiert und keine Tabuüberschreitung scheuend durch Jahrzehnte auf gesellschaftliche Schwachstellen und Fehler hin. So meinen wir bei Deix den „typischen“ Österreicher zu erkennen – auch in seiner Borniertheit, Bosheit, Verschlagenheit, brutalen Dumpfheit, lächelnden Blödigkeit oder hinterfotzigen Liebenswürdigkeit. Castigat ridendo mores – dieser Wahlspruch eines der ersten Karikaturmagazine, nämlich Sitten und Moral zu kritisieren und zu korrigieren, indem man darüber herzhaft lacht, gilt wie damals für Daumier auch für Deix. Seine Karikaturen können mit als Motor gesellschaftlicher Veränderungen, einer anderen Wahrnehmung der eigenen Vergangenheit und Identität ausgemacht werden und sind somit durchaus auch für eine Veränderung des kollektiven Selbstbildes mitverantwortlich.

Ebenso sahen viele in den im „unmittelbaren Dabeisein“ entstandenen Menschendarstellungen Bergs ein typisches Bild der Kärntner Slowenen. Werner Bergs Darstellungen der Menschen seiner Umgebung verschafften diesen eine „Bühne“, rückten sie ganz bewusst ins Licht und wiesen in einer Zeit des Zurückdrängens und bewussten Nichtwahrhabenwollens von slowenischsprachigen Kärntnern auf deren Existenz, Eigenart und Besonderheit hin. Werner Bergs Bilder entfernten für viele Kärntner Scheuklappen. So banal es heute klingen mag, ermöglichten die Bilder die selbstverständliche Wahrnehmung der vielfach angefeindeten Volksgruppe und trugen so in einer Phase nationalistischer Ressentiments zu vermehrtem gegenseitigem Verständnis bei.

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HARALD SCHEICHER

Nihil humanum mihi alienum est – nič človeškega mi ni tuje

Manfred Deix, satirik, ki brez prizanašanja prikazuje slabosti svojih sodobnikov, in Werner Berg, sočutni kronist koroških Slovencev - kako se to sklada? Kako blizu karikaturi je - po krivici komaj opaženi - humor Wernerja Berga? In ali ni Manfred Deix - ne glede na njegove zasluge kot karikaturist - eden najgenialnejših avstrijskih risarjev vseh časov? In kaj ima vse to opravka s stoletnico koroškega plebiscita?

Primerjava obeh umetnikov in soočenje z reprezentativnim izborom njunih upodobitev človeka naj pokaže, kako značilnosti in posebnosti ljudi neke regije najdejo svoj umetniški izraz, pa tudi to, kako se je mogoče s poantiranim prikazom jasno odreči nacionalistični samovšečnosti, zlobnemu šovinizmu in bornirani zavrtosti.

Pristop, s katerim skušamo prepoznati pripadnost skupini in torej neko nadindividualno identiteto v fiziognomiji, je preživet. Pogosto pa opredeljujemo soljudi in tudi nas same po njihovi oziroma naši pripadnosti k regionalnim skupinam, ki so jim skupni jezik, izgovorjava in narečje. Na mesto enoličnosti je stopila raznolikost, ki danes zaznamuje podobo ljudi v evropskih mestih in regijah. Idealizirana podoba etnično homogenega prebivalstva ni le atavistična, marveč tudi nevarna. Če bi zunanji opazovalec morda vendarle zapazil značilne posebnosti - določenih regij, ne narodov -, pa te značilnosti izvirajo iz preteklih časov, ko je bila mobilnost znatno manjša, in v času globalizacije v Evropi izgubljajo pomen. In z ozirom na to so »Avstrijci« Manfreda Deixa ali slovenski Korošci (»Windische«, kakor so včasih imenovali koroške Slovence brez negativne konotacije, medtem ko se izraz danes, še vedno in prepogosto, uporablja v jasno nemškonacionalnem smislu) v slikah Wernerja Berga vedno tudi odraz časa, v katerem so nastale. Ob vsej preciznosti - hkrati razgaljajoči in empatični -, s katero sta oba umetnika predstavljala ljudi v svoji okolici: mnogo je kljub vsej brezčasni aktualnosti medtem zgodba iz preteklosti, prav zaradi tega, ker sta umetnika z opisi svojega časa zadela v črno. V zadnjih desetletjih je bilo odpravljenih mnogo geografskih zaprek in regionalne

posebnosti izgubljajo pomen - v daljši preteklosti in ob znatno manjši mobilnosti pa je imela domala vsaka dolina svoje posebno narečje. Izkušnje in obzorje mnogih, v odročnih krajih živečih ljudi so bili omejeni, podobo regije so v veliki meri kovale samozadostne skupnosti z lastnimi šegami in navadami.

Tako se postavlja vprašanja: kaj danes določa nadosebno identiteto? Ali je sploh še mogoče - po lastni ali tuji opredelitvi - določiti pripadnost homogenim etnijam in če je, ali naj bi si to sploh želeli? Ali pa je bilo prebivalstvo že vedno bolj ali manj multikulturno in je bilo zaradi pojavljajočega se nacionalizma 19. in 20. stoletja večinoma z uničujočim nasiljem raztrgano v sovražne si skupine? Po čem pa potem prepoznamo morebitno regionalno skupinsko identiteto? Po jeziku? Po skupnih značilnostih v zunanji podobi? Po veri? Po obleki ali šegah in navadah? Po uradnem odloku? Po imenu in izvoru? Po osebni odločitvi?

S plebiscitom leta 1920 je imelo prebivalstvo spodnje Koroške demokratično priložnost, da si samo izbere svojo identiteto. V desetletjih, ki so sledila, je bila velika razlika, ali si bil jugoslovanski ali avstrijski državljan. Drugačna opredelitev plebiscitnih con bi lahko prinesla tudi drugačno odločitev. Državna identiteta je bila izbrana torej z večinsko odločitvijo, v neki meri pa je bila tudi naključna.

Pričujoča primerjava umetniških del odpira torej tudi vprašanje medosebne skupinske identitete. Poantirano-pretirani prikaz v obliki karikature se sooča z intendiranim zgoščanjem in dojemanjem navidez »bistvenega«, tipičnega. Zrcalo, ki se postavlja pred človeka, ter obilica upodobljenih »karakterističnih« posameznikov dovoljujeta zunanjemu opazovalcu, da si ustvari bolj ali manj konkretno sliko o skupini. Slike umetnikov vplivajo tudi na samozaznavo. Če je samozaznava pozitivna, se značilnosti skupine ohranijo, poudarijo in ojačijo, medtem ko ob negativni samozaznavi lahko vznikne želja po spremembi.

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Heute sähe das von Manfred Deix und Werner Berg geschaffene Bild ihrer Mitmenschen anders aus. Als Werner Berg seine slowenischen Nachbarn zu malen begann, waren seit der Kärntner Volksabstimmung gerade zehn Jahre vergangen. Hingegen sind viele der von Manfred Deix Karikierten noch von NS- und Nachkriegszeit geprägt. Der explizit ihrer Zeit verhaftete Blick der beiden Künstler auf menschliche Eigenheiten offenbart dennoch oder gerade wegen der Genauigkeit der Beobachtung mehr Allgemeingültiges, Überzeitliches als jede idealisierende Darstellung.

Manfred Deix und Werner Berg haben tausende Gesichter von verschiedensten Menschen gezeichnet. Beiden war ein klassisches Schönheitsideal fremd. Vielmehr ist für beide die Hinwendung zu den Randerscheinungen der menschlichen Gesellschaft, dem außerhalb der Norm stehenden Besonderen charakteristisch – auch wenn sich gerade in der Menge der Anhäufungen von Einzeldarstellungen ein Bild des typischen Österreichers oder Kärntner Slowenen zu ergeben scheint.

Beide Künstler kennzeichnet die empathische bildnerische Parteinahme für die einfachen Leute – diese ist auch bei Deix stets vorhanden, selbst wenn sie hinter verhöhnender Lust an Sarkasmus und Zynismus zu verschwinden scheint. Aus Spott und purem Spaß zielt Deix gnadenlos frech stets jedoch auf innere sich im Äußeren manifestierende Schwächen und Gemeinheiten seiner Charaktere, während Berg trotz seines verfeinerten Sensoriums für „die dunklen Spannungen des Lebens“ zuweilen der Idealisierung der von ihm Dargestellten nicht ganz entkommt, insbesondere in seinen Darstellungen Kopftuch tragender Frauen. Aus einfühlsamen Portraits seiner slowenischsprachigen Nachbarn destillierte Berg einen Typus, wobei in seinen Darstellungen von betenden Frauen mit ihren schmalen Gesichtern und den spitzen, langen, oft einzig aus den umhüllenden Kopftüchern hervorragenden Nasen eine bewusste Stilisierung stattfindet. Doch die vorliegende Auswahl in Gegenüberstellung zu den Arbeiten

von Manfred Deix zeigt, wie schonungslos karikierend auch Werner Berg seinen „Modellen“ zu Leibe rücken konnte. Nichts wird dabei ausgeklammert – vom feisten Händler bis zu den keifenden Alten. Wie Deix ist auch Berg, bei aller gleichzeitigen, von einem tiefen Humanismus getragenen Wertschätzung der unentwegt beobachteten Menschen, offen für all deren Absonderlichkeiten und Schwächen. Der Blick beider auf Eigenheiten und Besonderheiten offenbart, dass wir alle nur Menschen sind und sich vermeintliche Gegensätze von Gruppen relativieren. Das alles ist die Welt, sind die Menschen in ihrer Vielfalt, scheint das Spektrum von bedauernswert spießigen bis bösartig-rassistischen Kreaturen bei Deix und von armseligen Landarbeitern bis zu wüst polternden Säufern bei Berg zu offenbaren. Beide waren stets nah bei den Leuten – speziell im Gasthaus, ständig die Besonderheit einer Situation aufsaugend, gemeinsam war beiden ein feines Sensorium für deren Zueinander. Mit humoristischem Blick erfassten sie prägnant zwischenmenschliche Situationen.

Deix selbst bezeichnete sich als „Lustzeichner“, aber auch als „Harmoniejunkie“. Gerade sein Motto „fun, fun, fun“, sein permanentes Streben nach „good vibrations“ machte ihn hellhörig für alle Misstöne und Widrigkeiten. Als genialer Zeichner – eine Naturbegabung wie Daumier oder Toulouse-Lautrec – traf er mit sicherer, aus einem Fluss entstehender Linie Auffälligkeiten und Charaktereigenschaften. Vom abgeklärt ästhetischen Standpunkt aus mag es ein Problem sein, dass ihm dies oft zu leicht und mühelos gelang und die so präzise gezeichneten Gesichter im fertigen Aquarell oft nur zu einer Anhäufung von „Knödelfiguren“ verwendet wurden. Großartig sind hingegen stets seine Entwürfe und Skizzen. Unerbittlich arbeitete er stets das Bößartige, Schiache und Verlogene der dargestellten Menschen heraus. Eine dem klassischen Ideal des Schönen, Guten, und Wahren folgende Bildnerei musste ihm angesichts des ihm ständig auffallenden Bestiariums geradezu faszinierender Abartigkeiten fad und uninteressant erscheinen. Ein wesentliches

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Manfred Deix je skozi desetletja drzno in poantirano kazal na šibke točke in napake v družbi, pri čemer se ni izogibal nobenim tabujem. Zdi se, kakor da pri Deixu prepoznamo »tipičnega« Avstrijca - tudi v njegovi borniranosti, zlobi, prekanjenosti, brutalni toposti, smehljajoči se neumnosti ali zahrbtni ljubeznivosti. »Castigat ridendo mores«, je bilo geslo ene prvih satiričnih revij s karikaturami, namreč kritizirati in popravljati nrav in moralo s tem, da se jima prisrčno nasmejemo, in to velja kot takrat za Daumiera tudi za Deixa. Njegove karikature lahko prepoznamo kot gonilo družbenih sprememb, drugačne zaznave lastne preteklosti in identitete in so s tem vsekakor tudi soodgovorne za spremembo kolektivne samopodobe.

Prav tako so mnogi v »neposredni prisotnosti« nastalih Bergovih upodobitvah ljudi videli tipično sliko koroških Slovencev. Werner Berg je upodabljal ljudi iz svoje okolice in jim tako dal glas in mesto, čisto zavestno jih je postavil v luč. V času zapostavljanja in zavestnega nepriznavanja slovenskogovorečih Korošcev je opozarjal na njihovo prisotnost, njihove posebnosti in značilnosti. Slike Wernerja Berga so mnogim Korošcem odstrle tančico izpred oči. Tudi če zveni banalno, Bergove slike so omogočile samoumevno zaznavanje pogosto osovražene narodne skupnosti in so v fazi nacionalističnih zadržkov prispevale k medsebojnemu razumevanju.

Danes bi bila slika, ki bi jo Manfred Deix in Werner Berg ustvarila o svojih soljudeh, drugačna. Ko je Werner Berg začel slikati svoje slovenske sosede, je od koroškega plebiscita minilo ravno deset let. Ljudi, ki jih je karikiral Manfred Deix, pa je v veliki meri zaznamoval še čas nacizma in povojni čas. Močno v njun čas zazrti pogled obeh umetnikov na človeške posebnosti pa kljub ali morda prav zaradi natančnosti opazovanja razkriva več splošno veljavnega, nadčasnega kakor kakršenkoli idealizirani prikaz.

Manfred Deix in Werner Berg sta narisala na tisoče obrazov najrazličnejših ljudi. Klasični lepotni ideal je bil obema tuj. Za oba značilen je pogled na

pojave na robu človeške družbe, na to, kar je zunaj norme, kar je posebnega - tudi, če se zlasti zaradi množice posameznih upodobitev zdi, kakor da se iz nje dviga slika tipičnega Avstrijca ali tipičnega koroškega Slovenca.

Oba umetnika odlikuje empatičnost do preprostih ljudi, ki jo prikazujeta v svojih upodobitvah - ta empatičnost je tudi pri Deixu vseskozi prisotna, tudi če nanjo polaga posmehovalni sarkazem in cinizem. Zbadljivo in za čisto zabavo Deix drzno in brez milosti vedno meri na notranje, v zunanji podobi izražajoče se slabosti in podlosti svojih karakterjev, medtem ko Berg kljub prefinjenemu senzoriju za »temne napetosti življenja« občasno ne uide idealizaciji tistih, ki jih upodablja, kar se izraža zlasti v njegovih slikah žensk z rutami. Iz tankočutnih portretov svojih slovenskogovorečih sosedov je Berg izluščil značilne poteze, pri čemer je v svojih upodobitvah molečih žensk z ozkimi obrazi in koničastimi, dolgimi nosovi, slednji so pogosto edini izza z ruto ogrnjenega obraza štrleči element, motive zavestno stiliziral. Izbor del v soočenju z opusom Manfreda Deixa kaže, kako se je občasno tudi Werner Berg lotil svojih »modelov« z neprizanesljivim veseljem do karikiranega prikaza. Ničesar ni izključeval - od zavaljenega trgovca do zadirčne starke. Ob vsem iz globokega humanizma napajajočem se spoštovanju do ljudi, ki jih je imel nenehno pod drobnogledom, je bil Berg, enako kakor Deix, odprt za vse njihove bizarnosti in slabosti. Pogled obeh umetnikov na posebnosti in čudaškosti razkriva, da smo vsi samo ljudje in se dozdevna nasprotja med skupinami relativirajo. Vse to je svet, so ljudje v vsej svoji raznolikosti, nam morda želi povedati spekter pomilovanja vrednih, filistroznih vse do zlobno-rasističnih stvorov pri Deixu ter ubožnih kmečkih delavcev do pijanih rogoviležev pri Bergu. Oba sta bila vedno blizu ljudi, zahajala sta predvsem tudi v gostilne in tam vsesavala posebnosti situacije, oba sta potanko občutila ljudi in njihove medsebojne odnose. S humorističnim pogledom sta ujela jedro medčloveških čustev v posebnih situacijah.

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WERNER BERG, BABA IM JÄNNER, 1967

Kriterium jeder Karikatur ist die Ähnlichkeit – und so überzeichnete Deix Politiker stets zur eindeutigen Kenntlichkeit – es verblüfft, wie diese trotz aller von ihm vorgestellten Metamorphosen und Verwandlungen unverwechselbar blieben. In der unbarmherzigen Schärfe und Genauigkeit der Beobachtung, verbunden mit einem traumwandlerischen Geschick bloßstellende Eigenheiten zu erkennen und keine Peinlichkeit scheuend höchst humorvoll zur Darstellung zu bringen, liegt Manfred Deix große Begabung. Viele, vor allem sexuelle Tabus der Political Correctness schienen für ihn einzig und allein da zu sein, um genussvoll übertreten zu werden. Ein Problem für Deix wäre allenfalls die brutal stromlinienförmige Effizienz und Gesichtslosigkeit zahlreicher qualitätsoptimierter Akteure heute. Denn die seine Werke der 1980er und 1990er Jahre vielfach bevölkernden Pensionisten der Kriegsgeneration sind ausgestorben, gehören zum Inventar des von heutigen Managern des Zeitgeistes so bezeichneten „vorigen Jahrtausends“. Ebenso weitgehend vergangen ist die für die Moralvorstellung der Menschen so bestimmende Kraft des Katholischen, mit all ihren Auswüchsen und Perversionen, die noch den Alltag von Kindheit und Jugend von Deix prägten. Wie kaum ein anderer Künstler geißelte er permanent die für zahlreiche Heranwachsende so verheerenden Verfehlungen der Priester und katholischen Würdenträger.

Das Katholische, das im Gegensatz zu dem rational, effizient und unnachgiebig nach einem gerechten Leben strebenden Protestantismus, dem fehlenden, doch bereuenden Sünder einen so hohen Stellenwert einräumt – ebenso wie der Scheinheilige zu dessen permanentem Inventar zählt – erlaubt eine viel „liebevollere“ Hinwendung zu den offensichtlichen Schwächen, welche als dem menschlichen Fehlen stets immanent anerkannte Eigenschaften aus keinem Leben wegzudenken sind. Dass nur der Weg vom Bekennen der Sünden zur Erlösung führt, bleibt jenes geistig-philosophische Bindeglied zwischen grenzenlosem Harmoniebedürfnis und exzessiver Lust am Spott im von den Fesseln jeder Religion später befreiten

Leben des Manfred Deix. Das glückliche Ausleben des Erfolgs führte Deix zum Alkohol, an dessen übermäßigem Genuss er, wie zuvor auch schon der geniale Zeichner Toulouse-Lautrec, zerbrach.

Das Katholische als prägendes Element ist auch für das Schaffen von Werner Berg von nicht zu vernachlässigender Bedeutung. Nach eigenen Aussagen erlaubte es ihm den unmittelbaren Zugang zu den Menschen seiner Wahlheimat, deren Sprache er trotz all seiner Sprachgewandtheit zeitlebens nicht erlernen wollte, um stärker von der unmittelbaren Bildhaftigkeit des Erlebten eingenommen und überwältigt zu werden. Neben einem von Bergs Hauptthemen – dem betenden Menschen in der Kirche – sind auch in Werner Bergs Werk, wie bei kaum einem anderen Künstler, zahlreiche Darstellungen von Priestern und Geistlichen zu finden, wobei ihm hierbei feiner Spott meist nicht fremd war.

In den für diese Ausstellung ausgewählten Arbeiten zeigt sich, welch großen Stellenwert die satirische Betrachtung und Darstellung im Werk Werner Bergs von Anfang an einnimmt. Dies fiel bereits Alfred Schmeller auf, welcher 1956 in einer bösen Kritik zu Bergs Ausstellung im Wiener Belvedere bemerkte: „Der Maler weicht ins Karikaturenhafte aus, das er stilisiert und dann romantisch färbt.“ Alle drei genannten Charakteristika spielen in Bergs Werk ihre bedeutende Rolle, aber es ist es gerade ihr unabhängiges Nebeneinander, das dieses Werk so vielschichtig macht – so begrenzt auch der geografische Raum ist, dem Werner Bergs Darstellungen verpflichtet sind.

Bereits 1932, nach seiner Ansiedlung auf dem Rutarhof, dem Kontakt mit Emil Nolde und dem Bruch mit allen akademischen Traditionen entstehen, beeindruckt von der archaischen Exotik seiner neuen Wahlheimat, eine Vielzahl von äußerst humorvoll-grotesken Skizzen und Aquarellen. In den Aquarellen findet Berg zu einem frühen, der Karikatur an Humor nicht nachstehendem Höhepunkt des frechen, keineswegs idealisierenden Beobachtens seiner neuen Umgebung.

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Deix je sam o sebi menil, da riše iz golega veselja, za zabavo, iskal pa je tudi harmonijo. Prav njegovo geslo »fun, fun, fun«, njegovo nenehno stremljenje po »good vibrations« mu je odpiralo uho za vse disonance in zoprnosti. Kot genialni risar, ki mu je bil dar - podobno kot Daumieru ali Toulouse-Lautrecu - položen v zibelko, je s tekočo linijo zanesljivo ujel posebnosti in značilnosti različnih značajev. Z vidika čiste estetike bi lahko zaznali problem, da mu je to uspevalo z lahkoto, dostikrat prelahko, in so ti tako natančno narisani obrazi v končnem akvarelu dobili mesto le kot kopice »cmokastih postav«. Vseskozi izjemni pa so njegovi osnutki in skice. Neizprosno je vedno izpostavljal zlobnost, grdost in zlaganost upodobljenih ljudi. Likovno ustvarjanje po klasičnem idealu lepega, dobrega in resničnega se mu je spričo zverinskosti naravnost fascinantnih sprevrženosti, ki so mu venomer bodle v oči, moralo zdeti dolgočasno in nezanimivo. Bistven kriterij vsake karikature je podobnost - in Deix je upodabljal politike vedno do jasne prepoznavnosti - briljantno, kako so kljub vsem predstavljenim metamorfozam in preobrazbam ostali nezamenljivi. Deixov genij je v neusmiljeni ostrini in natančnosti opazovanja, povezani z mesečniško spretnostjo v prepoznavanju razgaljajočih lastnosti in miselnosti, ki jih - brez sramu in zadrege - prikazuje z dobro mero humorja. Lahko bi rekli, da so mnogi, zlasti spolni tabuji politične korektnosti zanj obstajali le zato, da jih z užitkom prestopi. Deix bi imel težave kvečjemu z brutalno enosmerno učinkovitostjo in brezobraznostjo številnih današnjih, v optimizacijo usmerjenih akterjev. Kajti protagonisti, ki naseljujejo njegova dela iz 1980-ih in 1990-ih let, upokojenci vojne generacije, so izumrli in sodijo k inventarju tisočletja, ki je po dikciji sodobnih managerjev le še »prejšnje«. Preteklost je v veliki meri tudi moč katoliškega, ki je vseobsežno določalo moralne predstave ljudi, z vsemi izrodki in perverzijami, ki so še močno oblikovali vsakdan Deixovega otroštva in mladosti. Bolj kot katerikoli drugi umetnik je nenehno bičal odvratno, s hudimi posledicami za številne mladostnike povezano početje duhovnikov in katoliških dostojanstvenikov.

Katolicizem, ki - drugače kakor racionalno, učinkovito in nepopustljivo k pravičnemu življenju stremeči protestantizem - greh storečemu, a obžalujočemu grešniku daje tolikšno mesto, prav tako kot tudi svetohlinec šteje k permanentnemu inventarju, dovoljuje dosti »ljubeznivejši« pristop k očitnim slabostim, ki jih sprejemamo kot človeški grešnosti lastne značilnosti in si jih pač iz nobenega življenja ne moremo odmisliti. Da je odrešenje dosegljivo le po priznanju grehov, ostaja duhovno-filozofski vezni člen med neskončno potrebo po harmoniji in prekipevajočem veselju do zbadljive satire v življenju Manfreda Deixa, ki se je pozneje osvobodil verig vsakršne religije. Srečno izživljanje uspeha je Deixa privedlo do alkohola, prekomerno uživaštvo pa ga je slednjič zlomilo kakor pred njim že genialnega risarja Toulouse-Lautreca.

Katoliški element je značilen tudi v ustvarjanju Wernerja Berga. Kot je menil sam, mu je dovoljeval neposredni dostop do ljudi njegove druge domovine, katerih jezika se kljub vsej jezikovni spretnosti ni hotel naučiti, in ga je neposredna nazornost doživetega pred tem ozadjem lahko globlje očarala in prevzela. Ena Bergovih glavnih tem je človek pri molitvi v cerkvi, v njegovem opusu pa - bolj pogosto kot pri marsikaterem drugem umetnikunajdemo tudi številne upodobitve duhovnikov, kjer mu ne moremo odrekati tudi določenega ironično-norčavega elementa.

V delih, ki smo jih izbrali za to razstavo, je videti, kako pomembno mesto v opusu Wernerja Berga ima že od vsega začetka satirični prikaz zaznanih prizorov. To je opazil že Alfred Schmeller, ki je leta 1956 v zlobni kritiki o Bergovi razstavi v dunajskem Belvedereju pripomnil: »Slikar se umika v karikaturo, ki jo stilizira in jo nato romantično obarva.« Vse tri značilnosti igrajo pomembno vlogo v Bergovem ustvarjanju, vendar je celotni njegov opus prav zaradi pojavljanja vseh treh elementov neodvisno drug od drugega tako mnogoplasten, in to kljub omejenosti geografskega prostora, ki mu Werner Berg v svojih delih namenja največjo pozornost. Že 1932, potem, ko se je naselil na Rutarjevi domačiji, spoznal Emila Noldeja in se odrekel vsem aka-

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MANFRED DEIX, ENDLICH IN PENSION, 1987, AUSSCHNITT

Der herbe Strich seiner Rohrfeder gepaart mit einer erfrischend naiven Farbigkeit und einem dennoch feinen Sensorium für individuelle Besonderheiten rückt diese Arbeiten weit weg von jeder Idealisierung oder romantischen Verklärung. Erst die Rückschläge durch mangelnde Anerkennung und die bald darauf einsetzende nationalsozialistische Verfemung, sowie der fordernd mühsame Alltag als Bauer auf dem kleinen Hof, ließ diese Ader für viele Jahre zum Erliegen kommen. Nach den Kriegsjahren in Skandinavien und zögerlichem neuen Fußfassen in Kärnten, entstehen zu Beginn der 1950er Jahre eine Fülle scharf satirischer Zeichnungen. Die Begegnung mit Christine Lavant dürfte Bergs spöttisches Talent dabei sehr gefordert und gefördert haben. Wie bei Deix drohte auch der Alkohol zum Problem zu werden. Innere Sensibilität, Verletzlichkeit und ein Harmoniebedürfnis, das die Spannungen des Lebens dennoch aushalten sollte, ließen Berg den Weg in die Abgeschiedenheit suchen. Umso hellhöriger und aufmerksamer aufnehmend war er dann, wenn er von seinem Hof aus, Gasthäuser, Märkte und Kirchtage aufsuchte. Kaum einmal schilderte er ja seine Mitmenschen bei der Arbeit. Interessant waren sie für ihn einerseits in der Kirche, wo sie frei von Alltagslast und Anfeindungen archaische innere Größe und Haltung offenbarten bzw. im Gasthaus und auf den Märkten, wo Vergnügen und Kommunikation, ebenso wie Trunksucht und wild gestikulierende Pöbeleien herrschten. In Sekundenschnelle hielt Berg dies alles permanent beobachtend in seinen Skizzen fest, bereits im Augenblick Bildkomposition und -aufbau intuitiv erfassend. Während in den ausgeführten Bildern und Holzschnitten das Streben nach strenger formaler Ordnung das satirische Element in den Hintergrund drängte, ließ der Künstler diesem in seinen Skizzen, weit mehr als bisher einem breiten Publikum bekannt, ungezügelten Lauf.

Werner Berg kam 1929 erstmals nach Kärnten. 1930 erwarb er einen abgelegenen Bergbauernhof hoch über der Drau, den er ab 1931 mit seiner Familie bewirtschaftete. Er stammte aus gutbürgerlicher Familie in einer der damals am fortge-

schrittensten industriell entwickelten Regionen Europas. Mit seiner Ansiedlung auf einem Kleinbauernhof im damals weitgehend slowenisch-sprachigen Unterkärntner Landgebiet und dem Wirtschaften als Bauer unter einfachsten Bedingungen versetzte er sich in eine vollkommen entgegengesetzte Welt und nahm damit eine neue Identität an. Bis zu seinem Tod im Jahr 1981 stellte er durch 50 Jahre unentwegt Menschen und Landschaft seiner Wahlheimat dar. Die vorliegende Gegenüberstellung seiner Arbeiten mit jenen von Manfred Deix zeigt also eine Vielzahl jener Menschen, die im Gebiet der Kärntner Volksabstimmung gelebt haben und sicherlich 1920 auch an diesem Plebiszit teilgenommen hatten. Die Frage stellt sich, wieweit dabei, wie oft in Texten und Rezensionen zu Berg angeführt, bestimmte Eigenschaften einer Volksgruppe, der Kärntner Slowenen, ihren bildhaften Ausdruck finden. Denn nicht „völkische“ Zugehörigkeit – was immer dieser überwundene Begriff bedeuten mag – sondern vielmehr soziologische Gegebenheiten scheinen ausschlaggebender für das Erscheinungsbild und die Umgangsformen der Menschen gewesen zu sein, die Werner Berg zeitlebens faszinierten und zu immer wiederkehrender Darstellung reizten. Es war die vorindustrielle, kleinbäuerliche Kultur einer nach 1920 von vielen deutschnationalen Mitbürgern misstrauisch betrachteten und angefeindeten Sprachgruppe, die Werner Berg anfangs in ihrer Exotik faszinierte. Mit den Jahren kam es zu zunehmender Identifikation des Künstlers mit Lebensweise und Anliegen seiner Nachbarn. Werner Berg sah im gemischtsprachigen Unterkärnten stets ein Restmodell des Vielvölkerstaates der Habsburgermonarchie mit dem friedlichen und sich gegenseitig befruchtenden Zusammenleben zweier Sprachgruppen. So gesehen auch eine Vorwegnahme der heutigen europäischen Regionen, in denen Grenzen zwischen den Mitgliederstaaten des Schengenraumes zunehmend ihre Bedeutung verlieren.

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demskim tradicijam, je pod vtisom arhaične eksotike njegove druge domovine nastalo veliko število grozljivo-smešnih skic in akvarelov. V akvarelih najde Berg nekakšen zgodnji, po humorističnem navdihu karikaturi vsekakor enakovredni vrhunec poredno-nagajivega, neidealiziranega opazovanja svoje nove okolice. Jedka linija uporabljenega trstičnega peresa, združena s sveže-naivno barvitostjo in vendarle prefinjenim senzorijem za individualne posebnosti, ta njegova dela odmika daleč od vsakršne idealizacije ali romantičnega poveličevanja. Razočaranja zaradi neprepoznavanja vrednosti njegovega dela, kmalu nato tudi preganjanje v času nacionalsocializma, nenazadnje tudi zahtevni in mučni kmečki vsakdan na mali kmetiji so bili razlog za to, da je ta žilica pozneje za več let zamrla. Po vojnih letih v Skandinaviji in ponovnem, omahujočem udomljanju na Koroškem je v začetku 1950-ih let nastala množica risb z močno satirično vsebino. Srečanje s Christine Lavant je bržkone izzvalo in pospeševalo Bergov satirični talent. Enako kot pri Deixu je alkohol tudi tukaj kanil postati problem. Občutljiv, ranljiv in hrepeneč po harmoniji, po načinu, kako kljubovati napetostim življenja, je Berg iskal pot v odmaknjenost. Tem bolj je vsrkaval in pozorno sprejemal okolico takrat, ko se je s svoje domačije podal v gostilne, na tržnice in žegnanja. Komaj kdaj je ljudi prikazoval pri delu. Zanimali so ga predvsem ljudje v cerkvi, osvobojeni mukotrpnega vsakdana in neprilik življenja, kjer sta se slikarju in opazovalcu razodevali arhaična veličina in notranja drža preprostega kmečkega človeka. Ali v gostilni in na tržnicah, kjer so vladali zabava, izmenjava in komunikacija, pa tudi vdanost pijači in hrupno prostaštvo. V nekaj hipih je Berg, nenehno opazujoč dogajanje, vse to začrtaval v svojih skicah, v trenutku je intuitivno sestavil sliko. Medtem ko umetnik v izdelanih slikah in lesorezih poudarja strog formalni red in je satirični element porinjen v ozadje, slednjega v svojih skicah, dosti bolj kakor je znano širši publiki, razposajeno izživlja.

Werner Berg je prišel na Koroško prvič leta 1929. Leta 1930 je kupil odročno gorsko kmetijo visoko nad Dravo, kjer je s svojo družino gospodaril od

leta 1931 dalje. Prihajal je iz meščanske družine v eni od takrat najnaprednejših in najrazvitejših industrijskih regij Evrope. Z naselitvijo na majhni kmetiji na takrat večinoma slovenskogovorečem podeželju na spodnjem Koroškem in z odločitvijo za kmetovanje v najpreprostejših pogojih se je prestavil v popolnoma nasproten svet in s tem privzel tudi novo identiteto. Do svoje smrti v letu 1981 je skozi 50 let nenehno upodabljal ljudi in pokrajino svoje druge domovine. Pričujoča primerjava njegovih del z deli Manfreda Deixa torej prikazuje mnogo tistih ljudi, ki so živeli na območju, kjer je potekal koroški plebiscit, torej ljudi, ki so se leta 1920 gotovo udeležili glasovanja na tem plebiscitu. Vprašanje je, koliko so pri tem, kakor se pogosto navaja v besedilih in recenzijah o Bergu, slikovno predstavljene določene lastnosti kake narodne skupnosti, torej koroških Slovencev. Kajti bržkone bo tako, da za podobo in obnašanje ljudi, njihov habitus, ki je Wernerja Berga fasciniral vse življenje in ga navdihoval k nenehnemu upodabljanju, ni odločilna narodna pripadnost, temveč predvsem sociološke danosti. Wernerja Berga je v svoji eksotiki fascinirala predindustrijska, malokmetska kultura osovražene jezikovne skupnosti, ki so jo mnogi nemškonacionalni sodržavljani po letu 1920 gledali z velikim nezaupanjem. Z leti se je umetnik vse bolj istovetil z načinom življenja in težnjami svojih sosedov. Werner Berg je v dvojezični Koroški vedno videl preostanek mnogonacionalne države iz časa habsburške monarhije, kjer mirno živita dva naroda in drug drugega oplajata. V tem lahko vidimo tudi anticipacijo današnjih evropskih regij, v katerih meje med državami članicami šengenskega območja vse bolj izgubljajo pomen.

Übersetzung Prevod: Mag. Sonja Kert-Wakounig

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WERNER BERG, SCHWEINSKÖPFE, 1938, AUSSCHNITT
30 WERNER BERG AUF DEM WIESENMARKT 1933
IN DER
1998
MANFRED DEIX
HARMONIE
FAMILIE

Das Kärntner Unterland, das so abseitig und unbeschrien ist, da sich der Fremdenstrom stets westlich von Klagenfurt ergießt, hatte es mir bald angetan. Ungewöhnlich und von keinem Klischee erfassbar erschienen mir auch von Anfang an die Menschen, die Kärntner Slowenen, deren Wesen ich noch nirgends echt geschildert sah.

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Als mir Harald Scheicher, bildender Künstler und Kurator des Werner Berg Museum in Bleiburg sein Vorhaben unterbreitete, die Arbeiten von Werner Berg den Cartoons von Manfred Deix gegenüber zu stellen, war ich anfangs skeptisch.

Viel zu präsent waren mir Bergs melancholisch anmutende Landschaften, seine ausdruckstarken Porträts, gemalt mit einfachen Konturlinien und flächig betontem Stil. Die Gemälde in starken, ungewohnten Farben gehalten, die in seiner Zeit eine starke Gegenbewegung zur gewohnten Farbgebung bildeten, und heute – neben den besonderen Bildideen und Inhalten – das Œvure von Werner Berg unverkennbar charakterisieren.

Erst die weitere Beschäftigung mit seinem Werk eröffnete mir die ganze Bandbreite des hintergründigen Humors in den Arbeiten von Werner Berg. Er zeigt sich darin als wacher und empfindsamer Mensch, der sowohl in Inhalt, Komposition und Farbgebung bewusst pointierte Witze setzt. Spätestens jetzt hat mich der Enthusiasmus des Kurators für dieses Projekt förmlich mitgerissen.

Werner Berg und Manfred Deix war gemein, dass sie gerne skizzierten, es war ihnen fast eine tägliche Übung. Berg als Chronist der slowenischkärntnerischen Bevölkerung bei ihrer täglichen Arbeit, gezeichnet als fromme Kirchgänger oder in Festlaune beim Bleiburger Wiesenmarkt. Werner Berg skizzierte meist Alltagsbegebenheiten, ein flüchtiger Blick, eine vertraute Geste, die aber in ihrer Symbolkraft und Ausführung auch für größere Zusammenhänge im Leben stehen können. Vielen Gemälden von Werner Berg gingen Skizzen voraus, die er unmittelbar vor dem Motiv in Sekundenschnelle zu Papier brachte. Bereits in der Skizze legte Berg die Komposition bis ins Detail hinein fest.

Manfred Deix beglückte schon als kleiner Bub seine Freunde mit „gezeichneten Nackerten“, dabei entdeckte Deix auch sein komödiantisches Talent. Die Zeichnungen schmückte Deix akus -

IM DIALOG MIT DEN ARBEITEN VON MANFRED DEIX

tisch mit aufschlussreichen Kommentaren aus. Seine Mitschüler bekamen rote Ohren und waren bereit jede Summe (ca. 15 Groschen) dafür zu bezahlen. Als Ende der 50er Jahre seine Eltern das Wirtshaus „Zur blauen Weintraube“ pachteten, konnte Deix als Schankbursch die Menschen studieren. „Ich bin hinter der Budel gestanden und hab die Typen beobachtet, hab ihre Gesichter studiert, ihre Körpersprache, hab ihren Reden gelauscht.“ Erst Jahre später konnte der junge Deix das Erlebte und Erfahrene in seinen berühmt, berüchtigten Deixfiguren umsetzen.

Gottfried Hellnwein, Künstler und Freund von Manfred Deix berichtete, dass Deix noch Wochen später einen Charakterkopf – oft nur flüchtig begegnet – frei aus dem Gedächtnis zeichnen konnte.

Deix war beseelt von seinem Personal (sic!), stundenlang konnte er sich über seine Schöpfungen amüsieren. Als 1987 ein österreichischer Politiker polterte: „Wir Österreicher sind nicht so, wie Manfred Deix und Erwin Ringel es darstellen. Dagegen sollten wir uns einmal in aller Form verwahren, dass wir uns hier von komplexgeladenen, zum Teil von perversen Denkvorstellungen geleiteten Menschen – zu Alpintrotteln Europas stempeln lassen.“ entschuldigte sich Deix dafür mit einem genialen Cartoon und den Worten: „Es stimmt: Meine Komplexe und perversen Gedanken haben mir den Blick für die Realität getrübt. Ab jetzt werde ich Land und Leute nur mehr so darstellen, wie sie wirklich sind“.

Im Dialog, als Bildpaare formiert werden die Arbeiten in der Ausstellung gezeigt. Es geht dabei nicht um die bloße Gegenüberstellung der Objekte, sondern um ihre künstlerische Interpretation, um neue, aufschlussreiche Ideen, ungewöhnliche Kombinationen, Scheitern inklusive. Die Ausstellung soll 2020 zuerst im Werner Berg Museum Bleiburg stattfinden, im Sinne eines Dialogs bietet sich das Karikaturmuseum Krems als weiterer Venue an. Die Leihgaben stammen aus Privatbesitz der Witwe Marietta Deix und aus

den Landessammlungen Niederösterreich, die über das größte, öffentliche Archiv an Deix Cartoons verfügen.

Harald Scheicher kuratiert mit künstlerisch akribischer Hingabe. Er interessiert sich für die Geschichte und Entwicklung der Zeichnungen, seine Auswahl entsteht dabei aber frei von vorgefassten inneren Bildern. Im Dialog zu sein bedeutet, unterschiedlich aber nicht vergleichend, sondern ergänzend an dieses spannende Projekt heran zu gehen.

Spätestens dann, wenn bei dieser Schau die humorvolle Kraft Werner Bergs im Fokus steht, und umgekehrt ein besonderes Augenmerk auf die malerische Umsetzung von Manfred Deix gelegt wird, ermöglicht uns dieser Dialog neue Perspektiven auf das Schaffen dieser Ausnahmekünstler – die in ihrer Hingabe und Ausdrucksweise – jeder für sich eine Sonderstellung in der Kunstgeschichte einnehmen. Auch das trennt und verbindet diese Künstler.

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BERG
WERNER
GOTTFRIED GUSENBAUER Künstlerischer Direktor Karikaturmuseum Krems MANFRED DEIX BRIEF AN KREJCI 1987

„Deix öffnet euch die Augerln, die Guckerl“, ich sag‘s euch, mein Gott ist das ein herrlicher Beruf. Ich hab als Dreijähriger, und das weiß ich von meiner Mamma, die eine authentische, wirklich glaubwürdige Zeugin ist, jedes Stück Papier, das irgendwo herumgelegen ist, bekritzelt, bezeichnet. Immer irgendwelche komische Menschen draufgezeichnet, das hat sich gesteigert. Dann im Volksschulalter hab ich natürlich nix lieber gemacht als die Lehrer zu zeichnen, zu karikieren, meine Mitschüler zu karikieren. Schulkollegen von mir san dagesessen und ham gesagt: Kum heut Nachmittag mit zu mir, spiel mit mir Kleinbahn. Und dann war ich dort bei diesen Buben, bei diesen rotbackigen Loosern und da hat’s ein paar Schienen gegeben – so ein Oval von Schienen – und da ist der Zug herumgefahren und ich hab mir gedacht: was soll das, das kann nicht das Leben sein – ist a bissel langweilig – war nicht meine Welt. Ich hab mich zuhause hingesetzt, als sieben- achtjähriger und hab nackte Frauen gezeichnet mit Riesentuten. Muss ich sagen, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Hab die gezeichnet, hab die verkauft und bin damals reich geworden, als Kind –durch den Verkauf unkeuscher Bilder.

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MANFRED DEIX GENTECHNOLOGIE IN DER LANDWIRTSCHAFT 2001
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36 WERNER BERG SLOWENISCHER BAUER 1932
37 WERNER BERG AUF DEM WAGEN 1935

Beim Zeichnen von schönen Dingen, da tät mir der Orsch einschlafen dabei. Weil‘s einfach langweilig ist. Soll i Modells malen oder Dressman malen?

Das wäre mir viel zu fad. Wie gesagt, ich hab’s nie vorgehabt, hässliche oder schöne Dinge zu zeichnen – ich hab das gemacht, was in mir drinnen war.

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MANFRED DEIX TOILETTE WERNER BERG IM RAUSCH 1963
WERNER BERG, HOLZFÄLLER, 1933, AUSSCHNITT MANFRED DEIX, MICHAEL Z., 1990, AUSSCHNITT
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45 WERNER BERG, IN DER EISENBAHN,. 1958 MANFRED DEIX, ÖBB-PENSIONISTEN
46 MANFRED DEIX WIRTSHAUS-TROUBLES 1992 WERNER BERG GASTHÄUSLICHKEIT 1980
48 WERNER BERG IHRER DREIE 1972
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Ich hab das Bedürfnis gehabt, die Leut, von denen ich umgeben war und von denen ich mich bedroht gefühlt habe, mir von der Seele zu zeichnen – und des hob i gmacht. Und davon leb i bis heut.

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DEIX WIE TARNE ICH MEINEN KAMPFHUND 1999 WERNER BERG DER VERLORENE SOHN 1947
MANFRED
52 WERNER BERG „BAUR“ 1950
MANFRED DEIX
1983
DIE SACHE MIT DER NASE

Wir sind dauernde Kritiker, Leute, die ihren Unmut und ihren Zorn über gewisse Dinge aussalassn. Und einer der sich darüber lustig macht, ist nicht irre, sondern die Welt ist irre. Der Botschafter über diese Trottelwelt ist in Wahrheit der Weise und die Welt ist völlig drüber.

54
WERNER BERG REICHSDEUTSCHE SIEDLERFAMILIE IN KÄRNTEN 1931
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JUNGE GERMANEN 1988
MANFRED DEIX

Ich versuche in meinen Arbeiten Ironie und Humor zu mischen, Sarkasmus hinein zu würzen, a bissel Zynismus dazu – umrühren – garen lassen – und dann werf ich’s den Leuten vor und die Leute ham a Freude damit.

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MANFRED DEIX DIE ANGST VOR ATOMKRAFTWERKEN WERNER BERG JUNGER GEISTLICHER UND MÄDCHEN 1946

Ich

möchte

die Leute

unterhalten. Ich möcht ham, dass a Hetz is, dass es Spaß gibt. Fun, fun, fun, sagen die Beach Boys und ich bin ein Beach Boy.

58
SCHWULE HERBERGSUCHE 1998 WERNER BERG KEGLER AM WIESENMARKT 1977
MANFRED
DEIX
60 MANFRED DEIX VOEST-KRISE
O.T.
MANFRED DEIX

Katholische Religiosität

im Verein mit aus dem Schoß der Urzeit Überkommenem, ein unentwegter Fleiß und Misstrauen gegenüber großen Tönen, aber auch gegen alles zu Klare kennzeichnen die Bevölkerung.

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WERNER BERG HAHNENSCHREI 1947

So sehr es meine Malerei mit dem Land, mit dem ländlichen Menschen zu tun hat, sieht sie doch in keinem Augenblick an der Zeit vorbei. Und gerade der Bauer unseres slawisch beeinflussten Unterkärntens lebt in so dunklen Spannungen, dass eine Idyllik – eine bukolische Idyllik – gar nicht aufkommen kann.

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WERNER BERG BAUER IM DUNKELN 1935

In Böheimkirchen, einer Marktgemeinde in den Ausläufern des Wienerwaldes, hab ich zehn prägende Lebensjahre mitgekriegt – also von meinem 9. bis zum 19. Lebensjahr – die ersten Liebschaften, die ersten Grapschereien und Sexualität, all das in diesem Dörfchen, in dieser 3000 Seelen Gemeinde. Meine Eltern hatten dort ein Gasthaus gepachtet – zur blauen Weintraube – und das war ein normales Gasthaus. Das Publikum waren Arbeiter, Bauern, also die Mischung querbeet. Ich war der Schankbursche und hatte dort Erlebnisse, die mich bis heute prägen. Ich hab damals wirklich die Zeit gehabt, da waren 15 oder 20 Leute da, die haben Karten gespielt und da war so ein kleines Schankbuffet, da hab ich mich angelehnt und hab die Leute permanent beobachtet – weil es nichts anderes zu sehen dort geben hat. Ich bin dort gesessen und hab die angeschaut –ich bin zum Beobachter geworden dort – mit 12, 13 Jahren. Sehr unaufgeregt war das Ganze. Ich hab mir die Physiognomien eingeprägt, ich hab meine Ohren aufgesperrt und hab denen beim Reden zugehört und bin zum unfreiwilligen Zeugen der Zustände in dem Land geworden. Die Arbeiter haben mit den Bauern gestritten, ich wurde Zeuge, Ohrenzeuge, und hab die Leute so nebenbei karikiert – auf einem Block, auf diesen kleinen Bierblocks, die‘s eben gegeben hat. Das hat mich nachhaltig geprägt. Das waren Vorlesungen für mich. Das war meine Universität. Ich war damals Gymnasiast, hatte keine Ahnung, ich hatte auch nie irgendwelche beruflichen Vorbilder gehabt. Ich war ahnungslos. Ich hab auch nie nachgedacht, was könnt ich einmal werden. Das war mir sowas von egal.

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MANFRED DEIX WEG MIT DIE TSCHICK GENOSSEN! 2006

Es würde einen eigenen Bericht ausmachen, wie wir uns dann auf dem Rutarhof gegenüber den Unterkärntner Karawanken ansiedelten, wo alle Umstände so völlig verschieden waren vom gestellt Älplerischen zwischen Dulliäh und Holladrioh. Inzwischen habe ich die kleine Welt Südkärnten voll symptomatischer Besonderheiten, Restmodell einstiger und Lehrfall künftiger Völkersymbiose, erkennen und anerkennen gelernt, und jenseits aller Tendenz und Voreingenommenheit durfte ich in meiner künstlerischen Arbeit zum Zeugen meiner Wahlheimat werden.

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WERNER BERG ZWEI WEIBER 1932 WERNER BERG MAGD MIT KIND 1932 AUSSCHNITT
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KOMMUNION 1960
WERNER BERG
Kunst ist ein sehr frei fliegender Vogel, den man nicht fangen kann. Das passiert dir, ist Intuition und a Prozess, den ma nit in der Hand hat.
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MANFRED DEIX TATORT BÜRO: CHEFSEKRETÄRIN BELÄSTIGT OBERBUCHHALTER 1989-1993

Für Publikation und Ausstellung Manfred Deix trifft Werner Berg wurden großteils jene Kunstwerke Werner Bergs ausgewählt, die uns wie Karikaturen vorkommen. Trotzdem steht der Betrachter rasch vor der Frage, was die Künstler Werner Berg und Manfred Deix eigentlich miteinander zu tun haben. Oder auch: Wieso wird das Werk Manfred Deix´ im Rahmen des Jubiläumsjahres CARINTHIja 2020 im Werner Berg Museum Bleiburg/Pliberk ausgestellt? Und weshalb werden Werner Bergs Skizzen, Aquarelle, Holzschnitte und Ölbilder exemplarisch mit jenen des Manfred Deix, einem der wichtigsten Vertreter der Karikatur in Österreich verglichen? Bei flüchtigem Blick könnten viele der ausgewählten Kunstwerke Werner Bergs durchaus als Karikaturen angeschaut werden. Motivische Gemeinsamkeiten einzelner Gegenüberstellungen springen rasch ins Auge. Bei einzelnen Bildern besteht sogar tatsächlich Verwechslungsgefahr –handelt es sich nun um einen Werner Berg oder ist es ein Deix? Aber schon bei etwas genauerer Betrachtung überwiegen dann rasch die Unterschiede vor allem jene zwischen den Haltungen der beiden Künstler.

DIE GESCHICHTE DER KARIKATUR

Karikatur ist so alt wie die Kunst selbst, das Stilmittel der Verzerrung und Übertreibung ist in fast allen Kulturen und Epochen anzutreffen, aber erst seit dem 16. Jh. gibt es die Karikatur als Gattungsbegriff. Der Begriff Karikatur kommt von lat. carrus, Karren, bzw. von it. caricare, was beladen, überladen, übertreiben heißt. Karikatur ist demnach eine überladene, überzeichnete Darstellung von Individuen oder gesellschaftlichen Sachverhalten.

„Karikatur“ ist ein Sammelbegriff für die unterschiedlichsten Darstellungen bildender Kunst, denen allen eine in aller Regel humorvolle Überzeichnung der dargestellten Inhalte gemeinsam ist. Zu den unterschiedlichen Typisierungen, nach formalen, inhaltlichen Kriterien und nach jenem des zeitlichen Bezugs findet sich eine kurze, übersichtliche Zusammenstellung in „Alles Bestens – Karikaturen und Cartoons aus Österreich“1.

ÜBER ZEICHNUNG UND ÜBERZEICHNUNG ZUR FRAGE DER KARIKATUR BEI WERNER BERG

Für die im Folgenden anzustellenden Überlegungen seien nur die wichtigsten inhaltlichen Typen erwähnt: Neben der politischen Karikatur, die Personen oder Ereignisse aus der Tagespolitik zum Thema hat, gibt es Karikaturen mit sozial- und gesellschaftskritischen Inhalten. Vor allem im englischsprachigen Raum, aber auch darüber hinaus, wird die personale Individualkarikatur, auch Porträtkarikatur gemeinhin als Karikatur bezeichnet. Dabei werden Individuen und Persönlichkeiten meist des öffentlichen Lebens wiedererkennbar dargestellt und deren natürliche Fehler oder Defizite besonders hervorgehoben. Markante Gesichtszüge oder typische Charaktereigenschaften werden beleuchtet, das Gesicht übertrieben oder verzerrt und der Körper oft verkleinert dargestellt. Das Porträt muss naturgemäß der abgebildeten Person ähnlich sein und deren inneres Wesen zur Schau stellen. Im Unterschied dazu handelt es sich bei der personalen Typenkarikatur nicht um die Darstellung von individuellen realen Personen, sondern es wird eine gesellschaftliche Gruppierung thematisiert.

Politische und gesellschaftskritische Karikatur tritt häufig auch in Form von Cartoons, sog Bildgeschichten auf, zumeist auch begleitet von kurzen Texten. Als bissig zugespitzte Bild-Text Kombi nation gewinnt Karikatur zusätzlich an Prägnanz und bleibt damit noch einmal besser im Gedächtnis.

Einen weiteren formalen Typus stellen Bilderwitze bzw. Pointenkarikaturen dar. Hier ist ungeachtet der inhaltlichen Zuordnung die Pointe, das heißt der Witz bzw. das Lachen des Betrachters das Ziel.

Die Kunst der Karikatur weist durch die Jahrhunderte hindurch zahlreiche unterschiedliche Erscheinungsformen und Facetten auf, sodass es äußerst schwierig ist, das Substanzielle der Karikatur zu definieren und in eins zu fassen.

Die ersten Porträtkarikaturen gehen im 16. Jahrhundert auf das italienische Brüderpaar Carracci zurück. Als Gegenentwurf zum Idealschönen in der Renaissance wird ab nun die Welt auch in ihrem gewöhnlichen Sein, allenfalls auch in ihrer Hässlichkeit dargestellt.

Im 18. Jahrhundert gelangt der Begriff der Karikatur in den allgemeinen Sprachgebrauch, sie er-

langt in England durch den Maler William Hogarth Bekanntheit und wird im 19. Jahrhundert in Frankreich durch Honoré Daumier zu einem ersten Höhepunkt geführt. Das grafische Genie Daumier zeichnet als politischer Karikaturist das Volk und trägt so massiv zur Popularisierung der Karikatur und einer ganzen Epoche bei. Zudem wird die Karikatur nun durch die Vervielfältigung mithilfe der Massendruckverfahren einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Bis ins 19. Jahrhundert dient die Karikatur aber eher der Unterhaltung und trägt zur Belustigung bei, als Kunstwerk wird sie erst ab Mitte des Jahrhunderts anerkannt.

Daumier und dessen Karikaturschaffen sollten in der Folge für die Künstler des Expressionismus zu einer wichtigen Grundlage ihrer Tätigkeit werden. Die Expressionisten erachten das Hässliche und die überzeichnete Darstellung nicht mehr als abstoßend, sondern als Zeugnis für Groteskes und Komisches. Die Überzeichnung wird hier zu einer nachgerade stilbegründenden Grundhaltung.

Ein wichtiger Wegbereiter der Karikatur in Deutschland ist Wilhelm Busch, dessen Bildgeschichten zu Klassikern werden, die auch heute noch Aktualität besitzen und deren Bedeutung bis in die heutige Zeit fortdauert.

In München erscheint ab 1896 bis 1944 die satirische Wochenzeitschrift Simplicissimus, mit deren Hilfe die politische Karikatur im deutschen Sprachraum und besonders auch in Österreich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird. Einer der wichtigsten Zeichner des Simplicissimus ist der Norweger Olaf Gulbransson, der aus dieser Tätigkeit heraus auch internationale Bekanntheit erlangt. Die Zeitschrift gerät wiederholt mit der Zensur und den staatlichen Obrigkeiten in Konflikt, wobei die Redaktion im Weiteren diese Konflikte auch bewusst sucht und dann selbst zum Thema der satirischen Berichterstattung macht.

Ab etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts wird die politische Karikatur zu einem fixen Bestandteil der österreichischen Tagespresse. Markante Protagonisten sind vor allem der Architekt und Zeichner Gustav Peichl als „Ironimus“ und ab den Siebziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts Manfred Deix als einer der beliebtesten, aber auch gefürch-

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BARBARA BILLER
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PAPI IST JA DOCH DER BESTE! 1993
MANFRED DEIX

tetsten Karikaturisten Österreichs. Deix provoziert mit seinen gesellschaftspolitischen Cartoons häufig scharf und ruft immer wieder auch heftige ablehnende Gegenreaktionen hervor. Dennoch (oder vielleicht auch gerade deshalb) wird Manfred Deix zu einer Art kritischem Gewissen der Österreicher. Über die Bedeutung von Manfred Deix sagt Severin Heinisch in dem zur Eröffnung des Karikaturmuseums in Krems erschienen Buch „Alles Karikatur“2: „Seine (Deix´..) Variationen zu Themen wie Drogenkonsum, Rechtsradikalismus, Pornographie, Erotik, Society, Sport, Mode und Politik wurden zum Spiegel des Österreichertums. Seine „Deix-Figuren“ gingen derart in den österreichischen Sprachgebrauch über, dass heute die Realität an den Deix´schen Bildern gemessen wird, statt umgekehrt…“

Als ein weiterer der erfolgreichsten, zeitgenössischen österreichischen Karikaturisten bezieht

Gerhard Haderer immer wieder Stellung sowohl zur aktuellen Weltlage als auch zu gesellschaftspolitischen Fragen und vor allem auch zur katholischen Kirche. Sein Buch über das Leben des Jesus löste insbesondere in klerikalen Kreisen heftige Reaktionen aus.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts geraten auch in anderen europäischen Ländern wie in Dänemark oder in Frankreich Karikaturisten immer wieder ins Visier radikaler religiöser Gruppierungen. Traurige Berühmtheit erlangt die kritische Karikatur durch einen politisch motivierten Anschlag radikaler Islamisten auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris im Jahr 2015.

ZUM WESEN DER KARIKATUR

Die für die Karikatur wichtigste Technik ist die Zeichnung. Ursprünglich bedient sich Karikatur des reinen Schwarz-Weiß, eine farbliche Ausgestaltung tritt erst später hinzu. Der Strich, die Kontur stellen dar und bilden die Aussage, die Farbe belebt und erzeugt die Stimmung. Häufig tritt auch Schrift innerhalb des Bildes auf. Darüber hinaus kann sich Karikatur aber auch aller anderen bildnerischen Möglichkeiten bedienen, wobei vornehmlich die

grafischen Techniken angewendet werden, neben der Zeichnung hauptsächlich Aquarelle. Weiters werden Malerei, Acryl aber auch Öl eingesetzt, bis hin zur Skulptur und zu digitalen Techniken. Karikaturisten müssen begabte Zeichner sein und sollten über einen eigenen, unverwechselbaren Stil, eine eigene Handschrift verfügen. Sie sollten erfahren sein und über gute Menschenkenntnis verfügen. Routine ist vielfach auch Voraussetzung für eine gute Arbeit. Karikatur ist ursprünglich und lebensnah, die Themen kommen meist aus dem Alltag. Karikatur spiegelt die objektive Wirklichkeit wider, steht aber in einem spöttischen Kontrast zur Realität. Bei der Reproduktion der Wirklichkeit wird vereinfacht, schematisiert, verdichtet, reduziert und auf die Spitze getrieben. Obwohl einfach, hat Karikatur nichts Unschuldiges oder Infantiles, sondern deckt genau durch ihre Reduktion auf das Wesentliche oft eine schrecklich komische, spaßhafte Kehrseite auf. Karikatur ist Anspielung, Verkleidung, Verspottung, Verfremdung und Metamorphose, oft auch nur Anstoß. Karikatur ist Verzerrung charakteristischer Züge, Verformung von Körpern und Körperteilen. Fehler, Schwächen und Besonderheiten einzelner Menschen werden physiognomisch intensiviert, jene von Gruppen typisch übersteigert. Genauso werden aber auch Dinge und Ereignisse überladen und überfrachtet dargestellt. Gesellschaften und Individuen werden demaskiert und erniedrigt und deren Innerstes entblößt, zur Schadenfreude anderer aufgedeckt und wie durch ein Vergrößerungsglas angesehen. Oft ist es das Ziel der Karikatur, Personen oder Ideen lächerlich zu machen. Der Witz der Sache liegt in der Verfremdung und in der Überzeichnung.

Auf der Suche nach dem Wesentlichen werden auch triebhafte, instinktive und dämonische Züge offengelegt. Karikatur wendet sich gegen das Schöne, Harmonische, gegen das Geordnete und Rationale und ist oft hässlich, banal, exzentrisch, irrational und trägt Unheimliches in sich.

Eine Karikatur muss rasch verstanden werden, ein Nachdenken darüber setzt erst später ein. Unverzichtbarer Bestandteil fast aller Karikatur ist der Humor. Es ist ein grundlegendes Ziel der Karikatu-

risten, der Welt ein Lachen, Lächeln oder Schmunzeln des Publikums entgegen zu setzen, wenngleich dieses auch bereits im selben Moment zu einem Schock gefrieren kann.

Durch Überzeichnung dringt der Karikaturist bis zum Kern vor und kommt so zu einer tieferen Wahrheit. Ohne intuitives Eindringen in die Wirklichkeit gibt es keine große Karikatur. Karikaturisten sind Kritiker, Skeptiker, Zweifler, ihre Sache ist der Angriff.

Die Karikatur wird bis heute als „enfant terrible“ der Kunstgeschichte bezeichnet. Die Karikatur und ihre Vertreter ringen um eine gleichberechtigte Anerkennung in der Kunst, noch immer aber gibt es keine echte Gleichstellung. So gibt es immer noch kaum Ausstellungen von Karikaturen in großen Museen, aber dafür existieren inzwischen immerhin auch im deutschsprachigen Raum einige Museen für Karikatur – wie das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover oder das Karikaturenmuseum in Krems. In Letzterem werden Karikaturen international bekannter Karikaturisten vor allem aber auch von österreichischen Vertretern präsentiert. Manfred Deix ist hier ein eigener ständiger Bereich gewidmet, in dem in wechselnder Präsentation seine herausragenden Werke immer wieder Einblicke in die Abgründe „der österreichischen Seele“ gewähren. Karikatur ist ein allgemein anerkanntes Mittel des gesellschaftlichen Diskurses und damit immer auch ein Stück Zeitgeschichte.

HUMOR UND WITZ IN DER KUNST WERNER BERGS

Für Werner Berg hatte das Skizzieren eine besondere Bedeutung. Jeglicher künstlerische Akt beginnt bei Berg mit einer Außenwahrnehmung, die in Skizzen festgehalten wird. Die Skizze ist ständiger Begleiter des Künstlers, so entstehen in seinen rund 50 Schaffensjahren Tausende Blätter. Obwohl die Zeichnung eigentlich ein künstlerisches Hilfsmittel ist, da sehr rasch und einfach herstellbar, ist sie dennoch in ihrer Unmittelbarkeit anderen Kunstgattungen wie Malerei und Bildhau-

76 MANFRED DEIX FÜR ÖSTERREICH GILT: NUR KEINE WICKEL, DEMONSTRATIVE AL KAIDA SYMPHATIE 2011

erei überlegen. Die Kernaussage wird in einfachster und knappster Form direkt und spontan aufs Papier gebracht.

Zeichnen hat etwas mit Schrift zu tun. Eine Linie ist immer ein Konstrukt, sie kommt in der Natur in dieser Form nicht vor und wird im Bild zu einem Träger von Ausdruck und Emotion. Es bedarf allerdings eines guten Umsetzungsvermögens, um von der gezogenen Linie zum dargestellten Gegenstand zu gelangen.

Durch die spontane Entstehung hat die Skizze meist keine Vollkommenheit, aber immer Schöpferisches und Inspiriertes. Manches wird durch das Weglassen sogar klarer und präziser. Oft sind es die schnell hingeworfene vorbereitende Skizze oder eine Idee in ihrer Unfertigkeit, die die größte Faszination ausstrahlen und eine Dynamik besitzen, die oftmals vom fertig ausgeführten Bildnis nicht mehr erreicht wird. Darum besitzen auch viele Zeichnungen, vor allem bedeutender Künstler durchaus Eigenwert und sind als autonome Kunstwerke zu erachten.

Werner Berg zeichnet aus reiner Naturanschauung in übergroßer Schnelligkeit alles, was er sieht und ihn interessiert. Es entstehen so in groben Strichen hingeworfene oder oft auch in feinen Linien pointiert gesetzte, auf das Wesentliche reduzierte Zeichnungen. Werner Berg zeichnet (abgesehen von einzelnen wenigen Frühwerken mit Feder und Tusche) ausschließlich mit dem Bleistift. Es werden eine Szene, ein Motiv vom Künstler unmittelbar wahrgenommen und festgehalten, vergleichbar mit einem Schnappschuss in der Fotografie. Im Unterschied zu diesem erfordert die zeichnerische Umsetzung aber eine hohe Sensibilität in der Wahrnehmung. Werner Berg setzt in seinen Skizzen immer die Wirklichkeit um, nie eine Idee oder eine Phantasie.

Seine Skizzen enthalten trotz ihrer Flüchtigkeit meist die bereits fertigen Kompositionen für die später daraus folgenden Ölbilder und Holzschnitte. Auf vielen Blättern ist die grundsätzliche formale Ordnung innerhalb von Sekunden schon festgelegt. Manche Skizzen führen direkt und in zeitlicher Nähe zum Bild, andere werden genauso oder in etwas veränderter Form erst Jahre später zu Öl-

bildern und Holzschnitten. Nicht wenige dieser Blätter können aber auch als autonome Zeichnungen angesehen werden. Der Künstler zeichnet in einer großen Bandbreite, von minimalistisch, karg und sparsam bis barock, überbordend. Je nach Tagesverfassung sind die Motive ungestüm hingeworfen oder konstruktiv kalkulierend. So sind manche Skizzen abstrahiert, andere wiederum weisen eine große Expressivität auf. Wenn der Künstler mit dem Fahrrad und seinem Skizzenblock unterwegs ist, zeichnet er meist Menschen aus seiner Umgebung. Voller „Sehenswürdigkeiten“ sind für ihn Kirchtage und Märkte wie der Dreikönigsmarkt, der Mittfastenmarkt und der Bleiburger Wiesenmarkt. So sind dann auch Kirchgeherinnen, Händler mit allerlei Waren und Getier, Schausteller in ihren Buden, vor allem aber auch die bunte Schar der Besucher Motiv für seine Figurenbilder und Porträts. Ständig unterwegs in seiner näheren Umgebung ist Werner Berg bestrebt, eigenwillige, der Norm nicht entsprechende Charaktere, besondere Situationen, ungewöhnliche Begegnungen und Begebenheiten aufs Papier zu bringen, um später diese Motive im Holzschnitt oder Ölbild umzusetzen –„Bildgedanken“, wie der Künstler selbst seine Skizzen bezeichnet.

In den für Werner Berg typischen Skizzen und Bildern werden die Menschen aus der Unterkärntner Wahlheimat des Künstlers dargestellt. Es sind dies oft geradezu klischeehaft gezeichnete Personen wie der slowenische Bauer mit hagerem Gesicht, tiefliegenden Augen und Schnurrbart oder die kopftuchtragende Bäuerin. Zum Teil werden diese stark stilisiert, sodass individuelle Züge nicht mehr erkennbar bzw. zumindest stark zurückgedrängt sind. Hier entwickelt Werner Berg auch seinen ganz besonderen Stil. Das Kopftuch als Stilmittel der Vereinheitlichung, in großer Zahl variiert, dahinter das Gesicht zumeist nur in ganz wenigen Strichen, eignet sich ganz besonders für manch fein ironisches Bild der oft ernsthaft andächtigen Frau. In einem Mit- oder Gegeneinander, in Vervielfältigung und Gegenbewegung der Frauenköpfe bekommt somit manches Blatt eine humoristische Note.

Neben diesen immer wiederkehrenden, für Berg typischen Motiven gibt es oft Besonderes oder Eigenartiges, das gesehen und eingefangen wird, wie z.B. eine Unterhaltung zwischen einer listigen Bäuerin und einem wenig vertrauenswürdigen Händler. Werner Berg findet seine Protagonisten nicht nur als unbeteiligter Beobachter, sondern auch bei geselligen Zusammenkünften an besonderen Festtagen oder im Wirtshaus. Gasthausbesucher beim Essen und Trinken, bei einer Unterhaltung oder einfach vor sich hin sinnierend sind ein Fundus für Bergs Kunstwollen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Künstler, wie Harald Scheicher in „Werner Berg – Im Rausch der Kunst“4 eindrücklich schildert, selbst gerne mit dabei war. Nach einigen Gläsern ist dann auch manch schwungvolle Skizze entstanden, die besonders an einem expressiveren Strich zu erkennen ist. Wilde Schraffen und Konturen gehen ineinander über und es entsteht eine absonderliche Figur, besonders augenfällig im Wankenden. Aus dem umfangreichen Werk Werner Bergs, das in lebenslanger Zuwendung zu Menschen und Landschaft Unterkärntens entstanden ist, fallen manche Darstellungen als exzentrische Besonderheiten heraus. Zu diesen gehören zum Beispiel die Touristen, die dörfliche Feste und Märkte aufsuchen. Im Gegensatz zu Einheimischen tragen diese oft Sonnenbrille, die Damen große Ohrgehänge oder Hütchen und die Herren als Kopfbedeckung eine Schirmmütze. Ebenso bildwürdig ist manch exotisch aussehende Fierantin, geschmückt mit einer großen Kugelhalskette. Weitere eigenwillige Personen, die aus der Schar der Einheimischen herausragen sind etwa ein persisches Händlerpaar. Hier ergibt schon allein die Motivwahl ein humorvolles Bild. Die Fremdheit und Andersartigkeit wird durch schmuckartige Attribute betont und hervorgehoben. Jene Blätter, versehen mit feinem Humor, verleiten bereits durch deren Fremdheit und Andersartigkeit zum Schmunzeln.

Im Gegensatz zur Porträt- oder Typenzeichnung wird bei den Gruppendarstellungen extrem vereinfacht und schematisiert. Wenn Werner Berg z.B. eine Gruppe von Radfahrern skizziert, sind die Figuren nur mehr an ihrer extremen Körperhaltung erkennbar, die Räder sind rollende Kreise.

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„Eine geglückte Karikatur ist eine Mischung aus saurem

Hering,

Honig, Schlagsahne und einem kräftigen Schuss Schwefelsäure.“ 3

79 WERNER BERG JÄGER 1932
RONALD SEARLE
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KROATIEN, 1999
MANFRED
DEIX, JÄGERPARADIES
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MANFRED DEIX, HERBSTZEIT HEISST JAGDZEIT, 1991

Noch deutlicher reduziert der Künstler Menschen bei einer Prozession. Auf den strichbündelartigen Figuren sitzen kleine, runde kreisförmige Köpfe, an ein Kirchenfest erinnert nur mehr die im Wind flatternde Kirchenfahne. Eine weitgehende Reduktion erfahren auch die Figurendarstellungen von Eisschützen, Kegelburschen oder Wartenden an Bushaltestellen oder am Bahnhof. Durch das Zueinander entstehen grotesk humoristische Zeichnungen. Ähnlich kurios erscheint das Motiv von Menschen mit Schirmen auf nasser Straße. Die Figuren sind hier nur mehr Dreiecke und darauf Schirme wie Pilzkappen und dies ergibt dann auch oft ein bizarres Bild. Manche Figur erinnert in ihrer Dünnheit und Skurrilität sogar an Plastiken von Alberto Giacometti.

Auch das Gehen und Eilen von Menschen, vor allem von Frauen wird von Werner Berg als bildwürdig erkannt und manchmal sehr eindrücklich umgesetzt. In leicht schräg vorgebeugter Körperhaltung ist in wenigen Strichen die Figur nur mehr als ausgeführter Umriss erkennbar. Trotz extremer Reduktion spürt man aber Bewegung und Eile der Davoneilenden.

Werner Berg zeichnet in einer außerordentlich großen stilistischen Bandbreite, die hier nur exemplarisch gestreift werden kann. Humorvolles, Groteskes und Skurriles können aber im gesamten zeichnerischen Werk entdeckt und gesehen werden.

Auch Bergs Holzschnitte weisen oft humorvolle Inhalte auf. In manchem Figurenbild dominiert das Spielerische, einzelne Gestalten kauern oder verrenken sich in bizarren Stellungen. Der Witz liegt oft im Zueinander von dick und dünn, alt und jung sowie im Verdoppeln, im Miteinander oder Gegeneinander einzelner Figuren. Durch die starke Reduktion und durch den Wechsel von Schwarz und Weiß können einzelne Holzschnitte durchaus als humorvoll, bisweilen sogar als karikaturenhaft angesehen werden. Manche seiner Porträts hingegen verlieren durch die Umsetzung ins strenge Schwarz/Weiß jegliche individuellen Züge, die Gesichter wirken maskenhaft und absonderlich. Andere wiederum sind stark typisiert und schauen mit Kugelaugen lustig und listig aus dem Bild.

Während der Humor bei Werner Berg oft als be-

gleitende oder manchmal auch als bestimmende Bildidee auftritt, kann von explizit echter Karikatur tatsächlich nur in seltenen Fällen gesprochen werden. Es ist ja im Regelfall nicht das Karikaturhafte, das den Künstler zur Bildidee motiviert, sondern das Bildwürdige einer realen Situation. Karikaturhaft Humorvolles ergibt sich bisweilen nebenbei, sozusagen als Folge außergewöhnlicher Motive. Am ehesten treffen die Kriterien der Karikatur auf Aquarelle Bergs zu, welche in den frühen Dreißigerjahren sowie den späten Vierzigerjahren entstanden sind, und auf eine Anzahl Porträtskizzen aus dem gesamten Werk.

Auch unter den vor allem im Frühwerk bedeutenden Aquarellen finden sich meist die für Werner Berg typischen Motive und diese sind dann auch kaum als Karikaturen anzusehen. Doch gerade unter den Aquarellen sind viele in Form und Ikonographie gänzlich anders; mit diesen oft unverhohlen spöttischen Blättern wird dann die Grenze zur Karikatur recht deutlich überschritten. Als Beispiele können neben anderen der Jäger mit dem „zu klein geratenen“ Reh auf den Schultern, der Kinderfresser, eine Nonne mit „aufgeplusterter“ Ordenstracht und Sonnenbrille oder Männer mit überlangen, komischen Bärten angeführt werden. Die Bildausschnitte sind bei diesen Blättern noch extremer gezoomt sowie die Ränder noch stärker angeschnitten. Die Konturierung der Motive erfolgt hier mit einer breiten, schwarzen Rohrfedertuschzeichnung, was einen starken Kontrast zur manchmal monochromen, dann wieder buntfarbigen, hellen klaren Aquarellfarbe ergibt. Bergs Aquarelle wirken nicht nur durch die humorigen Bildinhalte, sondern vor allem auch durch die Wahl dieser Technik komisch und als Karikaturen.

Schon allein durch die Größe und die Technik ist eine Qualifizierung als Karikatur bei den Ölbildern kaum bzw. nur in Ausnahmefällen tatsächlich möglich. Der dicke Spitalsnachbar, in seiner Feistheit, scheinbar gesegnet mit gutem Schlaf, erscheint kurios und erinnert in seiner Skurrilität, in extremer Vergrößerung an Figuren Pieter Brueghels und dessen grotesken Verismus.

Eine belehrend streitbare Diskussion im Augenspital ist bizarr anzusehen, lässt einem aber fast das

Lachen im Hals steckenbleiben, zumal es beim Diskussionsgegenstand jedenfalls um die sichtbare oder unsichtbare Welt gehen muss, wie der Fingerzeig des Einäugigen zu der Kugellampe einleuchtend aufzeigt. Die extreme Nahsicht dieses Bildes, die völlig unrealistische Einzwängung der beiden Diskutanten in das gänzlich kahle Krankenzimmer und insbesondere das absurde Herauslugen des Kahlköpfigen unter seiner Augenbinde sind extreme Überzeichnungen im Sinne der Bildidee, die das Bild aber auch zur Karikatur werden lassen.

Nicht wenige Blätter von Werner Bergs unzähligen Skizzen können tatsächlich als Karikaturen bezeichnet werden, allem voran sogenannte Porträtskizzen, die zumeist bestimmte Individuen zeigen. Hier werden, wie der Porträtkarikatur eigen, augenscheinliche Fehler oder besondere Merkmale übertrieben oder sogar komisch deformiert und überzeichnet. Eine Dicke mit Doppelkinn, der Mensch mit großem Mund und riesigen Zähnen oder eine Städterin mit Hütchen und spitzem Gesicht sind komisch aussehende Typen und manche Eigenheiten wie Doppelkinn oder großes Gebiss werden besonders betont. Manches Blatt ist durch die extreme Nahsicht der Köpfe, ob in Profil oder en face, noch eindrücklicher. Für all diese Porträts waren reale Personen Vorbild und Motiv. Diese Skizzen sind aber nur selten direkte Vorlage für Ölbild und Holzschnitt und können so durchaus als autonome Zeichnungen angesehen werden.

Als weitere Beispiele echter Karikaturen unter den Skizzen sind der predigende Priester mit aufgerissenem Mund, erhobenen Armen und Kreuzchen statt Pupillen hinter den runden Brillengläsern. Die emotionale Predigt eines katholischen Pfarrers hat Werner Berg wohl zu dieser humorvollen Zeichnung veranlasst. Der Künstler bezieht durch die Darstellung der Augen des Predigers als Kreuze kritisch zu der fundamentalistischen Haltung des Geistlichen Stellung.

Ebenso zum Schmunzeln ist die Skizze von einer Unterhaltung zwischen einer Kirchgeherin und einem Geistlichen mit modischer Sonnenbrille. Der interessierte Blick der Frau und die etwas distanzierte Haltung des Pfarrers lassen durchaus mehr erahnen.

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83 WERNER BERG ZWEI BÄRTIGE 1933

DEIX TRIFFT BERG

Manfred Deix zeichnet unentwegt österreichische Charaktere, überspitzt, pointiert, scharf, witzig, schräg und ordinär. Indem er sich über diese herzhaft lachend lustig macht, zeichnet er in seinen Geschichten gleichzeitig sozusagen das Böse aus den Menschen heraus. Diese Bösartigkeit weisen bei Werner Berg allenfalls einzelne seiner feisten Händler auf – selbst den Dorfnarren, Sündern und Bettlern begegnet er mit liebevoller Empathie. Ebenso ist kaum je eine politische Tendenz oder ein kritischer Ansatz erkennbar. Es können zwar in den Kunstwerken beider Künstler manchmal verwandte Motive aufgefunden werden, hinsichtlich der künstlerischen Absicht könnte aber der Unterschied kaum größer sein.

In zahlreichen Skizzen und Aquarellen, weniger häufig in den Holzschnitten und Ölbildern Werner Bergs sind Inhalte auf humorvolle, zuweilen sogar schmunzelnd-spöttische Art erfasst und ist der Humor eine bedeutende Komponente der Bildwirkung. Einzelne Werke, hier vor allem unter den Skizzen und Aquarellen, entsprechen tatsächlich auch wei-

teren Kriterien der Karikatur. In der eigenen Ordnung seiner Werke, ob in der thematischen Zusammenstellung seiner Skizzen oder Mappen mit Fotos seiner Bilder gab es für ihn neben „Köpfen“, „Figuren“, „Landschaften“ stets die zahlenmäßig nicht unbedeutende Gruppe der „Grotesken“ – meist Darstellungen aus dem Gasthaus oder von Jahrmärkten. Bei manchen dieser „Grotesken“ ist anzunehmen, dass diese vom Künstler sogar als Karikaturen intendiert sind. In diesen Fällen lassen sich auch Kriterien wie die pointierte Überzeichnung oder eine gesellschaftskritische Haltung feststellen. Werner Berg ist also nur in Ausnahmefällen Karikaturist, Überzeichnung findet sich selten als eigenständiges Ziel. Im Generellen ist Berg beständig um eine formale Reduktion auf das Wesentliche bemüht. Absicht des Künstlers ist es, Bilder zu finden und zu schaffen, die dauerhafte formale Gültigkeit besitzen. Die Inhalte der Bilder sind diesem obersten Ziel untergeordnet. Bei der Karikatur und hier insbesondere auch bei Manfred Deix hingegen ist der auf den Punkt gebrachte Inhalt ein der Form mindestens gleichwertiges Ziel. Die Bedeutung der Ausstellung Deix trifft Berg

kann für Werner Berg in der Konzentration auf Werke mit humoristischem oder groteskem Inhalt gesehen werden. Dadurch wird dieser nicht unbedeutende, aber bisher nicht gesondert und damit unzureichend beachtete Aspekt beleuchtet. Die außergewöhnliche Zusammenschau dieser Ausstellung lenkt den Blick auf Witz und Komik im Œuvre Werner Bergs und erschließt diesem somit eine weitere Facette.

Beide Künstler, Werner Berg und Manfred Deix, sind außergewöhnliche Zeichner. Bereits diese Gemeinsamkeit für sich genommen rechtfertigt die vergleichende Zusammenschau. Beiden Künstlern ist weiters ein hintergründiger Humor zu eigen, der im Falle Werner Bergs in einem Teil seines Werks zum Aufspüren grotesker Menschenbilder, im Falle von Manfred Deix zu satirischen bildnerischen Äußerungen bis hin zur sprichwörtlich – „echten Deixfigur“ führt. Nicht zuletzt gehen beide Künstler ihr gesamtes Schaffen lang von den Menschen aus – Deix von dem Österreicher, Berg von seinen Unterkärntner „Landsleuten“ und bleiben diesen Menschen auch ihr gesamtes Schaffen hindurch ergeben.

1 Alles Bestens, Karikaturen und Cartoons aus Österreich, Hrsg. Maria Schuster, Wien, Graz, Klagenfurt, 2012, S.6 ff.

2 Alles Karikatur Das gezeichnete 20. Jahrhundert, Severin Heinisch, Walter Koschatzky (Hrsg.) St. Pölten 2001, S. 7

3 Alles Bestens, Karikaturen und Cartoons aus Österreich, Hrsg. Maria Schuster, Wien Graz Klagenfurt 2012, S. 8

4 Werner Berg – Im Rausch der Kunst, Harald Scheicher. (Hrsg.: Werner-Berg-Museum Bleiburg/Pliberk) Hirmer Verlag München 2013

LITERATUR (Auswahl)

Gernhardt R., Der letzte Zeichner, Frankfurt/Main 2001, 2006

Alles Karikatur. Das gezeichnete 20. Jahrhundert, Heinisch S., Koschatzky W. (Hrsg.), St. Pölten 2001

Die Karikatur. Von Leonardo bis Picasso, Hoffmann W., Hamburg 2007

Bild als Waffe, Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten, Langemeyer G., Unverfehrt G., u.a., München 1984

Die Kunst der Karikatur, Lucie-Smith E., Weingarten 1981

Alles Bestens. Karikaturen & Cartoons aus Österreich, Schuster M. (Hrsg.), Wien, Graz, Klagenfurt 2012

Lachen und Zittern in: Satire in Österreich, Tabor J., Österreichische Postsparkasse, Wien 1988

Werner Berg Museum Scheicher H. (Hrsg.), Bleiburg/Pliberk. München 2016

Werner Berg – Seine Kunst, sein Leben. Scheicher H. (Hrsg.), Klagenfurt 1984, 1988

Werner Berg – Im Rausch der Kunst. Scheicher H., München 2013

Werner Berg – Wirklichkeit im Bildhaften. Scheicher H., München 2012, 2016

Werner Berg. Smola F. (Hrsg.), Klagenfurt 2004

Werner Berg – Die Skizzen, Baum P., Klagenfurt 1991

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WERNER BERG, NARR UND BÄURIN, 1947, AUSSCHNITT
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WERNER BERG SÄNGER 1954
MANFRED DEIX WIENS TÜRKEN SIND VOLL INTEGRIERT

Ich bin ein Beach Boy, ich möchte überleben, und ich möcht lustige Bilder machen - ich bin eher auf der Sonnenseite des Lebens geboren. Im Jahr 1999 haben die Beach Boys in Wien ein Konzert gegeben – vor 150.000 Menschen. Donauinsel. Riesenfest. Und einer der Beach Boys - die kennen mi – seit 1984 bin ich mit denen quasi irgendwie in Kontakt – und wir stehen so Backstage und haben zuschauen dürfen – Marietta und ich haben einen privilegierten Platz gehabt – neben der Bühne, bei den Verstärkern – plötzlich bei der dritten Nummer, bei „Do it again“ – einer meiner Lieblingsliedern – kommt der Keyboarder zu mir gerannt – a 58jähriger alter Zausel und Beach Boy der ersten Stunde – schnappt mi bei der Hand und schleppt mi auf die Bühne, dass ich mit ihm gemeinsam, mit den Beach Boys, auf der Bühne stehe und mitsinge. Da hab ich ein Achtel in die Hose verloren, muss ich sagen, leider, und hab mit den Beach Boys auf der Bühne drei Lieder singen dürfen. Also es war einer meiner besten Tage. Und jeder sagt, was? wie? wer? Beach Boys? Für mich großartig.

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MANFRED DEIX UNRUHEN IN ÄGYPTEN WERNER BERG BLONDIERTE PERSERIN 1972
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Es gibt in der alten Malerei auch immer die Hinwendung des

Malers zum Besonderen,

zum Verkleideten, oft zum Grotesken – und so gibt es von mir dazu eine ganze Reihe von Bildern.

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MANFRED DEIX WENN LIBYENS WILDER WÜSTENWIND WEHT ... 2011 WERNER BERG SCHWANKENDER TRINKER 1964
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fürchten sollte
MANFRED DEIX VERKLEIDETE WAFFENKÄUFER 1989 – 1993 WERNER BERG DUNKELMÄNNER 1953
Wirklich
man sich nur vor dem Herabziehenden, dem Niedrigen, dem Bourgeois.
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EINFÜHRUNG EINER BURKAPFLICHT ... MAI 2010
MANFRED
DEIX
1933
WERNER BERG
FRAUEN
VOR GRÄBERN

Mir ist sehr vieles heilig, ich bin ein hochmoralischer Mensch in Wahrheit. Ich hab Gott oder die Religion durch Religionsprofessoren kennengelernt – in der Schule. Religion war für mich immer etwas sehr Unangenehmes, weil das immer beichten geheißen hat. Zwamol im Jahr – Ostern, Weihnachten – hat’s geheißen, ab in die Kirche, wie die Enten im Entenmarsch san ma in die Kirchen getrieben worden und jeder hat gsagt, jeder von den Buben, die rotbackigen Burschen, meine Schulkollegen – wir haben alle nur eine Sünde begangen – gewichst hamma. Alles andere war harmlos. Aber wir sind da immer genötigt worden, unsere kleinen, unsere Bubensünden loszuwerden – eine Frechheit in Wahrheit. Also drum hab ich mit der Kirche ein sehr gespaltenes Verhältnis – gor kanns in Wahrheit. Aber ich nehm mir die Kirche vor, weil sie soviel Stoff bietet. Deswegen bin ich froh, dass es die Kirche in der Form gibt. Eine moderne, progressive Kirche wär für mich der absolute Absturz. Na, de sollen so bleiben, wie die sind.

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MANFRED DEIX DER ZÖLIBAT IST SCHULD WERNER BERG BÄURIN UND PFARRER 1951 WERNER BERG PFARRER UND BÄURIN 1952 UND 1961
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FIDELES TREIBEN IM VATIKAN
MANFRED
DEIX,
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BESCHEIDENHEIT IM VATIKAN
MANFRED DEIX, NEUE
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DEIX PAPSTWAHL
MANFRED
BISCHÖFE 1952-1962
WERNER BERG
103 103

Mir graust vor dem tausendfältig nur zu gut Gemachten. Der Grund des Lebens, auf dem ein Werk der Kunst sich erheben soll, kann nicht breit genug gelegt, dieses Leben nicht weit und voll genug sein.

104 WERNER BERG NONNE 1932
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Das Theatrum mundi, das meiner kleinen Welt hier, erschien mir

bewegend und erregend wie am ersten Tage.
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Ein Volkskünstler wollt ich immer sein.

Wie der Hans Moser.
Ich wollte von allen kapiert werden.
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Werner Berg und Manfred Deix. Beide Künstler prägten gerade dadurch, dass sie die tradierten Bilder ihrer Heimat auf den Kopf stellten, ein jeweils neues Bild von dieser. Der eine für Südostkärnten, der andere für Österreich. Dabei sind die unterschiedlichen Zugänge dieser zwei, aus verschiedenen Generationen und künstlerischen sowie humanistischen Richtungen stammenden Charaktere mitnichten in eins zu setzen. Während Manfred Deix in den 1970er Jahren bis in die jüngere Gegenwart vielmehr nach einem Nestbeschmutzer-Prinzip eine schonungslose Darstellung der Verhältnisse in der eigenen Heimat unternimmt, ist Werner Bergs fünf Jahrzehnte lange –vor dem Hintergrund der fortgeschrittenen Industriegesellschaft Europas gewissermaßen utopische – Auseinandersetzung mit Kärnten eine ganz andere. Manfred Deix hat sich mit der gegebenen Heimat Österreich und den ihn umgebenden Ungustln auf seine eigene Art arrangiert (oder arrangieren müssen). Werner Berg betonte mit dem Zusatz der „Wahl“ -Heimat immer wieder den Umstand, dass er in der Migration seine Schicksalsheimat gefunden hatte. Die Menschendarstellungen Werner Bergs und Manfred Deix‘ berühren Fragen und Facetten der kollektiven Identität einer regionalen oder nationalen Bevölkerung. Dies fordert vom Betrachter der in den Werken beider Künstler in so unterschiedlicher Weise thematisierten Idee von Heimat als einem Identitätskonzept nachzugehen. Auch Werner Berg mag eine auf eigentümliche Weise vergleichbar erträgliche Form des „Patriotismus“ wie Manfred Deix begründet haben. Dass jedoch Bergs Kopftuchweiberl ins kollektive Unterkärntner Gedächtnis ähnlich fest eingeschrieben wurden wie die Deixfigur ins österreichische Wörterbuch, dafür waren ganz andere Aspekte und Vorbedingungen maßgeblich. Im künstlerischen Werk des Malers Werner Berg treffen sich zwei Geschichten: Zum einen ist das die Biografie des Künstlers, zum anderen geht es um die Geschichte jener Region, in die der gebürtige Deutsche in den 1930er Jahren auswanderte, – die Region im Südosten des österreichischen Bundeslandes Kärnten. Bereits in den 1920er Jahren, als Werner Berg in Wien und München studier-

VON HEIMATBILDERN UND DER FASZINATION FÜR DAS FREMDE

te, hatten sich rundherum die nationalistischen Bewegungen in ihrem Einsatz für eine ethnisch und kulturell homogene Bevölkerung radikalisiert, bis im dominanten Heimatdiskurs eine Abwehrhaltung gegenüber allem Fremden eingenommen wurde. In Kärnten gab es nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie zwischen Kärnten und dem neu gegründeten, angrenzenden Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bewaffnete Kämpfe um die slowenisch-sprachigen Gebiete im Südosten Kärntens. Die betroffene Bevölkerung selbst hat sich schließlich im Oktober 1920 in einem Plebiszit für die Zugehörigkeit zur neu gegründeten Republik Österreich entschieden. Die deutsch-kärntner Heimatbewegung wurde jedoch nicht müde, weiter das Bedrohungsszenario einer slawischen Landnahme zu beschwören. Nur wenige Jahre nachdem Werner Berg sich in Kärnten niederließ, erfuhr die Radikalisierung des Heimatdiskurses durch die Nationalsozialisten einen Höhepunkt. Die Geschichte der Kärntner Slowenen war auf lange Zeit eine der Diskriminierung und Verfolgung. Die unterschiedlichen Narrative und Feindbilder des Mythos vom deutschen Kärnten, das sich im permanenten Abwehrkampf befindet, griffen in Teilen der deutsch-kärntner Gesellschaft bis weit in die Zweite Republik hinein. Für Werner Berg jedoch machte gerade das Nebeneinander von slowenischsprachigen und deutschsprachigen Kärntnern das Bild seiner Wahlheimat aus. Dass allerdings Werner Berg das Slowenische nicht außerhalb der Heimwelt verortete, bedeutete im Kärntner Kontext eine gewisse – zuweilen explizite – Positionierung. Werner Berg entwickelte einen Heimatbegriff, der die Koexistenz verschiedener Heimatwelten in der Kärntner Gesellschaft begriff. Bereits 1968 wurde das heutige Werner Berg Museum als städtische Institution in Bleiburg/Pliberk eröffnet, welches seither eine repräsentative Auswahl an Werken des Künstlers beherbergt. Angesichts der lokalen Präsenz der Malerei Werner Bergs lässt sich Jürgen Links Begriff der „Kollektivsymbole“ aufgreifen. Dieser beschreibt ein Repertoire an Symbolen und Bildern, die alle Mitglieder einer Gesellschaft kennen und mit der sich diese ein Gesamtbild von einer gesellschaftlichen

Wirklichkeit machen. Kollektivsymbole reproduzieren die Narrative, Sinnbilder, Metaphern und Mythen einer Gesellschaft. Erweiterte oder beeinflusste nun also Werner Bergs malerisches Werk die Kollektivsymbolik Unterkärntens? Wirkte die Darstellung und Deutung der Region durch den Künstler über fast fünf Jahrzehnte hinweg letztlich auf diese zurück?

Durch den öffentlichen Charakter seines monografischen Museums in Bleiburg/Pliberk erhielt Werner Bergs Schaffen in der Zweiten Republik eine gesellschaftspolitische Dimension. So besteht zurecht die Behauptung, dass im künstlerischen Werk Werner Bergs vor dem Hintergrund der versuchten Konstruktion eines deutschen Kärntens auch Aspekte einer Gedenkkultur gegeben sind. Bilder beteiligen sich an der Konstruktion von gesellschaftlicher Realität. Bergs Bilder konnten in Kärnten zu den Voraussetzungen für den Verlauf eines Diskurses beitragen, in dem das Slowenische nicht mehr fremd, sondern heimisch ist. Die Reflexionen über Bergs Kunst haben sich parallel zu den differenzierter und offener gedachten Heimatideen verändert. Da die Idee von Heimat eine kollektive Selbstzuschreibung zum Ausdruck bringt, ist sie immer auch gesellschaftspolitisch und ideologisch aufgeladen. Heimat ist ein Begriff, der für sehr unterschiedliche Ziele und Vorstellungen instrumentalisiert werden kann und im Laufe der Geschichte ständig neu ausverhandelt wurde. Heimat definiert ein Anderes, ein Fremdes, gegenüber dem das Wir sich abgrenzen kann. Heute kann Heimat in Verbindung mit Alltag und Selbstbestimmung, Geborgenheit und Nachbarschaft diskutiert werden, ohne eine Gleichsetzung mit Begriffen wie etwa Herkunft oder Nationalität. Damit wird die Betonung der ethnischen Zugehörigkeit mitunter zur Retrospektive. Ein differenzierter Heimatbegriff erkennt, dass in einer Gesellschaft viele Heimatwelten koexistieren.

Werner Bergs Begeisterung für die Eigenart der lokalen Bevölkerung und deren Lebenswelten zeigt die Tendenz der Moderne, unbekannte Kulturen zu exotisieren und idealisieren. Werner Berg verstand den zweisprachigen und multiethnischen Landstrich Unterkärnten als Restbestand des ehemaligen

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MAGDALENA SCHEICHER
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EIN MANN AUS DER STEIERMARK 1983
MANFRED DEIX
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BERG GASTHAUS 1951
WERNER

Vielvölkerstaates und Ideal einer „Völkersymbiose“. Speziell in seinen frühen Aquarellen scheint er sich in seiner Begeisterung für die Menschen seiner neuen, multikulturellen Umgebung zu überschlagen. Die Aquarelle zeigen Mägde in gemusterten und bunten Kopftüchern, überspitzte Darstellungen von Bauersleuten, Jägern und anderen Dorfbewohnern. Auch in seinen frühen Ölbildern mit ihrer ausdrucksstarken Farbwahl und primitivistischen Exotik hält er die Motive einer vorindustriellen Welt fest; so z.B. in der Darstellung einer Bauernfamilie „Auf dem Wagen“‚ oder in den markanten Porträts eines slowenischen Bauers und einer im Wintergewand eingepackten Marktfahrerin.

Die Kunst der Moderne kann als Erlebnis einer Ästhetik des Fremden beschrieben werden. Der Autor Herbert Grabes sieht in der Erfahrung der Entfremdung und des Fremden eine der prägendsten Eigenarten des Lebens in der Moderne. Dabei sei die häufige Begegnung mit dem Befremdenden durch soziale und kulturelle Veränderungen und die gestiegene Reisetätigkeit nicht nur vielfach erlebt, sie sei in der Kunst der Moderne bewusst gesucht worden. Die Avantgardisten sprengten durch Verfremdung und ungewohnte Darstellungsformen eingefahrene Wahrnehmungsweisen. Die Dekonstruktion der vertrauten Wirklichkeit bedeutete eine Darstellung, die allenfalls noch gleichnishaft auf die vertraute Welt bezogen war. Auch Werner Berg spricht immer wieder von diesen gleichnishaften Elementen und Sinnbildern. Werner Bergs Bildwelt zeugt von jener generellen Begeisterung für das sozial „Andere“ und für gesellschaftliche Randgruppen, die auch die Avantgarden auszeichnete. Der Künstler fand ausgehend von der Orientierung am Expressionismus allerdings zu einer nüchterneren Form und zu einer eigenen, stilistisch gemäßigteren Umsetzungssprache. Er betonte immer wieder seine Bodenhaftung. In der ikonografischen Analyse seines Werkes lässt sich eine Bandbreite von Fremdheitserfahrungen beschreiben. Sofort augenfällig wird diese z.B. in der Vielzahl seiner geometrisierten Darstellungen der Kopftücher der Kärntner Bäuerinnen. Auch bei Werner Berg ist die empfundene Fremdheit zum Teil bestimmt durch den exotisie-

renden Blick auf das multiethnische Gebiet. Doch die Fremdheitserfahrung reduziert sich nicht auf diesen Aspekt. Über die Jahre in Kärnten hinweg wurde Werner Berg zum am Leben und Schicksal seiner Umgebung teilhabenden Nachbarn. 1947 schreibt er, er hätte „nach einem Jahre Hiersein […] leichter und mehr aussagen können, als jetzt nach zwanzig Jahren”.

Werner Bergs Skizzen sind Zeugnis seiner Bildfindung und Grundlage des malerischen und druckgrafischen Werkes. Die unzähligen und vielfältigen festgehaltenen Typen in den Skizzen, – die attestierte Bildwürdigkeit alltäglicher Beson derheiten – machen deutlich, dass für den Künstler individuelle Existenzen hinter der vermeintlichen Gruppenzugehörigkeit steckten. Die Fülle von dokumentierten Andersartigkeiten in den zahllosen Skizzen vermittelt eine Art Norm der Abweichung jenseits von kulturell oder sozial bedingten Identitätskonstruktionen. Der Facettenreichtum der Menschendarstellungen scheint in den Skizzen umfassender als in der Selektion der Darstellungen im Ölbild oder Holzschnitt. Werner Berg war ständig im Kärntner Unterland mit seinem Skizzenblock unterwegs – auf den bäuerlichen Märkten und Festen, in der Kirche und im Gasthaus, er war unterwegs auf dem Rad, per Bus und Bahn, bei Tag und Nacht. Seine Skizzen sind Notiz des unmittelbaren Eindruckes. Skizzen von Bauersleuten und Bürgern im Sonntagsgewand, von wild artikulierenden Priestern, mit Sonnenhut und -brille ausgestatteten Touristen oder Armen zeigen charakteristische, überspitzte Typologien, die der Künstler an die Grenze zur Karikatur treibt. In seinen Menschendarstellungen suchte Berg oft nach „ungewöhnlichen“ Typen, das machen nicht nur die monumentalen Porträts von Schielenden oder einäugigen Bäuerinnen, die fast archetypischen Bildnisse eines blinden Organisten, eines „Krüppels“ oder eines schlafenden Trinkers, die Reihe von lustigen, bildfüllenden, runden Figuren, oder die Darstellungen aus dem „Irrenhaus“ deutlich. Das Sonderbare, Komische oder physiognomische und körperliche Eigenheiten interessieren ihn ganz generell. Es ist eine Hinwendung zu einer Art alltäglicher Fremdheit.

Werner Berg meinte, als Hinzugekommener, als Fremder, den Blick sensibilisiert zu haben für die allgegenwärtigen Besonderheiten, die den von jeher Beheimateten alltäglich erscheinen mögen. So verortete er sich einerseits als beheimatet, als Nachbar, Bauer und Teil der Gemeinschaft. Zugleich nahm er in der Perspektive des Künstlers eine kulturelle Distanz zu seinem Umfeld ein. Wiederholt tritt er in Eigenaussagen als zeichnender Beobachter auf, der selbst nicht Protagonist des Geschehens ist, – als Fremder, der eine Gegend eher aus ethnografischer Perspektive betrachtet. Ethnologen sind nicht beheimatet. Es kommt in Bergs Heimatidee zu einer Verschränkung von Aspekten, die mitunter im Widerspruch zu einander stehen. In Werner Bergs Verständnis scheint der für Heimatkonzepte grundlegende Gegensatz von Heimat und Fremdheit aufgehoben zu sein. Werner Berg suchte in seiner Kunst immer wieder nach dem Unvertrauten und Befremdenden. Gerade das Leben auf kleinem Raum würde, so der Künstler, die Gegensätze, die sich bedingen und geradezu gegenseitig herausfordern, noch viel deutlicher machen. Wiederholt erwähnte er, dass für ihn das Idyllische oder Romantische nie dieselbe Kraft und Aussagemöglichkeit hätte, wenn nicht das Scharfe und Groteske oder auch das Unheimliche dem gegenüberträte. Oft skurril-grotesk erschien ihm Besuchervolk auf Jahrmärkten und manche Szene im Gasthaus. Zuweilen schon selbst berauscht zeichnete er wilde Skizzen von der nächtlichen Gaudi, von stolzen oder weltfremden, bizarren und erbärmlichen Gestalten und torkelnden Passanten am Heimweg. Nicht selten sind die Figuren dabei in wenigen Strichen und mit Verzicht auf physiognomische oder körperliche Details eingefangen. Wenn auch Berg zeitlebens auf der Gegenständlichkeit seiner Kunst bestand – es vollzog sich im künstlerischen Schaffensprozess, in der Übersetzung von Eindrücken vielfach ein Prozess des Abstrahierens von einzelnen Erscheinungen mit ihren individuellen Eigenschaften auf ein subjektiv empfundenes Allgemeines. Ähnlich losgelöst von einer realistischen Abbildung setzte der Künstler die Farbgebung ein. Sie dient meist weniger der objektiven Wiedergabe als

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DAS JAHR DER JAGDUNFÄLLE WERNER BERG SEKTIERER 1948
MANFRED DEIX

dem Ausdruck einer Stimmung oder der eigenen, persönlichen Empfindung. Viele seiner Darstellungen in den 1950er und 1960er Jahren sind von einer geradezu phantastisch-bunten, subjektiv gewählten Farbpalette bestimmt. So übersteigert er z.B. die Darstellungen von so mancher illustrer Tischgesellschaft in einer kräftigen und kontrastreichen Farbgebung.

Werner Berg hat das Bild seiner Wahlheimat aktiv mitgestaltet. Unterkärnten war für den Maler nicht bloß Heimat und Inspirationsquelle, sondern nicht zuletzt Projektionsfläche. Seine Kunst – das erkannte er selbst – war ihm zuerst ein Versuch, sich selbst auszudrücken. „In allen diesen Begegnungen, in diesen Abenteuern des Zeichnens, des sich Aussetzens der Natur, den Begebenheiten gegenüber sucht man aber doch letzten Endes nur die Entsprechung für sich selbst, für sein eigenes Inneres. Und so sind dann zuletzt die Skizzen bildträchtig, in denen man sich selbst im Leben der Anderen wiederfindet.” Man könnte unter diesen Aspekten von einer Suche nach dem Eigenen im Fremden sprechen, die die Motivwahl Werner Bergs bestimmte. Die kuriosen Figuren und zugespitzten Charakterbilder würden dann eine Identifikation im Sinne einer ausgeprägten Selbstironie offenbaren. In diesem Punkt bietet sich die Gegenüberstellung mit Manfred Deix an, welcher bei aller Schärfe seiner Kritik, sich immer auch vehement selbst als „Österreicher“ verortete. Deix war ein Meister der Selbstkarikatur, der eigene Unzulänglichkeiten in der Erbärmlichkeit seiner Umgebung wiederfand.

Im Hinblick darauf, dass manche Darstellungen Bergs durchaus als Karikaturen betrachtet werden können, bleibt zu fragen, inwiefern Berg dabei Zuschreibungen an die Menschen der Region unternahm. Von der Karikatur wird erwartet, im Hinblick auf die rasche Wiedererkennbarkeit Stereotype zu liefern, man denke nur an die sprichwörtliche Deixfigur. Doch neben permanenten Wiedererkennungsmerkmalen haben uns speziell Manfred Deix, aber auch Werner Berg in ihren Werken lebenslang eine Fülle unverwechselbarer Einzelpersonen mit nie verlorener Empathie (oder auch Antipathie) nahegebracht.

In den letzten Jahrzehnten wurde in der Kulturund Kunstgeschichte darüber hinaus auch der Primitivismus der Avantgarde als stereotypisierendes oder exotisierendes Projekt beschrieben. Die Auseinandersetzung vieler Künstler der Moderne mit primitiven Kulturen, mit ethnografischen Artefakten und der Kunst der Naturvölker war ein Abenteuer mit vielen Facetten. Die von Berg vorgenommene Unterscheidung zwischen vorindustrieller, slowenischer Kultur und der anderen, modernen Welt ist auch aus diesem Blickwinkel zu reflektieren.

Werner Berg hat sich seinen eigenen Heimatbegriff geschaffen. Im Spannungsfeld von Vertrautem und Fremdem behielt das Andere, das Fremde stets seine generelle Faszination. Zeitlebens war er bemüht, die Besonderheit – nicht lediglich der vorindustriellen Aspekte der Region, sondern damit auch der slowenischen Landbevölkerung – in seinen Bildern festzuschreiben. In den 50 Jahren seines Schaffens in Kärnten musste er feststellen, wie dieses Besondere permanent bedroht war – einerseits durch die allmähliche Modernisierung der Region und andererseits durch die Assimilierung des Slowenischen in Kärnten. Werner Berg trat im öffentlichen medialen Diskurs insbesondere der 1970er Jahre aktiv für die Rechte der slowenischen Minderheit ein. Wiederholt wurde er deshalb angefeindet, aber auch von Vertretern beider Sprachgruppen als unerschütterlicher Wegbereiter des Zusammenlebens gewürdigt.

Für Werner Berg waren Dialekt und Folklore unter dem Label Heimatkunst in den meisten Fällen Produkt eines banalen, selbstgefälligen Provinzialismus. Er sprach sich für eine Malerei aus, die die Eigenart eines umgrenzten Lebensbereiches in all ihren Facetten auslotet, anstatt sich in einem unreflektiert-patriotischen Heimat-Kanon zu bewegen oder verklärte Bilder der eigenen oder kollektiven Identität zu reproduzieren. Manfred Deix hat dies wohl unwidersprochen erreicht, ob auch Werner Berg dies durchwegs gelang, darf hier eine offene Frage bleiben.

Der abgedruckte Text beinhaltet Auszüge aus einem Forschungsprojekt, welches Werner Bergs – z.T. paradoxen – Heimatbegriff vor dem Hintergrund zeitgeschichtlicher Strömungen und Aussteigerbewegungen diskutiert.

LITERATUR

MIRKO BOGATAJ, Die Kärntner Slowenen. Volk am Rand der Mitte, Klagenfurt/Wien 2008.

WILL CREMER UND ANSGAR KLEIN, Heimat in der Moderne, in: Will Cremer und Ansgar Klein (Hg.), Heimat. Analysen, Themen, Perspektiven, Bd. 1, Bielefeld 1990, S. 33–55.

BRIGITTE ENTNER, Von Ortstafeln und anderen „Zweisprachigkeiten“. Oder: Die versuchte Konstruktion eines „deutschen“ Kärnten. In: Razprave in Gradivo/Treatises and Documents, Journal of Ethnic Studies, Bd. 47, Ljubljana 2005, S. 88–101.

HERBERT GRABES, Einführung in die Literatur und Kunst der Moderne und Postmoderne. Die Ästhetik des Fremden, Basel/Tübingen 2004.

BERND LIEPOLD-MOSSER, Die Hamat, in: Christine Wetzlinger-Grunding/Museum Moderner Kunst Kärnten (Hg.), Das andere Land – Kärnten | Koroška in Wort und Bild (Kat. Ausst., MMKK, Klagenfurt 2019), Klagenfurt 2018, S. 80–99.

JÜRGEN LINK, Kollektivsymbolik und Mediendiskurse, in: kultuRRevolution 1, S. 6–21.

SABINE MAASEN, TORSTEN MAYERHAUSER UND CORNELIA RENGGLI (HG.), Bilder als Diskurse – Bilddiskurse, Velbrück Wissenschaft, Göttingen 2006. Fremden, Basel/Tübingen 2004.

SCHEICHER (HG.), Werner Berg – Seine Kunst, sein Leben, Klagenfurt 1988.

WIELAND SCHMIED, Die Kunst war sein tägliches Brot –Gedanken zu Werner Berg, in: Franz Smola (Hg.), Werner Berg zum 100. Geburtstag (Kat. Ausst., Österreichische Galerie Belvedere, Wien 2004/2005; Museum Moderner Kunst Stiftung Wörlen, Passau 2005), Wien 2004, S. 8–15.

Die diskurstheoretische Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff des Künstlers bezieht sich vor allem auf die beiden kurzen, autobiografischen Texte „Wahlheimat Unterkärnten“ von 1947 (Radiovortrag) und „Zwischenbilanz einer Malerexistenz“ von 1957, beide abgedruckt in: Harald Scheicher (Hg.), Werner Berg – Seine Kunst, sein Leben, 3. Auflage, Klagenfurt 1988.

WIELAND SCHMIED, Zwischen Expressionismus und Magischem Realismus. Zur geistigen Position des Malers Werner Berg, in: Wieland Schmied et al., Werner Berg – Gemälde, Klagenfurt 1994, S. 12–29.

116
HARALD
117 WERNER BERG VOGELSCHEUCHE 1934
NÄCHSTE DOPPELSEITE: WERNER BERG, IM GASTHAUS, 1956
DOPPELSEITE:
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DEIX DER NEUE KANZLER SCHRÖDER WERNER BERG FIERANTIN UND PINSCHER 1967
MANFRED
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MANFRED DEIX TIROL
123 WERNER BERG BAUER 1947
124
SICH, 2008
MANFRED DEIX, LEBENSKÜNSTLER UNTER
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MANFRED DEIX, HÄUPL WIRD GRÜN , 2005

Ich kotze auch zeichnerisch.

Das ist ein legitimes Mittel um Druck los zu werden.

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MANFRED DEIX STRACHE SAGT: NAZIS RAUS! 2010 WERNER BERG UNA VILLANA WINDISCH 1972

Die Ideen kommen nämlich dadurch, dass ich irgendeine Meldung krieg und dann klingelts irgendwo und ich merk, aha, da is was. Und dann bin ich wie ein Hund, ein Polizeihund der Lunte riecht und merkt, da in der Gegend gibt’s a Thema, das schaut guat aus. Und dann sitz ich, brüt ich die halbe Nacht darüber bis ich eine Lösung find. Und mein Pech ist, dass mir zu den Themen immer viel zu viel einfällt. Ein Thema – und auf einmal hab ich dann sechs, sieben Lösungen dazu. Das muss ich dann komprimieren auf eine gute, eine schlüssige Endfassung – und das in den Griff zu kriegen, ist oft stundenlange Arbeit.

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WERNER BERG SITZENDER MANN 1935 MANFRED DEIX EXKANZLER UND NEO BAUER KLIMA 1999

Ich hab großen Spaß oder großes Vergnügen die Machthaber anzuschwärzen oder denen eine aufzulegen, eins drüber zu braten. Das halt ich auch für legitim. Die haben die Macht uns fertig zu machen und ich kleiner Zeichnerwicht wehre mich mit den Mitteln des Pinsels und des Bleistifts. Aber mein Gott, das sind kleine Verletzungen und die tun denen nicht wirklich weh.

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MANFRED DEIX WAHL AB 16 2000-2008 WERNER BERG PUSTE 1948
132 WERNER BERG SCHLAFENDE HÜHNER 1954
DEIX VOGELGRIPPE 2000 - 2008
MANFRED

A schwerer Beruf! Jetzt hab i den ganzen Tag verschissen. Jetzt arbeit i schon neun Stund Allmählich hab ich die Nase voll und jetzt will i nimmermehr. Das ganze Gsicht ist im Eimer, wenn nur a halber Millimeter nit stimmt. Was ist, wann die Leut sagen: aha, wer is des? Nix is. Dann blätterns weiter und die Seite is gelaufen. Dauernd red i, dass das a schöner Beruf ist. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist a Orschhockn.

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NEUESTEN UMFRAGEN
ES SOVIEL UNENTSCHLOSSENE WÄHLER WIE NIE ZUVOR 2000 – 2008 WERNER BERG DER KINDERFRESSER 1932
MANFRED DEIX LAUT
GIBT

Ich bin aufgrund meiner kleinen beruflichen Erfolge, die im Lauf der Jahre zugenommen haben – ich bin irgendeinmal bekannt geworden. Des hat einen Aufwind gebracht und ich hab mir gedacht: hoppala, jetzt geht’s wirklich bergauf und ich bin auf dem Erfolgsweg. Das hat mich sehr froh gemacht. Und meine Frohheit, mein Übermut hat mich zum Alkohol gebracht. Ich hab nit gsoffen aus Trauer oder aus Unglück, sondern aus Übermut – weils ma guat gangen is plötzlich.

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MANFRED DEIX ALFRED GUSENBAUER IM HERBST 2008 2008 WERNER BERG TRINKER 1954
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TISCHGESELLSCHAFT, 1950
WERNER BERG, KLEINE
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DEIX RUSSLAND DROHT MIT GASLIEFERUNGSSTOP 2009 WERNER BERG SICH ANWÄRMENDER MANN 1954
MANFRED
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WERNER BERG DER DICKE SPITALSNACHBAR 1955
Ich halte meine Bilder für hübsch und schön – charmant –ich mache charmante Kunst. Ich mache charmante Bilder.
2011
MANFRED DEIX KALTE SOMMER
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MANFRED DEIX, WAS LIEBEN FRAUEN AM FUSSBALL? MANFRED DEIX, FUSSBALLER FREUDE WERNER BERG, DREI SCHREITENDE MIT SCHIRMEN, 1969

Karikatur ohne Bissigkeit, Drastik, Schärfe ergibt für mich keinen Sinn. Man hat mir oft Geschmacklosigkeit und Brutalhumor vorgeworfen.

Wer denn, wenn nicht Satiriker, soll die Dinge beim Namen nennen?

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MANFRED DEIX ZWEIKLASSENMEDIZIN 2000 – 2008 WERNER BERG DISKUSSION IM AUGENSPITAL 1955

Ich fürchte mich vorm Sterben wie kein anderer. Ich habe irgendwann einmal einen Aphorismus geboren, ich hab gesagt, das Sterben ist wirklich das ALLERLETZTE. Es stimmt in jeder Form. Das Sterben ist wirklich einmal das Letzte, was einem passiert – noch dazu ist es das ALLERLETZTE, das Beschissenste, und ich glaub niemanden, der sagt, ich hab keine Angst vor dem Tod. Das können sie sich einführen, das stimmt wirklich net. Jeder Mensch hat davor die allergrößte Angst. Wie gesagt, ich glaube niemanden irgendwas und ich fürchte mich so unendlich und jeden Tag denk ich daran, dass es heute passieren kann.

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MANFRED DEIX SEX IM ALTER 2012 WERNER BERG FIERANTENPAAR 1962
152 MANFRED DEIX, KAMERA ÜBERWACHUNG
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MANFRED DEIX, WAS EIGENTLICH IST SEXUELLE BELÄSTIGUNG?

Die Schönheit, wenn’s um die Menschen geht, die hab ich nie gesucht. Ich habe nie schöne Menschen malen wollen. Die san zu langweilig und fallt mir nix ein dazu. Mir imponieren Gesichter, Körper, denen man irgendwas ansieht. Wenn ana viel garbeitet hat, dann verformt sich der Körper im Lauf der Jahre und diese Körper haben Kontur. Die kann man nachbilden, da is was. A Dressman mit dem Waschbrettbauch ist langweilig. Der trainiert im Body-BuilderStudio und das ist sowas von fad.

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MANFRED DEIX DIE NEUEN MÄNNER WERNER BERG MANN MIT ZIGARRE 1956
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Komischer Vorgang: ich lern da jemanden kennen – die gebär ich jetzt und entschuldig mich dann bei ihr, weil i so unflätig in ihrem Gsicht herumfahr. Ich belästige die Frau da. Die hat’s vorher nicht gegeben – das war ein weißes Stück Papier – jetzt passiert da irgendwas, kommt jemand auf die Welt. Und ich hab die Frechheit und bohr der in der Nase herum, tüftle herum, korrigier ihre Zähne – da hab ich meistens ein schlechtes Gewissen, weil das muss i ja erklären, damit man das versteht, wie behutsam ich damit umgehe.

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MANFRED DEIX EPIDEMIEN WERNER BERG IM GASTHAUS 1966
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1963 in St. Pölten als mir der Zeichenlehrer gesagt hat: Manfred du musst nach Wien gehen auf die Grafikerschule, da wirst du reich und prominent, hab ich gedacht, kenn i net, waß i net. Grafik - ich hab das Wort zum ersten Mal gehört mit 13 Jahren. GRA-FICK - die Nachsilbe hab ich verstanden, Fick hab i gwusst, was das hasst, GRA-FICK hab i net gwusst, egal. Ich hab das meinen Eltern erzählt: da gibt‘s a Schul in Wien –GRA-FICKER-Schule. Ja, du sollst a Gastwirt werden, oder Fleischer haben di gesagt. Nein, ich will ein GRA-FICKER werden. Erotisches Berufsbild. Gut, dann ist mir das erlaubt worden – ich bin nach Wien gekommen mit fünfzehneinhalb, sechzehn, hab dort inskribiert mit Helnwein, Bernhard Paul und Josef Bramer zusammen - san olte Hawara von mir. Hab damals die Kunst GEATMET.

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MANFRED DEIX HERR WERNER UND SEIN NEUES HEMD 2013 WERNER BERG MANN MIT HUT 1975
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Die nicht unberechtigte Frage nach den symptomatischen Leistungen derzeitiger gegenständlicher Malerei entscheidet gleichwohl nicht gegen ihr Potenzial. Derlei ist nicht statistisch zu belegen. Selbst wenn sie jetzt zu Schwäche und Gewichtlosigkeit verurteilt wäre, könnte dies auf anderer Ebene die Rolle spielen wie der „Atheismus als Läuterung“ (Simone Weil), die Ausschaltung des Salbaders, die zu einer aus dem Ursprung erneuerten Anstrengung zu führen vermöchte.

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MANFRED DEIX DER VORZEITIGE SAMENERGUSS WERNER BERG HÄNDLER 1958

Jeder Satiriker der irgendwie meint mit seinen Zeichnungen etwas bewirken zu können, ob das ein satirischer Schreiber oder Maler oder was auch immer, is am Holzweg. Niemand von den ganzen Spaßmachern oder kritischen Geistern hat irgendwas bewirkt. Des san meine Ventile, die ich verwende und somit ist des quasi der ideale Beruf für mich. Ich brauch niemanden in die Goschn haun, ich brauch niemanden auf der Straßn attackieren, an Tritt in die Eier geben, ich zeichne. Ich komm nachher nach Hause und zeichne. Das is schön.

WERNER BERG GELÄCHTER 1962

WERNER BERG EBERSPRUNG 1959

162
MANFRED DEIX WELTFRAUENTAG
2011

Ich muss ja wissen, wie kaputt die Welt ist, in der ich lebe. Weil ich in einer sehr harmonisch abgeschotteten Welt lebe, mit meinen vielen Katzen, mit meiner lieben Frau. Also ich lebe wirklich im edlen Bereich und seh mir die böse Welt nur virtuell an, oder verirre mich hin und wieder in die Stadt oder in die Sümpfe dieser Stadt, aber ich brauch natürlich Information, um zu wissen, wie beschissen die Menschheit ist. Aber das kriegt man eh jeden Tag mit.

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WERNER BERG HÄNDLER 1952 MANFRED DEIX MÄNNERPANIK WELTWEIT
WERNER BERG, UNTERKÄRNTNER TISCHGESELLSCHAFT, 1951, AUSSCHNITT

Ich hab ein Leben lang, ab meinem 13. Lebensjahr, Interesse für Karikaturen gehabt – als Zwölfjähriger – ich hab immer die Tageszeitungen durchgeblättert und hab einen Mangel der Zeichner erkannt. Ich nie vorgehabt ein Zeichner zu werden – ich war nur talentiert als Kind. Und mir ist damals immer aufgefallen, die Zeichner haben alle ein Problem. Die zeichnen immer ihre Standardfiguren. Das sind immer die Großnasigen mit ihren zwei Augen, mit diesem Glupschmund, mit diesen Glupschaugen. Ich bin draufgekommen, ich erkenne niemanden wieder. Die waren nicht im Stand, die Zeichner, ihren Figuren was Persönliches angedeihen zu lassen. Die waren immer langweilig. Ich hab gewusst, der Loriot ist der mit diesen Pfostennasen, mit diesem Mund, und das war irrsinnig langweilig. Den Loriot verehr ich, er ist ein Heiliger, ein großer Künstler, als Schauspieler ist er unerreichbar, aber als Zeichner ist er Durchschnitt. Und ich hab mich immer geärgert, ich hab mir gedacht, ich will ein bisserl mehr haben. Das, was ich dann eingebracht hab, ist meine innovative Kraft. Ich hab versucht bei irgendwelchen Zeichnungen immer neue Figuren zu erfinden. Und es gibt selten Figuren, die einander gleichen und ich hab tausende Figuren gemacht im Lauf von über 30 Jahren. Mein Vorsatz war, bei jeder meiner Zeichnungen neue Figuren zu erfinden. Und drum gibt’s ein Sammelsurium von tausenden Gesichtern, die ich alle frei erfunden hab. Und drum gibt’s das Phänomen, wenn Leute nach Wien kommen, wenn Deutsche nach Wien kommen, dass sie sagen: das is a Deixfigur und das ist a Deixfigur. Der Begriff Deixfigur ist mittlerweile im österreichischen Wörterbuch. Die Deixfigur ist ein stehender Begriff geworden, jeder weiß, was damit gemeint ist.

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MANFRED DEIX HÖCHSTE ZEIT WERNER BERG DICKER IM SPITAL 1956

WERNER BERG

KUSS

1932

WERNER BERG

SÄNGER

1934

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MANFRED DEIX
CIA-FOLTERPRAKTIKEN
171
WERNER BERG, STROMER, 1980, AUSSCHNITT
174 WERNER BERG MÄGDE UND BETTLER 1932
TAGESTHEMA UNTERWEGER 1989-1993
MANFRED DEIX
175
MANFRED DEIX, FRISUREN FÜR DIE 90ER-JAHRE WERNER BERG, SCHIESSBUDE MIT ZWEI DAMEN, 1977, AUSSCHNITT

Das hat mir so gut gefallen, der Erfolg, der kleine, dass ich gsoffen hab wie ein Loch. Ich hab jeden Tag Rotwein trunken, um das noch zu verstärken. Es war ein tolles Gefühl plötzlich wer zu sein und dann beginnt dieser Prozess, dass man das wirklich täglich braucht. Und dann hat’s halt Krisen gegeben –die Marietta hat das mit sehr kritischem Auge verfolgt und hat mich versucht davon wegzukriegen und ich hab mich beeinträchtigt gefühlt und hab weiter gesoffen. Und dann ist die Zeit gekommen wo ich plötzlich beim Wachwerden diese zitternden Hände gekriegt hab und dann auch die Beine zu wackeln begonnen haben. Da hab ich gewusst: Vorsicht, letzte Stufe! Ansonsten wird’s bedrohlich. Und es ist dann wirklich lebensbedrohend geworden und man hat mir wirklich damals prognostiziert, dass ich in zwei Jahren gestorben wär. Und diese Sache hab ich gestoppt vor sechseinhalb Jahren –Intensivprogramm - Entgiftungsprogramme. Das hat damit zu tun gehabt, dass ich die Situation intellektuell begriffen hab. Ich hab gemerkt, wenn ich da nicht damit aufhöre ... Das Suchtverhalten, dass i damals ghabt hab, ist erledigt, auf ewige Zeiten. Das wird mir nie mehr wieder passieren, weil ich will nie mehr wieder so ein Arschloch sein, das ich damals war. Ich war sehr ungerecht, ich hab mei Frau schlecht behandelt, bin fremd gegangen, hab mich benommen wie eine Sau, wirklich. Ich bin herumgekollert, ich weiß nicht, ich hab drei Tage durchgemacht mit wildfremden Bastarden, das Wort hab ich noch nie verwendet, aber wirklich mit den letzten Typen von Wien, mit Zuhältern, mit Strizzis, mit Orschlöchern, ich hab meine Zeit vergeudet und das hat zwei Jahre gedauert, ich hab zweieinhalb Jahre radikale Zeit gemacht und hab mir wirklich volles Rohr gegeben und in der Zeit hab ich auch gemerkt, ich kann nimmermehr zeichnen. Ich hab mich in der Früh hingesetzt und hab einen Cartoon malen wollen und hab bemerkt, ich kann den Pinsel nicht richtig halten. Ich hätt Zeichnungen liefern müssen und ich hab’s nicht geliefert, weil ich irgendwo versumpft bin. Es ist die Hölle gewesen. Ich war ein widerlicher, stinkender, aus allen Poren triefender Widerling –ein Kotzbrocken.

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MANFRED DEIX BUSEK MODERN 1994
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Meine Holzschnitte könnten in ihrem puren, starken Schwarz-Weiß den Eindruck vermitteln, sie hätten nichts mit der Malerei zu tun.

In Wirklichkeit ist dieses Schwarz-Weiß nur eine Steigerung, eine Konzentrierung, eine Zusammenfassung der gesamten Malerei, wie es denn wenig Holzschnitte gibt, die für mich nicht aus einem ursprünglichen Farbsehen und -empfinden entstanden wären.

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WERNER BERG MANN MIT METSCHÜSSEL 1950 MANFRED DEIX MANN MIT OSCAR
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Frauen sind faszinierend, sind der Traum meiner Bubenjahre gewesen. Ich war immer nur auf Frauen fixiert, die haben mich so interessiert, seit meinem siebten Lebensjahr –da hab ich das erste Mal Doktor gespielt. Da war ich meiner Zeit weit voraus. Ich habe Gesundenuntersuchungen gemacht in Wahrheit – mit gleichaltrigen Mädchen. Das Interesse an der Weiblichkeit ist mir geblieben.

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MANFRED DEIX WELTFRAUENTAG WERNER BERG SCHWANGERE IM GASTHAUS 1952

Soviel mir die Landschaft bedeutet und so sehr mich die Blumen freuen, ist doch der Mensch im Mittelpunkt meiner Darstellung – eigentlich das Thema meiner Malerei: wie sich die Wirklichkeit ins Bildhafte verwandelt und in einer neuen, eben künstlerischen Gestalt auftaucht.

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MANFRED DEIX DIE ZEIT WIRD 60 2006 WERNER BERG BÄURIN UND HÄNDLER 1960

Ich würde mich nie entschuldigen. Weil ich ja die Hässlichkeit nicht auf das Optische anlege, sondern ich hol die Hässlichkeit von innen her. Ich zeichne die Leute nur dann, wie sie meinen, hässlich, wenn ich ihre Eigenschaften ins Gesicht transponiere. Dann werden sie hässlich. Nicht weil sie optisch schiach san – also optisch für das Gesicht kann man wirklich nicht viel. Aber wenn die Eigenschaften des Menschen nicht guat sind, dann muss ich sie ihnen ins Gesicht hauen. Wenn jemand sagt, hallo Sie haben mich hässlicher gemacht als ich bin, dann sag ich, Moment, Sie haben sich hässlich benommen.

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MANFRED DEIX O.T.
190 WERNER BERG SCHNEEMANN 1954

Meine Eltern stammen aus kleinbürgerlichem Milieu, aber sie haben alles erlaubt. Die haben auch meine Wichsvorlagen gefunden. Die haben mich gefragt: das Christkind kommt, was wünscht dir denn vom Christkind? Und ich hab damals gewusst, Kunst ist totlangweilig, aber es gibt Aktmalerei. Damals hat’s den Donauland Buchversand gegeben und ich hab im Katalog gesehen „Meisterwerke der Aktmalerei“ – hab i gesehen a Cover mit nackerte Weiber. Und ich hab gesagt: das hätt i gern, weil das hat mit Kunst zu tun. Und die Eltern haben gsagt: ja brav, sigst es, der Bua hat ein kulturelles Interesse und des hab i zu Weihnachten kriagt.

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MANFRED DEIX GESCHÄFTE MIT DER SCHNEEFRAU
192 WERNER BERG LÄNDLICHES LIEBESPAAR 1958
193
AUF DER
1994
MANFRED DEIX
LIEBE
TOILETTE

Im Alter von 7 oder 8 Jahren in der Volksschule habe ich die ersten sexuellen Impulse erhalten – bissel früh, mag sein – aber es hat mich fasziniert. Ich hab irgendwann einmal eine Nachbarin gesehen und ich hab den nackten Busen von der gsehn und ich hab gewusst: oh, das ist was, was mich sehr interessiert. Als Achtjähriger wohlgemerkt. Und damals hab ich Sexzeichnungen gemacht, für meine Schulkollegen, und hab die verkauft. Nackte Frauen, mit a bissel an Busen, und unten einen Penis dazu, weil ich glaubt hab, Frauen haben das auch. Das hab ich verhökert und ich hab mir pro Tag einen Kaugummi kaufen können, 50 Groschen hat der gekostet. Damals war der Beginn meiner zeichnerischen Karriere, was sich vom Prinzipiellen her nicht mehr verändert hat. Ich hab das damals begonnen und mach das selbe heute.

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WERNER BERG IM GASTHAUS 1959 MANFRED DEIX GEN BEDINGTE UNTREUE DER MÄNNER? 1994
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Zwei Vorgegebenheiten haben wesentlich dazu beigetragen, dieses Einfühlen und Einfügen zu ermöglichen. Die eine war das stete Angeschlossensein an den alten, weiten Stromkreis des Katholischen ohne das die tiefere und vertrautere Beziehung zu den Menschen hier undenkbar gewesen wäre. Die andere Bindung wurzelt im „Volk“, womit ich jetzt nicht die nationale Besonderung meine, sondern die nährende Humusschicht menschlicher Gemeinschaft.

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MANFRED DEIX HEILIGER STUHL WERNER BERG GEISTLICHER 1952
Ich kämpfe nicht mit Schaum vor dem Mund gegen die Kirche, sondern ich amüsiere mich.
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WERNER BERG PRIMIZ 1959 MANFRED DEIX BOOGIE WOOGIE 2013
WERNER BERG, PREDIGER, 1953, AUSSCHNITT

Ich bedenke vieles und prüfe die eigene Situation dann allemal streng bis an die Grenze meines Bewusstseins. Machen, Konvention, Betrieb und soviel nachgerade zum Landläufigen umgestülptes Hintergründige wollen sich mir nicht recht mit der schicksalhaften, inneren Figürlichkeit eines Künstlers, der sich erst in einem ganzen Leben erweisen kann, in Einklang bringen lassen.

202
WERNER BERG PFARRER 1949 MANFRED DEIX PATER HUBERTUS GILT ALS SCHWARZES SCHAF 2013

Meine Heimatstadt, St. Pölten ist zum erstenmal seit es diese Stadt gibt und die gibt’s seit dem 13. Jahrhundert –war nie in den Medien, aber sie ist zum ersten Mal groß aufgefallen durch diesen Priesterseminarskandal – weltweit – in Kalifornien hat man das Fernsehen eingeschaltet, hat ma St. Pölten gehört – meine Heimatstadt wird plötzlich populär und bekannt. Und dem hab ich mich natürlich mit großer Begeisterung angenommen, toll.

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BERG PREDIGER 1955
WERNER
EIN BLICK MUSS GESTATTET SEIN 2013
MANFRED
DEIX
206
MANFRED DEIX PAPST BELLO I: „HABEMUS HUNDI“
KOMMUNION 1950
WERNER BERG
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DEIX ZWEI PRIESTER ERZÄHLEN SICH WITZE ÜBER DEN TEUFEL 2013
BERG PREDIGER 1956
MANFRED
WERNER

Mir geht’s echt gut, ich kann von Glück reden, aber noch glücklicher wär ich, wenn ich mich austoben könnte und alles vollzeichnen könnte, was rundherum an Fläche da ist. Ich möcht alles vollpinseln, vollmalen, vollzeichnen und herauslassen, was ich an Witzigem in mir hab.

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MANFRED DEIX ARNOLD SCHWARZENEGGER WERNER BERG DICKER 1963

Ich möchte good vibrations erzeugen.

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SOMMER WERNER BERG KAMERADEN 1934
MANFRED DEIX

Erotik hat in meinem Leben eine große Rolle gespielt. Ich kann nichts dafür, ich hab’s mir nicht ausgesucht. Der Herrgott hat es so gewollt, der hat mich so geformt und ich bin sein Kind.

214 214
WERNER BERG IM GASTHAUS 1953 MANFRED DEIX DIE PROSTITUTION

Ich bestimme meine Themen selber

seit Jahren. Ich hab keine Möglichkeit vorher zu sagen, was es werden wird. Wie ein Komponist. Ich vergleiche mich hier mit dem John Lennon zum Beispiel, der hat sich a ans Klavier gesetzt, oder an die Klampfe. Hat a nit gewusst, jetzt schreib i the Ballad of John and Yoko – des hat er sich nicht überlegt. Irgendwas passiert – und auf amol is da. Das kann man nicht steuern, ist nicht steuerbar.

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MANFRED DEIX ANSTEIGEN DER SOMMERLICHEN TEMPERATUREN WERNER BERG TOURISTEN 1959
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Wo wir auch stehen und wie wir uns auch geborgen fühlen, ich glaube immer mehr, dass wir alle Gegensätze lebenslang in uns auszutragen haben und keinerlei Versicherung abschließen können und dürfen. Auch und gerade das Christliche darf sich nicht mit den billigen Schablonen zufriedengeben, in die es nur zu leicht abgleitet. Von daher auch die Bedeutung des Anfechtenden, des Rebellen, des Immer-neuin-Frage-Stellens und Suchens gegenüber dem Salbader, der zurückstößt und peinlich nach Selbstgerechtigkeit = Selbstüberheblichkeit schmeckt.

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MANFRED DEIX VATIKANSCHRECK UND RÄDELSFÜHRER WERNER BERG KRUZIFIX UND PRIESTER 1933
220 WERNER BERG BETENDER KL. MANN 1953
MANFRED DEIX HITLERS GEBET
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MANFRED DEIX DEUTSCHE SKIZZEN
224 WERNER BERG OČE 1959 MANFRED DEIX DIESE UNERTRÄGLICHEN GELSEN
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WERNER BERG, SCHIESSBUDE, 1958, AUSSCHNITT
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Ich bin aus der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt hinausgeworfen worden, weil ich Christus verunziert habe in Zeichnungen. Ich hab mich a bissel über Religion lustig gemacht. Das war der Grund meines Hinauswurfs. Dann bin ich allerdings auf die Akademie der bildenden Künste gegangen, dort haben mich die Professoren reihenweise hinausgeschmissen, weil ich nie hier war, weil mir das Kaffeehaus wichtiger war. So ist das halt gekommen, dass ich mit 21 Jahren Freelancer geworden war. Ich hab immer noch inskribiert und wollte nur eingeschrieben sein, um dem Bundesheer zu entweichen. Das ist fast erfolgreich gelungen, nur im Alter von 33 Jahren hat mich das Militär doch noch kassiert und ich hab das verweigert. Ich hab gesagt, ich greif keine Waffe an, keinen Helm, keine Uniform – nix. Nach 4 Tagen Haft, ich bin im Zuchthaus gesessen, im normalen, bin jeden Tag mit Mördern und Schwerverbrechern im Innenhof spazieren gegangen, eine Stunde lang. Und die ham dann gemerkt, mit mir geht’s nicht, mit mir ist kein Staat zu machen, ich bin nicht einordbar, mit mir gibt’s Probleme. Das hab ich denen erklärt. I hab gsagt: bitte, net mit mir.

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MANFRED DEIX PENTHAUSARREST WERNER BERG BÄURIN UND GENDARM 1961
MANFRED DEIX, HERRENMODEHIT: ZOPF, 1994
FÜR FRAUEN
MANFRED DEIX, PENSIONSANTRITTSALTER WERNER BERG, ZWEI BAUERN, 1947, AUSSCHNITT

WERNER BERG EINÄUGIGE UND IHRE FREUNDIN 1981

234 WERNER BERG MAGD 1932

Dieses Unterkärnten, in dem wir hausen, ist ein Kleinbauernland, nicht sonderlich fruchtbar, aber emsig bearbeitet, sehr schön und, anders als etwa Tirol, von vielfältig reizvoller Gliederung.

Es ist auch ganz anders, eigenartiger als die propagierte Vorstellung von Belle Autriche.

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MANFRED DEIX, O.T., AUSSCHNITT

Nichts ist mir angenehmer, als zu hören, dass das gut angekommen ist, dass die Leute sehr gelacht haben oder entsetzt waren. Das Feedback ist mir soo bedeutend. Ich habe eigentlich gar keine Vorbilder gehabt, weil mich das nie interessiert hat. Ich hab mich nur für meine eigenen Bilder interessiert. Vorbilder? Wilhelm Busch würd ich sagen.

Beeinflusst bin ich irrsinnig geworden durch die Frankfurter Schule, Wächter, Gernhardt, Traxler, diese Leute. Das waren meine künstlerischen Väter in Wahrheit, denen verdanke ich eine Menge. Durch die hab ich den Mut bekommen, Bildergeschichten zu machen, das, was man eben kennt, oder das, was die Leute noch nicht kennen – wird höchste Zeit, dass sie‘s einmal kennenlernen. Diese Lehrerschaft hatte ich - und es sind durch die Bank Deutsche – große Genies.

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SEXUALLEBEN

WERNER BERG ZU LORENZI 1966 MANFRED DEIX STUDIE ÜBER DAS
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MANFRED DEIX MANN VON HINTEN WERNER BERG
1933
ROSSHÄNDLER

Die Hingabe an die „kleinen“ Ereignisse, die Hochschätzung des „kleinen“ Volkes –alles unter Anführungszeichen – ist für mich von großem Belang. Und daraus erwächst eine strenge Gestaltung und nicht nur ein anekdotisches Mätzchen.

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BÄRTIGER 1934
WERNER BERG MANFRED DEIX MANN VON VORNE
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BETTLER 1932
WERNER
BERG MÄGDE UND
MANFRED DEIX OHNE TITEL

Ein eigenes und nicht geringes Kapitel würde es ausmachen, zu untersuchen, was aus einer hermetisch-mythischen Tiefenschicht, die man zu schnell und zu billig als „Folklore“ etikettiert, gerade in die Moderne eingeflossen ist, in der Musik, in der Dichtung wie in der bildenden Kunst.

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ELVIS WERNER BERG HÄNDLER 1969
MANFRED DEIX WERNER BERG, BLINDER IM GASTGARTEN, 1961, AUSSCHNITT

Was mir wirklich passiert, ohne dass ich es will: es kommt wer, ich lerne jemanden kennen, oder ich sehe jemanden das erste Mal und innerhalb der ersten drei Sekunden fallen mir alle seine optischen Schwächen auf. Des hab i nie trainiert, es ist so. Da is ana und ich merk genau, der hat hier irgendetwas, was nicht stimmt oder da is was – ich könnte den auf der Stelle karikieren.

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MANFRED DEIX HOCHZEIT IM HAUSE HABSBURG WERNER BERG HOCHZEIT 1975
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253 WERNER BERG GASTHAUS 1952 MANFRED DEIX OHNE TITEL
MANFRED DEIX, DIE NEUEN STEUERN MANFRED DEIX, TÄTOWIERUNGEN
256
DEIX HERUMGEHACKE AUF WOLFGANG SCHÜSSEL WERNER BERG MANN MIT KORB 1937
MANFRED
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„SOLLTE

IRGENDJEMAND

LACHEN, MUSS ICH

PEITSCHIPEITSCHI

MACHEN“

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MANFRED DEIX WERNER BERG SIMON 1947
1956
WERNER BERG, VIEHMARKT,
262 WERNER BERG MANN MIT STORCH 1957
MANFRED DEIX VERWANDTSCHAFTSVOGEL
264
1972
WERNER BERG, DAVONEILENDE
DAME IN PINK 2013
MANFRED DEIX
266 WERNER BERG WARTENDE MARKTFAHRERIN 1933
STÖRUNG BEIM IMBISS 2013
MANFRED DEIX
268 MANFRED DEIX ALLES GUTE KOMMT VON OBEN 2015 WERNER BERG GÄHNENDE UND KUH 1932
270 WERNER BERG DER DICKE SPITALSNACHBAR 1955
ZEIT IM BILD (ZIB 2) 2013
MANFRED DEIX,

Ab meinem dritten Lebensjahr war ich zeichnerisch aktiv, das hat mir meine Mutter erzählt:

Manfred, du hast als Kind jede Brottüte – jedes Stück

Papier hab ich bezeichnet. Bekritzelt und so und das hat sich gehalten.

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WERNER BERG WÜRSTE ESSENDES BAUERNPAAR 1952
MANFRED DEIX
SENF,
2013
FRANKFURTER MIT SEHR HEIKEL
HERAUSSCHAUENDES BAUERNPAAR,
WERNER BERG, AUS
DEM ZUG
1980, AUSSCHNITT
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DEIX HILDE GESTATTET WOLFGANG EINEN BLICK INS PARADIES 2013 WERNER BERG MANN UND MÄDCHEN 1952
MANFRED

Mir ging es immer darum, das Leben vor die Gestalt zu setzen,

diese aus seinem Reichtum zu gewinnen.
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MANFRED DEIX ABSCHIEDSKUSS 2012 WERNER BERG FUSSKUSS 1932

Frauen und Mitziekatzen – Tatsache – ist ein blöder Vergleich und es ist nicht frauenfeindlich, es ist so, dass ich ab meinem sechsten Lebensjahr mit Katzen zu tun hatte. Katzen sind das Genialste, was dieser Onkel da oben zuwege gebracht hat – vom Design her, vom Charakter her. Katzen sind das Tollste überhaupt, sind die tollsten Lebewesen, die ich kenne.

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MANFRED DEIX DIE HEILIGE FRANZISKA 2013 WERNER BERG SCHIESSBUDE MIT PLÜSCHTIEREN 1977
WERNER BERG, AUF DEM RAD, 1971, AUSSCHNITT

Ich werde weiterhin meine Bilder machen, meine Mitziekatzen streicheln, meine Lieblingsmusik hören und mit der Marietta ein verliebter Bursche sein. Mehr hab i nit vor.

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MANFRED DEIX DER TRAURIGE HANNES MIT DER GROSSEN NASE 2013 WERNER BERG DREI FRAUEN 1933

Da steh ich wieder in einem bösen Licht

da und da glaubt jeder, ich bin nur geil und hab nix anderes als nackerte Weiber im Schädel und das muss verhindert werden!

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DER STRAHL 1993
MANFRED DEIX

1949 wird Manfred Deix als zweites Kind von Johanna (1920–2015) und Franz Deix im niederösterreichischen St. Pölten geboren, er wuchs dort und später in Böheimkirchen auf, wohin seine Eltern übersiedelten, um dort das von ihnen gepachtete Gasthaus „Zur blauen Weintraube“ zu betreiben. Deix‘ Vater hatte einen Arm im Zweiten Weltkrieg „in Russland zurückgelassen“. Im Rückblick sagte Deix 2002, dass Kriegsinvaliden für ihn etwas „Alltägliches waren“ und er „mit 2, 3 Jahren andere Väter mit zwei Armen für missgebildet“ hielt. „Ich war dann härter im Umgang mit Kriegsveteranen, die von dieser Sache nach wie vor schwärmen … die verspotte ich gnadenlos … die Kameradschaftsbündler, … die ich gesehen hab“

1955-1958 besuchte er die Daniel-GranVolksschule, danach für ein Jahr die Hauptschule (nach dem Willen der Eltern sollte er Wirt, Fleischhauer oder Fliesenleger werden) und dann, da man sein Talent erkannte, von 1960 bis 1965 das Bundesrealgymnasium in St. Pölten. Bereits als Sechsjähriger erregte Deix durch „erste Verkäufe von Nackertzeichnungen an die aufgeweckteren Mitschüler (Stückpreis 10–15 Groschen)“ Aufsehen, wie er selbst schrieb.

1958 Mit neun malte er ein erotisches Daumenkino aus 100 Zeichnungen einer Frau, die sich auszieht. „Das Höschen hat sie anbehalten,“ erzählte er später, „weil ich nicht wusste, wie es darunter aussieht.“

1960 Erste wöchentliche Comicstripserie in der Niederösterreichischen Kirchenzeitung. Als er mit elf an einem Zeichenwettbewerb des ORF teilnahm, wurde er mit der Begründung „Wir wollen Zeichnungen von Kindern, aber nicht von Erwachsenen und Profis“ disqualifiziert. Deix hatte sein Bild zum Thema „Der Rattenfänger von Korneuburg“ eingeschickt. Bemerkenswerterweise war es sein Religionslehrer, der ihm 1960 – trotz der immer anstößiger werdenden Bilder – die Chance gab, erste Cartoons in der wöchentlichen Niederösterreichischen Kirchenzeitung zu veröffentlichen. Für 52 seiner 4-Bilder-

Mein künstlerischer Auftrag ist der, mich über die Menschen lustig zu machen. Mehr hab ich nicht drauf. Ich bin ein schlichtes Gemüt. Ganz einfach. Ich werd immer lachen, wenn wer auf der Straßen fahrt mit dem Fahrrad, reißt a Brezn und macht an Sturz. Bin ich der, der sagt: hahaha.

Comicstrips in diesem Jahr – über zwei deutsche Pfadfinder, die in Afrika einen Araber-Buben befreien, der zuletzt in Europa sagt: „Ich möchte Priester werden“ – erhielt Deix 1000 Schilling Honorar.

1965 Eintritt in die Höhere Graphische BundesLehr- und Versuchsanstalt, Wien, gemeinsam mit Josef Bramer, Gottfried Helnwein und Bernhard Paul. Die Ausbildung endete wegen „Schulschwänzen“ nach zweieinhalb Jahren vorzeitig durch einen Schulverweis.

1968 Beginn des Studiums an der Akademie der bildenden Künste, Wien. Das Kunststudium brach er 1975 nach 14 Semestern ohne Abschluss ab.

1972 Erste Veröffentlichungen in den Magazinen Profil, Trend, Economy

1978 Titelblätter und Zeichnungen für die Periodika Stern, Der Spiegel, Pardon, Tempo, Titanic, Playboy, Die Zeit

1980 Erstes Buch: „Cartoons von Manfred Deix“ (Trend, Wien)

1983 Zweites Buch: „Cartoons de Luxe“ (Orac, Wien)

1984 Heirat mit Marietta in Las Vegas. Erster persönlicher Kontakt mit den Beach Boys in Los Angeles

1985 Erstes TV-Porträt: „Manfred Deix“ für die ORF-Serie Ohne Maulkorb. ORF-TV-Porträt: „The Beach Boys“ mit Manfred Deix. Drittes Buch: „Deix. Satiren aus Wien“ (Hg. Hans Traxler; Zweitausendeins, Hamburg) Es entstanden persönliche Kontakte zu den Titanic-Zeichnern Hans Traxler, Chlodwig Poth, F. K. Waechter und Robert Gernhardt.

1986 Ausstellung in der Galerie am Chamissoplatz, Berlin. Viertes Buch: „Mein Tagebuch“ (Jugend & Volk, Wien)

1987 Gestaltung eines Plakates für Brechts Arturo Ui am Wiener Burgtheater. TV-Film: „Küss’ die Hand, Österreich – Manfred Deix und seine Bilder“ (Regie: Peter Hajek; ORF, ZDF, SRG, 3sat; 45 Minuten). Angebot einer Professur an der Hamburger Fachhochschule für Gestaltung (wegen Arbeitsüberlastung abgelehnt).

1988 Verleihung des Nestroy-Ringes der Stadt Wien. Ausstellung im Palais Palffy, Wien.

1988 erlitt Deix – nicht zuletzt aufgrund seines exzessiven Lebenswandels („ich arbeite, zeichne, rauche, saufe“) – einen Lungeninfarkt und übersiedelte nach dem Klinikaufenthalt nach Klosterneuburg-Weidling.

1989 Fünftes Buch: „Augenschmaus“ (Diogenes, Zürich; mit einem Vorwort von Billy Wilder)

1990 Ausstellung im Stadtmuseum Heilbronn. Entwurf der Masken für die Oper „Kehraus um St. Stephan“ von Ernst Krenek, Wiener Staatsoper 1991 Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum Hannover. Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Ausstellung im Stadtmuseum Ludwigshafen. Sechstes Buch: „Der Männer-Report“ (Diogenes, Zürich; mit einem Vorwort von Thomas Gottschalk)

1992 Deix-Porträt in der englischen BBC-TV-Serie Schofield’s Europe

1993 Siebentes Buch: „Küss’ die Hand“ und Taschenbuch: „Geisterfahrer“ (beide Diogenes, Zürich)

1994 CD-ROM: “The Best of Manfred Deix, Volume 1”

1995 Achtes Buch: „Deix am Sonntag“ (Diogenes, Zürich). Goldene Schallplatte für die CD „Musik aus Ameriga“ (Manfred Deix und die Good Vibrations Band; Arcade). Ab diesem Jahr wöchentliche Cartoons für das Magazin News. Alkoholbedingter Zusammenbruch, der den Zeichner veranlasste, eine „brave Phase“ einzulegen.

1998 Neuntes Buch: „Das neue Deixbuch“ (Libro, Wien)

1999 Gestaltung von 14 Bildern auf 1600 m² Fassadenfläche des Grazer Rathauses. Live on stage mit den Beach Boys (3 Songs) beim Wiener Donauinselfest

2000 Ausstellung: „Good Vibrations“, Kunsthaus Wien. Kulturpreis 2000 der Stadt Klosterneuburg 2001 Erstes Treffen mit „Zeichengott“ Robert Crumb in Krems. Eröffnung des Karikaturmuseum Krems, Ausstellung: „Die Welt des Manfred Deix“

291
BIOGRAFIE MANFRED DEIX

2002 Zehntes Buch: „Illustrierte Gedichte“ (Zweitausendeins, Frankfurt am Main)

2003 Ausstellung: „Die Welt des Manfred Deix II“, Karikaturmuseum Krems, mit Ausstellungskatalog; Ausstellung: „Die Welt des Manfred Deix“, Kunsthaus Köflach

2004 Ausstellung: „Die Welt des Manfred Deix“, Museum für Komische Kunst – Caricatura im Historischen Museum in Frankfurt am Main. Elftes Buch: „Der dicke Deix. Arbeiten von 1998 bis 2004“ (Carl Ueberreuter, Wien)

2005 Verleihung des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien

2006 Ausstellung und interaktive CD-ROM: „Deix in the City“, Karikaturmuseum Krems, mit Ausstellungskatalog. Zwölftes Buch: „Der Dichter Deix. Gedichte, Bilder und Privates“ (Carl Ueberreuter, Wien)

2007 Dreizehntes Buch: „Arnold Schwarzenegger. Die nackte Wahrheit“ (Carl Ueberreuter, Wien). Ausstellung: „Deix in the City“, Wilhelm-BuschMuseum Hannover. Vierzehntes Buch: „Das große News & Deix Jubiläumsbuch“ (Carl Ueberreuter, Wien)

2008 Ausstellung: „Deix in the City“, Ludwig Galerie Schloss Oberhausen

2009 Verleihung des Berufstitels „Professor“. Fünfzehntes Buch: „Der goldene Deix“ (Carl Ueberreuter, Wien). Ausstellung: „Das ist Deix“, Karikaturmuseum Krems, bis 2012, mit Ausstellungskatalog

2012 Ausstellung: „Für immer Deix!“, Karikaturmuseum Krems, mit Ausstellungskatalog zu den Arbeiten aus der Sammlung des Landes Niederösterreich. Die Dauerausstellung im Karikaturmuseum Krems wird permanent gezeigt und jährlich aktualisiert.

2013 Sechzehntes Buch: „Der heilige Deix“ (Ecowin, Salzburg)

2014 Deix, der politisch engagierte Mensch, der sich auch für Tierschutz und 2009 bis 2010 für die Tierrechtspartei einsetzte, erlitt im Herbst 2014 einen Lungeninfarkt, dem ein mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt folgte; als ehemaliger Kettenraucher stellte er seinen Zigarettenkonsum danach auf E-Zigaretten um.

Siebzehntes Buch: „Neue Zeichnungen“ (Carl Ueberreuter, Wien) Aktualisierung der Dauerpräsentation „Für immer Deix!“, Karikaturmuseum Krems.

2015 Achtzehntes Buch: „Tierwelt. Katzen & Co“ (Carl Ueberreuter, Wien)

2016 Im Jänner wird die Ausstellung „Für immer Deix!“ neu aufgestellt und mit den Deix Blitzblättern und der Deix‘schen Fischkunde ergänzt. Manfred Deix stirbt am 25. Juni 2016 nach schwerer Krankheit, begleitet von seiner Frau Marietta im Kreise seiner 23 Katzen.

2017 Am 13. Mai 2017 wird die Dauerpräsentation „Immer wieder Deix!“ im Karikaturmuseum Krems eröffnet.

Wikipedia vermerkt zu Deix‘ Arbeitsweise und Stil: Als Graphiker arbeitete Deix vorzugsweise in Aquarell. Die Wahl feiner gestalterischer Mittel wurde dabei kontrastiert durch Bildinhalte, die in Themenwahl und Deutlichkeit oft Tabugrenzen überschritten. Dabei waren die Werke allerdings stets getragen von einem hohen moralischen Impetus, da Ironie und Sarkasmus stets im Dienste der Gesellschaftskritik oder der Aufdeckung institutionellen oder persönlichen Fehlverhaltens standen.

Zielscheibe des teilweise ätzenden Spottes waren zum einen österreichische, aber auch internationale Politiker sowie zum anderen das gemeine Volk, „ein grelles Gesamtfritzeltum, ausgeliefert einem unstillbaren Verlangen nach ‚Göd‘ (Geld) und ‚Schnackseln‘“. Besonders hart attackierte er den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider. Darstellungen Haiders u. a. als Kampfhund, Hannibal Lecter oder Tiger führten zu diversen Klagen Haiders. Ebenfalls augenfällig sind Deix’ Volks-Darstellungen: Zechgelage, (Kinder-) Pornokonsumenten oder sich sexuell betätigende Kleriker wurden zum Thema einer tabulosen Satire. Gleichzeitig praktizierte Deix große Volksnähe, die ihm erlaubte, den von ihm reklamierten „liebevollen Blick auf die Österreicher“ aus einer Haltung der

Empathie heraus zu entwickeln und sich selbst als Gegenstand der Ironisierung nicht auszusparen. Selbstporträtierungen und Autobiografisches waren daher nicht weniger ironisch-sarkastisch als andere Arbeiten.

Zahlreiche Karikaturen Deix’ sind mit von ihm selbst verfassten Texten versehen, welche häufig die Form durchaus eigenständiger Gedichte haben. Analog zur Kontrastierung zwischen feinen Gestaltungsmitteln und explizit Dargestelltem im Grafischen verwendete er im Text einen witzigen, mitunter fast kindlichen Ton, dem in der Wortwahl die explizite Benennung von Sexualpraktiken, Fäkalien und Vulgärausdrücken entgegengestellt werden.

Aufgrund seines provozierenden Stils und der – oft auch kirchenkritischen – Inhalte sind die Arbeiten Deix’ durchaus umstritten, werden aber auch gerade wegen dieser Eigenschaften hoch geschätzt. Seitens der Kunstkritik war Deix zum Zeitpunkt seines Todes anerkannt, viele seiner Karikaturen sind Klassiker und gelten als stilprägend. Dabei hat sich in Österreich sogar sein Name als Synonym für einen bestimmten Menschentyp eingebürgert, der in Verhalten und Aussehen an seine Karikaturen erinnert: die „Deixfigur“, auch im Duden und im Österreichischen Wörterbuch erwähnt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Deix

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WERNER BERG, ARME SÜNDER, 1948, AUSSCHNITT

1904 wurde Werner Berg am 11. April in Elberfeld (Wuppertal) geboren.

1917 fiel sein älterer Bruder Alfred in einer der Marne-Schlachten, kurz darauf starb auch der Vater.

1922 absolvierte Werner Berg eine Handelslehre in einer Fabrik in Elberfeld-Sonnborn, da er seinen seit Kindheit bestehenden Wunsch Maler zu werden, vorerst nicht verwirklichen konnte.

1923 begann er ein Studium der Handels- und Staatswissenschaften in Köln und Bonn.

1924 zog er zur Fortsetzung seines Studiums nach Wien, dort lernte er Amalie Kuster, „Mauki“, seine spätere Frau kennen.

1927 promovierte Werner Berg, wie auch seine Gefährtin Mauki, mit Auszeichnung zum Doktor rerum politicum. Er begann, anstatt die sich bietende Universitätslaufbahn einzuschlagen, das Studium der Malerei an der Wiener Akademie bei Karl Sterrer.

1928 Wanderungen, die „Walz“ führten ihn, zusammen mit Rudolf Szyskowitz und Leopold Birstinger, durch die Alpentäler und Berge Salzburgs. Er überlegte, sich im Lungau anzusiedeln. In Salzburg wurde Tochter Ursula geboren.

1929 wurde er an der Münchner Akademie Komponierschüler von Karl Caspar.

1930 heiratete er Amalie „Mauki“ Kuster. Am 6. Oktober 1930 erwarben sie den Rutarhof, eine entlegene Bergwirtschaft im slowenisch-sprachigen Grenzgebiet Südkärntens.

1931 erfolgte die endgültige Ansiedlung auf dem Rutarhof. Gemeinsam mit seiner Frau und dem befreundeten Dichter Kurt Sachsse bewirtschaftete Werner Berg von nun an unter einfachsten Bedingungen den Bauernhof. Klara, die zweite Tochter wurde geboren.

1932 besuchte er erstmals Emil Nolde in Berlin. Dieser wurde zu seinem entscheidenden künstlerischen Vorbild. Emil und Ada Nolde nahmen ihn gastlich auf und machten ihn auch mit dem Maler Werner Scholz bekannt.

1933 besuchten Ursel und Werner Scholz den Rutarhof. Nochmals suchte Werner Berg Emil Nolde in Berlin auf. Dieser begegnete Werner Berg mit Wertschätzung und war gleichzeitig

Ich wollte mich ja nur dem Leben ausliefern, das Malen daraus zu gewinnen.

bedacht, den jungen Künstler nicht zu sehr zu beeinflussen.

1934 zeigte – auf Vermittlung Emil Noldes – die renommierte Galerie Von der Heyde am Schönneburger Ufer in Berlin eine Einzelausstellung Werner Bergs, die in der Folge von mehreren deutschen Kunsthäusern übernommen wurde. In einem Zustand starker Nervenanspannung brach Werner Berg jedoch die Beziehung zu seinem „väterlichem Freund“ Emil Nolde ab. Was ihn dazu veranlasst hatte, ist bis heute unklar. Auch die Freundschaft zu Ursel und Werner Scholz zerbrach. Sohn Veit wird geboren.

1935 wurde eine Personal-Ausstellung Werner Bergs im Kölner Kunstverein polizeilich gesperrt. Geburt der Tochter Hildegard.

1936 wurde Werner Berg aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen, was die Untersagung der Berufsausübung mit Mal- und Ausstellungsverbot in Deutschland bedeutete. Um die Wiederaufnahme in die Reichskunstkammer zu ermöglichen und gegen fortgesetzte Anfeindungen geschützt zu sein, trat Werner Berg 1936 der Auslandsorganisation der NSDAP bei. Anfang 1936 hatte der Freund Kurt Sachsse nach zunehmenden Spannungen den Rutarhof verlassen. Haltlos verbrachte Sachsse mehrere Monate in Deutschland, bevor er sich in Freiburg im Breisgau am Todestag Heinrich von Kleists erschoss. Schwere Schatten hatten sich nun auf das so enthusiastisch begonnene Projekt auf dem Rutarhof gelegt.

1937 Diffamierung und Beschlagnahme von Bildern anlässlich der Aktion „Entartete Kunst“. 1940 absolvierte Werner Berg freiwillig eine Ausbildung zum Sanitäter. Tochter Anette wurde geboren.

1941 war eine Teilnahme an der großen Präsentation der Kärntner Künstler in Salzburg vorgesehen, letztlich fand Werner Bergs darstellerische Konzentration auf die slowenischsprachigen „Windischen“ das Missfallen von Helmut Bradazcek, dem für die Ausstellungskonzeption verantwortlichen Leiter der Kärntner Landesgalerie. Werner Berg war wiederum zu keinen Konzessionen in der Motivwahl bereit.

1942 bis 1945 war Werner Berg als Sanitätssoldat und Kriegsmaler in Finnland und Norwegen. 1943, als Werner Bergs Förderer Erwin Bauer und Wilhelm Rüdiger seine Bilder vom Rutarhof in einer Ausstellung junger deutscher Kunst im Goethe Museum in Weimar zeigen wollten, verhinderte dies der Einspruch einer aus Berlin eigens angeforderten Sittenkommission. Unter dem Schutz der Wehrmacht konnte Werner Berg jedoch 1943 eine Ausstellung seiner „Bilder von der Eismeerfront und aus Nordkarelien“ im Klagenfurter Kunstverein eröffnen. Ein Bombenangriff auf Elberfeld zerstörte Werner Bergs Elternhaus, seine Schwester Clara starb dabei. Seine Mutter war zufällig auf dem Rutarhof und verblieb fortan in Kärnten.

1944 zeigte die Galerie Welz in Wien Werner Bergs Landschaften aus Norwegen und Finnland. Die Pressebesprechungen hoben das Fehlen militärischer Motive und die sachlich ernste Konzentration auf eine kalte, weite, unberührte Landschaft hervor, deren tiefer Frieden im Gegensatz zu den Kriegsgräuel gesehen wurde.

1945 besuchte Werner Berg, noch betroffen vom Tod Edvard Munchs, im April dessen Schwester Inger in Ekely. Den Krieg beendete Werner Berg als Obergefreiter. Er kam in ein Internierungslager nach Hamar und konnte erst im Spätherbst 1945 auf den Rutarhof zurückkehren.

1947 erhielt Werner Berg die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Durch seine frühere Mitgliedschaft bei der NS-Partei musste er sich einer Entregistrierung nach dem Verbotsgesetz unterziehen, welche ihm jedoch eine „einwandfreie und ausgesprochen antifaschistische politische Einstellung“ bescheinigte. Die Tatsache als einziger der Kärntner Maler in der Ausstellung „Entartete Kunst“ vertreten gewesen zu sein, sowie seine, auch zu Zeiten des NS-Regimes nicht geänderte künstlerische Zuwendung zur slowenischen Volksgruppe, wurde dabei besonders hervorgehoben. Werner Berg trat dem Art Club in Wien bei.

1949 stellte Werner Berg in der Galerie Welz (Würthle) in Wien aus. Viktor Matejka, Kulturstadtrat von Wien unterstützte Werner Berg

297
BIOGRAFIE WERNER BERG

durch Bildankäufe und zeigte diese auch Oskar Kokoschka, welcher sich sehr zustimmend zu den Bildern äußerte. Junge Maler, wie Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Herbert Breiter und der Grafiker Paul Flora suchten den Rutarhof auf.

1950 war Werner Berg auf der Biennale in Venedig vertreten.

1951 lernte er die Dichterin Christine Lavant kennen, deren herausragende Bedeutung er als einer der ersten erkannte. Die beiden Künstler verband eine schicksalhafte Liebe.

1955 kam es zum psychischen Zusammenbruch. Werner Berg versuchte seinem Leben ein Ende zu setzen. Er konnte gerettet werden, doch infolge mehrerer Komplikationen musste er fast das ganze Jahr im Krankenhaus verbringen. Gefestigt und bestimmter fand er danach zu neuer Schaffenskraft. Es folgten eine Reihe größerer und bedeutender Ausstellungen.

1956 zeigte die Österreichische Galerie im Belvedere Werner Berg in einer Einzelausstellung.

1957 folgten Ausstellungen Werner Bergs im Österreichischen Kulturinstitut in Paris und der Moderna Galerija Ljubljana.

1958 wurde Werner Bergs bisher intensivstes Schaffensjahr, es entstanden über 60 Ölbilder.

War Werner Berg in früheren Jahren durch die selbstgewählte Arbeit als Bauer oft wochenlang nicht zum Malen gekommen, so wurde er nun in der Landwirtschaft weitgehend von seinem Sohn Veit und der jüngsten Tochter Annette entlastet.

1961 unterbrachen die Vorbereitung einer in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München gezeigten Ausstellung noch einmal eine weitgehend unbehinderte Periode stetigen Schaffens. Danach entsagte Werner Berg für Jahre dem Ausstellungsbetrieb, der seiner Kunst auch nicht gerade wohlgesinnt war. Sämtliche an ihn herangetragenen Projekte lehnte er konsequent ab.

1964 war Werner Berg In der Unesco Ausstellung „Friede, Humanität und Freundschaft unter den Nationen“ in Slovenj Gradec prominent vertreten und wurde zusammen mit Henry Moore und Ossip Zadkine zum Ehrenbürger ernannt.

1968 wurde auf Anregung des Lebzelters Gottfried Stöckl die „Werner-Berg-Galerie der Stadt Bleiburg“ als ständige monografische Schau errichtet.

1969 ernannte die Stadt Bleiburg Werner Berg zum Ehrenbürger.

1970 starb Mauki Berg. Werner Berg fühlte sich für ein Jahr unfähig zu weiterer künstlerischer Arbeit. Die 1970er Jahre waren trotz großer Schaffenskraft von zunehmender Verdüsterung seiner Lebenssituation auf dem Rutarhof gekennzeichnet.

1971 zeigte die Koroška galerija likovnih umetnosti in Slovenj Gradec die bisher umfangreichste Retrospektive Werner Bergs. Er wurde zum Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Gallizien ernannt.

1973 erhielt Werner Berg den Kulturpreis des Landes Kärnten. Kristian Sotriffer veröffentlichte ein Werkverzeichnis der Holzschnitte. Es erschien ein umfassender Katalog zur ständigen Sammlung der Werner Berg Galerie, eingeleitet von Trude Polley.

1979 drehte der Regisseur Wolfgang Lesowsky unter dem Titel „Das Ungeheure begreift nie der Sichre“ einen umfassenden Dokumentarfilm über Werner Berg.

1981 erhielt Werner Berg das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Seinen engsten Freunden sandte er „Letzte Grüße“. Am 7. September wurde Werner Berg tot in seinem Atelier auf dem Rutarhof aufgefunden. Er wurde seinem Wunsch gemäß anonym auf dem Friedhof der Namenlosen in Salzburg bestattet. In seinem Testament hatte er den Bilderbestand der Werner Berg Galerie in Bleiburg als Stiftung der Öffentlichkeit vermacht.

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WERNER BERG DER RUTARHOF MIT CHRISTKIND 1944

Begleitbuch zur Ausstellung MANFRED DEIX TRIFFT WERNER BERG

Werner Berg Museum Bleiburg/Pliberk 2020

Bildnachweis:

©: Landessammlungen NÖ: Seiten: 11, 30, 35, 39, 42/43, 44, 47, 51, 53, 55, 56, 59, 60, 61, 66, 71, 72, 73, 104, 105, 287, 288, 289

Privatarchiv Marietta Deix, Vorsatz links: Renate Helnwein Archiv Werner Berg

Cover: Collage aus: Werner Berg, Zwei Bauern, 1947 und Manfred Deix, Gentechnologie in der Landwirtschaft, 2001

Frontispiz: Manfred Deix: Die neuen österreichischen Reisepässe, o.J. Die Abbildungen am Seitenrand zeigen, wenn mit DEIX signiert, dessen Blitzzeichnungen –die übrigen dieser kleinen Abbildungen zeigen Skizzen von Werner Berg.

Zitate Manfred Deix aus Filmen ORF (In Memoriam Manfred Deix, 2016) und Bayern alpha (Alpha Forum – Manfred Deix, 2005)

Der Verlag hat sich bemüht, alle Inhaber von Bildrechten ausfindig zu machen. Sollten berechtigte Ansprüche übersehen worden sein, werden die Rechteinhaber gebeten, sich mit dem Verlag in Verbindung zu setzen.

Herausgeber und Konzept: Harald Scheicher Gestaltung: Gottfried Moritz, Wien und Gerhard Messner, Völkermarkt Druck und Bindung: Finidr s.r.o.

© Manfred Deix: Marietta Deix

© Werner Berg: Bildrecht, Wien © der Texte bei den Autoren

1. Auflage 2020

© Carl Ueberreuter Verlag Wien, 2020 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-8000-7748-9 www.ueberreuter-sachbuch.at

Der herzliche Dank gilt Marietta Deix und dem Karikaturmuseum Krems, sowie den privaten Leihgebern, dem Land Niederösterreich und dem Land Kärnten.

Stadtgemeinde Bleiburg – BGA Europaausstellung 2009 10. Oktober Platz 1, 9150 Bleiburg

100 Jahre Kärntner Volksabstimmung Ein Land in Zeitreisen und Perspektiven 100 let koroškega plebiscita Dežela na potovanju skozi čas in prostor www.carinthija2020.at 300

100 Jahre Kärntner Volksabstimmung Ein Land in Zeitreisen und Perspektiven 100 let koroškega plebiscita Dežela na potovanju skozi čas in prostor www.carinthija2020.at

MANFRED DEIX und WERNER BERG , zwei Künstler mit genialem Blick für Eigenheiten und Besonderheiten ihrer Mitmenschen haben sich an ihrer Heimat – ob satirisch oder mitfühlend – lebenslang abgearbeitet und mit jeweils unverwechselbaren Menschenbildern unsere Vorstellung geprägt. Ob Deixfigur oder Kopftuchweiberl – die über dieses Klischee weit hinausgehende, schrille Gegenüberstellung ihrer so unterschiedlichen wie zuweilen erstaunlich verwandten Werke zeigt, welch begnadeter Künstler Manfred Deix war und eröffnet eine verblüffend neue Sichtweise auf den tiefgründigen, kaum bekannten Humor Werner Bergs. Der pointierte posthume Dialog der beiden offenbart, wie Eigentümlichkeiten und Besonderheiten eines Menschenschlages einer bestimmten Region ihren künstlerischen Niederschlag finden, wie es aber auch möglich ist, nationalistischer Selbstherrlichkeit, bösartigen Chauvinismus und bornierter Verklemmtheit durch überspitzte Darstellung eine klare Absage zu erteilen. Lachsalven garantiert!

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