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Andrew Ebbett Der Sportchef im Interview

Andrew Ebbett spricht im Interview über seinen Wechsel vom Spieler zum Sportchef, die Beziehung zwischen Trainern und Spielern, über Gedanken an die Saison 2022/23 und einen grossen Moment in der Garderobe.

Du warst bis 2020 fünf Jahre Spieler beim SCB. Nun bist du ein Jahr später Sportchef geworden. Wie hast du den Wechsel erlebt? Es ist ein grossartiges Gefühl, wieder beim SCB zu sein. Dass ich noch ein Zwischenjahr hatte, hat mir den Wechsel vom Spieler zum Sportchef erleichtert. Die drei Monate bei Red Bull München haben mir dabei zusätzlich geholfen. Sie haben mir Klarheit verschafft, meine Spielerkarriere zu beenden und in meinem Berufsleben einen nächsten Schritt anzustreben.

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Du hast mit 14 Spielern des jetzigen Kaders noch zusammengespielt. Wie ist es, nun plötzlich nicht mehr Teamkollege, sondern Chef zu sein? Ich bin immer noch dabei, das herauszufinden. Geschäft und Freundschaft sind zwei verschiedene Dinge. Ich versuche das entsprechend auseinanderzuhalten. Natürlich kann es aufgrund dieser Konstellation Situationen geben, in denen es Probleme geben könnte. Aber dann müssen wir halt zusammensitzen und Lösungen finden.

Zu dir als neuem Sportchef kommt auch ein komplett neues Coaching-Team. Was bedeutet das für die Spieler? Das kann eine sehr gute Sache sein. Es ist ein Neustart für alle. Es ist die Chance für jeden, a second

«ES IST EIN NEUSTART FÜR ALLE»

first impression zu vermitteln, wie wir in Nordamerika sagen. Das heisst: Jene, die schon da sind, müssen sich nochmals neu beweisen. Sie müssen den Neuen ihre Visitenkarte abgeben, als wären sie selbst neu im Team. In dieser Situation kommt praktisch jeder Spieler fast wie von selbst aus seiner Komfortzone. Diese Ausgangslage gibt allen frische Energie, vor allem auch jenen, die schon lange dabei sind.

Wie lange braucht man normalerweise, bis man sich in einer solchen Konstellation gegenseitig gefunden hat? Das lässt sich schwer in Tagen, Wochen oder Monaten beziffern. Aber es war auf jeden Fall sehr gut, dass alle Coaches schon im Mai hier waren. Im modernen Hockey ist die Beziehung zwischen Trainern und Spielern enorm wichtig. Je eher das gegenseitige Vertrauen aufgebaut ist, desto weniger Zeit braucht es dann auf dem Eis, um auch dort einen guten gemeinsamen Weg zu finden.

Bisher wurde mit Kaspars Daugavins nur einer von zwei möglichen Ausländern verpflichtet. Für welche Position suchst du den vierten Ausländer und welche Qualitäten muss er vor allem mitbringen? Wir suchen einen Top-Stürmer, der Center und Flügel spielen kann, der spielerische Qualitäten mitbringt und auch für Tore sorgt. Wir wollen auf keinen Fall einen Ausländer verpflichten, nur damit wir einen Ausländer verpflichtet haben. Er muss schon das gewünschte Niveau mit dem gewissen Extra mitbringen.

Es gab zahlreiche Abgänge, aber ausser Kaspars Daugavins keine namhaften Zuzüge. Ist das rein Budget bedingt? Es ist einerseits Teil unserer neuen Philosophie, vor allem auch unsere eigenen jungen Spieler noch besser zu fördern. Wir haben einen starken Kern im Team, sodass es möglich sein muss, junge Spieler einzubauen und mitzuziehen. Aber im Zusammenhang mit der Pandemie waren Transfers selbstverständlich auch mehr denn je eine Frage des Geldes.

Zuletzt wurde der SCB zwei Mal Neunter. Was kann man von der neuen Mannschaft in der Saison 2021/22 erwarten? Wir hatten drei Meistertitel in vier Jahren gewonnen. Das kostet viel Energie, hat vielleicht auch etwas den Hunger reduziert und möglicherweise war auch das Engagement beim Heranführen der Jungen etwas zu wenig stark und konsequent. Nun herrscht eine neue Vorfreude und Spannung im Team. Im Sommertraining ist bereits viel entstanden. Ich bin überzeugt, dass die Fans einen energisch auftretenden SCB sehen werden. Das Ziel ist klar: Wir wollen in die Playoffs. Jeder weiss, dass dann immer alles möglich ist.

Es laufen am Ende der Saison elf Spielerverträge aus. Wie gehst du die Planung des Kaders für die Saison 2022/23 an? Es ist eine lustige Zeit. Wir sind daran, das Team für die bevorstehende Saison fertigzustellen und gleichzeitig geht es bereits darum, die übernächste Saison zu planen. Wir brauchen mehr Tiefe im Team und müssen Raum lassen für junge, eigene Spieler. Aber wir wollen auch den einen oder andern Topspieler holen und in der Nationalmannschaft wieder auf den Stand «5plus» kommen, das heisst mehr als fünf Spieler im Team zu haben, die zum Stamm der Nationalmannschaft gehören.

Mit Joël Vermin und Romain Loeffel hast du bereits zwei namhafte Spieler verpflichtet. Wäre es nicht möglich gewesen, den einen oder andern der beiden schon für diese Saison zu verpflichten? Die Spieler haben Verträge, da kann man sich nicht einfach drüber hinwegsetzen. Gleichzeitig wollen vor allem Topspieler früh wissen, wo sie in Zukunft

spielen werden. Deshalb kommt es häufiger zu Vertragsabschlüssen, die erst eine Saison später in Kraft treten. Das war beispielsweise schon bei Leonardo Genoni so, als er noch eine Saison in Davos spielte, aber bereits einen Vertrag beim SCB für die Saison danach hatte. Vor seinem Wechsel von Bern nach Zug war es dann wieder so.

Wer kommt noch? Da werden wir im September und Oktober drüber nachdenken. Es hängt viel davon ab, wie unsere Mannschaft spielt und wie jene auftreten, deren Verträge auslaufen.

Wie sieht es mit Vertragsverlängerungen aus? Da ist genau gleich. Jeder wird sich einen neuen Vertrag verdienen müssen. Wir haben nun bereits den Vertrag mit Ramon Untersander verlängert. Er

Andrew Ebbett: Der Wechsel vom Eis ins Büro ist vollzogen.

ist einer unserer Kernspieler, ein Leader, offensiv. Unti ist einer der besten Verteidiger der ganzen Liga. Die Vertragsverlängerung mit Ramon Untersander ist zusammen mit den Verpflichtungen von Joël Vermin und Romain Loeffel ein Zeichen, dass der SCB den Weg zurück an die Spitze anstrebt. (dk)

GARDEROBENCHECK

Was ist deine schönste Garderoben-Erinnerung? 2019, als wir zuhause gegen Zug den Titel gewonnen haben, war sehr speziell. Wir waren alle in der Garderobe und haben gefeiert. Dann kam Kari Jalonen hinein und schloss die Türe. Er hielt keine lange Ansprache, aber er sagte: «Während der Saison haben uns viele nicht mehr richtig ernst genommen. Aber ihr seid als Team zusammengestanden. Und was haben wir erreicht?» Das war einer grossen Garderoben-Momente.

Wie beschreibst du die Garderobe in einem Satz? Das ist der Ort, wo die Kultur eines Teams entsteht. Die Garderobe ist privat, ein geheimer Platz, nur für Spieler und Coaches.

Gibt es eine Garderoben-Regel, die dich als Spieler gestört hat? Wir haben beim SCB ein Handy-Verbot in der Garderobe, darauf bin ich sehr stolz. Es stört mich eher, wenn ich höre, dass dies in anderen Teams nicht der Fall ist.

Welche Garderoben-Regel würdest du einführen? Ich bin nicht mehr Spieler, also geht es mich nichts an und ich halte mich da raus.

Wie viel Zeit verbringst du nun noch in der Garderobe? Vor dem Saisonstart werde ich in die Garderobe gehen und der Mannschaft Glück wünschen. Aber sonst werde ich nur ganz selten einmal in der Garderobe auftauchen.

Wenn du in der Nähe der Garderobe bist, kommt da Sehnsucht nach der Zeit als Spieler auf? Nein, überhaupt nicht. Wie ich schon erwähnt habe, waren meine drei Monate in München, in denen ich grossen Spass hatte, für mich ein schönes Ende als Spieler. Mein Körper und ich haben damit abgeschlossen. (dk)