smash 03/2017

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TENNIS AUS DER GRENZREGION

Der Münstertaler Maurus Malgiaritta gehört trotz schwierigen Bedingungen schon länger zur nationalen Spitze.

die weiss, dass sie einiges nachholen muss und in den nächsten Jahren noch viel ­Arbeit auf sie wartet. «Wir sind froh, dass wir bei unserem Sohn eine Basis im Zürcher Oberland haben und unsere Wettkampfreisen von dort aus planen können», gibt Kunigunde Tschenett zu verstehen. «Larissa ist ein Vorbild für Leidenschaft, Fokus und Zielorientierung. Genauso muss man sein, wenn man weiterkommen und Erfolg haben will», lobt Mirko Spada, Gesamtleiter der Nationalen Elitesportschule Thurgau. «Larissa ist sehr spät richtig eingestiegen und muss vieles wettmachen.» Ihr Wille sei aber ­immens und deshalb noch vieles möglich, bestätigt NET-Trainer Tobias Klein. Südtiroler Meisterschaften als Sprungbrett Maurus Malgiarittas Karriere, der in Müstair die gleiche Primarklasse wie Larissa besuchte, kam nach zwei Triumphen an den Südtiroler Landesmeisterschaften richtig in Fahrt. Kurze Zeit später bestätigte er sein Talent auch an den Schweizer Meisterschaften und liess bei den Unter-12-Jährigen als Ungesetzter die ­ gesamte nationale Konkurrenz hinter ­ sich. Das Training wurde zunehmend professioneller und die Wege wurden damit länger. Für die Trainings in Davos nahm Maurus Malgiaritta je eineinhalb Stunden Autofahrt für Hin- und Rückreise in Kauf.

Nach dem Wegzug seines Trainers Alexis Bernhard wurde die Distanz zur Trainingsstätte noch grösser. Der R1-Spieler trainierte mehr als zwei Jahre lang im fast 300 Kilometer entfernt gelegenen München. Jeweils am Montag holte ihn seine Mutter direkt nach Schulschluss ab. Essen und Hausaufgaben im Auto, Intensivtraining am Dienstag und Mittwoch, Rückfahrt, ab Donnerstag normaler Schulalltag in Müstair und am Wochenende Turnierteilnahmen und damit verbunden erneut viele Reisestunden. Seit Maurus Malgiaritta bei Swiss Tennis in Biel trainiert, ist zumindest die Trainingssituation sehr viel einfacher geworden. «Wir haben uns für den Wegzug von zu Hause bewusst Zeit gelassen und gewartet, bis Maurus und wir als Eltern bereit für diesen grossen Schritt waren», sagen

Claudia und Thomas Malgiaritta. «Ich möchte im Tennis jeden Tag besser w ­ erden und sehe die damit verbundenen Konsequenzen deshalb nicht als Opfer, sondern als grosse Chance auf meinem noch weiten Weg», erklärt Maurus, der in Biel die Sekundarschule besucht, mittlerweile neben seiner romanischen Muttersprache auch perfekt Deutsch, ausgezeichnet Englisch und gut Französisch spricht. «Die Bedingungen im Nationalen Leistungszentrum und im Internat von Swiss Tennis sind perfekt und die Zusammenarbeit mit dem Verband funktioniert sehr gut», sind die Eltern dankbar. Ähnlich wie die Tschenetts haben sich auch die Malgiarittas im Unterland eine Basis ­geschaffen. Wenn der 15-Jährige am Wochenende Turniere bestreitet, treffen sich Maurus und ein Elternteil beim ältesten Bruder in St. Gallen und reisen von dort aus weiter. Stehen keine Wettkämpfe auf dem Programm, nimmt der Münstertaler die gut fünfstündige Reise nach Hause in Angriff. «Was das Soziale betrifft, war der Entscheid, länger in Müstair zu bleiben, sicher richtig», sagt Alessandro Greco. Tennistechnisch wäre aber ein früherer Wegzug besser gewesen. «Wer keine Strukturen mit guten Trainern und Sparrings vor der Haustüre hat, muss sich früh mit dem Auszug aus dem Elternhaus b ­ efassen», betont der Leiter Spitzensport, der Distanzen aber nicht nur als Han­dicap sieht. «Man muss sich frühzeitig gut organisieren, kreativ sein und die Bequemlichkeit abstreifen. Das kann in der Persönlichkeitsentwicklung sehr wichtig sein und ist sicher auch eine gute Voraussetzung für den Spitzensport.» Verliere man aber zu viel Zeit mit den wichtigen Entscheidungen, könne die Distanz nicht nur ein Hindernis, sondern gar ein Grund für einen vorzeitigen Abbruch der Karriere ● sein, sagt Alessandro Greco.

Luxus als Karrierekiller Mirko Spada, Gesamtleiter der Nationalen Elitesportschule Thurgau, sieht nicht die Distanzen, sondern vielmehr die heutigen Lebensbedingungen als Karrierekiller. «In der Schweiz sind viele Kinder im Luxus geboren und wachsen entsprechend auf.» Dies sei für den Spitzensport keine gute Bedingung, sagt der ehemalige Spitzenzehnkämpfer. «Heute sind leider nur die wenigsten bereit, im Training über die nötigen 100 Prozent zu gehen. Zudem müssen viele ständig online sein und können nicht mehr abschalten.» Das sei Gift für die Konzentration und die Entwicklung im Sport. «Eine Übung 1 000 Mal zu machen und dabei konzentriert zu bleiben, können heute nur noch die Allerwenigsten», weiss Spada.

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