Im Gespräch: Hans Roth, Saubermacher

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INSTITUT FÜR MARKENENTWICKLUNG GRAZ

Studie „Was lernen Sie gerade?“

Im gespräch mit Hans Roth, saubermacher

Am 30. November 2009


Wenn die Kundenorientierung Person geworden wäre, sie würde Hans Roth aufs Haar gleichen. Der bekennende Oststeirer lernte im Geschäft seiner Eltern, was es heißt, wirklich für den Kunden dazusein. Heizöl am Heiligen Abend? Selbstverständlich oder soll die vergessliche Kundschaft frieren? Diese Haltung machte aus dem Lehrling Hans Roth im Vorjahr zum „Entrepreneur des Jahres“. Eine kleine Anerkennung für einen außerordentlichen Unternehmer, der in neun Ländern 3600 Arbeitsplätze in der Umweltdienstleistung geschaffen hat. Hans Roth im Interview über Schrecksekunden und deren Bewältigung, über Nähe zur Kundschaft und über Existenzängste. Franz Hirschmugl: Ich bitte Sie um Ihre Definition von Unternehmertum. Hans Roth: Meine Definition ist, so wie das Wort sagt, etwas unternehmen. Im Bereich des Umgangs mit Menschen, mit Kunden, Vorbild sein, sich der Verantwortung bewusst sein, die man in allen Bereichen hat. Ich meine, die Menschen und die Kunden sind für mich immer das Wesentliche in meinem Leben gewesen. Es gibt auch den Aspekt des Sozialen, den ich auch wichtig finde. Dazu gehört für mich auch Zeichen zu setzen, innovativ sein. FCH: Wenn ich Sie um drei Eigenschaftswörter bitte, die Unternehmertum gut kennzeichnen. Welche sind das? HR: Fleißig. Visionär. Kundenorientiert. FCH: Was heißt fleißig? Wie manifestiert sich das? HR: Fleißig hat für mich eine große Bedeutung. Es ist damit verbunden, etwas zu bewegen, etwas verändern zu wollen, aber auch damit, Vorbild zu sein. Ich glaub, durch meine Erziehung. Ich komme immer mehr drauf, dass ich in vielen Bereichen sehr konservative Ansätze habe, die mir meine Eltern mitgegeben haben. Es hat keine Lehrstunde daheim gegeben, was es heißt, unternehmerisch tätig zu sein. Ich bin mitaufgewachsen im Betrieb. Und ich hab in meinem Leben lange Zeit mehr durch Fleiß als durch Strategie und Visionen geschafft. Möglicherweise werden Sie sagen: Spinnst? Steh lieber um 9 auf, setz dich hin, mach eine ordentliche Vision oder Strategie und setz sie um, und das war´s . – Das war nie mein Leben, das habe ich nicht so gelernt. Ich habe sowieso sehr spät erst 1994, da war ich schon über 40 Jahre – sehr strukturiert zu arbeiten begonnen. Früher war es so: sei fleißig, renn ordentlich, mach viele Kontakte, bemüh dich, gib nicht nach!

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FCH: Was meinen Sie mit visionär? HR: Ich habe in meinem Leben nie große Visionen gehabt, das hat auch erst 1994 begonnen. Visionen hatte ich schon früher, aber das waren eher so Spinnereien. Da haben die Visionen oft nicht mit den Strategien zusammengepasst. Man hat ein bisschen geträumt davon, aber die Träume nicht umsetzen können. Aber ich habe schon immer wieder so kleine Visionen gehabt, mit denen ich erfolgreich war. Wenn man sich die Frage stellt, wie hat sich das bei uns entwickelt, wer hat das erfunden? Ich war ja auch der Gründer der Heizöle Roth oder des Baumarktes Roth. Ich habe nichts anderes getan als zu überlegen, welche Produkte werden in der Region leicht verkauft, wie kann ich aus den Produkten, die wir haben etwas anders machen, was sehr vernünftig war. Und so sind wir vom Kohle- zum Ölhändler geworden. Für mich war es selbstverständlich, wenn der Kunde sagt, er braucht Öl, dann hab ich ihm das beschafft. Wir waren am Anfang eine Vermittlung. Später haben wir gesehen, das wird die Zukunft sein. Und als nächstes bin ich draufgekommen, dass wir einer unter vielen sind, die mit Öl handeln und von Shell und diesen Großen abhängig sind. Daraufhin haben wir uns die Frage gestellt, wie können wir das umgehen. Zu der Zeit bin ich zufällig bei einer Alpe-Adria-Veranstaltung, im südosteuropäischen Raum gewesen. Auf einmal ist mir bewusst geworden, dass das ein großer Raum sein könnte, der uns nützen könnte. Weil ich gemerkt hab, dass ich in Österreich gar nicht so richtig weiterkomme mit meinem Geschäft. Und da hab ich die Chance, dort Öl zu kaufen gesehen. Ich hab damals schon die ersten Importe durchgeführt. Dann hab ich Osteuropa gesehen und schon sehr gezielt an dieser Vision gearbeitet. Mein Ziel war, Öl aus diesen Ländern zu kriegen. Das musst man sich gut durchdenken, wie das geht. Ich bin runtergefahren, hab keine Sprache können, hab die Kontakte gesucht, bin viel im Kreis geschickt worden, habe nicht nachgeben und irgendwann hab ich sie gehabt. Als ich das erste Mal auf einem Tanker auf der Donau gestanden bin, ist der Traum in Erfüllung gegangen. Ich hab nur keinen weiteren mehr gehabt. Vergrößern? Da hat der Rudi (Rudi Roth, Bruder) dann viel verwirklicht, weil er sich darauf konzentriert hat. Und genauso war´s mit dem Saubermacher. Ich hab immer gedacht, was hat die Region noch nicht, was braucht sie noch. Dann ist das Thema Abfallentsorgung gekommen. Das ist bei uns auch ein Problem. So drei bis vier LKW, da können wir mitmachen. Und so ist Saubermacher entstanden. Einfach nur aus der Idee heraus, regional tätig zu sein. Ich war Visionär, ich war aber ein bescheidener Visionär. Mit dem Müll hab ich schon 1974 angefangen, aber erst 1979 haben wir das erste Fahrzeug bekommen. Die fünf Jahre vorher waren reine Idee, auf Messen gehen, Zeitungen lesen, mal einen Brief schreiben.

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Ich hab ja viel aus dem Bauch gemacht. Wir haben viel Anerkennung in der Region gehabt. Wir haben damals 22 Leute gehabt. eigentlich schon ein großer Gemischtwarenhändler, weil andere haben 3 oder 4 Leute gehabt. Der Rudi hat das perfekt mit dem Öl weitergemacht, ich war nur beteiligt, und damals 1979, als es angefangen hat, hab ich gesehen, das könnte doch ein bisschen mehr werden. Dann hab ich meine Frau gebeten, die Lehrerin war, ob sie sich nicht doch einen halben Tag um das Geschäft kümmern könnte. Weil ich mit dem Baumarkt und anderen Dingen beschäftigt war. Es ist mir dann ganz gut gelungen, diese Hürden zu bewältigen, die dieses Geschäft zum stoppen gebracht hätten, oder gar kaputt gemacht hätten, weil ich einfach nicht die Zeit gehabt hätte. Und dann ist das über die Bezirksgrenze hinausgegangen. Ich hab schon immer das Gefühl gehabt, ich möchte einer der Besten sein. Ich hab mich an den Besten orientiert, aber nicht Seminare besucht, sondern in dem ich viel gelesen habe und mir bestimmte Menschen immer Vorbild waren. So wie der Mitarbeitertag nicht von mir erfunden wurde, sondern McDonald´s hat das einmal gemacht. Heute sind mir die Leute dankbar. Am Anfang haben´s mich ausgelacht. Was macht das für einen Sinn? Heute sind sie sogar dankbar, weil jeder gern mitmacht, weil sie sagen, ich hab einen guten Kontakt zu den Leuten, die vor Ort sind, und was noch mehr ist, ich erfahr so viel, ich hab so viel gesehen. Die fahren mit, arbeiten an der Sortieranlage, arbeiten im Lager. Ich lese in der Woche 50 Zeitungen. Wenn ich die Aspekte Innovation, Soziales, Personalwesen sehe, dann sage ich zu meinen Leuten, lies das, das ist eine gute Idee, könnten wir die auch umsetzen. Ich bin ein echter Kopierer. FCH: Das meint das Wort kundenorientiert? HR: Ich habe sehr viel miterlebt bei meinen Eltern. Vor allem, wenn man in einer kleinen Region aufwächst. Erstens, wie wichtig Kunden sind und zweitens, der Kunde ist dort viel kritischer, reklamiert sofort, du bist in einem ständigen Dialog, wenn du in einem kleinen Ort bist. Beleidigst einen, beleidigst das ganze Dorf, weil alle verwandt sind. Ich habe selten in meinem Leben so viel mit so sensiblen Kunden zu tun gehabt, wie wir sie in der Gemeinde haben. Wir haben Öl verkauft, Zement, immer im Wettbewerb mit der Genossenschaft, immer zu teuer. Dort bin ich geprägt worden. Ich habe auch sehr schnell erkannt – und das war eine Hausverstands-Reaktion – und das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, mein Vater und meine Mutter waren sehr kundenorientiert. Ich war der erste, der sehr laut damals, als wir schon das Öl gehabt haben, gesagt hat, wenn es sich bei dir nicht ausgeht, dann ruf mich bitte an, ich helf dir. Und die dankbarsten Kunden waren die, denen du am Heiligen Abend Öl zugestellt hast. Ich habe gespürt,

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wie dankbar sie sind, und auch gespürt, dass du dann wieder einmal mehr verlangen kannst, ohne sie über den Tisch zu ziehen. Aber ich war in einem dauernden Preiskampf in meinem Leben. Das war immer mein Bestreben: Mehr zu bieten, aber auch mehr zu verlangen. Service als Service zu verkaufen. Wir gehören nicht zu den ganz Billigen, aber jeder, der einmal mit uns gearbeitet hat, wird sagen: toll ausgebildete Leute, toller Service, machen keinen Dreck und wir stehen zu unserem Wort, all diese Dinge. Serviceorientierter Verkauf. Und so bin ich kundenorientiert worden. Und es gibt keine Weihnachtsrede, wo ich meinen Mitarbeitern nicht sage, dass das die große Kunst ist. Kunst ist es mittlerweile - Saubermacher hat 3500 Mitarbeiter an 70 Standorten - diese Philosophie weiterzugeben, dass alle so denken wie wir. Es gibt keine Rede, wo ich nicht sage: horcht´s einmal, wir trinken, essen auf Kosten der Kunden, denen haben wir alles zu verdanken. Wenn wir einen Mitarbeitertag haben, wo auch ich hinkomme, wo ich von meinem Leben, von meiner Philosophie rede, da red ich auch davon, dass wir den Kunden alles zu verdanken haben. Und wir nicht nur darüber nachdenken, was er braucht, sondern ihm auch das Gefühl geben, dass wir ihm sehr dankbar sind. Und dass wir alles tun, damit er sich wohl fühlt im Haus. FCH: Wenn ich Sie für zwei Minuten zum Unterrichtsminister mache, welche Unterrichtsgegenstände würden Sie einführen? HR: Ich würde ein Unterrichtsfach, ob das Ethik, Menschlichkeit oder Umgang mit Mitmenschen heißt, einführen – Grundwerte des Lebens. Ich würde ein Unterrichtsfach machen – es muss nicht Wirtschaft heißen, aber es geht mir um ein besseres Verständnis, wie wirtschaftliches Leben abläuft. Was sind die Grundvoraussetzungen? Was heißt Steuern zahlen? Was passiert damit? Momentan glauben alle, es wird nur gestohlen, und daher brauch ich eh keine Steuer zahlen, weil da tue ich lieber pfuschen. Das wäre mir ein großes Anliegen. Und drittens, ich würde ein Fach machen, wo ich den Kindern schon in der Grundschule aufzeigen würde, wie wichtig es ist, sich weiterzubilden, wie wichtig es wäre, aus seinem Leben etwas zu machen. FCH: Wie könnte dieser erste Gegenstand „Umgang mit Mitmenschen“ ausschauen? HR: Das wäre sehr einfach, indem ich Prof. Neuhold zwölf Monate die Vermittlung der Werte unterrichtet. Prof. Neuhold ist ein guter Bekannter aus der Oststeiermark, Professor für Ethik hier in Graz. Wir haben z. B. Fibeln erstellt, wo drinnensteht, wie ich unsere

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Firma führe und wie ich es von jedem Mitarbeiter erwarte. Ich bin ein sehr gläubiger Mensch. Und ich merke immer mehr Orientierungslosigkeit bei den Menschen, es fehlen die Grundwerte. Man kennt die Grenzen nicht mehr. Aber das ist nur eines der Themen. Da sind noch ganz andere Dinge drinnen, die wesentlich wichtiger sind. Zum Beispiel der Umgang mit Mitarbeitern, der Umgang auch über die Grenzen hinweg, mit den Ausländern. Wobei wir ja selbst in Osteuropa Ausländer sind. FCH: Man ist ja bald einmal Ausländer. HR: So ist es. Auch wir sind überall Ausländer. Ich erwarte selbstverständlich, dass ich überall positiv aufgenommen werde im Ausland. FCH: Sie haben eine Broschüre zur Firmenkultur, aber wenn man so rasch gewachsen ist wie Ihr Unternehmen und auf 70 Standorten ist, wie erfährt man am Standort 65, was da drinnen steht? HR: Das Bücherl gibt es in allen Sprachen, und es wird dauernd von mir in Konferenzen, in Schreiben und Hinweisen darauf Bezug genomme. Zum Beispiel heute am Nachmittag haben wir Leadership-Konferenz, da werde ich den Geschäftsführer von Nagykanizsa sehr loben, weil er ein Roma-Projekt hat, die Gleichbehandlung der Roma im Unternehmen, die ja in Ungarn ausgenützt werden. Und wir werden auch gelobt, weil wir zu den Roma ein gutes Verhältnis haben in punkto Gleichbehandlung. Eigenartig, dass ich das Wort überhaupt in den Mund nehme, mir wäre gar nichts anderes eingefallen, mir ist es erst aufgefallen, nachdem wir einen Preis bekommen haben. Das sind schon Zeichen, wo ich spür, dass der Mitarbeiter tickt wie ich ticke. Es gibt Zeremonien, Rituale, wo die Leute das erfahren. Und ein wesentlicher Punkt ist der Mitarbeitertag, wo die Mitarbeiter einen Tag lang Standorte besuchen, wo sie eine Mappe bekommen, damit sie wissen, wie es im Haus zugeht, wie ist die Hierarchie, wie ist die Organisation, wo auch der Prof. Neuhold da ist und eine halbe Stunde redet und aus der Außensicht erzählt, wie er als Freund des Hauses die Familie Roth sieht, wo sie herkommt, wie sie denkt, wie sie handelt. Ich sage, dass das Bücherl und unsere Verhaltensweise mehr als 50 Prozent unseres Erfolges ausmachen, das heißt die Tatsache, dass es so gelebt wird. Ich frage mich oft, warum wir so erfolgreich sind? Wir sind ja kein High Tech-Betrieb in Wahrheit, weder im SanitärHeizungs-Bereich, noch bei Öl oder Saubermacher, da gibt es viele Firmen. Die Kübel und die Fahrzeuge sind alle sehr ähnlich. Es geht darum, wie geht die Software mit dieser

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Hardware um? Sicher lege ich großen Wert auf Strategie, aber Ausgangspunkt dieses Hefts war kein strategischer Prozess, sondern es wurde von mir spontan entschieden. Ich muss das jetzt mal niederschreiben, um meinen Mitarbeitern die wahren Werte zu übermitteln, nicht nur die High-tech-Anlage in Unterpremstätten, die wir gebaut haben, das gehört auch dazu, das fällt unter das Thema Innovationen, wo wir auch stark sind. Aber diese Grundwerte machen meiner Meinung nach 50 Prozent unseres Erfolges aus, weil wir die entsprechenden Mitarbeiter haben, die das verkörpern und die Kunden spüren das. FCH: Haben Sie ein unternehmerisches Gen mitgekriegt? HR: Man sieht schon, dass ich ein Getriebener bin. Ich muss auch rundherum schauen, dass alles gut funktioniert, damit die Grundphilosophie erfolgreich umgesetzt wird. Das hat schon große Bedeutung. Ein Fremder würde das nicht so erzählen, würde sagen, kein Wunder, die haben ein Strategiekonzept, die haben eine tolle Personalabteilung, die jetzt zufällig am Samstag in der Kleinen Zeitung gelobt worden ist, die sind sehr innovativ, dauernd haben´s neue Produkte. Das ist für mich auch ein bisschen die Software, die heute eine Mindestvoraussetzung für ein Unternehmen ist, damit es überhaupt erfolgreich sein kann. FCH: Ihr erster Satz war „etwas unternehmen“ als Definition für Unternehmertum. Wie geht es dem Komplex „etwas unternehmen“ in Österreich? HR: Da ist sicher einiges zu tun. Aber ich hab schon das Gefühl, dass wir noch nie so viele Unternehmer hatten. Natürlich gibt es viele, die etwas anfangen und dann in Konkurs gehen. Viele sind in der Weiterbildung. Ich hab keine Statistiken, aber ich hab das Gefühl, dass es viele gut ausgebildete Menschen gibt. Ich sehe es in meiner Firma, ich hab keinen Mangel an Fachleuten. Ich hab vielleicht das Problem, dass einer nicht gerne nach Rumänien geht für ein Jahr. Jeder möchte gerne nach Mailand. Was die Ausbildung betrifft, da könnten wir ruhig noch stärker wachsen. Ich sag immer, ich hab kein Problem mit 5000 Leuten, ich hab nur das Problem, keine Arbeit für 5000 Leute zu haben. Aber die guten Leute – glaub ich – sind zu bekommen. So gesehen sehe ich diese Geschichte schon positiv. Ich hab eher andere Sorgen, aber das ist ein anderes Thema. Der Umgang mit Unternehmern, die Gleichbehandlung, die wir sehr stark spüren. Im politischen Bereich, im Genehmigungsbereich. Das ist unser Problem, man macht immer mehr Gesetze. Wenn Sie sich vorstellen, wir haben ungefähr 500 Bescheide, Saubermacher allein in der

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Steiermark, mit 3000 Einzelbewilligungen, die wir einhalten müssen. Wir haben sehr viele Anlagen, Abstellplätze, Zwischenlager. Und das ist ein Unterschied, ob wir das korrekt machen, weil wir alle Zertifikate dieser Welt haben oder ob die Konkurrenz das nicht macht. Das kostet Geld, Ressourcen. Wenn man bedenkt, ein normaler Menschen, wenn der die Müllgebühr nicht zahlt, dann passiert auch nichts, der kriegt nie eine Exekution. Einer, der nie Steuer zahlt, und Steuer hinterzieht, sagt, passiert eh nichts, ich werde eh nie kontrolliert. Einer, der Steuern zahlt, wenn der jedes Jahr kontrolliert wird, der würde sich aufregen und das als Schweinerei sehen. Ich rege mich eh nicht auf, dass in unserer Firma alles korrekt zugeht und ich keine Steuern hinterziehe, das war auch immer meine Grundeinstellung in meinem Leben. Da tut sich der Baumarkt eben schwer. Ich bin sehr dafür, dass dieser Bonus, den es in Deutschland für die Handwerker gibt – eine steuerliche Abschreibmöglichkeit, wenn man über eine Firma ordnungsgemäß einen Neubau oder eine Reparatur machen lässt – auch bei uns möglich wäre. Bei uns ist es wie in einer Bananenrepublik. Ich muss nach Wien gehen mit meinen 300 Handwerkern, weil in meiner Gegend kann ich fast nichts mehr normal verkaufen. Dann heißt es, man soll nicht so kleinlich sein wegen ein bisschen Nachbarschaftshilfe. Da frage ich mich, wo sind da die Grenzen dieses Vermischens. Was ich in letzter Zeit beobachte, ist, dass im Bereich der Familienunternehmen alles ein wenig anders tickt als die Manager auf Zeit. Da gibt es einen Partner und da muss man die Spielregeln dann anders machen. In so großen Unternehmen die zu 70 Prozent in Familienbesitz sind, führen sich die Manager teilweise auf, als ob sie die Eigentümer wären. Der sagt, ich hab einen Vorstandsvertrag, in einer AG hat der viele Rechte, und seid froh, dass ihr die Dividende kriegt. Ich sehe es auch als Unternehmertum, nach außen gewisse Dinge zu zeigen, Vorbild zu sein, Zeichen zu setzen im sozialen aber auch im wirtschaftlichen Bereich. Damals, als wir an die Börse gehen wollten, was dann nicht geglückt ist, haben wir eine Roadshow durch Europa gemacht. Da waren Vertreter der Banken und Vertreter der Eigentümer. Ich habe dort gesagt, ich bin ein nachhaltig gutes Unternehmen, bei mir müsst ihr in die Wertsteigerung und nicht in die Dividende investieren. Wir haben in Zeiten wie diesen die Mitarbeiterschulung nicht reduziert, wir haben genauso unser Programm und soziale Programme, die hätte ich nicht aufgegeben, auch an der Börse nicht. Und da hätte ich mich auch dem Kleinanleger gestellt und gesagt, warum ich daran glaube. FCH: Herr Roth, was haben Sie im letzten Jahr gelernt, was Sie vorher noch nicht gewusst haben?

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HR: Wissen Sie, das Jahr hat mehrere Phasen gehabt. Am Anfang haben alle zu mir gesagt, wir haben keine Krise, wir sind gut aufgestellt. Wir haben gutes Eigenkapital, uns kann eigentlich nichts passieren, weil wir in der Abfallbranche sind. Ich war als einer der ganz wenigen pessimistischer – nicht einmal meine Vorstände haben daran geglaubt – es gab allerdings ein paar Leute im Aufsichtsrat, die gesagt haben: Wirst sehen, das kommt heavy. Ich habe ein ziemlich großes Verantwortungsgefühl. Ich fühle mich schon dafür verantwortlich, dass es meinen 3500 Leuten gutgeht. Ich kenne ja viele, ich habe einen starken Bezug. Wenn Sie heute nach Ungarn gehen und wenn Sie fragen, ob sie den Herrn Roth schon gesehen haben, werden Ihnen sicher mehr als 50 Prozent antworten, ja sicher, er hat mir schon die Hand gegeben. Ich bin da sehr gewissenhaft. Ich hab vielleicht durch Disziplin viel wettgemacht, weil ich nicht der Intellektuelle oder Kreative bin. Damit hängt wieder das Wort Fleiß zusammen. Ich war nie gut in der Schule, habe schwer gelernt und weiß, dass mir intellektuell einiges fehlt. Ich hab immer mehr tun müssen als andere. Ich bin hier hineingeboren worden und hab ich mich raufgearbeitet. Zurück zur Krise: Plötzlich waren die Zeitungen voll mit diesem Thema – da hat es schon angefangen. Und ich bin das dann auch wieder sehr konsequent angegangen. Als ich im Oktober gemerkt habe, dass die Zahlen runtergehen, ich mein Ziel nicht erreichen kann, da passierte es das erste Mal seit vielen Jahren, dass ich auf einmal Angst bekommen habe, Angst, dass es schlimmer sein könnte, als wir gedacht haben. FCH: Wir manifestiert sich bei Ihnen Angst? HR: Existenzängste. Schon richtige Angst, wie es sie jeder normale Mensch hat, der ein Gewissen hat und befürchtet, dass etwas passieren könnte, was man nicht beeinflussen kann. Als ich dann einige Maßnahmen gesetzt habe, wie zum Beispiel – das war kurz vor Weihnachten – einen Tag für Führungskräfte zum Thema „Umgang mit der Krise“, wo eine Expertin aus Klagenfurt geredet hat, jemand vom WIFO-Institut, jemand von der Bank Austria und dann hab ich noch zwei weitere eingeladen gehabt, Sanierer. Und am Ende, um das Ganze ein bisschen aufzulockern, hab ich den Thomas Bubendorfer als Referenten gewinnen können. Schönes Programm, jeder hat eine Einladung bekommen. FCH: Stellen Sie das selber zusammen?

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HR: Ja, selber gemacht. Mit ein paar Bekannten. In dem Moment, als ich die Einladung ausgesprochen hab, hab ich mich nicht mehr gefürchtet. Oder während der Veranstaltung hab ich aufgehört, mich zu fürchten. Weil da waren Leute da, die haben das genau analysiert. Ich hab dann gesagt: Ok, jetzt gehen wir´s an. Das heißt Plan A, Plan B, Plan C. Wir haben heuer trotzdem 27 Mio. Euro investiert, obwohl wir vom Ergebnis her lange unter 50 % vom prognostizierten Gewinn waren. Wir haben die drei Pläne mit den unterschiedlichsten Maßnahmen durchgeführt, die Führungskräfte wissen das. Wir machen heuer wieder eine Leadership-Konferenz, wo wir das Ergebnis von Oktober durchgehen. Als ich also diese Maßnamen durchgeführt habe, habe ich mich auch nicht mehr gefürchtet. Das Thema lautete nur mehr: Wie gehen wir damit um? FCH: Was hat Ihnen mitten in der Veranstaltung die Sicherheit gegeben? HR: Das Gefühl, dass es auch Lösungen gibt in einer Situation, die nicht duch uns verursacht wurde. Dem offen zu begegnen und zu sagen: Ich kann nichts dafür, es ist aber meine Aufgabe, das Problem zu lösen. Es war in meinem Leben nie entscheidend: Was verdiene ich? Ich war immer eher großzügig: Wir investieren noch ein bisschen, das Ergebnis passt schon ungefähr. Viele sagen, die Krise ist auch eine Chance für einen Neuanfang. Ich hab das nie so gesehen. Die Krise hat Geld gekostet, hat Schwierigkeiten gemacht. Ich wäre froh gewesen, wenn ich viele Maßnahmen deswegen nicht hätte treffen müssen. Dass man sagen könnte, es war gut, dass wir den Stall einmal ausgemistet haben, das war bei mir nie der Fall. Ich hab ja ein ambitioniertes 3-Jahres-Programm gehabt. Ich habe viel investiert, aber meine größere Sorge war, was tue ich mit den vielen Leuten, weil man weiß ja nicht, wie lange die Krise dauert. Man kann nicht gleich alle kündigen. Ich bin mir aber immer sicherer geworden, dass wir das meistern werden. Somit hab ich die Leute eingebunden und hab gemerkt, dass sie cooler an die Sache rangehen. Und wir haben im Sommer statt unseres Strategietags ein dreitägiges Seminar mit Malik gemacht. „Syntegration“ hat das geheißen. Eine neue Form, die ich bisher auch nicht gekannt habe. Wir sind drei Tage zusammengesessen und haben durch Vermischen der Führungskräfte in Arbeitskreisen neue Ideen entwickelt, Kostensenkungsmaßnahmen etc., wo wir das Thema der schwierigen Situation momentan offen angesprochen haben. Das Ziel war, Maßnahmen zu setzen, um das Ergebnis um 2 Mio. Euro zu verändern. Und das durch Kostenreduktion oder Gewinnsteigerung. Wir haben jeden Monat nur mehr verglichen. A, B, C. Die Maßnahmen haben gut gefruchtet. Wir haben C noch

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einmal auf niedrigem Niveau budgetiert. Es ist uns nicht gelungen, trotzdem die Gewinne zu halten. Ich gehe davon aus, dass das Jahr 2011 auch ein schwieriges für uns werden wird. Wir haben im Ausland mit Abwertungen zu rechnen, tschechische Kronen, Forint sind sehr niedrig. Deswegen habe ich keine Angst mehr. So gesehen war es rückblickend für mich eine neue Erkenntnis. Aber ich könnte nicht sagen, das war schlimm, das war fürchterlich. Ich hab mich darauf eingestellt. FCH: Gibt es etwas, wo Sie sagen, das habe ich wirklich gelernt? HR: Für mich war das Wesentliche, was ich gelernt habe, dass ich als Unternehmer, wenn es Veränderungen gibt, ganz schnell reagieren muss und mich der Sache annehmen muss. Ich hab mich mit dem Thema auseinandergesetzt. Das war für mich die größte Erkenntnis, ich bin´s richtig angegangen und hab eine solche Situation positiv besetzt. Hab gesagt: „Wir müssen damit umgehen und wir werden es schaffen.“ FCH: Wie geben Sie die Nachrichten weiter? HR: Wir sind ein Unternehmen, in dem alles offen ist. Die Mitarbeitergespräche sind bei uns längst eingeführt, die gehen bis zum Chauffeur. Es gibt ein Strategiepapier für jedes Jahr, das muss der Chauffeur normalerweise auch kennen. Das kann nicht gefährlich sein für Mitbewerber, weil wir das offen nach außen sagen. Eine Voraussetzung ist schon das intensive Verhältnis unter den Führungskräften, die Offenheit, die vielen Gespräche miteinander. Wir informieren alle laufend darüber, was sich im Haus tut. Es gibt immer Zauderer, Zögerer. Aber es gibt auch genügend Leute, die so was mittragen, die Kraft haben und sagen: „Ja, wenn der Roth sagt, dass das gut ist, ich trau mich schon drüber.“ Das ist auch wesentlich, um schnell reagieren zu können und schnell Veränderungen herbeizuführen. Weil, wenn Sie erst Vertrauen aufbauen müssen, und jeden Einzelnen überzeugen müssen, dann ist das schon sehr mühevoll. FCH: Die nächste Generation, was müssen die für Eigenschaften haben, die wir noch nicht haben? HR: Ich war nie in einem großen Unternehmen und suche mir deshalb manchmal Leute von fremden Firmen, die ins Haus kommen. Weil alles, was wir hier im Haus haben, haben wir irgendwie gelernt, kopiert. Wir haben wenig Leute, die von großen Firmen kommen

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und sagen: das macht Siemens so, die Andritz AG so. Wir haben wahnsinnig viele Leute von der Universität im Haus. Ganz gut gelungen ist uns „jung zu bleiben“, das Unternehmen nach modernen Richtlinien zu führen. Wir haben heuer Nachwuchskräfte ausgewählt aus unserem Reservoir, denen wir eine zusätzliche wirkliche Ausbildung zukommen lassen, in einer Zeit, in der alles abstrakter wird, in der das Internet eine so große Rolle spielt, in der viele vereinsamen, wo die Kontakte fehlen. Ich würde an unseren Grundelementen gar nichts ändern, weil sie eine Basis darstellen und uns auch in Zukunft so vom Mitbewerber unterscheiden werden. Und es ist so, dass wir schon viele Instrumente haben, um ein Unternehmen nach modernen Richtlinien führen zu können. Vom Strategieprozess bis zur 3-Jahres-Budgetplanung, bis zur Mitarbeiterplanung, wir haben für vieles vorgesorgt und das instrumentalisiert. Ich glaube, dass dort nur noch zu feilen ist. Dinge, die neu dazukommen, wie zum Beispiel neue Medien, You tube und facebook sind sehr wichtig. Ich bin einer, der mit Laptop arbeitet, aber nicht mehr so versteht, wie die Jugend denkt. Trotzdem war es dann doch meine Initiative, dass ich gesagt habe, wir müssen uns auch mit diesen Medien auseinandersetzen. Ich sehe die Grundwerte, die wir hier im Haus haben auch bei der kommenden Jugend als eine Voraussetzung,. Und wir suchen uns die Menschen aus, die nach diesen Grundwerten leben können. Da ist der Umgang mit dem Kunden geregelt. Da ist der Umgang mit den Mitarbeitern geregelt. Da ist unsere Philosophie geregelt. Und ich merke, dass diese aktueller ist als jemals zuvor. Früher haben bei mir in der Gnaser Gegend noch viele nach diesen Prinzipien gelebt. Das hat sich nur jetzt verändert, weil jeder irgendwelche neuen Methoden anwendet. FCH: Ist der außergewöhnliche Umgang mit Menschen eine oststeirische Qualität? Ich habe immer den Verdacht gehabt, dass diese Kargheit, das Arme, von den Türken und den Russen Überfallene einen solchen Schlag von Menschen hervorbringt? HR: Ich bin überzeugt, dass das eine Rolle spielt. Ich habe ja fast 50 Jahre in Feldbach, in Gnas gelebt. Ich bin erst mit 52 oder 53 nach Graz gekommen. Ich möchte fast behaupten, wenn ich in Graz geboren und aufgewachsen wäre - es hängt natürlich auch viel vom Umfeld ab - und wir hätten ein ähnliches Geschäft in der Jakoministraße oder irgendwo gehabt, dass ich bei weitem nicht das geschafft hätte, weil auch der Druck größer ist, Du Dich mehr anstrengen musst, um überhaupt ins Geschäft zu kommen. FCH: Danke für das spannende Gespräch.

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