SCHWERPUNKT
Networking nicht mit «Beziehung» verwechseln Michèle Trachsel, Partnerin bei Jörg Lienert, Selektion von Fach- und Führungskräften, über den Nachholbedarf von Frauen in Sachen Networking im Business-Bereich.
Weshalb ist das so? Männer sind sich gewohnt, ihre Beziehungen sachlich zu pf legen. Sie fordern denn auch ganz ungeniert ihre Gegenleistung für einen erwiesenen Dienst ein. Gibt es in diesem Tauschhandel Unklarheiten, wird der Streit ausgetragen und weiter gemacht. Bei Frauen ist das anders. Sie wollen, dass es im persönlichen Austausch stimmig ist, dass
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WOMEN IN BUSINESS · APRIL 2010 | No.06
endlich um Nutzen. Dann gibt es viele Frauennetzwerke, die durch ihre explizite Ausrichtung auf Frauen ziemlich feministisch wirken. Damit können nun gerade jüngere Frauengenerationen herzlich wenig anfangen. Die Schwierigkeit beginnt also schon einmal damit, geeignete Plattformen zum Netzwerken und zur aktiven Pf lege der Beziehungen zu finden.
man es gut hat miteinander. Differenzen führen bei ihnen daher schnell zu Verstimmungen, die eher zum Rückzug denn zur Klärung führen. Es können subtile Gefühle wie Eifersucht oder Konkurrenzdenken mitspielen. Frauen sind in Beziehungen viel differenzierter, und das macht für sie alles anspruchsvoller. – Und führt zu mehr Hemmungen, das Thema Networking offensiv anzugehen.
Warum brauchen gerade Frauen Networking? Gute Argumente, Intelligenz und Leistung zählen oft wenig, wenn sie von einer Frau kommen. Viele von uns kennen das Muster aus Meetings: Eine Frau sagt etwas – null Response. Fünf Minuten später kommt das inhaltlich Gleiche von einem Mann in einer höheren Position – allgemeine Zustimmung. Wenn eine Frau die nötige Anerkennung ihrer Leistung erhalten will, muss sie im Umfeld anerkannt werden. Sie muss – im Wortsinn – vernetzt werden. Hier kann Networking wichtige Türen öffnen. Sei das beispielsweise, indem ein männlicher CEO seine Mitarbeiterin in einem Meeting als Sprecherin lanciert, ihr Türen öffnet. Oder eine Kollegin mit Einf luss und Beziehungen mit Nachdruck auf ein jüngeres Talent aufmerksam macht.
Private Netzwerke sind für Frauen meist kein Problem, berufliche hingegen schon. Weshalb? Wegen der eben genannten Hemmung, Beziehungen zu nutzen – und im beruf lichen Umfeld geht es ja schluss-
Wie können Frauen vom Networking konkret profitieren? Es geht letztendlich um Fragen des Selbstbewusstseins, und alles, was Selbstvertrauen gibt, ist nützlich. Ich sehe zwei wesentliche Punkte: Zum ei-
Michèle Trachsel, *1973; Partnerin, Niederlassungsleiterin Zürich Jörg Lienert, Selektion von Fach- und Führungskräften, lic. iur., Mediatorin SKWM, seit 2003 im Team Jörg Lienert
FOTO: PD
Women in Business: Frauen «netzwerken» anders als Männer, ist das richtig? Michèle Trachsel: Stimmt, das beobachte ich ebenfalls. Doch lassen Sie mich zuerst etwas Generelles zum Thema Networking sagen, vielleicht hilft dies, die Situation von Frauen besser zu verstehen: Früher sprach man etwas despektierlich von Vitamin B oder von Seilschaften, wenn jemand dank Fürsprache etwas Besonderes erreichen konnte. Aktuell erleben wir eine andere, völlig offensichtliche Form des Netzwerkens, einhergehend mit einem Overkill des Begriffs Networking. – Es gibt beinahe keine Veranstaltungseinladung mehr, ohne explizit annonciertes Networking. Dies schafft das ungute Gefühl, wonach sich zwischenmenschliche Begegnung zu professionalisieren und zu kommerzialisieren scheint. Kontakte werden vermehrt zielgerichtet auf ihren Nutzwert hin organisiert. Und dies dürfte uns Frauen das Netzwerken schwieriger machen als den Männern, denn Frauen haben oft emotionalere Ansprüche an eine Beziehung.