Schweizer Garten_Bericht Bauerngarten-Route Thurgau 2019

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Das imposante Fachwerkhaus von Bea und Ueli Ackermann.

BAUERNGARTEN-ROUTE THURGAU

Das bäuerliche Herz der Schweiz TEXT Lioba Schneemann  FOTOS Kai-Uwe Schneemann

Bauerngärten sind blühende Beispiele für eine durchmischte Bepflanzung. Im Thurgau gibt es diverse Gärten zu entdecken – zwei Spezialrouten führen zu den Juwelen des ländlichen Kulturguts am Bodensee.

Eine Entdeckungstour zu den Bauerngärten wird natürlich durch charmante Übernachtungsorte erst so richtig perfekt. So fällt unsere Wahl auf ein Baumhaus, das

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nahe der Route bei Bischofszell auf seine Gäste wartet. Hier sitzt man inmitten von alten Apfel- und Birnbäumen und unter stolzen Eichen auf der Holzterrasse und

schläft herrlich in luftiger Höhe. Erholt geht es tags darauf los, nach Niederwil bei Frauenfeld zu Familie Rossacher. Katja führt uns durch ihren im Jahr 2017 neu


Gartenreise | 85 angelegten Bauerngarten im traditionellen Stil. Allerlei bunte Flora und köstlich schmeckende Himbeeren findet man hier, daneben gibt es einige Gemüsesorten für den Eigengebrauch. «Ich liebe Herzen, die sieht man hier überall», meint die Gartenliebhaberin lachend. So rankt selbst der grosse Hopfen in Herzform am Haus empor. Auffallende Schmuckstücke im Garten sind die Blütenstände der Winterzwiebeln. Gegenüber des Bauerngartens kann man im Schatten von 60 Obstbäumen ruhen. Samen für Pro Specie Rara Weiter geht es nach Gündelhart, wo uns das Ensemble aus Kirchlein, altem, eingewachsenem Bauernhaus und dem Garten von Ursula Schweizer überrascht. Nicht nur Heil- und Küchenkräuter werden hier kultiviert, auch eine Gojibeere hat einen sonnigen Platz neben dem Hühnergehege. «Die Beeren sind ideale Vitaminlieferanten für die Hühner», weiss Ursula. Nahe am Haus fallen die hohen Blütenstände von Karden (Dipsacus fullonum) ins Auge. Daneben wachsen Malven (Malva sylves­ tris), Bart-Nelken (Dianthus barbatus) und Färberkamille (Anthemis tinctoria), ein Steinhaufen und Altholz sind wichtiger Lebensraum für Kleintiere und Insekten. Der eingefriedete Bauerngarten vor dem Haus dient der Selbstversorgung, zudem zieht Ursula für Pro Specie Rara diverse Samen zum Sortenerhalt. Nebst Faserlein (Linum usitatissimum) baut sie alte Kefensorten, rote Garten-Melde (Atriplex hortensis) und Winterroggen (Secale cereale) an. «Die Samen sende ich getrocknet ins Samenarchiv nach Basel. Der regelmässige Anbau ist notwendig, damit alte Sortensamen keimfähig bleiben und immer wieder an die neuen Umweltbedingungen angepasst werden.» Sinnvoll seien diese Archive zudem auch, weil auf diese Weise eine Zuchtbasis erhalten bleibe, worauf un­ abhängig von grossen Konzernen zurückgegriffen und weitergezüchtet werden könne, so die engagierte Gärtnerin. Der Garten wird in Fruchtfolge im Vierjahresrhythmus bebaut. Im ersten und zweiten Quadrat sind derzeit Starkzehrer wie Topinambur, Kartoffeln und Auberginen gesetzt. «Dort liegt Schafwolle», sagt Ursula, auf Stellen unter den Auberginen zeigend. Diese sei ideal als Wärmespeicher, Schneckenbremse und Dünger.

Aussichtsreiches Paradies Nur einige Kilometer weiter befindet sich in Hüttwilen die «Hagschnurer Schüür» mit Bauerngarten von Barbara und Daniel Bauer. Die riesige Scheune ist Location für Seminare und Kulturveranstaltungen. Einen Stock tiefer gibt es ein ebenso geschmackvoll eingerichtetes Hofladencafé, in dem unter anderem der Saft der eigenen Apfelbäume sowie die Bio-Eier von den 45 Hühnern zu kaufen sind. Im vor wenigen Jahren neu angelegten Garten dann ein Fest der Farben: Sonnenblumen nebst orangen und gelben Tagetes, rosafarbene Cosmeen, lila Verbenen, bunte Dahlien, Malven sowie weisse und rote Echinaceen. Auch Exoten wie der Garten-Amarant

(Fuchsschwanz) finden hier ihren Platz. Und schöne Rosenstöcke fehlen ebenfalls nicht – Barbara platzierte die duftende Nostalgierose ‘Chippendale’ und die reizende ‘Marie C ­ urie’ an prominenter Stelle. «Als Buchs­ersatz habe ich Lavendel dazugepflanzt», erklärt sie. Für den Eigengebrauch wachsen verschiedene Kohlsorten, Randen, Zucchetti, Auberginen,

Die Gärten sind passend zur Saison geschmückt.

Spezielle Sonnenblumensorten zieren den Garten von Ursula Schweizer.

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86 | Gartenreise Ein fast vergessenes Kulturgut: Faserlein.

In geselliger Runde den Bauerngarten geniessen.

Die Rosenstöcke von Barbara und Daniel Bauer sind von Lavendel gesäumt.

Lauschige Plätze laden zum Verweilen ein.

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Ein Fest der Farben: Sonnenblumen neben rosa Cosmeen.


Gartenreise | 87 Peperoni, Fenchel und vieles mehr. «Ich probiere aus, was sich in den Mischkulturen optimal ergänzt. Wichtig ist, die Fruchtfolge im Auge zu behalten.» An zwei Orten rund um den Bauerngarten wurde je eine Naturwiese gesät, die vielen Insekten Nahrung und Unterschlupf bietet. Als weitere Attraktion kann man im Sommer im «Bubble-Hotel» übernachten – mit bester Sicht auf die ­Alpen. Familien willkommen Wir verlassen die eine Route und fahren bis fast ans Ufer des Bodensees. Bei der

Gärten besichtigen, schlafen, essen Bauerngarten-Route: Eigentlich zwei Routen, die zu Bauerngärten im Oberthurgau und am Untersee und Seerücken führen. Man kann die Touren sehr gut mit dem Velo oder E-Bike unternehmen. Manche Gärten sind immer offen, andere auf Anfrage. Karten und Informationen betreffend Führungen und Events: www.bauerngartenroute-thurgau.ch und www.thurgau-bodensee.ch Schlafen: Baumhaus Thurgau, 9223 Halden, Telefon 079 648 92 38 und www.baumhaus-thurgau.ch Thurgauer Bubble-Hotel, Thurgau Tourismus, Telefon 071 531 01 31 und www.himmelbett.cloud/de/ bubble-hotel.html Essen: Hirschen Stammheim (nahe Hüttwilen), Mitglied von Swiss His­ toric Hotels, 8477 Oberstammheim, Telefon 052 745 11 24 und www.hirschenstammheim.ch

Generationengemeinschaft Barth in Altnau sind die Gärten in riesige Obstbaumplantagen eingebettet. «Wir vermieten ­Apfelbäume zum selber ernten», sagt Rita Barth und weist auch auf die 50-jährigen Kirschbäume hin. Hinter dem Hof wurde der mehr als 50 m lange Bauerngarten angelegt. «Wir verwenden Ringelblumen für Salben und Tees, Rosenblätter und Heilkräuter wie Baldrian, Pfefferminze, Goldmelisse, Salbei und Thymian für viele Produkte, die wir im Laden verkaufen», so die Bäuerin. Duftrosen sowie Malven, Witwenblume, Rittersporn, Schafgarbe und Phlox gedeihen hier prächtig. Kinder dürfen die Stangenbohnen sowie den neuen Barfussweg selber erkunden. Am Ende des Beets zeigt Rita stolz ihre hohe Blumenwiese, die sie selbst angesät hat. Eine blaue Bank lädt zum längeren Bleiben ein, denn der Blick auf den Bodensee ist wirklich unübertrefflich. Gartenträume und Fachwerkskunst Weiter geht es mit dem Velo auf Nebenstrecken und vorbei an Hunderten von Apfelbäumen zum Garten von Bea und Ueli Ackermann in Neukirch-Egnach. Nicht nur das herrschaftliche Riegelhaus bietet einen fantastischen Anblick – der

Garten hinter dem Haus ist schlicht traumhaft. Vielmehr sind es viele kleine Gärten, beschauliche Räume, die Bea, von Beruf auch Floristin, kreiert hat und auch stets wieder etwas abändert. Immer wieder trifft man auf dem weitläufigen, rund 800 m2 grossen Grundstück auf einladende Sitzplätze, entdeckt herrliche ­Rosen oder ebenso schöne dunkelrote Dahlien, weisse Hortensien, dann wieder zart wippende Gräser oder gar eine grosse Bananenstaude. Im Zentrum des Gartens verläuft eine perfekt geschnittene Buchshecke, die in schönen Kugeln übergeht. Sogar ein «Lusthäuschen» lädt zum Verweilen ein. Selbst für einen kleinen Teich mit Seerosen hat Bea ein Plätzchen gefunden. Vor dem Haus stehen in Töpfen einige Fuchsien, und vis-à-vis des Strässchens befindet sich die professionelle Schnitt­ hortensienanlage. Wer möchte hier nicht länger verweilen … •

Rita Barth hat eine bunte Wildblumenwiese angelegt.

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