Vinyl Stories 2 – Touch me if you can

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bookish periodical – ausgabe 2 / 2017

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TOUCH ME IF YOU CAN text: michael hopp / infografik: johanna höflich

Mit der CD und den digitalen Musikquellen ging das Know-How um den Umgang mit der analogen Technik fast vollkommen verloren. Wer Vinyl nicht nur kaufen, sondern auch hören will, kommt aber nicht ganz aus ohne dieses Know-how und ohne bestimmte Handgriffe. Plattenhören ist einfach mehr als Anklicken, und es bietet ja auch mehr! Doch Ungeübte und Einsteiger können im Umgang mit Platten und Plattenspieler auch vieles falsch machen. Deshalb fragen wir mal ganz grundsätzlich: Wie spiele ich eine Schallplatte richtig ab? 74

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1. Mit einem Schallplattenspieler. Die gibt es von 200 bis 200.000 Euro, sogar bis 500.000. Die Auswahl ist also groß. Je mehr man ausgibt, desto höher werden die Erwartungen sein – und desto pfleglicher muss man das Ding behandeln.

2. Der richtig aufgestellt ist. Der Plattenspieler sollte immer waagerecht stehen. Im Fachhandel gibt es dafür Racks oder Wandkonsolen. Letztere sind etwa bei stark schwingenden Dielen- oder Parkettböden zu empfehlen. Je nach Halterung und Material variiert der Sound. Alles ist jedenfalls besser als der trittschall-empfindliche Boden. Auch hier steigt man mit Hunderter-Beträgen ein und es geht bis in viele Tausender. Aber ein Plattenspieler, der nicht richtig steht, bleibt unter seinen Möglichkeiten.

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Ein Plattenspieler ist eine komplexe Angelegenheit, hier kann man sehr viel falsch machen.

3. Der gut gesettet ist. Ein Plattenspieler ist eine komplexe Angelegenheit, hier kann man sehr viel falsch machen. Teurere Player sollte auf jeden Fall der Händler zusammenbauen und aufstellen. Ein paar Essentials: Der Plattenteller muss absolut waagerecht stehen. Der Tonarm wird zuerst auf Null Gewicht ausbalanciert, und dann auf das für den Tonabnehmer richtige Gewicht eingestellt. Der abgesenkte Tonarm muss parallel zum Plattenteller verlaufen (sieht man von der Seite mit freiem Auge), der Tonabnehmer absolut gerade eingebaut sein. Hier wird es kompliziert. Helfen kann man sich mit Einstellschablonen, wenn man an den Tonabnehmer überhaupt selbst ran will. Zur Grundausrüstung jedes Vinylisten gehört übrigens eine kleine leichte Wasserwaage. Natürlich sind die Unterschiede auch einfach zu hören, aber es gibt Sicherheit, sich in einem mit optischen Mitteln hergestellten Zielkorridor zu bewegen, um ein ewiges Hin- und Herbauen zu umgehen. 76

4. Die Platte muss aus dem Cover. Den geübten Vinyl-Hörer erkennt man schon daran, wie er die Scheibe aus dem Inner Sleeve zieht. Die rechte Hand schiebt sich auf der Unterseite zwischen Papier und Vinyl, während die linke Hand dem Ganzen Halt gibt. Der Zeigefinger erreicht das (griff-feste) Label und stellt da einen Halt her, während der leicht abgespreizte Daumen die Schallplatte auf der Außenkante berührt. Es ist eher ein Einklemmen der Platte zwischen diesen beiden Punkten, als ein Festhalten. Sinn ist, klar, die Oberfläche der Platte nicht zu berühren, sondern eben nur das Papierlabel und die Außenkante der Platte.

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5. Und jetzt auf den Teller. Auf der rechten Hand haben sich inzwischen Daumen und Zeigefinger abgewechselt, das heißt der Zeigefinger sichert die Platte jetzt an der Außenkante – und der Zeigefinger der linken Hand tut es ihm gleich. Die Daumen können sich jetzt ausruhen. Das Balancieren der Platte zwischen den beiden Zeigefingern wirkt aber uncool. Mit mehr Übung und nach Gefühl und Geschicklichkeit kommt bei vielen Plattenauflegern auch die Handinnenfläche zum Einsatz oder der Flexor Retinaculum, das ist die Wölbung unter den Daumen, die sich ideal eignet zum Festklemmen von Platten vom Rand her.

6. Auflegen. Bedeutet, der Tonarm und der an seinem vorderen Ende angebrachte Tonabnehmer werden in die äußere Leerrille der Platte gesenkt, oder, mit mehr Übung, auch in Leerrillen zwischen den Cuts, wenn man nur einzelne Songs hören will. Hier ist auf jeden Fall Vorsicht angebracht, da bei diesem Vorgang sowohl der Tonabnehmer als auch die Platte Schaden nehmen können. Vinyl-Einsteiger werden sich beim Auflegen gerne vom Tonarm-Lift entlasten lassen, Geübte legen gerne auch ohne Lift (die Lift-Einstellung bleibt auf unten) auf, weil man mit dem eingekrümmten Zeigefinger unter dem nach außen wegstehenden Griff an der Oberseite des Tonabnehmers viel zielgenauer in der richtigen Rille landen kann. Wenn man getrunken hat, ist von diesem Vorgehen allerdings abzuraten, zumal man sich unter Alkoholeinfluss gerne überschätzt.

7. Alles schön sauber halten. Staub ist der natürliche Feind der VinylAbtastung. Mit ihrer elektrostatischen Aufladung, die immer wieder neu erfolgt durch das Herausziehen aus dem Inner Sleeve, ziehen Platten Staub wie Magnete an. Es gibt zwar Inner Sleeves, die das verhindern, aber den Aufwand will man vielleicht nicht treiben. Es gibt Anti-StaticTücher (kaum noch in guter Qualität und im Internet wird oft schlimmer Schrott angeboten, der die Platten mit Fusseln verschmutzt, statt sie zu reinigen) und Carbon-Bürsten für die manuelle Anwendung, aber auch Schallplatten-Waschmaschinen (nicht zu Verwechseln mit dem Plattenzerstörenden Nass-Spielen der 70er und 80er Jahre) in allen Preisklassen. Wer seine Platten nicht sauber hält, wird kaum eine Seite durchhören können, ohne dass Staubklumpen an der Nadel die Abtastung beeinträchtigen. Zur Reinigung der Nadel gibt es leichte Schleifpapiere, Bürsten (manuell immer von hinten nach vorne bewegen, den Staub nach vorne

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rausholen), spezielle Tinkturen oder auch Vibratoren, die den Dreck mit Ultraschall runtervibrieren – effizient, aber nervig in der Anwendung. Auch hier muss jeder den für sich richtigen Weg finden. Entspannte Vinylisten tun sich oft gar nicht so viel an und überlassen das Reinigen der Rille ihren gut eingestellten Tonabnehmern, die sie zwischen zwei Platten lässig mit einem Streifchen Green Paper (leichtes Schleifpapier) vom Staub befreien. 77


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