WELK

Page 1

1

WELK


ERNUEBRRGIIKE

2

2

Energie / Infografik

9

Braunkohle / Braune Bewegung

12

Atomenergie / Strahlkraft

16

Endlagerstätten / Endlösung

22

Steinkohle / Schwarzes Gold

25

Erneuerbare Energien / Erneuerbare Zukunft

30

Regierungserklärung / Druck von oben

38

Kosten des Energieumschwungs / Ungewisse Zukunft

44

RWE / Grüner Riese

51

Emissionshandel / Problemverlagerung

KAPITEL


ENERGIE

Die Energieversorgung Deutschlands beruht im Wesentlichen auf fossilen Energieträgern, wie Kohle und Erdgas, und Kernkraftwerken. Dies ist im Vergleich zu anderen Staaten der Erde nicht gerade aussergewöhnlich. Vorreiter ist Deutschland aber in seiner Rolle als Förderer der erneuerbaren Energien. Nirgendwo sonst wurden die erneuerbaren Energien so exzessiv expandiert, wie in Deutschland. Trotz allem sind ein Großteil der Kraftwerke in Deutschland veraltet. Da die fossilen Energieträger, allen voran die Steinkohle, endlich sind und langsam knapp werden, ist eine Umstrukturierung der Stromversorgung in Deutschland von Nöten.

3

I


ERNUEBRRGIIKE

Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Deutschland

444

Anteile der verschiedenen Ressourcen an der aktuellen Stromproduktion in Deutschland (2010)

zuk端nftige Ausgaben f端r den Ausbau der Overlay-Leitungen (in Euro) I NKFAOPGIRTAEFLI K


ERNUEBRRGIIKE

Weltweite Neuinvestitionen in erneuerbaren Energien (Milliarden Euro)

* Sch채tzungen

555

Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland (TWh) I NKFAOPGIRTAEFLI K


ENERGIE

6


ENERGIE

7


ENERGIE

8


ENERGIE

BRAUNE BEWEGUNG DEUTSCHLANDS GRÖßTER ENERGIELIEFERANT SORGT ZUGLEICH FÜR UMWELTZERSTÖRUNG UND TREIBHAUSGASE

D

Gas Kohlendioxid entweicht, gilt Braunkohle als klimaschädliches Element in der deutschen Energiegewinnung. Versuche den Ausstoß des Kohlendioxids einzuschränken stecken bisher noch in der Testphase und Verbesserungen in der Öko-Bilanz der Braunkohle sind bisher nur durch effizientere Kraftwerke möglich. Mit Projekten zur Rekultivierung solcher Gebiete wird versucht die nachhaltigen Schäden für die Umgebung so gering wie möglich zu halten. So entstehen aus großen Tagebaugebieten oftmals Seenlandschaften, wie beispielsweise im Leipziger Neuseenland, wo sogar die Olympischen Sommerspiele 2012 und deren Wassersportwettkämpfe ausgetragen werden sollten. Die Flutung solcher Tagebaugruben geht jedoch nicht immer ohne Konsequenzen von statten. So stürzten am Concordiasee in Sachsen, der auch in einem alten Braunkohlerevier entstanden war, ca. 1,4 Millionen Kubikmeter Geröll vom Rand des Sees und rissen Eigenheime und einen Aussichtspunkt mit sich — vier Personen wurden vermisst und weitere 41 obdachlos.

TG

BRAUNKOHLE

9

ie Braunkohle ist, wie Steinkohle, Erdgas und Erdöl, ein fossiler Energieträger, der momentan rund 25 % der zur Stromerzeugung benötigten Ressourcen ausmacht. Somit ist Braunkohle noch vor der Atomenergie der wichtigste Energielieferant in Deutschland. Von der auf dem gesamten Globus vorhandenen, förderfähigen Vorrat von ca. 283 Milliarden Tonnen entfallen rund 14 % auf Deutschland. Dies würde bei konstanter gegenwärtiger Fördermenge noch knapp 230 Jahre reichen. Nachteilig an Braunkohle ist einerseits das schlechtere Masse-Energie-Verhältnis im Vergleich zu Steinkohle — Braunkohle ist wesentlich jünger als Steinkohle und somit noch nicht vollkommen verkohlt, sondern andererseits die Tatsache, dass Braunkohle im Tagebau gefördert wird. Dies hat dramatische Eingriffe in die Umgebung und Umsiedlungen von ganzen Dörfern im betreffenden Gebiet zur Folge, weshalb es immer wieder zu Protesten mit Anwohnern kommt. Da bei der Verbrennung der Braunkohle in den meist nahe gelegenen Kraftwerken das klimaverändernde


ENERGIE

10 BRAUNKOHLE


ENERGIE

LEIPZIGER SEENLANDSCHAFT UNGLÜCK AM CONCORDIA-SEE RWE POWER AG VERZEICHNIS DER ABGERISSENEN ORTSCHAFTEN

11

S. 3-5: S. 6: OBEN: LINKS:

TAGEBAU GARZWEILER II TAGEBAUBAGGER TAGEBAU IN HAMBACH ABGERUTSCHTE ABRAUMHALDE AM CONCORDIA-SEE

BRAUNKOHLE


ENERGIE

STRAHLKRAFT DIE KERNKRAFT LIEFERT 23% DER ZUR STROMERZEUGUNG BENÖTIGTEN ENERGIE IN DEUTSCHLAND. NOCH SIEHT ES SO AUS, ALS OB SICH DER AUSSTIEG WEITER VERZÖGERT.

D

12

ie Nutzung der Kernspaltung von Uran, die dem Begriff Atomenergie zugrunde liegt, wurde einst von Otto Hahn entdeckt und führte zunächst auf militärischem Wege zu trauriger Bekanntheit. Mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945 wurde einerseits der zweite Weltkrieg beendet und andererseits eine Grundlage für die weitere zivile Nutzung gelegt. Mit dem Tod der 200.000 Einwohner von Hiroshima und den verheerenden Spätfolgen wurde die Gefährlichkeit der Kernspaltung gezeigt, welche in Tschernobyl noch einmal eindrucksvoll bestätigt wurde. Die zivile Nutzung in Form eines Kraftwerkes zur Stromerzeugung beruht im Wesentlichen auf dem alten Prinzip der Dampfmaschine, bei der Wärme in kinetische Energie umgesetzt wird, welche schließlich Turbinen zur Strom-erzeugung antreibt. Seit des ersten funtionsfähigen Kraftwerks gab es Widerstand in der Bevölkerung gegen diese neue, beinahe endlos verfügbare, aber auch gefährliche Energiequelle. Noch heute gehen Protestwellen durch Deutschland, wenn ein Zug beladen mit alten Brennstäben durch das Land rollt. Tatsächlich ist die Frage der Endlagerung noch nicht geklärt, und die Politik verstrickt sich ungünstigerweise immer wieder in Diskussionen mit der Atomlobby, die versucht ihre profitbringende

URAN-235 HAT EINE HALBWERTZEIT VON 703 MILLIONEN JAHREN

Energiequelle so lange wie möglich am Netz zu halten (siehe Seite 44). Fakt ist, dass die Atomenergie mit 23% nach Braunkohle die am stärksten genutzte Stromgewinnungskraft in Deutschland ist. Im Verhältnis zu Auslandsreaktoren sind die 17 verbliebenen deutschen Reaktoren sicher und zeigen kaum Störfälle. Ausserdem wurde im Laufe der aktuellen Diskussion von Befürwortern angebracht, dass Atomkraftwerke kein Kohlendioxid ausstoßen, und somit klimaneutral große Mengen Strom produzieren können. Tatsächlich ist die Atomenergie noch unersetzlich, wenn es darum geht auf fossile Energieträger zu verzichten und auf erneuerbare Energien umzusteigen. Der beschlossene Atomausstieg wurde um weitere zwölf Jahre nach hinten verlegt, was zu reichlichem Unmut in der Bevölkerung und dem Eindruck, dass Angela Merkel der Atomlobby zuspiele, führte. Schlussendlich ist auch die Atomenergie aufgrund der ungeklärten Abfallsituation eine Ressource die Nachholbedarf hat. Die mittelfristige Kohlendioxidersparnis täuscht dabei nur über die langfristigen Folgen der Endlagerung hinweg: U-235 hat eine Halbwertzeit von 703 Millionen Jahren. Zwischenzeitlich wurde vorgeschlagen, abgebrannten Kernbrennstoff aus der DDR nach Russland zu schicken. Wie dort seit Jahrzehnten mit den Problemen der Radioaktivität zeigt die Geschichte der Aufbereitungsstation Majak in der Ural-Steppe, die wir hier verlinkt haben.

KERNKRAFT

TG


ENERGIE

13

KERNKRAFT


ENERGIE

14 KERNKRAFT


ENERGIE

15

faz.net - ATOMMÜLLTRANSPORTE NACH RUSSLAND: DAS LAGER IN DER GEHEIMEN STADT HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG - DOKUMENTATION: VERSEUCHTES LAND - DIE ATOMFABRIK VON MAJAK diegruenen.de - FORDERUNGEN ZUM ATOMAUSSTIEG

S. 13: OBEN: LINKS:

DEMONSTRANTEN VOR KERNKRAFTWERK FERNGESTEUERTER BAGGER IM VERSUCHSENDLAGER ASSE II KERNKRAFTWERK BIBLIS A IN SÜDHESSEN

KERNKRAFT


ENERGIE

16 ENDLAGERSTÄTTEN


ENERGIE

ENDLÖSUNG VON DEN DREI ANGEDACHTEN ENDLAGERN FÜR SCHWACHUND MITTELRADIOAKTIVEN ABFALL IST NUR EINS NUTZBAR. DIE ANDERN SORGEN WEITER FÜR SCHLAGZEILEN.

N

besagte Nähe zum Wohngebiet, die Strahlung im laufenden Betrieb, der Transport, sowie die Planungshoheit der Kommunen, die bei dem Projekt ausser Kraft gesetzt wurde. Alle Klagen hatten keinen Einfluß auf das Unternehmen, sodass mit den Erkundungsmaßnahmen und dem Ausbau begonnen werden konnte. 2013 will man mit der Einlagerung beginnen. Ein weiteres Endlagerungsprojekt liegt ebenfalls in Niedersachsen. In der Schachtanlage »Asse« wurden schon von 1967 bis 1978 schwach- und mittelradioaktive Abfälle zu Versuchszwecken eingelagert. Von der Schachtanlage »Asse« gibt es immer wieder neue Negativschlagzeilen; zuletzt war Grundwasser in das Grubengebäude eingesickert und hatte die Fässer mit dem Abfall umspült. Die Mängel an der Anlage sind schon länger bekannt, wurden aber von den damaligen Betreibern und den Behörden verheimlicht oder verharmlost. Erst ab 1998 wurden die Zuflüsse des Grundwassers richtig bewertet. Daraufhin wurde begonnen das Deckengebäude zu verfüllen, um die für die Schließung nötige Stabilität zu erreichen, und die Lösungszuflüße zu unterbinden.

>

ENDLAGERSTÄTTEN

17

ach wie vor ist die Frage der Endlagerung für radioaktiven Müll nicht geklärt. Für hochradioaktiven Müll gibt es weltweit keine einzige Endlagerstätte. Dieser wird in Deutschland vorerst zwischengelagert, beispielsweise in Gorleben oder Ahaus. Für mittel- bis schwachradioaktiven Müll gibt es in Deutschland drei Endlagerstätten, die in der Vergangenheit für erhebliche Furore sorgten. Als Erstes wäre da das Endlager Morsleben. Es liegt in einem alten Salzstock und schon 1979 wurde unter der Führung der DDR mit der Einlagerung schwach- und mittelradioaktiven Abfalls begonnen. Bis 1998 wurden dort 37.000 Kubikmeter Müll eingelagert. Momentan läuft das Genehmigungsverfahren für die Versiegelung des Bauwerks. Als Zweites wäre da der »Schacht Konrad« bei Salzgitter in Niedersachsen. In dem alten Eisenerzbergwerk sollen in Zukunft schwach- und mittelradioaktive Stoffe lagern. Das Gelände befindet sich inmitten von zwei Stadtteilen und ist umgeben von Wohngebieten, weshalb es im Vorfeld der Genehmigungsprozesse zu vielen Klagen kam. Bemängelt wurde unter anderem die


ENERGIE

18

Dies gelang jedoch nicht endgültig. Ein Gutachten aus dem Jahre 2007 kam zu dem Schluss, dass eine endgültige, zeitnahe Schließung nahezu ausgeschlossen ist — sprich der Langzeitstabilitätsnachweis, der für mehrere Hunderttausend Jahre Bestand haben muss — wurde nicht erbracht. Der schlampige Umgang mit der Anlage sorgte dafür, dass unerwarteterweise 13.800 undeklarierte Fässer mit radioaktivem Abfall entdeckt wurden, die den Rahmen der Erträglichkeit sprengten. Mittlerweile wird auch die Rückholung der Fässer angedacht, um den Schacht so schnell, wie möglich zu schließen. Vor 2017 dürfte dies aber laut offiziellen Angaben aber nicht passieren. Wie man sieht gibt es in Deutschland momentan keine genügend ausgebaute Endlagerstätte für radioaktiven Abfall, weshalb neuer Atommüll, teils auch aus dem Ausland, in das Zwischenlager von Gorleben gebracht wird. Dort lagert der Müll, bis eine geeignete Alternative gefunden ist. Im vergangenen November machte sich der zwölfte Castor-Transport von der Aufbereitungsanlage La Hague auf nach Gorleben. Es sollte der längste Transport aller Zeiten werden; Zehntausende Atomkraft-gegner ketteten sich an die Gleise oder versuchten den Castor zu

»schottern«, sprich die Schottersteine aus dem Gleisbett zu buddeln und die Trasse lahm zu legen. Zwar hatte das Schottern keine großen Auswirkungen, andere Maßnahmen aber schon. So ketteten sich 2000 Menschen kurz vor Dannenberg, dem Verladebahnhof, an die Gleise und harrten über Stunden aus, bis sie erschöpft von der Polizei weggetragen werden mussten. Bauern blockierten mit ihren Traktoren wichtige Zufahrtsstraßen, wodurch die Polizei lange Umwege fahren musste und die Demonstranten Zeit gewannen. Greenpeace betonierte einen LKW-Anhänger in die Strassen und wichtige Politiker — allen voran Claudia Roth, Cem Özdemir oder Wolfgang Thierse – mischten bei den Demos mit und sorgten so für Aufmerksamkeit. Dass die Proteste berechtigt sind zeigt eine Erhebung des Landkreises Wolfenbüttel, in der nach Leukämieerkrankungen im Umkreis von Asse gefragt wurde. Die Daten — von 2002 bis 2010 erhoben — zeigen eine deutliche Häufung von Blut- und Schilddrüsenkrebserkrankungen. Das Bundesamt für Strahlenschutz aber schließt einen Zusammenhang mit der Schachtanlage aus.

ENDLAGERSTÄTTEN

SICHER IST NUR DAS RISIKO

TG


ENERGIE

19

S. 11 OBEN: S. 11 UNTEN: S. 12: OBEN: LINKS: S. 20-21

SPIELENDE DEMONSTRANTEN VOR POLIZEIBLOCKADE TEMPERATURMESSUNG AN CASTORTRANSPORT ANTI-ATOM-DEMO; ALLEN VORAN RENATE KÜNAST UND CEM ÖZDEMIR FESTGEKETTETER DEMONSTRANT EINBETONIERTER GREENPEACE-LKW ATOMBOMBE ÜBER NAGASAKI

ENDLAGERSTÄTTEN


ENERGIE

20 ENDLAGERSTÄTTEN


ENERGIE

greenpeace.de - ATOMPROTESTE 2010 n24.de - FOTOSTRECKE CASTOR-TRANSPORT

21

ENDLAGERSTÄTTEN


ENERGIE

SCHWARZES GOLD 22

BIS 2018 SOLLEN DIE SUBVENTIONIERUNGEN DER STEINKOHLE ENDGÜLTIG AUSBLEIBEN. MIT IHNEN STIRBT EINE KULTUR UND EINE GANZE REGION.

S

teinkohle ist wie Braunkohle, Erdgas und Erdöl, ein fossiler Energieträger. Er entstand über Jahrmillionen aus abgestorbenen Pflanzen aus der Zeit des Karbon, welche sich mit der Zeit übereinander lagerten und durch Druck und Wärme verkohlt wurden. Steinkohle ist auf der Erde verhältnismässig häufiger vorhanden als Braunkohle, spielt in Deutschland aufgrund der unwirtschaftlichen Förder-bedingungen kaum noch eine Rolle — größte Förderer sind mit Abstand China und die USA. Dabei hat Steinkohle in Deutschland eine lange Tradition. Schon seit mehreren Jahrhunderten wird hier Steinkohle gefördert, was unter anderem den rasanten Aufstieg Deutschlands während der industriellen Revolution im vorletzten Jahrhundert zur Folge hatte. Rund um die großen Abbaugebiete entstanden große Ballungszentren, wie der Ruhrpott — Europas größte zusammenhängende Stadtstruktur -,wo der Kohleabbau seit

jeher zu den Menschen gehört. Jedoch sind in Deutschland nur noch sechs Zechen aktiv, deren Fördermengen seit den 50ern stetig gesunken sind. Aufgrund der Konkurrenz aus Südamerika oder Afrika, wo verhältnismässig billig produziert werden kann, war der deutsche Bergbau immer abhängig von Subventionen, was ein langsames Aussterben der Zechen zur Folge hatte. Auch bei Steinkohleverbrennung in den Kraftwerken entsteht das klimaverändernde Kohlendioxid und bei der Trennung des teilweise in der Kohle vorhandenen Schwefels kann es vermehrt zu saurem Regen kommen, was der Steinkohle einen zweifelhaften Ruf verleiht. Die Subventionen für die verbleibenden Zechen werden 2018 endgültig ausgesetzt — der errechnete förderbare Vorrat reicht ohnehin nur noch bis 2010. Die Steinkohle spielt im Energiemix der Zukunft somit keine Rolle mehr.

STEINKOHLE

TG


ENERGIE

23

OBEN: LINKS: S. 24: S. 25:

BERGARBEITER AUF DEM WEG IN DEN STOLLEN STEINKOHLEFÖRDERUNG IN VERGANGENEN TAGEN INDUSTRIEDENKMAL ZECHE ZOLLVEREIN IN ESSEN VATER UND SOHN VOR WINDKRAFTWERK

STEINKOHLE


ENERGIE

ZAK - ZUKUNFTSAKTION STEINKOHLE ZECHE ZOLLVEREIN - INDUSTRIEDENKMAL

24

STEINKOHLE


ENERGIE

25

ERN E U E R B A R E E N E R G I E N


ENERGIE

ERNEUERBARE ZUKUNFT ERNEUERBARE ENERGIEN SOLLEN IN ZUKUNFT DEUTSCHLANDS ENERGIEHUNGER STILLEN. NOCH TRAGEN SIE NUR 16% ZUR STROMVERSORGUNG BEI.

A

26

ls erneuerbare Energien werden im Allgemeinen alle Resourcen bezeichnet, die nicht auf fossile Energieträger zurück greifen. Die Atomenergie hat dabei eine Inselstellung, da sie Elemente aus beiden Kategorien beinhaltet. Die erneuerbare Energie, die am längsten Verwendung findet ist die Wasserkraft. Sei es durch aufgestaute Flüße, deren Wassermassen Turbinen zur Stromerzeugung antreiben, oder neuerdings Gezeitenkraftwerke, die Ebbe und Flut auf ähnliche Weise nutzen. Die Energiegewinnung durch Staudämme hat lange Tradition, bereits 3000 Jahre vor Christus wurde der erste Staudamm gebaut. Deutschland besitzt über 300 Talsperren, die zum einen als Kraftwerk dienen, zum anderen die Trinkwasserversorgung sicherstellen. Staudämme bringen immer auch eine starke landschaftliche Veränderung mit sich, weshalb ein Großteil der Talsperren in dünn bevölkerten Teilen Deutschlands steht. Der große Vorteil einer solchen Talsperre ist die beinahe unendlich

vorhandene Kraft, mit der große Teile der umliegenden Bevölkerung mit Strom versorgt werden können. In der Vergangenheit kam es zu einigen Dammbrüchen, was jeweils eine starke Flut zur Folge hatte, die sich unaufhaltbar ins Tal stürzte. Die Gefahr einer solchen Flut und die anfangs negativen Effekte für die Anwohner, die umgesiedelt werden müssen, sind wohl die einzigen negativen Aspekte der Wasserkraft. In Meerlagen sind Gezeitenkraftwerke, die den Hub zwischen Ebbe und Flut zur Energiegewinnung nutzen, weit verbreitet. Neuerdings kommen immer neuere Kraftwerke mit anderen Techniken ans Netz, die beispielsweise die Bewegung der Wellen mit Schwimmkörpern nutzen; diese machen aber im Gesamtbild noch keinen wesentlichen Aspekt aus. Der effizienteste Energieträger ist momentan die Sonne. Sie schickt mehr als zehntausend mal so viel Energie auf die Erde, wie die Menschheit in absehbarer Zukunft verbrauchen könnte. Unter die Sonnenenergie fallen im Wesentlichen

ERN E U E R B A R E E N E R G I E N


ENERGIE

DIE ÄLTESTE ERNEUERBARE ENERGIE IST DIE WASSERKRAFT

27

die Photovoltaik, bei der die Sonneneinstrahlung direkt in Strom umgewandelt wird. Aber auch die Windenergie und die Biomassenenergie sind der Sonne verschuldet. So entstehen durch die unterschiedlichen Jahreszeiten und Temperaturen Wetterlagen, die durch Windkraftanlagen direkt genutzt werden können. Oftmals aber gibt es Proteste aus der Bevölkerung, die sich an den bis zu 60m hohen Masten stören, und ihr Idyll vor der Haustür gefährdet sehen. Die Biomassenenergie gewinnt Energie im Wesentlichen aus der Photosynthese, bei der Pflanzen die Sonnenstrahlung zum Wachsen nutzen und die Energie in ihren Zellen einlagern. Nach Absterben der Pflanze kann dieser Prozess rückwärtig genutzt und die Energie durch Wärme und Druck nutzbar gemacht werden. Die erneuerbaren Energien haben eine hervorragende

Öko-Bilanz, da bei ihrem Gebrauch kaum klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt wird. Ausserdem könnte die globale Nutzung dieses Potenzials den Energiehunger der Welt auf lange Sicht stillen. Noch steckt die flächendeckende Nutzung der erneuerbaren Energien aber in den Kinderschuhen, die Infrastruktur ist noch nicht ausreichend ausgebaut und die Probleme der unstetig fließenden Energie, beispielsweise bei der Windkraft oder der Photovoltaik, können noch nicht befriedigend für massenhaften Gebrauch gelöst werden. Momentan wird nur rund 16% des Energiebedarfs in Deutschland durch erneuerbare Energien gedeckt. Ausserdem zeigt sich immer wieder die fehlende Akzeptanz bei Schwellenländern, wie China oder Indien, auf die fossilen Energieträger, die oftmals wirtschaftlicher zu fördern sind, zu verzichten.

TG ERN E U E R B A R E E N E R G I E N


ENERGIE

28 ERN E U E R B A R E E N E R G I E N


ENERGIE

29

S. 26: S. 27: OBEN:

RAPSFELD MIT ANLIEGENDER VERGÄRUNGSANLAGE PHOTOVOLTAIKANLAGE AUF EHEMALIGEM ACKER HUBSCHRAUBERLANDEPLATZ DES WINDPARKS »ALPHA VENTUS« IN DER NORDSEE

ERN E U E R B A R E E N E R G I E N


ENERGIE

DRUCK VON OBEN IN DER KÜRZLICH VERFASSTEN UMWELTERKLÄRUNG DER BUNDESREGIERUNG SIND DIE WEITEREN SCHRITTE BIS 2050 ERKLÄRT. OB SIE HALTEN WAS SIE VERSPRECHEN?

30

D

ie Bundesregierung hat in ihrem kürzlich veröffentlichten Konzept den Weg zur Energieumstellung auf erneuerbare Energien geebnet. Das Konzept sieht vor, sich komplett von Kernkraft zu verabschieden, die Braunkohle auf ein Minimum zu reduzieren und sich weitgehend von ausländischen Stromimporten zu trennen. Bei der Stromerzeugung sollen in Zukunft rund 81% der Ressourcen durch erneuerbare gesichert werden, beim Primärenergieverbrauch, sprich die Energie für Heizen, Mobilität usw. immerhin 50%. Der Kohlendioxidausstoß soll im Vergleich zu 1990 um mindestens 80% reduziert werden. Dafür sieht die Regierung folgende Maßnahmen vor, welche teils noch in der Entwicklungsphase stecken.

RE G I E R U N G S E R K L Ä R U N G


ENERGIE

31

1

Zur Steigerung der Energieeffizienz werden in Zukunft ein Großteil der Gebrauchsgegenstände genormt und gekennzeichnet sein. Dies gilt sowohl für Autos und Haushaltsgeräte, als auch für einen Effizienzpass für Gebäude. Somit soll aufgezeigt werden, welche Einsparmöglichkeiten das jeweilige Produkt birgt. Das Potenzial für Energieeffizienz ist gerade bei Gebäuden sehr groß. Durch alte und wenig gedämmte Gebäude, alte Fenster und Türen, verliert man sehr viel Energie in Form von Wärme. Der große Anteil an Gebäuden in Deutschland – rund 75% – ist älter als 30 Jahre und entspricht nicht heutigen Standards. Für die Umsetzung der Ziele müssten jährlich etwa doppelt so viele Häuser wie bisher energetisch saniert werden.

DURCH ALTE UND WENIG GEDÄMMTE GEBÄUDE VERLIERT MAN SEHR VIEL ENERGIE

> RE G I E R U N G S E R K L Ä R U N G


ENERGIE

2 32

Der weitere Ausbau von erneuerbaren Energien ist unumgänglich. Zwar decken die erneuerbaren Energien heute schon rund 16% des Strombedarfs, das ist rund fünf Mal so viel wie vor 20 Jahren. Damit ist Deutschland weltweit Spitzenreiter, für eine komplette Übernahme der Stromversorgung ist es jedoch nicht genug. Größten Anteil soll 2050 die Windenergie tragen, die mit dem Ausbau der Offshore-Parks und steter Weiterentwicklung der Branche für konstante Energie sorgen könnte. Schon jetzt versorgen die rund 21.000 Anlagen an Land zehn Millionen Haushalte in Deutschland. Das Konzept der Regierung sieht aber auch den weiteren Ausbau der Biomassenenergie vor. Die stärkere Nutzung der bei verschiedenen Prozessen entstehenden Ausschussprodukte, wie Gülle oder Grünschnitt, oder die vermehrte Einspeisung von Bio-Methan aus Gärprozessen in der Landwirtschaft sollen bis 2050 rund 12% der Stromversorgung sichern. Eine weitere Rolle spielt weiterhin die Photovoltaik. Schon heute haben viele Firmen in der Solarbranche neue Arbeitsplätze geschaffen. Um dies auch weiterhin zu sichern, muss die Einspeisung von hauseigenen Anlagen überdacht werden, um die Anschaffung einer solchen Anlage attraktiver zu gestalten.

S. 30: S. 31: LINKS: OBEN: RECHTS: S. 34: S. 35: S. 36-37:

RE G I E R U N G S E R K L Ä R U N G

SANIERUNG


ENERGIE

3

>

MERKEL A.K.A. CONAN G EINES DACHSTUHLS; WÄRMEBILD EINES UNGEDÄMMTEN HAUSES GLÜCKLICHE FAMILIE MIT SOLARANLAGEN AUF DEM DACH PUMPSPEICHERKRAFTWERK OVERLAY-LEITUNGEN ANSTELLE VON ALTEN MASTEN KERNKRAFTWERK BIBLIS A ANGELA MERKEL‘S ZUKUNFT DER MOBILITÄT ANGELA MERKEL SAGT DANKE

RE G I E R U N G S E R K L Ä R U N G

33

Zur stärkeren Nutzung der unsteten Öko-Energien muss jedoch deren Zusammenspiel komplett überdacht werden. Um die Versorgungsengpässe, beispielsweise bei Windstille oder Nacht, auszugleichen sind enorme Zwischenspeicher von Nöten, die den konstanten Stromfluss garantieren. Die momentan am häufigsten vorzufindende Technologie sind Pumpspeicherkraftwerke. Diese pumpen bei Energieüberschuss Wasser in einen am Berg gelegenen Wasserbassin, der bei Energieengpässen das Wasser nach unten rauschen und Turbinen antreiben lässt. Ebenso ist der Ausbau der Netze unumgänglich, um beispielsweise die großen Strommengen von den Offshore-Anlagen gen Süden zu den Ballungsgebieten zu transportieren. So werden in Zukunft neue »Stromautobahnen« (sog. Overlay-Leitungen) gebaut werden müssen, die den Strom über weite Strecken verlustfrei transportieren können. Deutschland muss auch hier seiner geografischen Position als Transitland im Herzen Europas gerecht werden.


ENERGIE

34 RE G I E R U N G S E R K L Ä R U N G

bundesregierung.de - UMWELTERKLÄRUNG BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT

4

Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist zwar beschlossene Sache, und der damit einher gehende Abschied von konventionellen Kraftwerken und der Kernenergie steht fest, so bleibt die Kernkraft aber weiterhin als Brückentechnologie erhalten und die Laufzeiten werden dafür durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Deutschlands Wirtschaft beispielsweise die Stahl- oder Chemieindustrie profitiert von günstigen Strompreisen, welche die Atomenergie momentan noch bieten kann. Ein plötzlicher Umstieg auf die momentan teurere Öko-Energie hätte eine unkalkulierbare Preissteigerung zur Folge, die der Wirtschaft und den Beschäftigten nachhaltig schadet. Solange die Netze und die erneuerbaren Energien nicht genügend ausgebaut sind bleibt die Atomenergie als Brückentechnologie eine sinnvolle Alternative.


ENERGIE

35

5

In Sachen Mobilität setzt die Regierung auf Elektroautos. Deutschland war schon immer ein Land der Autos, eine Abkehr vom Individualverkehr wäre wohl sehr schwer durchzusetzen. So will die Bundesregierung Druck ausüben und bis 2020 dafür sorgen, dass mindestens eine Million Elektrofahrzeuge auf den Strassen unterwegs sind. Bis 2030 sollen es sechs Millionen sein. Dies würde nicht nur die Abhängigkeit von ausländischem Öl lindern, die so mancher Autofahrer an Feiertagen an der Zapfsäule verflucht, sondern auch für eine grüne Bilanz des Verkehres sorgen. Für die konventionellen Fahrzeuge soll sich auch etwas tun. So steht die Einführung des Bio-Ethanolkraftstoffes E10 (siehe Seite 70) kurz bevor. Mit der Hilfe des Biokraftstoffes, der rund 10% des ökologisch hergestellten Ethanols enthalten soll, wird sich auch die Bilanz der konventionellen Fahrzeuge bessern.

DIE ABHÄNGIGKEIT VOM ÖL, DIE SO MANCHER AUTOFAHRER AN FEIERTAGEN VERFLUCHT.

TG

RE G I E R U N G S E R K L Ä R U N G


ENERGIE

36 RE G I E R U N G S E R K L Ä R U N G


ENERGIE

37

RE G I E R U N G S E R K L Ä R U N G


ENERGIE

UNGEWISSE ZUKUNFT DER ENERGIEUMSCHWUNG IST BESCHLOSSENE SACHE. WAS ER ABER KOSTET STEH NOCH NICHT FEST.

D

38

er Energieumschwung ist nötig und möglich, selbst die größten Kritiker bestätigen dies. Die Kosten, die durch die kühnen Pläne verursacht werden, stehen aber noch in den Sternen und werden durch viele schwer kalkulierbare Faktoren maßgeblich beeinflußt. Nicht nur dass die Konsequenzen unserer aktuellen Energie-versorgung nicht fest stehen (siehe Seite 16), auch die Umrüstungskosten für Netze, Speicher und Privathaushalte könnten den Rahmen der sozialen Verträglichkeit sprengen. Die Kosten die durch langwierige Genehmigungsverfahren, Bürgerproteste und andere Einwände entstehen können sind ein weiterer unkalkulierbarer Faktor — Stuttgart 21 und andere Bürgerbewegungen könnten nur ein kleines Vorspiel von dem sein, was in den kommenden Jahren noch an Protesten aufkommen könnte. Momentan machen die Stromkosten nur einen geringen Anteil an den Lebenshaltungskosten aus, das könnte sich aber schon in wenigen Jahren ändern, wenn der Emissionshandel weiter ausgedehnt wird oder Branchen wie die Photovoltaik weiter durch Subventionen gelenkt werden. Die Photovoltaik ist ohnehin zum Sorgenkind der erneuerbaren Energien mutiert. Im Zukunftsenergiemix von 2050 macht die Photovoltaik nur noch 11% aus. Dies liegt womöglich an der exzessiven Subventionierung dergleichen. Momentan gibt es für Privatleute, die eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert haben und den Strom ins Netz

RECHTS: S. 40: S. 41: S. 42: S. 43:

einspeisen eine Prämie von knapp 30 Cent pro Kilowattstunde, was deutlich über dem durchschnittlichen Strompreis liegt. Zu Beginn der Subventionierung, die auf Schröders Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), dass die Einspeisung von regenerativen Energien ins Netz bevorzugen sollte, beruht, waren die aufgewandten Mittel von keiner großen Bedeutung. Mit dem technologischen Fortschritt und der steigenden Zahl der Photovoltaikanlagen stiegen auch die Subventionsausgaben — im Laufe der vergangenen zehn Jahre immerhin 80 Milliarden Euro. Der Effekt blieb aber kaum beachtenswert: Von der Sonne werden momentan nur rund 1,1% des Strombedarfs gedeckt. Da zunehmend Grossgutbesitzer in das Photovoltaikgewerbe einsteigen und beispielsweise Bauern einen großen Teil ihrer Ackerfläche lieber für den rentableren Sonnenkollektorenwahn hergeben, sehen mancherorts schon Politiker die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Kartoffeln bedroht. Schon dieses Jahr soll die EEG-Umlage, die der Verbraucher als Aufschlag auf den Strompreis zahlt von 2 auf 3,5 Cent pro Kilowattstunde ansteigen. Sollten die Subventionen für die Sonnenkollek-toren einmal ausbleiben, ist fraglich, ob sich weiterhin so viele Privatleute dafür breitschlagen lassen, eine Anlage auf ihr Dach zu pflanzen, deren Anschaffungskosten sie fürs Erste selbst tragen müssen.

>

WINDKRAFTANLAGE DES »ALPHA VENTUS«-OFFSHORE-PROJEKTES »ZEIGT SICH DIE KLEINKARIERTHEIT DER BEVÖLKERUNG« SOLARPARK IN SPANIEN CASTOR-TRANSPORT AUF DER SCHIENE RWE-CHEF GROSSMANN: »STATUS QUO BEIBEHALTEN«

KOSTEN D E S E N E R G I E U M S C H W U N G S


ENERGIE

39

KOSTEN D E S E N E R G I E U M S C H W U N G S


ENERGIE

40

A

uch die hierzulande recht erfolgreiche Windenergie stößt an ihre Grenzen und die Ausbaupotenziale an Land sind größtenteils erschöpft. Der Umbau der bestehenden Anlagen auf höhere, leistungsstärkere Masten stößt in der Bevölkerung meist auf Widerstand, die gegen eine Verschandelung ihrer Umgebung sind. So bleibt den Konzernen nur das Ausweichen aufs Meer, wo der Wind stets weht und die Anlagen niemanden stören. Allerdings ist die Arbeit vor der Küste weitaus schwieriger als an Land. Für den ersten Offshore-Windpark »Alpha Ventus« vor der deutschen Nordseeküste wurde vom Verlegeschiff, über die Anlagen selbst bis zu den Unterseeleitern alles komplett neu entwickelt. Leider ist diese Anlage recht störanfällig und steht oftmals still. Solche Unkalkulierbarkeiten machen ein Projekt zum Risikofaktor, den am Ende der Verbraucher bezahlen muss. Die Regierung kalkuliert die Investitionskosten bis 2030 optimistisch mit 75 Milliarden Euro. Jedoch kostet jeder Tag an dem die Anlage still steht weitere Investitionen. Wenn die Anlagen dann mal laufen, stellt sich die Frage, wie der grün produzierte

Strom zu den Verbrauchern kommt. Zum Einen sind da die neuen Leitungen, die durchs ganze Land verlegt werden müssen. Diese Overlay-Leitungen können große Mengen Strom über weite Strecken nahezu verlustfrei transportieren. Diese Leitungen können zwar viel, sind aber auch ihr Geld wert. So rechnet man allein für die Verbindung der norwegischen Wasserkraftwerke mit dem deutschen Norden mit 1,4 Milliarden Euro, an der Nordsee fallen 30 Milliarden Euro für die Verbindung der Offshore-Parks mit dem Festnetz an und im Süden weitere 50 Milliarden Euro für die Verbindung der geplanten Wüstensonnenkollektoren am Rande der Sahara mit dem europäischen Kontinent. Dies sind aber alles nur geschätzte Kosten, die sich wiederum über die Jahre vervielfachen könnten. Schon jetzt tun sich in einer kleinen Gemeinde in Niedersachsen, wo eine der neuen Stromautobahnen verlaufen soll, Bürger zusammen, um Verfassungsbeschwerde einzulegen. So sieht sie also momentan aus, die grüne, kühne Zukunft: Teuer und am liebsten nicht in meinem Vorgarten.

AM LIEBSTEN NICHT IN MEINEM VORGARTEN

KOSTEN D E S E N E R G I E U M S C H W U N G S


ENERGIE

700 Millionen Euro investieren, um einen riesen Bassin in den Berg zu schlagen. Der Widerstand aus der Bevölkerung ist gewiss: Die Baden-Württemberger sind seit Stuttgart 21 Widerstand gewohnt und streiterprobt. Einzige Hoffnung in dieser Hinsicht wäre die Verlagerung des Problems in den Norden Europas. Norwegen beispielsweise hat ein ausreichend dichtes Netz an solchen Speicherstätten, um seine ganze Jahresproduktion an Energie einzulagern – an einer Verbindung nach Deutschland mangelt es aber immer noch. Vergleichsweise schwankungsarm hingegen ist die Biomasseenergie, bei der Naturabfälle genutzt werden. Die Vergärung der Pflanzenstoffe ist berechenbar und konstant verfügbar. Schon jetzt werden auf einem Sechstel der deutschen Ackerfläche Monokulturen aus Mais oder Raps angebaut. Mit dem weiteren Ausbau der Biomasseenergie – bis 2050 bis zu 17-mal soviel wie heute – sehen sich Bauern und Bürger mit der Verdrängung der natürlichen Umgebung konfrontiert. Und als ob das nicht genug wäre, muss man trotz der Ausbaumaßnahmen hierzulande noch aus Fernost oder Südamerika importieren, wo Monokulturen oftmals den lebenswichtigen Regenwald ersetzen.

> KOSTEN D E S E N E R G I E U M S C H W U N G S

41

F

alls in absehbarer Zukunft die Schwierigkeiten mit den unkalkulierbaren Kosten und den technischen Problemen überstanden sind, der Wind weht und endlich der Strom fliesst, stellt sich eine weitere Frage, die die Kosten erneut steigen lässt. Naturgemäss fliesst die grüne Energie, abgesehen von Wasserkraftwerken und Biomasse höchst unregelmässig. Mal weht wochenlang kein Lüftchen. Oder wenn im Winter die Sonne nicht scheint, sollten sich die Menschen schonmal mit Dieselgeneratoren und Dosenfleisch eindecken? Wohl kaum. Deshalb kommt man nicht um die Einrichtung neuer Speicherwerke herum. Momentan ist das Speichernetz in Deutschland recht dünn; die Atom- und Kohlemeiler bieten genug Reserve, um einen steten Stromfluss zu garantieren. Mit der bevorzugten Einspeisung des Öko-Stroms aber, kommt es immer wieder zu kritischen Situationen, wenn beispielsweise mal wieder ein Sturmtief Megawatt um Megawatt ins Stromnetz einspeist und die Ingenieure die restlichen Meiler schnell herunterfahren müssen, um das System zu stabilisieren. Bisher ist nur ein neues Pumpspeicherkraftwerk in Deutschland in Planung: Im Hochschwarzwald will man rund


ENERGIE

P

42

olitiker aller Couleur warnen vor einer einseitigen Entwicklung, es müsse stets das Gemeinwohl im Vordergrund stehen — was nutzt der Roggen im Tank, wenn die Menschen keinen mehr fürs Brotbacken haben? Die Zeche zahlen am Ende am ehesten die Verbraucher, die für ihr nun grünes Leben mehr Geld aus der Tasche holen müssen. Aber es wird noch besser. Sollte man gedacht haben, irgendwann ist es ja mal genug, der irrt sich. Der weitaus kostenintensivste Teil der Regierungserklärung betrifft unmittelbar die Bürger. Durch die geplante Grundsanierung und die Anpassung der Energieeffizienz kommen horrende Kosten auf die Eigentümer, und im Endeffekt auf die Mieter zu. Die Sanierung nach heutigen Standards kann bis zu 250 Euro pro Quadratmeter kosten. Da kann man für ein veraltetes Einfamilienhaus schnell mal seine 170.000 Euro bezahlen. Dafür könnte man das Ganze auf dem Land auch neu aufbauen. Hier kriegt man zu spüren, was sich in eigentlich allen Sparten der energetischen Revolution zeigt: Zuerst muss eine Menge Geld investiert werden, ehe ein Vorhaben rentabel ist, geschwei-

ge denn Profit abwirft. Noch kann keine der Öko-Energien den Umschwung alleine bewältigen, alle sind von Subventionen abhängig, die den Wettbewerb lenken. Die allgemeine Haltung zur Verbesserung der Welt innerhalb der Gesellschaft ist zwar lobenswert, vielerorts ähneln die daraufhin getroffenen Maßnahmen eher Luft-nummern oder blindem Aktionismus. Die Bürgerproteste an vielen Orten beweisen, wie man das Gesamtpaket der grünen Revolution zwar gutheißt, sobald es aber darum geht selbst etwas dafür zu tun, oder ein Stück seines Vorgartens für die geplante Trasse zu opfern, sich die Kleinkariertheit der Bevölkerung zeigt. Noch ist der status quo viel zu bequem, der Strom kommt aus der Steckdose, das Wohnhaus wurde seit den 70ern nicht mehr saniert, der alte Kadett Kombi hat super Platz für die Enkelkinder oder den Hund: Der Anreiz etwas wirklich zu bewegen, das Haus zu sanieren, oder ein sparsameres Auto zu kaufen, ist viel zu gering. Erst wenn die Verbraucher merken, dass die Erde das faule Spiel nicht mehr mit spielt, wird das Ganze akut.

KOSTEN D E S E N E R G I E U M S C H W U N G S


ENERGIE

I

viel, wenn die aufstrebenden Industrienationen wie China, Indien oder Brasilien die Forderungen nachhaltig ignorieren. Dennoch sind wir auf einem guten Weg, der zeigt, dass sich die Gesellschaft mit den Problemen der Zukunft auseinander setzt.

TG

43

m Grunde ist man nicht viel besser als ein RWE-Chef Großmann, der zwar den Ausbau der errneuerbaren Energien propagiert, im Hintergrund aber versucht die herrschenden Verhältnisse solange wie möglich beizubehalten. Der ökologische Umschwung ist zwar unumgänglich, aber zu welchem Preis? Ist der Endverbraucher wirklich bereit sich auf seiner Öko-Nase von Chinesen herumtanzen zu lassen, die unsere Umweltvorhaben allenfalls belächeln? Steigt der Frust über die Kosten nicht irgendwann in Wut über den unwirtschaftlichen Öko-Wahn? Sind die Verbraucher wirklich bereit die Kosten zu tragen, die noch in weiter Ferne liegen, aber unaufhaltsam auf uns und die kommenden Generationen zukommen? In den nächsten Jahrzehnten werden sich viele Fragen von selbst beantworten, sei es durch die globalen Auswirkungen unseres Tuns oder die bürgerlichen Proteste vor der Haustür. Deswegen ist es jetzt unabkömmlich einen sinnvollen, bedachten Kompromiss zu finden und andere Länder zu verpflichten sich der EU anzuschliessen. Einseitiger Umweltschutz bringt nicht

ALPHA VENTUS UND ANDERE GEPLANTE OBJEKTE ndr.de - MEDIATHEK: TRECKERKORSO GEGEN STROMTRASSE www.suedkurier.de - BÜRGERINITIATIVE ATDORF

IM GRUNDE IST MAN NICHT VIEL BESSER ALS EIN RWE-CHEF GROSSMANN

KOSTEN D E S E N E R G I E U M S C H W U N G S


ENERGIE

44 RWE


ENERGIE

GRÜNER RIESE DER GRÖSSTE STROMPRODUZENT DEUTSCHLANDS GIBT SICH NACHHALTIG. TATSÄCHLICH MACHEN NUR 2,7% DES KONZERNUMSATZES DIE ERNEUERBAREN ENERGIEN AUS.

D

zwölf Jahre beinhaltet, trägt auch nicht gerade zum Öko-Image bei. Die Gesamtemission des klimaschädlichen Kohlendioxids des Konzerns beläuft sich auf knapp 140 Millionen Tonnen pro Jahr. Dass der Konzern sich die Emissionsrechte für knapp 100 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2020 mit der Investition in fragwürdige Schwellenlandindustrien erwerben will, hilft der Umwelt auch nicht gerade. Kein Wunder, dass sich die Anti-AtomBewegung mit der roten Sonne neu formiert hat und kurz nach Bekanntwerden des Beschlusses massiv demonstrierte. Auch die Demonstrationen und Blockaden im Zuge des Castor-Transportes nach Gorleben fielen vergangenes Jahr heftiger aus als sonst. Tatsächlich ist es so, dass sich die großen Stromkonzerne – RWE und E.on sind vor Vattenfall und EnBW die Konzerne mit der größten Einspeiseleistung – nicht groß um den radioaktiven Abfall kümmern. Die Verantwortung trägt der Bund. So fährt man konstant und ohne große Reinvestition Gewinne in Milliardenhöhe ein;

>

RWE

45

as sieht ja alles so schön aus. Die Weichzeichner-Optik. Der sympathische Gigant, der Windkraftanlagen pflanzt, dem Eigenheim den Erdgastank in den Garten setzt, den Braunkohletagebau neu begrast und sich nachdem er eine ganze Stadt mit Wasserkraft versorgt hat glücklich zur Ruhe setzt. Die erneuerbaren Energien spielen eine entscheidende zukunftsweisende Rolle, sollte man denken. »Es kann so leicht sein, Grosses zu bewegen, wenn man ein Riese ist.« Da sollte man doch meinen, dass RWE einiges dafür tut, seine Öko-Bilanz zu verbessern. Tatsächlich aber machen die ÖkoEnergien nur rund 2,7% des Gesamtumsatzes aus – ein verschwindend geringer Anteil im Vergleich zu den Kernprodukten des Konzerns, der Kernenergie und dem Abbau von Kohle. RWE gilt zurecht als einer der größten Klimaschädlinge Europas, die veralteten Braunkohlekraftwerke stoßen mit Abstand das meiste Kohlendioxid aus; der vor kurzem beschlossene Atom-Deal mit der Bundesregierung, der die Laufzeitverlängerung der Meiler um durchschnittlich


ENERGIE

46 S. 44: OBEN: RECHTS: S. 48-49:

RWE-WERBESPOT »GRÜNER RIESE« DIE AUSGESTOSSENEN WOLKEN DER KRAFTWERKE FRIMMERSDORF UND NIEDERAUSSEM GROSSBRAND IM KRAFTWERK NIEDERAUSSEM KRAFTWERK NIEDERAUSSEM

RWE


ENERGIE

TATSÄCHLICH IST VON DEN ANGEPRIESENEN GEZEITENKRAFTWERKEN KEINES AM NETZ.

D

wenig tut. Gerade einmal 2,7% am Gesamtumsatz, das ist erschreckend wenig für ein Unternehmen, dass sich damit brüstet, alles Denkbare zu tun. Stattdessen investiert man das Geld lieber in die alten Meiler und kriegt obendrauf noch Rabatte der Bundesregierung, die woanders sicherlich besser aufgehoben wären; beim Öko-Bauern, der seinen Dung vergären lässt, oder den Privathaushalten, die auf ihrem Dach Photovoltaikanlagen installieren. Tatsächlich ist von den angepriesenen Gezeitenkraftwerken keines am Netz, an der Mondlandschaft Garzweiler II wird bis 2045 weitergegraben – trotz ÖkoEnergie-Versprechen, und während E.on und Vattenfall immerhin den »Alpha Ventus«Offshore-Windpark finanzieren, ist RWE nur bei ein paar Vorhaben in England beteiligt, die größtenteils noch in der Planungsphase sind. Nur ein OffshoreProjekt vor der Küste Englands ist aktiv – es produziert knapp 60 Megawatt, knapp ein Zwanzigstel des 2003 eröffneten Blocks K im dreckigsten Kraftwerk Deutschlands – dem Braunkohlekraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen nahe des Tagebaus Garzweiler.

TG

RWE

47

ie geplante Brennelementesteuer wird einfach auf den Strompreis aufgeschlagen. Weithin beteuern die Stromkonzerne, allen voran der RWE-Boss Großmann, dass die Atommeiler den Strompreis konstant niedrig halten würden. In Wahrheit sind die Preispolitik und die Abgabestruktur sehr verflochten und undurchsichtig, sodass der Verbraucher im Vergleich zu europäischen Wettbewerbern einen höheren Preis zahlt. Vielerorts wird Kritik an dem von Angela Merkel durchgewunkenen Beschluss laut, Befangenheit und Lobbyarbeit wird ihr vorgeworfen. Sicher ist die Atomenergie als Brückentechnologie eine nötige Alternative, aber zu welchen Bedingungen sie benutzt wird, hätte zukunftsweisender sein können. Umweltminister Röttgen hatte vor dem Beschluss das Abschalten aller Meiler nach acht Jahren Verlängerung gefordert – am Ende wurden es zwölf, was nur der intensiv betriebenen Panikmache der Konzerne zu verdanken ist. Grundsätzlich ist man ja bemüht sich dem Klimaschutz zu unterwerfen – die Verlängerung um zwölf Jahre ist ohnehin nur ein Aufschub für das Unumgängliche – aber die Zahlen sagen eindeutig, dass man noch zu


ENERGIE

48 RWE


ENERGIE

49

RWE


ENERGIE

50 RWE


ENERGIE

PROBLEMVERLAGERUNG DER EMISSIONSHANDEL WAR URSPRÜNGLICH DAFÜR GEDACHT DIE EMISSIONEN IN EUROPA ZU REGLEMENTIEREN. MITTLERWEILE BEISST SICH DIE KATZE IN DEN SCHWANZ.

E

nehmen wie beispielsweise die RWE auf. Das Konzept, dass dem Ganzen zu Grunde liegt, nennt sich Clean Development Mechanism (CDM), es soll dabei die Investitionen von Unternehmen in klimaschonende Vorhaben stärken, und gibt im Gegenzug Emissionsrechte preis. So rühmt sich der auf besondere Nachhaltigkeit bestimmte Konzern (siehe Seite 44) damit, in die Windkraft auf den Galapagos-Inseln zu investieren, was dort zur Einsparung von alten Dieselgeneratoren führt. Einsparpotenzial rund 2000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr — leider gerade mal so viel, wie das heimische Braunkohlewerk pro Stunde emittiert. Der Konzern ist weltweit mit der Suche nach Einsparpotenzialen in ausländischen Firmen beschäftigt und engagiert dafür ein Team aus 30 Leuten. Auf Messen bieten dann beispielsweise Besitzer von afrikanischen Mülldeponien die Renovierung derselbigen an, RWE investiert in die Kippe und sichert sich dadurch Emissionsrechte, die man dann hier wieder in die Luft blasen kann. Durch diese Verfahren wird das ganze Vorhaben > ad absurdum geführt.

EMISSIONSHANDEL

51

ine weitere Maßnahme in Europa, die ursprünglich dafür sorgen sollte, den Kohlendioxidausstoss zu reglementieren und zu begrenzen, ist der Emissionshandel. Das Prinzip, dass dahinter steckt ist eigentlich recht simpel. Jedes Unternehmen bekommt je nach Umsatz und Sparte gewisse Emissionsrechte gesichert. Emittiert ein Unternehmen weniger als es Rechte besitzt, so kann es diese auf der Emissionsbörse – hier in Deutschland die European Energy Exchange kurz EEX in Leipzig – verkaufen. Unternehmen, die zu viel klimaschädliche Gase emittieren müssen diese hinzu kaufen. Der aktuelle Preis für einen Erlaubnisschein zur Emission von einer Tonne Kohlendioxid beträgt rund 15 Euro. So weit so gut. In der Realität bewegt sich das ganze Vorhaben in weitaus komplexeren, unüberschaubaren Gefilden. Da der Emissionshandel in dieser Form nur in Europa existiert, anderswo sind solche Vorhaben in Planung, oder schon wieder auf Eis gelegt, die Zertifikate aber weltweit erworben werden können, tut sich ein gewaltiger Spielraum für Großunter-


ENERGIE

www.eex.com/de - EMISSIONSRECHTEBÖRSE LEIPZIG IM INTERNET www.stromvergleich.de - HACKERANGRIFF TRIFFT EMISSIONSHANDEL DER EU www.co2-handel.de

S

52

o existieren in China klimaschädliche Fabriken zur Kühlmittelherstellung nur noch um Investoren anzulocken, die auf Emissionsrechte aus sind. Schon lange wird von Experten gefordert, den Emissionshandel schnell und umfassend für alle Länder der Welt einzuführen. Die Vorreiterrolle der Europäischen Union ist zwar lobenswert, aber der globale Nutzen wird durch das System kaum gesichert, zumal man sich innerhalb der Union nicht einig ist. So brauchen spanische Ziegelhersteller weniger Emissionsrechte als deutsche: Aufgrund des warmen Wetters müssen die Ziegel nich frostsicher und damit länger gebrannt werden, wodurch sich die Emissionen reduzieren. Anderes Bespiel wären die Fluglinien die vergangenes Jahr wegen der Vulkanaschewolke eine lange Zeit am Boden bleiben mussten: Weniger Umsatz, weniger Emissionsrechte, was für das Folgejahr das Zukaufen der Rechte bedeutet. Bürokratische Vorgänge sorgen schon jetzt für eine erhebliche Belastung der Unternehmen. Beispielsweise in der Stahlindustrie, wo der Kohlendioxidausstoss

Amaßgeblich von der Zusammensetzung der verschiedenen Metalle abhängt, muss man nun mit aufwendigen Verfahren den Kohlenstoffgehalt der unterschiedlichen Chargen schon vor der Verarbeitung messen, was einen erheblichen Mehraufwand zur Folge hat und für die Unternehmen bei Überschreitung der Emissionswerte ein Zukaufen von Rechten bedeutet. Ein eigens dafür eingestellter „Carbon Manager“ ist nur mit der Messung und Dokumentation der einzelnen Elemente beauftragt, und muss den Prüfern des Umweltamtes detailliert Rechnung ablegen. Dieser Faktor macht die Herstellung von Stahlprodukten schwer kalkulierbar. Der Einfluss von Spekulanten auf den Markt der Emissionsrechte und die schwankenden Preise könnten in Zukunft das Ganze noch schwieriger gestalten. Denn ab 2013 wird die zweite Stufe des Emissionshandelsrechts eingeläutet, bei der die Rechte noch einmal beschränkt werden. Erst dann werden die Emissionen einen wahrnehmbaren Einfluss auf die Preisentwicklung der Produkte haben. Verständlicherweise protestieren schon heute die Unternehmer

EMISSIONSHANDEL


ENERGIE

TG

EMISSIONSHANDEL

53

und sehen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produkte gefährdet. Beispielsweise profitieren die USA und China im globalen Stahlhandel von den Faktoren, die deutschen Stahl teurer werden lassen. Im Endeffekt bringen solche Vorhaben für die globale Klimasituation recht wenig, wenn nicht jedes Land daran beteiligt ist. Manche befürchten sogar, dass solche Reglementierungen den Klimawandel noch beschleunigen, und somit den gegenteiligen Effekt haben könnten, wenn weiterhin klimaschädliche Fabriken in Dritte-Welt- und Schwellenländern nur auf- und abgebaut werden, um Emissionsrechte zu generieren. Diese Umgehungsmöglichkeiten und die aufwendige Bürokratie lassen den Emissionshandel zur Luftnummer werden. Eine weitere Massnahme die mehr schadet, als dass sie hilft.


T RRAUNBSRPIOKR T

54

56

TRANSPORT / INFOGRAFIK

61

AUTOMOBILE / GRÜNE MOBILITÄT

70

BIO-ETHANOL / FORMALDEHYDE UND BLAUSÄURE

74

UMWELTZONEN / GROUND ZERO

80

FRAPORT STARTBAHN WEST / IHR GEWISSEN WAR REIN

92

FRAPORT / DAUMEN HOCH IHR ÖKOS

98

BAHN - POST / OHNE KOHLENDIOXID, BITTE!

KAPITEL


TRANSPORT

Der Transport ist einer der größten Kohlendioxidverursacher Deutschlands. Da muss etwas getan werden. Mit Druck von oben wird versucht die Bilanz zu verbessern. Auch hier stecken zahlreiche solvente Unternehmen dahinter, die gemerkt haben, wie gut die Öko-Masche zieht.

55

II


T RRAUNBSRPIOKR T

stößt die Post jedes Jahr aus. Über 80% werden von Subunternehmen verursacht, auf die der Konzern keinen Einfluß hat 56

Strafe für Verstöße in Umweltzonen

geschätze Anzahl von Elektroautos in Deutschland I NKFAOPGIRTAEFLI K


T RRAUNBSRPIOKR T

im Jahr 端berschreitet die Luft in der Frankfurter Innenstadt die Grenzwerte

im Jahr 端berschreitet die Luft auf dem Flughafengel辰nde in Frankfurt die Grenzwerte

57

kostet der Aufschlag f端r das Eco Program der Deutschen Bahn auf der Strecke Frankfurt - Berlin

I NKFAOPGIRTAEFLI K


TRANSPORT

58


TRANSPORT

59


RUBRIK

60 KAPITEL


TRANSPORT

61

OBEN: S. 62: S. 63: S. 64: S. 65:

LEICHTBAUSTUDIE VON BMW FÜR KÜNFTIGE ELEKTROGENERATIONEN ELEKTROSTUDIE VON MITSUBISH: HESSISCH FÜR »ICH STINKE« DER ZWEITHÖCHSTE SCHORNSTEIN DER WELT AUF DEM GELÄNDE DER INCO MINE IN ONTARIO ANGELA MERKEL MIT DIETER ZETSCHE UND JÜRGEN GROSSMANN BEI AUTOMOBILPREMIERE MERCEDES SLS AMG E-CELL

AUTOMOBILE


TRANSPORT

GRÜNE MOBILITÄT DEUTSCHLAND LIEBT SEINE AUTOS. DAS EINZIGE LAND DER WELT OHNE GESCHWINDIGKEITSBEGRENZUNG AUF AUTOBAHNEN REVOLUTIONIERT SEINE MOBILITÄT. 62

D

eutschland ist das Land der Automobile. Das erste Auto wurde hier erfunden. Das Auto ist eins der stärksten Exportgüter Deutschlands. Individualverkehr wurde schon immer den öffentlichen Verkehrsmitteln vorgezogen. Technologisch ist kaum eine Industrie so gut ausgebaut wie die deutsche. Selbstverständlich bleibt auch in der Automobilbranche die Zuwendung zu ressourcenschonenderen, klimafreundlicheren Produkten nicht unbemerkt. Deutlich öfter wird mittlerweile nach Kosten und Verbrauch auch auf den Kohlendioxidausstoß geachtet. Umweltfreundliche Fortbewegung ist im Trend. Nur logisch scheint da die Popularität von neuen Antriebstechniken. Ob Hybrid-, Erdgas-, Wasserstoff-, oder Elektroautos, stets wird der Wandel hin zu neuen, nachhaltigen Technologien propagiert. Durchgesetzt hat sich über die Jahre der Hybridantrieb, vor allem der Toyota Prius. Ihn gibt es mittlerweile schon in der dritten Generation und er führt nach wie vor mit Abstand die Zulassungsstatistiken an. Die Technik die dahinter

steckt beruht im Wesentlichen auf zwei Antrieben: Einerseits ein herkömmlicher Benzinmotor und andererseits ein Elektromotor. Bei Geschwindigkeiten unter 50km/h übernimmt der Elektroantrieb, bei Geschwindigkeiten darüber oder niedrigem Batteriestand springt der Benziner dazu, und ermöglicht somit eine erhebliche Reduktion des Verbrauchs und des Kohlendioxidausstoßes. Ausgezeichnet wurde er mit vielen Preisen für seine Umweltfreundlichkeit, u. a. Gewinner des Ökoglobes 2009. Jedoch gibt es auch hier seine Schattenseiten. Die Batterie, die im Prius verbaut ist, enthält verhältnismässig viel Nickel, welches größtenteils aus der Inco Mine in Sudbury, Ontario kommt. Hier wird unter sehr umweltschädlichen Bedingungen gefördert und hergestellt. Durch den starken Ausstoß von Schwefeldioxid kommt es oft zu saurem Regen, durch den die anliegende Umgebung zerstört wurde. Das umliegende Gelände ist so kontaminiert und pflanzenlos, dass im Zuge des Apollo-Projektes Astronauten der NASA dort die Beschaffenheit des Mondes übten.

> AUTOMOBILE


TRANSPORT

63

AUTOMOBILE


TRANSPORT

64

AUF DEM GELÄNDE DER INCO MINE ÜBTEN DIE ASTRONAUTEN DER APOLLO-MISSION

Neben dem größten Vorkommen von punktuellem, saurem Regen des nordamerikanischen Kontinents, findet man hier auch den zweithöchsten Schornstein der Erde. Eine Studie kam nun sogar zum Ergebnis, dass ein Prius in seiner Endbilanz sogar schlechter ist, als ein Hummer. Grund dafür ist zum einen die kürzere Lebensdauer — für einen Prius wurden 100.000 km veranschlagt, für den Hummer waren es 300.000 — zum anderen die langen Wege für das Nickel: Es wird von Kanada nach Europa über China nach Japan, und von da wieder in die USA geschifft. Einmal um die ganze Welt – ob das so umweltfreundlich ist, ist fraglich. Anschaffungskosten und andere laufende Kosten bringen dem Prius eine weniger gute Endbilanz als erhofft. Der Studie zufolge ist es demnach besser ein konventionelles Fahrzeug zu fahren, dass weniger verbraucht, als einen teuren Hybrid.

A

nderes Beispiel für den Klimawahn ist die Bezeichnung »ECO«, die man auf immer mehr Fahrzeugen findet. Hiermit deutet man an, dass das Fahrzeug klimafreundlich ist, und erheblich weniger Kohlendioxid ausstößt als vergleichbare seiner Klasse.

Nehmen wir nur mal das Beispiel »ECOflex«, das auf vielen Opel-Fahrzeugen prangt. Auf den ersten Blick mag man vermuten, dass man mit dem Kauf was fürs Klima tut. Tatsächlich tut man aber nur was für das Gewissen. »ECOflex« beschreibt nämlich nur die am wenigsten motorisierte, und sparsamste Version eines Modells — extra Klimaschutzmaßnahmen werden nicht eingebaut. So wird einem Produkt der grüne Stempel aufgedrückt, ohne eine technologische Begründung. Der Mehraufwand für den Konzern ist gering, der Effekt beim Käufer aber enorm.

D

ie Antriebsart, die momentan am stärksten ausgebaut wird, ist der Elektroantrieb. So war die Subventionierung ein wesentlicher Bestandteil der Umwelterklärung der Bundesregierung (siehe Seite 35). Künftig soll ein Großteil der Autos elektrisch angetrieben werden. Noch aber steckt die Technologie in ihren Anfängen. So sind die modernen Batterien noch zu schwer und haben zu wenig Kapazität, um ein Auto auf ähnlich langen Strecken zu bewegen, wie konventionelle Ottomotoren — mindestens 200 km müsste eine Akkuladung reichen, die meisten Batterien liegen weit darunter.

AUTOMOBILE


TRANSPORT

es nicht einmal in Serie geben wird, während der SLS bald schon produziert werden soll. Die Regierung plant bis 2020 rund eine Millionen Elektroautos auf den Straßen zu haben, bis 2030 sollen es sechs Millionen sein. Dieses Ziel ist bestimmt nur zu erreichen wenn man sich vom protzigen Gehabe der sinnlosen Boliden trennt und kleine, leichte und sparsame Autos baut. Momentan wäre der Elektroschub ohnehin nicht sinnvoll — ein Großteil des deutschen Stroms kommt noch aus alten Kohle- und Kernkraftwerken.

D

ie anderen Alternativen haben sich in der Vergangenheit schon selbst entsorgt. Anfangs als revolutionäre Technik bewundert, hat es die Wasserstofftechnologie nach einigen Jahren in der Testphase, nicht zur Serienproduktion geschafft. Nachdem man noch auf dem Klimagipfel 2009 die wichtigen Leute mit Wasserstofftaxis kutschierte, verkündete man eine Woche später die sofortige Einstellung der Entwicklung. Erdgas hingegen ist schon länger als Treibstoff im Umlauf. Mittlerweile wird auch verstärkt Biogas aus Vergärungsprozessen ins Netz eingespeist. Erdgas bleibt aber eine kurzfristige Lösung, da auch diese

> AUTOMOBILE

65

RWE FÜHRT DIE ZUKUNFTSVISION MIT IHREN KRAFTWERKEN AD ABSURDUM

Dass eine Serienproduktion möglich ist, wurde bisher nur bei Kleinstwagen bewiesen, die auf dem Markt in Europa schlicht keine Abnehmer finden. Der Ausbau der Technologie ist somit eins der Hauptziele für das kommende Jahrzehnt. Deutsche Konzerne — allen voran Mercedes-Benz und BMW — bemühen sich nach Kräften einen haltbaren und ausdauernden Elektroantrieb zu bauen. Neben sinnvollen Ansätzen wie einem elektronisch betriebenen Smart bei Mercedes, oder der Ansatz zur Serienproduktion von Carbon-Karosserien, als Ausgleich für das Gewicht der schweren Batterien, bei BMW, schafften es nur die reisserischen Brüder dergleichen in die Schlagzeilen. Der SLS AMG e-cell ist ein zwei Tonnen schwerer Supersportwagen, der von vier Elektromotoren angetrieben wird. 533 PS liefern die vier Aggregate und beschleunigen den Boliden in fünf Sekunden auf 100 km/h. Die Reichweite soll angeblich bei über 200 km liegen. In der Realität schafft es der Zukunftswagen gerade einmal auf 14 Kilometer, während denen man lieber den Batteriestand im Auge behält. Ein solch sinnloses Gefährt, dass sich ohnehin nur die obersten Zehntausend leisten könnten, wird nur vom e-tron von Audi übertroffen, den


TRANSPORT

66

Ressource endlich ist und ebenso wie Erdöl fossile Energieträger verbraucht. Bis die Technologie soweit entwickelt ist, dass sie die angestrebte Anzahl von sechs Millionen Autos bis 2030 erreicht, werden noch viele Jahre ins Land gehen. Am unsinnigsten ist dabei Werbung von RWE — Deutschlands konservativster und klimaschädlichster Energielieferant — in dem die breite Bereitstellung von Stromzapfsäulen propagiert wird. Wenn der Strom aus diesen Zapfsäulen nach wie vor aus Braunkohle oder Kernkraft gewonnen wird, beisst sich die Katze in den Schwanz und der Umwelt ist nicht geholfen.

TG

OBEN: RECHTS: S. 66-67:

ZAPFSÄULENPROTOTYP VON SIEMENS ZAPFSÄULE VON VATTENFALL ELEKTROSTUDIE VON AUDI: E-TRON

AUTOMOBILE


TRANSPORT

67

www.bundesregierung.de - UMWELTERKLÄRUNG spiegel.de - SLS AMG e-cell INCO MINE IN SUDBURY, ONTARIO - HIGHEST SMOKESTACK IN NORTHERN AMERICA

AUTOMOBILE


TRANSPORT

68 AUTOMOBILE


TRANSPORT

69

AUTOMOBILE


TRANSPORT

FORMALDEHYDE UND BLAUSÄURE WENIGER KOHLENDIOXID IST ZWAR DAS RESULTAT DES NEUEN E10-KRAFTSTOFFES. DAFÜR ABER AUCH FORMALDEHYD UND BLAUSÄURE

D

einer kalten Enteignung. Doch nun mal von Anfang an: Ursprünglich war mit der Zuführung des Bio-Kraftstoffs eine bessere Öko-Bilanz für konventionelle Otto-Motoren beabsichtigt; Bio-Ethanol verbrennt sauberer als normales Benzin, sprich weniger CO2-Ausstoß. Auch wollte man sich von den teuren Erdölimporten lösen. Eigentlich eine gute Intention: Klima retten und weniger Kosten für alle! Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Werfen wir mal ein Blick auf Länder, die schon länger den BioKraftstoff verwenden. In Mexiko wird schon länger Mais zu Ethanol vergoren und für Fahrzeuge in den USA verkauft. Dies führte zu einer Notverordnung der Regierung, die eine sofortige Preisreduzierung für Mais zur Folge hatte: Der Mais als Lebensmittel für die Bevölkerung war in Konkurrenz zur Biomasseressource Mais getreten und führte zu unbezahlbaren Preisen für die Bevölkerung. In Brasilien, wo schon länger Zuckerrohr vergoren wird, wurde zeitweise mehr Ethanolkraftstoff, als

IN BRASILIENS METROPOLEN WERDEN DIE GRENZWERTE TÄGLICH ÜBERSCHRITTEN

BIO-ETHANOL

daserste.de - FAKT MAGAZIN: WO SPRIT REINKOMMT KANN GIFT RAUSKOMMENbun bundesregierung.de - MOBILITÄT adac.de - WARNUNG VOR NEUEM BIO-SPRIT

70

ie Einführung des umstrittenen E10-Kraftstoffes — 10 steht für die zehn Volumenprozent Ethanol, die dem herkömmlichen Kraftstoff beigemischt werden — steht unmittelbar bevor. Ab Januar diesen Jahres dürfen die zehn Volumenprozent offiziell dem Kraftstoff beigemischt werden. Schon jetzt sind rund fünf Prozent Ethanol dem Benzin beigemischt. Doch im Vorfeld der Einführung, die schon vor einigen Jahren im Gespräch war, gab es immer wieder Proteste seitens der Automobilindustrie. Fakt ist, dass nur geschätzte 90% des Automobilbestandes den neuen Kraftstoff vertragen; Ethanol löst die Weichmacher des Gummis aus den Leitungen und lässt diese porös werden, hoher Verschleiß ist dadurch vorprogrammiert. Moderne Autos vertragen den neuen Kraftstoff eher als ältere, weshalb alte Modelle den teureren Super-Plus-Kraftstoff tanken müssen. So werden alte Modelle, die ohnehin schon mit den Umweltzonen (siehe Seite 74) zu kämpfen haben, weiter ausgegrenzt. Manch einer spricht schon von


TRANSPORT

IN MEXICO FÜHRT DIE ETHANOLHERSTELLUNG ZUR VERKNAPPUNG VON LEBENSMITTELN

hinein Optimierungsmaßnahmen zu initiieren, sondern im Vorfeld die Vor- und Nachteile des neuen Kraftstoffes ausloten. Noch sind die Emissionen des Bio-Ethanols nicht gewichtig, was sich aber bei Erhöhung des Volumenprozents und der stärkeren Nutzung des Kraftstoffes erheblich verschlimmern könnte. Weiterer Nachteil, der schon in Mexiko zu drastischen Folgen führte, ist die Entstehung von Monokulturen aus Energiepflanzen in Konkurrenz zu Lebensmitteln, die teils starke Preiserhöhungen nach sich ziehen. Schon heute hungern eine Vielzahl der sieben Milliarden Menschen auf der Erde, eine Verknappung der Ressourcen für ein angebliches Öko-Gewissen könnte ein weiteres Übel sein. Hier zeigt sich, wie in vielen Maßnahmen, die von Regierungsseite forciert werden, die Kurzsichtigkeit und die Ausblendung der Folgen. Zu was das führen kann lässt sich am Beispiel Brasiliens gut veranschaulichen: Trotz Bio-Ethanolbeimischung und Verbot von Dieselfahrzeugen für Privatleute werden in den großen Metropolen die Grenzwerte täglich überschritten.

TG

BIO-ETHANOL

71

herkömmliches Benzin verkauft. Die Zuckerrohrindustrie ist seit jeher in Brasilien stark vertreten, und ein Schritt zu weniger Ölabhängigkeit nach den Krisen in der Vergangenheit, hin zu Zuckerrohrkraftstoff logisch. Jedoch ist auch hier nicht alles Gold was glänzt. Kürzlich wurde eine Erhebung der Luftqualität veranlasst, um den gestiegenen Aldehyd-Anteil in der Luft zu klären – Formaldehyd und Acetaldehyd sind dabei am häufigsten vertreten. Aldehyde sind Vorstufen von Ozon, das bei hohen Dosierungen stark reizend ist und sonst nur in den oberen Schichten der Atmosphäre vorkommt. Kürzliche Untersuchungen der Verbrennung des Bio-Kraftstoffes kamen eindeutig zu dem Schluss, dass Bio-Ethanol zwar weniger Kohlendioxid emittiert, dafür aber andere, viel schädlichere Stoffe wie Blausäure und eben die Aldehyde. Selbst die Grünen sind deswegen skeptisch gegenüber dem Bio-Ethanol. Anders als bei Erdöl solle man nicht den Fehler machen erst im Nach-


TRANSPORT

72 BIO-ETHANOL


TRANSPORT

S. 71: LINKS: UNTEN:

ZAPFANLAGE FÜR BIO-SPRIT RAPSFELD IN DEUTSCHLAND ZUCKERROHRPLANTAGE BEI SAO PAULO

73

BIO-ETHANOL


TRANSPORT

74 UMWELTZONEN


TRANSPORT

75

UMWELTZONEN


TRANSPORT

GROUND ZERO DER SCHWACHSINN IN DER INNENSTADT.

D

76

ie Umweltzonen sind das Resultat einer zu Beginn fundierten Diskussion in der Politik zur Senkung der Feinstaubkonzentration in deutschen Innenstädten. Die große Koalition unter Angela Merkel verabschiedete die Verordnung im Oktober 2006 nach Änderungen durch den Bundesrat. Am 1. März 2007 trat sie in Kraft. Von da an war es Kommunen gestattet in Ballungsräumen Umweltzonen zu errichten — meist die Innenstadt der jeweiligen Kommune — und somit die Einfahrt von besonders schadstoffreichen Kraftfahrzeugen zu untersagen. Ausgangspunkt der damaligen Debatte war eine Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), laut der weltweit 370.000 vorzeitige Todesfälle auf hohe Feinstaubbelastung zurück zu führen seien. Schon 1999 regelte die EU-Luftqualitätsrichtlinie die Senkung der Feinstaubbelastung, jedoch fehlte damals die gesetzliche Grundlage in Deutschland. Die Ursache für die hohe Feinstaubkonzentration in Großstädten waren laut damaliger Aussage alte Dieselfahrzeuge ohne Rußpartikelfilter und ältere Benziner ohne geregelten Katalysator.

Da der Katalysator seit den 80ern ein Standardmodul in modernen Autos ist, waren die unteren Stufen der Feinstaubplakette den alten Dieselfahrzeugen vorbehalten; alle Benziner mit geregeltem Katalysator bekamen die grüne Plakette. Die mittlerweile um die 40 Umweltzonen in Deutschland — größtenteils im Rhein-RuhrGebiet und Baden-Württemberg — regeln die Einfahrt je nach Plakette mit Schildern an den Einfallstrassen. Je nach Stadt dürfen dann nur Autos mit grünen, grünen und gelben, oder allen Plaketten einfahren. Ausgenommen sind generell nur Fahrzeuge die überhaupt keine Plakette mehr bekommen haben, weil sie nur die Euro 1 Norm erfüllten. In Berlin und Hannover waren schon letztes Jahr nur Fahrzeuge mit grüner Plakette in der Innenstadt erlaubt. Die Kritik vieler Autofahrer gründet sich aus kaum logischen Zusammenhängen innerhalb der Verordnung, die für die Verbraucher schnell an den Rand zur Abzocke gehen. Die Abnahme der Feinstaubkonzentration in Folge der Einfahrverbote konnte sich nicht bestätigen lassen. Somit hing die Konzentration sehr stark von Wetter-

UMWELTZONEN


TRANSPORT

Nachgewiesen wurde auch, dass der Mensch nur zu zehn Prozent an der Feinstaubkonzentration Schuld hat. Der Rest wird durch ganz natürliche Prozesse verursacht, wie zum Beispiel der alljährliche Pollenflug oder kleingeriebene Erde. Ausserdem sprechen viele Kritiker von einer »kalten Enteignung«. Alte Fahrzeuge, die im Zuge der Umweltzonen wertlos geworden sind, werden nach und nach aus dem Verkehr gezogen und durch neuere »umweltfreundlichere« ersetzt. Dies beschert dem Bund mehr Steuereinnahmen und sorgt für anhaltenden Wirtschaftswachstum. Die Kommunen können sich obendrein noch das Geld der verkauften Plaketten in die Tasche stecken. Im Endeffekt überwiegen die negativen Aspekte dieses Unternehmens die positiven, und eine ökologische Intention, die einstmals dahinter steckte, wird zunehmend durch fadenscheinige Herleitungen und den nicht erwiesenen Nutzen entkräftet. Selbst führende Institutionen wie das Fraunhofer-Institut, und mehrere Politiker fordern seit längerem ein Überdenken den Verordnung.

TG

UMWELTZONEN

77

umständen ab. An windstillen Tagen und hohen Temperaturen kann sich eine Feinstaubwolke weniger schnell verteilen, als an windigen Tagen mit Niederschlag. So liess sich zeigen, dass es in Berlin, welches in der Umweltzone lag, kaum Veränderungen im Verhältnis zu Potsdam, welches ausserhalb der Umweltzone lag, gab. So war zwar die Emmission von Schadstoffen geringfügig niedriger, die Immission jedoch blieb konstant. Den größten Anteil an der Feinstaubemission hat der Verschleiß von Bremsen oder Reifen (rund 70%), so ist es kaum verständlich, dass schwere Geländewagen oder Luxuslimousinen neuerer Bauart eine grüne Plakette bekommen, ein alter Kadett, der nur die Hälfte wiegt dagegen mit der roten Plakette ausgesondert wird. Das Signal, dass Autofahrern mit grüner Plakette gegeben wird, ist eigentlich nicht hilfreich. Statt die Leute zum vermeintlich »unschädlichen« Autofahren in der Innenstadt zu bewegen, sollte man doch eher in die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs investieren, um mehr Nutzer vom Auto weg zu bringen.


TRANSPORT

daserste.de - FAKT MAGAZIN VOM 14.01.2008 zdf.de - MEDIATHEK: BERICHT ÜBER DIE UMWELTZONEN

78 S. 74-75: S. 76: S. 77: OBEN: RECHTS:

UMWELTZONEN STEHEN JEDEM GUT UMWELTPLAKETTEN POLLENFLUG; SIE SIND SCHULD: DIE ALTEN DIESEL! SMOG ÜBER PEKING; UMWELTZONE? KONDENSSTRIEFEN EINES FLUGZEUGS

UMWELTZONEN


TRANSPORT

79

FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

80 FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

81

FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

82 FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

83

FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

84 S. 80-81 S. 82-83 OBEN: RECHTS: S. 87: S. 88-89: S. 90-91:

IMMER NOCH STEHENDE MAUER AM FLUGHAFENGELÄNDE MAUER ZUR ABGRENZUNG DER DEMONSTRANTEN »IHR GEWISSEN WAR REIN SIE BENUTZTEN ES NIE« HEUTIGE STARTBAHN TRAUERZUG DER POLIZISTEN 1987 STARTBAHN 18 WEST VON DER HEUTIGEN AUSSICHTSPLATTFORM 5M HOHER ZAUN ZUR ABGRENZUNG DES FLUGHAFENGELÄNDES AM BANNWALD

FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

IHR GEWISSEN WAR REIN IN DEN ACHZIGERN KAM ES IM ZUGE DES FLUGHAFENAUSBAUS ZU HEFTIGEN PROTESTEN. TRAURIGER HÖHEPUNKT WAR DER TOD VON ZWEI POLIZEIBEAMTEN. Polizeipräsenz scheiterten jegliche Protestversuche, was dazu führte, dass die Informationshütte um mehrere illegale Häuser und sogar eine Kirche ergänzt wurde. Das Dorf wurde von nun an dauerhaft bewohnt, um schneller auf Rodungsabsichten reagieren zu können. Das Hüttendorf hatte recht lange Bestand und wurde erst ein Jahr später nach einem umstrittenen Polizeieinsatz geräumt. Kurz darauf am 14. November 1981 kam es zu schweren Demonstrationen, bei denen Demonstranten die Eingänge zum Flughafen und anschliessend die angrenzende Autobahn verbarrikadierten. Die Frankfurter Innenstadt wurde für knapp eine Woche von Demonstranten faktisch lahm gelegt und eine Besetzung des Hauptbahnhofs konnte nur durch massive Polizeipräsenz verhindert werden. Aufgrund einer ausser Kontrolle geratenen Demonstration am 3. November 1981, bei der mehrere Demonstranten schwer verletzt wurden, wurde Alexander Schubart - damaliger Frankfurter Magistratsdirektor - wegen Nötigung und Aufrufs zur Gewalt zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt und aus dem Staatsdienst

> FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T

85

U

m zu verstehen welche Brisanz den Flughafen und die Umwelt verbindet, muss man zunächst ca. dreißig Jahre in die Vergangenheit blicken. Während des damaligen Baus der Startbahn 18 West und den vorangegangenen Planfeststellungsverfahren kam es immer wieder zu Klagen gegen die Durchführung des Projektes. Durch den gestiegenen Luftverkehr war der Neubau einer Startbahn unausweichlich, jedoch auf dem Gelände des ursprünglichen Flughafens aufgrund der anliegenden Autobahnen und der damals noch aktiven Air Base der amerikanischen Streitkräfte nicht realisierbar. Somit blieb nur die Ergründung des süd-westlichen Gebiets, das zum größten Teil aus Bannwald bestand. Als am 21. Oktober 1980 alle Klagen der Flughafengegner, welche sich größtenteils aus Anwohnern der betroffenen Stadt Walldorf äußerten, abgewiesen wurden und zunächst ein etwa sieben Hektar großes Gebiet direkt am Flughafengelände gerodet wurde, versammelten sich 15.000 Menschen aus der Region an der im Mai gebauten Informationshütte, die sich schon auf dem Gelände der geplanten Startbahn befand. Aufgrund der starken


TRANSPORT

86

entlassen. Der Antrag auf ein Volksbegehren — die letzte Möglichkeit den Bau zu verhindern — wurde 1982 vom hessischen Landtag unter Ministerpräsident Holger Börner (SPD) auf Berufung der Nichtzuständigkeit zurück gewiesen. Dadurch stand dem Bau der Startbahn nichts mehr im Weg. Doch mit dem Bau und der späteren Inbetriebnahme der Startbahn 18 West wurde es nicht ruhiger um den Flughafen. Immer wieder kam es zu personenstarken Demonstrationen an der Betonmauer, die die Startbahn von der Umgebung abgrenzt. Besonders tragisch war ein Zwischenfall auf einer Demonstration zum Jahrestag der Hüttendorfräumung am 2. November 1987. Mit einer, auf einer Anti-AKW-Demonstration 1986 in Hanau, geraubten Dienstwaffe wurde aus der Demonstration auf Polizeibeamte geschossen, nachdem militante Demonstranten Barrikaden anzündeten, sowie Molotowcocktails und Steine geschmissen wurden, und die Demonstranten von der Mauer weg in das Waldgebiet zurück gedrängt wurden. Eine diensthabende Einheit hörte den Befehl zum Rückzug wohl zu spät und rannte aus dem Wald hinaus auf die angrenzenden Mönchbruchwiesen, wo sie bei hell erleuchteter Umgebung ein gutes Ziel waren. Der später als Täter identifizier-

te Andreas E. hielt sich zu der Zeit an der Grenze zum gegenüberliegenden Waldgebiet auf und feuerte innerhalb weniger Minuten 14 gezielte Schüsse auf die Beamten ab. Hierbei legte er bis zu 55 Meter zurück, wechselte drei Mal den Standort und wechselte das Magazin — von einer Affekttat kann in keinster Weise gesprochen werden. Neun Polizeibeamte traf Andreas E. mit seinen Schüssen, von denen zwei kurz danach den schweren Verletzungen erlagen. Kurz darauf wurde Andreas E. bei einer Fahndung als Täter identifiziert. Er wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Schüsse auf die Beamten hatten zum einen eine breite öffentliche Aufmerksamkeit zur Folge, zum anderen bedeutete dies auch das Zerbrechen der Protestbewegung. Der organisierte Protest löste sich über die Jahre auf und sollte mittelfristig nicht mehr wieder erstarken. Joschka Fischer, damals Fraktionsvorsitzender der Grünen im Hessischen Landtag, verkündete, dass die »Zeit der sozialen Bewegungen« nun vorbei sei. Dirk Treber, einer der damaligen Sprecher der Bürgerinitiative sagte:

»DIE KUGELN TRAFEN AUCH DIE BEWEGUNG TÖDLICH. DANACH GAB ES KEINEN ORGANISIERTEN PROTEST MEHR GEGEN DIE STARTBAHN. DIE TAT WAR DAMALS FÜR ALLE ABSOLUT UNBEGREIFLICH.«

FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

TG

FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T

87

Obwohl mittlerweile eine neue Startbahn in Bau ist, haben die Demonstrationen nie wieder die Brisanz der vergangenen Tage erreicht. Zwar gibt es immer noch zahlreiche Bürgerinitiativen, die sich gegen den Ausbau engagieren, jedoch ist es ruhig geworden um den Flughafen. Inwiefern das Nachhaltigkeitsmanagement der Fraport AG dazu beigetragen hat, steht nicht fest, jedoch hat der Flughafenbetreiber schon seit Mitte der Neunziger versucht die Wogen im Vorfeld zu glätten, und sich für einen Kompromiss zu engagieren. Die Auseinandersetzung von damals wird heutzutage größtenteils unter den Teppich gekehrt. Während man dutzende Dokumente über den Umweltschutz und das Nachhaltigkeitsmanagement der FRAPORT AG findet, bleiben die Hintergründe und die Sichtweise der Unternehmensleitung im Bezug auf die Startbahn 18 West weiterhin im Dunkeln. Es hat etwas Unglaubhaftes wenn ein Unternehmen, dass damals so energisch gegen Demonstranten, die sich dem Umweltschutz verpflichtet hatten, vorging, sich nun als nachhaltiges, ressourcenorientiertes Unternehmen präsentiert.


TRANSPORT

88 FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

89

FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

90 FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

91

FRAPO R T - S T A R T B A H N W E S T


TRANSPORT

DAUMEN HOCH IHR ÖKOS WIE DIE FRAPORT AG DIE VERGANGENHEIT VERDRÄNGT UND WEITER NACH DEN STERNEN GREIFT

K

92

ommen wir zu dem Konzern der heutzutage den Flughafen leitet: die Fraport AG. Sie wurde 1947 gegründet und ist seitdem Betreiber des Frankfurter Flughafens, der 1936 als Nachfolger des Frankfurter Flugplatz Rebstock gebaut wurde. 2009 waren knapp 20.000 Mitarbeiter — Tochtergesellschaften eingeschlossen — am Flughafen beschäftigt. Der Konzernumsatz 2009 betrug knapp 2 Mrd. €. Hauptaktionäre sind das Land Hessen und die Stadtwerke Frankfurt am Main Holding GmbH. Der Frankfurter Flughafen ist Hauptsitz der Deutschen Lufthansa AG, der noch knapp 10% der Anteile gehören. Roland Koch, ehemaliger hessischer Ministerpräsident war bis 2003 Aufsichtsratsvorsitzender der Fraport AG. Somit ist die Fraport AG nach anderen Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet, wie die Hoechst AG, einer der wichtigsten Arbeitgeber. Dadurch ergibt sich für die Unternehmensführung eine große soziale, ökonomische, sowie ökologische Verantwortung, der das Unternehmen mit größtmöglicher Transparenz gerecht zu werden scheint. Öffentlichkeitsarbeit wird wohl groß geschrieben, kein Wunder also, dass

man unsere Anfrage innerhalb von zwölf Stunden freundlich und mit großer Euphorie beantwortete und auch bereit war einen Fragebogen zu beantworten. Also schnell den Fragebogen mit detaillierten, knappen Fragen zusammengefasst und wieder einen Tag später kam die Antwort der Pressestelle, in der man uns mitteilte, dass alle Fragen hinreichend durch den Internetauftritt beantwortet werden könnten – welch Ernüchterung. Da standen wir also mit unseren Fragen, erst vollkommen begeistert von der Offenheit des Unternehmens, und gleich schon wieder auf dem Boden der Tatsachen – so einfach hätte es ja auch nicht sein können. Also wühlte ich mich in mühsamer Kleinarbeit durch die zahlreichen Dokumente die im Onlineauftritt des Unternehmens zu finden sind. Alles natürlich total nachhaltig, ressourcenschonend und umweltfreundlich. Welch passender Kandidat für unsere Greenwashing-Analyse. Nun mal zu den Fakten die ich aus den umfassenden Statistiken heraus lesen konnte. In Sachen Luftqualität musste ich wirklich staunen. Am Flughafen sollte man

FRAPORT HEUTE


TRANSPORT

N

ächstes Thema: Flughafenbetreiber gelten traditionsgemäss ja nicht als Verfechter der Umwelt. Nicht so die Fraport AG. Das neue Terminal 1+ ist ein Niedrigenergiehaus, man forscht an der Nutzung der Geothermie und das intelligente Abfallmanagement sorgt für schöne Bilanzen. Beim Bau der neuen Landebahn

wurde stark in die Erhaltung der natürlichen Biodiversität investiert, was Aufforstung von Mischwäldern und Umsetzung von gefährdeten Tierarten wie den Hirschkäfern und der Zauneidechse zur Folge hatte. Wasserschutztechnisch gab es bei jeglichen Bauprojekten der Fraport, sei es der Bau der neuen Landebahn oder die zahlreichen Untertunnelungen dergleichen nichts zu meckern. Medienwirksam präsentiert sich der Bauleiter in diversen Videos, wie er beim Umsetzen von kleinen Eichensetzlingen dabei ist, und die Baumaßnahmen vor Ort überwacht. Stets wird beteuert, dass bei jeglichen Projekten der Schaden an der Natur so gering wie möglich gehalten wird, und gegebenenfalls Kompensationsleistungen geleistet werden. So wurden zahlreiche tote Äcker in Trebur aufgekauft und mit neuen Biotopen für Libellen und sonstiges Getier wiederbelebt. Wenn man dann irgendwann mal am Ende der zahlreichen Umwelterklärungen, Nachhaltigkeitsmonitorings und Klimaschutzerklärungen angekommen ist, kann man nicht leugnen, dass ein recht gutes,

> FRAPORT HEUTE

93

meinen, kann ja keine super Luft sein, all die Flugzeuge – immerhin mehr als 80 die Stunde – blasen ihre Abgase auf einen kleinen Platz auf dem meist Windstille herrscht. Doch man mag es kaum glauben, es ist tatsächlich schädlicher an der Friedberger Landstrasse in Frankfurt spazieren zu gehen, als auf dem Vorplatz der Flughafenfeuerwehr. Fünf Messstationen gibt es auf dem Gelände und alle massen Werte, die weit unter dem angegebenen Grenzwert lagen. Alle Werte wurden von denen im Innenstadtverkehr weit übertroffen. Während die Grenzwerte 2009 nur elf Mal überschritten wurden, waren es in Frankfurt 36 und in Darmstadt 41 Male. Also Luftqualität passt.


TRANSPORT

fraport.de - UMWELTMONITORINGS UND NACHHALTIGKEIT moerfelden-walldorf.de - NACHTFLUGVERBOT BÜRGERINITIATIVE: FLUGHAFENAUSBAU, NEIN DANKE! befriedigtes Gefühl bleibt. Man denkt, dass das mit dem Flugzeug und dem Klima und den ganzen Autos ja halb so wild ist, und man ja bestrebt ist einen lohnenswerten Kompromiss zu finden.

D 94

och Umweltschutzerklärung und Nachhaltigkeitsmanagement hin oder her: Die Kompensationsleistungen sind wohl das Mindeste, was ein Konzern in einem solchen Fall anbieten muss, um seine Anrainer ruhig zu halten und nicht wieder solche Proteste zu verursachen. Wer wie ich in Walldorf aufgewachsen ist, kann von der ganzen Wut auf den Flughafen ein Lied singen. Und wer als Wirtschaftsunternehmen heute erfolgreich sein will, kommt nicht um ein ressourcenorientiertes Umweltmanagement herum, schon gar nicht, wenn man Betreiber eines Flughafens ist. Wenn man nun die brisante Historie des Flughafens, mit all seinen Protesten und Verletzten, den Bürgerinitiativen und Klagen hinterfragt, wird man von der Fraport diesbezüglich keine eindeutige Stellungnahme bekommen. Die Vergangenheit so konsequent auszublenden und sich als Umweltschützer zu präsentieren, wo man noch vor 25 Jahren Umweltaktivisten brutal in die Flucht geschlagen hat, ist

etwas selten Unglaubhaftes und ist ein sehr deutliches Indiz für das „Grünwaschen“ eines Konzerns. Eine Aufarbeitung der Vergangenheit wird es wahrscheinlich so schnell nicht geben, da die Protestler von damals immer noch aktiv sind und wohl kaum jemand Interesse an kräftezehrenden Diskussionen hat — schliesslich ist man ein schnelllebiges Wirtschaftsunternehmen, das ständig expandiert. Im Endeffekt versucht man den interessierten Verbraucher so vollzustopfen mit unnützen Informationen, damit man ja ein gutes Gesamtbild des Konzerns bekommt. Wenn man sich mal bei ähnlichen Unternehmen wie der RWE Power AG oder der Bahn umschaut, stößt man auf ähnliche Methodik wie hier bei Fraport. Als kritischer Mensch kommt man nur auf langwierigen Umwegen zu Informationen über die zweifelhafte Vergangenheit der Fraport AG. Wenn man einfach blind den Informationen des Konzerns glaubt, bleibt am Ende das gewünschte Resultat des Unternehmens: Ein pflichtbewusster verantwortungsvoller Konzern der in seinem Handeln versucht, wo es nur geht Kompromisse zu finden. Das dem aber nicht so ist zeigen die verschiedenen Vorfälle rund um die Expansionsvorhaben des Flughafens.

TG

AUF DEM VORPLATZ DER FLUGHAFENFEUERWEHR IST DIE LUFT BESSER ALS IN FRANKFURT AUF DER FRIEDBERGER LANDSTRASSE

FRAPORT HEUTE


TRANSPORT

95

S. 92: S.88: OBEN: S. 96-97:

HIRSCHKÄFER DIE FLUGZEUGE DER LUFTHANSA ENTSPRACHEN IMMER MODERNEN STANDARDS DER SCHEIDENDE FRAPORT-CHEF BENDER BEIM SPATENSTICH FÜR DIE NEUE STARTBAHN BANNWALDRODUNG FÜR DIE NEUE STARTBAHN AN DER AUTOBAHN A3

FRAPORT HEUTE


TRANSPORT

96 FRAPORT HEUTE


TRANSPORT

97

FRAPORT HEUTE


TRANSPORT

OHNE KOHLENDIOXID, BITTE! BAHN UND POST RÜHMEN SICH MIT KLIMANEUTRALEM TRANSPORT. IHRE REINVESTITIONEN SIND ABER, WIE ALLE SCHWELLENLANDINVESTITIONEN, FRAGWÜRDIG. 98

A

uch große deutsche Unternehmen, wie die Post und die Bahn rühmen sich seit kurzem mit CO2-neutralem Transport. Schließlich ist Umweltbewusstsein Trend und ohne solche Maßnahmen wäre das Image gleich dahin. Zunächst werfen wir mal einen Blick auf die Post. Mit 33 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr einer der größten Emittierer Deutschlands. Da gibt es einiges zu tun. Dafür gibt es seit einigen Monaten die Maßnahme »GOGREEN«. Gegen geringen Aufpreis lassen sich mit den Portokosten Umweltmaßnahmen unterstützen. In Brasilien beispielsweise investiert man in ein Wasserkraftwerk, dass alte Dieselgeneratoren ersetzt: Einsparpotenzial 20.000 Tonnen im Jahr. Oder man investiert in Indien in eine Anlage, die Ernteabfälle zur Stromerzeugung verbrennt. Toller Nebeneffekt: Die Asche kann man danach noch als Dünger für die Felder verwenden. Die positive Öko-Bilanz für den Briefverkehr können sich Unternehmen durch die schönen Etiketten auf ihren Päckchen bescheinigen lassen. Das alles ist dann auch noch nach ISO-Standard zertifiziert.

Ähnlich sieht das ganze bei der Bahn aus. Immerhin ist man Deutschlands größter Stromverbraucher und da das Image durch Stuttgart 21 und S-Bahn-Debakel in Berlin, Klimaanlagenschäden und Winterchaos, ohnehin ramponiert ist, ist eine ökologische Ausrichtung des Images natürlich Balsam für die geschundene Seele. Unter dem Namen »DB Eco Program« müht man sich einiges für den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit zu tun. Gegen einen geringen Aufpreis von 1%-2% des Kartenpreises — für die Strecke Berlin-Frankfurt wären das beispielsweise 76 Cent — kann man in regenerative Energien investieren: Die Bahn investiert dann das Geld in eine ökologische Maßnahme, die das bei der Fahrt entstandene Kohlendioxid ausgleicht. Für Firmenkunden bietet sich obendrein die Möglichkeit ein Zertifikat zu erwerben, das, belegt durch den TÜV Süd, als Aushängeschild des jeweiligen Unternehmens fungiert. Das Ganze greift nicht nur auf der Schiene, sondern mittlerweile auch auf der Strasse: Die DB-LogistikTochter Schenker wurde nun in das Programm mit eingeschlossen.

BAHN - POST


TRANSPORT

B

TG BAHN - POST

99

eide Unternehmensmaßnahmen kommen im Vergleich aber recht schlecht weg. Die Post ist für seine Kohlendioxidemissionen größtenteils nicht selbst verantwortlich — 80% werden von regionalen Subunternehmen verursacht, auf die die Geschäftsleitung wenig Einfluß hat. Und die unterstützten Projekte in den Schwellenländern sind auch von fragwürdiger Natur. Um nur mal das Beispiel von Brasilien zu nennen: Die durch die ersetzten Dieselgeneratoren eingesparte Kohlendioxidmenge von 20.000 Tonnen pro Jahr entspricht der Menge die das Braunkohlekraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen in zehn Stunden ausstößt. Bei der Bahn das Gleiche in grün: In aufwendig produzierten Imagefilmen wird dem interessierten Mittzwanzigerklientel erklärt, wieviel man spart wenn man mit der Bahn fährt — und dass Wasser schneller im Topf kocht, wenn der Deckel drauf ist. Aber mal im Ernst, Deutschlands größter Stromverbraucher ist und bleibt die Bahn: Die meisten der Trassenkilometer sind elektrifiziert. Der Stromverbrauch macht einen erheblichen Kostenfaktor aus, und da ist man natürlich daran interessiert den Strom günstig zu beziehen. Der größte Anteil des Stroms kommt aus den alten Braunkohlekraftwerken und den Atommeilern. Da bringt ein Aufforstungsprojekt auch nicht viel wenn unter ihm der Salzstock mit den Brennstäben lagert.


TRANSPORT

100

S. 98: S. 99: OBEN: UNTEN: RECHTS OBEN: RECHTS UNTEN: S. 102: S. 103:

ICE 3 NEUBAU-ICE-STRECKE HAVARIERTE LOK IN ENGLAND ICE 3 AM BAHNSTEIG ZUGUNGLÜCK BEI ESCHEDE ENTSPANNTES REISEN DHL-LIEFERWAGEN VOR DEM BRANDENBURGER TOR; EINS DER SUBUNTERNEHMEN DER POST DYNAMISCHE POSTBOTEN: IMMER FREUNDLICH, MOTIVIERT UND HILFSBEREIT

BAHN - POST


TRANSPORT

101

BAHN - POST


TRANSPORT

102 BAHN - POST


TRANSPORT

103

wwww.bahn.de - ECO PROGRAM wwww.post.de - GOGREEN spiegel.de - S-BAHN-CHAOS BERLIN; BÖRSENGANG DEUTSCHE BAHN

BAHN - POST


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.