Künstlerkatalog Jörg Meuser

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Jรถrg Meuser


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Jรถrg Meuser Intro Shoes Kinetik Ferros Public Contact 3

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Intro

Jörg Meuser gilt in der Kunstszene des Ruhrgebiets als poetischer Punk, als „Melancholiker unter den Harten“. 1961 in Essen geboren, tobte er sich in den wilden Achtzigern in der Punk- und Metaller­ szene aus, suchte sein Ego in Raufen, Rausch und Rebellion. An der Fachoberschule für Gestaltung und durch unzählige Jobs im Bereich Innenarchitektur, Raum- und Objektgestaltung mit dem Schwerpunkt Metallbearbeitung verschaffte er sich handfest die Grundlagen dafür, dem widerspenstigen Material Stahl Form zu geben und eine eigene rauh-zärtliche Poesie zu geben. Sein Rohdiamanten-Talent blieb nicht unbemerkt: Von etablierten Kollegen wie dem Lüpertz-Meisterschüler Jörg W. Schirmer wurde er gefördert und für den Kunstbetrieb gechoacht. Das motivierte ihn zur ausschließlichen Zentrierung auf die Kunst seit 2010.

Als „schon immer“ bekennender Fan von Stephan Weidner, einem der verruchten und dennoch durch das Kollegium von Maffay bis Moses Pelham geadelten „bösen“ Poeten des DeutschPunk, zeigt sich der auch der „Böhse Onkel“ Meuser bei näherer Hinsicht als Romantiker. Als Musiker würde er Blues singen wie Howlin Wolf und Tom Waits. Stattdessen geht Meuser im Atelier mit Flex und Schneidbrenner ans Werk. Martina Schürmann bescheinigte ihm im Herbts 2015 in ihrer WAZ-Besprechung: „... wie er mit dem Metall spielt und seine farbflirrenden ‚ferromagnetischen Manipulationsobjekte‘ kreiert, das hat Grandezza. Die steckt auch in den krea­tiv aufgebockten Schuhen, die ‚Dessau‘ oder ‚Olympia‘ heißen, und die garantiert nicht zum Gehen da sind, höchstens zum Schaulaufen im Sammlerregal.“

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Ausstellungen, Beteiligungen

2006 2007 2011 2011 2011 2012 2012 2012 2012 2013 2013 2013 2013 2013 2014 2014 2014 2014 2014 2014 2015 2015 2015

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Utopia machen, Essen The circle way Festival, Essen Kunstspur Atelier Jörg W. Schirmer, Essen Galerie ARTISHOCKE, Essen C.A.R. contemporary art ruhr, Essen Zollverein Kunstspur als Gast bei Jörg W. Schirmer, Essen C.A.R. contemporary art ruhr, Essen Zollverein Galerie ARTISHOCKE, Essen Goldrausch, Gruppenausstellung Ruhrländischer Künstlerbund RKB, Essen La Jeunesse, Gruppenausstellung Ruhrländischer Künstlerbund RKB, Essen 1075 Jahre Steele, Essen Design Attack , Düsseldorf C.A.R. contemporary art ruhr, Essen Zollverein Echt Ruhrländisch, Gruppenausstellung Ruhrländischer Künstlerbund RKB, Essen Welcome to FaceJook, Gruppenausstellung Ruhrländischer Künstlerbund RKB, Essen Design Attack, Dusseldorf Kunstspur im atelier unbequem, Essen Ladenkultur Steele, Essen C.A.R. contemporary art ruhr, Essen Zollverein Bonjour Belgique, RKB, Essen Sie wissen schon..., Stadtgarten Steele, Steeler Bürgerschaft, Essen Kunstspur im atelier unbequem, Essen Revierkunst, RKB, ehem. Museum am Ostwall, Dortmund


Shoes

Im Grenzbereich von Metallskulptur, Objektkunst, Design, Mode, Fetisch ist Jörg Meusers Werkreihe „SHOES“ angesiedelt. Ausgehend vom Material Stahl kombiniert Meuser seinen liebsten und angestammten Urwerkstoff (Zitat: „Im Stahl bin ich einfach zu Hause!“) mit einer Vielzahl von textilen Applikationen, Polyesterharz, Fell und Holz. Die Werkreihe der oft zerbrechlich wirkenden, meist steilen, mitunter sogar stacheldrahtbewehrten Schuhe, die im „richtigen Leben“ wohl kaum (er-)tragbar scheinen, jedoch anatomisch perfekt nach dem Modell geformt sind, bildete den Hintergrund für die Namenswahl von Jörg Meusers

„atelier unbequem“ seit 2012. Die Reihe wurde bereits auf internationalen Messen und Ausstelllungen gezeigt und ist als „opus major“ und Leitthema in immer neuen Variationen präsent.

Titel der Arbeiten Seite 7: Venedig Seite 8: Wiener Schmäh (o.l.), Shaolin (o.r.) Brüsseler Spitzen (u.l.), Hameln (u.r.) Seite 9: Bandsalat, Venedig, Sperrgebiet, Paris, Babylon (v.l.n.r.)

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Kinetik

Vielleicht führt das Genre der kinetischen Kunst im Vergleich etwa zu Mixed Media gerade deshalb eine Nischen­existenz im Markt, weil für die Umsetzung der Idee eines Werks im Finish eine Vielzahl von Notwendigkeiten und Vorgaben zu beachten ist. Sie ist streng den Regeln der Mechanik und des Materials unterworfen. Die Gesetze der Physik gelten uneingeschränkt — auch in der bildenden Kunst. Schon die statische Plastik fügt der zweidimensionalen Welt der Malerei/ Zeichnung die dritte Dimension der Balance hinzu. In Bewegung versetzt, kommt noch eine weitere Dimension hinzu: die Zeit. Was geschieht wann in welcher Abfolge und mit welchen Folgen auf die Umgebung und das Objekt selbst? Einer solchen Herausforderung mussten sich die Macher aller kinetischen Objekte stellen, von der schwebenden Leichtigkeit der Mobiles des Gründers der Kinetik, Alexander Calder, der gläsernen Kühle der 1960er (z.B. Norbert Kricke) bis zum lärmenden, verschroben-kauzigen Gegenmodell Jean Tinguelis. Die Arbeit des ursprünglich im Metall-

handwerk beheimateten Plastikers Jörg Meuser überzeugt hier durch die sorgfältige Umsetzung technischer Belange. Die geschützte Balance in der Kinderwiege der „Wehrhaften Mutter“ >> ist ebensowenig aus dem Gleichgewicht zu bringen: Schwanken, Schaukeln ohne zu stürzen. Letzteres trifft auch für die in den öffentlichen Raum konzipierte Installation „Immer aufrecht“ (siehe S.14) zu. Meuser setzt dort die auf dem Kopf stehende Balance des (Essen-)Steeler Dreiring-Wappenzeichens in eine schwingende, in sich ruhende Beweglichkeit um. Das Symbol war seit dem 17. Jahrhundert Siegel der dortigen Büchsenmacher, Wappen der schon frühmittelalterlich bekannten und bis 1923 unabhängigen Stadt Steele an der Ruhr und wurde (umgekehrt) im Signum des Essener Kruppkonzerns weltbekannt. „Alte“ Steelenser verweisen auf das ihnen „gestohlene“ Zeichen nicht ohne Stolz. Mit „Immer aufrecht!“ zeigt sich der rebellische Punk Jörg Meuser heute als Traditionalist und „Heimatkünstler“ im besten Sinne. 10


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Ferros

„Ferromagnetische Manipulationsobjekte“, kurz Ferros, nennt Meuser seine abstrakten plastischen Arbeiten aus Aluminium, Eisenspan, reinen Pigmenten und Polyesterharz, die er seit 2014 wie in einem Zauberkasten zu immer neuen, kristallinen, mineralisch anmutenden Objekten wachsen lässt. Dabei entstehen die Ferros keineswegs „zufällig“ als Materialexperiment, sondern sind in einem fragilen und bis zur Härtung des Materials über Tage stets gefährdeten Prozess der Bearbeitung und dem formenden Einfluss des Künstlers unterworfen. Meuser arbeitet bei der Entstehung und Formgebung mit der Kraft eines oder auch mehrerer Magneten, die er teils gegenläufig oder aber sich wechselseitig verstärkend einsetzt.

Die Objekte in Formaten von ca. 10 x 10 bis 30 x 40 cm provozieren den Betrachter, ganz nah heran zu gehen und sich in eine eigene visuelle, durchaus psychedelische Welt zu beamen. Sie erscheinen wie Gebilde aus dem mineralischen Mikrokosmos, aus Vulkanen, Salzwüsten, und sie spielen mit den Einflüssen von Kraft und dem Einfrieren von Zeit. Verführerisch.

Titel der Arbeiten: Gelbe Eruption Dreifaltig (r.o.) Etüde

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Public

In ihren großformatigen Entwürfen ist die Kunst von Jörg Meuser auf den öffentlichen Raum gerichtet. So ist die kinetische Plastik „Immer aufrecht!“ (s.S. 10) eine der beiden speziell für Essen-Steele konzipierten Objekte Meusers. Due Dreiring-Plastik bezieht sich auf die handwerkliche und vorindustrielle Tradition des Ortes. Sie kommentiert zum anderen die dort unterschwellig noch immer spürbare Trotzigkeit der „Steelenser“, denen in den 1960er/70er Jahren mit teils fragwürdigen Mitteln ein radikaler Stadtumbau verordnet wurde. Das in den 1920er Jahren zum Essener Vorort eingemeindete Städtchen Steele verlor in den Sechzigern den Großteil seiner bis dahin fast komplett erhaltenen Altstadt-Bausubstanz und damit im kollektiven Bewusstsein der Bürger einen Gutteil seiner gefühlten Idendität. Noch weiter zurück bis in die früh- bzw. vorchristliche Epoche der Steelenser Geschichte greift das Thema der „VELEDA“ zurück. Die für eine Höhe von ca. 2,50 m konzipierte Stahl- und Bronzeplastik zitiert die örtliche Legende der bereits beim römischen Geschichtsschreiber Tacitus ausführlich 14


beschriebene Druidin und Seherin Veleda vom Stamm der Brukterer, welcher zur Römerzeit die Gegend an Ruhr, Emscher und Lippe besiedelte. Durch Tacitus ist Veleda (auch Weleda) historisch die bestbelegte germanische Seherin mit ihrem zeitweiligen Einfluss auf die innergermanischen sozialen und religiösen gesellschaftlichen Verhältnisse der römischen Kaiserzeit. Sie wirkte um 70 n. Chr. zur Zeit Vespasians und wurde später als Gefangene nach Ardea in Italien verbracht. Der lokalen Legende nach (vgl. Dirk Sondermann, Ruhrsagen, 2005) soll die Seherin bei Steele in einer Höhle der Steilhänge über der Ruhr gelebt haben und beim Bataveraufstand des Iulius Civilis den Sieg für die aufständischen Germanen geweissagt haben. Das Projekt, Jörg Meusers großformatige Plastik der Seherin unterhalb ihrer vermuteten Wirkstätte in die Ruhrauen am heutigen Spillenburger Wehr zu errichten, stößt in der historisch engagierten Steeler Bügerschaft und in der lokalen Öffentlichkeit auf ein lebhaftes positives Interesse. Ein Freundeskreis hat sich 2015 gegründet. 15


Meuser

Kontakt: Jörg Meuser c/o atelier unbequem Steeler Straße 473 a 45276 Essen +49 (0)157-8835 9845 mobil +49 (0)201-873 4019 fon atelierunbequem@yahoo.de

Credits: Georg Pieron (Porträt Meuser S. 2) Holger Krüssmann (Gestaltung, Text) © 2015 Alle Rechte vorbehalten

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