Leseprobe Psych. Pflege 2018

Jahrgang 2 / Heft 1 / 2017

Geschäftsführender Herausgeber Michael Schulz Herausgeber/innen Sabine Hahn Bruno Hemkendreis Michael Löhr Dorothea Sauter Gianfranco Zuaboni

Psychiatrische Pflege Themenschwerpunkt Angehörige

Familien gekonnt einschätzen und unterstützen

Lorraine M. Wright / Maureen Leahey

Familienzentrierte Pflege Lehrbuch für Familien-Assessment und Interventionen Deutsche Ausgabe herausgegeben von Barbara Preusse-Bleuler. Übersetzt von Heide Börger.

2., vollst. überarb. u. erg. Aufl. 2014.

346 S., 34 Abb., 8 Tab., Kt € 34,95 / CHF 46.90 ISBN 978-3-456-85306-2

Pflegende und Therapeuten benötigen für die familienzentrierte Arbeit systemisches Wissen und besondere Fertigkeiten. Dieses vermitteln die kanadischen Autorinnen Wright und Leahey in ihrem erfolgreichen Werk. Sie beschreiben, wie Bedürfnisse von Familien und Familiensysteme gekonnt eingeschätzt werden und

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wann wie welche Interventionen zur familienzentrierten Pflege angebracht sind. Sie zeigen, mit welcher Haltung, welchen Richtlinien und Instrumenten Pflegende und Therapeuten Familien begegnen, einschätzen und kompetent begleiten können.

Psychiatrische Pflege

2. Jahrgang / Heft 1 / 2017

Themenschwerpunkt Angehörige Geschäftsführender Herausgeber Michael Schulz Herausgeber/innen Sabine Hahn Bruno Hemkendreis Michael Löhr Dorothea Sauter Gianfranco Zuaboni

Geschäftsführender Herausgeber

Prof. Dr. Michael Schulz

Herausgeber/innen

Prof. Dr. Sabine Hahn Bruno Hemkendreis Prof. Dr. Michael Löhr Dorothea Sauter Gianfranco Zuaboni

Copy Editing und Koordination

Fabian Bammatter, PsychiatrischePflege@hogrefe.ch

Verlag

Verlag Hogrefe AG, Länggass-Strasse 76, Postfach, CH-3000 Bern 9, Tel. +41 (0) 31 300 45 00, zeitschriften@hogrefe.ch, www.hogrefe.ch

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Erscheinungsweise

6 Hefte jährlich (= 1 Band) © 2017 Hogrefe AG, Bern ISSN-L 2297-6965 ISSN 2297-6965 (Print) ISSN 2297-6973 (online) Die Psychiatrische Pflege ist das offizielle Verbandsorgan der Deutschen Fachgesellschaft für Psychiatrische Pflege DFPP Die Psychiatrische Pflege ist das offizielle Mitgliederorgan des Vereins Ambulante Psychiatrische Pflege VAPP Die Psychiatrische Pflege ist das offizielle Verbandsorgan der Bundesfachvereinigung leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie BFLK Für die Anzeigen zeichnet sich der Verlag verantwortlich

Inhalt Editorial

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Angehörige Michael Schulz

Brunos Universum

7

Die Wissenschaft hat festgestellt …

Bruno Hemkendreis

Schwerpunkt

9

Wie Angehörige die Forensik erleben Gerwald Meesmann Raus aus der Spirale gegenseitiger Schuldzuschreibung und Akzeptanz der Realität

15

Christoph Müller Konflikte und Spannungen in der Familie – Die Sicht einer Angehörigen

21

Wiebke Schubert 25

Häusliche Konflikte der Angehörigen Caroline Trautmann, Christian Zechert Freie Beiträge

31

Low-Intensity Cognitive Behavioral Therapy Pascal Wabnitz, Michael Schulz, Michael Löhr, André Nienaber Skill- und Grademix der Schweizer Psychiatrien 2011–2014

37

Peter Ullmann, Günter Gantschnig, Gerda Malojer, Eduard Felber, Manuela Grieser, Sven Hoffmann Themen/Meldungen

Meldungen

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Kunst und Psyche

Martin Balzer

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Verbandsseiten

Mitteilungsseiten der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege

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Mitteilungsseiten des Vereins Ambulante Psychiatrische Pflege

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Mitteilungsseiten der Bundesfachvereinigung leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie e.V.

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© 2017 Hogrefe

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 3

Bildungswerk Irsee www.bildungswerk-irsee.de

Impulse für die Psychiatrie Mit einem umfassenden Angebot an Seminaren, Workshops und Kursen zur qualifizierten Fortund Weiterbildung ist das Bildungswerk Irsee, das zentrale Bildungsinstitut des Bayerischen Bezirketags, ein verlässlicher Partner für alle in der Pflege tätigen Berufsgruppen. Die TÜV-SüdZertifizierung gemäß ISO 29990 „Lerndienstleistungen für die Aus- und Weiterbildung“ dokumentiert den hohen Qualitätsanspruch.

Besondere Highlights in diesem Jahr sind die Fachtagung für Pflege in der Gerontopsychiatrie im März, das Forum Akutpsychiatrie im April und die Fachtagung für Psychotherapie und Psychosomatik in der Pflege Ende April. Im Mai findet darüber hinaus im Jüdischen Gemeindezentrum in München das 4. Symposium der Gesundheitsunternehmen der bayerischen Bezirke in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Bezirketag und dem Bildungswerk Irsee statt. Das Thema: „Neue Herausforderungen für die Suchtkrankenversorgung“.

Sämtliche Veranstaltungen sind praxisorientiert und wissenschaftlich fundiert. Renommierte Dozenten sichern den Weiterbildungserfolg, kontinuierliche Evaluationsarbeit garantiert den hohen Standard.

Beruflich Pflegende können sich bei ihren Berufsverbänden freiwillig registrieren lassen und erhalten entsprechende Fortbildungspunkte als Qualifizierungsnachweis.

Auf unserer Homepage www.bildungswerk-irsee.de finden Sie das komplette Programm „impulse 2017“ mit weiteren Informationen und detaillierten Abläufen der einzelnen Veranstaltungen.

Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags Klosterring 4 D-87660 Irsee Telefon 08341 906-604, -608 Telefax 08341 906-605 E-Mail info@bildungswerk-irsee.de www.bildungswerk-irsee.de

Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags

Editorial

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Angehörige

A

ngehörige – so lautet der Schwerpunkt dieser ersten Ausgabe des Jahres 2017. Wie ist unser Blick auf Angehörige heute und wie sollte die Arbeit mit Angehörigen in Zukunft aussehen? Mit Blick auf die Familie ist festzustellen, dass alle Familien sowohl Ressourcen als auch über Konfliktfelder verfügen. Familie ist nichts was man hat – Familie muss im alltäglichen und biographischen Handeln als gemeinschaftliches Ganzes permanent neu hergestellt werden („Doing family“). Mit der Diskussion um „Kinder psychisch kranker Eltern“ rückt eine bis dato vergessene Gruppe ins Licht der Fachdiskussion. Der Angehörigenbegriff geht aber bewusst über die Familie hinaus und schließt alle bedeutenden Bezugspersonen ein.

Insbesondere im Hinblick auf die Erosion der Familiensysteme und der Zunahme von Pflegebedürftigkeit gewinnt die Arbeit mit Familie und Angehörigen gesellschaftlich an Bedeutung. Hier stellst sich die Frage, ob bzw. inwieweit die Psychiatrie im Allgemeinen und die Psychiatrische Pflege im Besonderen mit Blick auf Ausbildung und Interventionsmöglichkeiten auf diese Arbeit mit Familie und Angehörigen vorbereitet ist.

Dabei fällt auf: Die meisten Pflegenden in der Psychiatrie arbeiten nach wie vor in stationären Settings oder haben wenigstens ihr Handwerk maßgeblich dort erlernt.

Die meist nicht vorhandenen inter- und intradisziplinären Konzepte zur Einbeziehung von Angehörigen in Überlegungen zu Behandlungen und zum langfristigen Krankheitsmanagement können ebenfalls als Indiz dafür gewertet werden, dass sich die Psychiatrie insgesamt mit der Angehörigenarbeit schwer tut. Asmus Finzen weist in einem Artikel mit dem Titel „Die Psychiatrie – eine Zumutung für die Familie“ darauf hin, dass die Lehre der Psychiatrie und deren Bewertung der Familie in den letzten 100 Jahren deutlichen Haltungswechseln unterlag und Kehrtwenden vollzogen hat. So galt die Familie vor allem im Nationalsozialismus als Hort der Degeneration und Träger minderwertiger Erbanlagen. Danach folgte bis ca. 1970 eine Zeit, in der die „schizophrenogene Mutter“ als Verursacherin der Erkrankung ausgemacht wurde. Danach kam eine Phase, in der die Familie nach Meinung der vorherrschenden Lehre durch die Gestaltung des Binnenmilieus Psychosen positiv oder negativ beeinflussen konnte, bevor dann in den 80er Jahren die Familie im Rahmen systemischer Erklärungsansätze als „Bürgerkriegspartei“ erklärt und für das psychotische Chaos mitverantwortlich gemacht wurde. Die Analyse von Finzen endet mit einem Blick auf die Zeit nach der Psychiatrie-Reform: nach Ansicht von Finzen wird die Familie seitdem vor allem eher ungefragt als „kostenlose Nachsorge-Institution“ genutzt. © 2017 Hogrefe

Angehörigenverbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz Internetadresse des Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK): www.psychiatrie.de/bapk/ In der Schweiz gibt es das Netzwerk Angehörigenarbeit Psychiatrie (NAP): www.angehoerige.ch In Österreich hilft die Internetseite „Hilfe für Angehörige Psychisch Erkrankter – hpe“ weiter: www.hpe.at

Heutzutage leben die meisten der ca. 500 000 chronisch psychisch kranken Menschen bei Angehörigen. Diese Familien fühlen sich aber oft allein gelassen und erleben sich im Kontakt mit psychiatrischen Institutionen häufig als unerwünscht. Die Sorgen – aber auch das Wissen der Angehörigen – stellen für die Psychiatrische Pflege häufig eher einen blinden Fleck und eine kaum genutzte Ressource dar. In somatischen Krankenhäusern sieht es oft nicht besser aus. Der Medizin gelingt es also insgesamt nicht besonders gut, Angehörige ernst zu nehmen und ihnen mit Respekt zu begegnen.

Vor diesem Hintergrund tut die Psychiatrische Pflege gut daran, sich dem Thema zuzuwenden und Angehörige mit ihrem Wissen stärker in die Pflege, Behandlung, Forschung und Entwicklung einzubeziehen. Ein kleiner und einfacher Schritt wäre es z. B., die Selbstbestimmung der Angehörigen zu stärken, indem man beispielsweise auf Angehörigenverbände in den jeweiligen Ländern zur Förderung der Selbsthilfe hinweist. Vielleicht würde uns das in vergleichbaren Krisensituationen auch helfen. Denn am Ende sind wir alle Angehörige.

Im Namen des Redaktionsteams wünsche ich eine erkenntnisreiche Lektüre und danke Christoph Müller für die Mitarbeit an diesem Schwerpunkt.

Michael Schulz

Literatur Finzen A (2014). Die Psychiatrie – eine Zumutung für die Familie?

Soziale Psychiatrie, 4, 8–11 http://www.lv-nrw-apk.de/filead min/user_upload/dokumente/Finzen.pdf (zuletzt geöffnet: 29.12.2016) Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 5 DOI 10.1024/2297-6965/a000067

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Brunos Universum

7

Die Wissenschaft hat festgestellt …

Bruno Hemkendreis

E

s gibt die Legende, das Königlich Bayrische Medizinalkollegium habe Anfang des 19. Jahrhunderts in einem Gutachten gewarnt, die ersten Eisenbahnen, die mit einer enormen Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern und mehr dahin rasten, könnten beim reinen Anblick eine schlimme Krankheit hervorrufen, ein „Delirium Furiosum“. Die Geschichte bleibt bis heute unbelegt, weil dieses Gutachten nie gefunden wurde. Die Legende wurde von den Befürwortern moderner Technik ebenso missbraucht, wie von deren Gegnern.

Die Warnungen vor den Neuerungen der Technik und vor dem Umgang der jüngeren Generationen mit dieser Technik allerdings, finden sich immer und immer wieder. Jede Generation findet bei den Jungen Verhaltensweisen, die nicht gesund, ja ganz grundsätzlich überhaupt nicht gut sein können. Irgendwie wird es halt immer schlimmer und früher war wohl irgendetwas besser.

Als Kind wurde mir beispielsweise eindringlich vermittelt, dass Comic-Lesen früher oder später zur Verblödung führen würde. Diese Schundhefte seien etwas für QuasiAnalphabeten, man müsse richtige – möglichst dicke – Bücher lesen. Übrigens waren auch bunte Zeitschriften, wie etwa die Bravo keinen Deut besser als Comics. Tief im Innern wühlte mich das schon sehr auf. Comic- und Bravo lesen, unter Umständen noch in Verbindung mit Selbstbefriedigung, was ja bekanntlich Rückenmarksschwund oder Gehirnerweichung, und damit ebenfalls Schwachsinn auslösen sollte... da konnte ich mir ja leicht ausrechnen, dass ich wahrscheinlich lange bevor ich erwachsen bin, völlig bekloppt sein werde.

Vor einiger Zeit warnte ein bayrischer Mediziner, er ist Psychiater und Psychologe und ärztlicher Direktor eines Universitätsklinikums, in einer Talkshow von Anne Will vor diversen gefährlichen Errungenschaften der Neuzeit.

Ob er Mitglied im Königlich Bayrischen Medizinalkollegium ist, weiß ich nicht, ebenso ist mir nicht bekannt, ob es verwandtschaftliche Verhältnisse zu Mitgliedern dieses Kollegiums gibt.

© 2017 Hogrefe

Dieser Mediziner holte zu einem Rundumschlag gegen alle neuen Medien aus. Er warnte unter anderem davor, dass Kinder durch digitale Medien: „dick, dumm und gewalttätig“ würden. Oder behauptet, ohne die Quelle seines Wissens zu liefern: „Wenn eine 13-Jährige drei Stunden in Facebook ist, hat sie die doppelte Chance, mit 18 depressiv zu sein.“ Jegliche Kritik an seinen „wissenschaftlichen“ Thesen schrie er wiederum wissenschaftlich korrekt mit: „Sie haben keine Ahnung!“ nieder. Die Situation erinnerte mich an eine Plakataktion, auf der ein junger Mann zu sehen war und der Satz: „Als Arzt weiß ich worauf es ankommt.“ Ich weiß nicht einmal mehr, wofür diese Plakate geworben haben, aber die Botschaft hat mit sehr beeindruckt und an die Autos mit dem Stern erinnert, denen manche eine eingebaute Vorfahrt nachsagen.

Wenn sich die Überheblichkeit, als Arzt zu wissen was gut und was schlecht ist, mit der unreflektierten Dämonisierung des Fortschritts paart, verunglimpft das nicht nur einen ganzen Berufsstand, sondern es präsentiert Wissenschaft als eine Spielart von Realsatire. Allerdings als eine, über die ich nicht wirklich lachen kann.

Neue Techniken bergen natürlich immer auch Risiken, doch die kann man nicht dadurch beherrschen, dass man sie mit vermeintlichem Fachwissen zu Krankheitsverursachern macht.

Bruno Hemkendreis, Stabsgruppe Klinikentwicklung und Forschung, LWL Klinikum Gütersloh, Präsident der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege. bruno.hemkendreis@lwl.org

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 7 DOI 10.1024/2297-6965/a000068

Pflegediagnosen bei Menschen mit psychischen Störungen anwenden

Mary C. Townsend

Pflegediagnosen und Pflegemaßnahmen für die psychiatrische Pflege Handbuch zur Pflegeplanerstellung Deutsche Ausgabe herausgegeben von Christoph Abderhalden / Ian Needham. Übersetzt von Gernot Walter / Thomas Fischer / Michael Herrmann.

3., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 2012.

928 S., 5 Abb., 16 Tab., Gb € 49,95 / CHF 66.90 ISBN 978-3-456-83944-8

Pflegediagnosen helfen menschliche Reaktionen auf aktuelle und potenzielle Gesundheitsprobleme zu erkennen, zu benennen und zu behandeln. Das erfolgreiche Praxishandbuch ordnet die jeweils wichtigsten Pflegediagnosen psychiatrischen Krankheitsbildern zu, die nach DSM-IV gegliedert sind und schlägt Pflegemaßnahmen zum Umgang mit diesen Pro-

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blemen vor. Die Pflegediagnosen werden nach dem PES-Format mit Problemdefinition, Einflussfaktoren und Symptomen und Merkmalen beschrieben. Es gibt Pflegenden die Möglichkeit, ihr berufliches Handeln in der psychiatrischen Pflege sinnvoll zu ordnen, in einer pflegespezifischen Sprache zu beschreiben und zu dokumentieren.

Schwerpunkt

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Wie Angehörige die Forensik erleben Ein Plädoyer für mehr Transparenz und mehr Offenheit Gerwald Meesmann

Warum haben Angehörige das Gefühl, in der Klinik zu stören, statt willkommen zu sein? Und warum haben Mitarbeiter gegenüber Angehörigen Vorbehalte?

B

ei Angehörigen wie bei Mitarbeitern gibt es Barrieren und Vorurteile, die einem offenen, unbefangenen Umgang miteinander entgegenstehen: die Mitarbeiter stehen unter Zeitdruck, haben mit Angehörigen schlechte Erfahrungen gemacht, befürchten rechtliche Risiken (Schweigepflicht); die Angehörigen, die sich durch die Tat und deren Auswirkungen auf ihr Leben ohnehin in einem psychischen Ausnahmezustand befinden, werden durch die bedrückenden Gegebenheiten einer Forensischen Klinik, ihre baulichen und sonstigen Sicherheitsmaßnahmen, zusätzlich verunsichert: statt in ein Krankenhaus zu kommen stehen sie unerwartet vor einem Hochsicherheitstrakt, bekommen an der Pforte Ausweis und Handy abgenommen, werden „geschleust“ und ihre Taschen werden durchsucht.

Wie den Angehörigen in dieser Gefühlslage von den Mitarbeitern begegnet wird, prägt ihr Bild von der Klinik, kann Vertrauen schaffen oder Ängste und Misstrauen wecken. Wichtig ist es daher, dass die Mitarbeiter sich dieser beklemmenden Situation der Angehörigen bewusst sind und, ihren „klinikzentrierten“ Blick überwindend, versuchen, sich in die Lage der Angehörigen zu versetzen.

Die ersten Erfahrungen Hierzu zunächst ein Beispiel aus eigener Erfahrung des Verfassers: Beim ersten Besuch in der Klinik wurden wir Eltern an der Pforte kühl und sachlich „sicherheitstechnisch“ behandelt (Abgabe von Ausweisen und Handy; Hinweis auf Schleuse; Taschenkontrolle) und uns wurde der Weg zum Haus hinter der Mauer beschrieben, in dem unser Sohn untergebracht war. Wir kamen an dieses Haus und mussten klingeln; die Tür ging auf und wir befanden uns in einem kahlen Treppenhaus, in dem wir, keinen Menschen sehend, in den ersten Stock stiegen. Dort standen wir vor zwei Türen, die eine mit, die andere ohne Klinke. Da niemand zu sehen war, öffnete ich die Tür mit Klinke und © 2017 Hogrefe

stand in der Station; eine Pflegerin schoss auf mich zu und verwies mich barsch: „hier dürfen Sie nicht rein“ – und wir standen wieder einsam im Treppenhaus, bis nach einer Weile die andere Tür von innen geöffnet wurde und wir ins Besucherzimmer gelassen wurden, in das dann auch unser Sohn gebracht wurde. Bei der telefonischen Anmeldung unseres Besuchs hatten wir, von weit her anreisend, um ein Gespräch mit der zuständigen Therapeutin gebeten.

Sie kam erst auf Nachfrage nach einiger Zeit dazu, um uns als erstes zu erklären, dass sie nur wenig Zeit habe und uns nach einigen Minuten mit vielen Fragen zurückzulassen.

So ein Erlebnis erzeugt je nach Temperament Einschüchterung, Ängste, Zorn, Aggressivität. All das könnte vermieden werden, wenn der Besucher an der Pforte freundlich begrüßt wird, ihm die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen erklärt werden und er zum Besucherraum begleitet wird – das böte auch Gelegenheit für ein vertrauensbildendes Gespräch, um Beklemmung, Ängste und Misstrauen zu überwinden bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen!

Der erste Kontakt mit dem Therapeuten Das in der Regel vorgesehene „Erstgespräch“ dient dem Therapeuten zum Kennenlernen der Angehörigen, um sie und ihr Verhältnis zum Patienten einschätzen zu können.

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 9–13 DOI 10.1024/2297-6965/a000069

Schwerpunkt

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Die Angehörigen versprechen sich von diesem Gespräch vor allem Informationen über die Krankheit und das Befinden des Patienten, über die Behandlung, den Tagesablauf und die Besuchsbedingungen.

Soweit nicht schon im Vorfeld (z. B. durch eine Info-Broschüre) die organisatorischen Informationen gegeben wurden, sollte dies jetzt nachgeholt werden und dem Angehörigen ein Ansprechpartner in der Klinik für weitere Fragen benannt werden.

Neben diesem Informationsbedürfnis haben Angehörige aber auch ein großes Mitteilungsbedürfnis, besonders dann, wenn der Patient bisher in der Familie gelebt hatte.

Sie wollen sich einmal „frei sprechen“ und erwarten, dass der Therapeut sich für den bisherigen Krankheitsverlauf und das, was sich bisher in der Familie abgespielt hat, interessiert. Umso fassungsloser und enttäuschter sind sie, wenn der Therapeut hierauf ungeduldig oder gar ablehnend reagiert. Und wie brutal wirkt es auf den besorgt um ein Gespräch bittenden Angehörigen, wenn ihm vom Therapeuten entgegnet wird (Zitat): „Ich sehe keinen Gesprächsbedarf “.

Fehlt es hier an Einfühlung oder „versteckt“ sich der Therapeut hinter der Schweigepflicht, fühlen sich Angehörige weder an- noch ernstgenommen und es entstehen schnell Ablehnung und Konfrontation. Vertrauen und Kooperationsbereitschaft gewinnt man so jedenfalls nicht.

Die Besuchsbedingungen Auf die Besuchsatmosphäre wirkt sich wesentlich die Gestaltung des Besucherraums aus: kommt man in einen dunklen, nur künstlich belichteten Raum mit kahlen Wänden und abgenutzten Möbeln oder in ein helles, freundlich gestaltetes Besuchszimmer? Hat man den Raum allein mit dem Patienten oder sind mehrere Besucher gleichzeitig anwesend, sodass ein ungestörtes und offenes Gespräch nicht möglich ist?

Oft haben die Angehörigen den Betroffenen längere Zeit nicht gesehen und erschrecken über medikamentenbedingte Veränderungen des Patienten (Gewichtzunahme, Verlangsamung); sie fragen sich: was hat man mit ihm nur gemacht? Schnell verstärken sich oft schon ohnehin bestehende Vorbehalte gegenüber Psychopharmaka, da nur die negativen und nicht die positiven Auswirkungen der Medikamente gesehen werden.

In Fachbüchern oder im Internet gefundene Informationen und die hier oft einseitige Darstellung von Risiken verunsichern und wecken Ängste. Daher ist eine sachliche Aufklärung der Angehörigen über die Wirkungsweise der Medikamente und über Art und Dauer von Nebenwirkungen die Voraussetzung für Vertrauen und Unterstützung der Behandlung.

Für Besucher wie für den Patienten spielt das Mitgebrachte eine große Rolle und hilft, die oft angespannte Situation, in der sich beide befinden, zu überwinden. Die Angehörigen kommen in der Ungewissheit, wie der Patient „drauf ist“, der Patient befürchtet Vorhaltungen oder Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 9–13

Tränen; das Auspacken des Mitgebrachten lenkt von solchen Befindlichkeiten ab.

Es gibt Kliniken, die das Mitbringen jeglicher Gegenstände verbieten und auf den Postweg verweisen mit der Begründung, nur so eine wirksame Kontrolle gewährleisten zu können. – Ist das nötig?!

Der Maßregelvollzug eine „Black Box“ – fehlende Transparenz Bedrücken schon die baulichen Gegebenheiten des Maßregelvollzugs die Angehörigen, so werden sie zusätzlich verunsichert durch die für sie nicht transparenten Zuständigkeiten in der Klinik (Chefarzt, Oberarzt, zuständiger Therapeut, Bezugspflege, Sozialdienst) und zwischen Justiz und Klinik (Gericht, Staatsanwaltschaft, Gutachter).

Das wird noch verstärkt, wenn sich die einzelnen Akteure gegenüber den Angehörigen gegenseitig die Verantwortung bei einzelnen Entscheidungen zuschieben. So, wenn der Therapeut bzw. der Gutachter sagt: „Nicht ich, das Gericht entscheidet“ und umgekehrt der Richter sagt: „Aufgrund der Stellungnahme der Klinik bzw. des Gutachtens kann ich nicht anders entscheiden.“ Patient und Angehörige müssen über die jeweiligen Zuständigkeiten umfassend aufgeklärt werden, für Fragen müssen sie einen erreichbaren Ansprechpartner in der Klinik haben. Nur so sind aus Unwissenheit entstehende Vorurteile, Missverständnisse und Ängste zu vermeiden.

Wie erleben Angehörige den weiteren Verlauf der Unterbringung Nach den ersten Erfahrungen mit der Forensik besteht im weiteren Verlauf des Maßregelvollzugs, der ja in der Regel über Jahre geht, das Bedürfnis, nicht nur mit dem Betroffenen, sondern auch mit dem Therapeuten und den Pflegekräften den Kontakt zu finden und zu halten. Ob und wie dies gelingt hängt weniger von der Entfernung zwischen Klinik und Wohnort als davon ab, welche Grundhaltung in der Klinik – auf allen Ebenen, von der Pforte bis zum Chefarzt – gegenüber Angehörigen besteht, ob ihnen Verständnis entgegengebracht oder das Gefühl vermittelt wird, lästig zu sein – ob man sie als Ressource oder als Störfaktor sieht.

Besuche Besuche sind den Angehörigen wichtig, um den Kontakt zum Patienten nicht zu verlieren, ihm eine Abwechslung zu bieten und ihm Wünsche zu erfüllen. Wenn der Besuch vom Patienten abgelehnt wird oder seitens der Klinik ein Besuchsverbot ausgesprochen wird, belastet das sehr.

Daher ist es wichtig, von professioneller Seite darauf hinzuwirken, dass bestehende Besuchshindernisse möglichst ausgeräumt werden. Für den Patienten sind die An© 2017 Hogrefe

Schwerpunkt

gehörigen oft die einzige noch verbliebene Verbindung zur Außenwelt. Das wird mit der Zeit auch den Betroffenen bewusst, die sich zunächst ablehnend verhalten; diesen Lernprozess gilt es zu fördern.

Es gibt Kliniken mit festen Besuchszeiten, aber auch Kliniken, die sich flexibel auf die Situation der Angehörigen einstellen – auch das ist eine Frage der Grundhaltung und vermittelt den Angehörigen das Gefühl, erwünscht zu sein.

Vor allem bei längeren Anfahrtswegen und dadurch eingeschränkter Besuchsmöglichkeit sollte es bei Bedarf ermöglicht werden, den Besuch mit einem Gespräch mit dem Therapeuten und/oder Bezugspfleger zu verbinden.

Denn die Angehörigen wollen doch auch von professioneller Seite hören, ob und welche Fortschritte der Patient macht und wie er sich verhält; was sie von den Patienten selbst erzählt bekommen ist ja nicht immer objektiv zutreffend. Etwaige Vorbehalte des Patienten gegen solche Gespräche („Schweigepflicht“) lassen sich meistens „trialogisch“ lösen – wenn man es nur will!

Telefonanrufe Sind Besuche seltener möglich, werden die Telefonkontakte umso wichtiger, man will doch wissen, wie es dem Patienten geht und auch seine Wünsche erfahren. Wenn dann bei einem Anruf der Patient nicht ans Telefon kommen kann (z. B. Isolierung, Fixierung), gibt es oft ein Problem: die das Telefonat annehmende Pflegekraft beantwortet die Frage nach dem „Warum“ damit, das dürfe sie nicht sagen, sondern nur der Arzt. Zu den i. d. R . abendlichen Telefonzeiten ist der zuständige Therapeut aber nicht erreichbar und der Angehörige bleibt über Nacht im Ungewissen, was denn wohl vorgefallen ist. Da stellt sich die Frage, warum den Pflegekräften, bei aller Verantwortung, die sie im tagtäglichen Umgang mit den Patienten tragen, nicht auch mehr Kompetenzen im Umgang mit den Angehörigen zugestanden werden können – oder warum sie sich hinter dem Arzt verstecken müssen bzw. wollen. Ohne Offenheit kann kein Vertrauen gewonnen werden.

Wie ist der Patient untergebracht, wie sieht sein Tagesablauf aus?

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Mitarbeitern sprechen kann. Geschieht das nicht, wachsen Zweifel und Vorwürfe.

Dauerthema: Was kann man dem Patienten mitbringen? „Der Besuch soll ihm doch etwas Freude in seinen tristen Alltag bringen!“ Mit diesem Gedanken überlegt man als Angehöriger, was den Patienten freuen könnte. Aber nicht alles, was ihn freut, bringt man mit Freude mit, z. B. Zigaretten! Umso lieber bringt man einen selbstgebackenen Geburtstagskuchen mit – doch der wird verwehrt, selbst wenn er mit den Mitarbeitern zusammen gegessen werden soll und so die Kontrolle gesichert ist – schwer nachzuvollziehen.

Weitere Beispiele: Eltern wollten ihrem untergebrachten Sohn Fotos von einem Familienfest auf dem Handy zeigen, damit er die Verwandtschaft wenigstens im Bild mal wieder zu sehen bekam – man bestand auf dem Handy-Verbot.

Eltern wollten vom Patienten ein Foto machen, um es Verwandten, die immer wieder nach ihm fragten, zeigen zu können. Das wurde erst möglich, als der Sohn die Lockerungsstufe zum Ausgang mit den Eltern erhielt, der Fotoapparat durfte zum Besuch in der Klinik nicht mitgebracht werden.

Die Großmutter schickt dem untergebrachten Enkel eine sehnlichst gewünschte Armbanduhr; das Päckchen kommt zurück: „Annahme verweigert“.

Derartige Entscheidungen sind für Angehörige schwer nachzuvollziehen, sie schaffen Enttäuschungen und Ärger, wenn sie nicht sachlich begründet werden. Dies umso mehr, als sich die Regeln von Klinik zu Klinik und auch innerhalb einer Klinik von Station zu Station unterscheiden können.

Lockerungspraxis „Die Zurückstufungen werden, auch bei geringfügigen Anlässen, als Machtmittel zur Sanktionierung benutzt“ – so der Eindruck einer Angehörigen – ist dieser Eindruck so ganz abwegig?

Über diese sie doch bewegende Frage erfahren Angehörige allenfalls vom Patienten selbst, der nicht immer ein objektives Bild vermittelt. Was hindert eigentlich, den Angehörigen die Möglichkeit zu bieten, die Station zu besichtigen, um sich ein eigenes Bild von den Lebensumständen auf der Station machen zu können? Wer mehr Transparenz und damit mehr Verständnis für die Bedingungen des Maßregelvollzugs will, muss diesen Einblick ermöglichen.

Oft entsteht für Angehörige der Eindruck, dass der Patient große Teile des Tages ohne Beschäftigung bzw. Therapien „herumhängt“ – ob dieser Eindruck richtig ist, kann nur sachlich beurteilt werden, wenn man hierüber mit den © 2017 Hogrefe

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 9–13

Schwerpunkt

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Nicht nur der Patient, auch die Angehörigen empfinden die Handhabung von Lockerungen als Sanktionierungsinstrument – der „brave“, vielleicht auch nur sich angepasst verhaltende Patient erhält Vorteile, wer sich nicht fügt wird durch Rückstufung bestraft. Man sieht von außen nur die unmittelbare Auswirkung, nicht das therapeutische Konzept und die Sicherheitsaspekte, die Anlass der Maßnahmen sind.

Am Beispiel der Versagung bzw. Rücknahme einer Lockerung bei der Verweigerung der Medikamenteneinnahme wird das Problem besonders deutlich: darf der Therapeut dem Patienten sagen (letzterer empfindet das als Erpressung), dass er keinen Ausgang bekommt, wenn er die verordneten Medikamente nicht nimmt?

Hier fühlen sich Patient wie Angehörige dem Therapeuten ausgeliefert. Mehr Offenheit und Gespräche über die jeweiligen Argumente könnten unberechtigter Kritik und dem Argwohn des Machtmissbrauchs vorbeugen; den kooperationsbereiten Angehörigen würde es damit erleichtert, für sie nachvollziehbare Entscheidungen der Klinik gegenüber dem Patienten mitzutragen.

Das Gefühl ausgeliefert zu sein besteht noch mehr gegenüber den Pflegekräften, die ja Tag und Nacht mit den Patienten zusammen sind. Das hieraus folgende Abhängigkeitsgefühl wird an folgendem Beispiel deutlich: Der Betroffene klagt beim Besuch darüber, dass ein Pfleger ihn willkürlich und ungerecht behandelt; der Angehörige will den Anlass zur Sprache bringen, wird aber vom Patienten davon abgehalten, da dieser Repressalien des Pflegers befürchtet – für Angehörige eine unbefriedigende Situation, weil er nicht erfährt, ob die Klage begründet ist.

Das Beispiel zeigt, wie – im Interesse aller Beteiligten – mehr Transparenz, mehr Offenheit über das Geschehen „hinter der Mauer“, nicht nur wünschenswert, sondern auch erforderlich ist, um Misstrauen, Vorurteilen und unberechtigter Kritik vorzubeugen.

In diesem Zusammenhang stellt sich einmal mehr die Frage, ob den Pflegekräften nicht mehr Freiraum im Umgang mit Angehörigen einzuräumen wäre; denn sie sind es, die nicht nur mit den Patienten, sondern auch mit den Angehörigen wesentlich mehr Kontakt haben als die Thearpeuten.

Anhörungen „Durch eine Erhöhung der Medikamentendosis kurz vor der Anhörung war die Patientin nicht fähig, dem Geschehen zu folgen und auch entsprechend zu reagieren.“ Ist das eine haltlose Unterstellung oder kommt so etwas doch vor?

Nicht nur der Patient, auch seine Angehörigen sehen den jährlichen Anhörungsterminen je nach dem bisherigen Verlauf mit mehr oder weniger Hoffnung entgegen, entscheidet sich doch, ob die Unterbringung wieder um ein Jahr verlängert wird oder nicht. Wenn die Angehörigen dann nur das „Ja oder Nein“ erfahren, aber nicht, wie die Anhörung verlaufen ist, kann die Entscheidung des GePsychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 9–13

richts nicht nachvollzogen werden. Auch hier wäre mehr Transparenz (Kenntnisgabe des Anhörungsberichts der Klinik, Teilnahme an der Anhörung) wünschenswert.

Für Angehörige schwer zu ertragen ist es, wenn sie vom Patienten erfahren, dass im Anhörungsbericht der Klinik an das Gericht über sie kritische oder unzutreffende Aussagen getroffen werden, ohne dass sie die Möglichkeit erhalten, dazu Stellung zu nehmen.

Behandlungsverlauf, externes Gutachten Je mehr Anhörungstermine vergehen, desto mehr stellen sich Angehörige die Frage: Was bringt die Behandlung überhaupt noch, wer überprüft die Anhörungsberichte auf tatsächliche und fachliche Richtigkeit? Das Gericht ist auf die Aussagen der Klinik angewiesen und auch der Anwalt kann allenfalls eine formale, keine fachliche Wertung vornehmen. Dann kommt dem Angehörigen die Überlegung, ob ein externer Gutachter eingeschaltet werden sollte, notfalls auf eigene Kosten. Doch dazu die resignierende Aussage eines anerkannten Gutachters:

„Wichtiger aber als alle Gutachten ist die Kooperation mit der behandelnden Einrichtung, denn letztlich wird dort von Tag zu Tag entschieden, was gemacht wird. Meine Erfahrung mit Gutachten in anderen Einrichtungen, in denen ich eine andere Linie vertrat als die behandelnde Einrichtung, ist, dass man leider dann mehr oder weniger für den Papierkorb schreibt. Man muss immer mit den Therapeuten vor Ort kooperieren, wenn sich eine Änderung ergeben soll.“ Die Situation des Betroffenen und seiner Angehörigen, nämlich der Klinik und der gesamten Institution Maßregelvollzug (einschließlich der Justiz) ausgeliefert zu sein, wird hier sehr deutlich!

Schwindende Perspektiven Mit der Unterbringung erlebt die Familie – auch wenn sie sich das entweder nicht eingestehen will oder aber sich dafür schämt – zunächst eine Entlastung, oft nach schweren Zeiten der Sorge und des Zusammenlebens mit dem Kranken. Doch je länger die Unterbringung dauert, desto mehr drängt sie die oft mit Selbstvorwürfen verbundene Frage, warum und wie es dazu gekommen ist, wie lange die Unterbringung noch dauern wird. Und wie erschütternd ist es, wenn bei einem Besuch der Patient sagt: „eigentlich bin ich doch hier in der Klinik zu Hause“. Dann ist die Hospitalisierung so weit fortgeschritten, dass der Patient Angst vor Veränderungen und vor dem Leben in Freiheit hat.

Es ist bedrückend, die sprachliche und geistige Verflachung, das immer mehr auf die augenblicklichen Bedürf© 2017 Hogrefe

Schwerpunkt

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ein Patient behandelt werden kann bzw. darf. Bei allem Bemühen von Therapeuten und Pflegekräften stellen sich als zwangsläufige Folge der langen Unterbringungszeiten körperliche und psychische Veränderungen des Patienten ein, die dem Ziel des Maßregelvollzugs, die Wiedereingliederung und die Befähigung zu einem selbstständigen Leben zuwiderlaufen.

Schlussbemerkung

nisse gerichtete, oft unterwürfige Verhalten und den Verlust von Interessen und Motivation zu beobachten. Hatte man am Anfang noch – oft unrealistische – Vorstellungen und Ideen, wie das Leben des Betroffenen später weitergehen kann, sinken diese Erwartungen, stellt sich Perspektivlosigkeit ein – für den Betroffenen wie für seine Angehörigen.

Anschaulich hat ein Angehöriger eine solche Entwicklung beschrieben: „Ich habe bei meinem Sohn drei Phasen bei der langen Verweildauer von 16 Jahren (vom 20. bis zum 36. Lebensjahr) erleben müssen. Die ersten 4–5 Jahre waren geprägt vom ‚raus zu kommen‘. Während dieser Phase war er in der Arbeitstherapie tätig und holte seinen Hauptschulabschluss nach. In der zweiten Phase wurde er zunehmend abgestumpfter, aggressiver, schwieriger. Er sah keine Zukunftsperspektiven, ließ sich hängen, verweigerte Therapieangebote und schikanierte das Klinikpersonal, was zur Konsequenz hatte, dass auch die Klinikmitarbeiter in ihren Bemühungen um ihn nachließen. Die letzte Phase ist gekennzeichnet von dem Willen, die Einrichtung nicht mehr zu verlassen. Es gab keine größeren Vorkommnisse. – Es kann doch nicht der Sinn der Psychiatrie sein, dass sie über eine überlange Verweildauer in solchen Einrichtungen ihre eigene Klientel züchtet.“ Wenn die Behandlung im Laufe der Zeit wenig Fortschritte bringt, sich stattdessen erste Hospitalisierungserscheinungen zeigen, fragt man sich, wie lange eigentlich

© 2017 Hogrefe

So viel zur Frage, wie Angehörige die Forensik erleben.

Aber wie sieht es umgekehrt aus: Wie erleben die Professionellen die Angehörigen? Auch das sollte den Angehörigen mehr vermittelt werden, um ihnen bewusst zu machen, was sich da so alles „hinter der Mauer“ abspielt und welchen Zwängen die Arbeit im Maßregelvollzug unterliegt (man denke nur an das – oft irrationale – Sicherheitsdenken in unserer Gesellschaft und die hieraus resultierenden Vorgaben im Gesetz, der Gerichte und des Trägers bzw. Leiters der Klinik). Denn es ist, wie immer, wichtig, beide Seiten zu hören, wenn man sachlich bleiben will.

Mehr Transparenz und Offenheit der forensischen Kliniken könnten zu mehr Sachlichkeit und Verständnis der Angehörigen gegenüber den Problemen und Zwängen der in der Forensik Tätigen beitragen. Umgekehrt kann den Mitarbeitern der Klinik – von der Pforte bis zum Chefarzt – ein solcher Perspektivwechsel helfen, die „professionelle Stations- und Klinikzentrierung“ zu überwinden (Steinböck). Denn der Blick von außen, Fragen und Kritik zu eingeschliffenen Verhaltensweisen und Regeln können vor unbedachter Routine und unzulässiger „Schubladisierung“ der Patienten und Angehörigen bewahren.

Dr. iur. Gerwald Meesmann, geboren 1939 in Potsdam-Babelsberg; Tätigkeiten in der Industrie (Brown, Boveri & Cie.) und Verwaltung (Beigeordneter im Landkreis Ostvorpommern, u. a. zuständig für Soziales); Beauftragter für Forensik im BV ApK, Mitglied im Vorstand des LV ApK BW und im Fachausschuss Forensik der DGSP.

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 9–13

Sexualisierte Gewalt erkennen, aufdecken und verhindern

Werner Tschan

Sexualisierte Gewalt Praxishandbuch zur Prävention von sexuellen Grenzverletzungen bei Menschen mit Behinderungen Mit einem Geleitwort von Monika Egli-Alge / Heinz Siegwart.

2012. 204 S., 8 Abb., 2 Tab., Kt € 28,95 / CHF 39.50 ISBN 978-3-456-85109-9 Auch als eBook erhältlich

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Raus aus der Spirale gegenseitiger Schuldzuschreibung und Akzeptanz der Realität Aggression und Deeskalation als einendes Band zwischen Angehörigen und psychiatrisch Pflegenden Christoph Müller

Eine ganz gewöhnliche Abendmahlzeit. Die psychotisch veränderte junge Frau fühlt sich unter Druck gesetzt. Die Eltern, in deren Haushalt sie mit 25 Lebensjahren noch lebt, fragen ständig nach ihrem Befinden. Sie schlagen ihr vor, wie sie etwas an dem Zustand ändern könnte. Nun ist ihr der Kragen geplatzt. Sie hat die Mutter nicht nur mit den Worten beschimpft: „Jetzt halt einfach einmal Deine Schnauze, Du alte Schlampe. Ich kann es nicht mehr hören. Wenn Du nicht langsam einmal aufhörst, werde ich dafür sorgen, dass Du es lässt.“ Auf die Frage der Mutter, ob sie es als Androhung von Schlägen verstehen muss, hat sie geantwortet: „Ja!“ Noch mehr: Sie hat mit aller Kraft auf den Tisch geschlagen, sodass allen am Tisch hockenden der Schrecken durch die Glieder gefahren ist.

W

er mit Angehörigen psychisch erkrankter Menschen das Gespräch sucht, der wird an solchen Geschichten nicht vorbeikommen. Es sind alltägliche Berichte aus dem Alltag von Familien, die einen psychisch erkrankten Menschen in den eigenen Reihen haben. Aggressionen, möglicherweise Gewalt sind Phänomene, die immer wieder auftauchen – in den Familien und im psychiatrischen Versorgungssystem. Dies bewegt nicht nur dazu, Parallelen zwischen dem Erleben psychisch erkrankter Menschen in den Familien und in den psychiatrischen Versorgungssystemen zu sehen. Aggression und Deeskalation sind möglicherweise als einendes Band zwischen Angehörigen und psychiatrisch Pflegenden zu verstehen. Was liegt da näher als aus einer gemeinsamen Erfahrungswelt hinaus – die Angehörigen wie psychiatrisch Pflegenden zu schaffen macht – Gegenentwürfe zu ma© 2017 Hogrefe

chen. Mit diesen Gegenentwürfen hat man die Chance, aus einem Nebeneinander ein Miteinander zu machen.

In die Klinik abgeschoben Wie kann dies gelingen? Es gibt wenige gelingende Ideen in Einrichtungen und ambulanten Diensten, wie eine Gesprächskultur zwischen Angehörigen und psychiatrisch Pflegenden sich entwickelt hat. Zum guten Ton psychiatrischer Kliniken gehört es zwar, Angehörigengruppen anzubieten. Sie laufen mit unterschiedlichem Erfolg und vor allem mit unterschiedlicher Intensität. Angehörige erleben zwar oft die eigene Hilflosigkeit und Unsicherheit im Umgang mit den psychisch erkrankten Familienmitgliedern. Doch erscheint es als eine menschliche Reaktion, die Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 15–19 DOI 10.1024/2297-6965/a000070

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Aufnahme des seelisch angeschlagenen Angehörigen in der psychiatrischen Klinik und die gegebene Distanz als Entlastung wahrzunehmen und erst einmal nichts mit dem Krankenhaus zu tun haben zu wollen.

Auf psychiatrisch Pflegende wirkt dies manchmal irritierend. Psychisch angeschlagene Menschen werden von den Angehörigen in die Klinik gebracht. Gelegentliche Funkstille zwischen dem in der psychiatrischen Klinik untergebrachten Menschen und der Familie daheim sind ein nächster Schritt. „Jetzt haben die Angehörigen die Frau X oder den Herrn Y erfolgreich in die Klinik abgeschoben.

Jetzt müssen sie sich ja nicht mehr mit den Auffälligkeiten und dieser nervenden Gereiztheit auseinandersetzen“, hört man aus den Reihen psychiatrisch Pflegender.

Krisenmanager Es ist nicht sinnvoll, vereinfacht auf die Situation psychiatrisch Pflegender in der psychiatrischen Klinik, vor allem auch nicht platitüdenhaft auf die Angehörigen psychisch erkrankter Menschen zu schauen. Angehörige psychisch erkrankter Menschen und psychiatrisch Pflegende sind Krisenmanager par excellence. Deshalb lohnt es sich nach Gemeinsamkeiten zwischen denjenigen zu schauen, die ganz nah an den psychiatrieerfahrenen Menschen sind. Es ist müßig, Trennendes zu beschreiben und dadurch Gräben zu manifestieren, die eine Hilfe für die Betroffenen erschweren.

Angehörige wie psychiatrisch Pflegende erleben die psychisch erkrankten Menschen bis zu 24 Stunden am Tag. Durch diese Erfahrung entwickeln sie ein gutes Gefühl dafür, wie es den seelisch angeschlagenen Menschen geht. Auf dem Fundament vielfältiger Erfahrungen und einer ausgeprägten Beobachtungsgabe sehen sie Frühwarnzeichen oder erkennen Krisenhinweise. So haben psychiatrisch Pflegende wie Angehörige in dem jeweiligen Aktionsradius die Möglichkeit darauf zu reagieren.

Wenn Angehörige auf Krisenzeichen reagieren, ist dies für den psychisch erkrankten Menschen nicht unproblematisch. Aus der Familiengeschichte heraus schwingen viele Emotionen mit. Unglückliche Situationen miteinander werden erinnert, begleiten die Reaktion auf Ansprache mehr oder weniger emotional. Hat sich das Miteinander von psychisch erkranktem und gesundem Menschen immer schwieriger gestaltet, so wird auch der Zugang zueinander in einer Krise einem Stolpern eher als einem Aufeinanderzugehen ähneln.

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le mit aggressivem Geschehen sich unmittelbar im Haushalt des Erkrankten abspielt. Weitere 20 % sind dem familiären Nahraum zuzurechnen, wie bei einem Besuch im Haus oder in der Wohnung der Eltern und anderer Angehöriger oder auch nur am Telefon.“ (Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V., 2015: S. 8) In der Kriminologie spricht man in diesem Zusammenhang von Beziehungstaten. Zur Konsequenz hat dies, dass mit einer besonderen Sensibilität an Bewältigungsstrategien gearbeitet werden müsste, um Phänomenen wie Aggressionen und Gewalt begegnen zu können.

Es ist Montagmorgen. Auf der allgemeinpsychiatrischen Aufnahmestation einer Klinik herrscht eine große Unruhe. Am Wochenende sind fast ein Dutzend Menschen neu aufgenommen worden. Der Suizidversuch eines jungen Mannes hat Unruhe gestiftet. Die Neigung einer jungen Frau, sich selbst zu verletzen, hält die Menschen auf der Station emotional in Bewegung.

Den psychiatrisch Pflegenden ist es kaum gelungen, über Nacht die nötige Ruhe auf der Station herzustellen, sodass das Schlafdefizit dem letzten Gutmütigen die Kraft raubt. Das ständige Fragen nach der ärztlichen Visite und das Bitten um pflegerische Handreichungen bringt die psychiatrisch Pflegenden an einen Grenzpunkt persönlicher Belastbarkeit. Situationen eskalieren: ein psychotisch veränderter Mensch schreit seine Not mit den Stimmen aus sich heraus, eine junge, affektiv veränderte Frau hält sich die Ohren zu und weint vor sich hin.

Die geschilderten Situationen zeigen, dass in den unterschiedlichen Kontexten psychisch erkrankte Menschen verschieden, jedoch immer wieder krisenhaft reagieren.

Dies ist nachvollziehbar. Denn Menschen reagieren einfach auf Reize, die in der unmittelbaren Umwelt geschehen. Dies kennen seelisch in Balance lebende Menschen genauso. Je nach Tagesform fällt der Umgang mit Reizen

Sensibilität für Bewältigungsstrategien In Situationen, in denen Aggressionen und gewalttätige Übergriffigkeit drohen, werden Dämme zwischen Menschen frühzeitiger brechen. Dafür spricht auch, was der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) herausgefunden hat: „Eine kleine Umfrage des BApK zeigte, dass nahezu die Hälfte aller VorfälPsychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 15–19

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leichter oder schwerer. Je nach den Umständen und Belastungen des Tages gelingt oder misslingt dies.

Deshalb ist eine Aufforderung aus der BApK-Broschüre „Was tun – bei Konflikten und Aggressionen in Familien mit einem psychisch erkrankten Angehörigen?“ sinnvoll: „Wichtigste Voraussetzung zur Problemlösung: raus aus der Spirale gegenseitiger Schuldzuschreibung und Akzeptanz der Realität … Wollen wir aus einer verfahrenen Situation wirklich heraus – was hilft und nützt uns dabei das gegenseitige Aufrechnen der jeweiligen Verfehlungen?“ (Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V., 2015: S. 10)

Selbstreflexion Ein erster Schritt bei sämtlichen Beteiligten könnte die Selbstreflexion sein. Mit der Selbstreflexion ergibt sich die Gelegenheit, die Situation und die Geschehnisse vor dem inneren Auge vorbeilaufen zu lassen. Psychiatrisch Pflegende wie Angehörige haben aufgrund der vorhandenen seelischen Balance die Möglichkeit, über die Momente nachzudenken, die mehr oder weniger gut gelaufen sind.

Für die Alltäglichkeiten des Geschehens in der Familie oder auf einer psychiatrischen Station kann auf diese Weise eingeschätzt werden, inwieweit es Signale gegeben hat, dass der psychisch instabile Angehörige sich nicht gut fühlt oder gar in eine Krise kommt.

Es bedarf einiger Voraussetzungen, dass Situationen eskalieren. Ein Grundverständnis, das Angehörigen wie psychiatrisch Pflegenden bewusst sein sollte, ist: „Es ist nötig, Situationen zu beherrschen, nicht Menschen zu dominieren!“ In der unmittelbaren Begegnung mit Menschen, die seelisch angeschlagen sind, bedarf es deshalb einer großen Portion Gelassenheit, um Situationen aushalten zu können und zu wollen.

Aushalten zu können bedeutet, nicht unmittelbar Lösungen für aktuelle Sorgen und Nöte parat zu haben. Aushalten zu können bedeutet, an der Seite eines Menschen stehen und manchmal schweigen zu können. Der ein oder andere mag es als Wagnis bezeichnen, den psychisch erkrankten Menschen darauf anzusprechen. Im theologischen Kontext gibt es das Compassions-Paradigma. Bei diesem Compassions-Paradigma geht es um die eigene Betroffenheit, die „in einem subjektiven Sinn sowohl eigenen Leidensdruck, eigene Benachteiligung, Einschränkung von Lebenschancen meint, aber auch Mit-leid, Empathie, Einbezogenwerden in fremde Not, Leid der anderen“. (Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch Kranker e. V., 2012: S. 78)

Sicherheit und Defensivität Der psychisch angeschlagene Mensch muss sich in seiner Krise erst einmal selber aushalten. Da wird es ihm oder ihr schwer fallen, den Mitmenschen auszuhalten – mag dieser es noch so gut meinen. Aushalten und Innehalten sind © 2017 Hogrefe

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dann die Kategorien, die es zu realisieren gilt. Oder um es in einem Bild zu veranschaulichen: es lohnt sich, für einen Moment aus sich selber herauszugehen, um die Situation nochmals anzuschauen und für sich Rückschlüsse zu ziehen, was vielleicht unglücklich verlaufen ist.

Was kann den in einer seelischen Krise stehenden Menschen verunsichern? Häufig genannt wird die Kommunikation. Das Wort eines Angehörigen kann falsch verstanden werden oder an gemeinsame Erfahrungen erinnern, die nicht ins Gedächtnis gerufen werden wollen. Es kann die Körpersprache eines Menschen sein, die vom psychisch erkrankten Menschen fehlinterpretiert werden kann. Körpersprache darf nicht bedrohlich oder erschreckend wirken. Vielmehr muss sie Sicherheit und Defensivität zugleich ausdrücken, damit der Krisenmensch sie nicht missversteht.

Die Umgebungsfaktoren von Situationen sind nicht zu unterschätzen. Eine psychiatrische Station wie auch das Zuhause setzt Reize. So stellt sich die Frage, welche Atmosphäre eine Architektur vermittelt. Schließlich ist davon auszugehen, dass es eine Wechselwirkung von Mensch und Umwelt gibt. Bei der Umweltgestaltung in Pflegeheimen geht man beispielsweise davon aus, dass indirektes Licht eine positivere Wirkung auf sich dementiell verändernde Menschen hat als direktes Licht. Für das Zusammenleben mit psychisch erkrankten Menschen haben sich sicher die wenigsten Menschen die Frage gestellt, welche Lichtgestaltung dem erkrankten Menschen zuträglich ist.

Mit Licht in Wohnungen wird hinlänglich Gemütlichkeit und das Schaffen von Stimmungen verbunden. Der Begriff der Atmosphäre meint mehr: Situationen auszuhalten ist eines. Das Anpassen von Umgebungsfaktoren und Atmosphären ist ein anderes.

Angehörige psychisch erkrankter Menschen wie auch psychiatrisch Pflegende haben die Möglichkeit, durch Aktivitäten im präventiven Bereich viel Gestaltungsspielraum zu nutzen. Wie gestalte ich die Beziehung zum psychisch erkrankten Angehörigen, der sich mehr und mehr zurückzieht? Welche Reize kann ich im Alltag innerhalb einer gemeinsamen Wohnung setzen? Wo gibt es Möglichkeiten der Verständigung zwischen dem psychisch erkrankten Menschen und dem Angehörigen?

Wo ist der psychiatrie-erfahrene Mensch?

Die Rolle der Angehörigen wie der psychiatrisch Pflegenden erscheint vergleichbar. In die Diskurse gehören unbedingt die betroffenen Menschen. Sie sind nicht nur die Experten der eigenen Erkrankung. Sie sind vor allem Fachleute für die eigenen Möglichkeiten der Genesung.

Die betroffenen Menschen können deutlich sagen, was ihnen gut tut. Sie können klar machen, was schlecht für sie ist. Wenn ihnen die Möglichkeiten und Grenzen der Spielräume verdeutlicht werden, können sie damit leben.

Der Rückzug eines psychotisch veränderten Menschen wird oft als Krankheitssymptom gedeutet. Es wird ein Sich-Abkapseln und Vereinsamen in das Verhalten hineinPsychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 15–19

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interpretiert. Wie wäre es denn, dies einmal positiv zu deuten? Der psychotisch veränderte Mensch sucht das Alleinsein, um sich den Reizen des Alltags zu entziehen. Er sucht die Einsamkeit und Reizlosigkeit, um seiner Seele Ruhe zu gönnen.

Wenn sich Angehörige und psychiatrisch Pflegende in den Diskurs begeben, dann dürfen betroffene Menschen nicht aus dem Blick geraten. Ihre Bedürfnisse und ihre Bedarfe müssen im Zentrum anzudenkender Lösungen stehen.

Ein junger Mann ist seit einigen Tagen mit einer akuten Psychose in der psychiatrischen Klinik untergebracht. Es ist eine schwierige Zeit für ihn.

Eigentlich möchte er nur alleine sein. Trotzdem bewegt er sich immer wieder in die therapeutische Gemeinschaft. Dieses Dasein wird begleitet von Gefühlen der Überforderung. Es sind ihm zu viele Menschen. Er leidet unter den unterschiedlichen Reizquellen. Permanent läuft das Radio mit der abwechslungsreichen Musik. Die auf der Station untergebrachten Menschen unterhalten sich eher laut als alles andere. Er hat einfach das Gefühl, er könnte selber schreien, da es für ihn eine dauernde Belastung darstellt.

Ob Angehöriger eines psychisch kranken Menschen oder psychiatrisch Tätiger, diese Szene wird vielen Menschen bekannt vorkommen. Jeder seelisch stabile und gesunde Mensch hat mit diesen alltäglichen Anforderungen kein Problem. Entweder werden die Reize in der Wahrnehmung reduziert, indem die Konzentration verlagert wird, oder die Reizquellen wie das Radio werden einfach ausgeschaltet.

Für den psychisch erkrankten Menschen bedeuten aufgrund seiner eingeschränkten Wahrnehmungen und seiner trügerischen Interpretationen unzählige Reizquellen einen großen Stress. Reize können in einem stationären Umfeld wie im häuslichen Umfeld unmittelbar beeinflusst werden. Geräuschquellen können genommen werden.

Lichtquellen können beeinflusst werden.

Stephan Debus bringt neben dem Begriff der Reize den Terminus Atmosphäre mit ins Spiel: „In unserer Rede weist das Wort Atmosphäre nicht nur auf das Bedrückte in unserem Gefühlserleben hin, sondern auch auf das Bedrückende außerhalb von uns.“ (Debus, 2009, S. 33) Im Zusammenhang mit einer Psychose beispielsweise leisten die Außenfaktoren einen großen Beitrag zum Wohlempfinden oder zu einer Missstimmung der psychisch erkrankten Menschen bei.

Es ist selbst für den psychisch gesunden Menschen eine Aufgabe, Musik in einer bestimmten Weise und Lautstärke zu hören. Viele äußere Faktoren beeinflussen selbst für den stabilen Menschen das Empfinden. Ist jemand ausgeschlafen? Hat jemand innerhalb der vergangenen Stunden oder Tagen Stress erlebt? Wie ist die Stimmung an sich?

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 15–19

Dies sind nur einige knappe Momente, die das Befinden eines Menschen bestimmen.

Die Wirkung von psychiatrischen Milieus ist zum Beispiel nicht zu unterschätzen. Psychiatrische Milieus sollen geschaffen sein, dass sie das Befinden und die Genesung eines Menschen in konstruktiver Weise beeinflussen. Es gibt keine Schablone, die angelegt werden kann. Es gibt in unterschiedlichen Milieus verschiedene Lösungsansätze.

Es muss in jedem Falle neu wahrgenommen und überlegt werden. Debus: „Wer auch immer sich Gedanken über die Wirkungen von psychiatrischen Milieus macht, hat allen Grund die Atmosphäre von klinischen Stationen mit zu bedenken. Atmosphären sind so umfassend und häufig ganz bedeutsame Bedingungen unter denen wir fühlen, denken, handeln und kommunizieren.“ (Debus, 2009, S. 33)

Treffpunkte von Angehörigen und psychiatrisch Pflegenden Vordringliches Ziel jeder Begleitung und Intervention muss ein offener Dialog sein, wie wir ihn aus den skandinavischen Hilfesystemen kennen. Über den Kopf eines betroffenen Menschen darf keine Genesung verhandelt werden.

Die Schnittmenge gemeinsamer Erfahrungen zwischen Angehörigen psychisch erkrankter Menschen und psychiatrisch Pflegenden ist groß. Mit den betroffenen Menschen machen sie vergleichbare Erfahrungen. Durch die Nähe kommen sie den betroffenen Menschen am nächsten.

Da gilt es Orte zu finden, an denen sie sich austauschen können und es schaffen, aus der gegenseitigen Skepsis eine Vertrautheit zu schaffen, die den seelisch angeschlagenen Menschen zugutekommt. Beim Milieu gibt es eine Menge Schnittmengen, die psychiatrisch Pflegende und Angehörige psychisch erkrankter Menschen zum gemeinsamen Austausch nutzen können. In der heimischen Wohnung wie in der psychiatrischen Klinik könnte es einen © 2017 Hogrefe

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entsprechenden Austausch geben, der unbedingt zu konkretisieren ist.

Debus stellt den Begriff des „Atmosphärenarbeiters“ vor. Wörtlich: „Atmosphärenarbeiter sind solche Menschen, die mehr oder weniger bewusst die Atmosphärenträger (Umgebungen, Räume etc.) für die jeweilige Eignung der Stimmungsbeeinflussung gestalten. Typische Berufe, in denen Menschen Atmosphärenarbeit leisten sind: Bühnenbildner (für Atmosphäre von Situationen im Theater), Architekten (für das Flair von Gebäuden und Räumen), Raumausstatter (für das Ambiente des Mobiliars), Designer (für Produkte), Maskenbildner (für Schauspieler), Lichtkünstler (für Gebäude), Gärtner (für Umgebungen), aber eben in der Psychiatrie auch Therapeuten (für interpersonale Beziehungen), Klinikleiter (für institutionelles Betriebsklima) u. v. a. m. Gemeinsam geben die Atmosphärenarbeiter den jeweiligen Objekten diese bestimmenden potentiellen Eigenschaften, die sich dazu eignen Stimmungen zu beeinflussen.“ (Debus, 2009, S. 35) Angehörige psychisch erkrankter Menschen und psychiatrisch Pflegende sind unbedingt als Atmosphärenarbeiter zu verstehen. Vielleicht kann dies ein Anknüpfungspunkt sein, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Literatur Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. (Hrsg.)(2015). Was tun – bei Konflikten und Aggressionen in Familien mit einem psychisch erkrankten Angehörigen? Empfehlungen für Familien und Freunde psychisch erkrankter Menschen. Eigenverlag: Bonn.

Debus, S. (2009). Atmosphären und Atmosphärenarbeit in der psychiatrischen Milieutherapie. Kerbe 1:32–35.

Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch Kranker e. V. (2012). Nur eine Krise. Eigenverlag: München.

Landesverband Hessen der Angehörigen psychisch Kranker e. V. (2016). Überlegungen zu einer Checkliste für den Personenkreis mit seelischer Behinderung im Sinne des § 2 SGB IX. Eigenverlag: Offenbach am Main. [http://www.psychiatrie.de/bapk/ politik-positionen/barrierefreiheit/ , Zugriff am 29. September 2016] Steinkamp, H. (1991). Sozialpastoral. Lambertus: Freiburg im Breisgau.

Christoph Müller arbeitet als psychiatrisch Pflegender im Maßregelvollzug sowie als Projektreferent beim Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. (BApK) in Bonn.

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Konflikte und Spannungen in der Familie – Die Sicht einer Angehörigen Kompetenzen der Angehörigen zur Bewältigung von Krisen psychisch erkrankter Angehöriger Wiebke Schubert

Ich habe die Aufgabe gestellt bekommen, mir Gedanken zu einem Artikel mit dem Arbeitstitel „Wir haben Kompetenzen, um Krisen der psychisch erkrankten Angehörigen zu bewältigen – Die Sicht einer Angehörigen am Beispiel von Konflikten und Spannungen“ zu machen.

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unächst war ich perplex. Ich wurde mit Krisen und Konflikten konfrontiert, auf die mich niemand vorbereitet hat; ich konnte und kann bei diesem Thema nur auf meinen eigenen Erfahrungsschatz und die Erzählungen anderer Angehöriger zurückgreifen.

Pflegende/Behandler werden in diesem Bereich ausführlich ausgebildet, die Schulung von Deeskalationstechniken wird in (fast) jeder Klinik den Mitarbeitern angeboten. Angehörige aber werden nicht in Deeskalation geschult, obwohl eine Krise in der Familie beginnt – und dort am ehesten und schnellsten beendet werden kann.

Vor allem aber wird Angehörigen nicht vermittelt, wie wir mit unseren durch diese Situationen hervorgerufenen Gefühlen und unseren dadurch verursachten Traumata umgehen können, damit es uns auch gut geht.

Es ist nicht einfach, geduldig und gelassen zu bleiben und Verhaltensweisen von Betroffenen nicht persönlich zu nehmen.

Es ist wichtig, seine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und vor allem Betroffenen Grenzen zu setzen, um sich selbst zu schützen. Nicht umsonst heißt eine wichtige Broschüre des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Erkrankter Menschen „Zwischen Liebe und Abgrenzung“.

Es gibt nun viele Gelegenheiten, bei denen es zu Konflikten innerhalb von Familien kommen kann.

Um Abgrenzung kann es z. B. bei der Frage gehen, wie oft ein Betroffener einen Angehörigen am Tag anrufen kann. Hier kann es um 20 bis 30 Anrufe am Tag gehen, die den Angehörigen in seinem Tagesablauf unterbrechen und am Arbeitsplatz sicher nicht erwünscht sind. Darf ich © 2017 Hogrefe

als Angehöriger mir diese Anrufe verbitten? Zumal, wenn ich den Eindruck habe, es wird aus Langeweile angerufen – oder wenn diese Anrufe sehr belastend sind? Angehörige nehmen aus Sorge und aus Angst um den Betroffenen jeden dieser Anrufe an – es könnte ja wichtig sein; es könnte z. B. Suizid angekündigt werden. Um Kontakt zu halten ist eine so hohe Zahl von Gesprächen sicher nicht notwendig.

Schon hier erlauben sich oder trauen sich viele Angehörige nicht, sich abzugrenzen – oft aus Angst oder Unsicherheit, weil sie sich Sorgen machen. Sie haben nicht das Vertrauen in die Betroffenen, dass sie alleine – also ohne die Angehörigen – zurechtkommen und befürchten vor allem den Ausbruch der nächsten Krise.

Den Betroffenen kann ich nicht verändern. Es hilft auch nicht, die Mitarbeiter des betreuten Wohnens oder der Einrichtung, in der der Betroffene lebt, um Hilfe zu bitten.

Diese können und wollen das nicht kontrollieren.

Das bedeutet, dass ich als Angehörige zunächst selber entscheiden muss, ob ich das will. Will ich jeden Tag bis zu 30 Telefonate mit dem Betroffenen führen, auch am späten Abend und womöglich in der Nacht?

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 21–24 DOI 10.1024/2297-6965/a000071

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Oder setze ich eine Grenze, z. B. nicht nach 19.00 Uhr, und halte diese Grenze selbst konsequent ein? Es braucht dann klare Regeln. Von dem Betroffenen kann ich zunächst nicht erwarten, dass er sich an ihm gesetzte Grenzen hält – ich als Angehörige muss mich selbst daran halten.

Was ist, wenn der ersterkrankte Betroffene aus der Klinik heraus weinend anruft und fleht, ihn dort herauszuholen, es sei ganz furchtbar dort. Als Angehörige habe ich noch keine Erfahrung mit der Klinik; ich kann nicht beurteilen, ob es tatsächlich angebracht ist, den Betroffenen dort abzuholen oder ob es wichtiger wäre, dass der Betroffene weiterbehandelt wird. Was ist, wenn dies gegen seinen Willen geschehen muss?

Sind Angehörige dann noch die sorgeberechtigten Elternteile, die dies mitentscheiden, dann geraten sie in einen schweren Konflikt – mit sich selbst und später mit dem Kind, das sie für die Einweisung und die Behandlung – womöglich gegen seinen Willen – verantwortlich macht. Auch hier hilft es nur, Entscheidungen zu treffen und zu dieser Entscheidung zu stehen, Verantwortung zu übernehmen. Entscheidungen müssen auch für den Betroffenen berechenbar sein und ihm gegenüber begründet werden können. Es muss Klarheit herrschen. Das verlangt viel Stärke von Angehörigen.

Als Angehörige darf ich eine solche Entscheidung nicht auf einer diffusen Grundlage treffen; ich muss entscheiden, ob ich Ärzten und anderen professionellen Helfern vertraue und mir selbst ein Bild machen. Schwierig wird das, weil ich emotional mit dem Betroffenen verbunden bin und mir Sorgen mache und Angst um den Betroffenen habe und nicht weiß, wem ich glauben soll.

Angehörige verwirrt es dann noch mehr, wenn sich schon die Handelnden in der Psychiatrie nicht einig sind, z. B. beim Thema Gabe von Medikamenten. Versuche ich mich selber im Internet zu informieren, werde ich auf eine verwirrende Zahl von Meinungen stoßen. Dann hängt es gerade von der persönlichen Einstellung zur Schulmedizin davon ab, ob ich als Angehörige die Einnahme der Medikamente unterstütze oder nicht bzw. entsprechend auf den Betroffenen einwirke.

Verweigert ein Betroffener die Einnahme von Medikamenten, wird er aber ohne die Einnahme untragbar für die Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 21–24

Familie, führt dies zu erheblichen Konflikten. Dies kann bis zu Gewalttätigkeiten gehen. Viel enervierender sind aber die Störungen familiärer Routinen, z. B. die Blockade des Badezimmers morgens, wenn alle aus dem Haus müssen, laute Musik oder Aktivität nachts oder am späten Abend, extreme Unordnung/Vermüllung, Vernachlässigung des Haushalts, Probleme bei der persönlichen Hygiene, Beschimpfungen und Rücksichtslosigkeiten usw. Das kennen auch Eltern von Kindern im Teenageralter; die beschriebenen Zustände gehen aber oft weit darüber hinaus und halten dauernd an. Problematisch ist auch die gestörte Kommunikation mit dem Rest der Familie. Ich kann nicht mit jemand kommunizieren, der gerade im Gespräch mit seinen Stimmen ist, der sich deswegen nicht auf mich konzentrieren kann und der deshalb nicht in der Lage ist, wichtige Absprachen zu treffen und einzuhalten oder – als Elternteil – seine Aufgaben in der Familie zu übernehmen.

Hier ist die Einhaltung von klaren Regeln und Absprachen wichtig. Diese müssen klar angesagt werden. So kann das Bad nicht morgens eine Stunde blockiert werden, notfalls hilft eine klare Zeiteinteilung. Die Familie braucht ihren Nachtschlaf und darf dann nicht geweckt werden usw.

Können diese Regeln nicht eingehalten werden, helfen manchmal nur getrennte Wohnungen. Auch Angehörige haben ein Recht darauf, sich in einen ungestörten Bereich zurückzuziehen und einen Ruheraum zu haben. Gerade wenn erwachsene Betroffene noch bei ihren Eltern wohnen, versucht auch jeder seine Vorstellungen von Wohnen durchzusetzen. Dies kann zu Machtkämpfen führen. Getrennte Wohnungen helfen die Lage zu entspannen.

Zu Konflikten führt es auch, wenn Angehörige durch den Betroffenen beschämt werden. Sei es, wenn sie sich mit dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zeigen oder wenn ihnen von einem ungewöhnlichen Verhalten des Betroffenen berichtet wird. Sie werden dann für das Verhalten des Betroffenen verantwortlich gemacht. Versuchen Angehörige nun dieses Verhalten zu ändern, indem sie z. B. indem sie zu erreichen versuchen, dass der Betroffene nur „ordentlich“ gekleidet und gepflegt in die Öffentlichkeit geht, wird dies scheitern. Es wird aber erhebliche Konflikte und Streitereien mit dem Betroffenen hervorrufen.

Auch hier können Angehörige zunächst nur für sich Klarheit schaffen. Wie gehe ich mit meiner Scham um?

Lasse ich mich beschämen – auch durch mein Umfeld?

Gehe ich offen mit der Erkrankung des Angehörigen um?

Wenn mein Umfeld von der Erkrankung weiß, bin ich auch als Angehörige von Vorwürfen der Umgebung entlastet.

Ungewöhnliches Verhalten des Betroffenen wird dann nicht mehr den Eltern oder der Partnern angelastet (wie z. B. ordentliche und angemessene Kleidung).

Schuldzuweisung Ganz besonders belastend für viele Eltern und Grundlage vieler Konflikte ist es auch, wenn Eltern von den Betroffenen – oder den professionellen Helfern – die Schuld für die Erkrankung zugeschoben wird. Auch hier sind sich die Ex© 2017 Hogrefe

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perten nicht einig. Es ist immer noch unklar, was genau eine psychische Erkrankung verursacht. Viele Betroffene berichten jedenfalls von Traumata in ihrer Kindheit und Jugend – oft verursacht von der Familie – und beschuldigen die Familie dann. Ob diese Behauptungen immer stimmen, ist fraglich. Für die Betroffenen ist dann jedenfalls ein Sündenbock gefunden. Dies führt zu oft unberechtigten Vorwürfen gegen die Eltern („Eure Scheidung war schuld…“, „Du hast mich missbraucht“ usw.). Angehörige sind verletzt und versuchen sich zu wehren. Das kann die Beziehung zu den Betroffenen für immer zerstören. Hier ruhig und gelassen zu bleiben und als Ursache der Vorwürfe die Erkrankung zu sehen, fordert viel von den Angehörigen und gelingt nicht immer.

Ein Klassiker ist auch der Streit um das liebe Geld, wenn z. B. zu viel Geld von dem Betroffenen in einer Manie ausgegeben wird und die wirtschaftliche Grundlage der Familie gefährdet wird. Oft werden unverhältnismäßig hohe Geldforderungen gerade an Eltern gestellt, denen diese nicht mehr nachgeben wollen oder können. Hat ein Betroffener am Monatsanfang bereits sein ganzes Geld ausgegeben, wird er mehr mit viel Nachdruck, Vorwürfen, dem Hinweis, er könne sich z. B. nichts mehr zu essen kaufen, mehr Geld fordern.

Soll ich als Angehörige der Forderung nach mehr Geld nachgeben? Angehörige haben Angst und machen sich Sorgen, dass der Betroffene tatsächlich nichts mehr zu essen oder keine Zigaretten mehr hat. Was ist, wenn er dann etwas stiehlt? Zunächst einmal hilft es, erst einmal zu schauen, wie ernst die Lage tatsächlich ist und notfalls Essen und Tabak sowie Kaffee vorbeizubringen, Geld eher nicht.

Problematisch wird es, wenn der Betroffene suchtkrank ist und viel Geld für seine Drogen braucht und seine Forderung nach Geld auch in der Familie mit Diebstahl, Raub und Erpressung, also mit Gewalt durchsetzt.

Gewalt muss kein Mensch dulden. Viele Angehörige tun dies dennoch, weil sie Angst davor haben, dass der Betroffene in den Maßregelvollzug eingewiesen wird. Das gilt auch bei anderer wahnbedingter Gewalt in der Familie.

Möglich wäre aber auch eine Zwangseinweisung nach dem PsychKG wegen Fremdgefährdung – ohne eine Strafanzeige zu erstatten. Diesen Weg gehen viele Familien.

Externe Hilfe zu holen ist tatsächlich eine Möglichkeit: Ein Anruf bei der Alarmgruppe der Angehörigen – sprich der Polizei – in der Hoffnung, dass diese das Problem löst.

Das ist leider nicht immer der Fall. Es werden dann auch sogenannte Wegweisungen nach dem Gewaltschutzgesetz ausgesprochen, d. h. der Betroffene darf dann 10 Tage die Wohnung nicht mehr betreten. Dies geschieht wie bei anderen Fällen häuslicher Gewalt auch. Ob ein psychisch kranker Betroffener sich an solche Weisungen hält, ist allerdings fraglich, wenn er nicht mehr rational handeln kann.

In manchen Städten gibt es auch Krisendienste, die zu den Angehörigen kommen, dort deeskalierend eingreifen – und zwar rund um die Uhr und auch am Wochenende. Glücklich ist, wer in einer solchen Stadt wohnt.

Ansonsten kann und muss man sich selber helfen. © 2017 Hogrefe

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Eine Möglichkeit ist es, einen Plan für den Krisenfall zu haben, der mit dem Betroffenen abgesprochen ist: Wer soll im Krisenfall kommen, in welches Krankenhaus soll es gehen – oder in welche Krisenpension, welche Medikamente sollen gegeben werden, wo sollen die Kinder und die Haustiere hin, wer leert den Briefkasten usw.

Eine Behandlungsvereinbarung kann dann schon viel helfen. Diese Planung gibt auch Angehörigen Sicherheit.

Sie fühlen sich nicht so hilflos wie im ersten Krisenfall. Krisen wirken auch auf Angehörige traumatisch. Hilfreich wäre es, wenn Angehörigen vermittelt wird, wie sie mit Ihren Gefühlen und den damals vielleicht entstandenen Traumata umgehen sollen, um auch in einer Krise und mit deren Folgen ruhig und gelassen umgehen können und nicht schon bei den ersten Frühwarnzeichen panisch reagieren.

Fallbeispiel Konfliktreich ist es auch, wenn mehrere Mitglieder einer Familie betroffen sind und noch zusammenleben.

Ich schildere Ihnen die Situation in einer Familie zunächst an dem Beispiel meiner eigenen Familie.

Ich bin aufgewachsen mit einer schizophrenen Mutter und einem Bruder, der als Jugendlicher psychotisch erkrankt ist. Gerade als beide Familienmitglieder erkrankt waren, kam es zu einer ganzen Reihe von Konflikten und Spannungen, die teilweise auch in Gewalttätigkeit endeten.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich vor allem meinen angespannten Bruder ständig im Auge hatte, um es rechtzeitig zu bemerken, wenn er unvermittelt aggressiv wurde.

Ich habe mir Hilfe dort gesucht, wo sie kein professionell Tätiger vermuten würde: Ich habe als Jugendliche angefangen, Kampfsport zu trainieren (Ju Jutsu). Dort wird nicht nur die Abwehr tätlicher Angriffe geschult, sondern uns wurde auch einiges zum Thema Deeskalation beigebracht: Fluchtwege nicht zu versperren und eigene Fluchtwege zu sichern, die eigene Körpersprache zu beachten usw.

Ich war damals jung und kräftig; dies ist jedoch keine Option für Angehörige von psychisch Kranken, die selber schon körperlich beeinträchtigt sind.

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Diese müssen geschickter und wortgewandter vorgehen.

In der Situation hilft es oft, etwas für den Betroffenen entlastendes zu tun: Ihn rauchen lassen, ihm eine Rückzugsmöglichkeit geben, selber die Wohnung zu verlassen, usw.

Oft verhalten sich Angehörige dann auch sehr defensiv, sie vermeiden jedwedes Verhalten, dass in irgendeiner Hinsicht als aggressiv ausgelegt werden könnte und geben bei Streitigkeiten sofort nach. Das geht auf Dauer nicht.

Allerdings ist es nicht nur Sache der Angehörigen, den Konflikt zu entschärfen. Auch der Betroffene trägt hierfür Verantwortung und muss das seine dazu tun. Diese Verantwortung muss ihm aber auch von den Angehörigen (zurück-)gegeben werden. Es ist nicht alles mit der Erkrankung zu entschuldigen. Auch an den erkrankten Betroffenen können Forderungen gestellt werden.

Respekt, Verständnis und Akzeptanz schulden beide Seiten einander.

Ist dies nicht möglich, bleibt irgendwann nur die Trennung.

Trennung von dem erkrankten Familienmitglied ist auch ein Weg, einen Konflikt zu lösen. In Fällen konfliktträchtiger Partnerschaften bedeutet dies Scheidung, eventuell Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz wie Kontaktverbote, Wegweisungen usw., Entzug des Sorgerechts usw.

Aber auch die erwachsenen Kinder psychisch kranker Eltern raten oft dazu, den Kontakt zu dem erkrankten Familienmitglied komplett abzubrechen, um sich selbst erst einmal zu schützen.

Trennung und Kontaktabbruch sind das letzte Mittel, aber eben auch ein Mittel, den Konflikt erst einmal zu beenden.

Einen Königsweg gibt es hier nicht. Es kann nur im Einzelfall und je nach Situation entschieden werden.

Wiebke Schubert, geboren 1967 in Düsseldorf, verheiratet, lebt in Ratingen (NRW), Jurastudium , nach Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens als Rechtsanwältin tätig, Kind einer schizophrenen Mutter, Vorsitzende des LV NRW der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V.

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Häusliche Konflikte der Angehörigen Was psychiatrische Pflege über Konflikte in Familien mit einem psychisch erkrankten Angehörigen wissen sollte.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus einer Studie des BApK zur familiären Situation Caroline Trautmann, Christian Zechert

Familien mit psychisch erkrankten Angehörigen haben Erfahrungen mit belastenden Situationen und Gewalt. Einige dieser Familien müssen über die Jahre hinweg mit Häuslicher Gewalt umgehen. Im Vergleich zum klinischen Management fehlen diesen Familien professionelles Training, ausgebildetes Personal oder strukturierte Anweisungen zur Deeskalation. Stattdessen setzten sie weniger erfolgreiche Strategien ein, um mit Übergriffen und Gewalt umzugehen.

A

uch Ratgeber für Angehörige zur Deeskalation im häuslichen Bereich fehlen. Stattdessen verwenden Angehörige mehr oder weniger ihre eigenen persönlichen und individuellen Bewältigungsstrategien.

Der Forschungsbedarf zu dem Thema Deeskalationstraining und Konfliktlösungen ist sehr hoch; allerdings ist der Aspekt zum Thema Konflikte und Aggressionen in Familien und der Schwerpunkt auf Angehörige bislang fehlend bzw. gering. Ziel der Studie war es, Aussagen über die Häufigkeit der häuslichen Gewalt zu erhalten, wie stark die seelische Belastung des Angehörigen war und welche Hilfen vom Angehörigen in Anspruch genommen wurde.

Zur Verbesserung der häuslichen Atmosphäre und dem Entgegenwirken der Gewalt – zum Selbstschutz – sind Deeskalationstrainings für betroffene Angehörige von Nöten.

Aus gewonnen Ergebnissen wurde in Deutschland durch den BApK ein Deeskalationstraining für Angehörige entwickelt und durchgeführt.

„Wir Eltern sind laufend aggressivem Verhalten unseres Sohnes ausgesetzt, meist nur „verbal“, aber es gehen alle paar Monate auch Dinge zu Bruch: Teller, Tassen, ein Stuhl. Kein Türschloss ist unbeschädigt, Schlüssel werden abgezogen und © 2017 Hogrefe

versteckt. Ich wurde schon kurzfristig in meiner Wohnung eingesperrt. Keine Woche vergeht ohne kleineren oder größeren Vorfall. Persönliche und amtliche Briefe wurden zerrissen. Harmlose Gespräche werden laut und enden in üblen Vorwürfen. Unsere Reaktion: Gespräch abbrechen, sich schützen, Rückzug. Wo beginnt „Fremdgefährdung“? Inzwischen nimmt er die Termine in der Ambulanz wahr und geht einmal wöchentlich zur Therapie. Aber wer hilft den Eltern?“ Damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir lieben unseren Sohn!“ (Zechert & Trautmann, 2016)

Einführung In den fachpolitischen Diskussionen und Publikationen über klinische Maßnahmen zur Prävention und Deeskalation bei angespannten und aggressiven Situationen wird die häusliche Situation der Familien mit einem psychisch Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 25–30 DOI 10.1024/2297-6965/a000072

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erkrankten Familienmitglied eher am Rande wahrgenommen. Dabei spielen hoch angespannte Situationen, aggressive Vorfälle und häusliche Eskalationen im Vorfeld der Aufnahme spätestens dann häufig eine Rolle, wenn es sich um Unterbringungen nach PsychKG und BGB, d. h., „Freiheitsentziehungen und Unterbringungssachen aufgrund landesrechtlicher Vorschriften“ (Deinert, 2015) handelt.

In der Sprache der psychiatrischen Basisdokumentation (BADO) „Bedrohliches Verhalten im Vorfeld der Aufnahme“ (Gaxiola Mayinger, 2009) . Ausgehend von 625 328 klinischen psychiatrischen Aufnahmen (Destatis, 2014) und 83 034 Unterbringungen nach PsychKG in 2014 (Bundesamt für Justiz, 2014), ohne Berücksichtigung der Unterbringungen nach § 1906 BGB, sind dies bereits 13,3 % oder über 83 000 Aufnahmen nach PsychKG, bei denen eine Selbst- oder Fremdgefährdung als Aufnahmegrund mitbeteiligt sein kann. Intoxikationen mit Alkohol oder Drogen, Verkennungen der Realität mit Verfolgungsgedanken und schwere Persönlichkeitsstörungen können zu auto- und/oder fremdaggressivem Verhalten führen. Auf ähnliche Situationen stößt man ebenso bei der ambulanten gerontopsychiatrischen und gerontologischen Versorgung, wenn Pflegedienste mit angespannten häuslichen Situationen konfrontiert sind. Die Mitarbeiterinnen erkennen entsprechende Vorfälle z. B. an körperlichen Verletzungen. Hierbei können sowohl die erkrankten Angehörigen Opfer von Gewalt durch überforderte Angehörige aber auch umgekehrt, pflegende Angehörige durch Erkrankte sein. Aber auch die professionellen Pflegenden können Opfer aggressiver Reaktionen im Haushalt der Familie werden.

Repräsentative Befunde für Deutschland über Häufigkeit, Anlässe und Formen krankheitsbedingter Gewalt durch psychisch erkrankte Familienmitglieder innerhalb ihrer Familien bzw. in den gemeinsamen Haushalten sind trotz guter Datenlage über die Häufigkeit von allgemeiner häuslicher und auch aggressiver Vorfälle innerhalb der psychiatrischen Kliniken rar bzw. fehlen völlig. Punktuell lassen sich in den Jahresberichten der Sozialpsychiatrischen Dienste oder differenziert dokumentierender psychiatrischer Krisendienste im Rahmen der Tätigkeitsdokumentationen bzw. Jahresberichte entsprechende Daten Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 25–30

finden. Einen Blick auf Tötungsdelikte innerhalb von Familien nimmt die amerikanische Untersuchung „Raising Cain. The Role of Serious Mental Illness in Family Homicides (Fuller Torrey et al., 2016) vor. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass bei 29 % aller Tötungsdelikte, die innerhalb der Familie erfolgten, der Täter oder die Täterin zum Tatzeitpunkt unter einer ernsthaften psychischen Erkrankung litt. Auch wenn eine Übertragung auf die deutsche oder europäische Situation nur mit großer Vorsicht vorgenommen werden darf, (Konrad, 2016), sollten diese Befunde Anlass sein, einer entsprechenden Fragestellung auch in Deutschland nachzugehen.

Mehr klinische Relevanz wird das Thema spätestens mit der sukzessiven Umsetzung der sog. „krankenhausersetzenden Leistungen“ durch das PsychVVG (BMG, 2016) erhalten. Dann werden auch Mitarbeiterinnen aus den Kliniken mit häuslichen Situationen konfrontiert sein, in denen es zu krankheitsbedingten hohen Anspannungen oder auch körperlichen Auseinandersetzungen kam. Situationen, wie sie im Rahmen aufsuchender sozialpsychiatrischer Dienste und Krisendienste nicht ungewöhnlich sind.

Die große Mehrheit psychisch kranker Menschen ist friedlich In etwa 80 % bis 90 % der betroffenen Familien treten solche verbalen und physischen Konflikte nicht auf. Natürlich gibt es auch in diesen Familien Spannungen und Auseinandersetzungen, so wie dies in allen Familien immer mal wieder der Fall ist. Seien es Partnerschafskonflikte, Erziehungsprobleme, finanzielle Notlagen oder ein Streit mit Nachbarn. Nicht ungewöhnlich ist aber auch, dass sich bei der Familienselbsthilfe Angehörige, Freunde oder Bekannte melden, die weder über das Krankheitsbild noch über die hierbei möglicherweise auftretende krankheitsbedingte Aggressionssymptomatik oder gar über das psychiatrische und psychosoziale Hilfesystem ausreichend informiert sind. Viele wissen auch nicht, wie sie in solchen Situationen mit sich selber umgehen sollen, wenn sie Ärger und Wut verspüren.

Die vergessenen Angehörigen – es fehlt der Blick auf die häusliche Situation Zugleich werden die Situationen und das Empfinden der Menschen mit psychischen Krisen und ihrer Angehörigen hinsichtlich ihrer Erfahrungen, ihrer psychischen Reaktionen, ihrer Belastungen aber auch auf eigener Erfahrung basierender Kompetenzen und Entlastungen viel zu wenig berücksichtigt. Wer z. B. in das populäre Fachbuch zum Thema „Aggression und Aggressionsmanagement – Praxishandbuch für Gesundheits- und Sozialberufe“ (Walter et al., 2012) schaut, wird auf den über 600 Seiten vergeblich einen Passus zur Situation der Angehörigen aus dem Blickwinkel der Gesundheits- und Sozialberufe suchen, ob© 2017 Hogrefe

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wohl im ersten einleitenden Satz des Geleitwortes auch auf die Situation der Familien hingewiesen wird (Needham in Walter et al., 2012). Betroffene Angehörige erfahren so gut wie keine praktische und professionelle Berücksichtigung und Hilfe. Wenn es zutrifft, dass bei 14 % der von Patientenübergriffen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Symptome einer psychischen Belastungsreaktion zeigen (Richter & Berger, 2001), wie sieht dies dann bei den pflegenden und betreuenden Angehörigen aus?

Ganz zu schweigen von einem eklatanten Forschungsdefizit. Es wird so getan, als wenn die krankheitsbedingte Aggression erst dann auftritt, nachdem es bereits zu einer klinischen Aufnahme kam. Die Realität dürfte genau umgekehrt sein. Über die häuslichen bedrohlichen Situationen weiß man kaum etwas. Ganz anders die betroffenen Familien. Sie haben hierzu viel Erfahrung gesammelt. Es geht bei diesem sensiblen Thema nicht darum die Schuldfrage zu stellen und zu glauben, man habe dann die Lösung des Problems. Dies wird nicht gelingen. Viel wichtiger für Familien ist die folgende Aussage: „Gewalt– und Aggressionserfahrungen sind immer Beziehungserfahrungen, und das Beziehungsleiden, das daraus entsteht, braucht Beziehungsunterstützung, Beziehungshilfe, Beziehungsheilung“. (Baer et al. 2014).

Störungsbilder (%) Schizophrenie

31,1

Depression

21,7

Bipolare Störung

Methode Für die Online-Fragebogenuntersuchung, die durch das Kölner Institut „Univation“ durchgeführt wurde, wurde folgendes Studiendesign gewählt: Der Fragebogen enthielt sowohl quantitative aber vor allem zahlreiche offene, qualitative Fragen. Die Beantwortung dauerte ca. 20 Minuten. Es nahmen n = 721 Personen an der Onlinebefragung teil. Die befragten Personen lieferten zahlreiche Aussagen aus der Perspektive der Angehörigen psychisch erkrankter Familienmitglieder. Die Fragebogenerhebung wurde vollständig (alle Items) von n=197 Personen ausgefüllt, darunter 85.1 % Frauen. Diese n=197 Personen stellen die nachfolgende Datenbasis dar.

Ergebnisse

9,3 6,8

Borderline

26,1

Sonstige

Abbildung 1. Störungsbilder in Prozent

Inanspruchnahme von Hilfeleistungen/ Strategien in Prozent (n=161)

Hilfe von Profis 31,1 % keine Strategie 29 %

Überlegung einer eigenen Strategie 46 %

Abbildung 2. Inanspruchnahme von Hilfeleistungen

© 2017 Hogrefe

Der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) hatte in 2014 und 2015 mit Förderung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das Projekt „Umgang mit häuslicher Gewalt und Deeskalationsstrategien für Familien mit psychisch kranken Menschen“ umgesetzt. Ein Anlass für die Projektförderung war, dass bei dem Beratungstelefon „SeeleFon“ des BApK 9 % der Anruferinnen sehr angespannte Krisensituationen schilderten, 9 % Gewalt durch Erkrankte oder Angehörige sowie es bei 8 % der Fälle um Zwangsmaßnahmen ging (Klockgether & Lisofsky, 2014). Ziel war auch, betroffenen Familien über Maßnahmen zur Deeskalation zu beraten und entsprechende Informationen zu vermitteln.

11,8

Persönlichkeitsstörung

bei Angehörigen

Angehörige sprechen lassen

55,9 % der Familienmitglieder berichteten zusammen mit dem Erkrankten in einem gemeinsamen Haushalt zu leben. 59,0 % haben täglichen Kontakt. Die erkrankten Angehörigen litten nach Angabe der Befragten unter Schizophrenie (31,1 %), Depression (21,7 %), Bipolaren Störungen (11,8 %), Persönlichkeitsstörungen (9,3 %) und anderen Störungsbildern (26,1 %) (siehe Abbildung 1).

88,2 % der Teilnehmenden dokumentierten Gewalt durch ein erkranktes Familienmitglied oder einen engen Freund; 43,7 % durch Partner oder Ehegatten; 29,1 % Sohn oder Tochter; 12,7 % Elternteil; 7,0 % Bruder/ Schwester und 7,7 % durch Freund oder andere Angehörige. In 48,8 % der Fälle lag psychische Gewalt vor, 31,9 % gaben psychische und physische Gewalt zugleich an sowie 4,4 % nur physische Gewalt (z. B. ausschließlich Sachbeschädigung).

Die Häufigkeit der Vorfälle im häuslichen Bereich: 11,3 % einmaliger Vorfall, 7,5 % selten, 22,0 % gelegentlich, 38,6 % häufig, 19,5 % sehr häufig. 43,5 % berichteten von Vorfällen in denen der psychisch kranke Angehörige einen Suizid oder eine Selbstverletzung ankündigte.

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 25–30

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Das Hilfesuchverhalten der Angehörigen: 46,5 % berichteten über selbstentwickelte Strategien zu verfügen.

28,7 %, dass sie über keine Strategie verfügen. 24,8 % nutzen professionelle Unterstützung (siehe Abbildung 2).

5,5 % sind Mitglieder einer Angehörigenselbsthilfegruppe.

9,9 % fehlende Angaben. Die subjektive psychische Belastung wurde auf einer Skala von 1–10 mit einem Mean von 8,25 angegeben.

Das subjektive Gefühl der seelischen Belastung wurde durch einer Skala von 1(keine Belastung) bis 10 (sehr starke Belastung) festgestellt. Die Belastung der Angehörigen durch den psychisch erkrankten Menschen ist enorm hoch. Die seelische Belastung auf einem Skalenniveau 10 (Höchstbelastung) wurde von n = 44 beantwortet, es folgen auf dem Skalenniveau von 9 n = 36 und auf der Skala 8 n = 34 (siehe Abbildung 3) Sonstige Äußerungen: In den Fortbildungen für Angehörige zum Umgang mit eskalierenden Situationen wurden folgende Bemerkungen von betroffenen Familienmitgliedern dokumentiert, wenn es um die Frage ging, „Was tun Sie bei angespannten oder aggressiven Situationen“? Folgende Antworten wurden gegeben:

„Stückweit mitgehen, Ängste akzeptieren, den Wahn nicht wegdiskutieren“. „Vergeblich Psychotherapeuten für den psychotisch erkrankten Sohn gesucht.“ „Nichts mehr zu tun, verhalte mich einsilbig. Keine Diskussion. Ich habe Dringenderes zu tun“. „Wir bemühen uns, Zeit zu gewinnen“. „Die Krankheit akzeptieren, Hilfe durch die Selbsthilfegruppe erhalten“. „Über die Erkrankung nachlesen, etwas über die Diagnose erfahren, die Erkrankung verstehen“. „Gelassenheit zeigen. Auf die Ängste eingehen, sich klar zu machen, dass es diese Ängste gibt“. „Blitzableiter zu sein, dies

Seelische Belastung (Skala von 1–10)

Subjektives Gefühl der Belastung 10

44

9

36

8

34

7

18

6

11 6

5 5

4 3

2

2

0

1

0

0

10

20

30

40

50

Abbildung 3. Subjektives Gefühl der Belastung auf einer Skala von 1–10. 1 stellt dabei gar keine Belastung dar. Die Zahl 10 eine sehr starke / hohe Belastung Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 25–30

auszuhalten“. „Gelernt, nicht zu reizen, nicht zu provozieren“. „Konsequent zu sein“. „Den Sohn nicht in die Wohnung lassen, weil sonst die Wohnung gefährdet ist.“ „Professionelle Hilfe endet damit: ‚Lassen Sie ihn nicht in die Wohnung‘.

Ende.“ „Und was ist mit mir als Mutter? Die können sich nicht reindenken“. „Ich habe mich schuldig gefühlt, ich verrate ihn“. „Angst am Arbeitsplatz, dass mir die Erkrankung meines Sohnes nachgetragen wird. Ich verschweige dies“. „Gute Erfahrung mit räumlicher Trennung gemacht“. „Viel Hilfe durch die Selbsthilfegruppe erfahren“ (siehe auch Zechert & Trautmann, 2016).

Diskussion und Resümee Dass es in Familien mit einem chronisch erkrankten und/ oder phasenweise schwer erkrankten Angehörigen zu häuslicher Gewalt kommt – nicht selten im Vorfeld einer klinischen Aufnahme – ist weniger überraschend. Dass die betroffenen Angehörigen mit ihren Erfahrungen, eigenen Traumatisierungen, den biografisch erfahrenen Kränkungen von unserem Hilfesystem so gut wie nicht erreicht werden, jedoch schon. Gerade weil das psychiatrische Hilfesystem sich allzu gerne als ein sozialpsychiatrisches etikettiert, ist es erstaunlich, dass die Familie mit einem Erkrankten nicht als soziales System systematisch einbezogen wird.

Daher war es eine positive Überraschung der Befragung, dass eine Reihe von Angehörigen einen eigenen Weg auch ohne Hilfen Dritter gefunden hat. Für die aufsuchende ist es ebenso wie für die klinische psychiatrische Krankenpflege wichtig zu wissen: Die Mehrheit der Angehörigen hat im Vorfeld aber auch im Anschluss aggressiver Vorfälle keine professionelle Beratung und Unterstützung erhalten. Sie mussten sich „irgendwie“ einen eigenen Weg suchen. Daher ist es nach unserer Sicht notwendig Angehörige darauf anzusprechen, ob sie mit diesem Problem konfrontiert wurden, ob sie ggf. hierfür Beratung wünschen, z. B. in schweren Fällen durch eine Trauma-Ambulanz. Der Hinweis auf die örtliche Selbsthilfegruppe von Angehörigen mit allen Kontaktdaten und Terminen gehört selbstverständlich auch dazu. Wichtig zu wissen ist ebenfalls, dass die „Schuldfrage“ in den Familien bewusst oder unbewusst eine große Rolle spielt. Selbstverständlich gibt es auch die psychisch erkrankten, verletzten Menschen, die in ihren Familien – zumeist als Kind oder Heranwachsende – durch ihre Angehörigen erheblich geschädigt wurden. Sei es durch emotionale Vernachlässigung, körperliche Gewalt oder sexuellen Missbrauch. Dies soll und darf aus der Sicht der Familienselbsthilfe keineswegs tabuisiert werden. Aber auch umgekehrt gilt: Wer schlägt, beleidigt oder verletzt, lädt eine Schuld auf sich, über die zu sprechen den Betroffenen besonders schwer fällt. Will man also darüber reden, muss man aus dem Teufelskreis der gegenseitigen Schuldvorwürfe heraus. Der größte Mangel im sogenannten Versorgungs© 2017 Hogrefe

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system liegt aber darin, dass es kaum Hilfen für pflegende Angehörige gibt, die dieses Thema berücksichtigen.

Die Literaturrecherche für das Projekt zeigte, dass es zu dem Thema Richtiger Umgang mit Gewalt und Aggressionen von Profis für Profis Dutzende Broschüren, Fachbücher und Studien gibt. Ein Studie oder ein Buch über das Thema Umgang mit Gewalt für Angehörige war nicht auffindbar.

Keine Dokumentation, keine fachliche Hilfestellung für die Familien, keine darauf spezialisierten Anlaufstellen, keine zugehenden ambulanten Hilfen, um solche Situationen zum Beispiel in der Familie zu besprechen. Auch auf den zahlreichen Fachkongressen zur Prävention von aggressivem Verhalten wird man als Angehöriger nichts finden. Das psychiatrische Hilfe- und Behandlungssystem tut so, als gäbe es die von Gewalt betroffenen Angehörigen nicht.

Schuldgefühle spielen also immer eine Rolle.

Das erfordert aber innerhalb der Gruppe, der in Verbänden organisierten Angehörigen und auch in der klinischen Praxis eine offene Benennung dieser familiären Gewalt.

Offen einzuräumen, dass es diese gab oder gibt. Dies musste aber mit der Haltung verknüpft werden, dass es weder bei den erkrankten noch bei den sonstigen Angehörigen um die Schuldfrage ging, wer die Aggression zu verantworten hat, sondern nur, dass es eine für alle bzw. beide Seiten angespannte oder aggressive Situation gab.

Daher brauchen betroffene Angehörige Beratung, Mut machende Unterstützung. Der BApK hatte als Projektträger deshalb zahlreiche Fortbildungen mit Angehörigen zu diesem Thema durchgeführt. Die Resonanz war eindeutig: Fast alle Angehörigen, die sich für das Thema interessierten, haben auch die Erfahrung häuslicher Gewalt gemacht. Die Veranstaltungen in den Jahren 2014–2015 mit ca. 1000 Teilnehmenden, darunter auch Psychiatrierfahrene, die gleichzeitig Angehörige waren, konnten gut mit unserer Art der thematischen Auseinandersetzung klarkommen. Die Fortbildungen waren immer sehr lebhaft, zustimmend, aber keineswegs von Rachegedanken geprägt. Im Vordergrund standen Fragen wie: Wie verhalte ich mich richtig? Wie viel muss ich aushalten? Wann kann ich eine Grenze setzen? Als Projektleiter haben wir von den Angehörigen gelernt, Strategien, die wir aus professioneller Sicht ablehnen würden, zu verstehen und nicht zu bewerten – etwa wenn eine Mutter © 2017 Hogrefe

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sagt, sie wolle den Kontakt abbrechen, sich zurückziehen und nicht mehr mit ihrem Sohn sprechen, bis sich die Situation beruhigt hat. Wenn man sich die Strategien genauer anschaut, zeigen sich diverse Parallelen zum klinischen Umgang, hier heißt es dann nur anders, nämlich „Reizabschirmung“. Es stellt sich die Frage, ob eine Aneignung des Fachvokabulars bei Angehörigen zu einer Gleichstellung mit dem Fachpersonal führt? Gäbe es einen offeneren Zugang zum klinischen Personal, wenn dieselbe Sprache verwendet wird?

Kommt es etwa zu einer zwangsweisen Unterbringung und der Betroffene versteht nicht beziehungsweise versteht allzu gut, was da passiert, dann können auch Angehörige aggressives Verhalten nachvollziehen, selbst wenn sie durch die Einweisung zunächst entlastet sind. Die Forderung der Angehörigen lautet ja nicht: mehr Klinikeinweisungen, mehr Zwang – sondern mehr Geduld, mehr Zeit, mehr Zuhören, mehr zugehende Hilfen wie z. B. beim Landesverband der Angehörigen psychisch Kranker Hamburg (Meyer, 2016), mehr kooperative Vereinbarungen wie Behandlungsvereinbarungen oder Kooperationsvereinbarungen der Angehörigen mit der Klinik in gesunden Zeiten, mehr Respekt. Da sind sich Betroffene und Angehörige einig. Ein professioneller „Zugzwang“ aufgrund personeller Engpässe, Unsicherheit gegenüber den Angehörigen, unreflektierter Routinen, Unkenntnis des kulturellen Hintergrundes, Angst vor dem Patienten, kann Aggressionen fördern.

Danksagung Wir danken dem Bundesministerium für Gesundheit für die Unterstützung des Projektes.

Literatur Baer et al. (2014). Wenn alte Menschen aggressiv werden. Demenz und Gewalt – Rat für Angehörige und Pflegende.

Bundesministerium für Gesundheit (2016) Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) www.bmg.bund. de Abruf 17.10.2016.

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Dr. Caroline Trautmann, Leiterin des Prüfungsamts, Geschäftsführerin des Promotionsausschusses Dr. phil und Dr. rer. pol. an der LMU München.

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Low-Intensity Cognitive Behavioral Therapy Neue Chance oder alter Hut in der psychiatrischen Pflege Pascal Wabnitz, Michael Schulz, Michael Löhr, André Nienaber

Low-Intensity CBT Seit den ersten Schritten der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) halten die Bestrebungen an, verhaltenstherapeutische Behandlungsmethoden für alle jene verfügbar zu machen, die hiervon profitieren. Gerade vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Versorgungsengpässe (Jacobi et al., 2014; Kessler et al., 2009) erscheinen diese Bestrebungen relevanter als je zuvor. Der Mangel an qualifizierten und in KVT Techniken ausgebildeten Personen ist ein zentraler limitierender Faktor in der adäquaten Versorgung hilfsbedürftiger Menschen mit evidenzbasierten Interventionen der KVT (Clark et al., 2009; Shafran et al., 2009).

Das ambitionierte Ziel, eine möglichst große Anzahl von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu erreichen und diese sowohl bedarfs- als auch leitliniengerecht zu versorgen, erfordert neue Formen der Aufklärung und Behandlung (Bennett-Levy et al., 2010). In jüngster Zeit ist die verhaltenstherapeutische Fachwelt, vor allem in Großbritannien, durch neue Formen der Erforschung, Lehre und Durchführung von KVT Methoden bereichert worden. Unter der englischen Bezeichnung Low-intensity CBT (LI-CBT; niedrigintensive kognitive Verhaltenstherapie [KVT]) werden therapeutische Ansätze verstanden, die auf grundlegende Prinzipien der KVT (z. B. Beck et al., 1979) basieren, sich jedoch im Gegensatz zu traditionellen, hochintensiven KVT Ansätzen (vornehmlich Richtlinien-Psychotherapie; High-intensity CBT) im Hinblick auf Form und Struktur der Anwendung unterscheiden. Alle LI-CBT Interventionen weisen dabei einige gemeinsame Charakteristika auf. Ein gemeinsames Ziel liegt in ihrer Effizienz. Sie ermöglichen dem Anwender deutlich mehr Betroffenen mit adäquater Hilfe zu begegnen als es mit traditionellen Ansätzen und Versorgungsformen (stationäre, teilstationäre und ambulante psychiatrisch-psychotherapeutischer Versorgung; Richtlinien-Psychotherapie) möglich ist.

Dies wird vor allem durch den geringen Verbrauch personeller Ressourcen, im Vergleich zu konventionellen psychotherapeutischen Ansätzen ermöglicht. Einige Ansätze kommen mit geringen (begleitete Selbsthilfe, Gruppenangebote, zeitlich kurze und wenige Kontakte) oder gar keinem Ressourcenverbrauch aus (nicht-begleitete Selbst© 2017 Hogrefe

hilfe) (Bennett-Levy, Richards, & Farrand, 2010; White, 2010). Entgegen der sprachlichen Bezeichnung sind LICBT Interventionen jedoch nicht notwendigerweise weniger intensiv als andere Verfahren. So kann die Teilnahme für die betroffene Person durchaus mit einer großen Intensivität (z. B. Zeit um mit Selbsthilfematerialien zu arbeiten, Mails oder PC-gestützte Aufgaben zu bearbeiten, Hausaufgaben) und Effektivität einhergehen. Die Mehrzahl der Interventionen basiert auf Theorien und Modellen der KVT und fokussiert als Schlüsselinterventionen auf Verhaltensaktivierung, kognitive Verfahren, Problemlöseverfahren und Exposition sowie Verhaltensexperimente.

Ein weiteres Prinzip ist die Form der therapeutischen Interventionen. Diese umfasst neben Selbsthilfematerialien und Telefon-, SMS- oder E-Mail-Kontakten auch Gruppen oder computergestützte Ansätze. Das vermutlich wichtigste und grundlegendste Prinzip betrifft jedoch den frühzeitigen Zugang zu evidenzbasierten Interventionen. Um eine frühzeitige Behandlung zu ermöglichen und somit der Chronifizierung psychischer Störungen entgegenzuwirken, wie sie seit längerem international zu beobachten ist (Wittchen et al., 2011), muss Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden in einer frühen Erkrankungsphase Hilfe einzuholen. In dieser Phase können bereits niedrig-intensive Interventionen zu einer deutlichen Veränderung der psyPsychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 31–36 DOI 10.1024/2297-6965/a000073

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chischen Verfassung beitragen (Zimmermann et al., 2016).

Schreitet die Pathogenese jedoch ungehindert fort, kann es zur weiteren Chronifizierung der Symptomatik und letztlich zur Inanspruchnahme ressourcenintensiver Behandlungssystem durch die betroffene Person kommen. Da unterschiedliche Personen und Symptome unterschiedlich gut auf die verschiedene Interventionen und Fachkräfte ansprechen, ist die Einbettung von LI-CBT in Stepped Care und Collaborative Care Modellen erforderlich.

Stepped Care und Collaborative Care „Stepped care“ bezeichnet einen Versorgungsansatz, in dem die betroffene Person zunächst diejenige Behandlung erhält, die am ehesten bei der vorliegenden Symptomatik und/oder Personengruppe wirksam ist. Somit beginnt die Behandlung mit der leitliniengerechten Intervention, die gleichzeitig die geringste Behandlungsintensität aufweist.

Damit können auf der ersten Stufe zunächst ein detailliertes Assessment und eine Beobachtungsphase („Watchfull Waiting“), auf Stufe 2 LI-CBT Interventionen, auf Stufe 3 ambulante HI-CBT Interventionen und letztlich auf Stufe

4 eine stationäre, kombinierte Behandlung angesiedelt sein. Bei Nichtansprechen auf die Behandlung in einer Stufe erfolgt eine Überleitung in die nächst intensivere Stufe („Stepp“) oder bei Remission der Symptomatik ein Ausscheiden aus der gestuften Behandlung (vgl. Van Straten, Tiemens, Hakkaart, Nolen, & Donker, 2006). Erste Untersuchungen weisen darauf hin, dass der Großteil der Betroffenen bereits auf Stufen mit einer geringen therapeutischen Aktivität angemessen versorgt werden kann, (Nordgreen et al., 2015). Voraussetzung für ein Gelingen solcher Systeme sind Beobachtungs- und Gesundheitstrackingsysteme, um den psychischen Gesundheitszustand der betroffenen Person einzuschätzen und ggf. eine Stufenveränderung vorzunehmen. Bislang ist eine großflächige Implementierung und Evaluation solcher Programme vornehmlich im angloamerikanischen Raum erfolgt (Scogin, Hanson & Welsh, 2003; Bower & Gilbody, 2005) obgleich sie in nationalen und internationalen Leitlinien empfohlen werden (NICE, 2004; DGPPN, BÄK, KBV et al., 2009). Ein an die Bedürfnisse angepasster Behandlungsbeginn und bedarfsgerechter Wechsel von Interventionen unterschiedlichster Intensität zeigen sich hierbei als besonders geeignet, um eine Vielzahl unterschiedli-

leichtHausärztliche Versorgung

gradige

STUFE 1

Angst und/ oder niedergeschlagene Stimmung

Psychological Wellbeing Practitioner STUFE 2

(LI-CBT)

leicht- bis mittelgradige Depression/Angststörung, Schlafprobleme, Soziale Phobie, Generalisierte Angststörung, Panikstörung

STUFE 3

Psychologische/ärztli-

Mittelgradige bis schwere Depression/

che Psychotherapeuten

Angststörung,Zwangsstörung, Soziale Phobie, Generalisierte Angststörung, Panikstörung, Posttraumatische Belastungsstörung

Erfahrene/ spezialisierte Therapeuten STUFE 4

Schwere und rezidivierende Depression/Angststörung komplexe Traumatisierungen Persönlichkeitsstörungen bei denen bisherigen Behandlungsversuche keinen Erfolg hatten

Abbildung 1. Stepped Care Modell basiert auf den britischen NICE-Guidelines.

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 31–36

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cher Personengruppen und Schweregrade verschiedener Störungen anzusprechen. Ein Beispiel für ein Stepped Care Modell basiert auf den britischen NICE-Guidelines (Abbildung 1). Hier wird die Notwendigkeit einer fächerübergreifenden und transdisziplinären Zusammenarbeit deutlich.

In der Intensivierung der Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen liegt ein zentrales Ziel von Collaborative Care-Modellen. Hier wird vor allem eine verbesserte Vernetzung und Kooperation der in der psychiatrischen Versorgung beteiligten Berufsgruppen (u. a. Hausärzte, Fachärzte, Sozialarbeiter, Psychologen, Pflegekräfte), angestrebt. Collaborative Care Modelle umfassen zumeist die Behandlungskoordination bzw. das Behandlungsmanagement sowie das regelmäßige Monitoring der Zielsymptomatik mit Hilfe validierter Instrumente. Somit wird zum einen eine leitliniengerechte Arbeitsverteilung und Vernetzung und zum anderen der Einbezug der Betroffenen gewährleistet (Katon et al., 1997; Von Korff et al., 1997).

Ein erster Zugang zu den oben beschrieben Behandlungsprogrammen kann über ein Screening (z. B. mit Hilfe des OQ-45; Lambert et al., 2004) erfolgen. Auf das Screening folgt eine strukturierte Interviewdiagnostik mittels einschlägiger Diagnoseinstrumente (z. B. SKID, Wittchen et al. 1997). Anschließend erfolgt die Festlegung von Behandlungszielen im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung, wie sie in den derzeitigen Leitlinien empfohlen wird (vgl. DGPPN, BÄK, KBV et al., 2009). Im weiteren Verlauf erfolgt entweder ein Übergang in die nächst intensivere Stufe, ein Rückgang auf die vorherige Stufe oder ein Ausscheiden aus dem Programm aufgrund einer hinreichenden Remission der Symptomatik. Deutschsprachige Modellprojekte realisierten die Rekrutierung und somit den Einschluss von Betroffenen in ein Stepped Care Programm zumeist über den Hausarzt (z. B. Härter et al., 2015). Ein Mangel sowohl an Fachkräften als auch an fachlicher Qualifikation im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie hat jedoch die Bildung eines „Flaschenhalses“ zur Folge, was eine breite Wirksamkeit und großflächige Implementierung vergleichbarer Programme drastisch reduziert. Letzteres konnte bislang lediglich im Rahmen der Initiative zur Verbesserung des Zugangs zu psychotherapeutischen Angeboten in Großbritannien (Improving Access to Psychological Therapies; IAPT, Department of Health, 2008a) realisiert werden. In Großbritannien erfolgte ab 2006/07 der Aufbau von zwei Modellstandorten (Doncaster und Newham) sowie die schrittweise Implementierung eines nationalen Programms zur Ausbildung von psychotherapeutischen Fachkräften (Psychological Wellbeing Pracitioners, PWP) ohne vorherige, langjährige, fachliche Qualifikation mit dem Ziel, evidenzbasierte therapeutische Angebote mit low- und high intensity CBT, großflächig verfügbar zu machen. PWP’s sind heute maßgeblich für die Umsetzung der zweiten Stufen des Stepped Care Programms (Abbildung 1) verantwortlich und werden parallel zu high-intensity Therapeuten ausgebildet. Bereits 2011 © 2017 Hogrefe

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gibt es ca. 3660 neu ausgebildete PWP’s und high-intensity Therapeuten (Clark, 2011). Jährlich stehen ca. 500 Ausbildungsplätze zur Verfügung (https://www.health careers.nhs.uk/). Eine parallele Entwicklung zeigt sich in den Niederlanden ab 2008. Hier ist die hausärztliche Versorgung, die in den Niederlanden eine zentrale Steuerungsfunktion von somatischen und psychischen Versorgungsleistungen inne hat, um die sogenannten „Praktisch-tätigen Unterstützungsfachkräfte für psychische Gesundheitsversorgung“ (engl. Practice Support Professional for Mental Health Care; niederl. Praktijk Ondersteuner Huisartsenzorg, POH-GGZ) erweitert worden. Dabei handelt es sich um Fachkräfte, die primär in der Aufklärung, Behandlung und Diagnostik von Betroffenen mit leichten psychischen Erkrankungen, tätig sind (OECD, 2012). Während der professionelle Background deutlich diverser ist als in Deutschland (63 % psychiatrische Pflegende, 10 % Psychologen/innen, 7 % Sozialarbeiter/Innen, 6 % Pflegende; Verbeek et al., 2011), erfolgt die Vermittlung weiter durch den Hausarzt.

Evidenz für LI-CBT Die Pilotphase der IAPT Initiative hat die ersten und gut untersuchten Hinweise auf Effektivität und Effizienz von LI-CBT Angeboten erbracht (Clark et al., 2009). Hervorzuheben ist die schnelle Kontaktaufnahme mit den Betroffenen von im Durchschnitt 21 Tage nach Überweisung oder eigenmächtiger Vorstellung (Clark et al., 2009). Die Möglichkeit der Selbstzuweisung im IAPTProgramm ermöglicht es der betroffenen Person zudem, Hilfe in Anspruch zu nehmen, die zuvor aufgrund von Stigmatisierung oder aus Scham keine therapeutische Hilfe aufgesucht bzw. eingefordert hat (Bleichardt & Rief, 2010). Im ersten Jahr ist in den beiden Testzentren die Versorgung von über 3500 Menschen mit psychischen Problemen unterschiedlicher Schwere und Art sichergestellt worden (Clark, 2011). Landesweit sind bereits nach dem zweiten Jahr knapp 400 000 Betroffene im Rahmen

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 31–36

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des IAPT Programms versorgt worden und es konnten Remissionsraten von ca. 40 % verzeichnet werden (Clark, 2011). Im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Versorgungsangebote scheinen soziodemographische Unterschiede keinen Einfluss zu haben. Der Schweregrad der Erkrankung, die Krankheitsdauer (< 1 Monat oder > 2 Jahre) sowie das Vorliegen akuter Suizidalität scheinen sich jedoch negativ auf die Effektivität des IAPT Angebotes auszuwirken (Di Bona, Saxon, Barkahm, Dent-Brown, & Parry, 2014). Ein niedrigeres soziales Funktionsniveaus sowie eine stärkere Einschränkung durch die Symptomatik sind jedoch gleichermaßen bei high- und low-Intensity Ansätzen mit einem schlechteren Therapieoutcome assoziiert (Haug et al., 2015). Dies macht deutlich, dass gerade diejenigen, bei denen eine Chronifizierung der Symptomatik noch bevorsteht, von neueren Versorgungsansätzen zu profitieren scheinen. Auch im Vergleich zu klassischen Beratungsansätzen (Counseling; u. a. klientenzentrierte Beratung; Rogers, 1993) erzielen LI-CBT Interventionen über einen Zeitraum von 8 Wochen (eine wöchentlich Sitzung) vergleichbare Ergebnisse (Freire et al., 2015). Während in den Anfängen der IAPT Initiative der Fokus vor allem auf leichte psychische Störungen (v. a. depressive und Angststörungen) lag fokussieren neueste Programme auch schwere psychische Erkrankungen (Gyani, Shafran, Layard & Clark, 2013). So haben beispielsweise Waller und Kollegen ein Gruppenprogramm entwickelt, das auf die Reduktion von Depression und Angst im Zusammenhang mit psychotischen Symptomen fokussiert (Waller et al. 2013).

Erste Ergebnisse deuten auf die Effektivität der Intervention hin (Waller et al., 2013), betonen die gelungene Anwendung durch Fachkräfte ohne langjährige Erfahrung und/ oder Training im psychotherapeutischen Bereich (Waller et al., 2015) und werden aktuell in einer größeren randomisiert-kontrollierten Studie validiert (Waller et al., 2014).

In der Gesamtschau muss jedoch konstatiert werden, dass im vielversprechenden Bereich der LI-CBT weiterhin eine uneinheitliche Evidenzlage vorliegt, welche die Notwendigkeit von Primärstudien deutlich macht (vgl. Rodgers et al., 2012).

LI-CBT in der Pflege Der Einsatz von Pflegenden in diesem zunächst als neu erscheinenden Bereich der psychiatrischen Gesundheitsversorgung erscheint nahezu selbstverständlich. Tatsächlich ist die Idee, kurze und evidenzbasierte Methoden der Verhaltenstherapie angewandt durch trainierte Pflegende zu etablieren, keineswegs neu. Bereits in den 1980er Jahren hat Isaac Marks in Großbritannien eindrücklich belegt, dass in KVT geschulte psychiatrisch Pflegende ebenso gute Erfolge in der Behandlung von psychiatrischen Patienten erzielen können wie Kollegen aus den Bereichen der Medizin oder Psychologie (Marks, 1977, 1985). Dieser Befund, der mittlerweile vielfach repliziert werden konnte (z. B. Gournay, Dentford, & Newell, 2000; Katon et al.

2010), untermauert die Forderung nach Training und ImPsychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 31–36

plementierung von Pflegenden im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung (vgl. Fairburn & Patel, 2014). Ein Blick auf den Einsatz psychiatrisch Pflegender im Bereich der LI-CBT Interventionen stützt diese Forderung. Pflegende sind demnach nach kurzem Training (4–5 Tage) in der Lage, in der allgemeinmedizinischen Versorgung von Patienten mit der Diagnose Depression als Case Manager zu fungieren und low-intensity Interventionen (u. a.

Verhaltensaktivierung) wirksam und nachhaltig anzuwenden (Ekers & Wilson, 2008). Generell zeigt sich KVT basiertes Casemanagement durch verschiedene Berufsgruppen (v. a. Pflege, Sozialarbeiter, Pädagogen) als effektiver und effizienter Ansatz in der Behandlung und Begleitung von Menschen mit leichten bis mittelgradigen (Pinninti, Schmidt, & Snyder, 2014) sowie schweren psychischen Erkrankungen (Turkington et al., 2002, 2014; Sivec et al., 2015). Dies ist gerade vor dem Hintergrund, dass Pflegende und Casemanager im klinischen Alltag zumeist den längsten und intensivsten Patientenkontakt haben, von besonderer Relevanz (Sivec et al., 2015).

Gerade in Bezug auf Verhaltensaktivierung, die als zentrale LI Technik in der Behandlung von Patienten mit Depression angesehen werden kann (Ekers et al., 2014), zeigten psychiatrisch Pflegende mit einem Minimum an formalen Training ähnliche Effekte wie eine konventionelle KVT Behandlung (Ekers, Richards, McMillan, Bland, & Gilbody, 2011). Auch im Bereich der frühzeitigen Behandlung von Ersterkrankten im Rahmen von Psychosen Früherkennungszentren können erste Hinweise auf die Wirksamkeit pflegerischer Interventionen und Gruppenprogramme über mehrere Wochen (Welfare-Wilson & Newman, 2013) und sogar im Rahmen von Tagesworkshops zum Umgang mit psychoseassoziierten Ängsten (WelfareWilson & Jones, 2015) gefunden werden.

In einer Studie von Zimmermann und Kollegen (2016) wurde kürzlich der Effekt einer komplexen, niedrigschwelligen Intervention zur Selbstmanagementförderung durch speziell geschulte Pflegekräfte im Rahmen der hausärztlichen Versorgung untersucht. So hatte die Intervention, welche als kollaborative Begleitung der hausärztlichen Grundversorgung konzipiert wurde, eine Erhöhung der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit bei Patienten mit Angst, depressiven und somatoformen Beschwerden zur Folge. Erstmalig in Deutschland liegen somit Befunde vor, die auf aufzeigen, welchen Beitrag Pflegekräfte in der primären therapeutischen Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen haben können (vgl. Zimmermann et al., 2016).

Fazit und Ausblick Entwicklungen in Forschung und Praxis der letzten Dekade zeigen auf, dass Psychotherapie als Arbeitsfeld psychiatrischer Pflege international bereits fest etabliert, hierzulande jedoch nach wie vor in den Kinderschuhen steckt.

Nationale Gesetzeslagen, historische und kulturelle Aspekte sowie die Dominanz einzelner Berufsgruppen stel© 2017 Hogrefe

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len Stolpersteine auf dem Weg hin zur pflegerischen Psychotherapie dar (Horatio, 2012). Die psychiatrische Pflege arbeitet in Deutschland seit jeher dort, wo Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf leben und behandelt werden. In der multiprofessionellen Arbeit und speziell in der patientenorientierten Arbeit stellt sich somit mehr und mehr die Frage, was unter moderner Psychotherapie verstanden werden kann. Mit Blick auf allgemein und verfahrensspezifische Wirkfaktoren der Psychotherapie (vgl. Grawe, 1995; Pfammatter & Tschacher, 2012; Pfammatter et al., 2012) stellt nach wie vor die Gestaltung der therapeutischen Beziehung, Ressourcenaktivierung, Problemaktualisierung, eine Klärung von Bedingungsfaktoren der aktuellen Problemsituation sowie die Unterstützung in der Problembewältigung wesentliche Faktoren einer heilsamen therapeutischen Interaktion dar. Ohne Frage ist psychiatrische Pflege hier wirksam und effektiv.

LI-CBT Interventionen eröffnen die Möglichkeit, psychiatrisch-pflegerisches Handeln um manualisierte, bedarfsorientierte und evidenzbasierte Angebote zu erweitern und somit die Frage nach Psychotherapie erneut zu beleuchten. Psychotherapeutische Ansätze in der psychiatrischen Pflege konnten bereits im Rahmen der Adherence-Therapie verwirklicht werden (Schulz et al., 2013). Ob der Bereich der LI-CBT die „2. Welle der pflegerischen Psychotherapie“ darstellen kann oder nicht stellt eine Frage dar, in deren Beantwortung ein enormes Potential für Fachkollegen und Betroffene liegt.

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Wittchen HU, Jacobi F, Rehm J, Gustavsson A, Svensson M, Jönsson B, Olesen J, Allgulander C, Alonso J, Faravelli C, Fratiglioni L. The size and burden of mental disorders and other disorders of the brain in Europe 2010. Eur Neuropsychopharmacol 2011;21: 655–79.

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Prof. Dr. Pascal Wabnitz, Professor für angewandte Psychologie in psychosozialen Handlungsfeldern an der FHdD in Bielefeld und Psychologischer Psychotherapeut (VT) in eigener Praxis.

Prof. Dr. Michael Schulz ist geschäftsführender Herausgeber der Psychiatrischen Pflege und leitet den Lehrstuhl für Psychiatrische Pflege an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. michael.schulz@fhdd.de

Michael Löhr, Lehrstuhl Psychiatrische Pflege an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld.

Forschungsschwerpunkt Intensivbetreuung in der Psychiatrie, Qualitative und quantitative Personalanforderungen im Pflegedienst im Psychiatrischen Krankenhaus, Versorgungsforschung. michael.loehr@fhdd.de

André Nienaber ist Gesundheitsund Pflegewissenschaftler am LWLKlinikum Gütersloh und Leiter des Referats Psychiatrische Pflege in der DGPPN. andre.nienaber@lwl.org © 2017 Hogrefe

Freier Beitrag

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Skill- und Grademix der Schweizer Psychiatrien 2011–2014 Peter Ullmann, Günter Gantschnig, Gerda Malojer, Eduard Felber, Manuela Grieser, Sven Hoffmann

I

n dem gemeinsamen Projekt (2011–2014) der Akademischen Fachgesellschaft (AFG) Psychiatrie des Vereins für Pflegewissenschaft (VFP) und dem Kooperationspartner Konferenz der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren Psychiatrischer Institutionen der Schweiz (KPP) wurde erstmals in der Schweiz eine Erhebung zum Thema Skill- und Grademix in der Psychiatrie vorgenommen. Zum Einsatz kam ein halbstrukturierter Fragebogen in Verbindung mit Telefoninterviews. Es nahmen 32 der 39 angefragten Institutionen teil. Diese gaben Auskunft zur Verteilung der verschiedenen Qualifikationen (Grades), der aktuellen und vergangenen Aktivitäten, dem methodischen Vorgehen und der Bedeutung des Themas an sich. Zusammenfassend lässt sich festzustellen, dass der grösste Teil der Pflegenden mit einer grundständigen nicht akademischen Ausbildung in der Praxis tätig ist. Seltener, jedoch vorhanden, sind Pflegende mit Bachelor- und Master als auch Promotionsabschluss. Je höher die Qualifikationen desto seltener sind Stellenbeschreibungen vorhanden. Die Umsetzung des Skill- und Grademix erfolgt überwiegend in Form von Projekten, welche sich auf die gesamte Klinik beziehen, im Bereich der Erwachsenen- und Gerontopsychiatrie angesiedelt sind, mittels Aufgaben- und Tätigkeitsanalysen innerhalb der Pflegeprofession (Intraprofessioneller MIX) und vorwiegend in Verbindung mit Curriculum Analysen. Schulungen des Personals zum Thema Delegation erfolgten nur in der Hälfte der Umsetzungsprojekte.

In der Regel wurden bei der Umsetzung des Skill- und Grademix keine Kostenberechnungen durchgeführt. Im Zusammenhang mit der Bedeutung des Skill- und Grademix zeigten sich die zwei Kategorien 1. Professionalisierung und Interdisziplinarität 2. Organisation, Management und Kosten.

Für eine nachhaltige Umsetzung des Skill- und Grademix werden die Schulung von Management und Mitarbeiter und die Schulung bei Stellenneubesetzung in Bezug auf Kompetenzen, Aufgaben und Zusammenarbeit verschiedener Qualifikationen empfohlen. Bei einer erneuten Befragung sind nicht nur die Praxisinstitutionen, sondern auch die Fachhochschulen respektive Forschungsinstitute sowie weitere Berufsgruppen wie beispielsweise Mediziner, Psychologen etc., die einen differenzierten Aufschluss über die Entwicklungen aus ihrer Perspektive geben kön© 2017 Hogrefe

nen, einzubeziehen. Im Weiteren scheint es sinnvoll, die Anzahl der durchgeführten Projekte, die Entscheidungsgrundlagen für spezifische und unspezifische Mixes und die Bedeutung von kollektivem Bewusstsein und dem Kernteam zu erheben, um wichtige Motivationspunkte für die Umsetzung des Skill-und Grademix zu ermitteln. Das Eruieren von Delegationsprinzipien, welches für erfolgreiches Arbeiten im Skill- und Grademix zentral ist und die Unterschiede zwischen der strukturierten und nicht strukturierten Vorgehensweise bei der Implementierung von verschiedenen Grades in die Umsetzungen und Untersuchungen sollten für eine umfassende Analyse miteinbezogen werden.

Peter Ullmann, MSc, Diplom Pflegewirt, Leiter Projektgruppe Skill- und Grademix Psychiatrie. Pflegeexperte und stellvertretender Pflegedienstleiter in der Psychiatrischen Klinik Zugersee.

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 37 DOI 10.1024/2297-6965/a000074

Pflegeklassifikationen – NANDA, NIC & NOC Maria Müller Staub / Kurt Schalek / Peter König (Hrsg.)

Marilynn E. Doenges / Mary Frances Moorhouse / Alice C. Murr

Pflegeklassifikationen

Pflegediagnosen und Pflegemaßnahmen

Anwendung in Praxis, Bildung und elektronischer Pflegedokumentation 2016. 416 S., 59 Abb., 34 Tab., Kt € 49,95 / CHF 65.00 ISBN 978-3-456-85492-2 Auch als eBook erhältlich Das Grundlagenwerk über Pflegeklassifikationen und pflegerische Begriffssysteme führt in die Begriffssysteme in der Pflege ein, zeichnet deren historische Entwicklung nach und erläutert deren Grundbegriffe und Konstruktionsprinzipien. Verständlich werden Definitionen und Arten von Ordnungssystemen erklärt, ihre Funktion beschrieben und Referenzklassifikationen für Pflegediagnosen (NANDA), Pflegeinterventionen (NIC) und Pflegeergebnisse (NOC) angeführt.

Das praktische und erfolgreichste Handbuch zur Pflegeplanung hilft Pflegenden, Merkmale und Ursachen von Pflegediagnosen zu erkennen, Daten des Pflegeassessments zu ordnen und Pflegediagnosen mit einheitlichen Begriffen zu benennen. Es bietet begründete Pflegemaßnahmen und -interventionen und gibt Hinweise zur Patientenedukation und Entlassungsplanung.

Gloria M. Bulechek et al. (Hrsg.)

Sue Moorhead et al.

Pflegeinterventionsklassifikation (NIC)

Pflegeergebnisklassifikation (NOC)

Deutsche Ausgabe herausgegeben von Widmer Rudolf. Übersetzt von Michael Herrmann / Ute Villwock / Rudolf Widmer / Jürgen Georg.

2015. 1120 S., 4 Abb., 1 Tab., Gb € 79,95 / CHF 99.00 ISBN 978-3-456-83298-2 Alles was Pflegende tun – beschrieben, definiert, standardisiert, kodiert und klassifiziert in einem einzigartigen Werk. NIC bietet • 554 Pflegeinterventionen mit über 10000 Pflegeaktivitäten • Verknüpfungslisten von NANDA-I-Pflegediagnosen mit NIC-Pflegeinterventionen • Schlüsselinterventionen für 49 Pflegefachbereiche von Anästhesiepflege bis hin zur Transplantationspflege • Angaben zum Zeitaufwand und Grade-Skill-Mix für einzelne Interventionen.

www.hogrefe.com

Dt. Ausgabe herausgegeben von Maria Müller Staub / Jürgen Georg / Christoph Abderhalden.

5., überarb. u. erw. Aufl. 2014.

1218 S., 22 Abb., 5 Tab., Gb € 64,95 / CHF 89.00 ISBN 978-3-456-85449-6

Übersetzt von Michael Herrmann.

2., vollst. überarb. u. erw. Aufl.

2013. 1406 S., 17 Abb., 16 Tab., Gb € 69,95 / CHF 95.00 ISBN 978-3-456-85166-2

Wie kann die Pflege zeigen, zu welchen Behandlungsergebnissen sie beim Patienten beiträgt? Die Pflegeergebnisklassifikation (NOC) erleichtert es praktizierenden, leitenden und lehrenden Pflegenden, Pflegeziele und pflegerisch beeinflussbare Patientenergebnisse zu formulieren, zu lehren, zu messen und zu bewerten. Dazu bietet NOC eine standardisierte Fachsprache und Messinstrumente.

Themen/Meldungen

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Meldungen Online

Suizidprävention

Stellensuchprofil für Peers

Im Jahr 2015 startete der Kanton Zürich das Schwerpunktprogramm Suizidprävention als Reaktion auf die Zahl von vollendeten Suiziden, die in der Schweiz, wie auch in Deutschland, die Zahl der Verkehrstoten übersteigt. Jährlich versterben zirka 180 Menschen durch eine Suizidhandlung, und die Zahl der Suizidversuche liegt Schätzungen zufolge zehn- bis zwanzigmal höher, so der Regierungsrat des Kantons Zürich.

Das Schwerpunktprogramm Suizidprävention, das von 2015 bis 2018 umgesetzt werden soll, umfasst 18 Projekte, die in den Kategorien Hilfe in Krisen, Einschränkung der Suizidmethoden, Zielgruppenspezifische Präventionsmaßnahmen, Information und Kommunikation sowie Koordination und Vernetzung zusammengefasst werden.

Sie zielen darauf ab Jugendliche und Erwachsene in suizidalen Krisen und deren Angehörigen zu helfen. Unter anderem dienen hierzu ein Krisentelefon und eine Notfallkarte mit 24-stündig verfügbaren Hilfeangeboten. Des Weiteren finden Menschen, die einen Angehörigen durch einen Suizid verloren haben, Hilfe und die Bevölkerung wird über das Suizidalität und Hilfsangebote informiert.

Quelle und Überblick zum Projekt: https://www.suizidpraevention-zh.ch/

Die Stiftung Pro Mente Sana und der Verein Ex-In Bern haben mit finanzieller Unterstützung des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (ERGB) den Peer Pool ins Leben gerufen. Diese Plattform kann von ausgebildeten oder in der Ausbildung befindlichen Peers genutzt werden, um sich und ihr persönliches (Tätigkeits-)Profil zu präsentieren. Potentielle Arbeitgeber, Medienvertreter und auch Privatpersonen haben über eine Suchfunktion die Möglichkeit Peers zu finden und zu kontaktieren. Der Peer Pool wird unterstützt vom Verein Peer+ und ist über die Website: www.promentesana.ch/de/angebote/peer-pool.html erreichbar.

Quelle: www.promentesana.ch/de/angebote/ peer-pool.html aufgerufen am 06.12.2016

Psychische Gesundheit in der Gemeinde Berufsbegleitendes Masterstudium Die Versorgung von psychisch erkrankten Menschen in der Gemeinde ist keine neue, aber eine immer wichtiger werdende Aufgabe. Im Oktober 2016 begannen 17 Studierende damit ihre psychosozialen und psychiatrischen Kenntnisse durch das neu gestartete Masterstudienprogramm Community Mental Health an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld zu vertiefen, um den Herausforderungen der gemeindenahen Versorgung gewachsen zu sein. Das Studium richtet sich an alle Berufsgruppen, die im psychiatrischen Setting tätig sind. Die 17 Pioniere sind Pflegende, Sozialarbeiter und Heilpädagogen. Zugangsvoraussetzung ist ein Bachelorabschluss mit 120 CreditPoints sowie Berufserfahrung im psychiatrischen Tätigkeitsfeld. Das Masterstudium wird berufsbegleitend über eine Regelstudienzeit von 3 Jahren absolviert.

Nähere Informationen und Bewerbungsunterlagen zum einzigartigen Studiengang Community Mental Health (und zum Bachelorstudiengang Psychische Gesundheit/ Psychiatrische Pflege) sind auf der Website der Fachhochschule der Diakonie abrufbar: http://www.fh-diakonie.de/ Quelle: http://www.fh-diakonie.de/.cms/ Studienangebote/CommunityMentalHealth_(MA)/452

Tagungsbericht der Bundesfachtagung der BAG-PED Die 21. Bundesfachtagung der Bundesarbeitsgemeinschaft des Pflege- und Erziehungsdienstes (BAG-PED) fand vom 22.–23.09.2016 unter dem Thema „Rüm Hart, Klaar Kimming“ (Großes Herz, weiter Horizont) in der HELIOS Fachklinik Schleswig für Kinder- und Jugendpsychiatrie statt.

Neben den vier Fachvorträgen wurden diverse Workshops angeboten. Die Themen reichten vom Umgang mit chronischen Schmerzen über therapeutisches Bogenschießen bis hin zur Spiritualität in der Psychiatrie.

Rund 250 Teilnehmer haben sich aus ganz Deutschland auf den Weg in den hohen Norden der Republik gemacht.

Zum Ende der Tagung wurden die Teilnehmer vom 1.

Vorsitzenden, Herrn H.-U. Neunhoeffer zur 22. Bundesfachtagung vom 21.–22.09.2017 nach Görlitz eingeladen.

Informationen zur Tagung 2016 und Impressionen finden sie auf der Homepage www.bag-ped.de Öffentlichkeitsarbeit der BAG Thomas Linnemann

© 2017 Hogrefe

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 39

Kurzlehrbuch zur professionellen Kommunikation im Pflegeprozess

Frau Susanne Stefanoni / Bernadette Alig

Pflegekommunikation Gespräche im Pflegeprozess 2009. 163 S., 2 Abb., 5 Tab., Kt € 34,95 / CHF 48.60 ISBN 978-3-456-84309-4 Auch als eBook erhältlich

Das Praxishandbuch zur Pflegekommunikation beschreibt ein Gesamtkonzept der Gespräche im Pflegeprozess. Die sieben Gespräche orientieren sich an den einzelnen Phasen des Pflegeprozesses, bauen aufeinander auf, sind zielgerichtet und erfüllen eine spezifische Aufgabe. Damit kann der Pflegeprozess gesteuert und als effektives Instrument zur Gestaltung der Pflege genutzt werden.

www.hogrefe.com

Kunst und Psyche

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Martin Balzer 1987 in Bielefeld geboren Lebt in Bielefeld Seit 2010 im Künstlerhaus Lydda tätig Martin Balzer hat das Bild auf der Titelseite gemalt: „o. T.“, 50 × 40 cm Klebeband, Bleistift auf Papier, 2016

Aktuelle Ausstellungen 2017/18 „Neue Wege...“, Wanderausstellung 2015/16 „Big in Japan“, Wanderausstellung, Osaka/Japan 2015 „Künstlerhaus Lydda“, Schlossgalerie Laubach 2015 „Die Kunst der Stunde“, Galerie Lydda http://www.lydda.de

„Kunst ist wie eingefrorene Musik“

„o. T.“, 40 × 50 cm Tusche auf Papier, 2016

© 2017 Hogrefe

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 41

Schwerpunkt Mitteilungsseiten der DFPP

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Editorial Regional vernetzen, auf Landesebene und Bundesebene wirken Liebe Mitglieder der DFPP, ein ereignisreiches Jahr liegt hinter uns und ein nicht minderes vor uns. All unseren Mitgliedern wünschen wir einen guten Start ins neue Jahr und wir hoffen weiterhin auf hohes Engagement in unseren Arbeitsgruppen und sonstigen Gremien. Neben inhaltlichen Themen scheint es Wunsch vieler Mitglieder zu sein, sich regional zu organisieren. Neben der Regionalgruppe Nord (nord@dfpp.de), der Regionalgruppe Rheinland (ag-rheinland@dfpp.de) haben wir im Süden mit dem Forum Pflegeforschung (Bay/BW) nun eine dritte Gruppe (forum_pw@dfpp.de). Die Regionalität scheint aber auch insofern eine Notwendigkeit zu sein, weil immer häufiger regionale Anfragen (Maßregelvollzug NRW, PsychKG Baden-Württemberg und Hessen usw.) an unsere Fachgesellschaft herangetragen werden. Wir arbeiten aber nicht nur auf Landesebene sondern auch auf Bundesebene. So sind wir u. a. vertreten im Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen und arbeiten dort zu den Qualitätsindikatoren mit oder beteiligen uns im Konsensusverfahren bei Leitlinienerstellungen.

In der Mitgliederversammlung am 13. Februar wollen wir die anstehenden Aufgaben diskutieren und die Umsetzung gemeinsam planen – dazu laden wir sehr herzlich ein. Allen Mitgliedern, welche 2016 die DFPP-Anliegen aktiv unter(Uwe Genge) stützt haben danken wir herzlich.

senen Personalbemessung einschließlich des Nachweises der tatsächlichen Beschäftigung, die stationsäquivalenten Leistungen und die Aufwertung der ambulanten Soziotherapie (vgl. gemeinsame Stellungnahme von BFLK e. V. und DFPP auf unser Page). In den nächsten Monaten und Jahren wird u. a. wichtig sein, die Entwicklung der Berechnung der Personalmindestbedarfe durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) kritisch zu begleiten, die stationsäquivalenten Angebote konzeptuell mitzuentwickeln, und den „OPS-Katalog“ zu verschlanken um Dokumentationsaufwand zu verringern.

(DS)

Zusammenarbeit Aktion Psychisch Kranke e. V. Am 07. Und 08. November fand die Jahrestagung der APK e. V. unter dem Motto „Verantwortung übernehmen – verlässliche Hilfen bei psychischen Erkrankungen“ statt. Die DFPP freute sich, dass sie um ein Referat und Workshop zum Thema Pflegeverantwortung angefragt wurde und viel Austausch zu dieser Frage stattfand. Alle Präsentationen der Tagung sind abrufbar unter http://www.apk-ev. de/veranstaltungen/jahrestagung/tagung-2016/.

Die 1971 gegründete APK e. V. wird als „Vereinigung zur Reform der Versorgung psychisch Kranker“ durch das Bundesministerium für Gesundheit institutionell gefördert und hat dadurch die Möglichkeit „mit politischen Mitteln auf eine grundlegende Reform der Versorgung psychisch Kranker in der Bundesrepublik Deutschland hinzuwirken“ (DS) (www.apk-ev.de).

Weitere Stellungnahmen

Aus dem Präsidium Das PsychVVG ist verabschiedet!

Am 10. Nov. 2016 hat der Bundestag das PsychVVG (Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen) verabschiedet; über die vorausgegangenen Diskussionen und Proteste hatten wir berichtet. Auch wenn viele Details noch offen oder nicht befriedigend geklärt sind: die DFPP freut sich, dass wichtige Forderungen der Psychiatrischen Pflege durchgesetzt wurden. Im Besonderen begrüßen wir die Sicherstellung einer angemesPsychiatrische Pflege (2017), (2016), 2 X(X), (1),X–X 42–43 DOI 10.1024/2297-6965/a000xxx

Stellungnahme zum Bundesteilhabegesetz vom 14.10.2016 • Der „Verbändedialog Psychiatrische Pflege“ hat in einer gemeinsamen Stellungnahme viele Aspekte des (mittlerweile verabschiedeten) BTHG begrüßt. Andere Aspekte wurden eingefordert, v. a. dass das Bundesteilhabegesetz stärker mit dem Pflegestärkungsgesetz III in Verbindung gebracht werden solle, dass in der Diskussion um den Begriff „Pflege“ entsprechende Qualitätsniveaus im pflegerischen Handeln unterschieden werden solle und dass professionelle Pflege als Expertentätigkeit in alle Bereiche der Gesundheitsversorgung eingehen muss. © 2017 2016 Hogrefe

Mitteilungsseiten der DFPP

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Stellungnahme: Übersicht zum Änderungsbedarf im Jugendarrestvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen (18.10.2016) • Die DFPP freute sich über die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Änderung der Vollzugsgesetze in NRW und mahnte etliche Aspekte an, um die Lebensbedingungen von Inhaftierten unter gesundheits- und psychosozialen Aspekten verbessern.

Stellungnahme zur Expertenanhörung im Rahmen Psych-KG-Novellierung in NRW am 31.08.2016, hier: Ausschussprotokoll APr 16/1391 (14.11.2016) • In einem Schreiben an alle Mitglieder der Gesundheitsausschüsse kritisierte die DFPP erneut, dass sie zur Expertenanhörung nicht geladen war. Erneut wies die DFPP auf Änderungsbedarfe im Gesetzestext hin.

Positionspapier: „Qualifizierte psychiatrische Pflege als verpflichtende Größe führt zu einer verbesserten Patientenversorgung“ (01.12.2016) • Gemeinsam mit der Bundesinitiative Ambulante psychiatrische Pflege (BAPP e. V.) spricht sich die DFPP dafür aus unterschiedliche Qualifikationsniveaus in der psychiatrischen Pflege qualitativ und quantitativ zu definieren und festzuschreiben. Die Verbände plädieren für einen hohen Anteil von fachweitergebildeten oder studierten Pflegefachkräften und halten angesichts der komplexer werdenden Versorgungssituation eine Quote von 50 % für erforderlich.

Alle Stellungnahmen unter www.dfpp.de

(DS)

Rückblick DGPPN-Kongress Der Pflegekongress im Rahmen des DGPPN-PsychiatrieKongresses vom 23.–26. November 2016 in Berlin war auch in diesem Jahr ein großer Erfolg, das umfängliche Programm ist den Rückmeldungen nach gut angekommen. Wieder war der Infostand der Pflegefachverbände enorm gut besucht. Im Mitgliedertreffen des DGPPNFachreferats Psychiatrische Pflege wurden die Referatsleiter André Nienaber und Dr. Susanne Schoppmann einstimmig im Amt bestätigt.

Im Jahr 2017 wird der Kongress vom 8. bis 12. Oktober in Berlin stattfinden und eine besondere Note erfahren: die DGPPN veranstaltet ihn gemeinsam mit der World Psychiatric Association als WPA XVII WORLD CONGRESS OF PSYCHIATRY 2017. Auch hier will sich die Pflege als bedeutende Akteurin präsentieren und spannende Pflegethemen bieten. Die DFPP wird diesen Pflegekongress nach Kräften unterstützen.

(André Nienaber, DS)

© 2017 Hogrefe

Aus den Arbeitsgruppen AG Suizidprävention Beim Arbeitstreffen am 18.10.2016 stellte zunächst Herr Alsbach die Ergebnisse der Umfrage vor, die 2014 als online-Befragung durchgeführt wurde. Herr Alsbach bearbeitete folgende Fragestellung für seine Bachelor-Arbeit: „Wie stellt sich die Anwendung standardisierter Assessmentinstrumente zur Einschätzung von Suizidalität durch psychiatrischen Pflegenden in Deutschland und der Schweiz dar?“ Weitere Auswertungen der vorliegenden Daten sind möglich und gewünscht.

Im Weiteren wurde die Erstellung einer Leitlinie „Pflegerischer Umgang mit Suizidalität“ diskutiert. Die Gruppe legte im Rahmen des Treffens eine Steuerungsgruppe zur Erstellung eines „Fahrplans“ fest. Im nächsten Treffen (s. Termine) wird der „Fahrplan“ zu Leitlinienerstellung vorgestellt.

Wenn Sie an der Erstellung einer Leitlinie mitwirken wollen, sind sie herzlich eingeladen Kontakt aufzunehmen: MathiasWelberts@T-Online.de (Mathias Welbers)

AG State of the Art Beim Arbeitstreffen am 07.11.2016 in Kassel wurden entschieden, die DFPP-Stellungnahme „Freiheitsentziehende Maßnahmen“ stärker zu bewerben und bekannter zu machen. Eine Unterarbeitsgruppe setzt sich an die Erstellung der Praxisleitlinie FEM. Sehr intensiv wurde die Stellungnahme zum Thema Peerinvolvement diskutiert und weiter entwickelt. Die Fachhochschule der Diakonie erklärte sich bereit die Erstellung der Stellungnahme zu unterstützen und mit herauszugeben. Das wird in der AG sehr begrüßt.

(DS)

Terminvorschau / Ankündigungen 13. Februar 2017 – Campus University of Applied Sciences, Nibelungenplatz 1, 60318 Frankfurt • 10:30–15:00 Uhr: DFPP – Arbeitsgruppentreffen der AGs State of the Art, Suizidprävention, Öffentlichkeitsarbeit und APP. Interessierte sind herzlich willkommen.

• 15:30–17:00 Uhr: Mitgliederversammlung der DFPP 7. Februar 2017 – Fachhochschule der Diakonie, Bethelweg 8, 33617 Bielefeld • Arbeitssitzung Netzwerk Entgelt; am 8. Februar (gleicher Ort) Konsensuskonferenz OPS-Katalog.

23. Februar 2017 – Zentrum für Integrative Psychiatrie gGmbH, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck • 6. Fortbildungstag Psychiatriepflege mit dem Schwerpunkt Psychosen; mit Diskussionsworkshop der DFPPAG Nord. Infos unter http://www.uksh.de/psychiatrieluebeck Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 42–43

Mitteilungsseiten des VAPP

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Volksinitiative zur Stärkung der Pflege Der VAPP hat an der Vorstandssitzung im November beschlossen, die SBK Volksinitiative „Stärkung der Pflege“ mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Daher stellt Helena Zaugg, Präsidentin des SBK Schweiz (Schweizerischer Berufsverband) unter anderem hier die Initiative vor:

JA zur Volksinitiative für eine starke Pflege Mitte Januar lanciert der SBK die Volksinitiative für eine starke Pflege: Das Volksbegehren verlangt, dass mehr Pflegefachpersonen ausgebildet werden und Pflegeleistungen in eigener Verantwortung erbracht werden können. Um die Pflegeversorgung langfristig zu sichern, muss der Pflegeberuf attraktiver werden.

Mit seiner Weigerung, auf die Parlamentarische Initiative „Gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege“ einzutreten, hat der Nationalrat den parlamentarischen Weg für die dringend notwendige Stärkung der Pflege versperrt. Deshalb nimmt jetzt der SBK das Heft in die Hand und lanciert Mitte Januar die Volksinitiative „Für eine starke Pflege“.

Dass dringend in die Pflege investiert werden muss, zeigen die Zahlen und Fakten deutlich: Die Entwicklung in der Medizin hat dazu geführt, dass Menschen länger leben. Gemäss Berechnung des Bundesamtes für Statistik wird in den nächsten 30 Jahren die Zahl der über 65-Jährigen auf 2,7 Millionen Personen steigen. Ende 2014 waren es 1,5 Millionen. Damit wird der Anteil an alten, chronisch und mehrfach erkrankten Menschen in den nächsten Jahrzehnten weiter stark zunehmen.

10 000 zu wenig ausgebildet Betrachtet man diese Zahlen im Kontext mit den Ausbildungszahlen, stehen die Zeichen schlecht, dass die zukünftige pflegerische Versorgung wirklich gesichert werden kann. Gemäss dem kürzlich veröffentlichten Versorgungsbericht von OdA Santé und der GesundheitsdirektorenkonPsychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 44–45

ferenz (GDK) wurde in den letzten fünf Jahren in der Schweiz nur 43 % des notwendigen Bedarfs an diplomierten Pflegefachpersonen ausgebildet, das sind 10 000 zu wenig.

Der Pflegenotstand lässt sich jedoch nicht mit Hilfspersonal bewältigen. Dies belegt die vor Monatsfrist veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung unter der Leitung von Linda H. Aiken von der University of Pennsylvania. Ein Ergebnis: Wenn der Anteil der ausgebildeten Personen beim Pflegepersonal um 10 Prozent steigt, liegt die Mortalität um 11 Prozent tiefer.

Inhalt der Initiative Dass der Mangel an Fachpersonal die Sicherheit der Patientin und des Patienten gefährdet, ist eines der zentralen Argumente für die Pflegeinitiative. Sie verpflichtet deshalb Bund und Kantone in einem neuen Artikel der Bundesverfassung, die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung zu anerkennen und zu fördern und für eine Pflege von hoher Qualität zu sorgen. Es muss zudem sichergestellt werden, dass genügend diplomierte Pflegefachpersonen für den zunehmenden Bedarf zur Verfügung steht.

Verlangt werden weiter Ausführungsbestimmungen, die festlegen, welche Pflegeleistungen Pflegefachpersonen in eigener Verantwortung und welche sie auf ärztliche Anordnung erbringen. Mit dieser Regelung soll die Verantwortung der Pflegefachperson in Übereinstimmung mit ihren Kompetenzen gebracht werden. Das heisst zum Beispiel, dass künftig für Bedarfsabklärungen in der Spitex oder für die Beratung der Patienten und Angehörigen im Umgang mit ihrer Krankheit ebenso wenig eine pro forma-Unterschrift des Arztes nötig sein wird wie zum Beispiel für das Anziehen von Kompressionsstrümpfen.

Schliesslich ist die Initiative darauf ausgerichtet, die Arbeitsbedingungen der Pflegefachpersonen zu verbessern.

Explizit verlangt der Initiativtext die angemessene Abgeltung der Pflegeleistungen, anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung von in der Pflege tätigen Personen. Mit at© 2017 Hogrefe

Mitteilungsseiten des VAPP

traktiveren Rahmenbedingungen gelingt es, mehr junge Leute für den Pflegeberuf zu gewinnen und dafür zu sorgen, dass mehr Pflegefachpersonen länger im Beruf bleiben.“ Helena Zaugg, Präsidentin SBK Wollen Sie sich engagieren? Melden sie sich bei ihrer SBK Sektion und unterschreiben sie noch heute unter www.pflegeinitiative.ch Nationale Sammeltage für die Volksinitiative: 21. Januar, 1. April, 12. Mai 2017 Diesem Heft liegen für die Schweizer-Ausgabe entsprechende Unterschriftenbögen bei.

Aktiv werden wir uns an der Sammlung der notwendigen Unterschriften beteiligen. Mögliches Ziel: Pro VAPP Mitglied mindestens 5 Unterschriften – das wäre ein ansprechender Anteil an der Gesamtmenge!

10 Jahres Jubiläum VAPP Wie bereits im letzten Heft angekündigt, findet anlässlich der diesjährigen GV das Vereinsjubiläum statt.

Der Vorstand führt eine kurze Generalversammlung durch und lädt dann die Anwesenden zu einem gemeinsamen Essen mit musikalischer Begleitung ein.

Aus organisatorischen Gründen ist eine Anmeldung auf der Website des VAPP erforderlich, welche mit dem Erscheinungsdatum freigeschaltet ist. Anmeldeschluss ist der 12. März 2017. Selbstverständlich kann jedes Mitglied ohne Anmeldung an der GV teilnehmen.

Wir freuen uns, dieses Ereignis mit Euch zu feiern!

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9. Fachtagung Ambulante Psychiatrische Pflege „Lebens- und Arbeitswelten“ Aller Voraussicht nach wird das Programm und das Anmeldeformular Anfang Februar aufgeschaltet. Diesem Heft liegt ein Programm Flyer bei.

Curacasa Unmittelbar nach der ausserordentlichen Hauptversammlung von Curacasa veröffentlichte der Vorstand VAPP eine Stellungnahme über die Website VAPP, wo sie auch weiterhin abrufbar ist.

Call for Abstracts Wir möchten alle motivieren, für den nächsten Dreiländerkongress (5./6.10.17, Bern) ihre Projekte, Ergebnisse, Ideen, möglichst zum Kongressthema „Mitmischen – aufmischen – einmischen“ einzureichen. Nähere Informationen und Vorlagen unter www.pflege-in-der-psychiatrie.eu.

Einreichefrist bis 15. März 2017

Mitgliederadressen Wir möchten alle Mitglieder bitten, ihre Kontaktdaten auf der Website zu überprüfen. Bei verschiedenen Stichproben mussten wir feststellen, dass diese nicht mehr aktuell waren. Eine funktionierende Adressliste würde es uns erleichtern, schnell Informationen an alle Mitglieder zu versenden (wie zum Beispiel bzgl. Curacasa)

Workshop „Definition APP“ Mit Spannung erwarten wir unseren ersten Workshop zum Thema „Was ist Ambulante Psychiatrische Pflege – Versuch einer Definition“.

Der Vorstand will – wie an der GV 15 beschlossen – mit den Profis aus der Praxis eine sattelfeste Beschreibung unserer täglichen Arbeit entwickeln.

Dies soll den Mitgliedern eine Argumentationshilfe in der Diskussion mit Krankenkassen, Zuweisern und Behörden geben.

Anmeldung über www.vapp.ch Ort: Kongresshotel Olten Datum: 10. Februar 2017, 9.30 – 16.30 inkl. Mittagessen Unkostenbeitrag CHF 35.E-log: 5 Punkte

© 2017 Hogrefe

Agenda • Nationale Sammeltage für die Volksinitiative: 21. Januar, 1. April, 12. Mai 2017 • Workshop Definition APP 10.2.2017, Kongresshotel Olten • Generalsversammlung VAPP 23.3.2017 im Kongresshotel Olten Beginn: 18.00!!

• Fachtagung Ambulante Psychiatrische Pflege 16.6.2017 in Winterthur www.fachtagung-app.ch • Dreiländerkongress Pflege in der Psychiatrie, 5. und 6. Oktober 2017, Bern www.pflege-in-der-psychiatrie.eu • World Psychiatrie Kongress, 8. – 12. Oktober 2017, City Cube, Berlin www.wpaberlin2017.com

Psychiatrische Pflege (2017), 2 (1), 44–45

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Frank Vilsmeier stellt sich vor In der letzten Ausgabe hat sich die stellvertretende Vorsitzende SiIke Ludowisy-Dehl mit ihrem Steckbrief vorgestellt.

In der vorliegenden Ausgabe stellt sich der Landesvorsitzende für Schleswig-Holstein/Hamburg, Frank Vilsmeier, vor.

Steckbrief Name, Vorname

Vilsmeier, Frank

Alter

55 Jahre

Familiales

Verheiratet, 2 Kinder aus erster Ehe

Wohnort

Im Naturpark Aukrug/SchleswigHolstein

Beruflicher Werdegang

Seit 36 Jahren im Psychiatrischen Zentrum Rickling beschäftigt – meine berufliche Heimat. Begonnen als Pflegehelfer, Ausbildung zum Krankenpfleger sowie zur Pflegedienstleitung; Akutpsychiatrische Tätigkeiten und Stationsleitungen, u. a. Alkohol- und Drogenentgiftung; Aufbau und Leitung Innerbetriebliche Fortbildung; jetzt Pflegedienstleitung mit Zuständigkeiten in der Krankenhausbehandlung (SGB V) und in der Hilfe zur Pflege (SGB XI)

Seit wann Mitglied in der BFLK

2003 mit Beginn der Pflegedienstleitung

Funktion in der BFLK

Landesvorsitzender Hamburg/ Schleswig-Holstein seit 2007; Mitglied im BFLK Bundesvorstand; Aktiv im BFLK Netzwerk Entgelt; stellv. Mitglied im Deutschen Pflegerat und Programmbeirat des Deutschen Pflegetages für die BFLK. Mitglied in den Pflegeräten Hamburg und Schleswig-Holstein für die BFLK

Aktuelle Themen in der BFLK

Umsetzung und weitere, aktive Mitgestaltung des PsychVVG; Personalbemessung Psychiatrische Pflege; Vorbereitung der BFLK Jahrestagung

Lebensmotto

Wer meint zu wissen, hat nichts kapiert

Lieblings-Reiseziel

Seit über 20 Jahren mindestens eine Woche in einem Ferienhaus auf Fanoe (Dänische Nordseeinsel)

Hobbys

Berufspolitik sowie Haus und Garten

Psychiatrische Pflege (2017), (2016), 2 1(5), (1),X–X 46–48 DOI 10.1024/2297-6965/a000xxx

Aktuell gelesenes Buch

Roth & Strüber „Wie das Gehirn die Seele macht“, Klett-Cotta

Engagement, Ehrenamt

Stellv. Vorsitzender des Errichtungsausschusses für die Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein; unterstützendes Mitglied in den Fachverbänden BAPP, DFPP, DNAPN; Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten im Gesundheitswesen; aktives Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr Homfeld; Mitglied des Gemeinderates Aukrug

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Nachrichten Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung von psychiatrischen und psychosomatischen Leistungen (PsychVVG) Hat es das schon einmal in der deutschen Gesetzgebung gegeben? Die grundsätzliche Ausrichtung eines bereits weitreichend umgesetzten Gesetzes (PEPP) fundamental zu verändern? Alle Fachverbände der psychiatrischen Versorgung haben etwas Einzigartiges geschafft. Das Engagement der BFLK, in Zusammenarbeit mit der DFPP, ging darüber hinaus. Mit dem PEPP wurde ein Weg eingeschlagen, der wie im DRG-System zu einem freien Spiel der Kräfte zur Besetzung der Stellen geführt hätte. Insofern war der Erhalt einer Personalbemessung, die gesichert besetzt und finanziert sein muss, prioritäres Ziel der berufspolitischen Arbeit. Der G-BA (Gemeinsame Bundesausschuss) hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Personalbemessung ab 2020 erarbeiten soll. Die BFLK ist darin vertreten. Begleitend hierzu ist es notwendig, eigene Vorschläge für die Psychiatrische Pflege zu unterbreiten. Ein erster Aufschlag ist die Feststellung, dass außerhalb leistungsbezogener Personalbemessung, eine Basispersonalbesetzung zur Sicherstellung eines therapeutischen Milieus und der Patientensicherheit erforderlich ist. Die Veröffentlichung zur Basispersonalbemessung Psychiatrische Pflege (http://www. bflk.de/tags/ppr-pp) war dafür ein wichtiger Schritt.

Bereits in 2015 haben wir uns für eine Sicherstellung der für die Psychiatrische Pflege erforderlichen Stellen in den Einrichtungen stark gemacht und sehr begrüßt, dass im Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) eine Nachweispflicht für das vergütete Personal in der Psychiatrie eingefügt war.

Vor Verabschiedung des KHSG wurde diese Regelung wieder rausgenommen. Jetzt ist diese Nachweispflicht in das PsychVVG aufgenommen worden. Sie bezieht sich auf die gemäß PsychPV verhandelten Stellen der jeweiligen Berufsgruppen in der Einrichtung. Eine Übertragung von Personalstellen innerhalb der PsychPV ist jedoch weiterhin möglich. Insofern ist es auch zukünftig erforderlich, die Notwendigkeit einer guten Besetzung der Psychiatrischen Pflege herauszustellen.

Besonders gefreut hat uns, dass die Vergütungssystematik der Somatik (G-DRG) unsere Psych-OPS Kodierungen für die Pflege aufgenommen hat und damit für eine bessere Refinanzierung der pflegerischen Leistungen sorgt. Die vom BFLK Netzwerk Entgelt entwickelten Pflegestufenkodes (ab 2017 Pflegegrade) sind umfassend übernommen worden. Auch hieran zeigt sich, dass eine intensive Beschäftigung mit den Rahmenbedingungen der beruflichen Pflege und das Einbringen konstruktiver Vorschläge auf allen politischen Ebenen, zu deren Verbesserung beitragen können. Dieser Weg muss weiter gemeinsam beschritten werden. Mit der Verabschiedung des PsychVVG haben wir mit der DFPP herausgestellt, was uns mit dem PsychVVG wichtig ist: © 2017 Hogrefe

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1. Auf allen Ebenen ist eine beanspruchungskonforme Personalstruktur erforderlich. Daran werden wir aktiv mitarbeiten und prüfen, wie das Leistungsgeschehen der Psychiatrischen Pflege in den budgetrelevanten Kriterien abgebildet wird.

2. Wir erwarten eine interdisziplinäre und pflegefachliche Weiterentwicklung der Leistungen psychiatrischer Pflege. Wir werden sie mitgestalten und prüfen, mit welcher pflegerischen Beteiligung das Home-Treatment im Sinne einer individuellen Behandlung psychisch erkrankter Menschen umgesetzt wird.

3. Für die Personalvorgaben ab 2020 erwarten wir eine tragfähige, zeitgemäße und zukünftigen Erfordernissen folgende Personalbemessung, die eine milieuorientierte und fachpflegerische Behandlung und Therapie ermöglicht. Wir gestalten die Personalbemessung aktiv mit und bringen unsere Expertise ein. Wir werden fortlaufend prüfen, wie sich die Personalentwicklung in den nächsten Jahren gestaltet und immer dann intervenieren, wenn sich eine Fehlentwicklung abzeichnet.

4. Der Ausbau und die Vernetzung ambulanter Leistungen (Häusliche Psychiatrische Pflege, Home-Treatment, Soziotherapie) ist mit der fachlichen Expertise der Psychiatrischen Pflege zu entwickeln. Wir werden als Berufsverband dafür eintreten, dass dies mit Beteiligung der Psychiatrischen Pflege erfolgt und eigene Vorschläge für die Gestaltung dieser Aufgabenfelder einbringen.

Neuer Landesvorstand in Hessen gewählt Am 22. November 2016 wurde im Vitos-Klinikum Hochtaunus in Friedrichsdorf-Köppern der neue Landesvorstand in Hessen gewählt. Als Landesvorsitzende wurde die Diakonin Inge Wickert aus der Hephata Klinik in Schwalmstadt – Treysa gewählt, den stellv. Vorsitz übernimmt Stefan Hedderich aus dem Vitos Philippshospital Riedstadt.

Der Bundesvorstand gratuliert ganz herzlich und freut sich auf eine gute Zusammenarbeit. „Wenn Jemand kommt, geht auch Jemand.“ Wir bedanken uns bei dem ausgeschiedenen Landesvorsitzenden Martin Biskamp aus der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Bad Emstal für sein jahrelanges Engagement in die BFLK.

Neuer Landesvorstand in Baden-Württemberg bestätigt Als Landesvorsitzender wurde Walter Reiß (Wiesloch), als stellvertretender Landesvorsitzender Uwe Armbruster (Reutlingen) für weitere 4 Jahre bestätigt. Zu Beisitzern und Vertretern im Landespflegerat wurden Jeton Himaij (Emmendingen) und Dr. Uwe Schirmer (Bad Schussenried) benannt. Auch hier gratuliert der Bundesvorstand ganz herzlich und freut sich auf die Zusammenarbeit in den kommenden 4 Jahren.

Psychiatrische Pflege (2017), (2016), 21 (1), (5), 46–48 61–64

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Termine und Veranstaltungen BFLK Netzwerk Entgelt Netzwerktreffen am 07.02.2017, OPS Konsensuskonferenz am 08.02.2017 in Bielefeld. Anmeldungen: siehe Homepage www.bflk.de

Pflegefachtagung Rheinland-Pfalz/Saarland 14.09.2017, am Vortag (13.09.2017) findet erstmals eine Informationsveranstaltung für Stationsleitungen statt. „Save the date“

BFLK-Frühjahrstagung Baden-Württemberg 16.03.2017 im Klinikum am Weissenhof, Weinsberg Kontakt: Herr Walter Reiß, Pflegedirektor, Psychiatrisches Zentrum Nordbaden, walter.reiß@pzn-wiesloch.de

2017

Deutscher Pflegetag 2017 23.–25.03.2017, Station 24, Berlin (www.deutscher-pflegetag.de) BFLK-Jahrestagung 2017 03.–05.04.2017, Klinikum Schloß Winnenden, Baden-Württemberg Kontakt: Vilsmeier@bflk.de

SAVE THE DATE

Sandwichtagung NRW 2017 11.05.2017, LVR-Klinik Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen inklusive der Preisverleihung zum Pflegepreis NRW „Save the Date“ Kontakt: marion.brand@lwl.org

42. BFLK Jahrestagung

Pflegemanagementtagung im Kloster Irsee 20.–22.06.2017, Kloster Irsee, Bayern Inhalte: Mitgliederversammlung des VdP Psych Bayern am 20.06.2016, Verleihung des bayrischen Pflegepreises am 21.06.2017 ab 19:00 Uhr im Rahmen dieser Veranstaltung Kontakt: Hans Peter Hartl, Tel.: 099318740010, h.hartl@mainkofen.de 3. Nationales Forum für Entgeltsysteme in der Psychiatrie und Psychosomatik (NFEP) 26.–27. Juni 2017, Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH), Berlin „Save the Date“

Psychiatrische Pflege (2017), (2016), 2 1 (1), (5), 46–48 61–64

vom 03. bis 05. April 2017

Thematischer Schwerpunkt

6WUXNWXUHQ 3V\FKLDWULVFKHU 3ȵHJH – Transsektoral?

Veranstaltungsort

Klinikum Schloß Winnenden, 71364 Winnenden

5E3 5HJLVWULHUXQJ Im Rahmen der Registrierung können für diese Veranstaltung )RUWELOGXQJVSXQNWH angerechnet werden. Reg.Nr.: 20091140

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Umfassend und aktuell – das komplette Wissen der Psychologie

Markus Antonius Wirtz (Hrsg.)

Dorsch – Lexikon der Psychologie Unter Mitarbeit von Janina Strohmer.

18., überarb. Aufl. 2016. 1952 S., Gb € 74,95 / CHF 95.00 ISBN 978-3-456-85643-8

Der DORSCH in der 18. Auflage: mit über 2000 aktualisierten und überarbeiteten Stichwörtern – inklusive Dorsch Lexikon Online [www. hogrefe.com/dorsch].

Der Dorsch ist das Standardwerk, das eine umfassende Orientierung über Grundlagen, Konzepte und Begriffe der Psychologie ermöglicht. Das Lexikon der Psychologie wendet sich an Studierende der Psychologie sowie der Bezugsdisziplinen (z. B. Psychiatrie, Bildungs-, Gesundheits-, Neuro-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften), Wissenschaftler und praktizierende Fachpersonen dieser und verwandter Fächer sowie an interessierte Laien.

www.hogrefe.com

Der Dorsch bietet • rund 12000 Stichwörter von über 600 Fachautoren aus allen Bereichen der Psychologie • eine strukturierte Aufbereitung der Inhalte in 19 Teilgebiete, die von renommierten Gebietsexperten betreut werden • 1200 Topstichwörter für vertieftes Wissen und schnellen Zugang zu allen Teilgebieten der Psychologie • den Zugang zum Dorsch Lexikon Online, das fortdauernd aktualisiert und erweitert wird • das aktuelle Wissen der Psychologie, kompakt und zitierfähig.

Eine revolutionäre Theorie der Kommunikation

Maja Storch / Wolfgang Tschacher

Embodied Communication Kommunikation beginnt im Körper, nicht im Kopf 2., erw. Aufl. 2016. 192 S., 57 Abb., Gb € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85614-8 Auch als eBook erhältlich

Die Idee, man könne einander verstehen, beruht auf der Vorstellung, die besagt, dass die „richtige“ Bedeutung einer Botschaft irgendwo vorhanden ist und nur gefunden werden muss. Diese Ansicht ist falsch. Die Theorie der Embodied Communication postuliert: Es gibt keine fixe Bedeutung einer Botschaft, die verstanden werden kann. Es gibt lediglich das gemeinsam erzeugte Gefühl der Einigung auf eine Sprachgestalt, die aber aus der Interaktion spontan und neu entsteht und die nicht von Anfang an vorhanden ist.

www.hogrefe.com

Die Psychologen Maja Storch und Wolfgang Tschacher liefern endlich eine neue Kommunikationstheorie, die dem Stand der modernen Forschung entspricht – und konkret umsetzbar ist. Die Autoren haben ein Buch geschrieben, das gut verstanden und das sofort im ganz normalen Alltag verwendet werden kann. Neben einem Teil zur Theorie der Embodied Communication bietet das neue Buch von Maja Storch und Wolfgang Tschacher einen ausführlichen Praxis- und Workshopteil. Lesende finden im Praxisteil eine Auswahl an Alltagssituationen, in denen kommunikative Fertigkeiten wünschenswert, ja gefordert sind. Die Methoden, die die Autoren vorschlagen, sind allesamt so angelegt, dass sie sich für das authentische und spontane Handeln in einer Live-Situation eignen.