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Die Betreuung von Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus aus Sicht des Behandlungs- und Betreuungsteams – Eine qualitative Studie Melanie Burgstaller, Susi Saxer, Hanna Mayer, Adelheid Zeller

Jayde, V. & Boughton, M. (2016). “Living the tightrope”: The experience of maternal ovarian cancer for adult children in Australia.

European journal of oncology nursing: the official journal of

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Von Fachkraft zu Experte. Verfügbar unter https://nursing.unibas. ch/fileadmin/user_upload/nursing/Studiengangsbroschuere 2018_01.pdf [29.03.2019].

Historie

Manuskripteingang: 27.11.2018 Manuskript angenommen: 22.07.2019 Onlineveröffentlichung: 06.11.2019

Autorenschaft

Beitrag zur Konzeption und Design der Arbeit: AK, HM, BS Beitrag zur Erfassung, Analyse oder Interpretation der Daten: AK, HM, BS Manuskripterstellung: AK Kritische Rückmeldung und Überarbeitung von wichtigen intellektuellen Inhalten des Manuskripts: AK, HM, BS Genehmigung der letzten Version des Manuskripts zur Publikation: AK, HM, BS Bereitschaft, für alle Aspekte der Arbeit Verantwortung zu übernehmen: AK

Förderung

Das Projekt wurde finanziert durch das Bundesamt für Gesundheit (REF-1014-50103) und die FHS St.Gallen.

Danksagung

Ich möchte allen Studienteilnehmerinnen und Fachpersonen herzlich für ihre Offenheit und Unterstützung danken. Ein besonderer Dank gilt Frau Prof. Dr. habil. Beate Senn und Frau Univ.-Prof. Mag. Dr. Hanna Mayer für ihre Begleitung während des gesamten Dissertationsprozesses. Vielen Dank an Frau Dr. Diana Staudacher für das Redigat des Beitrags.

ORCID

Andrea Kobleder https://orcid.org/0000-0001-5246-0584

Mag. Dr. phil. Andrea Kobleder

Institut für Angewandte Pflegewissenschaft IPW-FHS FHS Sankt Gallen Hochschule für Angewandte Wissenschaften Rosenbergstrasse 59 9000 St. Gallen andrea.kobleder@fhsg.ch

Was war die größte Herausforderung bei Ihrer Studie?

Die Zusammenführung der Ergebnisse aus den vier Einzelstudien zum Konzept.

Was wünschen Sie sich bezüglich der Thematik für die Zukunft? Eine Harmonisierung von Lehr- / Studiengängen, die derzeit zum Thema APN angeboten werden sowie systematisch durchgeführte APN-Rollenentwicklungen, -implementierungen und -evaluationen.

Was empfehlen Sie zum Weiterlesen/Vertiefen?

Bryant-Lukosius et al. (2016). Framework for Evaluating the Impact of Advanced Practice Nursing Roles. Siehe Literatur.

Wie erleben alte Menschen einen Schlaganfall?

Elke Steudter Stroke – die unbestimmbare Krankheit

Erleben von alten Menschen in der Schlaganfall-Akutphase

2020. 272 S., 8 Abb., 10 Tab., Kt € 39,95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-456-85951-4 Auch als eBook erhältlich

Wie erleben alte Menschen einen Schlaganfall in der Akutphase? Wie gehen sie mit der Unbestimmbarkeit des zukünftigen Lebens um?

Ein Schlaganfall oder „Stroke“ verunsichert betroffene Menschen existenziell und löst ein starkes Gefühl der Unbestimmbarkeit des zukünftigen Lebens aus. Einzelne Betroffene beschreiben ihr Erleben mit den Worten „Mein Hirn hat sich selbst nicht begriffen“. Diese erste pfl egewissenschaftliche Studie zum Stroke beschreibt und analysiert Erfahrungen von Personen, die einen Schlaganfall erlitten haben. Zum Zeitpunkt der Studie waren die Teilnehmenden über 60 Jahre alt und in der Akutphase der Krankheit. Die Autorin arbeitet zentrale, übergeordnete Erfahrungen mit Hilfe der Grounded Theory Methode heraus und gibt Empfehlungen, wie der Erfahrung der Unbestimmbarkeit bei Menschen nach einem Stroke in der Pfl egepraxis, -wissenschaft und -lehre begegnet werden kann.

www.hogrefe.com

Originalarbeit

Die Betreuung von Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus aus Sicht des Behandlungs- und Betreuungsteams

Eine qualitative Studie

Melanie Burgstaller1,2 , Susi Saxer1, Hanna Mayer2, Adelheid Zeller1

Editor‘s Choice

1Institut für Angewandte Pflegewissenschaft IPW-FHS, Fachhochschule St.Gallen 2Institut für Pflegewissenschaft, Universität Wien

Zusammenfassung: Einleitung: Um der Komplexität der Betreuungssituation von Menschen mit Demenz im Krankenhaus gerecht zu werden, ist es erforderlich, bedürfnisgerechte Interventionen zu entwickeln. Dabei sollte die Sichtweise aller für die Situation relevanten Personengruppen miteinbezogen werden, unter anderem auch die Sicht der Betreuungsteams. Ziel: Diese Studie untersuchte, wie sich die Betreuung von Menschen mit Demenz innerhalb der strukturellen Gegebenheiten in drei Schweizer Zentrumspitälern aus Sicht der Betreuungsteams gestaltet. Methode: Es fanden drei Fokusgruppeninterviews mit Teams (bestehend aus Ärztinnen / Ärzten, Pflegenden und Therapeutinnen /Therapeuten) statt. Die Datenanalyse erfolgte mithilfe der Inhaltsanalyse nach Mayring. Ergebnisse: Insgesamt nahmen 20 Fachpersonen teil. Drei Hauptkategorien ließen sich identifizieren: „Menschen mit Demenz konfrontieren das Krankenhaussystem“, „Das Krankenhaussystem wird Menschen mit Demenz nicht gerecht“ und „Notwendige Veränderungen erfolgen innerhalb des Krankenhaussystems“. Es wird deutlich, dass es innerhalb des Krankenhaussystems nicht vorgesehen ist, auf spezifische Bedürfnisse von Menschen mit Demenz einzugehen. Die Teams sehen sich gezwungen, ihre Zusammenarbeit zu verstärken. Dies geschieht unsystematisch und mit wenig Unterstützung durch das System. Schlussfolgerung: Es erscheint essenziell, die Initiative der Teams zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Betreuung von Menschen mit Demenz systematisch zu unterstützen. Bei der Entwicklung von Interventionen sollte die Teamzusammenarbeit als ein Hauptaspekt berücksichtigt werden. Schlüsselwörter: Demenz, Akutkrankenhaus, Betreuungsteam, Zusammenarbeit, Fokusgruppen

The Healthcare Teams' Perspective on Caring for People with Dementia in Acute Hospitals: A Qualitative Study

Abstract: Introduction: To deal with the complexity of the situation of people with dementia in acute hospitals, it is necessary to develop tailored interventions. In doing so, it is important to consider the perspectives of all relevant persons, including health care teams. Aim: The aim of this study was to explore the situation of people with dementia in three Swiss acute hospitals from the perspective of health care teams. Methods: We conducted three focus group interviews with health care teams consisting of medical doctors, nurses and therapists. Data were analysed by means of summarising content analysis according to Mayring. Results: A total of 20 health professionals took part. Three main categories were identified: “People with dementia confront the hospital system”, “The hospital system fails to meet the needs of people with dementia” and “Necessary changes take place in the hospital system”. The results show a lack of intention in the hospital system to address the specific needs of people with dementia. Health care teams feel forced to intensify their teamwork. This occurs unsystematically and with little organisational support. Conclusion: It seems of paramount importance to systematically support the teams' initiatives for enhanced teamwork in caring for people with dementia. Teamwork should be considered as a key aspect when developing interventions. Keywords: Dementia, acute hospital, patient care team, collaboration, focus groups

Einleitung

Demenz ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Zudem treten Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation auf (World Health Organization, 2016). Als zentrale psychische Bedürfnisse von Menschen mit Demenz gelten Liebe, Trost, Sicherheit, Einbezug, Beschäftigung und Identität (Kitwood, 2013).

Was ist (zu dieser Thematik) schon bekannt?

Die Betreuung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus stellt für Gesundheitsfachpersonen eine besondere Herausforderung dar.

Was ist neu?

Die Teams in den Krankenhäusern sehen sich gezwungen, ihre Zusammenarbeit zu verstärken und die Koordination zwischen den Professionen zu optimieren.

Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse für die Pflegepraxis?

Die Initiative der Teams hinsichtlich einer verstärkten Zusammenarbeit systematisch zu unterstützen, scheint essenziell zu sein.

Im Jahr 2018 lebten in der Schweiz gemäß Schätzungen 151.000 Menschen mit Demenz, davon die Hälfte ohne fachärztliche Diagnose (Alzheimer Schweiz, 2018). Im Krankenhaussetting ist davon auszugehen, dass ungefähr zwanzig Prozent der Patientinnen und Patienten demenzielle Veränderungen aufweisen (Pinkert & Holle, 2012). Es hat sich gezeigt, dass ein Krankenhausaufenthalt mit negativen Konsequenzen für Menschen mit Demenz einhergeht. In einem systematischen Review wird von einem signifikanten Anstieg des Spitalaufenthalts von 6 bis 30 Tagen berichtet (Mukadam & Sampson, 2011). In einer Fragebogenerhebung berichten 54 % von 1291 informell Pflegenden von erheblichen Verschlechterungen der Demenzsymptome ihrer Angehörigen, beispielsweise verstärkte Verwirrtheit und herausfordernde Verhaltensweisen (Alzheimer's Society, 2009). Margiotta, Bianchetti, Ranieri und Trabucci (2006) berichten, dass auf einer medizinischen Akutstation 59 % der Patientinnen und Patienten mit Demenz und 13 % der Patientinnen und Patienten ohne Demenz ein Delir entwickelten. Es zeigte sich, dass Pflegende vor allem durch Wahnvorstellungen, Aggression und SchlafWachRhythmusstörungen der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus belastet sind (Hessler et al., 2018).

Ausgehend von der aufgezeigten Problematik nennt die Nationale Demenzstrategie der Schweiz die „Förderung der demenzgerechten Versorgung in Akutspitälern“ als ein Ziel (BAG und GDK, 2016). Um der Komplexität der Betreuungssituation von Menschen mit Demenz im Krankenhaus gerecht zu werden, gilt es mit einer systematischen Vorgehensweise und anhand einer Analyse der bestehenden Praxissituation Maßnahmen zu entwickeln. Dabei ist es essenziell, die Sichtweise aller für die Situation relevanten Personen miteinzubeziehen (Corry, Clarke, While, & Lalor, 2013). Als Teil eines Dissertationsprojektes werden diese Sichtweisen erhoben, um danach ein Modell für die Betreuung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus zu entwickeln. In einem ersten Schritt erfolgte die Analyse der Sichtweise der Angehörigen von Menschen mit Demenz (Burgstaller, Mayer, Schiess, & Saxer, 2018). Mit der vorliegenden Studie erfolgt im zweiten Schritt die Erhebung der Sichtweise des Betreuungsteams. Als Betreuungsteam verstehen wir im Folgenden diejenigen Gesundheitsfachpersonen, welche in die Pflege, Betreuung und Behandlung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus involviert sind. Als Definitionsgrundlage verwenden wir die von Xyrichis und Ream (2008) erarbeitete Konzeptanalyse zur Teamarbeit. Demnach besteht ein Team aus zwei oder mehrere Professionen, die eine offene Kommunikation und Informationsweitergabe pflegen, ein Verständnis für die Rolle der jeweiligen Professionen haben und gemeinsame Ziele verfolgen. Eine funktionierende Teamarbeit gilt als wichtiger Faktor einer qualitativ hochwertigen Betreuung von Patientinnen und Patienten. Das Team kann gleichzeitig Auskunft über die bestehende Praxissituation und über die Zusammenarbeit im Team geben.

Ziel

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, zu ergründen, wie sich die Betreuung von Menschen mit Demenz innerhalb der derzeitigen strukturellen Gegebenheiten in drei Schweizer Akutspitälern aus Sicht der Betreuungsteams gestaltet. Die Ergebnisse können dazu beitragen, ein Modell für die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus zu entwickeln.

Methode

Fokusgruppeninterviews dienten dazu, die Sichtweise der stationären Teams bezüglich der Versorgungs und Betreuungssituation von Menschen mit Demenz im Krankenhaus zu erheben. Diese Methode ermöglicht, unterschiedliche Sichtweisen zu erhalten (Litosseliti, 2007). Fokusgruppeninterviews bieten zudem den Vorteil, dass sich die Perspektive einer Gruppe in ihrem natürlichen Vorkommen untersuchen lässt (Palmer, Larkin, Visser, & Fadden, 2010).

Auswahl und Rekrutierung der Teilnehmenden

Zielgruppe der Erhebung waren Fachpersonen aus verschiedenen Gesundheitsprofessionen, die auf einer Station im Akutkrankenhaus zusammenarbeiten und das „natürliche“ Betreuungsteam der jeweiligen Station darstellen. Pro Station sollten je zwei bis drei Vertreterinnen bzw. Vertreter der Pflegefachpersonen und der Ärztinnen und Ärzte sowie ein bis zwei Vertreterinnen bzw. Vertreter der therapeutischen Berufe einbezogen sein. Alle Teilnehmenden sollten seit mindestens einem Jahr auf derselben Station zusammenarbeiten und eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren aufweisen. Um einen multiperspektivischen Einblick in die Praxissituation zu erhalten, waren Betreuungsteams aus chirurgischen und medizinischen Stationen involviert. Es wurden Krankenhäuser mit unterschiedlicher Größe und geografischer Verortung gewählt, um eine möglichst große Vielfalt zu gewährleisten. Von

fünf angefragten Krankenhäusern erteilten drei eine Zusage. Der Zugang zu den Teilnehmenden erfolgte über die Pflegedirektion oder die Pflegeexpertinnen, per EMail und telefonisch. In jedem Krankenhaus wurde vorab gezielt eine Station ausgewählt, die den Einschlusskriterien entsprach. Die Kontaktpersonen hielten die Teilnahme dieser Station für umsetzbar. Wir sendeten den Kontaktpersonen schriftliche und mündliche Informationen über die Studie sowie eine Kurzinformation über das Forschungsvorhaben für die Teilnehmenden. Die Kontaktpersonen informierten die Teammitglieder auf den Stationen, die sich freiwillig für eine Teilnahme melden konnten. Sie stellten jeweils eine Gruppe zusammen, die den Einschlusskriterien entsprach. Ein Arzt konnte nach seiner Zusage aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen.

Datenerhebung

Die drei Fokusgruppeninterviews fanden im Mai und Juni 2017 in einem separaten Raum der jeweiligen Krankenhäuser unter Moderation der Erstautorin statt. Eine weitere Person war als Protokollantin anwesend. Das Vorgehen folgte einem Leitfaden, der auf der aktuellen Literatur zu Herausforderungen bei der Betreuung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus basierte und in der Diskussion innerhalb des Forschungsteams entstand. Die Fragen dienten zur Orientierung und kamen je nach Diskussionsverlauf zum Einsatz. Die Interviewerin blieb während der Diskussion offen für neue Themen. Die Teilnehmenden bestimmten den Diskussionsverlauf. Als Erzählstimulus zu Beginn der Interviews waren die Teilnehmenden aufgefordert, eine Betreuungssituation mit einem Menschen mit Demenz auf ihrer Station zu schildern. Weitere Fragen zielten auf Erfahrungen und Herausforderungen, auf die Organisation der Betreuung sowie auf strukturrelevante Bedingungen. Die Interviewerin achtete darauf, dass die einzelnen Berufsgruppen zu allen Themen zu Wort kamen. Zudem betonte sie, dass die subjektive Sichtweise der Teammitglieder sowie die des gesamten Teams im Fokus steht. Eine studentische Hilfskraft transkribierte die Audioaufzeichnungen anhand vorab festgelegter Transkriptionsregeln.

Datenanalyse

Die Software MAXQDA 2018 unterstützte die Datenanalyse. Als Methode eignete sich die zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring, 2015). Diese ermöglicht, Themen mittels induktiver Kategorienbildung zu explorieren und eine möglichst gegenstandsnahe Abbildung des Datenmaterials zu gewährleisten.

Zunächst erfolgte eine Lektüre des Materials und eine Aufzeichnung erster Ideen. Anschließend gingen wir das Material Zeile für Zeile durch und paraphrasierten alle inhaltstragenden Textstellen. In einem nächsten Schritt schrieben wir die Paraphrasen auf ein einheitliches Niveau um. Dadurch entstehende bedeutungsgleiche Paraphrasen haben wir gestrichen. Resultierende Kategorien fassten wir in übergeordneten Kategorien zusammen. Die erste Kategorienbildung durch die Erstautorin diskutierten und revidierten wir mehrmals im Forschungsteam. In einem letzten Schritt prüften wir die einzelnen Kategorien hinsichtlich ihrer Beziehungen zueinander. Dieses Kategoriensystem haben wir sowohl in Forschungskolloquien mit anderen Dissertantinnen und Dissertanten als auch in der Forschungsgruppe diskutiert und adaptiert.

Ethische Überlegungen

Die Teilnehmenden erhielten vorab schriftliche Informationen über das Forschungsprojekt und konnten sich freiwillig für die Teilnahme entscheiden. Sie unterschrieben eine Einverständniserklärung. Für die Studie liegt eine Unbedenklichkeitserklärung der zuständigen Ethikkommission vor (BASECNr.: Req201700241).

Ergebnisse

In drei Schweizer Zentrumspitälern (300, 470 und 870 Betten) fand jeweils ein Fokusgruppeninterview mit dem Betreuungsteam statt. Die durchschnittliche Berufserfahrung der Teilnehmenden betrug 14,7 Jahre. Die Fokusgruppen bestanden aus vier bis acht Personen aus den unterschiedlichen Berufsgruppen. Detaillierte Angaben sind in Tabelle 1 ersichtlich.

Drei Hauptkategorien mit jeweils zwei, drei oder vier Unterkategorien ließen sich identifizieren (siehe Tab. 2). Die ersten beiden Hauptkategorien stellen dar, wie Menschen mit Demenz das Krankenhaussystem mit ihren psychosozialen Bedürfnissen und ihrem Verhalten konfrontieren. Es wird deutlich, dass die Betreuung im Krankenhaus den Menschen mit Demenz nicht gerecht wird. In der dritten Hauptkategorie wird ersichtlich, welche notwendigen Maßnahmen Gesundheitsfachpersonen zur Veränderung ergreifen.

Menschen mit Demenz konfrontieren das Krankenhaussystem

Es zeigt sich, dass die Teams bei der Betreuung von Menschen mit Demenz vor besondere, aus der kognitiven Einschränkung der Patientinnen und Patienten resultierende Herausforderungen gestellt werden.

Patientensituationen mit Unklarheiten

Die Teams beschreiben, dass bei der Aufnahme von Menschen mit Demenz im Krankenhaus Unklarheiten bestehen oder auftreten, u. a. aufgrund fehlender Informationen der überweisenden Institutionen. Hinzu kommt, dass sich Fachpersonen nicht ausschließlich auf externe Informationen verlassen können, da der Zustand in der akuten

Tabelle 1. Angaben zu den Teilnehmenden

Interview Nr. Dauer in Minuten Station Teilnehmende

1 101 Chirurgie / Orthopädie 8 Teilnehmende: y Stationsleitung Pflege (dipl. Pflegefachperson) y Stellvertretende Stationsleitung Pflege (dipl. Pflegefachperson) y 2 dipl. Pflegefachpersonen y 2 Physiotherapeuten / Physiotherapeutinnen y Leitender Arzt Orthopädie y Assistenzarzt

2 77 Medizinische Station mit geriatrischem Konsil 8 Teilnehmende: y Stationsleitung Pflege (dipl. Pflegefachperson) y Dipl. Pflegefachperson, MAS Geriatrie y Geriaterin (Konsiliarärztin) y Ernährungstherapeutin y Physiotherapeutin y Sozialdienst y Stellvertretende Chefärztin y Assistenzärztin

3 74 Medizinische Station 4 Teilnehmende: y Abteilungsleitung Pflege (dipl. Pflegefachperson) y Dipl. Pflegefachperson y Physiotherapeutin y Assistenzarzt

Tabelle 2. Haupt- und Unterkategorien

Hauptkategorien Unterkategorien Menschen mit Demenz konfrontieren das Krankenhaussystem Patientensituationen mit Unklarheiten Nicht ins System passende Bedürfnisse Das Krankenhaussystem wird Menschen mit Demenz nicht gerecht Demenzunfreundliche Strukturen und Prozesse Mangel an Ressourcen Nicht adäquat ausgebildetes und überfordertes Personal (Notwendiger) Einsatz inadäquater Maßnahmen Notwendige Veränderungen erfolgen innerhalb Einsatz individueller Lösungsstrategien durch Einzelpersonen des Krankenhaussystems Stärkung der Kommunikation im Team Träge Veränderung des Systems

Phase von der berichteten Situation abweichen kann. Die Teilnehmenden nehmen es als schwierig wahr, wenn keine Demenzdiagnose ersichtlich ist. Bei gleichzeitiger akuter somatischer Erkrankung ist eine Demenz für Fachpersonen im Spital schwer zu erkennen.

„Und fehlende Informationen von Patienten, egal ob sie aus der Häuslichkeit kommen oder aus einem Pflegeheim. Oft weiß man nicht genau, was eigentlich gelaufen ist“ (I3, A, 3, 115 – 117).

Informationen lassen sich nur erschwert erheben, vor allem, wenn Menschen mit Demenz selbst keine Auskunft mehr erteilen können. Bleiben dadurch zentrale Aspekte wie individuelle Bedürfnisse, Vorlieben, Abneigungen oder bekannte Auslöser für herausforderndes Verhalten unklar, kann dies für die Betreuung hinderlich sein.

Nicht ins System passende Bedürfnisse

Schwierige Situationen entstehen, wenn sich das Verhalten und die Bedürfnisse der Menschen mit Demenz mit dem Krankenhaussystem kaum oder gar nicht vereinbaren lassen. Die Bedürfnisse der Menschen mit Demenz nach Langsamkeit, Ruhe, Vertrautheit, Kontinuität und Beschäftigung stehen dem Krankenhausalltag gegenüber.

„Und ich denke auch so in der Alltagsgestaltung im Sinne von, dass wir sie mobilisieren, dass einfach der Alltag irgendwo eine Struktur hat. Ja, möglichst nicht so schnell. Wobei, eben das ist halt schwierig. Wenn ich acht Patienten habe, muss ich vorwärts arbeiten“ (I2, PF, 9, 385 – 388).

Menschen mit Demenz können auf die Unruhe im Krankenhaus mit herausfordernden Verhaltensweisen reagieren. Dies nehmen die Teilnehmenden als schwierig wahr. Die Teams berichten von Situationen, in denen sich Patientinnen und Patienten mit Demenz nicht an vorgegebene Regeln halten können und Maßnahmen, beispielsweise Untersuchungen oder Drainagen, nicht tolerieren.

„Oder man kommt und man möchte etwas machen. Und er will es nicht, versteht es nicht“ (I3, PF, 8, 353 – 354).

Eine weitere Herausforderung sehen die Teilnehmenden in der Heterogenität des Krankheitsbildes. Sie beschränkt die Möglichkeit, sich auf die Situation einzustellen. Ein anderer, individuellerer und spontanerer Umgang als mit Patientinnen und Patienten ohne Demenz scheint daher notwendig.

Das Krankenhaussystem wird Menschen mit Demenz nicht gerecht

Durch die starren Strukturen und eng getakteten Abläufe wird es nahezu unmöglich, die psychosozialen und individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zu befriedigen.

Demenzunfreundliche Strukturen und Prozesse

Die Teilnehmenden beschreiben das Akutkrankenhaus als „HighSpeed“Organisation. Die Unruhe, die wechselnden Betreuungspersonen und der unflexible Tagesablauf stellen sich für die Betreuung von Menschen mit Demenz als ungeeignet heraus.

„Dann kommt wieder eine neue Person, die er vielleicht nicht kennt. Wir probieren ja schon auch, Kontinuität in der Pflege herzustellen, aber das ist so schwierig bei diesem großen Personalwechsel“ (I 3, PF, 8, 368 – 369).

Ein spontaner und individueller Umgang mit Menschen mit Demenz ist im Rahmen der bestehenden Prozesse nicht vorgesehen.

„Wir haben keinen Entscheidungsprozess für das. […] Also jeder Demenzpatient ist gleich wie der akute Patient“ (I2, A, 10, 457 – 458).

Die Befragten bezweifeln, ob es in einem Akutkrankenhaus überhaupt möglich sein kann, Menschen mit Demenz entsprechend ihren spezifischen Bedürfnissen zu betreuen.

„[…] wo die Abläufe einfach so sind, wie sie sind und auch einfach der Akutmedizin geschuldet sind. Und das wird man halt schwer, also schlecht, mein' ich, verbessern können“ (I 3, A, 16, 715 – 717).

Mangel an Ressourcen

Alle teilnehmenden Teams sprechen einen Mangel an personellen und finanziellen Ressourcen an. Sie schätzen den Stellenschlüssel der Pflegefachpersonen als nicht adäquat ein. Es besteht Zeitdruck und es ist nicht möglich das Tempo an jenes der Menschen mit Demenz anzupassen.

„Dann auch der Faktor Zeit, zum Beispiel bezüglich Ernährung. Manchmal haben wir die Ressourcen nicht, dass eine Pflegeperson so lange beim Patienten sitzt. Dass er sicher, also ausreichend ernährt wird. Im Frühdienst geht das vielleicht noch, im Spätdienst wird das schon schwieriger“ (I 3, PF, 14, 614 – 617).

Eine mögliche Konsequenz ist, dass die Ressourcen der Patientinnen und Patienten nicht gefördert werden. Die Ursachenfindung für herausforderndes Verhalten ist erschwert, und den Pflegenden sowie Ärztinnen und Ärzten ist es bei Zeitmangel nicht möglich, Gespräche zu führen.

„Man hat dann diese Zeit nicht, um wirklich auf den Patienten einzugehen, man wird ungeduldig, man übergeht den Patienten“ (I 1, PF, 3, 136 – 137).

„Also nur sich hinzusetzen und Gespräche zu führen und versuchen, das irgendwie verbal zu managen. Das kann man nicht leisten aus dem täglichen Betrieb heraus“ (I 1, A,23, 1073 – 1075).

Nicht adäquat ausgebildetes und überfordertes Personal

Durch die Konfrontation mit den psychosozialen Bedürfnissen der Menschen mit Demenz wird den Teilnehmenden bewusst, dass sie nicht ausreichend ausgebildet sind. Obwohl sich einzelne Pflegende in der Betreuung von Menschen mit Demenz kompetent fühlen oder spezifisches Fachwissen aufweisen, manifestiert sich dies nicht im Team. Die Betreuung von Menschen mit Demenz kann das gesamte Team überfordern und belasten. Dies zeigt sich bei allen teilnehmenden Teams und bei allen Professionen. Die Gesundheitsfachpersonen haben den Eindruck, dass sie als Team bei der Planung von Maßnahmen zu langsam agieren.

Betreuungssituationen mit Menschen mit Demenz können eine psychische Belastung für die Fachpersonen darstellen, insbesondere bei schwierigen ethischen Situationen, wenn es darum geht, den mutmaßlichen Willen zu eruieren oder damit umzugehen, wenn Patientinnen oder Patienten notwendige Maßnahmen ablehnen.

„Viele sagen: Lassen Sie mich einfach in Ruhe! Lassen Sie mich! Oder: Ich will nach Hause! Und du weißt, du müsstest ihm jetzt ein Schema anhängen, welches wirklich wichtig wäre für die Therapie“ (I 3, PF, 8, 355 – 357).

(Notwendiger) Einsatz inadäquater Maßnahmen

Eine Strategie, um mit dem Mangel an Ressourcen umzugehen, ist der Einsatz von Personal ohne (abgeschlossene) Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf. Beispielsweise kommen auf allen befragten Stationen Sitzwachen zum Einsatz, wenn die Patientin oder der Patient herausfordernde Verhaltensweisen zeigt. Auszubildende übernehmen die Betreuung von Menschen mit Demenz, um höher qualifiziertes Personal zu entlasten. Dies sehen die Teams zwar als unterstützend, aber auch als problematisch an. Infolge des mangelnden Wissens über das Krankheitsbild kann das Verständnis für das Verhalten der Menschen mit Demenz fehlen und Ungeduld aufkommen. Der Einsatz

von gering qualifiziertem Personal kann sowohl für die betreuenden Personen als auch für Menschen mit Demenz zu Überforderung führen.

„Dann sind entweder die Lernenden mit der Situation oder der Patient mit der Betreuungsperson überfordert. Dann machst du mehr kaputt als es nutzt. Und zwar auf beiden Seiten“ (I 1, PF, 22, 1016 – 1018).

Freiheitseinschränkende Maßnahmen, zum Beispiel medikamentöse Sedierung, beschreiben die Befragten als zeitweise notwendig. Vor allem das Team der Chirurgie / Orthopädie diskutiert dies hinsichtlich postoperativer Maßnahmen und unter dem Aspekt der Sicherheit. Es sieht dies jedoch auch kritisch und bringt es häufig mit Zeitmangel in Verbindung.

Notwendige Veränderungen erfolgen innerhalb des Krankenhaussystems

Für die Teams entsteht die Herausforderung, Menschen mit Demenz innerhalb eines Systems zu betreuen, in dem die Beachtung der individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz nicht vorgesehen ist. Die Einhaltung vorherrschender Regeln, beispielsweise Richtlinien zur postoperativen Versorgung, oder starre zeitliche Abläufe würden die Betreuung von Menschen mit Demenz unmöglich machen. Deshalb sind die Fachpersonen gezwungen, bestehende Prozesse, die eigene Arbeit und die Zusammenarbeit im Team zu verändern. Die Veränderungen erfolgen unsystematisch und betreffen lediglich Teilbereiche der Versorgung.

Einsatz individueller Lösungsstrategien durch Einzelpersonen

Einzelne Gesundheitsfachpersonen suchen innerhalb des Systems nach Lösungen, um den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Demenz gerecht zu werden. Sie passen die Strukturen und Prozesse soweit wie möglich an. So versuchen sie beispielsweise, ruhige Zimmer auszuwählen oder eine Verlegung in ein anderes Zimmer zu vermeiden. Zudem gehen sie Kompromisse ein, z. B. passen sie postoperative Vorgehensweisen an, adaptieren Therapien oder brechen diese nach Abwägung im gesamten Team und mit den Angehörigen ab, wenn sie die Patientin oder der Patient nicht annimmt.

„Da findet man individuell Lösungen, die man wirklich im Fall anders entscheiden kann, als der Standard laufen würde“ (I1, PF, 8, 367 – 369).

Alle Berufsgruppen im Team achten darauf, Ressourcen frühzeitig sicherzustellen, z. B. bei der Austrittsplanung. Dabei erachten die Fachpersonen die Zusammenarbeit mit Angehörigen als essenziell, wenn auch schwierig. Der Einbezug der Angehörigen geschieht unstrukturiert und je nach Bedarf. Neben bereits eingesetzten Strategien machen sich die Teilnehmenden Gedanken über weitere Möglichkeiten, um die Betreuungssituation zu verbessern. Sie beschreiben, dass bestehende Strukturen grundlegend verändert werden müssen. Sie fordern mehr Kontinuität bei der Betreuung, weniger Zeitdruck sowie eigene Behandlungs und Betreuungspfade oder Settings für Menschen mit Demenz. Zudem benötigt das Personal mehr Wissen und Erfahrung. Aus Sicht der Teilnehmenden sind Fachpersonen mit gezielter Weiterbildung wünschenswert.

Stärkung der Kommunikation im Team

Aufgrund der schwierigen Patientensituation und bestehender Unklarheiten sehen sich die Fachpersonen gezwungen, ihre Zusammenarbeit und vor allem ihre Kommunikation zu verstärken. Sie betonen, dass ein intensiverer Austausch im Team notwendig ist, um Informationen weiterzugeben und die Patientensituation zu erfassen.

„Der Patient ist eigentlich eine gute Informationsquelle und ein Medium, mit dem man auch Informationen weitergeben kann. Das fällt beim Patienten mit Demenz komplett weg. Wir müssen alle Informationen irgendwie über die verschiedenen Mitarbeiter ständig parat austauschbar haben und uns absprechen“ (I1, A, 8, 339 – 343).

Spontane Rücksprachen und ein unstrukturierter Austausch funktionieren laut den Befragten gut. Strukturen für einen geplanten Austausch im Team bestehen kaum oder wurden sogar abgeschafft. Die Pflegefachpersonen kristallisieren sich in der Teamzusammenarbeit als zentrale Informationsquelle heraus.

„Es ging ja vorher auch um Informationsquellen. Das ist für uns in erster Linie die Pflege, die auch die Visite mit den Ärzten hat, die vielleicht Kontakt mit den Angehörigen hat“ (I 1, PT, 8, 331 – 332).

Zudem erfordert die Betreuung von Menschen mit Demenz eine Vernetzung zwischen den Professionen innerhalb und außerhalb des Krankenhauses. Als Kommunikationsmittel erweist sich eine lediglich schriftliche Dokumentation als nicht ausreichend. Nach einer Operation sprechen Physiotherapeutinnen und therapeuten, Pflegefachpersonen und Ärztinnen und Ärzte des chirurgischen / orthopädischen Teams individuell ab, inwiefern die schriftlichen Richtlinien eingehalten werden können und welche Kompromisse möglich sind. Auch die Teams der medizinischen Stationen sehen den mündlichen Austausch als eine Möglichkeit, um die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern zu verbessern.

„Und diese Nuancen, die sind oft schriftlich nicht so einfach hinzukriegen und dann braucht es manchmal Nachgespräche“ (I 1, A, 2, 82 – 83).

Die Berufsgruppen informieren sich bei Kolleginnen und Kollegen detaillierter über die Patientinnen und Pa

tienten und verbessern die Koordination im gesamten Team. Dabei ist die Zusammenarbeit mit der Geriatrie laut den Befragten bereichernd und sollte noch erweitert werden. Dies zeigt sich im Team der medizinischen Station mit geriatrischem Konsiliardienst und im Team der Chirurgie / Orthopädie, welches punktuell mit der Akutgeriatrie zusammenarbeitet.

Träge Veränderung des Systems

Entwicklungen im Krankenhaussystem, die auch längerfristig zu einer adäquaten Betreuung beitragen könnten, erfolgen aus Sicht der Befragten nur langsam. Fortbildungen zum Thema Demenz und Delir, die Ausarbeitung von Pflegekonzepten und der Ausbau der Akutgeriatrie bzw. des geriatrischen Konsiliardienstes stellen Beispiele für diese Entwicklung dar.

Diskussion

Diese Studie zeigt die Sichtweise der Betreuungsteams in drei Schweizer Spitalern hinsichtlich der Betreuung von Menschen mit Demenz. Die beiden Hauptkategorien „Menschen mit Demenz konfrontieren das Krankenhaussystem“ und „Das Krankenhaussystem wird Menschen mit Demenz nicht gerecht“ machen deutlich, dass Menschen mit Demenz die Teams im Krankenhaus vor besondere Herausforderungen stellen. Durch die Konfrontation des Krankenhaussystems mit Menschen mit Demenz, die sich nicht in das bestehende System einordnen, zeigt sich, dass die Beachtung der jeweils individuellen Bedürfnisse der Menschen mit Demenz im Krankenhaussystem nicht im Zentrum steht. Diese Situation und die auftretenden Problemstellungen bestehen in allen teilnehmenden Teams der drei Spitäler. Studien mit ähnlichen Fragestellungen und mit einem Fokus auf die Sichtweise einzelner Gesundheitsfachpersonen zeigen ebenso, dass diese Fachpersonen die Krankenhausumgebung als ungeeignet für die Betreuung von Menschen mit Demenz ansehen (Baillie, 2012; Houghton, Murphy, Brooker, & Casey, 2016; Moonga & Likupe, 2016; Pinkert et al., 2017). Zudem erleben manche Pflegende Menschen mit Demenz im Krankenhaus als störend (Eriksson & Saveman, 2002; Pinkert et al., 2017) und inadäquate Interventionen kommen zum Einsatz. Freiheitseinschränkende Maßnahmen erfolgen vor allem, wenn das Personal zu wenig Zeit hat (Houghton et al., 2016). Diese Ergebnisse zeigen sich auch in der vorliegenden Studie: Aufgrund mangelnder Ressourcen wenden Gesundheitsfachpersonen Maßnahmen an, die sie selbst als nicht optimal ansehen, unter anderem freiheitseinschränkende Maßnahmen. Dies hat negative Konsequenzen für Patientinnen und Patienten. Es können dadurch Gefühle wie Hilflosigkeit, Angst und Frustration auftreten. Zudem kann es zu akuten Verwirrtheitszuständen kommen (Bower, McCullough, & Timmons, 2003). Für die Gesundheitsfachpersonen können sich dadurch ethisch herausfordernde und belastende Situationen ergeben – vor allem, wenn sie nicht adäquat ausgebildet sind (Eriksson & Saveman, 2002; Houghton et al., 2016). Diese Aspekte finden sich auch in den dargestellten Ergebnissen wieder. Pinkert et al., 2017) beschreiben in diesem Zusammenhang eine Unsicherheit der Pflegenden, auf die sie mit unterschiedlichen Strategien reagieren, beispielsweise mit striktem Verharren in bestehenden Routinen bis hin zur Etablierung einer patientenorientierten Pflege. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen in der dritten Hauptkategorie „Notwendige Veränderungen erfolgen innerhalb des Krankenhaussystems“ ebenso den Einsatz individueller Lösungsstrategien.

Hier weisen die Resultate auf einen neuen Aspekt hin: Gesundheitsfachpersonen sehen sich gezwungen, die Kluft zwischen Krankenhausstrukturen und Bedürfnissen der Menschen mit Demenz zu überbrücken. Dies könnte aus einer ethischen Verantwortung heraus geschehen. Gesundheitsfachpersonen fühlen sich möglicherweise berührt durch die Vulnerabilität der Menschen mit Demenz und versuchen, eine möglichst würdevolle Betreuung bereitzustellen (Bryon, Dierckx de Casterlé, & Gastmans, 2012). Gleichzeitig zeigen die vorliegenden Ergebnisse aber auch die schlichte Notwendigkeit, Menschen mit Demenz durch das System zu lotsen. Dabei sehen die Gesundheitsfachpersonen es als zentral an, ihre Zusammenarbeit und Kommunikation zu stärken, wobei dies unsystematisch und auf Eigeninitiative der Teams geschieht. Eine funktionierende Teamarbeit gilt als wichtiger Faktor für eine qualitativ hochwertige Betreuung von Patientinnen und Patienten (Xyrichis & Ream, 2008). Als zentrale Attribute von Teamarbeit unter Gesundheitsfachpersonen nennen Xyrichis und Ream (2008) gemeinsame Anstrengungen, gemeinsame Entscheidungsfindung und Interdependenz in der Zusammenarbeit. In den vorliegenden Ergebnissen findet sich die gemeinsame Anstrengung hinsichtlich eines Ziels der Teammitglieder: Einen Menschen mit Demenz mit möglichst wenigen Komplikationen durch den Krankenhausaufenthalt zu begleiten. Die Teams arbeiten insofern verstärkt zusammen, als sie sich vermehrt austauschen und besser vernetzen. Eine gemeinsame Entscheidungsfindung lässt sich in den Ergebnissen in Grundzügen erkennen. Der Anlass für Interdependenz in der Zusammenarbeit ist nach D'Amour und Oandasan (2005) die Patientin oder der Patient selbst. Die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten bestimmen die Interaktionen zwischen den Gesundheitsfachpersonen. Dies unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse.

Zudem ist in der Literatur zur Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich die Wichtigkeit der organisationalen Prozesse beschrieben. Führung gilt als ein Schlüsselelement, ebenso systematisierte Prozesse (D'Amour & Oandasan, 2005). In den vorliegenden Ergebnissen geschieht die Zusammenarbeit bei der Betreuung von Menschen mit Demenz jedoch unsystematisch. Somit genügen die Betreuungs und Behandlungsteams den Forderungen eines Teams hinsichtlich der Betreuung und Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Demenz nur teilweise.

Limitationen und Stärken

Im Rahmen von Fokusgruppeninterviews hatten die Teams die Gelegenheit, gemeinsam über Betreuungssituationen von Menschen mit Demenz auf ihrer Station zu diskutieren. Dadurch war es möglich, bisherige Ergebnisse zur Perspektive von einzelnen Gesundheitsfachpersonen um neue Sichtweisen zu erweitern. Die Hierarchie in den Teams – sowohl zwischen als auch innerhalb der Professionen – ist hierbei jedoch als mögliche Limitation zu sehen. Es gilt zu beachten, dass die gewählte Art der Datenerhebung das Risiko sozial erwünschter Antworten erhöhen kann. Ein Hinweis darauf könnte sein, dass die Teilnehmenden vor allem positive Merkmale der Zusammenarbeit thematisierten. Gleichzeitig war jedoch zu beobachten, dass sich alle Teilnehmenden aktiv einbrachten. Obwohl sich die Kategorien durch die reichhaltigen Daten aus den drei Interviews fundieren ließen, ist es nicht möglich, von einer Datensättigung auszugehen.

Schlussfolgerung

Eine verstärkte Zusammenarbeit der Professionen scheint für eine verbesserte Betreuung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus essenziell zu sein. Sie ist bislang jedoch nur in Ansätzen vorhanden und entwickelt sich unsystematisch bzw. spontan im Verlauf des Krankenhausaufenthalts. Es ist daher unerlässlich, die Förderung der Teamzusammenarbeit in zukünftigen Interventionen oder Modellen zur Betreuung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus als einen Hauptfaktor zu berücksichtigen. Die Entwicklung und Testung von interprofessionellen Interventionen und Schulungskonzepten sowie der Auf und Ausbau von Strukturen für den gemeinsamen Austausch und die Entscheidungsfindung sind als konkrete Maßnahmen denkbar.

Literatur

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Historie

Manuskripteingang: 31.01.2019 Manuskript angenommen: 20.08.2019 Onlineveröffentlichung: 28.10.2019

Förderung

Stiftung Pflegewissenschaft Schweiz

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