HKB Zeitung 1/18

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HKB-Zeitung

Thema: Kulturerbe   4 «Art Is What We Do. Culture Is What Is Done To Us»: Gesprächsrunde mit Valérie Knoll, Valerian Maly, Susanne Bieri und Stefan Humbel   6 Meret Ernst: Grafikdesign als Kulturerbe – Interview mit Robert Lzicar

N°1/2018 Hochschule der Künste Bern HKB

März — Mai 4 × jährlich

HKB aktuell | Agenda Roland Fischer: Schwarze schrumpelige Streifen

16 Helen Lagger: Eine App zum Schutz von Kunst

21 Das HKB-Highlight im Frühling: Forschungsapéro 2018

24 HKB Agenda: März – Mai 2018

10 Andi Schoon: Inszenierte Dokumente

18 Krystin Buck / Luca Meier: Kentaur im Kirchenfeld

22 Ausgezeichnet! Interview mit Leo Hofmann

27 Der Bachelorstudiengang Konservierung stellt sich vor

12 Manuel Bärtsch: Blüthner 1882

19 Pablo Jakob: L’illusion d’une brise

23 Neu an der HKB HKB-Absolventin im Fokus: Gianna Molinari Zu Gast: A.L. Steiner und Lise Soskolne

28 Schaufenster –  Arbeiten aus der HKB

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14 Helen Lagger: Von Serpenten und Trompeten


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— 2018 ist das europäische Jahr des ­Kulturerbes. Die Schweiz, unter Federführung des Bundesamts für Kultur und unter dem Patronat von Bundesrat Alain Berset, bringt sich aktiv ein und will damit auf die «fundamentale Bedeutung des Kulturerbes für das gesellschaftliche Leben» aufmerksam machen. Schau hin! – #Kulturerbe2018 heisst die entsprechende Kampagne. So auch die Hochschule der Künste Bern. Mit dem Fachbereich Konservierung und Restaurierung ist die HKB intrinsisch mit Fragen des Kulturerbes verbunden. Die HKBForschung dringt in die Tiefe und arbeitet an und mit Kulturobjekten. In dieser HKB-Zeitung leuchten wir verschiedene Facetten und Beispiele von Kultur­ erbe aus – von der Fotografin Anja Schori in Szene gesetzt – und stellen die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kulturerbe und Kunst­produktion. Lesen Sie hier, was die Archive des Ephemeren, die Birkenrinde und der Blüthner 1882 mit Kulturerbe zu tun haben – und auch, wer diese Kulturgüter hegt und pflegt.

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THEMA KULTURERBE

CHRISTIAN PAULI

Leiter Redaktion HKB-Zeitung

PS: Kulturerbe, ein gemeinsames Gut. Für wen und warum? –  Unter diesem Titel findet am 15. /16. März in Biel ein hochkarätig besetzter Kongress statt, der von der HKB und dem BFH-Zentrum Arts in Context mitorganisiert wird. Mehr Informationen dazu auf Seite 24.

PPS: Dieser HKB-Zeitung liegt La Liesette Littéraire bei. Wir freuen uns, die zweisprachige Anthologie des Schweizerischen Literaturinstituts in unserem Bunde zu begrüssen. Mehr dazu nach Seite 28. (drei)


INTERVIEW Christian Pauli FOTOS Anja Schori

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Kulturerbe zwischen Politik und Kunst: In einer Gesprächsrunde mit vier Praktikerinnen und Praktikern der Kunstarchivierung leuchtet die HKB-Zeitung das Feld Kulturerbe aus unterschiedlicher Perspektive aus – ein Roundtable mit Stefan Humbel, Programmation Lichtspiel / Kinemathek Bern, Dozent HKB; Susanne Bieri, Leiterin Graphische Sammlung Schweizerische Nationalbibliothek; Valerian Maly, PANCH Performance Art Netzwerk Schweiz – Living Archives, Dozent HKB, und Valérie Knoll, Direktorin Kunsthalle Bern.

Eine Meldung aus der Schweiz vom letzten Juli erregte selbst im Ausland Aufsehen: Techno ist nun offiziell ein Kulturerbe. Das ging so: Mit dem Beitritt zum UNESCO-Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes verpflichtete sich die Schweiz, ein Inventar des immateriellen Kulturerbes in der Schweiz zu erarbeiten – und dieses periodisch zu aktualisieren. Eine erste Fassung des Inventars wurde 2012 unter dem Titel Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz publiziert. Diese Liste ist letztes Jahr aktualisiert worden – u.a. mit den zwei Eintragungen Zürcher Technokultur und Open-Air-FestivalKultur. Was ist Kulturerbe? MALY Spätestens seit den Wahlen in Österreich ist es mit der Kultur und dem Erbe schwierig geworden. Ich habe das Parteiprogramm der FPÖ, aber auch der AfD und der SVP studiert. Auf drei Seiten wird der Begriff Kultur bis zu 92-mal verwendet. Das ist viel – viel zu viel; vor allem in einem Sprachgebrauch, dem ich mich nicht zugehörig fühle. Ich find’s gerade richtig schwierig, mich als Kulturproduzent zu sehen. «Art Is What We Do. Culture Is What Is Done To Us», beschrieb der US-amerikanische Künstler Carl Andre die Spannung zwischen Kunstschaffenden und Kulturproduzenten. BIERI Kultur basiert auf einer gesellschaftlichen Konvention, die sich laufend verändert. Kultur und auch Kulturerbe lassen sich deshalb nie abschliessend definieren. Man kann sich den Begriffen nur annähern. Als Vertreterin einer öffentlichen Institution muss ich bestrebt sein, den Begriff für die Praxis zu definieren. Mir stellt sich die Frage: Was ist das Kulturerbe dieses Landes? Im Falle der Nationalbibliothek dreht sie sich um schriftliche Nachlasskultur, bei mir als Leiterin der Graphischen Sammlung steht das Visuelle im Vordergrund. Die Frage lautet: Was wollen wir unserer Nachwelt kulturell hinterlassen? Die Ursprungskonvention der Nationalbibliothek wurde vor 125 Jahren aufgrund der Initiative einer Einzelperson getroffen, interessanterweise eines Dialektforschers – in der Nationalbibliothek war und ist also auch das immaterielle Erbe als Motiv angelegt. Weil Kultur ein Spielball der Politik ist, ist auch die Vorstellung von Kulturerbe schwierig? KNOLL Auch bei mir löst das Begriffspaar Kultur und Erbe eine negative Assoziation aus. Kulturerbe archivieren verbinde ich mit konservativen Werten wie Beständigkeit, Tradition, Bewahrung. Das Gegenteil meiner Tätigkeit. Als Direktorin der Kunsthalle habe ich keine Sammlung zu betreuen, sondern bewege mich als Kuratorin zeitgenössischer Kunst in einem Feld des Spekulativen. Ich blicke weniger zurück, als dass ich nach vorne schaue. Gleichzeitig: Wir haben in der Kunsthalle ein umfangreiches Archiv, dem besonders hinsichtlich des 100-jährigen Bestehens eine grosse Bedeutung zukommt. In diesem Archiv sind aufregende und aufschlussreiche kunsthistorische Momente von internationaler Tragweite dokumentiert. Dieses

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“ART IS WHAT WE DO. CULTURE IS WHAT IS DONE TO US˝

Archiv bringt eine Verantwortung mit sich. Diese Aufgabe übernehme ich, indem wir bessere konservatorische Bedingungen schaffen, das Archiv für die Zukunft sicherer machen und uns mit den Inhalten beschäftigen, Teile davon der Öffentlichkeit zeigen. HUMBEL Konservierung und Konservatismus klingen sehr ähnlich, können aber sehr unterschiedlich interpretiert werden. Ich leite vom Wort Erbe zwei Situationen ab: Jemand übergibt etwas jemandem, der oder die es übernimmt. Die gute Erbin, der gute Erbe geht damit eine Verpflichtung ein, wird in die Verantwortung genommen. Dies kann Bauchweh verursachen. Ein Erbe fällt aber auch einfach zu. Dieses Zufallen muss lustigerweise

«KONSERVIERUNG UND KONSERVATISMUS KLINGEN SEHR ÄHNLICH.» STEFAN HUMBEL

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weder rein zufällig noch irgendwie schicksalhaft sein. Das ist dann vielleicht eher ein Angebot, eine Möglichkeit, die der Erbe, die Erbin auch gestalten kann, mit der er oder sie arbeiten kann. Dieser zweite Fall interessiert mich – und macht mir viel weniger Bauchweh. Nochmals zur Street Parade: Kulturgut oder nicht? KNOLL Als Kulturerbe ist die Street Parade noch ein bisschen sehr jung, der Kulturerbestatus wirkt da etwas muffig. Überhaupt Techno und die vielen Unterarten. Warum soll die Schweiz da einen Sonderstatus beanspruchen? Es gab die Love Parade in Berlin und in vielen anderen Teilen der Welt ähnliche Erscheinungen. Diese UNESCO-Kulturerbe-Verleihung befeuert halt das Standortmarketing: Jede Stadt möchte sich mit einzigartigen Besonderheiten profilieren. Für Zürich repräsentiert die Street Parade Offenheit und grossstädtisches, zeitgenössisches Flair, gute Werbung. Die Street Parade als Kulturerbe zu titulieren, ist eine Setzung. Junge, massentaugliche Unterhaltungskultur wird gleichsam offizialisiert. Wie sehen Sie, Susanne Bieri, als quasi offizielle Kulturhüterin, dies? BIERI Meine Aufgabe ist, die Gegenwart für die Zukunft zu sammeln. Wir sammeln aktiv kaum retrospektiv. So gesehen ist meine Tätigkeit ähnlich der von Valérie Knoll gewissermassen spekulativ. Ich bin eher eine Kulturproduzentin für die Zukunft. Das mit der «offiziellen» Technokultur sehe ich recht entspannt. Die Entscheidung wurde ja nicht demokratisch getroffen, sondern von einer Kommission, die ein bestimmtes Interesse verfolgt. Die Setzung ist zudem auch Ausdruck davon, dass die Schweiz internationale Kunst- und Kulturströmungen immer schon gern und gut aufgenommen hat.

«KULTURERBE ARCHIVIEREN VERBINDE ICH MIT KONSERVATIVEN WERTEN WIE BESTÄNDIGKEIT, TRADITION, BEWAHRUNG. DAS GEGENTEIL MEINER TÄTIGKEIT.» VALÉRIE KNOLL


BIERI

ich erinnert die Beschweizerung der Street Parade an ein M anderes Phänomen: Ländler als Schweizer Innovation zu bezeichnen, ist ebenso absurd. Ländler hat ja mit der Musik vom Lande, mit Volksmusik nicht viel zu tun, er ist eine Clubmusik aus dem Zürcher Niederdorf der 20er-Jahre ... ... und wurde definiert von einer Bourgeoisie und nicht von denen, die sie produziert haben. Ich will damit sagen: Man muss jene, die definieren, immer genauer anschauen als das, was sie definiert haben.

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ihr Kunst oder deren Aufbewahrung? So finden wir uns in der doch recht perfiden Situation wieder, dass wir uns scheinbar entscheiden müssen. Ich glaube: Das Dilemma müsste nicht sein, oder anders: Die Frage ist falsch gestellt. Ich kann zu beidem Ja sagen. KNOLL Die Kunsthalle wird für ihre Ausstellungspraxis finanziert. Das heisst, wir mussten die Gelder für unsere archivarische Arbeit erst organisieren. Rückblickend kann ich sagen: Es war einfacher, Gelder für die Digitalisierung des Archivs zu finden, als es für Ausstellungsarbeit ist. Es ist also einfacher, Geld zu beschaffen für das Bewahren als für das Produzieren? KNOLL Im Moment auf jeden Fall. BIERI Ich beobachte das auch. Die seit einigen Jahren herrschende Politik definiert Kultur zunehmend als etwas nur Bewahrendes, gefördert werden soll, was definiert und so schubladisiert werden kann, was nicht mehr stört und schon gestorben ist. Und dann hat uns die Digitalisierungswut ergriffen: Alles muss digitalisiert werden, auch Dinge, die aufgrund der schieren Datenmengen oder der Bedeutung schlicht nicht digitalisiert werden können oder sollten. Man stelle sich dies bei der Graphischen Sammlung vor, die rund 1,2 Millionen Einheiten Bilder und Dokumente umfasst. Politik und Öffentlichkeit drängen uns, alles zu digitalisieren, und bestimmen so einen gesellschaftlichen Konsens. Was auf der Strecke zu bleiben droht, ist fachliche Beurteilung, die Bewertung von Kulturgütern. Verstehe ich Sie richtig: Sollten wir für das Produzieren von Kultur gegen die Bewahrung kämpfen? MALY Nein. Wir sollten aber verstehen, dass beides eng zusammengehört. Gerade in der zeitgenössischen Kunst ist das Archivieren

«MAN MUSS JENE, DIE DEFINIEREN, GE­NAUER ANSCHAUEN ALS DAS, WAS SIE DEFINIERT HABEN.» SUSANNE BIERI

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MALY

«IN DER ZEITGE­NÖSSISCHEN KUNST IST DAS ARCHIVIEREN TEIL DER PRAXIS GEWORDEN.» VALERIAN MALY

Teil der Praxis geworden. Gerade mit Medien wie der Fotografie, dem Film ist das Archivieren ja intrinsisch in der Praxis eingeschlossen. KNOLL Was mir mehr Kopfzerbrechen bereitet, ist die Digitalisierung. Wir sind mit einem Bedeutungsverlust konfrontiert. Die Frage, was kulturell wichtig ist, ist enorm schwierig geworden. BIERI Die Library of Congress in Washington, die Bibliothek mit dem grössten Bücherbestand der Welt, hat kürzlich vermeldet, dass sie ab 2018 nicht mehr alle öffentlichen Tweets archivieren werde. Was die Frage ausgelöst hat, welche Tweets denn zu sammeln wären. Zum Schluss, nach dieser überraschend politischen Debatte: Müsste man zu Kulturerbe nicht auch mal Nein sagen können? HUMBEL Das kann man nicht beantworten. Mir scheint es wichtig zu sagen: Produzieren und Bewahren gehören zusammen, sie sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ein Aspekt kam mir zu kurz, der mir im Lichtspiel aufgefallen ist: Wir sammeln Material, auch wenn wir noch nicht wissen, was wir damit machen sollen. Denn es kann plötzlich und immer passieren, dass gesammeltes Material Grundlage für etwas Neues wird. Diesen Luxus, etwas aufzubewahren, solange es noch da ist und etwas anderes nicht verdrängt, sollten wir uns leisten und leisten wollen, das ist auch unsere Aufgabe als Kulturschaffende. Irgendeinmal aber ist wahrscheinlich jedes Archiv voll. Wir können nicht alle Tweets aufbewahren, es geht einfach nicht. HUMBEL Das ist relativ. Wenn jemand eine Arbeit aus Tweets vorlegt, und diese Arbeit ist extrem stark, dann findet sich niemand, der oder die sagen würde: Diese Arbeit wollen wir nicht, weil Tweets wollen wir nicht. BIERI Wir können in der Geschichte etwas zurückgehen. Ursprünglich wurden staatliche Archive vom Archont betreut, der gleichzeitig auch oberster Rechtsprecher war, er hatte eine obrigkeitsunabhängige Sonderstellung. Diese Gewaltentrennung hält der Staat offenbar nach wie vor für zentral: In Archiven, Bibliotheken, Sammlungen öffentlicher Institutionen werden weiterhin Einzelpersonen als Konservatorinnen und Konservatoren eingesetzt und beauftragt, Archivierungs-und Sammelentscheide zwar auf Gesetzen basierend, letztlich aber subjektiv zu fällen und stellvertretend für den Staat Kulturerbe zu definieren.

Valérie Knoll Valerian Maly Susanne Bieri Stefan Humbel

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Wer Kulturerbe sammelt, definiert damit auch die Kultur. HUMBEL Richtig. Und genau darum piekt uns das Thema. Den Ländlerkapellen oder Techno-DJs hingegen ist es vermutlich relativ egal, wenn sie als Kulturerbe bezeichnet werden. Sie wollen einfach eine gute Party haben. Von einer Profilierung via Kulturerbe können sie auch profitieren. Ich kann mir vorstellen, dass die Gründergeneration der Street Parade gar nicht so Freude hat, dass ihr Kind nun Kulturerbe geworden ist. Anders gefragt: Was hat das Archivieren von Kunst für eine Auswirkung auf die Kunst selber? BIERI Das Ernennen von Kulturerbe hat oft interessante Bedeutungsverschiebungen zur Folge. Als ich für die Graphische Sammlung der Nationalbibliothek zu arbeiten begann, hat uns der Künstler Daniel Spoerri sein Archiv offeriert. Spoerri verfügt über ein riesiges Künstlernetzwerk und verkörpert selber zahlreiche neue Kunsttendenzen. Viele Werke von Spoerri – Stichwort Eat-Art – sind ephemer, Kunst, die entsteht und vergeht. Wir haben das Archiv also übernommen. Nun mühen wir uns seit Jahren intensiv ab damit, unter anderem Objekte aus Fett, aus Schokolade konservatorisch zu erhalten. Somit sind Kunstwerke, die von den Initiantinnen und Initianten nicht zum Erhalt gedacht waren, bei uns nun zu Dokumenten des Kulturerbes geworden. Stichwort: Archive des Ephemeren. Manche Kunst ist nicht geeignet, gesammelt zu werden. Improvisierte Musik, Performancekunst ... MALY Das mag in der Tat ein Widerspruch sein. Aber interessanterweise hat gerade die Performancekunst ihre Archivierung von Anfang an mitgedacht. Ihre Bedürfnisse, sich zu dokumentieren, sind sehr vielschichtig. Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass Augenzeugenberichte das geeignete Format sind, um die multiperspektivischen Performanceprojekte zu dokumentieren. Die Archive des Ephemeren stellen genau diese Fragen: Was passiert mit Archiven, die Künstlerarchive oder wilde Archive sind, also eigentlich selbst schon Kunst? KNOLL Die Archivierung der Performancekunst begann in den 60erJahren. Die US-amerikanische Performerin Trisha Brown etwa liess ihre Performances fotografisch dokumentieren. Aus der Dokumentation augenblicklicher Aufführungen entwickelte sich über die Jahre ein Werkstatus. Das finde ich interessant: Gerade schwarz-weisse Fotografien von längst vergangenen Kunsthappenings geniessen heute grosse Beliebtheit. Man kann sie als Zeichen einer retrospektiv geprägten Kulturbetrachtung sehen. Wie ist das in der Kunsthalle? Die Kunsthalle feiert heuer 100 Jahre. Sie verwalten am Helvetiaplatz ein schwergewichtiges Erbe. Hat das Erbe an Gewicht zugelegt? KNOLL Auf jeden Fall. Angesichts des Jubiläums 100 Jahre Kunsthalle haben wir unser Archiv bewusster wahrgenommen. Wir haben realisiert, wie wichtig das Archiv für viele Künstlerinnen und auch akademische Forscher ist. Wir haben die Arbeit an unserem Archiv intensiviert und zum Beispiel extra eine Stelle geschaffen. Im Moment arbeiten wir intensiv an der Digitalisierung des Archivs. Eine Eigenheit des Kunsthallearchivs ist, dass sich seit 1918 jeder Direktor der Kunsthalle sehr genau und sehr spezifisch mit der Dokumentierung seiner Arbeit befasst hat. Und da haben wir halt auch ein paar grosse Namen, die ihre Spuren im Archiv hinterlassen haben: Harald Szeemann etwa, der ganz einfach als berühmtester Kurator weltweit gilt. Szenenwechsel: Das Kino Lichtspiel geht von einem zugefallenen Kulturerbe aus und arbeitet kuratorisch damit. Wie ist im Lichtspiel das Verhältnis zwischen Kulturerbe und Kunstproduktion? HUMBEL Ich verstehe die Bedenken, dass Archivarbeit die kuratorische Arbeit behindert, nicht wirklich. Im Lichtspiel haben wir Teile oder Zeugnisse der Film- und Kinogeschichte geerbt, vielleicht so wie ein Legat. Und mit diesem Erbe arbeiten wir. Das Verhältnis zwischen Erbe und Produktion ist ganz eng und umschlungen, kein Gegensatz. Es gibt aber ein Dilemma, in das uns die Kulturförderung immer wieder hineinstellt: Wollt

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VIER ARCHIVE

Das Archiv der Kunsthalle Bern umfasst eine Papier-, Schriften-, Foto-, Video- und Filmsammlung. Archiviert wird seit Gründung der Kunsthalle im Jahr 1918. Zurzeit sind in der Kunsthalle rund 200 000 Papierdokumente, 8000 Fotografien und 300 Videos archiviert. Im Rahmen des 100-jährigen Bestehens wird das Archiv derzeit digitalisiert. Die Graphische Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek wurde 1895 gegründet und sammelt im Auftrag der Nationalbibliothek grafische Informationsträger, die das kulturelle, soziale, politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Leben der Schweiz dokumentieren. Besondere Bedeutung kommt den Künstlerarchiven – etwa Daniel Spoerri, Karl Gerstner, Johannes Gachnang – zu. Die Graphische Sammlung umfasst rund 1,2 Millionen Bilddokumente. Als Kinemathek sammelt das Lichtspiel seit 2000 kinematografisches Material – von Experimental- und Animationsfilmen über Werbungen, Dokumentationen und Filmwochenschauen bis zu Musikclips, vom Filmposter über Kameras bis zum Projektor. Zugleich ist das Lichtspiel ein Filmkompetenzzentrum. Kernstück der Sammlung sind rund 25 000 Filme. In Vorbereitung zu einem Werkbuch des Kantons Bern arbeitet Valerian Maly derzeit das Archiv des BONE Performance Art Festival Bern auf. Zusammen mit PANCH, dem Performance Art Netzwerk Schweiz, und mit Unterstützung des Bundesamts für Kultur initiiert Maly die Vernetzung digitaler sowie analoger Archive der Schweizer Performance­ kunst und ephemerer Künste.

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INTERVIEW Meret Ernst *

GRAFIKDESIGN ALS KULTURERBE

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Robert Lzicar ist forschender Grafiker und leitet an der HKB den Studiengang Design. Er ist Mitinitiator des Forschungsprojekts Swiss Graphic Design and Typography Revisited.

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2015 setzte das Bundesamt für Kultur Grafikdesign und Typografie auf die UNESCO-Vorschlagsliste des immateriellen Kulturerbes der Schweiz. Wie haben Sie darauf reagiert? LZICAR Die Nomination kam wie gerufen – sie bestätigt die gesellschaftliche Relevanz unseres Forschungsvorhabens Swiss Graphic Design and Typography Revisited. Für mich als visuellen Gestalter und Designhistoriker wirft die Zugehörigkeit der Grafik zu einer Liste der lebendigen Traditionen aber auch Fragen auf. Inzwischen umfasst die aktualisierte Liste der lebendigen Traditionen 199 Positionen. Was verbindet Grafik mit dem Winzerfest in Vevey oder mit der Basler Fasnacht? Ich vergleiche Grafik eher mit dem Jodeln. Beides wurzelt in Traditionen, entwickelt sich jedoch stetig weiter. Schwieriger scheint mir die rein kulturelle Perspektive einer solchen Liste. Sie schliesst die marktwirtschaftliche Dimension aus und verstärkt das Problem, dass Grafikdesign in der Schweiz überkulturalisiert wird. Was meinen Sie damit? Grafik gehört unbestritten zur Schweizer Kultur. Als lebendige Tradition ist Grafikdesign aber auch eine ökonomische Praxis, die ebenso wichtig ist wie der kulturelle Wert der Resultate. Mich stört es, wenn sich junge Grafikdesignstudios dazu entschliessen, hauptsächlich kulturelles Kapital zu erwirtschaften, aber ungenügendes ökonomisches Wissen sie zugleich ins Prekariat treibt. Sie haben Visuelle Kommunikation in Schwäbisch Gmünd und in Zürich studiert und vor Ihrer Tätigkeit als Dozent und Forscher an der HKB ein eigenes Studio gegründet. Was bedeutet Grafik als kulturelles Erbe für Sie als Praktiker? Wenn ich einen Auftrag erhalte, recherchiere ich, wie vergleichbare Probleme gelöst wurden, knüpfe an Methoden an und entwickle so eigenständige Lösungen. Dabei geht es mir nicht um populäre Namen oder Stile, sondern um Handhabungen, um Ansätze, die man als Gestalter weiterentwickelt. Wie vermitteln Sie das den Studierenden? Die meisten bringen eine Faszination für visuelle Objekte mit. In der Ausbildung geht es darum, dass ihnen bewusst wird, warum sie was fasziniert. Wie ungebrochen diese Faszination ist, stelle ich etwa in meiner Lehrveranstaltung im ersten Semester des Bachelors Visuelle Kommunikation fest. Die Studierenden kennen keinen Kanon guter Gestaltung. Ich unterrichte dort eine betont visuelle Geschichtsschreibung und verlange, dass die Studierenden ihre Fähigkeiten in die Reflexion und in die Form, wie sie Referate präsentieren oder Arbeitspapiere gestalten, mit einbringen. Die Feier des Objekts kann überhandnehmen. Was setzen Sie dem entgegen? Die extremste Form ist das völlig dekontextualisierte visuelle Objekt in Ausgabeformaten wie Pinterest oder Instagram. Ich versuche dagegen, das Interesse für die Hintergründe zu wecken. Wieso sieht etwas so aus, wie es aussieht? Die diskursive Bedeutung des Materials erschliessen sich die Studierenden, wenn sie dafür eine Sprache finden. Das ist im Übrigen auch Teil der Berufsanforderung. In der Designgeschichtsschreibung hat Schweizer Grafik einen international anerkannten Stellenwert. Trotzdem: Was macht das Grafikdesign zu einer spezifisch schweizerischen Tradition? Dies ist auch eine zentrale Fragestellung unseres vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Sinergia-Projekts. Als Forscher untersuche ich die Auswirkungen einer nationalen Zuschreibung, die immer auch Inklusion und Exklusion bedeutet. Dies ist eine zentrale Fragestellung unseres Forschungsprojekts Swiss Graphic Design and Typography Revisited. Die Berner Fachhochschule unterstützte ein Vorprojekt, in dem wir retrospektive Ausstellungen und Publikationen zu Grafikdesign in der Schweiz kartierten. Um die Resultate in einem adäquaten Rahmen zu diskutieren, organisierten wir das Symposium Mapping Graphic Design History in Switzerland. Im Anschluss luden wir alle Vortragenden zu einem Workshop ein, um mögliche Formen der Zusammenarbeit zu evaluieren. Das Bedürfnis nach einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen über institutionelle Grenzen hinweg war erfreulich gross.

* Meret Ernst unterrichtet Designgeschichte an der HGK Basel und ist Redaktorin für Design bei Hochparterre.

Wie profitiert das Projekt von der Tatsache, dass viele der Forschenden visuelle Gestalterinnen und Gestalter sind? Geschichte ist ein Konstrukt, das gestaltet und deshalb auch als politisches Instrument vereinnahmt wird. Gerade für das Schweizer Grafikdesign ist es wichtig, entmystifizierend zu arbeiten. So spielt etwa Migration in unserem Projekt eine wichtige Rolle. Damit relativieren wir die bisherige, oft nationale Geschichtsschreibung. Das zeigt sich bereits jetzt in einzelnen Case Studies: Ideen, Lehrkonzepte sowie Exponentinnen und Exponenten wanderten immer schon ein und aus. Die Geschichte des Schweizer Designs wird so zu einer globalen. Sie zeigt aber auch, dass die Schweiz erfolgreich Personen aufnehmen und deren Wissen fruchtbar machen kann. Umgekehrt bringen Krisen auch Designerinnen und Designer dazu, das Land zu verlassen. Auch das ist Teil des kulturellen Erbes. Nutzen Sie denn spezifisch visuelle Forschungsmethoden? Wir analysieren nicht nur Kontext und Struktur etwa eines Lehrplans, sondern auch dessen Gestaltung. Denn darin stecken wichtige Aussagen. Diese gestalterische Sensibilität wenden wir natürlich auch auf die Kommunikation unserer Forschung an. Wir denken darüber nach, welche Aussage die Aufbereitung der Forschungsergebnisse macht. Das ist nicht nur Selbstzweck, sondern entsteht durch den Anspruch, dass die Ergebnisse auch von Praktikern rezipiert werden sollen. Indem Sie die Geschichte revidieren und die Resultate vermitteln, halten Sie den Transfer von Meinungen und Lösungen weiter aufrecht, arbeiten an einem lebendigen Kulturerbe. Welche Rolle spielt dabei der Kanon? Wir gehen teilweise vom Kanon aus und entmystifizieren ihn. Dabei stellen wir fest, wie gewaltig die Lücken in vermeintlich erforschten Beständen wie der Geschichte der Zürcher oder der Basler Kunstgewerbeschule sind. Noch öfter beschäftigen wir uns jedoch mit übersehenen Perspektiven auf die Schweizer Grafik. Wollten Sie von Beginn an ein forschender Grafiker werden? Als Kind zeichnete ich ungewöhnlich oft Schriftdokumente oder imaginäre Karten von Skigebieten. Mich faszinierte offenbar, wie die Linien als System zusammenhängen. Ich stamme aus einer eher bildungsfernen Familie und musste die Studienwahl Visuelle Gestaltung gegen die Bedenken meiner Eltern durchsetzen. Daneben habe ich mich für Kunst interessiert, aber als Beruf war Grafikdesign meinen Eltern besser vermittelbar. So lernte ich früh zu vermitteln, was Gestalterinnen und Gestalter tun. An der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd lernte ich das Modell des reflective practitioner schätzen. Dort war ich mit meinem Interesse an konzeptuellen Gestaltungsansätzen gut aufgehoben. Neben der praktischen Grundlehre las ich etwa Otl Aichers Die Welt als Entwurf. Wohl deshalb liegt mir die Trennung von Theorie und Praxis bis heute fern. Im Studium realisierte ich, dass ich mich mehr als andere für Theorie und Geschichte begeistere. Und irgendwann begriff ich, dass meine Fragen in die Forschung gehören. Das war die Lösung.


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I Mit «1979: Eine Art Geschichte» gestaltete der Zürcher Grafiker Hans-Rudolf Lutz eine einzigartige Beziehung zwischen Geschichte und Grafikdesign: Der erste Band zeigt eine Seite einer Zürcher Tages­ zeitung für jeden Tag des Jahres 1979; der Zweite skaliert einen rechteckigen Ausschnitt daraus auf Seitengrösse. Das Resultat ist eine visuelle Geschichte aus Zeichen und Bildern, die sowohl anonymes als auch, im wahrsten Sinne des Wortes, alltägliches Grafikdesign erschliesst. HKB -ZEITUNG

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I Die bereits konservierte Kappe des Bogenfutterals – in eher zweifelhaftem Zustand. II Detail des tiefgefrorenen Futterals, das im Gefrierdepot des Archäologischen Dienstes auf seine Bestimmung – und auf die Ergebnisse des Forschungsprojekts – wartet. III Das gut eingepackte Futteral in Johanna Klügls sorgsamen Händen.

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TEXT Roland Fischer *

SCHWARZE SCHRUMPELIGE STREIFEN

Nur nicht herumdoktern Am besten einfach wieder einfrieren. Eigentlich. Und nicht irgendwie herumdoktern. Johanna Klügl hebt die Kappe des Bogenfutterals aus einer Kiste in ihrem Atelier am Archäologischen Dienst des Kantons Bern. Wie Birkenrinde sieht das allerdings nicht aus, schwarze schrumpelige Streifen eines unbestimmten Materials, bröcklig an den Rändern. Klügl schaut nicht begeistert, die Konservatorin hat die Arbeit von zwei Kollegen in den Händen. Seit 2008 ist sie verantwortlich für das einzigartige Fundstück vom Schnidejochpass, vorher gab es in Bern keine wirklichen Expertinnen oder Experten für archäologische Funde aus organischem Material. Und so wurde ein externes Konservierungsatelier mit der Aufgabe betraut, den Fund zu sichern. Es stellte sich als keine besonders glückliche Entscheidung heraus. Klügl versucht es besser zu machen, aber dafür muss sie erst einmal besser verstehen, wie sie mit dem ungewöhnlichen Material umgehen muss. Birkenrinde ist nicht dasselbe wie Holz, in konservatorischer Hinsicht schon gar nicht. Die «Haut» der Birke hat besondere Eigenschaften, als biologische Schutzschicht ist sie wie gemacht dafür, einen Bogen einzupacken, da dieser möglichst trocken bleiben muss. Einen Vorwurf will sie ihren Kollegen nicht explizit machen, sie wussten es wohl einfach nicht besser. Aber das Stirnrunzeln verschwindet auch nicht ganz, hier wundert sich nicht die Restauratorin, sondern die Forscherin. Wenn man keine Ahnung hat – dann muss man eben versuchen, eine zu bekommen. Und inzwischen besser die Finger von den kostbaren Stücken lassen. Zwei Stockwerke tiefer, im riesigen Lager des Archäologischen Dienstes, steht ein grosses Gefrierdepot. Im Vorraum ist es kühlschrankkalt, aber richtig eisig wird es im hinteren Teil. Minus 26 Grad, nicht zu viele Leute – das heisst: Heizkörper – aufs Mal sind erlaubt da drin. Da lagern die organischen Stücke, die im Kanton Bern gefundenen abbaubaren Abfälle der Welthistorie. Tiefgekühlt halten sie sich noch ein wenig, zerfallen sie nicht gleich. Aber sehen kann sie so natürlich auch niemand. Das Schnidejoch-Futteral wurde erst einmal öffentlich ausgestellt, in der Pfahlbauerschau im Historischen Museum. Die Kühlkette wurde dafür nicht unterbrochen, im Museum stand eine Tiefkühltruhe mit durchsichtigem Deckel.

* Roland Fischer ist Wissenschaftsjournalist in Bern.

Es war eine Notlösung, die Konservatorinnen und Konservatoren möchten den Fund eigentlich gern trocknen. Aber nach der misslungenen Behandlung der Kappe ist man natürlich vorsichtig. Als Johanna Klügl die Verantwortung für das besondere Stück übernahm, war ihr rasch klar, dass sie mehr Expertise sammeln musste, bevor sie konkret ans Werk gehen konnte. Und eben da kommt die HKB ins Spiel. Nicht dass die Fachleute im Fachbereich Konservierung und Restaurierung eher Bescheid wüssten über Birkenrinde, über die Unterschiede zu profanem Holz, die antimikrobielle Schutzfunktion zum Beispiel. Aber weil an Kunsthochschulen seit einiger Zeit nicht mehr nur gelehrt, sondern auch geforscht werden darf, erwies sich die HKB als perfekte Partnerin für das Schnidejoch-Projekt. Zusammen mit Giovanna Di Pietro konnte Johanna Klügl ein dreijähriges SNF-Projekt aufgleisen, um sich die nötigen Kenntnisse zu verschaffen, mit Recherche wie mit diversen wissenschaftlichen Untersuchungen am Objekt. Ziel ist es, eine Methode zu erarbeiten, um das feuchte, vergängliche Futteral, das nicht den normalen Umgebungsbedingungen ausgesetzt werden kann, in einen trockenen und stabilen Zustand überzuführen, damit es ausstellbar wird. Di Pietro ist von Haus aus Physikerin, begann sich aber früh für den weiteren Kontext physikalischer Fragestellungen zu interessieren. Für sie ist klar, dass ihre Forschung hier ganz im Dienst der konkreten Anwendung steht: «Es gibt viel ­Materialforschung im Zusammenhang mit konservatorischen Frage­stellungen, die den Restauratoren letztlich nichts hilft.» Objekte zugänglich zu machen, ist für sie die grosse Aufgabe des Bereichs Konservierung und Restaurierung. «Einen Wert erhält ein Objekt eben auch durch die Zugänglichkeit.» Oder umgekehrt gesagt: Es einfach wegzuschliessen, macht es letztlich komplett wertlos, egal wie bedeutend es eigentlich wäre. Objekte erzählen Geschichten, und die Rolle der Restauratorinnen ist es, diese Erzählungen möglich zu machen.

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Gletscher und Eisfelder sind gute und geduldige Nachlassverwalter – wenn auch nur auf Zeit. Man kann ihnen Werkzeuge, Kleidungsstücke, auch ganze Körper anvertrauen, sie lassen sie diskret verschwinden, schliessen sie sicher weg, auch auf lange Sicht bestens konserviert. Und geben die Sachen irgendwann – nach Jahrtausenden mitunter – wieder frei. Wer hätte zu Ötzis Zeiten schon an so etwas Unwahrscheinliches wie einen menschengemachten Klimawandel gedacht. 5000 Jahre später ist er Tatsache – da ist es nur fair, dass auch die Erbverwaltung in menschliche Hände übergeht. Und damit fängt das Dilemma an. Und zwar ganz genau am 17. September 2003, für diese Geschichte. Es ist Jahrhundertsommer, im ganzen Alpenraum hecheln die Gletscherzungen. Auf dem Schnidejochpass findet eine Wanderin in einem schmelzenden Eisfeld eine seltsame Hülle aus zugeschnittenem und vernähtem Pflanzenmaterial. Die Expertinnen und Experten halten das fast perfekt erhaltene Ding zunächst für ein Artefakt, undefinierbare Folklore, zwei-, dreihundert Jahre alt höchstens. Grosses Staunen dann nach der C14-Analyse: Das modische Accessoire ist fast 5000 Jahre alt, eine aufwendig aus Birkenrinde gefertigte, wasserabweisende Schutzhülle für Pfeil und Bogen. So etwas kannte man aus der Frühzeit unserer Kultur bislang nicht. Eine archäologische Sensation. Aber wie den kostbaren Fund konservieren, nun da er ans Licht gekommen war? Der Gletscher wollte nichts mehr damit zu tun haben. Jahrtausendelang hatte er den Job zuverlässig übernommen, die Hülle bei konstanten Minusgraden gelagert, keine Luft, kaum Mikroben. Aber nun hatte er sie ausgespien, nun war sie aufgetaut, keine hart gefrorene und perfekt verpackte Zeitreisende mehr, sondern ein hochfragiles feuchtes Bündel plötzlich. Uraltes organisches Material und einzigartiges kulturelles Zeugnis, an dem auf keinen Fall der Zahn der Zeit nagen durfte. Es musste rasch gehandelt werden.

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Giovanna Di Pietro, Dozentin der HKB und HKB-Doktorandin Johanna Klügl erforschen 5000 Jahre alte Birkenrinde.

Gleiche Naht wie vor 5000 Jahren Und welche Geschichte erzählt denn der Schnidejoch-Fund? Inwiefern wird da ein Kulturerbe fassbar? Di Pietro erwähnt die Naht, mit der die Birkenstreifen fixiert worden sind. «Das ist genau dieselbe Art von Naht, wie ich sie wohl auch gemacht hätte – ich weiss aber: Die ist 5000 Jahre alt!» Dieses Wissen mache den Umgang mit einem solchen Stück natürlich emotionaler als andere Forschungsaufgaben. Kommt damit auch eine grössere Verantwortung? Nun, da das Objekt 5000 Jahre überdauert hat – plant man da beim Konservieren auf weitere mehrere tausend Jahre hin? Johanna Klügl winkt ab: «Unser Zeithorizont sind vielleicht hundert Jahre.» Darüber hinaus wagt man keine Prognosen zu machen. Der Gletscher tat seinen Job in erdgeschichtlichen Zeiträumen, der Mensch tut ihn in kulturellen. Was man von Neuem festzuhalten versucht, wird unweigerlich Teil einer kulturellen Geschichte – und damit einer Vergänglichkeit. Die konservatorischen Dogmen wechseln, die Bewertung von archäologischen Funden auch. Und dann stellen die beiden Expertinnen die Grundsatzfrage: Wird es die Welt, so wie wir sie kennen, in hundert Jahren überhaupt noch geben? Das ist nun auch für ein 5000-jähriges Objekt, das schon einige Zeitläufte überlebt hat, durchaus von Belang.

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TEXT Andi Schoon *

INSZENIERTE DOKUMENTE

HKB-Doktorand und Klangkünstler Gilles Aubry befasst sich mit den Implikationen und der Gegenwart von Paul Bowles’ berühmten historischen Aufnahmen marokkanischer Musik.

Das Problem: Es war nicht Nacht, es brannte kein Feuer, und die schlafenden Kamele glänzten durch Abwesenheit. Auch einsam war es nicht, denn Paul Bowles hielt dem camel driver (der gar keiner war) ein Aufnahmegerät unter die Nase. Man kann es nicht anders sagen, diese Geschichte aus dem Jahr 1959 ist betrügerisch. Dafür ist die Tonaufnahme der Qsbah-Flöte sehr hübsch geworden, wie sich noch heute nachhören lässt. Der US-amerikanische Schriftsteller Paul Bowles (1910 – 1999) reiste, kurz nachdem das Land 1956 unabhängig geworden war, monatelang durch Marokko, um traditionelle Musikstile zu dokumentieren. In den 1970er-Jahren erschien eine kleine Auswahl als Doppel-LP, kürzlich machte das audiophile Label Dust-to-Digital umfangreicheres Material in einer schmucken CD-Box zugänglich. Die gesammelten Aufnahmen lagern in Washington, D.C., und gelten als bedeutendes Zeugnis unverfälschter Klangkultur Nordafrikas. Wenn wir es also mit einer Dokumentation zu tun haben, warum hat Bowles dann die sentimentale Szenerie am nächtlichen Lagerfeuer erdacht? Nun, weil er Schriftsteller war.

Traum von Freizügigkeit und Rausch Bowles, die Legende: Als musikalisches Wunderkind war er in den 1930er-Jahren ein umschwärmtes Mitglied der New Yorker Kulturschickeria gewesen. Ein Komponist im Debussy-Stil, mit distinguiertem Dreiteiler und glatt zurückgekämmten Locken, an seiner Seite die nicht weniger berühmte Schriftstellerin Jane Bowles, beide umgeben von der Aura des Bisexuellen. 1947 waren sie auf einer ihrer ausgedehnten Weltreisen in Tanger hängen geblieben und dem Charme der internationalen Zone erlegen. Unter dem Einfluss seiner Frau verwandelte sich Paul vom Komponisten zum Schriftsteller, in dessen Büchern europäische Geistesmenschen in der Wüste vor die Hunde gingen. Jane und Paul mutierten zur mythischen Projektionsfläche. Über die marokkanische Unabhängigkeit 1956 hinaus fungierten sie als nordafrikanischer Brückenkopf für Künstlerinnen und Schriftsteller der vornehmlich anglofonen Welt. Die halbe Beatgeneration erfüllte sich hier auf Vermittlung der Eheleute ihren Traum von Freizügigkeit und Rausch. Bis in die Gegenwart hinein hat sich Bowles’ Ruf als charismatischer Kultnerd gehalten. Entsprechend unorthodox ist er auf die Suche nach authentischer Musik gegangen: Einen Gogo-Spieler nötigte er laut eigener Aussage in Marrakesch dazu, eine «grauenhaft rasselnde» Stahlfeder abzuschrauben, die eigentlich integraler Bestandteil des Instruments war. Und in Segangan wollte Bowles ein kleines Ensemble mit Gesang, Flöte und einer Art Snare Drum aufnehmen. Die Trommel passte ihm nicht, dafür fand er den Klang der Qsbah-Flöte sehr schön. Der Qsbah-Spieler aber lehnte es ab, solo zu spielen, weil dieses Element in seiner Musik nicht vorkomme. Da drohte Bowles ihm mit der US-Regierung (die er eigentlich verachtete). So entstand die eingangs erwähnte Aufnahme mitsamt komplett erfundenem Setting. Kurzum: Das Dokument ist nicht im Entferntesten indigen, sondern schlicht postkolonial. Der Klangkünstler und SNF-Doktorand Gilles Aubry interessiert sich für Bowles’ Aufnahmen mit all ihren Implikationen. Auch er war und ist monatelang in Marokko unterwegs. Aubry möchte herausfinden, wie Bowles damals vorgegangen ist und welche Hörerfahrungen die Tonaufnahmen heute ermöglichen. Er spielt den Leuten die historischen Dokumente vor, hört auf ihre Kommentare, improvisiert mit ihnen und nähert sich so einem komplexen Gefüge aus Klang und Bedeutung, in dem Rituale, alltägliche Verrichtungen und imaginäre Stimmen wahrnehmbar werden. Es kommen lokale Soundgeschichten zutage, die von dominanten Erzählungen abweichen und andere Verhältnisse zu Macht, Umwelt und Technologie ausdrücken.

(zehn)

* Andi Schoon ist Co-Leiter des Y Instituts an der HKB.

I Sieht schön aus, aber trägt bei genauer Betrachtung ein paar Probleme in sich: Dichter Bowles und seine Sammlung marokkanischer Musik (CD-Box Music of Morocco – From The Library of Congress, Dust-to-Digital 2016).

HKB -ZEITUNG

M ÄR Z  –  MAI 2018

«In a landscape of immensity and desolation it is a moving thing to come upon a lone camel driver, sitting beside his fire at night while the camels sleep, and listen for a long time to the querelous, hesitant cadences of the qsbah. The music, more than any other I know, most completely expresses the essence of solitude.»


HKB -ZEITUNG

M ÄR Z  –  MAI 2018

I

(elf)


(zwölf)

I Strahlt nach 135 Jahren, als wäre er frisch aus der Manufaktur gekommen: der Blüthner 1882. Die Eleganz der Konstruktion ist nicht nur am kunstvollen Notenpult sichtbar. II Blüthner-Patentmechanik. Die vielen feinen Drähtchen sehen sensibel aus, doch das Ding ist unzerstörbar.

HKB -ZEITUNG

I

II

M ÄR Z  –  MAI 2018


TEXT Manuel Bärtsch *

BLÜTHNER 1882

in charakteristischer Weise, gewöhnt den Resonanzboden an bestimmte Frequenzen, nutzt die Mechanik in bestimmter Weise ab. Ein Arbeitsinstrument ist immer ein Bild des eigenen Klavierspiels, im Guten wie im Defizitären. Normalerweise hat dies aber seine Grenzen, denn viele von diesem Effekt besonders betroffene Teile sind Verbrauchsmaterial. Mein Klaviertechniker baute einen Diskanthammer aus, der nach 40 Jahren meiner pianistischen Bemühungen eine konvexe Berührungsfläche mit der Saite aufwies und trotzdem nicht einmal besonders schlecht klang. Normalerweise werden also alle 30 Jahre die wichtigsten Innereien eines Instruments ersetzt. Nicht so hier: Es zeigte sich auch, dass zwischen 1882 und 2017, also 135 Jahre lang, keine einzige Revision durchgeführt wurde; noch das hinterletzte Filzchen ist original. Diese lange Zeit stand er offenbar in einem Bündner Patrizierhaus, das weder Motten noch übertrieben fleissige Klavierspielerinnen oder -spieler kannte. Trotzdem heisst das: Der Flügel repräsentiert 135 Jahre anonymen Klavierspiels, und schlecht kann es nicht gewesen sein, sonst würde er anders klingen. Kulturelles Erbe ist gerade auch das, was wir nicht mit Namen, Urheberinnen und Berühmtheiten etikettieren können. To make a long story short: Ich kaufte das Instrument. Ohne Bedarf, aber, wenn ich mir das Pathos erlauben darf, aus innerer Notwendigkeit.

Produkte ihrer Zeit In einem Instrument materialisiert sich in zweifacher Hinsicht das Erbe der Kulturen, die sie erlebt haben: Sie sind einerseits Produkte ihrer Zeit, und sie werden anderseits von Spielerinnen und Spielern während ihrer gesamten Lebensdauer geformt. Die erste Dimension geht weit über Auratisches hinaus: Die Klavierbauer, die den Resonanzboden verleimten, konnten im gleichen Jahr die Uraufführungen von Wagners Parsifal und des 2. Klavierkonzerts von Johannes Brahms erleben. Die Untertanen Bismarcks, die die Stege schnitzten, wussten noch nichts von Strawinskys Musik, denn dieser war 1882 noch ein wenige Monate alter Säugling. Die Techniker, die mittels Regulation und Intonation dem Flügel seine Klangcharakteristik gaben, mussten nicht Rücksicht auf die Möglichkeit der Klangspeicherung nehmen, ein Umstand, der in der totalitären Multimediaumgebung, an die wir uns gewöhnt haben, einiges an Vorstellungskraft erfordert. Hingegen mussten sie die musikalischen Vorlieben des sächsischen und des dänischen Königshauses, dessen Hoflieferant Blüthner war, bedenken. Auch der junge Zar Nikolaus II. liess sich gerne beliefern. Gleichzeitig war im Jahr 1882 der technische Aufbruch in die Moderne stark spürbar. Der Phonograph ist für Musik noch weitgehend unbrauchbar, aber schon fünf Jahre alt. Robert Koch und Louis Pasteur streiten sich um die beste Art, Impfstoffe herzustellen, Julius Blüthner gründet für seine Arbeiter eine Firmenkrankenkasse, Marcel Deprez gelingt zwischen München und Miesbach die weltweit erste Übertragung von Gleichstrom über weite Strecken, und die Schweiz eröffnet den Gotthardtunnel. Diese Lust an der Pionierleistung scheint sich mir auch in der Konstruktion des Flügels niederzuschlagen: Er besitzt eine eigene Patentmechanik, die präzise, sensibel und robust zugleich ist.

Gesellschaft für Seltsame Im Nachhinein zeigte sich, dass ich nicht allein bin mit meiner Faszination. Max Reger, Claude Debussy, Ferruccio Busoni und viele andere ikonische Figuren, deren Klavierspiel ich in meinen Forschungsarbeiten untersuche, besassen genau ein solches Instrument. Einige erratisch scheinende Spielweisen, die ich in Aufnahmen dieser Pianisten finde, wie zum Beispiel seltsame Pedalisationen, lassen sich mittels dieses Instruments zwanglos erklären. Es lag also nahe, dieses in die HKB-­Forschungsräume an der Ostermundigenstrasse zu transferieren und damit auch meinen forschenden Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung zu stellen. Dort leisten ihm ein Pianola und ein Welte-Klavier, beide von 1914, 280 Papierrollen, die Interpretationen aus dem frühen 20. Jahrhundert bewahren, eine Bibliothek von instruktiven Ausgaben, ein Zugangsterminal zur Schweizerischen Nationalphonotek und vieles Seltsame mehr Gesellschaft. Dort steht er nun und gibt uns zu denken. Wie wird er unsere Sicht auf die Pianistik im ausgehenden 19. Jahrhundert beeinflussen? Verstehen wir dadurch, dass wir ihn spielen, mehr von dem, was wir glauben zu wissen? Und anderseits: Die Flügel werden ja nicht nur durch Pianistinnen und Pianisten geformt, sie formen ihrerseits deren Technik, bis in die Physis. Wie wird diese historische Avantgarde, dieses moderne Instrument des sächsischen Hoflieferanten, dieses lebende Möbel, das schon so viele Benutzerinnen und Benutzer kommen und gehen gesehen hat, wie wird dieses seltsam dynamische Kulturerbe mein Spiel verändern? Wer diesen Flügel besuchen will, kann sich gerne bei mir melden.

HKB -ZEITUNG

Eigentlich brauche ich keinen weiteren Flügel. Ich besitze drei kleine Arbeitstiere, die an unterschiedlichen Orten verschiedene Funktionen erfüllen. Insgesamt also eher ein overkill, und ich habe auch keinerlei Anlass, überschüssiges Geld loswerden zu wollen. Dazu kommt, dass wir Pianisten ein weniger inniges Verhältnis zu unseren Instrumenten aufbauen als die meisten anderen Instrumentalistinnen: Wir spielen auf stark standardisierten Möbelstücken, die man uns hinstellt. Darum signalisierte ich eher höfliches als dringendes Interesse, als mein Klaviertechniker mich anrief und mir einen eher kleinen, sehr alten Flügel zu einem nicht unerheblichen, obwohl schon reduzierten Preis anbot. Immerhin – der Mann ist eine Koryphäe. Ich reiste nach Chur. Dort traf ich einen Flügel an, der mich sofort in seinen Bann schlug: Er fühlte sich technisch seltsam, aber sehr ausgeglichen und sensibel an, bot einen hellen, transparenten Diskant, eine singende Mittellage und einen mächtigen, schwarzen Bass, den man dem kleinen Instrument nicht zutrauen würde. Vielstimmige Polyphonie, hierarchische Differenzierung der Klangebenen, Klangteppiche liessen sich ebenso gut realisieren wie Perkussives und virtuos Glänzendes. Insgesamt war er völlig spielbereit und schien auf Beschäftigung zu warten. Und: Alt ist er. Es handelt sich um ein Produkt des Leipziger Edelfabrikanten Julius Blüthner aus dem Jahr 1882.

M ÄR Z  –  MAI 2018

Manchmal tut man Dinge, die einen selbst verblüffen. HKB-Dozent Manuel Bärtsch hat zu seiner eigenen Über­raschung einen Flügel gekauft, der nun im ­For­schungsbereich der HKB steht.

Diskrete Resonanz Eine weitere Erfindung Blüthners: die sogenannten AliquotSaiten, die über den angeschlagenen Saitenchören gespannt sind und mit diesen diskret mitschwingen. Das klavierbauerisch aufwendige System erzeugt eine silberne Aura des Diskantklangs, für die Blüthners Instrumente berühmt waren. So gesehen ist dieser Flügel alte Avantgarde, der letzte Schrei von vorgestern, und erzählt von einem technischen Optimismus, der uns heute gründlich abhandengekommen ist. Diesen Verlust bezahlen wir mit einer klavierbauerischen Monokultur, deren Standardisierung in die Richtung eines schwedischen Bücherregals weist. Die zweite Dimension ist weniger greifbar, aber deswegen nicht weniger real: Jeder Ton, der auf einem Flügel gespielt wird, formt seinen Klang, komprimiert den Filz des Hammerkopfs

* Manuel Bärtsch ist Professor für Klavier- und Kammermusik und forscht im Forschungsschwerpunkt Interpretation an der HKB.

(dreizehn)


TEXT Helen Lagger *

VON SERPENTEN UND TROMPETEN

HKB -ZEITUNG

M ÄR Z  –  MAI 2018

Der Berner Musikwissenschaftler und HKB-Forscher Adrian von Steiger betreut die Klingende Sammlung in Bern. Als Kurator beschäftigt ihn, wie man die Instrumente erhalten kann, ohne sie museal zu reduzieren.

Über eine Kellertreppe in der Kramgasse steigt man in die Klingende Sammlung hinab. Alphörner, Posaunen, Flöten oder eine Trompete, die für einen Zwerg gemacht zu sein scheint, gibt es zu bestaunen. Auch der Prototyp eines Saxofons von Erfinder Adolphe Sax ist hier vertreten. Die formschönen Objekte werden so beleuchtet, dass sie imposante Schatten werfen. «C’est le vent qui fait la musique» ist der treffende Titel der Dauerausstellung, die von Adrian von Steiger betreut wird. Der 56-jährige Berner hat seine Dissertation über die Sammlung von Karl Burri, die aus mehr als tausend Objekten besteht, geschrieben. Der Instrumentenbauer Karl Burri (1921 – 2003) führte ab 1945 ein Geschäft für Verkauf und Reparaturen in Bern. Aus alten Beständen erhielt er mitunter auch historische Instrumente, die er ab 1964 systematisch zu sammeln begann. Der grösste Teil der Sammlung stammt aus dem 19. Jahrhundert. In den Siebzigerjahren machte Burri seine Sammlung in Form eines Museums in Zimmerwald öffentlich zugänglich. 2015 übernahm und rettete die eigens zu diesem Zweck gegründete Stiftung Instrumentensammlung Burri die Sammlung. Anfang 2017 wurde das Museum eröffnet. Erhalten oder spielen? Adrian von Steiger hat es sich zur Mission gemacht, die Kulturgüter zu erhalten. «Das birgt ein Dilemma», hält er fest. Spielen oder nicht spielen, das sei hier die Frage. Die Instrumente seien Zeitzeugen, «wenn man sie einfach irgendeinem Musiker in die Hände drückt, gehen sie kaputt». Instrumente seien aber auch Werkzeuge. Wenn man sie gar nicht mehr spiele, blieben sie stumm. Das heisst: Wenn ein Instrument nur noch Museumsobjekt ist, gehen wichtige Informationen verloren. Wie hat das Instrument funktioniert? Wo kam es zum Einsatz? An der Höhe, in der es gestimmt wurde, lässt sich beispielsweise herausfinden, ob das Instrument in einem Orchester oder im Militär im Einsatz war. Ein prinzipielles Spielverbot mache deshalb keinen Sinn, so von Steiger. «HKB-Studierende und Profis spielen auf einigen von unseren historischen Instrumenten unter kontrollierten Bedingungen, wenn wir uns einen Gewinn davon versprechen.» Von Tuten und Blasen Die Forschung, die von Steiger in seiner Funktion als HKB-­ Forscher und Leiter des Forschungsfelds Musikinstrumente betreibt, vertieft das Wissen um die Musik dieser Instrumente und auch um deren Konservierung. So konnte zum Beispiel in einem SNF-Projekt in Zusammenarbeit mit dem National­ museum, der ETH und dem Paul Scherrer Institut nachgewiesen werden, dass Blechblasinstrumente weniger korrodieren, wenn sie mit einem Ventilator getrocknet werden. Solche Projekte sind zwingend interdisziplinär. Für die Studierenden der HKB sei es eine enorme Chance, diese Sammlung als Basis zu haben, ist von Steiger überzeugt. Als angehende Interpretinnen und Interpreten interessiere sie die Frage nach der historischen Aufführungspraxis und nach den Originalinstrumenten. Ein generelles Spielverbot gibt es auch für die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung nicht. Unterschiedlichste Blasinstrumente stehen zur Verfügung. Mindestens einen Ton muss man erzeugen, bevor von Steiger einen wieder entlässt. Das gelingt irgendwann, auch wenn man von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. klingende-sammlung.ch

(vierzehn )

* Helen Lagger ist Kulturjournalistin in Bern.

I


I Mundstücke für Blechblasinstrumente besitzt die Klingende Sammlung zu Hunderten. Dem Mundstück kommt für Klang und Spielverhalten eines Instruments sehr grosse Bedeutung zu. Solche historische «Interfaces» – auch Geigenbögen, Paukenschlägel – sind daher heute zentrale Forschungsthemen. II Serpent von Baudouin, Paris, um 1825. Das Instrument ist aus Holz gefertigt und mit Leder umwickelt. Die 6 Grifflöcher werden mit den Fingern geschlossen und geöffnet. Serpente wurden in Bläser­ ensembles oder zur Begleitung des Chorals in Kirchen gespielt.

II

(fünfzehn)

HKB -ZEITUNG

M ÄR Z  –  MAI 2018


I

(sechzehn)

I Ob im Wirrwarr der Grossstadt oder versteckt hoch oben in den Bergen – mit der App pARTicip lässt sich Kunst an allen Orten entdecken. Bis dato stehen Daten zu mehr als 190 Objekten bereit.

HKB -ZEITUNG

M ÄR Z  –  MAI 2018


Kristina Herbst, wissenschaftliche Mitarbeiterin der HKB, ist Mitentwicklerin der App pARTicip. Nutzerinnen und Nutzer können damit Informationen über Kunst im öffentlichen Raum abrufen und allfällige Schäden melden. Eine Massnahme zur Bewahrung unseres Kulturerbes.

Die Kunst im öffentlichen Raum kennt viele Feinde. Rost, Flechten oder Vandalismus können ihr ganz schön zusetzen. Ihre Bewahrung ist eine besondere Herausforderung. Damit intensiv auseinandergesetzt hat sich Kristina Herbst, Restauratorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HKB. Sie hat die vom Nationalfonds finanzierte App pARTicip 1 mitentwickelt und 2016 herausgebracht. Jeder und jede kann die App herunterladen und dazu nutzen, Informationen über Kunst im öffentlichen Raum abzurufen. Der partizipative Ansatz besteht darin, dass Nutzerinnen und Nutzer unter anderem neu aufgefundene Kunstwerke melden und Informationen zu allfälligen Schäden direkt an die Eigentümerin, den Eigentümer senden. Bei manchen Kunstwerken sei allerdings nicht klar, wer für den Unterhalt zuständig sei, so Herbst. «Es wäre sinnvoll, bereits beim Ankauf der Werke vertraglich festzulegen, wie das Kunstwerk zu bewahren ist.» Oftmals werde Kunst für den öffentlichen Raum gekauft und sobald das Werk stehe, kümmere sich niemand mehr um die Wartung. Erst wenn Objekte zu Störfaktoren oder gar zur Gefahr würden, kehre die Aufmerksamkeit zurück. Fehlendes Wissen kann den Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum erschweren oder gar zu Vandalismus führen. Offensichtlich mehr Vermittlung hätte etwa die Kunst des amerikanischen Minimalisten Richard Serra gebraucht. Bei Maillart Extended von 1988 handelt es sich um eines der teuersten Kunstwerke, die sich der Kanton Freiburg je geleistet hat. Es ist eine feine Intervention, bestehend aus einem Balken, der die Fussgängerpassage der Grandfey-Brücke penetriert und mit der Beschaffenheit der Steinbrücke kontrastiert. Auf der Brücke verläuft die Bahnstrecke zwischen Freiburg und Bern. Die Schweizerischen Bundesbahnen liessen 2007 ein Geländer direkt am Werk anbringen – in der irrtümlichen Annahme, dass sie zuständig seien, wenn es um die sichere Nutzung der Fussgängerpassage über die Brücke geht. Der Frevel wurde öffentlich diskutiert. Schliesslich wurde man sich einig, dass die Aussage des Kunstwerks durch das Geländer verfälscht worden sei. Es wurde entfernt. Ein exemplarischer Fall. Herbst ist überzeugt: «Wenn man die Bedeutung eines Werks versteht, hat man auch eher eine Beziehung dazu.» pARTicip könne, indem es dem Betrachter, der Betrachterin Informationen zu den Objekten zugänglich macht, zu mehr Verständnis beitragen. «Und was man versteht, ist man auch eher bereit zu schützen.»

auszuweiten. Herbst erhofft sich langfristig, private und öffentliche Sammlungen mit ins Boot zu holen und so mehr Objekte erfassen zu können. Dass 2018 Europäisches Kulturerbejahr ist, könnte dem Projekt zu neuem Schwung verhelfen. Die App könnte auch von den Kunstschaffenden selbst als Portfolio genutzt werden. Bei den Nutzerinnen und Nutzern gibt es punkto Partizipation noch Hemmschwellen. Dabei müsste man kein Experte, keine Expertin sein, um zu erkennen, dass jemand ein Graffiti auf einer Skulptur angebracht hat, ein kinetisches Werk seit Längerem stillsteht oder eine Installation mit Dosen zugemüllt worden ist. «Das rechtzeitige Erkennen von Schadensfaktoren verhindert in der Regel kostenintensive Massnahmen an den Objekten», so Herbst.

M ÄR Z  –  MAI 2018

EINE APP ZUM SCHUTZ VON KUNST

HKB -ZEITUNG

INTERVIEW Helen Lagger *

Kein neuer Glanz Herbst, die an der HKB Konservatorinnen und Restauratoren ausbildet, nutzt die App auch im Unterricht. Die Konflikte bei der Wartung eines Werks im öffentlichen Raum seien um einiges komplexer, da es anders als im Museum diverse Interessensgruppen und nicht zuletzt den Einfluss von Wind und Wetter gebe. Prominentestes Beispiel: der MeretOppenheim-Brunnen auf dem Waisenhausplatz in Bern. Man konnte die 1985 verstorbene Künstlerin nicht mehr fragen, wie das durch Wildwuchs und Witterung sich ständig verändernde Werk zu restaurieren sei. Manche Stimmen plädierten gar dafür, das Werk ganz verfallen zu lassen, da dies im Sinne Oppenheims sei, die sich eine ständige Transformation des Werks gewünscht habe. Man entschied sich 2013 schliesslich für einen Kompromiss, stellte sicher, dass der Brunnen weiterhin steht, ohne ihn in «neuem Glanz» wiederauferstehen zu lassen. Heute restauriere man grundsätzlich vorsichtiger, so Herbst. «Die Geschichte eines Werks darf unter Umständen auch lesbar bleiben.» 1 pARTicip

gibt es kostenlos für Android und iOs.

Neuer Schwung Nebst Informationen zu Aussage und Standort eines Kunstwerks verlinkt die App auch die Websites des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft Sikart und des Material­archivs. Bisher ist sie auf den deutschsprachigen Kantonsteil von Freiburg und die Stadt Bern limitiert. Ziel ist es, laufend landesweit Kunst im öffentlichen Raum zu erfassen. Noch fehlt es an Geldern. «Wir sind durch die ganze Schweiz gelaufen, um die App bekannt zu machen», sagt Herbst. Auch technische Probleme verunmöglichen es zurzeit, das Einzugsgebiet

* Helen Lagger ist Kulturjournalistin in Bern.

(siebzehn)


TEXT Krystin Buck und Luca Meier

KENTAUR IM KIRCHENFELD

HKB -ZEITUNG

I Der Kentaur als überlebensgrosse Kunststeinplastik: Der Berner Bildhauer Etienne Perincioli, der auch Mitbegründer der Berner Kunsthalle war, schuf die Skulptur zur Eröffnung der Halle 1918.

M ÄR Z  –  MAI 2018

Zwei Studierende der Konservierung und Restaurierung geben Einblick in ihre Arbeit mit einem Stück Kulturerbe.

Mein Name ist Luca Meier und ich habe an der Fachhochschule in Burgdorf Architektur studiert. Mein Interesse für Architektur war gross, jedoch war mir das Studium zu digital. So bin ich beim Studium der Restaurierung und Konservierung mit Schwerpunkt auf Architektur und Ausstattung gelandet. Mir gefällt die Kombination von Theorie und Praxis in diesem Studiengang sehr gut. Ich heisse Krystin Buck. Nach der Matura arbeitete ich für zwei Jahre in einer Galerie in Berlin, wo ich vor allem Künstlerinnen und Künstler betreute. Während des Studiums der Kunstgeschichte und der Philosophie in Basel nahm ich an einem Seminar zur Kunsttechnologie teil und bewarb mich daraufhin für den Bachelorstudiengang Konservierung an der HKB. Wir befinden uns am Ende des ersten Semesters mit dem Schwerpunkt auf Architektur und Ausstattung. An zwei Tagen pro Woche, den sogenannten Ateliertagen, hatten wir jeweils Zeit, an einem von uns zu Beginn ausgewählten Kunstobjekt zu arbeiten. Am Ende des ersten Semesters legen wir dazu eine Dokumentation mit unseren Recherchen und konkreten Vorschlägen für das weitere Verfahren mit dem Objekt vor.

Vom Grossen zum Kleinen Am Beginn jeder Arbeit steht für uns die kunst- und kultur­ historische Recherche, worin drei Themen für uns vordergründig sind: die Objektidentifikation, die Objektbeschreibung und die Objektgeschichte. Parallel zu den Atelierstunden werden wir unter der Leitung unseres Fotografen in das Modul Objektfotografie eingeführt, das uns ermöglicht, die Befundsicherung mit aussagekräftigen Bildern auszustatten und eine Grundlage für die Kartierung zu schaffen. Auch bei der fotografischen Dokumentation gilt: vom Grossen ausgehen – zum Kleinen hinarbeiten. Für den Kentauren bedeutete dies, die Skulptur im Ganzen aufzunehmen, dann die Figur ohne den Sockel zu fotografieren und schliesslich den Sockel einzeln abzulichten. Bei minus fünf Grad und bedecktem Himmel entstanden Aufnahmen von vier Ansichten für die Dokumentation. Daraufhin folgten vor Ort präzise Kartierungen mit der korrekten Nomenklatur über den Be- und Zustand des Objekts. So können unsere Beobachtungen nachvollziehbar gemacht werden. Zudem lassen sich Schäden und Veränderungen im Material exakt lokalisieren, was häufig einen guten Hinweis auf die Ursache gibt.

Überlebensgrosse Skulptur Wir haben uns für den Kentauren, der vor der Berner Kunsthalle steht, entschieden. Zum einen sprach uns eine Arbeit im öffentlichen Raum an, zum anderen weckte die Materialisierung (oder das besondere Material) der überlebensgrossen Skulptur unser Interesse. Glücklicherweise hatten wir die Möglichkeit, im Archiv der Kunsthalle unsere Recherche zu beginnen. Bald stiessen wir auf das Jahr 1918: Dies ist nicht nur das Eröffnungsjahr der Kunsthalle, sondern auch das Entstehungsjahr unseres Objekts, des Kentauren. Der Berner Bildhauer Etienne Perincioli, der auch Mitbegründer der Kunsthalle war, schuf die Skulptur zur Eröffnung der Halle. Werk und Kunsthalle feiern in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag. So thront sie bis heute auf einem Sockel vor dem Eingang des Museums und markiert zugleich den Anfang der Berner Kirchenfeldbrücke. In unserer Dokumentation über die Skulptur gehen wir Fragen zur Entstehungsgeschichte, zu späteren Veränderungen, zur Funktion sowie zu Schäden und deren Ursachen nach. Wir folgen dem Grundsatz, dass auch kein Ergebnis durchaus ein zu dokumentierendes Ergebnis darstellt, sodass wir sämtliche Überlegungen, Querverweise oder Untersuchungen mit in die Befundsicherung einfliessen lassen. Das gewonnene Wissen, die Befunde und die Analysen bilden am Ende eines Semesters idealerweise die Grundlage für weitere Interpretationen und Aussagen zu einem Werk. Wir wollen beispielsweise fragen, ob der zur damaligen Zeit moderne, für unsere Skulptur verwendete Kunststein nur als günstiges Surrogat eine gewisse Gesteinsart imitieren soll oder ob das Material autoreferenziell zur Interpretation steht.

Monitoring nach der Restaurierung Die genaue Untersuchung und Diagnose des Materials erfolgt durch das Feststellen von aktuellen Risiken und möglichen Schadensursachen sowie über die Kenntnis von Material und Technik. Aufgrund unserer restauratorischen Befundsicherung werden wir im kommenden Frühlingssemester ein Konservierungskonzept erarbeiten und auch umsetzen, dabei ist sicher eine Reinigung vorgesehen. Dank der Unterstützung des Bundesamts für Meteorologie konnten wir uns Zugang zu den Klimaaufzeichnungen der letzten Jahre in Bern verschaffen. Zudem hat uns Lorenz Perincioli, der Enkel des Künstlers, an der Skulptur besucht und uns die Möglichkeit angeboten, sein privates Archiv zu besichtigen. Interessant werden für uns auch die Untersuchungen zur Fassadengestaltung der Kunsthalle im Rahmen einer Masterarbeit sein, die im kommenden Semester in der Vertiefungsrichtung Architektur und Ausstattung entstehen wird – auch dort wurde Kunststein eingesetzt. Der Erhalt von Skulpturen im öffentlichen Raum stellt eine besondere Herausforderung dar. Schäden drohen etwa von Graffitis, Tramvibrationen, angrenzenden Bäumen und täglichen Hundespaziergängen. Deshalb entwickeln wir für die Skulptur ein nachhaltiges Konservierungskonzept, damit erst gar keine neuen Schäden entstehen können.

(achtzehn)

Wir möchten uns an dieser Stelle bei Lorenz Perincioli für seine Kooperation sowie bei den Mitarbeitenden des Archivs der Kunsthalle in Bern bedanken, die uns durch die Dokumente begleiten.

I


L’ILLUSION D’UNE BRISE qu’elle affine parfois avec la main, quand elle ne porte pas son foulard. Elle se lève. Elle prépare du café. Quand je viens la voir, je suis mal à l’aise. Il n’y a pas de pire sentiment pour moi que de voir une femme de son âge vivre dans une pauvreté aussi extrême. Je le lui dis. À cela, elle répond comme toujours, de la même manière : « Je serais bien plus pauvre en Italie .» Le café est prêt. Se rasseyant avec difficulté, elle me sert une tasse brûlante. Je regarde ma grand-mère, creusée depuis longtemps par les prémices de la mort, et dans l’attente d’une deuxième solitude : la perte des souvenirs. Elle boit à petites gorgées. Ses mots s’engouffrent alors dans la confusion désarmante de la vieillesse. « Je suis amoureuse de Marcelino Bartoli, me dit-elle, un maçon de Gallipoli, l’homme qui m’offrit ce Caravage à l’âge de dix-sept ans, la seule chose qu’il possède, pour que je ne l’oublie jamais, et que je pourrai bientôt épouser parce qu’un jour notre Seigneur Jésus Christ sera une femme .» Elle sourit. Elle me raconte les circonstances de son mariage, l’année de ses dix-huit ans. Je réponds par un hochement de tête, comme à chaque fois, lorsqu’elle évoque son Caravage et Marcelino Bartoli. Une fois j’essaie de la raisonner. — « Nonna, si c’est un Caravage, alors tu es millionnaire. » — « Il n’est pas à vendre », me répond-elle. À sa mort, c’est sans surprise que j’apprends être l’héritier du tableau, enveloppé dans du papier journal aux côtés de trois crucifix que je garde dans un tiroir oublié. Je pleure. Déchirant l’emballage, et à mesure que se révèlent les motifs, les couleurs, la lumière, je réalise à quel point il est fascinant. Quatre personnages y sont représentés autour d’une table. L’un, un homme, nous tourne le dos. Est-il en train de s’asseoir ou de se lever ? On ne le saura jamais. Son regard est absorbé par une apparition lumineuse au centre du tableau. Il ne dit rien. Au-­ dessus de lui, un deuxième homme, plus méfiant, ne dit rien. Sous son chapeau bleu, il se doute de quelque chose. « Est-ce bien lui ? » semble-t-il dire aux autres. Le troisième homme, en face, ouvre les bras. « Il n’y a aucun doute », répond-il. Les pèlerins d’Emmaüs sont bénis, sauvés, récompensés, le Christ leur est enfin apparu au terme d’un interminable voyage. Longtemps après sa mort, je repense à Nonna Chiara. J’ai besoin d’en savoir plus. Avec peu d’espoir, je questionne ma famille, des amis, des connaissances, mais personne ne sait rien. Personne ne connaît le nom de Marcelino Bartoli. Je finis par me rendre en Italie. Dans le village natal de ma grand-mère, le nom ne parle à personne, tout comme à Gallipoli et dans les environs. Je consulte les registres, fébrile. Pas un seul feuillet, pas un seul papier officiel, acte de naissance ou quoi que ce soit, ne mentionne Marcelino Bartoli. Rien. Et l’avenir ne m’apporta pas plus de lumière sur cet homme qui n’exista peut-être jamais, cet homme qui par amour offrit à ma grand-mère un authentique et inestimable Caravage, comme le confirmèrent les analyses. Ce n’était pas tout. Dans les couches intérieures du tableau, dissimulé, invisible, dérobé aux yeux des siècles, les infrarouges révélèrent autre chose. Entre les jambes de Jésus, un vagin.

M ÄR Z  –  MAI 2018

Quand ma grand-mère mourut, à l’âge de cent-trois ans et aussi pauvre qu’à sa naissance, Nonna Chiara me légua quatre choses : trois crucifix et un authentique et inestimable Caravage datant du XVIe siècle. Elle le savait. Quatre-vingt-cinq ans plus tôt, elle l’accroche dans sa minuscule cuisine au-dessus d’une boîte à biscuits. « D’où vient cette horreur ? » demande son jeune mari. — « C’est un Caravage », répond Nonna Chiara. Mon grand-père rigole. Déjà, ils habitent cette maison d’ouvrier aux volets sombres, construite dans une rue étroite où toutes les façades se ressemblent, et qu’ils ne quittent plus jusqu’à la fin de leurs jours. Tous deux travaillent à l’usine. Comme un grand nombre de saisonniers, ils arrivent en Suisse dans les années 60, parce que s’il faut être pauvre, autant l’être là où il y a du travail. Ma grand-mère reste pauvre toute sa vie. Pas une seule fois je l’entends se plaindre. Âgée de dix-huit ans, elle épouse mon grand-père, Cosimo Vachiaretto, qu’elle connaît à peine et qui sent les biscuits aux amandes. « C’est pour cette raison que tu dois l’épouser », dit mon arrièregrand-père à Nonna Chiara. Fils d’un industriel ayant fait fortune dans l’huile d’olive aromatisée aux amandes, mon grand-père est alors l’un des meilleurs partis d’Italie. Un cadeau du Ciel. Sauf pour cette femme qui bouillonne d’un autre amour. Ma grand-mère est amoureuse de Marcelino Bartoli, un jeune maçon de Gallipoli, rempli d’espoir, fou d’amour lui aussi, et sans le moindre sou. « Je veux épouser Marcelino », dit Nonna Chiara. La décision de mon arrière-grand-père, mort bien avant ma naissance, est sans appel : — « Tu épouseras ce Marcelino Bartoli le jour où notre Seigneur Jésus Christ sera une femme », dit-il. Nonna Chiara pleure. La veille, Cosimo Vachiaretto se présente à sa porte avant l’heure de la sieste, sans s’être annoncé et garant de la courtoisie par un cadeau étrange en ces jours de sécheresse mortelle : un parapluie. « Si nous n’en avons pas, ne soyons pas étonnés d’attendre la pluie », dit-il à mon arrière-grand-père. Les deux hommes parlent. Nonna Chiara n’est conviée que plus tard à cette conversation dont elle devine déjà l’objet. Une proposition irréfutable. Appelée, Nonna Chiara rejoint les hommes, assis sur un mur de roche noire, dans une chaleur étouffante où souffle l’illusion d’une brise venant de la mer. Ils transpirent. À la vue de sa jeune promise, Cosimo se met à trembler de tout son corps. « Voilà la preuve infaillible et sincère de mon amour pour vous, chère Chiara », dit-il. — « Quelle est cette raison ? » demande ma grand-mère. — « J’ai froid », répond mon grand-père. Le mariage est fixé. Tout le village est en effervescence : ce n’est pas tous les jours qu’une des leurs, cette jeune femme au sourire d’ange sans aile, et que l’on voit du matin au soir suivre les chariots et ramasser la merde des chevaux, se lie à un destin supérieur. Un rêve. Toute sa vie ma grand-mère se souvient de ce jour où on fait la fête, où on boit, où on danse la Pizzica, où on fait voler les chapeaux vers la mer, où elle épouse un mari qu’elle n’aime pas. Les hommes fument. Les femmes sont jalouses. « Une apparition divine », répètent-elles au sujet de Cosimo Vachiaretto. Nonna Chiara pleure. On vient la consoler. On lui donne un mouchoir, on essuie ses larmes avec un gant, on se retient de pleurer soi-même. Certaines savent. En leur for intérieur, elles connaissent les ravages de l’amour sans amour. D’autres, aveuglés, sont émus. Des hommes pour la plupart, ils posent une main sur l’épaule de la mariée et lui disent : « Il ne faut jamais retenir des larmes de joie .» Mon grand-père exulte. Déversant des litres d’amaretto sur le sol, afin de conjurer le mauvais sort, il ne sait pas encore que la misère et la faillite l’attendent lorsque l’entreprise de son père fait faillite deux mois plus tard, ce qui lui offre un nouvel avenir : celui de saisonnier en Suisse. Pendant de nombreuses années, je perçois mon grand-père et ma grand-mère comme un couple heureux, certes traditionnel et dépassé par les changements brutaux de l’époque, mais je ne vois pas de désespoir dans leur amour. Depuis toujours ils sont célébrés. Au sein de ma famille, leur union est l’image même du bonheur, de la stabilité, de la paix conjugale. Tout le monde les admire. Questionné à propos de leur secret, mon grand-père répond : « Parler, parler et encore parler, mais surtout, savoir se taire .» Nonna Chiara acquiesce. Je la crois sincère. Je n’entends pas encore les ruines silencieuses de son cœur. Ce n’est qu’à la mort de son mari, après septante-et-un ans de mariage, qu’elle me dit peu après l’enterrement : — « Au moment où nous nous marions, je ne suis pas amoureuse de ton grand-père. Et à sa mort, je ne le suis toujours pas. » Je lui demande des explications. Elle ne répond pas. Assis dans la minuscule cuisine, elle est vêtue de son éternelle robe à fleurs. D’une paire de sandales trouées. Ses cheveux sont semblables à de la laine usée

HKB -ZEITUNG

TEXT Pablo Jakob *

* Pablo Jakob studierte von 2010 bis 2014 am Schweizerischen Literaturinstitut. Impressum HKB-Zeitung Aktuelles aus der Hochschule der Künste Bern HKB, N°1/2018

Herausgeberin: Berner Fachhochschule BFH Hochschule der Künste Bern HKB

Redaktion: Christian Pauli (Leitung) Lara Kothe Peter Kraut Marco Matti Nathalie Pernet Gaia Renggli Andi Schoon Raffael von Niederhäusern

Gestaltungskonzept und Layout: Atelier HKB, Marco Matti (Leitung) Moana Bischof Lara Kothe Renate Salzmann

Fotografie 1. Bund: Anja Schori

Auflage: 10 000 Exemplare Erscheinungsweise: 4 x jährlich

Druck: DZB Druckzentrum Bern

© Hochschule der Künste Bern HKB. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitung darf ohne schriftliche Genehmigung der HKB reproduziert werden. Berner Fachhochschule BFH Hochschule der Künste Bern HKB Fellerstrasse 11 CH-3027 Bern hkb.bfh.ch facebook.com/hkb.bern

Die Einnahmen aus den Inseraten kommen vollumfänglich dem Stipendienfonds zugute, der HKBStudierende in prekären finanziellen Verhältnissen gezielt unterstützt. hkb.bfh.ch/stipfonds

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Eine Ausstellung mit und über Menschen mit Down-Syndrom 24.01. – 13.05.2018

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Foto: Martin Langhorst fotografiert Johanna von Schönfeld für Ohrenkuss

touchdown

HKB -ZEITUNG

rten, e z n o Mit K ater e h T , z Tan dien o P d n u

Hauptpartnerin: www.zpk.org

Preisverleihung 12. «Der Bund»-Essay-Wettbewerb. Vom leeren Blatt Papier bis zur Preisübergabe. Wir präsentieren die Schreibtalente.

«Wir sind ein Einwanderungsland – schmeckt Ihnen das?» Ein Projekt von «Der Bund» und der Fondation Reinhardt von Graffenried. Programm: • Lesung: Drei Gewinner/-innen präsentieren ihre Essays • Moderation: Christoph Simon • Musik: Judith Lüpold (voc), Monika Nagy (p) • Bühne und Visuals: Hochschule der Künste Bern HKB • Wahl: Das Publikum wählt per Urnenabstimmung • Kulinarik: Apero riche vor der Rangverkündigung Datum: Zeit: Ort:

Dienstag, 27. März 2018 18.30 Uhr, Türöffnung 17.30 Uhr Dampfzentrale, Marzilistrasse 47, Bern

Eintritt: CHF 30.–/20.– (Ermässigung mit der espace.card) Abendkasse CHF 30.– Tickets: Tel. 0800 551 800 (Gratis-Hotline) www.essay.derbund.ch

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HKB -ZEITUNG

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HKB aktuell | Agenda

N°1/2018

Forschungsapéro 2018 Datum Mi, 7. März 2018, 18 Uhr Ort Aula, PROGR – Zentrum für Kultur­- produktion Speichergasse 4 3011 Bern

Woran wird an der HKB eigentlich geforscht? Wer sich diese Frage stellt, kriegt am Forschungsapéro 2018 Antworten – und zwar nicht nur in Form von Vorträgen zu hören, sondern auch auf Postern zu sehen und in künstlerischen Performances zu erleben. Die Sozialanthropologin Maria Marshal ist die bislang einzige anerkannte Expertin für Kunstfiguren im deutschsprachigen Raum. Sie forscht nicht nur über das Phänomen Kunstfigur, sie selbst ist das Phänomen. Marshal ist damit sowohl Forscherin als auch Forschungsgegenstand und Forschungsmethode – und die weltweit erste Kunstfigur, die als Kunstfigur über Kunstfiguren promoviert.

Am Forschungsapéro spricht sie über die Kunstfigur als «performativ-ästhetisches Gesamtkunstwerk». Eugen Pfister, Historiker und Politikwissenschaftler, beforscht an der HKB HorrorComputerspiele. Weil diese Spiele oft auf der kategorischen Unterscheidung von Gut und Böse basieren, sind sie eine ausgezeichnete Quelle, um Weltbilder und Werte einer Gesellschaft besser zu verstehen. Dabei sind sie nicht nur Abbilder jener Werte, sondern konstruieren selber gesellschaftliche Realität mit. In einer Performance gibt Dorothea Schürch Einblick in das Forschungsprojekt Écoute élargie, in dem sie als Doktorandin ein

Phänomen der Musik nach 1945 untersucht: die leere Stimme. Diese umfasst alle Aspekte der Stimme jenseits von Sprache. Abgerundet wird der Abend durch Vorträge von Stefan Wuelfert über den nachhaltigen Umgang mit unserem Kulturerbe sowie von Corina Caduff über aktuelle Herausforderungen der Forschung an Kunsthoch­ schulen. Durch den Anlass führt der Leiter der HKB-Forschung, Thomas Gartmann.

Bild: Dünnschliffpräparat eines mittelalterlichen Gipsmörtels

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Ausgezeichnet!

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«Wir wollten den ganzen Schnee von der Winterreise nehmen.»

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Leo Hofmann

Leo, du hast an der HKB den Bachelor Sound Arts sowie den interdisziplinären Master Contemporary Arts Practice (CAP), ebenfalls mit Vertiefung Sound Arts, absolviert. Heute ist deine Kunst sehr performativ. Wie kam es dazu? Ein Merkmal des Masterstudiums im CAP ist der Austausch mit den Studierenden aus den anderen Vertiefungen, aus Literatur, Fine Arts und Performance Art. Zudem belegte ich den Minor Théâtre musical, der zwar nicht Teil des CAP ist, für mich aber sehr wichtig war. Seit jeher bin ich häufig auf Bühnen aufgetreten, sei es beim Klavierspielen oder im Schultheater. Als ich später über mein Interesse an Hörspielen in den Studiengang Sound Arts kam, konnte ich diese Affinität in meine kompositorische Praxis einbringen. In deinen Projekten bist du oft selber für die verschiedenen Schritte Komposition, Produktion und Performance verantwortlich. Warum? Ich finde es interessant, einen Prozess von Anfang bis Schluss zu verantworten. So bin ich in meinen Projekten neben allen inhaltlichen Fragen auch mit ganz praktischen Umsetzungsfragen konfrontiert und auch für jede logistische Entscheidung mitverantwortlich: Zu welchem Preis kann ich die Idee umsetzen? Kann ich das Bühnenbild aus dem letzten Stück selber tragen und ertragen? Das finde ich relevant in einer Dienstleistungs­ gesellschaft voll von verlängerten Armen und Bestellbuttons. Auf deiner Homepage schreibst du, du befragest das «Visuelle im Musizieren und das Körperliche im Klang». Ist moderne Performancekunst immer ein Überall resp. ein Dazwischen? Ich denke, ja. In meiner Arbeit umkreise ich immer wieder auch die Frage nach dem, was im 21. Jahrhundert «musizieren» sein kann. Eine kleine Utopie dabei ist, eine Ununterscheidbarkeit herzustellen zwischen Musik machen und Musik hören. Und dieses «Machen» adressiert wiederum Fragen nach der Performativität. Ist es schwieriger, für seine Kunst ein Publikum zu finden, wenn man sich wie du ausserhalb herkömmlicher Genres bewegt? Mein Fokus hat sich schon mehrmals verschoben: Während ich früher oft an zeitgenössischen Musikfestivals war, liegt er heute eher auf Theater und Musiktheater. Die Frage nach dem Publikum ändert sich damit auch fortlaufend. Gar abstrakt wird sie etwa dann, wenn ich etwas im Radio sende und nur sehr indirekt Feedback bekommen kann. Im Produktionsprozess arbeite ich oft mit Testpublikum oder sogenannten Outside-Eyes, deren Feedback ist sehr wichtig für mich. In den zwei Werken, für die du in den letzten

Foto: Joscha Schell

Monaten Preise gewonnen hast, spielt u.a. der Gegensatz zwischen Flüchtigkeit und Beständigkeit eine Rolle. Inwiefern ist das ein Thema, das dich beschäftigt? Etwa in Bezug auf Komposition und Livemusik ist das ein sehr aktuelles Thema. Seit Musik mechanisch fixiert, aufgezeichnet werden kann, hat das Kompositionsver­ sprechen eine andere Bedeutung bekommen. In der elektronischen Musik stellt sich etwa die Frage, was eine Liveaufführung noch sein kann, wenn eine elektronische Band «live» spielt, aber eigentlich nur noch der Gesang die Livesituation verifiziert. Was kann und muss ich in einer solchen Situation noch transportieren oder erfüllen? Zu hinterfragen, was der Moment des Musizierens in der ­heutigen Zeit ist, finde ich sehr interessant. Mit dem Projekt Winterreise / Preliminary Study for a Nomadic Life hast du den Schweizer Performancepreis gewonnen, gemeinsam mit Benjamin van Bebber, einem befreundeten Musiktheaterregisseur aus Hamburg. Worin lag der Reiz, ein traditionelles Werk wie Schuberts Liederzyklus Winterreise mit Elektronik zu adaptieren?

Die Winterreise ist ein Kultstück. Beim Adaptieren eines Materials kann es sehr reizvoll sein, wenn alle es kennen, weil die Be­ arbeitung dann stärker wahrgenommen wird. Unsere Ausgangsfragen waren: Wie führt man einen solchen 200-jährigen Lieder­ zyklus für Gesang und Klavier heute auf? Wie kann man diesen tiefromantischen deutschen Texten neu zuhören? Wie kann man so lange von Einsamkeit singen, obwohl das Stück für zwei Musizierende geschrieben ist? Wir wollten die Themen des Zyklus wie Einsamkeit und Heimweh positiv umdeuten, den ganzen Schnee von der Winterreise nehmen. Unsere Bearbeitung stellt immer wieder die Frage: Wie kann die Musik einen Raum immersiv einnehmen und mit der Aufmerksamkeit der Musiker, aber auch der Zuhörerinnen füllen? Kurz nach dem Performancepreis wurdest du mit dem Hörspielpreis ARD PiNball ausgezeichnet. Welche Bedeutung haben solche Preise für dich? Gerade weil ich in sehr verschiedenen Kontexten wie in der Neuen Musik, im Musiktheater, in der Medien- oder Hörspielkunst arbeite – die alle ihre je eigenen

Leit­ ideen haben –, ist es für mich wichtig, dass sich meine Arbeit diesen Kontexten auch stellt. Wenn ich nun mit einem Performancepreis bedacht werde, bestätigt sich für mich darin genauso meine kompositorische Praxis – weil sie nun mal untrennbar von einer performa­tiven Fragestellung ist. Die Fragen stellte Raffael von Niederhäusern

Leo Hofmann (*1986) hat an der HKB den Bachelor Sound Arts sowie den Master Contemporary Arts Practice absolviert und diesen 2013 abgeschlossen. Heute kreiert und spielt er Musiktheater, Klangperformances und hörspiel­ artige Kompositionen. Er arbeitet mit Stimme, Bewegung und Elektronik, untersucht Musik zwischen Flüchtigkeit und medialer Fixierung, befragt das Visuelle im Musizieren und das Körperliche im Klang. Seine Arbeit umfasst ferner Musik für Theater, Radioarbeiten und Klanginstallationen. 2017 hat er mit seinem Stück Mobile Karma an den ARD-Hörspieltagen den ARD PiNball, den Wettbewerb der freien Hörspielszene, sowie gemeinsam mit Benjamin van Bebber mit einer Adaption von Schuberts Winterreise den Schweizer ­Performancepreis gewonnen. Hofmann lebt in Zürich und Hamburg. leohofmann.com


Recording the Soul of Music heisst ein kürzlich in Zusammenarbeit mit dem Museum für Musikautomaten in Seewen SO herausgegebener Sammelband mit Texten zu den selbst spielenden Klavieren und Orgeln der Firma Welte, herausgegeben von Kai Köpp und Christoph E. Hänggi. Die auf ein Symposium zurückgehenden Texte behandeln unter anderem den bisher im Dunkeln liegenden Aufnahme- und Editionsprozess der Welte-Rollen sowie ihre Aussagekraft im Hinblick auf die Interpretationspraxis des späten 19. Jahrhunderts. hkb-interpretation.ch /publikationen Seit Anfang Jahr ist Dorothee Joss an der HKB im Rahmen einer neu geschaffenen Stelle für die Koordination der Zusammenarbeit mit Gymnasien und Mittelschulen verantwortlich. Ein gutes Verhältnis zu ihren wichtigsten Zubringerschulen ist für die HKB von grosser Bedeutung. Joss studierte Germanistik, Sozial­anthropologie und Kulturmanagement und besitzt ein Lehrdiplom für die Sekundarstufe II. Nach Tätigkeiten als Regie- und Produktionsassistentin sowie als Theaterpädagogin unterrichtet sie aktuell, neben ihrem Engagement an der HKB, am Gymnasium und ist für das Schulprogramm des Wissenschaftsfestivals science+fiction verantwortlich. Unter dem Titel Musikvermittlung heute –  Konzert. Kontext. Teilhabe. bietet die HKB ab dem Herbstsemester 2018 einen neuen Weiterbildungskurs an. Er richtet sich an Personen, die beruflich mit einer Musikkultur im Umbruch zu tun haben und zugleich um Veränderung und Erhaltung – sowohl ihrer Formate und Inhalte als auch ihrer Zuhörerschaft und ihrer Konzertkultur – ringen. Im Kurs werden einige hartnäckige Gewohnheiten des Musikbetriebs hinterfragt. Die Teilnehmenden eignen sich mit Expertinnen und Experten die aktuellsten Methoden der Musikvermittlung an und erhalten konkrete Antworten auf die Forderungen nach kultureller Teilhabe und Kooperation. hkb.bfh.ch /cas-musikvermittlung

Gianna Molinari Ein Jahr nach Biel war Biel ein Jahr erst vorbei. Zwei Jahre nach Biel wusste ich nicht, wie ich in Zukunft mein Geld verdienen sollte. Fünf Jahre nach Biel fahre ich immer noch sehr viel Zug. Fünf Jahre nach Biel sage ich seltener Biel. Fünf Jahre nach Biel stelle ich fest, dass schon eine grössere Anzahl Abgängerinnen und Abgänger aus Biel hervorgegangen ist. Und es scheint eine Anzahl erreicht zu sein, die es ermöglicht, dass ich im Sommer 2016 im hinterletzten schottischen Tal aller schottischen Täler auf Lucien Haug treffe, den ich vorher nicht kannte und mit dem ich zuerst Englisch spreche, dann Hochdeutsch und dann über unsere Gemeinsamkeit, das Literaturinstitut. Manchmal ist mir das Schreiben ein Klotz am Fuss und manchmal eine viel zu steile Kurve. Manchmal ist mir das Schreiben eine frisch gefangene Forelle. Manchmal ist es ein Schritt in den Sumpf und manchmal einer daraus heraus. Sechs Jahre nach Biel frage ich mich, was ich jetzt machen würde, wenn ich nicht in Biel gewesen wäre. Auch schreiben? Schreinern? Sechs Jahre nach Biel schreibe ich und lese das Geschriebene an Lesungen vor und kann mir das alles nicht ohne Schreiben und Lesen vorstellen. Das Schreiben und das In-der-Literatur-Sein sind eine Selbst-Verständlichkeit. Ob für mich oder auf Auftrag, für ein Museum oder ein Theaterstück oder bei meiner Arbeit als Programmassistentin bei den Solothurner Literaturtagen. Sechs Jahre nach Biel habe ich eine Ahnung davon, was es heisst, einen Roman zu Ende zu schreiben. Mein Roman wird im Herbst erscheinen und ich denke über das Wort Erscheinen nach und über das Buch und über die Freude darüber in mir drin. Sechs Jahre nach Biel sind mir die Freundschaften, die ich dort geschlossen habe, in allem und in meinem Schreiben von grösster Wichtigkeit. Meinen Roman durch ihre Augen gelesen zu wissen, ihre Kritik zu hören ist wesentlich. Sechs Jahre nach Biel schreibe ich mit Literatur für das, was passiert, auf Schreib­ maschinen Texte auf Wunsch und das Geld, das wir dafür bekommen, geben wir Menschen auf der Flucht. Schreiben ist oft einsam und oft ist es das nicht. Manchmal ist mir das Schreiben zu viel, weil es immer etwas tut und im Tun auch antut. Manchmal ist mir das Schreiben das Schönste, weil es tut und antut.

Foto: Christoph Oeschger

Gianna Molinari, 1988 in Basel geboren, studierte von 2009 bis 2012 Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut Biel. Nach einem Master in Neuerer Deutscher Literatur an der Universität Lausanne arbeitet sie heute als Programmassistentin der Solothurner Literaturtage. 2015 gründete sie gemeinsam mit Julia Weber die Kunstaktionsgruppe Literatur für das, was passiert. Sie ist Gewinnerin des 3Sat-Preises des Bachmann-Wettbewerbs 2017. Ihr erster Roman erscheint im Herbst 2018 im Aufbau-Verlag.

Zu Gast

A.L. Steiner und Lise Soskolne von Hans Rudolf Reust, Judith Kakon und Annaïk Lou Pitteloud

Das BFH-Zentrum Arts in Context hat mit Matthias Vatter seit Anfang Jahr einen neuen Koordinator. Vatter ist ausgebildeter Lehrer und studierter Historiker und Politikwissenschaftler. In den vergangenen 20 Jahren arbeitete er als selbstständiger Unternehmer im Lernmedienbereich (hep-Verlag, LerNetz) und in der Kulturvermittlung. Gemeinsam mit seiner Schwester führt er seit 2015 den Kleinverlag vatter&vatter (vatterundvatter.ch), seit 2016 ist er an der HKB als Gastdozent im Master Design tätig. Das BFH-Zentrum Arts in Context erarbeitet Lösungen für den praxisnahen Einsatz der Künste in Kultur, Gesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft – von Kreation und Interpretation bis zur Vermittlung und Erhaltung. Die Kunstvermittlerin Virginie Halter ist neue Geschäftsleiterin von HKB geht an Land / La HKB touche terre. Nach der ersten Runde 2017 im Berner Jura wird die HKB dieses Jahr erneut ein Projekt umsetzen, diesmal in Zusammenarbeit mit und in der Stadt Burgdorf. Halter hat an der HKB den Master Art Education abgeschlossen und u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kunsthaus Pasquart in Biel gearbeitet. Vor der Übernahme ihrer neuen Stelle war sie in der Produktion von L’Europe sauvage engagiert, dem Musiktheaterstationendrama der HKB, das Ende Januar im Galgenfeld erfolgreich zur Aufführung kam. hkbgehtanland.ch

M ÄR Z  –  MAI 2018

Der englische Trompeter und Musikwissenschafter Tom Arthurs ist neuer künstlerischer Leiter des Studienbereichs Jazz an der HKB. Arthurs lebt seit Langem in Berlin und ist ein viel beschäftigter Künstler und Forscher. Als Partner zahlreicher renommierter Musikerinnen und Musiker hat er ausgiebig getourt, seine Improvisationskünste sind auf Labels wie ECM, Intakt und Unit dokumentiert. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit der freien Musikszene Berlins. Für Tom Arthurs endet die Musik nicht am Bühnenrand – er begreift sie ebenso als soziales Konstrukt und als Mittel einer erweiterten Kommunikation. Damit ergänzt er die Schwerpunkte der HKB Musik in Forschung und Vermittlung bestens für den Studienbereich Jazz. tomarthurs.co.uk

HKB-Absolventin im Fokus

HKB -ZEITUNG

Neu an der HKB

Mi, 14. März 2018, 17.30 Uhr GK-Talk mit A.L. Steiner und Lise Soskolne HKB, Fellerstrasse 11, 3027 Bern W.A.G.E. – diese vier Buchstaben bezeichnen im Englischen den Lohn für eine Arbeitsleistung. Seit 2008 bilden sie aber auch die spezifische Abkürzung für eine von New York ausgehende Organisation, die sich mit Working Artists And The Greater Economy befasst (wageforwork.com). Mitgründerin A.L. Steiner und Lise Soskolne, Hauptorganisatorin von W.A.G.E., werden an der HKB zusammen mit ihrem Gast Federica Martini ihre Konzeption von Kunst und Aktivismus vorstellen. Mit einem dreitägigen Workshop führen sie vertieft in die ökonomischen Grundlagen ein, präsentieren aktuelle Interventionen und fragen nach möglichen Umsetzungen in

die konkreten Arbeitsbedingungen der Studierenden. Wie versteht sich die künstlerische Praxis in einer allgemeinen Ökonomie, die zunehmend volatile und prekär bezahlte Arbeitsbedingungen für alle Arbeitenden schafft? Wie lassen sich bei verschärfter Konkurrenz in einem hierarchisierenden Markt solidarische Initiativen organisieren? Welche Rolle spielen dabei die digitalen Plattformen? Wie muss sich die Praxis von Kunstinstitu­ tionen verändern, um den Künstlerinnen und Kulturschaffenden eine finanziell unabhängige Arbeit zu ermöglichen? Der Workshop zu W.A.G.E. findet im Rahmen von Springtime statt, einem eigenständigen

Unterrichtsformat, das vom Mittelbau im Fachbereich Gestaltung und Kunst getragen wird. In Anlehnung an die international erfolgreiche Sommerakademie Paul Klee versammeln sich ausgewählte Studierende der Fine Arts im Bachelor und im Master Contemporary Arts Practice, Studierende aus dem Bachelor Vermittlung in Kunst und Design, dem Master Art Education und dem Master Design sowie von der Partnerhochschule HfK Bremen zu einem die Studiengänge übergreifenden Forum. Sie eröffnen ihr eigenes Netzwerk, indem sie je einen Gast aus anderen Hochschulen der Schweiz oder aus ihrem persönlichen Umfeld einladen. Die Begegnung im ungewohnten Kreis und mit den beiden Kuratorinnen soll zu einem provozierenden Austausch anregen, der über die persönlichen Arbeitsbedingungen hinaus auch die Formate der Lehre an der HKB erweitert. Mit Springtime, dieses Jahr unter dem Motto What We Share / How We Organize, bricht der Frühling in die Kunst ein. W.A.G.E. wird eine künstlerische Art sein, die Qualität der Ausbildung an der HKB zu befragen.

Springtime ’18 What We Share / How We Organize 14. – 16. März 2018

23


März – Mai 2018

Di

HKB-Agenda Di

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M Ä R Sa

Musik Klassik

3

HKB Wind Orchestra

und So

HKB -ZEITUNG

4

Mi

7

Di

Kulturerbe, ein gemeinsames 16 Gut. Für wen und warum? und Fr

2018 ist das europäische Jahr des Kulturerbes. Das Jahr will das Potenzial des Kulturerbes für eine demokratische und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft sichtbar machen. In der Schweiz beteiligen sich öffentliche und private Partner an der Kampagne, die den Menschen das Thema Kulturerbe näherbringen soll. Das BFH-Zentrum Arts in Context veranstaltet gemeinsam mit den Partnern NIKE, BAK und ICOMOS einen Kongress mit Keynotes u.a. von HKB-Vizedirektor Stefan Wülfert und Forscherin Giovanna Di Pietro. Anmeldung: nike-kulturerbe.ch BFH Architektur, Holz und Bau

Forschungsapéro 2018 Fr

16

13 bis Sa

Mi

Théâtre musical

14

Flamingo Air Music Szenische Audition mit Stimmen, Texten, Musik, Video und Raum. 19.30 Uhr HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal

24

Do

23 Fr

A P R

Abschlusspräsentationen des Masterstudiengangs ConservationRestoration. Jeweils 8.30 – 17.00 Uhr HKB Fellerstrasse, Auditorium Musik

23 PreCollege-

Night Jazz & Klassik

Mi

Musik Klassik

4

Dozierendenkonzert

Groovy Bands und klassische Solistinnen und Solisten teilen sich die Bühne. Dazwischen: Jungstudierende der Sound Arts. 19.30 Uhr HKB Ostermundigenstrasse 103, Auditorium

Museumsnacht 2018

Peter Croton, Professor für Laute an der HKB, und der Oud-Virtuose Nehad El Sayed Ghazy spüren der Geschichte der europäischen und der arabischen Laute nach. 19.30 Uhr Konservatorium Bern, Grosser Saal

Théâtre musical

17

Internationale Plattform für Neues Musiktheater

9

und Mi

11

So

Di

Musik Klassik

1

Offenes Haus La Prairie Instrumental- und Gesangsstudierende präsentieren solistische und kammermusikalische Werke in ungezwungenem Rahmen. 20.00 Uhr La Prairie

Do

Musik Klassik

3

C’est le vent qui fait la musique Studierende der Holzbläserklassen präsentieren zusammen mit den Solobläserinnen von Les Passions de l’Ame französische Barockmusik des frühen 18. Jh. 19.30 Uhr Klingende Sammlung

Amerika

West Side Story und Rhapsody in Blue, Klassik und Jazz, Musik und Geschichten. Konzert mit dem SOLE-Quartett zum 100. Geburtstag von Leonard Bernstein. Kooperation mit KulturKehrsatz. 18.00 Uhr Ökumenisches Zentrum Kehrsatz

So

Musik Klassik

Di

Gestaltung und Kunst

18

Sois sage, ô ma douleur

27 «Der Bund»-

Essaypreis

Die drei Gewinner/-innen des diesjährigen Essaypreises präsentieren ihre Essays zum Thema Schweiz als Einwanderungsland, das Publikum entscheidet live über die Platzierungen. Der Fachbereich Gestaltung und Kunst der HKB ist für Bühne und Visuals verantwortlich. Ticketreservation: 0800 551 800 18.30 Uhr, Türöffnung 17.30 Uhr Dampfzentrale

Des Knaben Wunderhorn Gustav Mahlers sinfonische Wunderhorn-Orchesterlieder als Schweizer Erstaufführung im Taschenformat von Klaus Simon für kleines Orchester und Solostimmen, interpretiert von Gesangsstudierenden und dem Kammerorchester der HKB. Leitung: Graziella Contratto. Mo, 18.00 Uhr MythenForum Schwyz Mi, 19.30 Uhr Yehudi Menuhin Forum

Fr

Vortrag

13

Viz Lecture #5: Darjan Hill Öffentlicher Abendvortrag im Rahmen des CAS Data Visualization. 18.30–20.00 Uhr HKB Fellerstrasse, Grosse Aula

Musik Klassik

25 Schtoris us

Vier Teams erzählen in einer musikalischen Auseinandersetzung Geschichten. Kooperation mit Konzert Theater Bern (KTB). Tickets: Billettkasse von KTB Tickets 19.00 Uhr HKB Ostermundigenstrasse, Auditorium

Matinee-Konzert mit Tianwa Yang (Violine), David Eggert (Violoncello) und François Killian (Klavier) zum 100. Todestag von Claude Debussy und Lili Boulanger und im Andenken an Agathe Rytz-Jaggi. 11.00 Uhr Lied-Rezital mit den Gästen Raquel Camarinha (Sopran) und Yoan Héreau (Klavier) 15.00 Uhr Konservatorium Bern, Grosser Saal

M A I

Mo Musik Klassik

Foto: Anja Schori

Sa

Monika Urbaniak (Violine), Patrick Jüdt (Viola) und Studierende spielen Werke von Mozart und Brahms. 19.30 Uhr Konservatorium Bern, Grosser Saal

mit der Haute École Supérieure de Musique de Strasbourg. Mi, 19.30 Uhr Konzert mit Werken von C. Vivier, S. Kutterer, S. Séjourné und M. Mellits HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal

22 Master-Thesen bis Fr

Music

Schlagzeug

Konservierung und Restaurierung

Die Klingende Sammlung, Zentrum für historische Musikinstrumente, öffnet für die Museumsnacht ihre Ausstellung C’est le vent qui fait la musique. Die HKB unterstützt die Sammlung und lässt ihre eigenen historischen Instrumente von ihr betreuen. Hast du Töne? Selber Alphorn, Lure, Oboe und viele weitere Instrumente spielen, mithilfe von HKB-Studierenden 18.00 – 21.00 Uhr, Kurzführung durch die Ausstellung Blasinstrumente und Trommeln aus 300 Jahren 21.00 – 24.00 Uhr Ausstellung und Bar 18.00 – 2.00 Uhr klingende-sammlung.ch

Jazz

Di – Sa, 13. – 17.3.2018 Threeamisu Extended Max Treutner (sax), Silvan Joray (g), Oz Yechiely (b), Felix Wolf (dr) Di – Sa, 20. – 24.3.2018 HKB Jazzorchestra conducted by Bert Joris Géraldine Schnyder (voc), Bodo Maier (tp), Felix Grandjean (tp), Jaronas Höhener (tp), Benjamin Hasler (tp), Sonja Ott (tp), Julian Eisinger (as), Manuel Schwab (as), Max Treutner (ts), Marco Karrer (ts), Sarah Belz (bs), Jonas Danuser (tb), Janosch Marti (tb), Till Ruprecht (tb), Kristine Oppegaard (btb), Marlena Skoczylas (btb), Manuel Sidler (g), Matthieu Trovato (p), Johanna Pärli (b), Nicolas Bianco (dr), Bert Joris (cond) Jeweils 18.30 / 19.45 / 21.00 Uhr Hotel Innere Enge, Jazzzelt

Kongress

24 Open Chamber

29 Mit Emmanuel Séjourné. Kooperation

Die Geigerin Katrin Scholz (Hochschule für Musik Bremen) präsentiert zusammen mit der Pianistin Anna de Capitani Werke von F. Schubert, A. Schnittke, R. Schtschedrin und G. Fauré. 19.30 Uhr HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal

15

Forschung

HKB @ Internationales 24 Jazzfestival Bern

und Do

Katrin Scholz

Do

Musik Klassik

28 Meisterkurs

20 Gastkonzert

Das HKB Wind Orchestra spielt unter der Leitung von Masterstudierenden Blasmusikdirektion Werke von J. Barnes, A. Reed, F. Cesarini und G. Gershwin. Sa, 19.30 Uhr HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal So, 17.00 Uhr Mehrzweckhalle Lenk

Forschende geben Einblick in ihre Forschungstätigkeit (siehe auch HKB-Highlight auf S. 21): Thomas Gartmann: BFH-Zentrum Arts in Context Corina Caduff: Forschung an Kunsthochschulen – aktuelle Herausforderungen Eugen Pfister: Horror – Game – Politics Dorothea Schürch: Experimentelle Tonbandstimmen der 1950er-Jahre Stefan Wuelfert: Nachhaltiger Umgang mit Kulturerbe – Inwerthaltung und Inwertsetzung Maria Marshal: Die Kunstfigur als performativ-ästhetisches Gesamtkunstwerk Anschliessend Apéro

Musik Klassik

Mi

Sa

Musik Klassik

14

Meisterkurs Oboe

und So

15

Mit Jean-Louis Capezzali. Der Meisterkurs ist nur für Studierende der HKB, Zuhörende sind willkommen. 10.00 – 13.00/14.00 – 17.00 Uhr HKB Papiermühlestrasse 13a, Kammermusiksaal

Do

Weiterbildung

19

Infoabend CAS Kulturelle Bildung Kreativität fördern ab der frühen Kindheit. hkb.bfh.ch/cas-kulturelle-bildung 18.00 – 20.00 Uhr HKB Fellerstrasse, Studio (1. OG)

Musik Klassik

Sa

Tagung

5

Stimmwelten Thema: Stimme unter Stress. Ein Beitrag zum Weltstimmtag 2018 hkb.bfh.ch/singstimme 13.30 – 18.00 Uhr, HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal

Mo Musik Klassik

7

Mai bis Fr

IZM & HAP Auditionen

diesen Abkürzungen stehen 29 Hinter anregende Gegensätze: Interpretation Jun

zeitgenössischer Musik sowie historische Aufführungspraxis. 19.30 Uhr HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal

Mi

Musik Klassik

16

Konzert der Talentförderung Hofwil Die jungen Musikerinnen und Musiker des Gymnasiums Hofwil präsentieren Solowerke und Kammermusik. 20.00 Uhr HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal

Mi

Musik Klassik

16

Kammermusik Excellence Die besten Kammermusikgruppen der HKB mit Meisterwerken und Raritäten der Kammermusikliteratur. 18.00 Uhr HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal


Oper

31

Othmar Schoeck: Das Schloss Dürande

Mai und Sa

2

Jun

Musik Klassik

So

20 Konzert

und Do Studierende des CAS / DAS Dirigieren mit der Philharmonie Baden-Baden. 16.00 Uhr Kurhaus Baden-Baden, Weinbrennersaal

31

Symposium

Fr

25 Französische und Sa

Oper in Wien 26 um 1800

Französische Revolutionsoper war die grosse Mode an den Wiener Theatern nach 1800. Die Tagung präsentiert neue Forschungsergebnisse zu einem bisher eher vernachlässigten Thema. Kooperation mit der Johannes Gutenberg Universität Mainz und der Universität Wien. Österreichische Gesellschaft für Musik Wien So

Podiumsdiskussion

27 Schoeck im

Gespräch

Diskussionsrunde über den Schweizer Komponisten Othmar Schoeck im Vorfeld der konzertanten Uraufführung der neuen Fassung seiner Oper Das Schloss Dürande (s.o.). Mit: Mario Venzago, Xavier Zuber, Thomas Gartmann, Francesco Micieli, Chris Walton und Bernhard Röthlisberger 14.30 Uhr Stadttheater Bern, Foyer Mi

M ÄR Z  –  MAI 2018

Uraufführung der neuen Fassung einer Oper mit dem Berner Symphonieorchester, Leitung: Mario Venzago. 1943 in Berlin uraufgeführt, verschwand Schoecks Werk nach dem Ende der Nazi-Herrschaft in der Versenkung. Denn das Libretto war nicht nur sprachlich dürftig, sondern wies unübersehbar braune Spuren auf. Die neue Fassung entstand in einem Forschungsprojekt der HKB und der Universität Bern. Libretto: Francesco Micieli, Anpassungen in der Komposition: Mario Venzago. 19.30 Uhr Stadttheater Bern

Mo, 26.2., bis Mi, 28.2.2018 Musik Jazz Unterrichtsbesuch für Studieninteressierte und individuelle Studienberatung mit der Studiengangsleitung. 9.00 – 16.00 Uhr HKB Eigerplatz

GK-Talks Die Vortragsreihe des Fachbereichs Gestaltung und Kunst Mi, 14.3.2018 A.L. Steiner und Lise Soskolne: W.A.G.E. W.A.G.E. ist eine von New York ausgehende Organisation, die sich seit 2008 mit Working Artists And The Greater Economy befasst. wageforwork.com Siehe auch Zu Gast auf S. 23. Mi, 18.4.2018 Roberto Simanofski: Facebook-Gesellschaft Über eine Gesellschaft, deren Kommunikationsformen und Kulturtechniken massgeblich durch die Praktiken der Selbstdarstellung und Weltwahrnehmung auf Facebook bestimmt sind.

Mi, 2.5.2018 Ruth Noack: Aktiv antiprofessionell Ist es sinnvoll, sich als Ausstellungsmacherin gegen die Professionalisierungszwänge der Kunstwelt zu stellen? Kann damit ein anderer Handlungsraum gewonnen werden? Einer, der andere Handlungen zulässt und vielleicht sogar eine andere Kunst bzw. eine andere Kunstrezeption? Ruth Noack ist Autorin, Kunstkritikerin, Universitätslektorin und Ausstellungsmacherin. Ihr umfassendes interdisziplinäres Wissen wird sowohl in ihren Ausstellungen als auch in ihren Texten sichtbar. 2007 kuratierte Noack die documenta12 in Kassel.

30 Pop-up Festival

Mi, 16.5.2018 Stefan Gronert: Smartphone-Fotos als Kunst Stefan Gronert, Fotokurator am Sprengel-Museum in Hannover, erzählt über die Fotografie im aktuellen Kunstdiskurs. Jeweils 17.30 Uhr HKB Fellerstrasse, Auditorium

Infotage HKB

Cabane B

Mo – Fr, 26.2. – 2.3.2018 Musik und Bewegung (Rhythmik) Unterrichtsbesuch für Studieninteressierte. Mo–Fr, Bachelor Di–Do, Master 9.00 – 18.30 Uhr HKB Burg Biel

Der Kunstraum beim Bahnhof Bern Bümpliz Nord Mi, 7. / 14. / 28.3.2018 Maya Minder – Gasthaus: Fermentation and Bacteria Do, 12.4.2018 Sonic Research mit Johannes Feuchter Mi, 18. / 25.4. / 2.5.2018 Bregenzer und Konsorten – Chic Do, 10.5.2018 Sonic Research mit Florian Bürki Do, 17.5.2018 Sonic Research mit Levent Pinarci Mi, 30.5. / 6. / 13.6.2018 Nora Longatti – See The Longo, Feel The Shine

Mo, 5.3.2018 Schweizer Opernstudio 10.00 – 11.30 Uhr, szenische Arbeit Oper/Musiktheater 11.30 – 13.00 Uhr, musikalische Arbeit 14.30 – 16.00 Uhr, Darstellung 16.00 – 17.00 Uhr, Gesang HKB Burg Biel

Halt auf Verlangen! Kooperation mit dem Berner Generationenhaus (begh.ch) Do, 15.3.2018 Studierende der Klassen von Tomasz Herbut (Klavier) und Rex Marting (Tuba) Do, 29.3.2018 Studierende des PreCollege Bern HKB Do, 12.4.2018 Studierende der Klassen von Tianwa Yang, Bartek Niziol und Corina Belcea (Violine) sowie Brian Archinal, Christian Hartmann und Jochen Schorer (Schlagzeug) Do, 26.4.2018 Studierende der Klassen von Markus Würsch (Trompete) und Elena Càsoli (Gitarre) Do, 10.5.2018 Conradin Brotbek und David Eggert (Violoncello) sowie Martin Fahlenbock und Christian Studler (Querflöte) Do, 24.5.2018 Kammermusik Excellence Jeweils 18.00 Uhr Spittelkapelle im Burgerspital

Forschungsmittwoch Mi, 11.4.2018 Intermedialität HKB Schwabstrasse, Multifunktionsraum

3

VERANSTALTUNGSREIHEN

Infos und Öffnungszeiten: cabaneb.ch Cabane B

Mi, 28.3.2018 Kommunikationsdesign Ort: tba

Jazz

Mai bis Das kleine, aber feine Festival bietet So einen Einblick in das vielseitige Schaffen des Studienbereichs Jazz der HKB. Jun Jeweils 20.00 Uhr PROGR, Sonarraum U64

Do, 21.6.2018 Sonic Research mit The Eʼs

Mi, 18.4.2018 Das Bockisch-Netzwerk – Tricks und Tücken rund um das Welte-Mignon-Klavier Gast: Sebastian Bausch Host: Martin Skamletz HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal Mi, 25.4.2018 Beethovens Violinkonzert in Joseph Joachims Interpretation Vortrag von Christine Siegert zur Problematik des Werkbegriffs im Hinblick auf Interpretation und Interpretationsforschung. Präsentation von Johannes Gebauer mit HKB-Studierenden mit Schlüsselstellen des Violinkonzerts in einer Joachim angenäherten Spielweise. HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal Mi, 9.5.2018 Kommunikationsdesign Ort: tba Mi, 23.5.2018 Materialität in Kunst und Kultur HKB Schwabstrasse, Multifunktionsraum

Mi, 30.5.2018 Bilder kippen! On shifting images & aspect change HKB Fellerstrasse, Grosse Aula Jeweils 17.00 Uhr hkb.bfh.ch/forschungs-mittwoch

Typoclub Afterwork Lecture Mi, 28.3.2018 Christian Mengelt: Schriftgestaltung gestern und heute Mengelt ist seit 1964 als freiberuflicher Grafiker und Schriftgestalter tätig und gewann 2015 mit dem Team ’77 den Schweizer Grand Prix Design. mengelt-blauen.ch/typedesign.html Mi, 25.4.2018 Johanna Siebein: Back to the Future Seit 2017 betreibt Siebein mit Daniel Binger und Dirk Laucke die Agentur Binger Laucke Siebein, die für progressive und nonkonforme Konzepte für Kommunikation und Gestaltung steht. binger-laucke-siebein.com Mi, 23.5.2018 Atelier Brenda: Nor This, Nor That 2012 gründeten die beiden Gestalterinnen Nana Esi und Sophie Keij das Atelier Brenda mit Sitz in Brüssel und Ostende. In ihrer Gestaltung verfolgen sie sowohl eine spielerische Haltung als auch visuelle Forschung. atelierbrenda.com Jeweils 18.00 Uhr HKB Fellerstrasse, Grosse Aula

Singer’s Night Im April und Mai, jeweils dienstags. Die Serie mit mehr oder weniger jazzigen Klängen und viel Gesang im Veranstaltungskeller des traditionsreichen Lokals im Berner Lorraine-Quartier. 20.30 Uhr Café Kairo

Jazz am Montag Mo, 30.4.2018 Solo/Duo/Trio Ensembles Lada Obradovic (dr), Oscar Holliger (g), Nicola Habegger (tp) – Studierende des Master Music Performance präsentieren ihre Projekte. Mo, 7.5.2018 The Music of Bass Desires, Rabih-Abou Khalil and Mahavishnu Orchestra Studierende aus dem 3. Jahr des Bachelorstudiengangs und dem Master Music Performance, Leitung: Klaus König. Mo, 14.5.2018 Jahresprojekt Komposition & Arrangement Leitung: Django Bates / Martin Streule. Nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Wechselspiel von Komposition und Improvisation schufen die Kompositionsstudierenden im Jazz neue Werke, die sie erstmals der Öffentlichkeit präsentieren. Jeweils 20.30 Uhr HKB Ostermundigenstrasse 103, Auditorium

Verzeichnis Veranstaltungsorte BFH Architektur, Holz und Bau Solothurnstrasse 102, 2504 Biel/Bienne Cabane B Bahnhof Bümpliz Nord, Mühledorfstrasse 18, 3027 Bern Café Kairo Dammweg 43, 3013 Bern Dampfzentrale Marzilistrasse 47, 3005 Bern

HKB -ZEITUNG

Do

HKB Burg Biel Jakob-Rosius-Strasse 16, 2502 Biel/Bienne HKB Fellerstrasse Fellerstrasse 11, 3027 Bern HKB Ostermundigenstrasse Ostermundigenstrasse 103, 3006 Bern HKB Papiermühlestrasse Papiermühlestrasse 13a/d/h, 3014 Bern HKB Schwabstrasse Schwabstrasse 10, 3018 Bern Hotel Innere Enge Engestrasse 54, 3012 Bern Klingende Sammlung Kramgasse 66, 3011 Bern Konservatorium Bern Kramgasse 36, 3011 Bern Kurhaus Baden-Baden Kaiserallee 1, D-76530 Baden-Baden La Prairie Sulgeneckstrasse 7, 3007 Bern Mehrzweckhalle Lenk Schulhausstrasse 2, 3775 Lenk MythenForum Schwyz Reichsstrasse 12, 6430 Schwyz Ökumenisches Zentrum Kehrsatz Mättelistrasse 24, 3122 Kehrsatz Österreichische Gesellschaft für Musik Wien Hanuschgasse 3, A-1010 Wien PROGR Speichergasse 4, 3011 Bern Spittelkapelle im Burgerspital Bahnhofplatz 2, 3011 Bern Stadttheater Bern Kornhausplatz 20, 3011 Bern Yehudi Menuhin Forum Helvetiaplatz 6, 3005 Bern

Weiterführende Infos: hkb.bfh.ch / veranstaltungen 25


HKB -ZEITUNG

M ÄR Z  –  MAI 2018

DIE ZELLE

KUNSTHALLE BERN elfter zwölfter dreizehnter Mai zweitausendundachtzehn

literatur.ch

24. Februar – 6. Mai 2018 John Armleder, Bianca Baldi, Cosima von Bonin, Manuel Burgener, Tom Burr, Marc Camille Chaimowicz, Beat Feller, Beat Frank, Anita Leisz, Annina Matter / Urs Zahn, Park McArthur, Edit Oderbolz, Vaclav Pozarek, Magali Reus, Nicole Wermers, Joseph Zehrer und Heimo Zobernig

43. INTeRNaTIONales

12. MÄRz – 19. MaI 2018

JazzFesTIVal BeRN

Jazz, Blues & sOul

seit 2003 ist der studienbereich Jazz der Hochschule der Künste Bern HKB im Jazzzelt zu Gast.

13. – 17. März 2018

Xi

THReeaMIsu eXTeNDeD Max Treutner (sax), silvan Joray (g), Oz Yechiely (b), Felix Wolf (dr)

20. – 24. März 2018

HKB JazzORCHesTRa conducted by BeRT JORIs ab 27. März 2018 treten ensembles der New school und der Juilliard school aus New York auf. event-zelt im Park Hotel Innere enge Dienstag – samstag 18.00 – 23.00 uhr

WELTUNTERGANG

Gratiskonzerte: 18.30 – 19.15 uhr 19.45 – 20.30 uhr 21.00 – 21.45 uhr

Ende ohne Ende

Great Food & Drinks lounge, Gallery & Bar Off-Festival Bar Video Gallery

AUSSTELLUNG

ZU OBE

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www.nmbe.ch www.jazzfestivalbern.ch


Ein HKB-Studiengang stellt sich vor

(materialarchiv.ch)

Swiss Conservation-Restoration Campus – Swiss CRC (swiss-crc.ch)

Zusammenschluss aller Schweizer Hochschulausbildungen im Bereich Konservierung und Restaurierung. Die weiteren Standorte und ihre Spezialisierungsrichtungen sind: Abegg-Stiftung, Riggisberg • Textilien Haute Ecole Arc Conservation-restauration, Neuchâtel • Archäologische u. ethnografische Objekte • Uhren, wissenschaftliche u. technische Objekte Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana, Lugano • Wandmalerei, Stein, Stuck und Architektur­ oberfläche

Andreas Buder ist Leiter des Bachelorstudiengangs Konservierung und stellvertretender Leiter des Fachbereichs Konservierung und Restaurierung an der HKB.

Kontakt

• kur@hkb.bfh.ch • +41 31 848 38 78 • hkb.bfh.ch / kur

Produktives ich schon gemacht habe im Studium: Ich habe selbst Papier geschöpft und Pigmente hergestellt, gemalt, mit Kunststoff Formen gegossen, elektronische Platinen bestückt. Du hast die Spezialisierungsrichtung Moderne Materialien und Medien gewählt. Worum geht es da? Grundsätzlich geht es um zeitgenössische Kunst, bei der die Problemstellungen der Objekte und Werke meist vielfältiger und komplexer sind als in den anderen Vertiefungsrichtungen. Einerseits wegen der verwendeten modernen Materialien selbst, die oftmals nicht so langlebig sind oder über deren Zusammensetzung und Alterung wir zum Teil nicht so viel wissen wie bei historischen Materialien. Welches sind z.B. die idealen Lagerungsbedingungen für Kunststoffe, die unterschiedlich altern, für Elektronik, für eine Batterie, die auslaufen kann, oder für Kondensatoren, die explodieren können? Anderseits kommt gerade bei installativen Werken die Frage hinzu, wie das Werk möglichst integer oder authentisch ausgestellt werden kann. Was macht das Werk aus?

Olivier Ruch (* 1980) ist gelernter Möbelschreiner und arbeitet seit 2007 bei der Manus Genossenschaft in Bern. Zu seiner äusserst vielseitigen beruflichen Biografie gehören u.a. Anstellungen in den Berner Alternativ­beizen Brasserie Lorraine und Sous le Pont sowie mehrere Einsätze als Trockenmaurer. Seit 2014 studiert er auf dem zweiten Bildungsweg und im Teilzeitstudium im Bachelor Konservierung an der HKB. Über 20 Jahren war Ruch zudem als Musiker in diversen Bands und Projekten engagiert und hat über 500 Konzerte in Europa und den USA gespielt.

HKB -ZEITUNG

Die besondere Aufgabe von Konservatorinnen und Restauratoren ist, Kunst und Kulturgut zu erhalten und somit für unsere Nachwelt zu bewahren. Klingt etwas abgeschmackt und irgendwie nicht zeitgemäss. Aber woraus schöpfen wir unsere Identität? Was gibt uns einen lebendigen Einblick in die Vergangenheit? Das materielle Kulturerbe ist eine endliche Ressource. Somit erfüllen Konservatoren und Restauratorinnen eine gesellschaft­lich hochrelevante und zukunftsgerichtete Aufgabe. Der Beruf der Konservatorin, des Restaurators hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem ursprünglich handwerklichkünstlerisch orientierten Beruf zu einer wissenschaftlichen Disziplin mit fundierter HochProjektarbeit im Modul Climate, Light and Physical Phenomena (© Christoph Richter, Museum Franz Gertsch, Burgdorf/CH) schulausbildung entwickelt, die Theorie, interne sowie exter­ Allgemeines ne Praxis in sich vereint. Trans• Studienort: Bern disziplinäres Arbeiten ist ebenso • Studienbeginn: Herbstsemester, Student Olivier Ruch im Gespräch Bewerbungsfrist: 15. März desselben Jahres selbstverständlich wie die Neu• Lehr- und Arbeitssprachen: Deutsch. gier nach natur- und geisteswissenWarum hast du dich im Alter von 34 Jahren für ein Welche der vorhandenen Bestandteile des Schriftliche Arbeiten können auch in Bachelorstudium in Konservierung entschieden? Englisch oder einer anderen Landes­ Werks sind wesentlich, welche hat der Künstler, schaftlichen Zusammenhängen. Mir war schon länger klar, dass ich auf die Künstlerin verkauft? Wie werden sie präsprache (F / I) verfasst werden. Das Besondere am Bachelorstudi­ dem zweiten Bildungsweg studieren wollte, sentiert? Sollen beispielsweise die Lautspre• Abschluss: engang Konservierung ist, dass Bachelor of Arts in Konservierung ich musste dafür aber zunächst mit 30 die Be- cher vor oder hinter der Leinwand stehen? rufsmatur nachholen. Das Konservierungsstu- Wie laut soll es sein? Soll das Publikum sitzen die Studierenden innerhalb der ersten zwei Jahre die Möglichkeit Spezialisierungsrichtungen (Major) dium an der HKB reizte mich schon damals, oder stehen? Über solche werkbestimmenden mich interessierten jedoch auch andere Dinge Fragen will ich als Restaurator eigentlich • Gemälde und Skulptur haben, sich über die verschiedewie Geschichte oder Psychologie. Für die nicht alleine entscheiden. Im Idealfall gibt • Architektur und Ausstattung Konservierung entschied ich mich schliess- es eine Dokumentation in Form von Ver• Moderne Materialien und Medien nen Spezialisierungsrichtungen lich u.a. wegen des grösseren Praxisanteils kaufsprotokollen oder auch ein Konzept von • Graphik, Schriftgut und Photographie innerhalb des Berufsfelds zu im Studium. Als gelernter Möbelschreiner, der Künstlerin, vom Künstler – oft ist dies orientieren. Und das nicht nur an Infrastruktur der während vieler Jahre in verschiedenen aber nicht der Fall. • Speziell auf die Majors ausgerichtete Feldern v.a. praktisch tätig gewesen war, beder immatrikulierten Hochschule Die Fragen stellte Raffael von Niederhäusern Konservierungsund Restaurierungsateliers fürchtete ich, dass ich in einem universitären selbst, sondern auch an zwei Studium die Praxis vermissen würde. Para• Atelier Allgemeine und Präventive Konweiteren Standorten des Swiss servierung für weniger praxiserfahrene doxerweise war und ist es nun im Studium Studienanfängerinnen und -anfänger an der HKB v.a. die Theorie, die mich besonConservation-Restoration • KTLab: kunsttechnologisches Labor für mini­ ders begeistert und wo ich schon extrem viel Campus in Lugano und Neuchâtel. malinvasive und non-destruktive Analytik gelernt habe. So wird quasi die gesamte Was zeichnet für dich das Konservierungsstudium • ArtLab: Laboratorium zur Vermittlung und Anwendung kunst- und kulturwissenschaft- an der HKB aus? Schweiz zum Studienort. Besonders spannend finde ich, wie breit licher Methoden für die KonservierungDer Studiengang bietet den EinRestaurierung gefächert das Studium ist mit Fächern wie stieg in den Beruf der KonservaKunstgeschichte, Physik, Chemie etc. Das • Fotoatelier entspricht mir sehr, denn ich habe viele ver• Holzwerkstatt torin, des Restaurators durch Learning Center Conservation-Restoration schiedene Interessen. Aktuell besuche ich • ein spannendes und forderndes z.B. ein Modul über die Konservierung von (Fachdidaktisches Zentrum) Studium. Auf ein dreijähriges • Material-Archiv S8: Standort des schweizwei- Schallplatten und Tonbändern, ein Thema, ten Bildungsnetzwerks für Lehre, Forschung das mich als Hobbymusiker ganz direkt Bachelorstudium folgt disziplinär und Praxis zu Materialien und Werkstoffen betrifft. Überhaupt ist es verrückt, wie viel ein zweijähriges Masterstudium.

M ÄR Z  –  MAI 2018

Bachelor of Arts in Konservierung

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HKB -ZEITUNG

M ÄR Z  –  MAI 2018

Schaufenster — Arbeiten aus der HKB

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“I keep moving on as a dancer, as a woman, as a survivor. To move means to adapt and to lose, to adapt and to lose, over and over again. It means to miss and I am tired of missing. I wonder if, someday, this is going to have an end. But then I ask myself... if it ends... what’s next?” Elenita Queiróz, 48”, Master-Thesis Theater, 2018. Foto: Ben Zurbriggen


LA LIESETTE LITTÉRAIRE

1

Frühling / Printemps 2018


S passe Ed Wige

« Un point réflexif est l’infime et ultime point qu’atteignent les regards absents, point à partir duquel commence un infini d’espaces fantastiques. » Goran Petrovi´c

Je suis dans un jardin verdoyant. On aperçoit bien un grillage, mais l’étendue du jardin et son opulence ont vite fait de me le faire oublier. C’est impressionnant comme quelques arbres, une poignée de feuilles par-ci et un tas de fleurs par-là ont la capacité de gommer le préfabriqué humain. À croire que c’est vrai ce qu’on dit : « la nature fait bien les choses » ou encore « la nature hait la normalité ». À moins que cela ne soit qu’un artifice. Un peu comme ce fameux Accord de Paris sur le climat, un tas de lettres agonisantes sur un joli papier glacé – mais on a fait ce qu’on a pu, l’important c’est de participer et on peut ainsi vaquer de plus belle à nos occupations. La nature, c’est joli et pratique à la fois. Mais enfin, je m’égare là… Il est si joli ce jardin. Je ne suis pas toute seule à prendre l’air. M., une autre patiente, est là aussi. Ensemble, on boit le café, on fume et je lui parle. - M., je suis verte. - Non, ça va, tu m’as l’air bien, S. - Façon de parler M., dis-je du tac au tac agacée. J’oublie qu’elle a une fâcheuse tendance à prendre les choses au pied de la lettre. Avec ce souvenir qui remonte, j’avais besoin d’une oreille attentive. - Bon M., j’ai ton oreille ? - Je partage beaucoup de choses mais mes membres je les garde. Tu as un de ces toupets ! Tu te pointes dans mon coin du jardin, bois mon café et fumes mes cigarettes, et tu veux encore mon oreille ! - Mais non, M., je veux juste te raconter un truc de fou qui m’est arrivé ! Ecoutemoi, je crois que je perds des cases à une vitesse accélérée. - Les cases c’est comme les nombres, on n’en perd pas et on n’en gagne pas. C’est pourtant trivial !, m’assène-t-elle, sans me laisser le temps de finir. - Il y a différents types de cases et il faut arrêter de tout classifier, je lui rétorque de plus en plus échaudée. Si tu me laisses le temps de te faire un dessin plus précis de la situation évoquée, tu comprendrais. M. s’enthousiasme à cette idée et se met à gribouiller des petites maisons sur le sol légèrement mouillé, tout en poussant la chansonnette. À présent tout à fait exaspérée, je lui retiens les bras et lui fourre la tasse de café dans la bouche et les mégots de cigarettes dans les narines. Elle tente de résister quelques instants mais j’obtiens rapidement le silence nécessaire pour lui raconter. Cependant à peine ai-je le temps d’enfin formuler quelques mots, que j’aperçois les hommes en blanc du bloc D surgir de nulle part et puis c’est l’écran noir… * Au réveil, plus moyen de retrouver le fil de mes idées… Ce qui est clair c’est que le cadre de mes pensées se compose de 3600 carrés exactement. Des petits carrés d’environ 15 centimètres carrés. J’ai dû recompter plusieurs fois car l’œil se perd dans tant de régularité et après on n’est plus sûr de rien. Alors on se doit de recommencer car il faut être précis sur ce qui pend au-dessus de notre tête. Sans compter qu’il vaut mieux s’assurer que de chaque côté on arrive au même résultat. La géométrie de l’homme trompe énormément. Pour cela, je n’ai pris aucun raccourci. Pas de calcul rapide, pas de multiplication à la va-vite, mais l’addition d’un carré après l’autre, encore et toujours. L’idée c’est de retomber sur un même et seul résultat. Les carrés, c’est mieux que les étoiles je crois, c’est plus régulier et ça pique moins. Des carrés aux plafonds, des rectangles aux fenêtres. Les barreaux délimitent mon champ de vision et de pensées. Infini l’espace au-dehors, ornementé d’une profusion de détails inutiles. Ici, dans la chambre, on fait le tour des choses en un demi-tour de tête. Mon monde tient en 180 degrés, il faut juste s’assurer de ne pas attraper un torticolis. Puis, l’économie des formes et des objets permet de mieux réfléchir, de se désencombrer. L’événement qui trotte dans ma tête a disparu, mais cet espace est propice pour tenter de l’extraire. Des carrés au plafond, des lignes sur mon corps. Le cadre est douillet mais les sangles qui m’encerclent le corps compriment ma circulation sanguine, un élément perturbateur pour une bonne irrigation du cerveau. Voici certainement la raison qui bloque le flux de mes pensées. J’aurais bien demandé à M. un coup de pouce pour desserrer tout ça, mais, comme d’habitude, elle n’est jamais là quand on a vraiment besoin d’elle. *

La linéarité du temps est belle et prévisible. Elle caresse avec douceur mes journées à la manière d’une courbe bien proportionnée. On me ramène mes médicaments à heure fixe. Les mêmes médicaments. De la même taille et de la même couleur. Je les avale l’un après l’autre scrupuleusement, après les avoir alignés dans la paume de ma main que je referme, les propulsant un à un jusqu’à ma bouche grâce à mon pouce. On me dit que c’est bien, tellement bien que les sangles ont disparu. Mais ce mardi, les médicaments sont en retard. Ça revient. Le sang bat dans mes tempes un peu plus fort à chaque seconde de retard. Un son étouffé mais violent qui me fait peur. Si peur. - Alors on attend les pansements de sa raison, S.?, dégaine l’infirmière M. en rentrant dans ma chambre. J’espère qu’entre-temps elle n’a pas éclaté en mille morceaux pour de bon ? Et évite de les avaler comme des sugus comme d’habitude. - Quelle est la raison de ce retard ? Moi j’attends juste mes médicaments à heure fixe, c’est pas compliqué. Et oui, je suis en un seul morceau comme on peut le voir. À se demander qui des deux devrait se faire soigner. Ce qui est en train d’éclater par contre c’est mes veines et mes artères. Le débit est si fort que mes idées se brouillent. Je vois tout en vert. Arracher mes croûtes. M. mère de Dieu. Qui grattent… qui grattent… Insupportable corps… pan pan au cul cul… le noir… la douleur… Me taper la tête contre le mur jusqu’à ce que ça s’arrête. Vite… vite… Crier… Riez… rien ne sort… Ecorcher…m’écorcher d’ici… d’ici… si… si… Mes pensées partent en fumée et j’ai du mal à les retenir. Reste que l’action. - Tu n’es pas toute seule ici, S. Il y a de nombreuses lucioles qui comme toi ont perdu un peu ou beaucoup de leur lumière et nous devons nous en occuper. - Il faut toujours éteindre la lumière. Toujours. - Qu’est-ce que tu… Elle n’a pas le temps de terminer sa phrase que je me jette sur elle. J’enroule la couverture de mon lit autour de son cou à une rapidité qui moi-même me surprend, et serre… serre… est-ce que c’est ça quand on dit que la vie ne tient qu’à un fil ?… serre… jusqu’à ne plus ressentir mon corps… alouette… jusqu’à en oublier cette chambre… petite alouette… je vois juste ses membres se désarticuler et sa proéminence au cou gigoter… alors je serre… serre encore… avant de ressentir une douleur sourde qui me fait m’écrouler. * Un cercle rOnd. Tout rOnd. Avec plein de lumière. Pardon ! Sur un fond Karré. Un rOnd sur un Karré. Hiiiiii heeeeeaaaaaaaaa. C’est joli ce rOnd Karré au plafond. Des fois le rOnd il est noir. Ça donne un rOnd noir sur un Karré noir. C’est dur de voir. Alors faut faire dodo. Pardon ! Regarder peut sauver. Les gens. C’est qu’il y a des rOnds, des Karrés, et aussi des reKtangles. Au plafond ! Moi j’ai pas peur du noir. Etre seule, c’est pas dangereux. Toute attachée ! C’est ce que mama M. m’a dit. Avant que je passe son corps rOnd par le Karré de la fenêtre. Pardon ! C’est mouillé sur le côté de ma bouche. Ça coule. Y a personne. Je le sens sur mon cou. Le reste je le sens plus. Sans douleurs. C’est mieux. On me lave tous les jours le reste que je sens plus. Pardon ! Il y a moi, mon cou et le rOnd et le Karré du plafond. C’est un joli tableau. Un x et un y. Deux dimensions. Moi, ce qui me fait plaisir, là, c’est le plafond. C’est bon pour la san-té. Ce rOnd et ce Karré que je regarde tout le temps. Mon S passe.

2


Z immer übersetzt von Lara Schaefer

«Ein Wendepunkt ist der nächste und fernste Punkt, den die abwesenden Blicke erreichen, ist der Nullpunkt, aus dem ein Universum an fantastischen Räumen zu entstehen beginnt.» Goran Petrovi´c

ist also sicher dies, blockiert den Gedankenfluss. Natürlich hätte ich M. gerne ­gebeten, mich auf die richtige Spur zu führen, um dies alles zu entwirren – aber wie immer ist sie nicht da, wenn man sie tatsächlich bräuchte. *

Ich bin in einem Garten, der grünt. Maschendraht ist zu sehen, ja, doch haben mich die Weite des Gartens und sein Überfluss ihn schnell vergessen lassen. Erstaunlich, wie manche Bäume, eine Blätterhand voll da, ein Haufen Blumen dort, es schaffen, dass dahinter vom Mensch Fabriziertes verschwindet. Es leuchtet ein, dass wahr ist, was gesagt wird: «Die Natur macht ihre Sache richtig» oder auch «Die Natur hasst Normalität». Es sei denn, dahinter steckt ein Trick. Bisschen so wie das famose Pariser Klimaabkommen, ein Haufen welker Worte auf hübschem Glanzpapier – aber, hei, getan ist, was möglich war, wichtig ist und bleibt, teilzunehmen und sauber zu eigenen Prioritäten überzugehen. Die Natur – schön und nützlich in einem. Moment, jetzt bin ich vom Weg abgekommen… zu schön, dieser Garten. Allein bin ich nicht, die hier Frischluft sucht. M., eine andere Patientin, ist auch hier. Wir trinken beide Kaffee, wir rauchen und ich rede. «M., ich bin grün.» «Es geht, du siehst aus wie immer, Z.» «Sagt M.», gebe ich ihr’s genervt zurück. Dass sie die schwierige Tendenz hat, jedes Wort mit Fingerspitzengehör aufzunehmen, vergesse ich. Mit aufkeimender Erinnerung kommt mein Bedürfnis nach einem offenen Ohr. «Gut, M., hab’ ich dein Ohr?» «Ich teile viele Dinge, aber Körperteile, die behalt’ ich. Was ist dir über den Kopf gewachsen? Pflanzt’ dich in mein Eck Garten, trinkst den Kaffee, rauchst mir die Zigaretten weg und willst am Ende noch mein Ohr!» «Aber nein, M. – ich will dir nur was total Irres erzählen, das mir passiert ist! Hör zu – ich glaub, ich werd vierrEckt, nicht langsam, sondern immer schneller.» «Ecken sind wie Nummern, da kommen keine neuen dazu, und verschwinden tun sie auch nicht. Ganz einfach», belehrt sie mich, ohne mir die Zeit zu lassen, auszureden. «Es gibt verschiedene Ecktypen, wir sollten aufhören, sie alle einzuteilen», erwidere ich ihr heiser, mir wird heiss. «Wenn du mir Zeit gibst, dir das Ganze genau aufzuzeichnen, würdest du’s verstehen.» M. ist begeistert und beginnt, auf den leicht feuchten Boden kleine Häuser zu kritzeln, und säuselt die Chansonette vor sich hin. Schon völlig ausser mir, ziehe ich ihr jetzt die Arme weg, schütte ihr die Tasse Kaffee in den Mund, stopfe ihr mit Zigarettenstummeln die Nasenlöcher. Einige Augenblicke noch wehrt sie sich, aber zack ist die nötige Stille da, und ich setze an. Doch als ich also endlich Zeit hätte, die Worte auszusprechen, bemerke ich die Männer in Weiss von Block D, aufgetaucht wie aus dem Nichts, dann Schwarzbild…

Schön ist sie, die Linearität der Zeit, und vorhersehbar. Sanft streichelt sie mir die Tage entlang, einer berechneten Kurve entlang. Die Medikamente bringt man mir zur Stunde fix. Dieselben Medikamente. Gleiche Grösse, gleiche Farbe. Ich stürze sie sorgfältig, eine nach der anderen, habe sie auf der Handfläche aufgereiht, die ich schliesse, mit dem Daumen eine nach der anderen hinabstos­ se. Es sei gut, sagt man, sehr gut, dass die Schlingen verschwunden sind. Heute, Dienstag, sind die Medikamente in Verzug. Da ist es wieder. Das Blut schlägt mir mit jeder Sekunde Verzug ein wenig stärker in die Schläfen. Ein Klang, taub aber grausam, der macht mir Angst. So Angst. «Dann warten wir lieber noch mit dem Pflaster der Vernunft, Z.?», sagt Krankenschwester M. und betritt mein Zimmer. Ich hoffe, dass sie zwischenzeitlich nicht endgültig in tausend Teile zersplittert ist? Und versuch’, sie nicht hinunterzuschlingen wie Sugus. «Was ist der Grund für den Verzug?», frage ich. Ich will nichts als die Medikamente fix auf die Stunde, das sollte kein Problem sein. Und ja, ich bin, wie man sieht, ein vollständiges Einzelteil. Stellt sich die Frage, wer von beiden sich in Behandlung begeben müsste. Was, anders als ich, zügig dabei ist zu platzen, sind die Venen und Arterien. So stark ist der Durchfluss, dass meine Einfälle sich ineinander wirren. Ich sehe alles grün. Krusten reissen ein. Mutter Gottes M. Sie kratzen… die kratzen… unerträglicher Körper… Luderarsch versohlt… das Schwarz… der Schmerz… Kopf schlagen gegen die Mauer, bis es aufhört. Schnell… schnell… Schrei… Lach… nichts kommt raus… abkratzen… mich von hier abkratzen… weg hier… so… so… Die Gedanken lösen sich in Rauch auf, ich kann sie kaum halten. Bleibt die Aktion. Du bist nicht die einzige hier, Z. Wir haben zahlreiche Glühwürmchen hier, die wie du wenig oder viel von ihrem Licht verloren haben, auch um die müssen wir uns kümmern. «Das Licht muss ausgeschaltet werden. Immer.» «Was sagst…» Zeit hat sie nicht, ihren Satz zu beenden, schon werfe ich mich auf sie. Die Bettdecke wickle ich ihr um den Hals in einer Geschwindigkeit, die selbst mich überrascht, und ich ziehe… zieh… meinen wir dies, wenn wir sagen, das Leben hängt an einem seidenen Faden?… zieh… bis ich meinen Körper nicht mehr spüre… Alouette… bis dieses Zimmer vergessen geht… petite Alouette… ich sehe nur, wie sich ihre Glieder ausrenken, und ihre zittrige Kehle… also ziehe ich… ziehe wieder… bevor ich dumpf einen Schmerz spüre, in mich einstürze.

* * Ich erwache, kein Weg, der zum Faden meiner Einfälle zurückführen würde… was klar ist, ist, dass mein Gedankenrahmen sich aus exakt 3600 Quadraten zusammensetzt. Kleine Quadrate von ungefähr 15 Quadratzentimetern. Ich hatte mehrmals mit dem Zählen von vorne beginnen müssen, weil sich das Auge verliert in all dieser Regelmäßigkeit, und am Ende ist man sich mit nichts mehr sicher. Also zwingt man sich aufs Neue, weil man genau sein will mit dem, was über unserem Kopf hängt. Dass es schlauer wäre, sicherzugehen, dass man auf beiden Seiten auf dasselbe Resultat kommt, zählt nicht. Die Geometrie des Menschen täuscht gewaltig. Darum habe ich keine Umwege genommen. Keine Schnellrechnung, keine Zackzackmultiplikation, dafür die Addition von Quadrat und Quadrat, immer und immer wieder. Auf ein und dasselbe Resultat kommen, das ist die Idee. Quadrate sind mir, glaube ich, lieber als Sterne, sie sind regelmässig und stechen weniger. Quadrate an der Zimmerdecke, Vierecke an den Fenstern. Die Rillen grenzen mein Sicht- und Denkfeld ein. Im Draussen ist der Raum unendlich, unnütze Details füllen, verzieren ihn. Hier, im Zimmer, liegt in einer halben Kopfdrehung schon die ganze, sichtbare Dingwelt. Sie erstreckt sich über 180 Grad, man muss nur gut aufpassen, dass man keine Nackenstarre kriegt. Genau, die Ökonomie der Formen und Objekte erlaubt, besser nachzudenken, sich zu befreien. Das Ereignis, das mir im Kopf herumtrollt, ist verschwunden, aber dies ist ein günstiger Raum, hier könnte ich es ganz auslöschen. Quadrate an der Zimmerdecke, Linien auf dem Körper. Der Rahmen ist gemütlich, aber die Schlingen, die mir den Körper einkreisen, komprimieren die Blutzirkulation, Störelement für eine gute Durchblutung des Hirns. Schuld

Ein KreisrUnd. Ganz rUnd. Mit viel Licht. Pardon! Auf Quadratgrund. Ein rUnd auf QuadRat. Hööööö aeeeeeeiiiiee. Ist das schön, das rUnd Quadrat an der Decke. Ab und an ist das rUnd Schwarz. Das gibt ein SchwarzrUnd auf einem QuadRatschwarz. Schwer zu sehen. Also erstmal ein Nickerchen. Pardon! Augen auf kann retten. Menschen. Was es halt hat an rUnden, QuadRatigen und auch rEchteckigen. An der Decke! Vorm Schwarz habe ich nicht Angst. Allein sein, ungefährlich. Sie ist fixiert! Hat Mutter M. gesagt. Bevor ich ihren Körper rUnd durch das FensterquadRat mache. Pardon! Mir ist die Mundecke feucht. Sie tropft. Niemand da. Ich spür’s am Hals. Den Rest spüre ich nicht mehr. Ohne Schmerzen. Besser so. Man wäscht mir täglich den Rest, den ich nicht mehr spüre. Pardon! Ich bin da, mein Hals und das rUnd und das DeckenrEchteck. Ist das ein schönes Gebild. Ein X und Y. Zwei Dimensionen. Ich, wie mich das freut, diese Decke. Ist gut für die Sundheit. Dieses rUnd und dieses rEchteck, das ich mir ansehe, die ganze Zeit. Mein Z immer.

3


Drei Gedichte Eva Seck

Girlanden im Haar

Monk’s Mood

Du hast Haare wie ein unruhiges Gewässer bei jedem Landgang verfängt sich Geäst darin du wirst immerzu gefragt warum dich dein Haar nicht hinabzieht ob du es kämmst oder wie du es wäschst und noch bevor du ein Wort sagst wühlen sich die Hände wie Maulwürfe hindurch.

Die Blutspur am Kinn trocknet im kühlen Nachtwind in Gedanken an eine Diskussion über Lyrik vor Jahren an einem grauen Morgen im Neonlicht.

Mein Wolkenhaar so weich und leicht mit dem ich nach oben schwebe in diese erregende Schicht wo ich nicht vorgesehen bin zwischen all dem Weiß blitzt wie zum Trost ein dunkles Licht auf und fließt in warmen Strömen über die Köpfe der Menschen herab.

Es ging um Herausforderung um festes Prinzip in Sprache und Form und deren gänzliche Absenz in meinen Texten. Ich gelobe nie wieder ein Glas nie wieder ein unfertiges Gedicht! Die wispernde Nacht schickt einen Windstoß die vergilbte Erinnerung verwandelt sich im Schlaf in eine Tonfolge aus Zuversicht und Monks Gewissheit: wrong is right.

4 Du atmest Luft ein und Worte aus

Vier Kastanienfrüchte zwischen dem Falllaub gefunden versiegelte Post von dir und verworfen am Wegrand. Mit Herbstlicht im Bauch und sattem Gesicht tippe ich deine Nummer ins Telefon. Mit jedem Klingeln vergrößert sich der Spalt in der Wand: du bist mein Ivan so wie ich deine Erfinderin bin. Ein Gruß durch die Zeit; du hast Luft eingeatmet und Worte ausgeatmet mit denen du mich heute ein letztes Mal rettest.


Trois poèmes traduit par Victor Comte, Sara Di Addezio Catella et Senta Lenstra

Des guirlandes dans les cheveux

Monk’s Mood

Tu as des cheveux comme de l’eau trouble dont les rivages emportent les branchages alentour on te demande toujours pourquoi tes cheveux ne t’entrainent pas vers le bas quand tu les brosses ou que tu les laves et avant même de dire un mot comme des taupes les mains labourent tes cheveux de part en part.

La traînée de sang au menton sèche dans le vent nocturne les pensées vont à une discussion d’autrefois à propos de poésie un matin gris à la lumière d’un néon.

Mes cheveux nuageux si doux si légers me font flotter plus haut dans ces strates intrigantes qui ne me sont pas destinées au milieu de tout ce blanc brille une sombre lumière réconfortante et coule en torrents chauds sur les crânes des hommes en contrebas.

Il s’agissait d’un défi d’un principe dans la langue et la forme et son absence totale dans mes textes. J’en fais le serment, plus jamais un verre plus jamais un poème inachevé ! A voix basse, la nuit envoie une bourrasque de vent la mémoire ternie devient en dormant une mélodie sereine et la certitude de Monk : wrong is right

5

Tu inspires l’air, expires les mots

Quatre châtaignes trouvées entre les feuilles d’automne un courrier scellé de toi et rejeté au bord de la route. Avec au ventre la lumière d’automne et le visage plein j’entre ton numéro dans le téléphone. Avec chaque sonnerie la fissure au mur croît : tu es mon Ivan comme je suis ta créatrice. Un salut à travers le temps ; Tu as inspiré l’air et expiré les mots avec lesquels maintenant tu me sauves une dernière fois.


Essen, Trinken, Fortpflanzen. (Ein Auszug) Noemi Somalvico

Ich möchte entführt werden. Ich blicke den Taxifahrer von der Seite an, die stumpfe Nase, das buschige Augenhaar und die Pupillen, die sich am ewiggleichen Punkt auf der Strasse halten. Wünsche mir mehr Ambition von seiner Seite. Er aber ist seinem Beruf treu, hält bei jeder Ampel, das Radio leise, ein bisschen Musik in diesen frühen Morgenstunden. Er unternimmt keinen Versuch, in eine düstere Nebengasse zu biegen. Am Bahnhof angekommen, sagt er: «Zwölf Franken bitte.» Als ich nicht reagiere, sagt er: «Nachttarif.» Ich suche das Geld in meiner Tasche. Selbst in dieser Zukunftslosigkeit traue ich mich nicht, sitzenzubleiben und somit etwas anderes zu tun als das, was man von mir erwartet. Ich steige aus, statt von der Polizei aus dem Wagen gezerrt und zum Wachtposten geschleppt zu werden, wo ich sagen müsste, warum ich mich nicht mehr bewege. Ob ich die Namen meiner Eltern nennen könne und den Tag, an dem ich geboren wurde. Siebzehnter Mai. Mein Meerschwein hiess Franz. Franz überdauerte alle anderen Meerschweine. Franz war der erste und der letzte. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich Franz zum ersten Mal sah; ein weisses Knäuel, das sich zögerlich und zuckend durch das Gras bewegte. Am Bahnhof schaue ich mir den Selectaautomaten an, der selbst bei Nacht eine grosszügige Auswahl an Überlebenswichtigem zur Verfügung stellt. Ich erfasse sofort die drei Themenbereiche: Essen. Trinken. Fortpflanzen. Frage mich, ob ich mich freuen würde, wenn man mir einen Selectaautomaten zum Geburtstag schenken würde. Ob ich den dann in meinem Zimmer hätte und alle Besucher dürften nehmen, was sie wollen. Bedient euch! Und was dann als erstes aufgebraucht wäre. Die Kondome oder die Gummibärchen. Ich lasse Münzen in den Spalt und drücke die 34: eine Flasche Wasser ohne Kohlensäure. Die Spirale, auf der die Flaschen stehen, dreht sich nach vorne, die vorderste Flasche sagt: Bitte nicht. Fällt scheppernd runter. Man müsste den Mut haben in einer leeren Nacht wie dieser. Den Mut zu sagen: Ende. Oder: Anfang. Mein Mut reicht so weit, dass ich mich nicht rege. Dass ich versteinert neben dem Selectaautomaten stehe, auf meine Umgebung nicht mehr reagiere. Darauf warte, dass etwas sich ändert. Ein Zahn aus meinem Mund fällt. Oder etwas Graues, Ekelhaftes aus dem Boden hervorschiesst.

Geht genügend Zeit vorbei, setzen Erinnerungen Rost an. Nicht etwa Schnee oder sonst was Zärtliches. Rost setzt sich an, und darüber werde ich froh sein.

Es ist schwierig abzuschätzen, was passiert wäre, wenn nicht meine Cousine Katha wie eine Königin über diese Rolltreppe an mich herangetragen worden wäre. Sie erblickte mich, das Denkgestell in seinem langen, tiefen Mantel, und fragt: «Haben wir abgemacht?» Sie hakt sich bei mir unter, zieht mich in eine Richtung. «Ich vermisse Franz», sage ich auf dem Weg zu Kathas Wohnung. Katha weiss nicht, dass es eigentlich Max ist, den ich vermisse. Wir sinnen über Franzens Zutraulichkeit nach, die er gegen Ende seines langen Meerschweinchen­ lebens entwickelt hatte, eine Zutraulichkeit, die vielleicht aus einer Erschöpfung oder Einsamkeit entstanden war. All seine Genossen hatten früher oder später ins Gras gebissen. Franz vergass, dass er sich vor uns zu fürchten, dass er mit den Beinchen zu zappeln hatte, wenn wir ihn hochhoben. Er wankte uns entgegen, wenn wir ihm Heu brachten. Er vergass sich zu wehren, wenn wir ihn frisierten, und pisste uns über die Latzhosen. Katha schliesst die Wohnung auf. Sie bietet mir ihr Bett an, ein kleines Bett in einem kleinen Zimmer. Es steht an einer Wand, die früher einmal rosa gewesen sein muss und in einem ungeduldigen Versuch weiss übermalt wurde. Ich ziehe die Schuhe aus und stelle sie ordentlich nebeneinander. Lege mich unter die Decke. Wie ein Geschwisterpaar sehen sie aus, meine Schuhe. Bevor ich das Licht ausschalte, stehe ich noch einmal auf, sperre die beiden aus. In Kathas Bett träume ich davon, dass ein berühmter Tennisspieler Max’ IPod gefunden hat. Er bringt ihn mir vorbei in seinen kurzen, roten Trainer­ hosen und sagt, er möge Max’ Musik. Als ich aufwache, sind die Lichtverhältnisse schön. Eine empfindliche, ­sorgsame Nachmittagssonne. Ich könnte bis zum Frühling in Kathas Bett liegen­ bleiben, bis die Zeit sich wieder verschiebt, und niemanden würde das stören.

Als Franz den Himmel erreichte, fiel alles von ihm ab. Sein gesamtes Irren liess er irgendwo in der Atmosphäre zurück, es war Licht, das ins Dunkle gegossen wurde, dieses Licht; es floss auf Franz zu und in ihn hinein. Franz war nun Teil eines grösseren Ganzen, er brauchte sich nicht mehr zu überlegen, ob er Kinder zeugen möchte, ob er sich in seinem Stall zu Hause­ fühlte, in welcher Ecke es ihm wohl beziehungsweise unwohl war, Franz im Himmel hatte keinen Wunsch nach Intensität. Keinen Wunsch nach Ruhe oder pulsierender Lebendigkeit, und hätte jemand ihm gesagt: Ich bau dir eine Wunschmaschine, Franz hätte kein Interesse daran gehabt. Er ass Gras, aber bestimmt nicht aus Notwendigkeit. An Kathas Tisch esse ich Brot. Meistens geschieht genau das, was ich mir vorgestellt habe: Nachdem ich hungrig geworden war, bin ich aufgestanden. Ich habe Brot geschnitten und Brot gekaut, bis das Brot Brei geworden ist. Ich habe meinen Schluckmechanismus betätigt. Der Brei ist durch die Speiseröhre in meinen Magen gerutscht. Aus derselben Überzeugung kommen die einen in den Himmel und aus derselben Überzeugung werden andere als Könige oder Rösser wiedergeboren. Ich muss bald damit anfangen, mir was auszudenken. Was Schönes. Aber immer, wenn ich an etwas Schönes zu denken versuche, steht in meinem Kopf nur noch diese Palme auf der Südseeinsel.

6


Manger, boire, s’accoupler. (Un extrait) traduit par Senta Lenstra

J’aimerais me faire enlever. Je regarde le chauffeur de taxi de côté, le nez épaté, les sourcils touffus et les pupilles qui fixent constamment la route. Je souhaiterais qu’il soit plus entreprenant. Mais il est fidèle à son métier, s’arrête à chaque feu rouge, la radio en doux bruit de fond, un peu de musique en ces heures matinales. Il ne tente jamais de bifurquer dans une ruelle sombre. Une fois arrivé à la gare, il dit : « Douze francs, s’il vous plaît. » Comme je ne réagis pas, il dit : « Tarif de nuit. » Je cherche l’argent dans mon sac. Malgré l’absence de perspectives, je n’ose pas rester immobile et faire ainsi autre chose que ce que l’on attend de moi. Je descends au lieu de me faire traîner par la police hors de la voiture jusqu’au poste, où on me demanderait pourquoi je ne bouge plus, si je peux donner le nom de mes parents et le jour de ma naissance. Le dix-sept mai. Mon cochon d’Inde s’appelait Franz. Franz a survécu à tous les autres cochons d’Inde. Franz était le premier et le dernier. Je me souviens du jour où j’ai vu Franz pour la première fois; une boule blanche qui se déplaçait en se tordant timidement dans l’herbe. À la gare, j’observe le Selecta qui même de nuit offre un grand choix sur les essentiels de survie. Je remarque tout de suite trois thèmes : Manger. Boire. S’accoupler. Je me demande si je me réjouissais, si l’on m’offrait un Selecta pour mon anniversaire. Si je l’installais dans ma chambre, tous les visiteurs pourraient y prendre ce qu’ils voudraient. Servez-vous ! Et qu’est-ce qui tomberait en premier. Les préservatifs ou les oursons à la guimauve. Je glisse des pièces dans la fente et choisis le 34 : une bouteille d’eau plate. La spirale qui retient les bouteilles tourne, la première bouteille dit : non merci. Puis, tombe dans un fracas. Je la bois. Je la vide jusqu’au bout. On devrait avoir du courage dans une nuit vide comme celle-ci. Le courage de dire : Fin. Ou : Début. Mon courage suffit juste à me permettre de rester immobile, sans bouger à côté du Selecta, sans réagir à ce qui m’entoure. Que j’attende que quelque chose change. Qu’une dent tombe de ma bouche. Ou que quelque chose d’épouvantable, de dégoûtant, surgisse de la terre.   Si assez de temps passe, les souvenirs se couvriront de rouille. Pas de neige ou de quelque chose de tendre. La rouille s’incrustera et je m’en réjouirai.

Il est difficile d’imaginer ce qui se serait passé si ce n’était pas ma cousine Katha que cet escalator avait portée vers moi comme si elle était une reine. Elle m’a regardé, armature pensante recouverte d’un long manteau douillet, et demande : « On avait rendez-vous ? » Elle me prend par un bras et m’entraîne dans une direction. « Franz me manque », lui dis-je en allant chez Katha. Elle ne sait pas que c’est en réalité Max qui me manque. Nous évoquons combien Franz, à la fin de sa longue vie de cochon d’Inde, était devenu confiant, une confiance qui était peut-être due à l’épuisement ou à la solitude. Tous ses camarades avaient tôt ou tard mordu la poussière. Franz avait oublié qu’il devait nous craindre, qu’il devait se débattre quand on le soulevait. Il titubait dans notre direction quand on lui apportait du foin. Il oubliait de se battre quand on le coiffait et nous pissait sur les salopettes. Katha ouvre son appartement. Elle me propose de dormir dans son lit, un petit lit dans une petite chambre. Il est contre un mur qui, autrefois, devait être rose et a été recouvert de blanc dans une tentative impatiente. J’enlève mes chaussures et les pose soigneusement l’une à côté de l’autre. Me glisse sous la couverture. Elles sont comme frère et sœur, mes chaussures. Avant d’éteindre la lumière, je me lève encore une fois et les mets dehors. Dans le lit de Katha, je rêve qu’un célèbre joueur de tennis trouve l’iPod de Max. Dans son pantalon de sport court et rose, il me l’apporte et me dit qu’il aime la musique de Max. Quand je me réveille, la lumière est belle. Un soleil d’après-midi sensible et bienveillant. Je pourrais rester jusqu’au printemps dans le lit de Katha, jusqu’au prochain changement d’heure, sans que cela ne dérange personne.

Quand Franz a rejoint le ciel, tout s’est détaché de lui. Il a abandonné son existence de nomade dans l’atmosphère, il y a eu une lumière qui s’est déversée dans l’obscurité, cette lumière ; elle coulait en direction de Franz et en lui. Il n’était qu’une partie d’un grand tout, il n’avait plus à penser s’il voulait des enfants, s’il se sentait chez lui dans sa cage, dans quel coin il se sentait bien ou non ; au ciel, Franz n’avait aucun désir d’intensité. Aucun désir de calme ou de vie palpitante et si quelqu’un lui avait dit : je te construis une machine à réaliser les désirs, Franz n’y aurait vu aucun intérêt. Il mangeait l’herbe, mais certainement pas par nécessité. À la table de Katha, je mange du pain. La plupart du temps, ce que je m’imagine finit par se produire. Après avoir eu faim, je me suis levée. J’ai coupé du pain et j’ai mâché du pain, jusqu’à ce que le pain devienne une bouillie. J’ai actionné mon mécanisme de déglutition. La bouillie a glissé à travers mon œsophage dans mon estomac. Par une même conviction, certains se retrouvent au ciel et par cette même conviction, d’autres se réincarnent en rois ou en chevaux. Je dois bientôt commencer à penser à quelque chose. Quelque chose de beau. Mais chaque fois que j’essaie de penser à quelque chose de beau, il n’y a dans ma tête qu’un palmier sur une île du sud.

7


Appel en provenance de la nébuleuse. Monologue (extrait) Pablo Jakob

« Votre souffle qui que vous soyez je l’ai entendu de l’autre côté alors que depuis des heures mon appel mon message de secours tournait en boucle rien et c’est que je n’y ai pas cru tout de suite bien que le but c’était je crois celui-ci désormais atteint puisque vous êtes là j’ai regardé d’abord à travers le hublot aucun vaisseau en vue pas un seul des étoiles uniquement et les yeux fatigués difficile de réfléchir avec les yeux fatigués mais votre souffle est revenu dans un grésillement j’ai sursauté et votre souffle de l’autre côté s’est transformé en respiration douce franche alors vous étiez là et alors j’ai mémorisé la fréquence je vous ai écouté encore pour être sûr et puis j’ai attendu ne sachant pas quoi dire ni faire et votre souffle toujours réveillait le vaisseau et puis plus rien plus de souffle plus rien mais j’ai mémorisé calibré stabilisé votre fréquence je vous ai passé sur les hautparleurs pour vous entendre partout dans le vaisseau et vous êtes de l’autre côté vous c’était votre souffle que j’ai entendu alors vous êtes là et moi je dois décider maintenant choisir les mots parler puisque vous êtes là même dans les ténèbres la parole a l’avantage de rester vivante et imperméable et de l’endroit où je suis ce que je vais dire va voyager et si une parole n’est pas une transaction entre deux corps consentants il faut croire je n’ai pas d’autre choix que de croire qu’à l’endroit où vous êtes et dans le temps qui est celui de votre respiration que ce que je dis trouve son but sa destination finale c’est ainsi que cela devrait fonctionner tisser une corde que je tiens à deux mains maintenant de toutes mes forces et impossible de la lâcher je l’ai tissée fabriquée avec tout ce que j’avais à disposition je n’ai rien d’autre que cela alors je ne peux plus m’en défaire puisque vous êtes là et je sais comme cette corde est fragile et je sais comme elle peut se briser et je sais comme vous pourriez la laisser là sur le sol mais vous m’écoutez vous écoutez ces mots donc vous avez attrapé la corde qui vous était lancée elle n’a qu’une fonction et pas une autre porter au-dehors d’un corps une parole la mienne et vous la confier dans vos mains à vous je suis celui qui a tissé la corde et là où vous êtes vous la tenez fermement dans vos petites mains je sais comme cette corde est brûlante elle risque de rompre à tout moment mais vous l’avez attrapée vous l’avez attrapée en ami comme un ami le ferait parce que je l’ai lancée comme cela sans savoir où elle atterrirait en aveugle et seul un ami saurait l’apercevoir dans le noir et l’attraper en vol alors vous êtes là et je vais vous considérer en ami mon ami parce que la corde qui nous relie vous et moi est d’autant plus solide si nous sommes amis alors nous le sommes et vous m’écoutez et je vous salue l’ami où que vous soyez moi je suis ici et vous ailleurs sur une Colonie lointaine ou sur un autre vaisseau et je vous salue car votre présence me fait l’effet d’un vieil ami retrouvé dans le vide dans le vide qu’il y a ici toujours les yeux fatigués les frotter ne sert à rien et maintenant il faut s’excuser je m’excuse parce que je n’ai rien à raconter rien à dire rien qui ne vaille la peine rien qui ne fasse de l’ombre à ce qu’il y a derrière ce hublot là-bas non rien pourtant vous êtes là et cette corde est tendue et si vous m’avez répondu c’est que dans le lieu qui est le vôtre mon message a fait écho il vous a interpellé et vous avez accouru merci mais sachez que ce que j’ai à dire ne vous parlera jamais de la même manière que vous le faites c’est-à-dire de la plus honnête de la plus sincère qui soit j’aimerais vous parler aussi bien que vous le faites et il ne fait pas bon discuter avec quelqu’un qui vous parle mal moi j’ai entendu votre souffle et des grésillements et puis plus rien mais vous êtes là et je vous écoute et maintenant que cette corde entre vous et moi est tendue je me demande comment la faire vibrer juste vibrer rien de plus rien qui ne soit brusque et qui la fasse se rompre une simple vibration partie d’une extrémité et ressentie à une autre c’est tout voilà ce que j’aimerais voilà ce que nous avons commencé l’ami alors j’écoute et vous ne seriez pas sur une des Colonies du Corbeau dans ce recoin-là j’ai entendu dire qu’une grande Colonie devait s’y implanter dans le cas où nos vaisseaux de transports auraient atteint leur destination sans encombre moi je n’y suis jamais allé je n’ai jamais mis les pieds dans la Galaxie du Corbeau peutêtre un jour qui sait peut-être un jour j’irai et vous êtes ailleurs si cela se trouve peut-être même que vous êtes sur Pégase de là où je viens peut-être même que je vous ai déjà rencontré comme cela en sortant de chez moi je vous ai déjà rencontré si ça se trouve et inutile de vous le cacher j’ai peur que vous me laissiez à moi-même alors puisque vous m’écoutez et si nous étions voisins ne me laissez pas je le sais un ami ne ferait jamais cela excusez-moi et n’ayez crainte je sens votre main elle s’abat sur mon visage en guise d’électrochoc les amis savent écouter ils savent aussi soutenir et secouer comme vous le faites bien que je ne sais plus depuis combien de temps mon vaisseau dérive et si nous étions voisins vous connaissez forcément Vénus oui vous avez dû la croiser vous avez dû nous croiser dans la Zone d’habitation Vénus n’est pas très grande et les cheveux courts elle pourrait passer inaperçue je crois si on ne la regardait pas assez longtemps est-ce que vous la visualisez elle s’arrête parfois près de la limite d’habitation pour observer et ces cheveux courts difficile de ne pas remarquer ces cheveux courts vous avez dû la croiser si nous sommes voisins et pour ça aussi je vous serais reconnaissant de communiquer mes coordonnées à un vaisseau de dépannage Terrien ou Colonial peu importe je vous enverrai mes coordonnées c’est que je ne suis pas sûr de ma position dans le Groupe Local c’est certain quelque part entre Andromède et Pégase je vous enverrai mes dernières coordonnées connues rien de plus fiable que des coordonnées et qu’est-ce que vous en dites de tout cela moi je penche pour un problème

technique un dysfonctionnement quelque chose de cet ordre-là peu importe presque tout fonctionne sauf les commandes et quelques systèmes secondaires l’avantage est que je ne risque pas de tomber en panne d’énergie tant qu’une étoile est à proximité les panneaux solaires tiendront du temps où nous utilisions des générateurs thermoélectriques le calcul aurait été plus simple je n’aurais pas duré si longtemps maintenant qui sait et si vous ne savez pas quoi faire de ces coordonnées allez voir Vénus allez la voir elle saura quoi faire car j’espérais qu’un autre vaisseau de ravitaillement passe près de moi et se porte à mon secours mais rien il n’y a rien ici j’ai scruté les hublots dans tous les sens décortiqués toutes les données il n’y a que des marées d’étoiles aussi lointaines qu’indifférentes des marées d’étoiles à perte de vue impossible de savoir exactement où je me trouve désormais mais à mon retour sur la terre ferme vous pouvez en être sûr écoutez-moi bien je ne perdrai pas de temps à me plaindre auprès de ceux qui voudront m’entendre ils seront peu je ne perdrai pas de temps à prendre contact avec eux avec ceux qui en sont les responsables à les confronter et à leur demander dédommagement quel qu’il soit il a néanmoins intérêt à être conséquent je négocierai s’il le faut je serai sans pitié même si je sais que ceux-là sont de ceux qui ne tremblent devant rien ils sont durs en affaire ils ne lâcheront pas ils nieront tout problème technique diront que cela est de ma faute et diront ceci problème de calibrage dans les données de vol problème de traitement des données préliminaires alors que ce n’est rien de tout cela Vénus le sait elle ce n’est rien de tout cela et vous le savez aussi comme toujours j’ai entré les coordonnées dans le système de navigation comme toujours j’ai été modèle et responsable dites-moi l’ami en ces temps qui sont les nôtres quel autre choix que d’être modèle et responsable ce n’était pas ma première sortie pas mon premier voyage entre la Galaxie de Pégase et la Terre ni mon premier ravitaillement et je connais bien ce coin de l’espace j’en viens de ce coin de l’espace je viens de la colonie de Pégase j’habite la Zone d’habitation comme les autres chaque matin je sors avec Vénus pour aller à la rencontre des nouveaux arrivants aujourd’hui il n’y en a plus un seul je participe au développement de la Colonie j’accomplis ce qui m’a été demandé ce qui doit être fait on m’a demandé de rejoindre la Terre avec un vaisseau de ravitaillement et je l’ai fait aussi simplement que cela j’ai dit à Vénus je pars pour la Terre aujourd’hui et je suis parti et je suis ici maintenant avec vous et dans un grésillement je vous ai entendu j’ai capté votre appel et me voici désormais et vous voilà aussi vous êtes là et aucun doute qu’un autre vaisseau passera par ici et se portera à mon secours car la Terre est loin devant et Pégase loin derrière que des étoiles des étoiles des étoiles et je suis parti j’ai laissé Vénus là-bas alors ils ne pourront pas me faire le coup de l’employé mauvais celui qu’ils connaissent par cœur je n’ai fait qu’exécuter moi je n’ai fait qu’exécuter et je vous le dis vous pouvez être sûr que Vénus saura leur faire comprendre quand ils n’auront plus de nouvelles de ma part vous je vous sais du genre à vivre une vie tranquille à l’abri des ennuis moi aussi j’ai toujours voulu vivre mon existence de la plus simple des manières et Vénus aussi nous sommes pareils nous avons toujours été pareils maintenant le choix est restreint vous me direz sur les Colonies il n’y a pas tant à faire pour ceux qui comme nous subissent voilà vous me direz c’est comme cela mais quand je serai de retour ils mordront ils voudront savoir et je ne pourrai répondre que ce que je suspecte problème technique ! dysfonctionnement ! et il faudra alors mordre en retour et ne pas lâcher mon os d’autres que nous le savent de ce côté-ci de la Galaxie ou de l’autre le combat sera ardu je ne suis pas le premier à avoir perdu d’avance vous le savez vous aussi que nous sommes malgré nous de cette espèce-là les futurs perdants ou les nouveaux si vous préférez sachez simplement que je ne me laisserai pas faire et il va de soi que je compte sur votre témoignage comme sur celui de Vénus elle parle fort parfois comme si je me trouvais loin comme si je n’étais presque pas là elle se met à parler très fort sans raison cela leur fera peur ils se tairont elle parle si fort qu’on ne comprend pas et je lui dis mais elle ne comprend pas non plus elle me répond je parle comme d’habitude c’est toi qui deviens fou c’est toi qui entends tout plus fort qu’avant c’est de toi que ça vient pas de moi et puis elle se fâche avant de se sentir mal alors je lui dis à Vénus moi je m’en fous que tu parles fort moi je veux juste t’entendre juste t’entendre mais elle reste fâchée et je sais qu’elle me soutiendra tout comme vous quand ils me mettront le couteau sous la gorge quand ils m’accableront et je sais que je peux compter sur vous puisque nous sommes amis et les amis s’entraident n’est-ce pas car maintenant vous recevez ces mots comme un ami le ferait et une partie de moi s’apaise l’Univers n’est pas si grand pas si vaste pas si vide je crois quand on a quelqu’un à qui parler moi je vous ai choisi parce que vous êtes celui qui a répondu à mon message mais en répondant mon ami vous m’avez choisi aussi voilà ce que j’essaie de dire nous nous sommes choisis comme Vénus m’a choisi et comme je l’ai choisie je ne sais pas je ne sais pas vraiment si vous comprenez mais une partie de moi s’apaise oui cela c’est certain votre parole résonne dans un endroit intérieur que je ne connaissais pas un endroit dont je ne soupçonnais pas l’existence où il fait très chaud où la matière se transforme passe d’un état à l’autre en une fraction de seconde et Vénus qui doit se demander pauvre petite Vénus oui un endroit étrange et à l’instar d’une supernova voilà pouvant durer des années entières le processus qui initie une supernova lui est extrêmement bref il ne dure que

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quelques millisecondes l’ami cela n’a pas tant d’importance je veux dire l’endroit est dans l’ombre et il s’est allumé peu importe et puisque votre présence est réconfortante j’espère qu’il en va de même pour la mienne parler n’a jamais été mon point fort Vénus elle c’est Vénus qui aime parler de tout de n’importe quoi pourvu que quelque chose se dise il faut toujours qu’elle parle parle parle même pour se répéter elle dit « j’ai peur » mais peur de quoi je sais pas alors Vénus ne s’arrête pas de parler moi ça ne me dérange pas c’est les autres sur la Colonie qui en ont ras-le-bol les autres qui n’en peuvent plus je vous le dis c’est que Vénus parle dès que quelqu’un s’arrête comme s’il fallait absolument que quelqu’un ait quelque chose à dire tout le temps pour Vénus ça doit être comme cela et moi je vois bien que c’est sérieux je vois bien comment elle est lorsque le silence s’installe elle est dévastée et moi je sais pourquoi c’est la peur du vide de ce qu’il y a de l’autre côté de ces parois et qui pourrait se retrouver en nous voilà pourquoi Vénus ne peut pas s’arrêter de parler comment lui en vouloir personne ne nous a appris à vivre comme cela avec tout ce vide juste à côté personne ce que Vénus ne sait pas c’est que moi je préfère le silence il m’apaise il me fait du bien là-dehors rien pas un bruit ne résonne pas un écho pas un cliquetis je m’y sens bien tout ça n’existe pas là-bas dans mon travail je voyage d’une Galaxie à une autre et rien de plus ennuyeux que de voyager avec quelqu’un qui parle sans arrêt ne dites rien à Vénus je préfère regarder par le hublot je préfère regarder que de parler vous voulez savoir pourquoi je vais vous le dire c’est simple prenez par exemple cette étoile celle-là qui brille à travers mon hublot si j’essayais de vous la décrire de la plus précise des manières cette étoile elle ne serait pour vous qu’une étoile de plus brillant quelque part dans un recoin de l’espace alors que si vous étiez à ma place alors dans ce cas ce serait totalement différent moi je n’ai jamais rien vu de plus beau que cette étoile-là celle-ci juste là et j’ai vu beaucoup d’étoiles peu vous me direz au final mais je voyage de marée en marée l’œil toujours attentif collé au hublot et ce qu’il y a de plus triste même une étoile majestueuse paraît terne quand elle fait partie d’une routine je pourrais vous en parler des heures durant vous raconter comment elle brille comment elle me parle qu’est-ce qu’elle me dit et qu’est-ce que j’entends l’effet ne sera que différent elle ne sera qu’une étoile de plus alors je vous laisse l’imaginer avec vos images à vous celles qui vous viennent moi je suis ici je la regarde c’est l’étoile la plus proche de ma position tout le monde lors d’une nuit claire et étoilée le regard porté vers l’espace tout le monde a quelque chose à faire valoir une pensée un sentiment un mot un souvenir quelque chose moi c’était la joie de la joie inconditionnelle sur Terre j’ai passé des nuits entières à regarder vers le ciel vers l’Ailleurs vers autre chose des nuits entières mon ami parce que je voulais croire à autre chose je voulais croire que quelque part les choses seraient différentes ne me dites pas que tout est là qu’il n’y a rien d’autre que cela que tout se résume à ça enfant je croyais être spécial je croyais venir d’Ailleurs j’avais tort mais moi je les regarde toujours avec autant d’admiration les étoiles moi je n’oublie pas vous les voyez l’ami ces marées à n’en plus finir il serait facile de les oublier tant elles paraissent lointaines et sans intérêt surtout les petites dans un coin celles qui ont tout le mal du monde à illuminer un bout d’espace les regarder de temps en temps ne serait-ce qu’une fois c’est leur donner tout un sens sinon à quoi servent-elles autrefois elles étaient sujets de poésie de cosmogonies magnifiques autrefois elles servaient de repères elles étaient des rêves et des mondes en devenir aujourd’hui elles ne sont plus qu’un panorama lorsque le voyageur en transit jette un coup d’œil rien d’autre il était un temps sur Terre où elles étaient de véritables divinités porteuses d’espoir synonymes d’un ailleurs les étoiles faisaient partie de nous et je les vois maintenant ces voyageurs qui ne regardent plus que devant eux vous me direz mon ami que faire d’autre que cela (…) »

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Anruf aus der Nebula. Monolog (Auszug) übersetzt von Alexandra Zysset

«Euer Atem auf der anderen Seite wer auch immer ihr seid ich habe ihn gehört während mein Ruf mein Hilferuf seit Stunden in Endlosschleife nichts und es ist so ich habe nicht sofort daran geglaubt obwohl das das Ziel war nun ist es erreicht glaube ich nun wo ihr da seid ich habe zuerst aus dem Bullauge geschaut kein Raumschiff in Sicht kein einziges nur Sterne und die Augen müde es ist schwierig zu denken mit müden Augen aber euer Atem ist zurückgekommen in einem Knistern ich bin aufgeschreckt und da hat sich euer Atem auf der anderen Seite in eine ruhige aufrichtige Lunge verwandelt ihr ward also da und ich habe mir die Frequenz gemerkt ich habe noch einmal hingehört um sicher zu sein und dann habe ich gewartet und nicht gewusst was ich sagen oder machen und euer Atem rüttelte noch immer das Raumschiff wach und dann nichts mehr kein Atem mehr nichts aber ich habe mir eure Frequenz gemerkt gespeichert ich habe sie kalibriert ich habe euch auf die Lautsprecher geschaltet um euch überall im Raumschiff zu hören und ihr seid auf der anderen Seite ihr das war euer Atem den ich gehört habe ihr seid also da und ich muss mich jetzt entscheiden die Worte wählen sie aussprechen jetzt wo ihr da seid sogar in der Finsternis hat das Wort den Vorteil lebendig und wasserdicht zu bleiben und der Ort von dem ich komme das was ich sagen werde wird reisen und wenn ein Wort nicht die Transaktion zwischen zwei willigen Körpern ist muss man glauben ich habe keine andere Wahl als an diesen Ort an dem ihr seid zu glauben und in dieser Zeit in der ihr atmet dass das was ich sage sein Ziel finden möge seinen Empfänger so muss es funktionieren ein Seil flechten das ich mit meinen beiden Händen jetzt halte mit all meiner Kraft und unmöglich es loszulassen ich habe es geflochten hergestellt mit allem was ich zur Verfügung hatte und ich habe nichts anderes als das also kann ich mich nicht mehr davon lösen wo ihr doch da seid und ich weiss dass dieses Seil spröde ist und ich weiss dass es reis­ sen kann und ich weiss ihr könntet es da auf dem Boden liegen lassen aber ihr hört mich ihr hört diese Worte also habt ihr es ergriffen das Seil das euch zugeworfen wurde es hat nur eine Funktion und keine andere das Wort aus einem Körper meinem Körper nach draussen zu tragen und in eure Hände es euch anzuvertrauen ihr ich ich bin derjenige der das Seil geflochten hat und da wo ihr seid haltet ihr es fest in euren kleinen Händen und ich weiss dass dieses Seil glühend heiss ist es droht jeden Moment zu reissen aber ihr habt es ergriffen ihr habt es ergriffen als Freund wie ein Freund es machen würde weil ich habe es genau so geworfen ohne zu wissen wo es andocken wird im Blinden nur ein Freund könnte es im Dunkeln erkennen und im Flug danach greifen nun seid ihr hier ich werde euch als Freund betrachten meinen Freund weil das Seil das uns verbindet euch und mich ist umso fester wenn wir Freunde sind also sind wir es und ihr hört mich und ich grüsse euch mein Freund wo auch immer ihr seid ich bin hier und ihr woanders auf einer fernen Kolonie oder einem anderen Raumschiff und ich grüsse euch weil mir in eurer Anwesenheit ist als sähe ich einen alten Freund wieder wiedergefunden im Nichts im Nichts dass uns ständig umgibt die Augen müde es bringt nichts sie zu reiben und ich muss mich jetzt entschuldigen ich entschuldige mich weil ich nichts zu erzählen habe nichts zu sagen nichts das es Wert wäre nichts das einen Schatten werfen könnte auf das was dort hinter diesem Bullauge ist nein nichts trotzdem seid ihr hier und dieses Seil ist gespannt und wenn ihr mir geantwortet habt von diesem Ort wo ihr seid ist meine Nachricht angekommen sie hat euch gerufen und ihr kamt angerannt danke aber ihr müsst wissen dass das was ich zu sagen habe euch nie ansprechen wird auf die Art wie ihr es macht das heisst auf die ehrlichste und aufrichtigste Art die es gibt ich möchte so gut zu euch sprechen wie ihr es macht und mit jemandem der schlecht zu euch spricht könnt ihr nicht diskutieren ich habe euren Atem gehört und Knistern und dann nichts mehr aber ihr seid da und ich höre euch zu und jetzt wo dieses Seil zwischen euch und mir gespannt ist frage ich mich wie man es zum Schwingen bringen kann nur Schwingen nichts weiter nichts Heftiges das es zum Reissen bringen könnte ein einfaches Schwingen ausgehend von einer Extremität und von einer anderen gespürt das ist alles was ich möchte das ist was wir begonnen haben Freund nun ich höre und ihr werdet sicher nicht auf einer Kolonie im Kranich sein in diesem Winkel dort habe ich gehört müsste man eine grosse Kolonie aufbauen wenn sie unsere Transportschiffe denn ungehindert erreichten ich zumindest fuhr nie so weit nie habe ich einen Fuss in die Kranichgalaxie gesetzt vielleicht eines Tages wer weiss vielleicht werde ich eines Tages hingehen und ihr seid woanders möglich dass ihr sogar auf Pegasus seid wo ich herkomme vielleicht habe ich euch sogar schon getroffen als ich weggegangen bin möglich ist es dass ich euch schon getroffen habe ihr habt keinen Grund es zu verheimlichen und ich habe Angst dass ihr mich alleine lässt nun da ihr mich hört und wenn wir Nachbarn wären würdet ihr mich nicht alleine lassen ich weiss ein Freund würde das nie tun entschuldigt mich und keine Sorge ich spüre eure Hand wie sie auf mein Gesicht niederstürzt es ist wie ein Elektroschock Freunde hören zu sie stützen und rütteln auf wie ihr es macht obwohl ich nicht mehr weiss wie lange mein Raumschiff schon abtreibt und wenn wir Nachbarn wären dann müsstet ihr eigentlich Venus kennen ja ihr müsstet ihr begegnet sein ihr müsst ihr begegnet sein in der Siedlungszone Venus ist nicht sehr gross und kurze Haare sie könnte auch unbemerkt vorbeigehen glaube ich wenn man sie nicht lange genug anschauen würde habt ihr das Bild manchmal bleibt sie an der Grenze der Siedlung stehen

um zu beobachten und diese kurzen Haare schwer sie nicht zu bemerken diese kurzen Haare ihr müsst ihr begegnet sein wenn wir Nachbarn sind und auch deshalb wäre ich euch dankbar wenn ihr meine Koordinaten weiterleiten würdet an ein Pannenschiff der Erde oder eines aus der Kolonie das spielt keine Rolle ich werde euch meine Koordinaten schicken ich weiss nur nicht genau wo in der Lokalen Gruppe ich bin bestimmt irgendwo zwischen Pegasus und Andromeda ich werde euch meine letzten bekannten Koordinaten schicken nichts zuverlässigeres als Koordinaten und was sagt ihr zu all dem ich tendiere zu einem technischen Problem einer Dysfunktion etwas in dieser Art egal alles funktioniert bis auf die Steuerruder und einige zweitrangige Systeme der Vorteil ich laufe nicht Gefahr eines Energieausfalls solange ein Stern in der Nähe ist die Sonnenkollektoren stammen noch aus der Zeit wo wir thermoelektronische Generatoren benutzten die Berechnung wäre einfacher gewesen ich hätte nicht so lange gebraucht jetzt wer weiss und wenn ihr nicht wisst was machen mit diesen Koordinaten dann geht zu Venus geht zu ihr sie wird wissen was zu machen ist denn ich habe gehofft ein anderes Tankschiff käme hier vorbei und würde mir zu Hilfe kommen aber nichts es gibt nichts hier ich habe das Bull­ auge genau untersucht alle Daten analysiert da ist nichts ausser einer Flut an Sternen ebenso fern wie unbedeutend Sterne wohin das Auge reicht unmöglich zu wissen wo genau ich mich jetzt befinde aber bei meiner Rückkehr aufs Festland das könnt ihr mir glauben hört gut zu ich werde keine Zeit verlieren mich bei jenen zu beschweren die mir zuhören wollen es werden wenige sein ich werde keine Zeit verlieren mit ihnen Kontakt aufzunehmen mit jenen die verantwortlich sind sie zu konfrontieren und eine Entschädigung zu verlangen wie auch immer sie ausfallen mag allerdings wird mein Gewissen standhaft bleiben ich werde verhandeln wenn nötig ich werde gnadenlos sein selbst wenn ich weiss dass die zu denen gehören die vor nichts zittern sie sind hart im Geschäft und werden nicht locker lassen sie werden jedes technische Problem abstreiten werden sagen es wäre alles mein Fehler gewesen werden sagen Problem der Kallibrierung in allen Flugdaten Problem in der Verarbeitung der vorläufigen Daten obwohl es nichts von all dem sein wird Venus die weiss es es ist nichts von alldem und ihr wisst es auch ich habe wie immer meine Koordinaten ins Navigationssystem eingegeben wie immer ich war vorbildhaft und verantwortungsbewusst sag mir Freund welche andere Wahl haben wir in unserer Zeit als vorbildhaft und verantwortungsbewusst zu sein es war nicht mein erster Ausgang nicht meine erste Reise von der Pegasusgalaxie zur Erde nicht mein erstes Auffüllen und ich kenne mich aus in dieser Ecke des Weltraums ich komme von der Pegasuskolonie und wohne in der Siedlungszone wie alle anderen gehe ich jeden Morgen mit Venus raus zum Empfang der Ankömmlinge heute gibt es keinen einzigen mehr ich nehme Teil am Fortschritt der Kolonie ich verrichte was man von mir verlangt wird was gemacht werden muss man hat mich gebeten zur Erde zu fahren mit einem Tankschiff und ich habe es getan so einfach habe ich es Venus gesagt ich fahre heute zur Erde und ich bin gefahren und jetzt bin ich hier mit euch mit diesem Knistern habe ich euch gehört ich habe euren Anruf empfangen und hier bin ich nun und da also seid ihr und zweifellos wird hier bald ein anderes Raumschiff vorbeikommen und mich retten denn die Erde liegt weit vorne und Pegasus weit hinten nur Sterne Sterne Sterne und ich bin gefahren ich habe Venus zurückgelassen da können sie nicht die Nummer abziehen von wegen schlechter Angestellter die können sie auswendig diese Nummer aber ich habe nur ausgeführt ich habe nur ausgeführt und ich sage es euch ihr könnt sicher sein dass Venus ihnen das zu verstehen gibt wenn sie keine Neuigkeiten von mir haben ihr ich weiss ihr gehört zu denen die ein ruhiges Leben wollen vor Krisen geschützt auch ich habe meine Existenz stets auf die bescheidenste Weise gelebt und Venus auch da sind wir gleich wir sind immer gleich gewesen jetzt ist die Wahl begrenzt ihr sagt mir auf den Kolonien kann man denen nicht viel anhaben die wie wir alles hinnehmen das sagt ihr aber wenn ich zurück bin werden sie zubeissen sie werden es wissen wollen und ich werde nicht antworten können was ich vermute technisches Problem ! Dysfunktion ! und da werde ich also zurück beissen müssen und meinen Knochen nicht loslassen sie wissen es gibt viele wir auf dieser oder jener Seite der Galaxie der Kampf wird anstrengend ich bin nicht der Erste der im Voraus verliert ihr wisst es ebenso wie wir trotz allem gehören wir zu denen zu den zukünftigen Verlierern oder den neuen wenn euch das lieber ist denkt einfach daran dass ich nicht klein beigeben werde und es versteht sich von selbst dass ich auf eure Zeugenschaft zähle wie auf die von Venus manchmal spricht sie laut als befände ich mich weit weg als wäre ich fast gar nicht da grundlos fängt sie an sehr laut zu sprechen das wird ihnen Angst machen das wird sie zum Schweigen bringen so laut spricht sie dass man nichts versteht und ich sage es ihr doch sie versteht selbst nichts sie antwortet mir ich spreche wie immer du bist es der verrückt wird du bist es der alles lauter hört als zuvor von dir kommt das nicht von mir und dann wird sie wütend bevor sie sich deswegen schlecht fühlt also sage ich Venus mir ist es egal wenn du laut sprichst ich will dich nur verstehen dich nur verstehen doch sie ist noch immer wütend und ich weiss sie wird mich unterstützen genauso wie ihr wenn sie mir das Messer an den Hals legen wenn sie mich niederringen werden ich weiss ich kann auf euch zählen nun da wir Freunde sind und Freunde halten zusammen nicht wahr denn jetzt nehmt ihr die

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Worte an wie ein Freund sie annimmt und ein Teil in mir kommt zur Ruhe das Universum ist doch nicht so gross nicht so weit so leer glaube ich wenn man jemanden zum Reden hat ich habe euch gewählt weil ihr der seid der geantwortet hat aber indem ihr geantwortet habt mein Freund habt auch ihr gewählt das ist was ich sagen will wir haben uns gewählt so wie Venus mich gewählt hat und ich sie gewählt habe ich weiss nicht ich weiss nicht wirklich ob ihr mich versteht doch ein Teil in mir kommt zur Ruhe ja das ist sicher euer Wort erschallt in einem inneren Raum den ich nicht kannte einem Raum den ich nicht verdächtigt habe wo es sehr warm ist oder die Materie sich wandelt von einem Zustand in den anderen übergeht im Bruchteil einer Sekunde und Venus muss sich fragen arme kleine Venus ja ein seltsamer Raum ähnlich einer Supernova die ganze Jahre dauern kann der Vorgang der eine Supernova einleitet ist nämlich äusserst kurz er dauert nicht mehr als einige Millisekunden mein Freund das ist nicht von Belang ich will sagen der Raum ist im Schatten und wenn er aufleuchtet kommt es nicht darauf an und da eure Anwesenheit tröstlich ist hoffe ich dasselbe gilt auch für die Meine Reden war noch nie meine Stärke Venus ist es Venus ist die die gerne über alles spricht egal was sofern es ausgesprochen werden kann muss sie darüber reden sie spricht und spricht und spricht und wiederholt sich sogar wenn sie sagt «ich habe Angst» aber Angst wovor ich weiss nicht jedenfalls hört sie nicht auf zu sprechen mich stört das nicht es sind die anderen in der Kolonie die die Nase voll haben die anderen die nicht mehr können ich sag es euch es ist weil Venus anfängt zu sprechen sobald jemand vor ihr stehen bleibt als müsste jeder jederzeit etwas zu sagen haben so denkt Venus wohl und ich ich sehe schon dass es ernst ist wenn sich das Schweigen ausbreitet dann ist sie am Boden zerstört und ich weiss warum es ist die Angst vor dem Nichts das hinter diesen Wänden lauert und das sich auch in uns finden lässt genau das ist es weshalb Venus nicht still sein kann weshalb sie mit jedem jederzeit sprechen will wo uns doch niemand gelehrt hat wie man mit all dem Nichts um uns herum lebt niemand was Venus nicht weiss ist dass ich die Stille dem Reden vorziehe sie beruhigt mich sie tut mir gut da draussen nichts kein einziges Geräusch erklingt kein Echo kein Rascheln ich fühle mich wohl so all das existiert nicht in meiner Arbeit ich reise von einer Galaxie zur nächsten und es gibt nichts Ärgerlicheres als mit jemandem zu reisen der ohne Unterlass spricht sagt Venus bitte nichts aber ich ziehe es vor aus dem Bullauge zu schauen ich ziehe das Schauen dem Reden vor ihr wollt wissen warum ich kann euch sagen warum es ist simpel nehmen wir zum Beispiel diesen einen Stern da der durch mein Bullauge scheint würde ich versuchen ihn zu beschreiben so präzise wie möglich dieser Stern wäre für euch trotzdem nur ein weiterer leuchtender Stern in irgendeinem Winkel des Alls doch wenn ihr an meiner Stelle wärt nun dann wäre es ganz anders ich habe nie etwas Schöneres gesehen als diesen einen Stern genau den dort drüben und ich habe schliesslich viele Sterne gesehen egal was ihr sagt aber ich reise von Sternenmeer zu Sternenmeer den Blick immer auf das Bullauge gerichtet und etwas vom Traurigsten ist dass selbst ein majestätischer Stern fade erscheint wenn er Teil einer Routine ist ich könnte Stunden darüber reden euch erzählen wie er leuchtet wie er zu mir spricht was er mir sagt und was ich verstehe das Resultat wäre dasselbe er wäre nur ein weiterer Stern also überlasse ich euch eurer eigenen Vorstellungskraft es ist euch überlassen wie ihr ihn seht ich bin hier ich schaue ihn an es ist der Stern der meiner Position am nächsten ist die ganze Welt schaut in einer klaren und sternvollen Nacht hinaus der Blick fürs All die ganze Welt hat etwas geltend zu machen ein Gedanke ein Gefühl ein Wort eine Erinnerung irgendwas bei mir war es die Freude die bedingungslose Freude auf der Erde habe ich ganze Nächte damit verbracht in den Himmel zu schauen in die Ferne ganze Nächte mein Freund weil ich an etwas anderes glauben wollte dass die Dinge anders wären an einem anderen Ort sagt mir nicht dass alles da sei dass es nichts anderes gäbe als das dass alles auf das hinausläuft als Kind habe ich geglaubt ich wäre etwas Besonderes und käme von Anderswo das stimmte nicht aber die Sterne betrachte ich noch immer mit derselben Bewunderung wie ihr seht vergesse ich nicht Freund diese Flut an Sterne Sterne bis zum geht nicht mehr es wäre einfach sie zu vergessen so fern wie sie scheinen und ohne Interesse vor allem die kleinen in einer Ecke die alle Mühe haben ein winziges Stück All zu beleuchten sie von Zeit zu Zeit anzusehen und sei es nur ein Mal das würde ihnen allen einen Sinn geben wozu sind sie gut früher waren sie ein fester Bestandteil der Poesie der herrlichen Kosmogonie früher waren sie Fixpunkte und wiesen den Weg sie waren Träume Welten die es zu entdecken gab heute sind sie nichts als eine Landschaft auf die der Durchreisende einen knappen Blick wirft es gab auf der Erde einmal eine Zeit da waren sie richtige Gottheiten Hoffnungsträger Synonyme für die Ferne die Sterne waren Teil von uns und ich sehe sie jetzt diese Reisenden die nicht weiter als ihre Nasenspitze schauen sag mir mein Freund was soll ich anderes tun (…)»

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[Undatierte Blätter] Fabian Saurer

[Kreis, Radius 1.8 mm]

[Blatt 1] 1. Auf dem Weg liegt eine tote, gefrorene Maus. Wir heben sie auf und nehmen sie mit zur Arbeit. Alle schleifen am Buchentisch herum. Platte, Zargen, Füsse. Beine. Shema baut die Kehlmaschine auseinander, um nachzusehen, was mit dem Motor los ist. … Er habe gesagt, es würde ihr gut gehen, sagt sie, – also? [Unentzifferbare – swanische? – Schrift] 2. Pratski. Bratski. [andere Handschrift] setischili – Ölfrucht –– sovjet. 1.Monat 18. Monate Militärdienst Vladiwostok chernenko [unbekannte, kindlich anmutende Handschrift] – russischer Präsident während David in Russland. Kontrolle des Meeres. 3. *David Militärdienst in Wladiwostok. also doch – alter Matrose. Deshalb: Das Streichholz zwischen den Zähnen. … Wie kann ein Mensch so gross sein wie David? Und wie kann ein so grosser Mensch krank werden? Grippi … Geule de bois Gujejiani_Gio Facebook [unbekannte Handschrift] [Skizze eines Schiffes.]

Türkisches Fernsehen. Kettensägenwerbung und Unfälle Mtwarisa stellt Stuhl vor die Küchenablage - schaut sich die Unfälle an und lacht am schadenfrohsten. [Kreis, Radius 1.1 mm] Mich stört Gesundheit. Zuras Sprache. Mir fehlt sehr stark Gesundheit. Das Kinder ist klein. Wozu all dieser Schnee?? David erwähnt Tschernobyl. Patschuki auch. Warum können wir uns nicht verstehen? Ohnmacht durch Sprachlosigkeit … verständliche Worte, da russisch: Batteri, Motor, Mercedes 5. Mtwarisa schaut oftmals Wörter nach im Wörterbuch, sagt sie dann aber nicht.

[Blatt 3]

veraltetes Wörterbuch übersetzt: Prachtskerl. Nicht Mal die Körpersprache verstehe ich hier. Nicht Mal die Gesten dieser Männer. Nur das Lachen. Aber sie Erstickungsgefahr durch unstellbare Fragen. Neugier im Keim ersticken Nein . Sprachlos ohne Schrecken ohne Ende Patschuki und Lello hobeln die Buchenbretter für den Aussentisch. Alter Mann kommt mit zwei Holzstücken vorbei, Patschuki sägt und hobelt die Hölzer in die Form von zwei Axtstielen, am Ende verfeinert der Alte die Stiele mit Handhobel und Schleifpapier. g Aleko’s Axt. Epti mit der Axt (betrunken) in der 2. Werkstatt, will Zigarette, will sie auch gleich anzünden, 94 jährig, kene keine Zähne. Guladi läuft mit einer Flasche Bier (10h30) über den Dorfplatz. Lado nagelt die Chromstahlgitter mit den gebläuten Paschnägel Stahl auf den Kastenboden. Kaffeepause, wieder ist die Polizei vor dem Ambulatorium, schlechte Zähne, sagt Lello. Sonne, dann Emzars Vorschlag, Bier zu trinken, als Nana auftaucht. Finger weg, sagt Patschuki.

Grosse Seite P Kleine Seite 10? 18 fehlen g 18 x 900 4 x 900 [in verblassendem Bleistift:] Wer nicht hören kann muss sprechen.

12 3. seytuliseti – olivenöl.

Matrose. Freunde. Zchalkwescha. Gemi Padwodoni 60 47 [schöne Schrift für Zahlen] 18 54 Erinnerung? Bravo. Suri bedroht uns. Weil wir ihn die Kehlmaschine nicht benutzen lassen. [Skizzen Nord- und Südkorea, daneben Japan wie ein Blinddarm, unverhältnismässig klein und als nur eine Insel.]

Gespräch wird persönlich. Auch P. fragt Sachen, Shako übersetzt. Die Zeit spielt schon lange keine Rolle mehr. Wein auf Boden, Kommentar (nicht geölt …) Wenn jemand älteres spricht, erstarre ich. Unnatürlich? Ich verstecke mein Verhalten hinter Stille und Bewegungslosigkeit. Enthalte ich so den Einheimischen meinen Charakter? Um ihrem näher zu kommen?

Mittag. Zwei Kühe kämpfen vor dem Brunnen. Eine alte Frau mit violettem Rock steht in der Mitte des Dorfes. Ich habe das Vertrauen in meine Gefühle verloren. – Urgefühl? 4. Spätestens jetzt gerät mein Leben durcheinander:

[Blatt 5] Ich lasse mich vergessen. Ich ziehe mich aus den Gedanken meiner Freunde zurück.

Wie viele Schläge braucht benötigt David für diesen 100-er Nagel? 155 170 (15)

[Blatt 2] Freitag – Gespräch. – rüebli – stabilo 1. [Grundriss eines Tisches, daneben die Initialen der Menschen, die um diesen Tisch sitzen. Zwei Fragezeichen.]

[Skizze eines Zuges]

zili = schlafen me zina kargat Patschuki sagt, wir können seinen Wehrturm besichtigen. / Toast auf M. und seine Familie. Dank ihnen …

*keine neue Maschine. (verständnisvolles Nicken …?) Shema bleibt, als einziger, skeptisch. Meter & Bleistift in den Händen. – erklärt, warum man keinen neuen Motor einbauen kann.

600 [Dreidimensionale Skizze einer Leiter mit drei Sprossen] Ich realisiere, als ich Lado erkläre, wie viel ein Flug zu mir nach Hause kostet, dass er sich auch mit diesen beiden Monaten Arbeit diesen Flug nicht wird leisten können. Wie kann man etwas verstehen?

Arzwi Arziwi = Adler

Lado beginnt, ist schüchtern. Alles gut, zufrieden. Motor der Hobelmaschine ist schwach. Kann man den auswechseln? (Zura Karbelashvili übersetzt). – behalten Mütze auf. – ruft immer wieder etwas dazwischen. – hat Hände verschränkt auf der Tischplatte. – Filzhut vor sich auf dem Tisch.

Ein Caterpillar Schaufelbagger fährt vor der Werkstatt vorbei, in der Schaufel stehen 6 Männer

310 P 23, 7 -320 [Skizze eines Raubvogels, zweidimensional.] 11,9 /6 70 Tuberkulose? Zauberfee: mein Wunsch? Fragen stellen zu können

N. hat Kind verloren. Warten auf R. Washa kommt wegen der Feile. Aluminium? Neeein! *Ich muss aufpassen. Jedes Mal wenn ich ein Blatt aus der Hosentasche nehme und Notizen mache, schaut mich E. misstrauisch an. Sagt dann aber nichts. Schade können wir nicht zusammen sprechen. Pfeifen und so tun, als ob hübsche Frauen neben der Werkstatt vorbeiwandern, Shemas Lieblingsscherz.

[Blatt 4] 2. Telefon von Zura Bayashvili. 3. Beim Bohren von Kunststoff entstehen Späne, die aussehen wie die Röcke winziger Ballerinas.

1. Zum Mittwoch Donnerstag Mushik, immer ist jemand ein Mushik. Shemas

3. Kann man stolz auf den Zustand der Hände sein? Ich zersäge einen wohlriechenden Ast unter der Bandsäge in dünne Scheiben, verteile die Stücke den Mitarbeitern.


Zwischendurch stellen sie Produkte her und ölen sie mit Bodenöl. Holzbodenöl. 4. Sie stellen Wandgarderoben her, Patschuki vier davon. (Hast du so viele Jacken?) Schnee bis im Mai/Juni.

seti – öl

Metall 2m2 (zink … oh nein) Drecksblechschere 0.3mm -2. Lado schreit ihm ins Ohr. Der alte schaut mich an. Gut, Daumen hoch. Washa sagt «tiptop», weil die Schweizer das gesagt haben. Suri 577 72 12 11 Ich streite mich ab. [Skizze Windrad] … Paridschani – auberginen KARI (= Wind) [Skizze zweier Skis und Skistöcken.]

[Blatt 6] Es scheint die ungeschriebene Regel zu geben, dass man nicht anstösst, solange ein Kleinkind am Tisch sitzt. Dauert es zu lange, wird eine Frau gerufen, um das Kind zu entfernen. (Kaplan Turkuli??) Problem mit dem Satellitenfernsehen, Marechos beschwert sich, trinkt Schnaps, nicht Wein, Becher platt, in seinem Haus gebe es besseren. Shema sagt, nach stundenlanger Diskussion über den Sinn unserer Arbeit: Prost auf die Kinder. g Mtwarisa kommt betrunken nach Hause, erstaunlicherweise. Es ist sehr kalt draussen. Sie kommen vom Fest. Schön angezogen. Die Esche vor dem Haus hat sich gelb gefärbt und verliert ihre Haut, jeder Windstoss entreisst ihr eine Handvoll Blätter und verstreut sie in der Luft, ehe sie eigensinnig zu Boden gleiten. Der Boden ist übersät. Verliert der Baum seine Blätter tatsächlich? Er verlagert sie bloss.

Trägerhemd trägt. Ob nicht sein Charakter wichtiger wäre, für die Beschreibung eines Georgiers. Doch. Aber den sehe ich ja nicht.) g Beer, guesthouse, Cha-cha Dorfjugend mit Pferd *Mütze Was Lello sagt über Nussbäume 2. Junge reitet rückwärts, sitzt rückwärts auf Pferd. Pfad zum Gletscher. Mann sägt dicke Baumstämme, zwei Söhne mit derselben Brille, sagen hello. g Dorfjugend, where are you from? Ein Dorf, drei Menschen, drei Kettensägen, zwei Brillen, zwei Pferde. 3. Die Menschen sprechen swanisch. (vom Aussterben bedrohte Sprache) (vor dem Aussterben stehende Sprache) Gesicht von Guram bleibt unbeschreiblich. Lado verzettelt sich mit den Schnäpsen. Regeln beim Trinken. Mtwarisa bereitet Essen zu. (Ich liebe Mtwarisa wie eine Stiefmutter. Erekle erklärt, dass sie aus Abchasien geflüchtet ist. Spricht sie Abchasisch? Erekle weiss es nicht. Shema nickt. Und Russisch. Und Swanisch. Als letztes hat sie Georgisch gelernt.) 4. Die 5. Schnäpse werden nach genauen Regeln getrunken. Der Alte von Zaza erinnert sich nicht an mich. Ich habe mich so auf ihn gefreut. Shema schaut im Wörterbuch: Schweiz gut Gesetz. Hier nicht Gesetz. In Schweiz gut Gesetz. In Schweiz super. Wir haben pr [unleserlicher Rest.] 6. Unser schönes Leben. = Unser schönes Leben. Tschweni sitzotzchle magarya. 8. Ich kann mir nichts erklären. Föhren (Kiefern), kleine Ahorn-Büsche, bereits Gelb. Haselstrauch/Weissdorn, Berberitze. Kleine Mülldeponie. Disteln, Birken.

[Blatt 8] Mtwarisas Cousin zeigt die Schusswunde durch die Hand. Ankommen, Fernsehen mit Mtwarisa. – warum Alleine – Zusammen – g Lachen wie Miki. Lieber nichts beschreiben als alles falsch Mtwarisa und Lado (in Gummistiefeln) essen am anderen Tisch. Essen: Tomaten-Zwiebeln-Salat, Peterlig & swanetische Kräuter. Aschenbecher selbst gebaut, gut, damit Hühner nicht Stummel essen. Narbe an Hand. Del Desinfektion. *Shema wäre ein perfekter Vater.

[Blatt 7] 1. Alte Frau mit Kopftuch – zieht Sonnenbrille an, die nur einen Bügel hat. Mann rasiert sich draussen auf seiner Veranda vor dem angestellten Spiegel, Glatze, weisses Trägerhemd, Militärhosen (Lello fragt, ob es denn darauf ankäme, dass der Mann ein weisses

g und auch das ist möglich; wer genau ist hier [unleserliches Wort]. [Unleserliche Sätze, 2] Es ist keine Krankheit. Shema: Stichsäge + Bohrhammer. Er fragt, ob Stichsäge etwas mit sagen (sprechen) zu tun habe. Dato singt, «Ziva-da-Ziva» …, bittet mich um eine Zigarette, zündet sie mit einem Streichholz an. Wir haben eine Maus gefangen, alle spielen mit ihr, seit sie in der Werkstatt steht. Beka & Lado organisieren Brennholz für die Zahnärzte, heute ist Ajiko aus Zugdidi wieder herauf ins Dorf gekommen. Die Bandsäge kennt kein Selbstmitleid. Keine Gnade. Mir ist schwindlig. 2. Während der Kaffeepause kommt die Kindergärtnerin vorbei. Security Police Hilux steht vor der Praxis, 2 Männer & 1 Frau stehen herum. (Pfeil) Wanderschuhe, Nike-Trainerhosen, ausgebleichter roter Wollpullover (V-Ausschnitt), darunter Hemd, schwarz, Brusthaare, Lederjacke, blau Baseballcap, heisere Stimme. Ergänzung … TAMARI MTWARISA

[Skizzierter Kubus mit Seitenmassen. 85 x 60 x 25] Schublade für Washa. 2x A 1x B ..... 402 420 x 66 x 24 1x C........ 14 x 47,6 7x 40,2 40,3 2 6 402 x 30 x 24

476 x 66 x 24

7x

1 Es dauert 20 Sekunden, bis das Wasser kommt. D ....... 403 x 63 x 24 (1 x 1000 x 70 [2xA]) x 7 (1x 1000 x 70 [1B + 1D]) (1x 500 x 35 [C]) … bist du traurig? – chenili moz char? ?

[Blatt 9] 1. Beka hobelt Buchen-Bretter. Patschuki schneidet Material zu mit der DeWalt-Kreissäge, aus den rohen Läden sollen zwei Tische entstehen. Lado schleift die verleimten Seitenteile der letzten Bienenkasten. David nagelt die Kartoffelharrassen zusammen mit einer Seligkeit, die die ganze Werkstatt durchströmt. Shema arbeitet weiter an den Liegestühlen. 2. Ich bin traurig, esse Sonnenblumenkerne inklusive Schalen/Kernen. Es gibt keine Verletzungen. 3. Was für einen unglaublichen Schrecken würde es mir einjagen, könnte ich eines Tages so zufrieden sein wie ein Patschuki oder Guladi. Auf der Höhe der Lippen, aber rechts davon. 2. Stoff. Kleiner Hund. 2 Monate alt. Was sagen die Leute? Ein Haus voller Leute. Dato Gaguliani [Unleserliche Schrift, andere Handschrift, zwei Worte.] 6. Ich fasse zusammen. Ich fasse allein? Sabauschowbari (Kindergarten) – [Lado Sherwashidze’s Schrift] Guiris Bolos (Wochenende) – [Lado Sherwashidze’s Schrift] Was sind das für Menschen Shema legt uns drei kleine Birnen auf den steinernen Brunnenkopf. Lello und Beka sitzen auf dem grossen Stein und verdecken die Sonne. Shako und ich auf dem Brunnenrand. 7. zwei Kälber nähern sich, trinken vom Brunnen. Eine Ziege kommt vorbei. Shako wirft die Birne, nachdem er einen Biss genommen hat, den Kälbern vor die Füsse Beine. 7. 1956 Vaterländische Krieg 1941-45 1929 [Kreis, verschiedene Grad-Angaben]

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A la queue leu leu Ed Wige

J’ai toujours adoré faire la queue. Dans une ville sans bords comme NYC, il faut sans cesse et partout faire la queue. Alors, au lieu de la subir, moi, j’en ai fait mon passe-temps. S’arranger les uns derrière les autres, se trier par ordre d’arrivée, mettre en place une belle et longue file constituée d’êtres similaires, afin d’accéder à tour de rôle à un service ou à une prestation – quelle preuve de civilisation ! Nous domptons ensemble le chaos et faisons sens de l’adversité. Il se cache tant de choses derrière un si joli filament. Cette beauté cachée, cette raideur subtile, qui échappe peut-être à certains, moi, je prends plaisir à la vivre au quotidien. Si cela ne tenait qu’à moi, je créerais une philosophie, un code de conduite et une force de l’ordre de la queue. Aujourd’hui, stationné dans la queue du guichet numéro onze de la banque, je me ronge les sangs sur le montant qu’il me reste sur mon compte pour finir le mois, en espérant que la file dure aussi longtemps que possible, histoire de laisser planer le doute. Cela faisait déjà un moment que j’avais grand peine à joindre les deux bouts. Conducteur de taxi conventionné, l’économie numérique me mettait sur la paille. Le client se faisait de plus en plus rare, et moi j’avais toujours ma licence, les contributions TVA, les charges sociales et les coûts passés de ma formation à payer. Interrompant le fil de mes pensées budgétaires, une jolie demoiselle me tapote l’épaule pour me demander si cela ne m’embêterait pas de lui garder la place dans la queue. Elle vient de se rendre compte qu’elle avait oublié un sac dans le magasin juste à côté, et n’en aurait pas pour longtemps d’aller le rechercher. Je lui réponds « Yes, of course », et que je garderai sa place bien intacte et au chaud pour elle. Elle me sourit, d’un beau sourire qui vous picote de partout, et s’en va galoper vers son sac. Après une dizaine de minutes, et tout autant de centimètres gagnés, the beauty revient, reprend sa place et m’offre une petite botte de pensées pour me remercier. Je lui souris bêtement, tout en détournant les yeux. Lui reparler – oui, demander son numéro – tout naturellement, j’échafaude un tas de plans, mais tout ce que j’arrive à faire, c’est de me murer dans la queue. Je n’ai pas reparlé à la belle, ni revu son sourire pénétrant, par contre, elle m’avait donné une idée! Le jour d’après, me voici dans une nouvelle queue qui s’étire à perte de vue : une première au cinéma de Swift and Senseless 15, que je ne vais d’ailleurs pas voir. Trop cher, trop de chair – un jour ou l’autre de toute manière, cela sortira à la télé. Je me fonds néanmoins dans la masse, une masse plutôt musclée, et fais causette devant et derrière. - Ça va être long, il va y’en avoir pour plusieurs heures, non ? Il n’y aura pas moyen de dîner…, essaimé-je innocemment. - Ne m’en parlez pas ! C’est l’horreur ! Quelle plaie d’habiter dans cette ville!, me répond la blonde augmentée de devant. - C’est notre première soirée en amoureux et l’idée n’était vraiment pas de la passer à faire la queue, me confie le jeune couple fit de derrière. J’acquiesce compatissant, avant d’ajouter : - Si cela peut vous dépanner, je fais volontiers la queue pour vous, pour disons… 10 dollars. Je vous envoie un message cinq à dix minutes avant votre tour. Ça vous dit ? Avant la fin de mon explication, je me retrouve avec une liasse d’environ 150 dollars, et une quinzaine de numéros à appeler à des intervalles différentes. 150 dollars ! 150 DOLLARS! Je recompte la liasse trois

fois d’affilée, sans oser y croire. Le salaire de presque une semaine en une seule soirée ! Damn, ce n’est pas croyable… La magie de la file opère. La soirée me permet aussi de finir ma déclaration d’impôts, la queue étant quand même passablement longue. Allier l’utile à l’agréable – une soirée assez plaisante en somme. Pour tester le charme économique de la queue une nouvelle fois, et écarter pour de bon le hasard de ce calcul, je décide d’essayer d’autres endroits. Pourquoi pas un restaurant bien quoté qui vient juste d’ouvrir ? Les jeunes trentenaires et quadras bien dotés s’y agglutinent habituellement comme mouches sur crottin frais, à la recherche d’authenticité. Ni une, ni deux, me voici devant un nouvel endroit gluten free, à l’ambiance bohème, dont le style épuré valait son pesant de dollars. Oui, je détonne un peu dans le décor… quoique… au fond, mon style populaire me donne un air décontracté très travaillé. Papotant à gauche, à droite, puis devant et derrière avec des gens d’une simplicité raffinée, je me retrouve une nouvelle fois arrosé de billets et de numéros de portables. Bingo – l’attente passe prestement et avec l’air conditionné en sus ! A la fin du déjeuner, je poursuis l’expérience et me rends, tour à tour, au stade, où un événement sportif allait avoir lieu, puis devant une salle de concert, où une star nationale allait performer. Coup sur coup, mon porte-monnaie continue de gonfler, tout comme ma liste de contacts. Et puis, la faune, à chaque fois différente, me fait voyager d’une atmosphère chargée en testostérone à un monde capillaire coloré. On y trouve des gens de tous les âges, certains grincheux, d’autres à l’affût d’un échange, des personnes guindées qui se pensent seules dans la file, puis d’autres encore qui n’attendent qu’une chose, c’est de relâcher leur aigreur et leurs tensions sur les inconnus les plus dociles, beaucoup enfin se terrent dans le mutisme en attendant que ça passe, un peu comme chez le dentiste ou le gynécologue. Elle transpire l’humanité, la queue! A la fin de mes prestations, tous ces clients bigarrés me remercient chaleureusement, me faisant promettre de de nouveau faire la queue pour eux. Moi, je réponds fièrement « You can count on me ! » Puis, mes semaines se mettent à défiler plus vite qu’avant. D’une queue à l’autre, je file le fil incessant de l’attente interminable, mais cela me plaît. Selon ce que je dois effectuer, je choisis avec soin la taille de la file. Lire le journal ou un livre, faire mes comptes, organiser ma journée, ma semaine ou mes vacances, faire la liste des courses, mettre de l’ordre dans mes pensées, réfléchir à la Vie et à ma vie, toutes ces petites choses qui amoncelées les unes sur les autres prennent du temps, et que l’on préfère faire à la vavite ou repousser à un futur infini. Ainsi, faire la queue me permet aussi de faire tout un tas de choses utiles. Entre-temps, j’ai laissé tomber mon taxi, me dévouant corps et âme à la queue. En journée, elle est liée à la sortie d’un nouveau téléphone, console ou accessoire technologique, aux soldes parfois aussi; à midi et en début de soirée, il s’agit surtout de restaurants ; enfin, le soir, cela varie – des concerts, des comédies musicales, des premières de films, des événements sportifs – les occasions ne manquent pas. C’est ainsi que la queue pour la Guerre des Galaxies 25 dépasse deux jours d’attente, alors que celle de la nouvelle console de jeu Pony commence à Manhattan et remonte jusqu’au Queens. Je revois certaines personnes régulièrement, et nombreux sont ceux qui me contactent d’eux-mêmes. Cela

marche tellement bien, que j’ai trop de commandes à honorer. Faute de temps, je dois bêtement en décliner plusieurs. Puis, je pense à mes collègues du taxi, qui eux, continuent à galérer en solo. Un, puis deux, puis dix d’entre eux – contre une commission minime – se joignent à moi pour aussi faire la queue. Ensemble, tous à la queue leu leu, la file devient aussi familiale. C’est que la file sous tous ses aspects rapporte ! Ainsi, je suis devenu en moins d’un an, selon certains, le roi de la queue. « Efficace, infatigable, fiable », telle est la devise de Dream Queue : We wait for you. La Queue de Vos Rêves est composée d’une application pour Smartphone, d’un site internet et de toute une équipe de collègues efficaces, infatigables et fiables, prêts à attendre pour vous des heures durant. L’idée est simple : on télécharge sur son Smartphone une application, qui liste tous les endroits à forte affluence – restaurants, salles de concert ou événements sportifs par exemple. L’utilisateur crée un compte, introduit son moyen de payement et sélectionne l’endroit convoité. L’application lui renvoie le temps estimé d’attente et sa distance par rapport au lieu. Il peut ensuite commander un Queue Angel. Le profil des personnes disponibles s’affiche à l’écran, avec leur photo, leur devise, leur prix qui fluctue selon les conditions météorologiques et celles de l’endroit, ainsi que les commentaires des utilisateurs qu’ils ont servis précédemment. On peut lire par exemple: « Jeff – avec moi, vous ne la sentirez pas passer », « Samantha – votre queue sera la mienne », « John – je me l’enfile avec joie pour vous ». Les devises transpirent la dévotion. L’utilisateur sélectionne un ange et indique le nombre de personnes pour qui il s’agira de patienter. Après confirmation, il reçoit régulièrement des updates sur l’état de l’avancement de la file, afin qu’il puisse s’y rendre à temps. Les anges sont reconnaissables à leur t-shirt muni d’ailes blanches et leur tabouret vissé sur le derrière. La page internet regorge de photos de clients comblés, à l’allure fraîche et reposée, arborant un sourire béat aux lèvres. Pour ma part, je sélectionne avec minutie les anges, qui se composent d’abord de conducteurs de taxi, puis d’étudiants, de femmes anciennement ou partiellement au foyer, d’indépendants, comme des acteurs ou des auteurs, de banquiers, d’assureurs, d’économistes – la crise économique me permet de ratisser large. Je les prépare aux longues attentes, en tentant de leur communiquer ma passion de la file. Je vois aussi ma tête sur des journaux et des blogs avec de titres accrocheurs : « Le gars parti de rien qui a fait fortune grâce à la queue », « L’ancien conducteur de taxi qui se la file douce ». Des experts se penchent sur mon business model avec minutie, expliquant que les gens surestiment souvent le temps d’attente, d’environ 40%, et que l’incertitude de la durée amplifie ce stress lié à l’attente. Ils s’insurgent que ce fléau social n’ait pas été empoigné avant. Fléau ou pas, je continue à faire moi-même la queue, ici et là, pour l’amour du sport et respire à pleins poumons mon american dream. Puis, un jour, tout cela s’arrête net, sans bruits, ni grands titres. Mon business marche tellement bien que les endroits trop fréquentés mettent eux-mêmes en place un système d’attente électronique pour seulement quelques cents. Pas d’intermédiaires et moins cher, il ne faut pas longtemps pour que le client passe mon application à gauche. L’économie numérique, cela vous bouffe, vous digère et vous recrache. Le tout est d’attraper quelques bouchées au passage. Alors, je suis retourné à mon taxi,

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retrouvant les copains avec qui on continue à galérer avec élégance. Je fais encore la queue où je peux le faire, quand le moral ou le compte en banque sont à zéro, en espérant y recueillir quelques pensées.

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Die lange, lange Warteschlange übersetzt von Benjamin Kevera

Ich habe Schlange stehen immer geliebt. In einer Stadt ohne Grenzen wie New York wird immer und überall Schlange gestanden. Daher, anstatt sie zu erdulden, gestalte ich sie mir zum Zeitvertreib um. Sich zu arrangieren – einer hinter dem andern – welch Beweis der Gleichheit und der Zivilisation. Ein Traum von der Welt: Die Gleichheit ohne Unterschied in Rasse, Geschlecht, Religion oder Weltsicht, das gemeinsame Zähmen des Chaos, das Verbot, sich in fremde Angelegenheiten einzumischen, und die Möglichkeit, mit andern ein Schwätzchen zu halten – all das sehe ich in einer Warteschlange. Aus dieser versteckten Schönheit, dieser subtilen Steifheit, die manchen vielleicht entgeht, ziehe ich meine Philosophie, meinen Kodex und Knigge, mein persönliches Alltagsvergnügen. Heute, in einer Schlange vor Bankschalter Nummer elf, fürchte ich mich vor dem Kontostand kurz vor Monatsende und hoffe, die Schlange stünde längstmöglich, um alle Gewissheit von mir fern zu halten. Als gewöhnlicher Taxifahrer macht mich die digitale Wirtschaft bettelarm. Die Kunden werden immer weniger, und ich muss die Lizenz, die Mehrwertsteuer, die Sozialabgaben und die Schulden meiner Ausbildung bezahlen. Eine hübsche junge Frau tippt mir an die Schulter und unterbricht meine gedankliche Budgetplanung, um mich zu fragen, ob es mir was ausmachen würde, ihren Platz in der Schlange zu hüten. Sie glaube, ihre Tasche in einem Laden gleich ums Eck vergessen zu haben, und sei nur kurz weg, um sie zu holen. Ich antworte ihr «Yes, of course» und dass ich ihren Warteplatz gut bewache und für sie warmhalte. Sie lächelt mich an, ein schönes Lächeln, das überall prickelt. Dann galoppiert sie in Richtung ihrer Tasche davon. Nach einem Dutzend Minuten und einigen eroberten Zentimetern ist the beauty wieder zurück, nimmt ihren Platz wieder ein und überlässt mir zum Dank ein Vergissmeinnicht. Ich lächle sie doof an, mit gesenkten Augen. Ich will antworten – nach ihrer Nummer fragen – natürlich stelle ich mir sofort mehrere Strategien vor, aber alles, was ich hinbekomme, ist, mich wieder in die Schlange einzureihen. Nie wieder habe ich mit ihr gesprochen, noch habe ich ihr durchdringendes Lächeln je wiedergesehen, aber sie hat mich auf eine Idee gebracht. Am nächsten Tag stehe ich in einer neuen Warteschlange, deren Ende nicht absehbar ist: die Kino­ premiere von Swift and Senseless 15, den ich übrigens nicht sehen will. Zu teuer, zu wenig Feuer, so oder so, irgendwann wird er im Fernsehen ausgestrahlt. Ich stelle mich in eine unruhige Schlange und halte ein Schwätzchen mit meinen Vorgängern und Nachfolgern. «Das wird wohl ein ganzes Weilchen dauern, bestimmt mehrere Stunden, oder? Wahrscheinlich werden wir nichts mehr zu Essen bekommen», sage ich so beiläufig wie möglich. «Komm mir nicht damit! Es ist ein Graus. Es ist eine Qual, in dieser Stadt zu wohnen!», antwortet die Blondine vor mir in der Reihe. «Das ist unser erster romantischer Abend, und wir hatten anderes vor, als den ganzen Abend in einer Warteschlange zu verbringen!», mault das junge, fitte Paar hinter mir. Ich stimme mitfühlend zu, bevor ich fortfahre: «Wenn es euch das Leben leichter macht, stehe ich mit Freude für euch Schlange. Für, sagen wir mal, 10 Dollar. Ich schicke euch eine Nachricht fünf bis zehn Minuten bevor ihr dran seid. Wär’ das was?»

Bevor ich fertig geredet habe, stehe ich mit einem Geldbündel von 150 Dollars und fünfzehn Nummern da, die ich zu unterschiedlichen Zeiten anrufen soll. 150 Dollar! 150 DOLLAR! Ich zähle das Bündel drei Mal durch, ohne dass ich es zu glauben wage. Der Lohn einer Woche an nur einem Abend! Damn, das ist unglaublich… Die Magie der Schlange wirkt. Der Abend ermöglicht mir ausserdem, meine Steuererklärung abzuschliessen, und die Schlange ist immer noch lang. Zeit, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden – insgesamt ein gelungener Abend.

so bei der Warteschlange für die neue Konsole mit dem Ponyspiel, die in Manhattan beginnt und sich bis Queens erstreckt. Einige Klienten sehe ich regelmässig wieder und viele rufen von sich aus bei mir an. Es läuft so gut, dass ich mehr Aufträge habe, als ich annehmen kann, und immer häufiger ablehnen muss. Manchmal denke ich an meine Kollegen aus Taxizeiten, die sich weiterhin abstrampeln. Gegen eine minime Kommission beginnen erst nur einer, dann zwei, dann zehn für meine Klienten Schlange zu stehen. Mit den Kollegen werden die Warteschlangen familiärer.

Um den ökonomischen Charme einer Warteschlange ein zweites Mal zu testen und jeden Zufall aus dieser Rechnung auszuschliessen, habe ich beschlossen, es an einem anderen Ort zu versuchen. Warum nicht bei einem gut frequentierten Restaurant, das gerade frisch aufgemacht hat? Die jungen, gutverdienenden Dreissig- und Vierzigjährigen kleben normalerweise an etwas Vielversprechendem wie die Fliegen an frischem Mist. Also stelle ich mich in die Schlange vor einem neuen gluten free Lokal mit der Atmosphäre von Bohème im edlen Stil, der seine Dollar wert ist. Ja, ich passe nicht recht zur Einrichtung – obwohl – im Grunde gibt mir mein gewöhnlicher Stil eine Ausstrahlung elaborierter Lässigkeit. Nach links und rechts, nach vorne und nach hinten quasselnd, mit Leuten von raffinierter Schlichtheit, finde ich mich mit einem Zettel mit einer ganzen Reihe Tele­ fonnummern wieder. Bingo – die Wartezeit zieht schnell vorbei und ausserdem vollklimatisiert.

So bin ich in weniger als einem Jahr zum König der Warteschlangen geworden. «Effizient, unermüdlich, zuverlässig» ist die Devise von Dream Queue: We wait for you. Die Warteschlange Eurer Träume ist erreichbar durch eine Smartphoneapp, die mit einem effizienten, unermüdlichen und zuverlässigen Team verbindet, das darauf wartet, viele lange Stunden für euch anzustehen.

Nach dem Essen setze ich meine Erkundungen fort und gehe zuerst zu einem Stadion, wo ein Sportevent stattfindet, und dann vor ein Konzertlokal, wo ein internationaler Star auftritt. An jedem Ort füllt sich mein Portemonnaie weiter und ebenso meine Liste an Kontakten. Jede Schlange lebt in einer anderen Fauna, und ich reise von einer testosterongeladenen Atmosphäre zu einer bis zur kleinsten Haarwurzel gefärbten. Dabei treffe ich auf die unterschiedlichsten Leute. Manche schauen grimmig, andere lauern auf eine Unterhaltung, wieder andere führen sich auf, als würden sie alleine da stehen, dann jene, die nur darauf warten, ihre Aggressionen und Anspannungen an harmloseren Zeitgenossen auszulassen, und schliesslich jene, die darauf warten, dass alles vorbei ist, ähnlich wie beim Zahnarzt oder Gynäkologen. Am Ende meiner Dienstleistungen danken mir die bunt gemischten Klienten herzlich und ringen mir das Versprechen ab, wieder für sie Schlange zu stehen. Und ich erwidere, nicht ohne Stolz: «You can count on me!» Ich schlängle mich schneller als vorher durch meine Wochen. Von einer Anstellung zur anderen reihen sich die Warteschlangen zu endloser Wartezeit aneinander, doch das gefällt mir. Schlange stehen ermöglicht mir eine Zeitung oder ein Buch zu lesen, meine Woche oder meine Ferien zu organisieren, Einkaufslisten zu schreiben, meine Gedanken aufzuräumen und über mein Leben und das Leben an sich nachzudenken. All die netten kleinen Dinge, die das Leben zu bieten hat. Zwischenzeitlich höre ich ganz mit dem Taxifahren auf und gebe mich mit Leib und Seele dem Schlange stehen hin. Tagsüber liegen die Warteschlangen vor neuen Handys, Konsolen oder Gadgets, manchmal auch vor Ausverkäufen; mittags und am frühen Abend liegen sie immer vor Restaurants; und am Abend schliesslich variieren sie zwischen Konzer­ ten, Musicals, Filmpremieren, Sportevents – an Optio­nen mangelt es nie. In der Schlange vor Krieg der Galaxien 25 verbringe ich also zwei Tage, eben-

Die Idee ist simpel: Man lädt eine App auf sein Smartphone, die sämtliche Lokale mit hoher Fluktuation auflistet – Restaurants, Konzertsäle oder Sportstadien zum Beispiel. Der Nutzer eröffnet ein Benutzerkonto, wählt eine Zahlungsmethode und das gewünschte Lokal. Die Applikation zeigt ihm die geschätzte Wartezeit und Distanz zum Lokal an. Der Nutzer kann dann einen Queue Angel buchen. Deren Profile enthalten ein Foto, ihren Leitspruch, ihren Preis, der je nach wetter- und ortsgebundenen Bedingungen variiert, sowie die Bewertungen anderer Nutzer. Man liest da zum Beispiel: «Jeff – mit mir spüren Sie es nicht vorbeigehen», «Samantha – eure Schlange soll die Meine sein», «John – das Stehen in der Schlange ist mir eine Freude». Die Leitsprüche triefen vor Hingabe. Der Nutzer wählt einen Engel und gibt die Anzahl Personen an, für die gewartet werden soll. Nach der Bestätigung erhält der Nutzer ein regelmässiges Update über aktuelle Fortschritte und wann er die Tickets abholen kann. Die Engel sind anhand ihrer T-Shirts mit den weissen Flügeln und an ihren festgeschnallten Hockern auf der Rückseite erkennbar. Die Webseite zeigt Fotos mit wunschlos glücklichen Klienten, frisch und erholt und mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich für meinen Teil wähle die Engel mit minutiöser Sorgfalt aus. Erst waren sie fast alle ehemalige Taxi­ fahrer, später kamen die Studenten und die Rentnerinnen, Unabhängige, wie zum Beispiel Künstler und Autoren, Bankangestellte, Versicherer und Ökonomen – die Finanzkrise erlaubt mir, Leute mit verschiedenen Hintergründen zu rekrutieren. Die neuen Engel bereite ich auf lange Wartezeiten vor, indem ich ihnen meine Leidenschaft für die Schlange vermittle. Gelegentlich sehe ich mein Gesicht auf Deckblättern von Magazinen mit Unterschriften wie: «Der Junge, der nichts hatte und reich geworden ist, dank der Warteschlangen», «Der ehemalige Taxifahrer, der im Handumdrehen ein Vermögen gemacht hat». Experten stürzen sich gierig auf mein Business Model­und erklären, die Leute überschätzten oft die Wartezeit um 40% und dass die Ungewissheit über die Wartezeit den Stress des Wartens erhöhe. Plage oder nicht, ich führe meine Warte­aktivitäten hier und da fort, vor allem aus Liebhaberei und Sport und um einen tiefen Lungenzug American Dream einzuatmen. Dann eines Tages hört alles auf. Ohne Lärm oder Schlagzeilen. Das Geschäft läuft gut bei hoch frequentierten Lokalen, die jedoch nach und nach elektronische Warteschlangen einrichten, die praktisch umsonst funktionieren. Diese brauchen keinen

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­ ermittler und sind viel billiger – der potentielle V Klient wird mein Angebot schnell zur Seite wischen. Die digitale Ökonomie frisst, verdaut und spuckt uns wieder aus. Geht alles nur darum, im Vorbeigehen noch einen Bissen zu erwischen. Also bin ich wieder zu meinem Taxi zurückgekehrt, zurück zu meinen alten Kollegen, mit denen ich in Würde weiterschufte. Wo es geht, stehe ich immer noch gerne Schlange – wenn die Moral oder das Konto auf null gesunken sind – und hoffe, jemandes Gedanken zu erraten.

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Wir sehen Frauen sprechen: Alexandra to the Max Lara Schaefer

Alexandra Moran, Fashion-Model, lebt in New York, hat einen YoutubeChannel, ich sehe das Video WHAT I EAT IN A DAY AS A FASHION MODEL von ihr mit über 3 Millionen Klicks, in dem sie sich und das filmt, was sie als Model an einem Tag so alles nicht oder eben doch gerade isst. Ich google sie, sie ist auf Instagram: alexandratothemax. Ein Bild When trying to find the perfect photo for @septemberlaura’s birthday, I think this is probably the one that fits our friendship best. Truly a friend who feels more like family, and one of the most caring and thoughtful people I know. Here’s to many more nights of cheap bowling, arts and crafts (while listening to old Britney of course), and staying up till 2 am watching Scooby Doo zeigt sie mit einem kleineren Mädchen, schwarzweiss, jede mit einer Bowlingkugel in der Hand. Alexandra balanciert die Kugel von ihrer Hand gestützt auf dem Kopf, sie zieht ein Duckface, eine Lippenschnute, und mit der zweiten Hand stützt sie sich lässig schräg in die Hüften. Ihre Freundin hält die Kugel mit einer Hand auf Hüfthöhe, mit der anderen formt sie ein Victoryzeichen, sie trägt Brille. Im Video first day of september vibes – aufgenommen in ihrer Wohnung am 1. September – tanzt sie zu «Earth, Wind & Fires» September. Das Bild

mom jeans on my balcony * (okay I know it’s actually a fire escape but balcony sounds more romantic so I’m calling it that) zeigt sie, von unten zwischen die Beine fotografiert und fette, weisse Nike im Retrostil tragend, auf der Feuertreppe sitzen, das Gesicht mit geschlossenen Lidern in warmem Licht, sie trägt Jeans und ein weisses Top. 12’060 Usern gefällt das, avalddy sieht die Rettung nah: Where did you get these jeans? I’ve been lookinh

for some for soooooo long amd I can never find the button up ones, please tell. xomollzzzxo ist skeptisch: Did u get ur jeans at no relation?? bethmbrooks markiert: IM OBSESSED. Ein anderes Video Today I had the absolute privilege to be apart of

the United Nation’s World Humanitarian Day and share the story of a former captive of Boko Haram. Women and girls are #notatarget, civilians are #notatarget, refugees are #notatarget. Together we can use our privilege to help those displaced from wars they did not choose to be in all across the globe schaue ich mir noch an. Es zeigt sie, von der ich nicht weiss, wie alt sie ist, aber weiss, dass ihre fünfzehnjährige Schwester ihr seit vier Jahren die besten Cookies ihres Lebens bäckt und ihr Freund diese Cookies in ihrer gemeinsamen Wohnung in der Mikrowelle versteckt, damit sie sie nicht sofort alle ohne ihn aufisst. Sie steht am Times Square. Sie steht auf einer Bühne. Sie liest einen Text in Ich-Person ab. Sie trägt Pathos im Gesicht. Im Hintergrund läuft eine T-Mobile Werbung, schwarze und weisse Schrift­ züge auf pinkem Hintergrund, hin und wieder verbirgt Alexandras Gesicht die Schrift. T-MOBILE – THE CARRIER «Their fires took» UNLIMITED DATA «my village.» WITH MOBILE «Their guns» TAXES AND FEES ALREADY INCLUDED «shredded our» PAY «men. And their soldiers» SAVE HUNDRED. «violated the women.» T-MOBILE – THE CARRIER «More came to sluck wifes among us.» KEEP «I was chosen.» YOUR – PHONE «Each time I tried to escape,» WE’LL – PAY – FOR – IT – «resulted in one hundert lashes» TODAY «underneath the sun» VISITING THE U.S. «I could feel every beat of sweap» STAY CONNEC WITH THE TO PLAN «creep into every – open – wound.» 30 «But like my captors, I too» UNLIMITED – FOR 3 WEEK «was relentless»

T-MOBILE «I will» T-MOBILE – THE RRIER «grow« WIFI – UN SHED «arise.» EVERY WI-FI SIGNAL «This is the story» ACTS AS A T-MOBIL ER «of a 15 year old girl» Auf dem Bildschirm erscheinen graphische Wifi-Antennen, die Schallwellen aussenden, in allen Farben, mal pink, weiss, schwarz. «who escaped Boko Haram.» Ich gehe durch das Profil von @septemberlaura, sie postet am selben Tag das Bild Today I watched one of my best friends share a heart wrenching

story of a 15 year old refugee that she was asked to share by the United Nations in honor of #worldhumanitarianday. I’m so proud of you dude and so thankful to have friends with empathetic and kind hearts. Da steht Alexandra, in einem langen, blauen Overall und frisierten blonden Haaren über ihre Freundin gebeugt, die das Gesicht breit in Eifer grinsend nah an die Kamera hält, sie trägt Jeansshort, ein weisses Shirt mit schwarzen, dünnen Streifen und eine riesige Halbrandbrille mit Leopardenmuster auf der Nase. Ich gehe zurück auf Alexandras Profil, scrolle nach unten, am 10. Juli postet sie das Video I can’t play the piano but that won’t stop me from sponta-

neously making up songs on it Lyrics: I was born in the fields off interstate 74 On a cold winters night To a moon of Capricorn As I ran through the years and I grew into a girl I could feel with in me a fire start to burn I won’t go on just standing by the side I’ll raise my voice and fight through the night I’m not alive just to be somebody’s wife. Sie spielt darin drei Akkorde, die letzten vier Zeilen sind inbrünstiger und in höherer Stimmlage gesungen, die ersten in tiefer, melancholischer Art, 42’043 Aufrufe, im Hintergrund zwitschern Vögel, im Hintergrund steht ihr Schminktisch und ein Whiteboard, auf dem mit grünem Filzer To Do steht, einmal unterstrichen, darunter weisse Fläche. Am Ende des Wortes Capricorn schaut sie kurz, aber vielsagend in die Kamera – ich schaue zurück.

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Nous voyons des femmes parler : Alexandra to the Max traduit par Sara Di Addezio Catella

Alexandra Moran, mannequin, new-yorkaise, youtubeuse, je regarde la vidéo WHAT I EAT IN A DAY AS A FASHION MODEL avec plus de 3 millions de clics, dans laquelle elle se filme elle-même et ce qu’elle mange, ou ne mange justement pas, dans une journée de top-modèle. Je la google, elle est sur Instagram: alexandratothemax. Une image When trying to find the perfect photo for @septemberlaura’s

birthday, I think this is probably the one that fits our friendship best. Truly a friend who feels more like family, and one of the most caring and thoughtful people I know. Here’s to many more nights of cheap bowling, arts and crafts (while listening to old Britney of course), and staying up till 2 am watching Scooby Doo, en noir et blanc, la montre avec une jeune fille, chacune avec une boule de bowling à la main. D’une main, Alexandra tient la boule en équilibre sur sa tête, elle fait une moue, comme un canard, alors que l’autre main repose sur ses hanches. Son amie tient la boule d’une seule main à la hauteur de ses hanches et, avec l’autre, elle fait un signe de victoire. Elle porte des lunettes. Dans la vidéo first day of september vibes – enregistrée dans son appartement le 1er septembre, elle danse sur « September » d’Earth, Wind & Fire. L’image mom jeans on my balcony * (okay I know it’s actually a fire escape but balcony sounds more romantic so I’m calling it that) la montre photographiée depuis l’entrejambe, elle porte de grosses Nike blanches dans un style rétro, assise sur l’escalier de secours, les paupières fermées dans une lumière chaude. Elle est habillée d’un jeans et d’un top blanc. Cela plaît à 12’060 followers, avalddy y voit son salut : Where did you get these jeans?

I’ve been lookinh for some for soooooo long amd I can never find the button up ones, please tell. xomollzzzxo sceptique: Did u get ur jeans at no relation?? bethmbrooks signale: IM OBSESSED. Je regarde encore une autre vidéo, Today I had the absolute privilege to be apart of the United Nation’s World Humanitarian Day and share the story of a former captive of Boko Haram. Women and girls are #notatarget, civilians are #notatarget, refugees are #notatarget. Together we can use our privilege to help those displaced from wars they did not choose to be in all across the globe. Elle montre celle dont je ne connais pas l’âge, je sais seulement que sa sœur de quinze ans fait depuis quatre ans les meilleurs biscuits de sa vie et que son colocataire les cache dans le four micro-ondes pour qu’elle ne les finisse pas sans lui. Elle est à Times Square. Elle est debout sur scène. Elle lit un texte à la première personne. Son visage est grave. À l’arrière-plan défile une publicité de T-Mobile, une écriture noire et blanche sur fond rose que recouvre parfois le visage d’Alexandra. T-MOBILE – THE CARRIER «Their fires took» UNLIMITED DATA «my village.» WITH MOBILE «Their guns» TAXES AND FEES ALREADY INCLUDED «shredded our» PAY «men. And their soldiers» SAVE HUNDRED. «violated the women.» T-MOBILE – THE CARRIER «More came to sluck wifes among us.» KEEP «I was chosen.» YOUR – PHONE «Each time I tried to escape,» WE’LL – PAY – FOR – IT – «resulted in one hundert lashes» TODAY «underneath the sun» VISITING THE U.S. «I could feel every beat of sweap» STAY CONNEC WITH THE TO PLAN «creep into every – open – wound.» 30 «But like my captors, I too» UNLIMITED – FOR 3 WEEK «was relentless» T-MOBILE «I will» T-MOBILE – THE RRIER

«grow« WIFI – UN SHED «arise.» EVERY WI-FI SIGNAL «This is the story» ACTS AS A T-MOBIL ER «of a 15 year old girl» L’écran affiche des antennes WiFi stylisées qui émettent des ondes de toutes les couleurs, tantôt roses puis blanches puis noires. « who escaped Boko Haram. » Je parcours le profil de @septemberlaura, elle affiche une image le même jour Today I watched one of my best friends share a heart wrenching

story of a 15 year old refugee that she was asked to share by the United Nations in honor of #worldhumanitarianday. I’m so proud of you dude and so thankful to have friends with empathetic and kind hearts.. Alexandra se tient debout, elle porte une longue robe bleue et ses cheveux blonds sont ondulés. Elle se penche vers son amie qui, elle, affiche un large sourire et approche son visage de la caméra. Elle porte un short en jeans, un T-shirt blanc avec de fines rayures noires et, sur son nez, des lunettes demicerclées avec un motif léopard. Je reviens au profil d’Alexandra, je défile vers le bas, le 10 juillet, elle affiche la vidéo I can’t play the piano but that won’t stop me from spontaneously

making up songs on it Lyrics: I was born in the fields off interstate 74 On a cold winters night To a moon of Capricorn As I ran through the years and I grew into a girl I could feel with in me a fire start to burn I won’t go on just standing by the side I’ll raise my voice and fight through the night I’m not alive just to be somebody’s wife. Elle y joue trois accords. Les dernières lignes sont chantées de manière plus fervente et aiguë, les premières d’une manière plus basse et mélancolique. 42’043 clics, on entend des oiseaux qui chantent et, en arrière-plan, il y a la table de maquillage et un tableau blanc sur lequel est écrit et souligné au feutre vert «To Do» ; en dessous, la surface est blanche. Après le mot Capricorn, elle regarde furtivement, mais de manière expressive, la caméra – je lui rends son regard.

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osaka director’s cut 1 / 3 / 5 Aleks Sekanic

es ist früher nachmittag, glaube ich zumindest, es könnte auch schon fortgeschrittener nachmittag sein. heute sind wir wieder zu spät aufgestanden, und wahrscheinlich war auch das meine schuld. an regnerischen tagen liege ich gerne lange im bett, und im juli ist jeder tag regnerisch auf seine eigene art. hier gibt es nicht so viel zu sehen, wird allen gesagt und sagen alle, ich inzwischen auch, hier gibt’s mehr zum entdecken, erleben und spüren. spüren — wie paradox doch diese stadt ist, sie ist unjapanisch wie keine andere, und dabei ist sie japanischer als das meiste, was ich kenne. spüren — wie feucht die hitze sein kann und wie ölig der regen, der hier alle tage die strassen durchspült. er bringt abkühlung, ja, aber keine bleibende, wenn’s am mittag regnet, ist’s spätestens am frühen abend wieder heiss, wohl wegen all diesem beton, denke ich mir, er saugt die strahlen auf und gibt sie ab wie eine erdgleiche batterie. spüren — ich habe eine schramme am bein, ich habe mir das knie vor einigen nächten an der rauen wand aufgekratzt, und die wunde heilt nicht, sie ist wässrig, sie schwammt, die haut kann ja nie trocken sein, wenn die luft immer feucht ist, und hätte ich in der schule aufgepasst, so wüsste ich, was ich tun müsste. ich denke an silberpflaster und alginat, aber ich weiss nicht mehr, was für was gedacht ist. die wunde juckt. herkömmliche hautfarbene pflaster nützen nichts, sie saugen das wasser aus der luft anstatt das exsudat aus der wunde. unzufrieden, verwirrt bin ich, ich weiss nicht was tun und kratze deshalb tagtäglich den weichen, blutigen schorf ab. spüren — wie greifbar die luft wird, wenn’s länger, das heisst einen ganzen tag, nicht regnet, so wie heute nachmittag, wir sind im park vor der burg, und ich staune, wie grün alles ist. ich habe gelesen, dass die hohe luftfeuchtigkeit hier das wachstum der pflanzen begünstigt, deshalb sind die früchte auch so teuer, erklärst du mir, weil sie so gross werden und das fruchtfleisch trotzdem schön saftig bleibt. bissfestigkeit und süssgeschmack halten sich gegenseitig die waage, ich glaube, jetzt verstehe ich, wieso drei äpfel so viel kosten wie eine mahlzeit. der park ist unterteilt. kirschen, pflaumen, pfirsiche, werden die hier je gepflückt, verkauft, gegessen von irgendjemandem? werden sie nicht gestohlen, wenn früchte doch so teuer sind? sind die früchte royal, weil sie um die burg herum wachsen? du setzt an zur erklärung, aber auf einem schild vor uns sind eine katze und ein hund abgebildet, dazu ein männchen, das traurig blickt, etwas auf japanisch sagt, und du übersetzt auf meinen bittenden blick hin: bitte lassen sie ihre haustiere nicht im park. ich lache, wer würde schon so etwas tun, und vorallem hier, in japan? ich weiss auch nicht, meinst du, setzen wir uns doch, ich denke nach über haustiere in grossstädten und über menschliche grausamkeit. ein fröhlicher alter mann steht hinter uns, sein rosa hemd leuchtet zwischen den grünen bäumen unter grauem himmel, ich kann mich nicht sattsehen an den farben, die er in die welt trägt, er beugt sich hinab, greift in den rattankorb bei seinen füssen, ich höre ein kleines miauen und ich starre, du flüsterst, schau nicht hin, aber zu spät, der mann sieht, dass ich sehe, er grinst, hält mir eine katze! er hält mir eine katze hin! eine weissgraue, winzige, verängstigte, ich lache, er lacht, du ziehst die stirn in falten. er kommt näher, ich lache nochmal, ein wenig überfordert jetzt, er spricht mit der universellen stimme aller alten männer, aber trotzdem auf japanisch, ich antworte, oh, nein, danke, sagst du, der mann lacht, die katze miaut, er hält sie vor mein gesicht, ich sehe eine rosa zunge und reisszähne in miniatur, der mann lacht wieder, du stehst auf, nimmst mich am arm, wir gehen. beim ausgang blicke ich zurück, sehe, wie bonbonrosa arme zwischen chlorophyllästen verschwinden, dann im korb am boden, sehe, wie ein weiteres kätzchen hinausgelöffelt und hinaufgehoben wird — ich geh spazieren, so, wie ich immer spazieren geh am ersten abend in einer neuen stadt: ich gehe nirgendwo hin, meistens in die richtung, aus der ich soeben nicht gekommen bin, ich vergesse aber immer, mir das gebäude, in dem ich übernachte, einzuprägen, oder zumindest die strasse. so mache ich das nachhausekommen ein wenig abenteuerlicher für mich selbst. heute geh ich nach rechts, vorbei an engen grauen häusern, die blassgelb, hellblau, weinrot, sanftorange wären, wäre da nicht diese autobahn, die im städtischen parterre keinen platz hatte und deshalb in die luft gebaut wurde. ich folge ihren schwebenden venen bis in den herzkreisel, hier drehe ich mich eine weile um mich selbst, um die sache noch ein wenig spannender zu machen, dann nehme ich irgendeine ausfahrt hinein in die kleineren arterien: ich lande in der heutigen halbaltstadt, die in den 70ern gebaut wurde, eine welt, die damals neu war und die jetzt nach verschüttetem bier und fetttriefendem frittiertem riecht. damals neu — ein dicker kugelfisch, wie ein festgebundener zeppelin über einem restauranteingang auf der stelle fliegend, leuchtet er von innen wie eine übergrosse laterne. er wirkt irgendwie traurig, die roten lippen formen ein überraschtes o, die runden augen aber blicken ohne zu sehen, ich möchte sagen, es tut mir leid, dass uns dein fleisch so gut schmeckt, es tut mir leid, dass wir dich jagen und aufschneiden und als extradelikatesse anbieten, ich kann verstehen, dass du deine leber füllst mit allen giftstoffen, die du findest. damals neu — eine überdimensionale krabbe, metergross wurden diese viecher ja schon in natur, aber aus plastik geformt und dann noch tanzend und leuchtend auf einem vordach? ein modernes monument, ein krabbenkörper mit einer roboterseele, sie blinkt wie ein christbaum und winkt mir zu, ich nicke verständnisvoll traurig, denke laut, es tut mir leid, dass wir dich aus dem kühlen meer reissen und ins

kochende wasser werfen, es tut mir leid, dass du jetzt noch der kalten abendluft ausgesetzt bist und menschen in die einrichtung unter dir locken musst, anstatt sie mit deinen scheren zu vertreiben, dass du auf einem haus thronst, in dem deine eigene art abend für abend ausgerottet wird. damals neu — ein goldgrinsender buddha, der kopf überproportional gross zum körper, auf die runden kinderhände gestützt, nicht im schneidersitz wie die meisten seiner kollegen. nach vorne unten blickend, also auf mich, wie ich vor dem gebäude stehe, auf dessen dach er kniet, ich weiss nicht, was unter dem dach hinter den wänden passiert, ich möchte es auch nicht wissen. ich blicke ihn an, die schmalen augen, die gespitzt verzogenen lippen, und dieses gold! diese anbetungswürdige und einschüchternde farbe, ich traue mich nicht, wegzuschauen, ich weiss nicht, wieso ich es weiss, aber ich weiss: wenn ich ihm den rücken zudrehe, wird er springen, lautlos hinter mir landen, das maul aufsperren wie ein wal und mich wie einen unbedeutenden fisch verschlingen — unter dem riesenrad, das keines ist, beim kanal, da wollten wir uns treffen heute abend, wie immer, sprich jetzt eigentlich, und ich bin hergekommen, unter einem frischhalteschirm klammere ich mich an die konstanten, die mir noch bleiben. zehn uhr abends stört mich nicht, aber der ort, der schon, ein wenig, wieso dieser touristenmagnet, diese brücke, von der aus man ein gefühl bekommt für die seltsam strukturierte struktur der stadt, kein wunder, so wiederaufgebaut, wie sie ist, nach dem krieg an anderen städten modelliert worden und dadurch vollkommen in sich selbst verirrt. in anbetracht des flusses der menschen vergesse ich, dass ich auf niemanden warte, lehne mich an die brücke, beobachte drauflos, und dabei erinnere ich mich an andere, die jetzt nicht hier sind. erinnere mich — an den mann im park, der aussieht, als sei er mit siebzig jahren in den siebzigerjahren stecken geblieben, der zuerst die tauben fotografiert, dann die tauben und mich, dann nur mich, aus der ferne, zu mir kommt, langsam, sachte sich erklärt und fragt, ob er das foto von mir und vielleicht den tauben auf seinen blog laden dürfte, es geht um menschen, die hier unterwegs seien, auf der strasse und oh, was hast du da, kurzgeschichten, klassische japanische literatur des zwanzigsten jahrhunderts, gefällt dir das? fremde namen in bekannter sprache für mich, bekannte namen in fremder sprache für ihn, wir vergleichen die gleichen geschichten, personen, orte, den biwasee kenn ich nur als wort aus tinte, er isst jedes wochenende an dessen ufer fische aus fleisch. später, unter dem foto von mir auf seinem blog steht nach google: mit dieser person konnte ich ein sehr schönes gespräch führen im park bei der burg. erinnere mich — an einen anderen mann, der die fast unsichtbare vertraulichkeit zwischen urbanen fremden, die beim zebrastreifen ensteht, nutzt, sich zu mir lehnt, «where are you from» flüstert, meine antwort mit einem heiligernsten nicken annimmt und dann nicht mit mir über den fussgänger schreitet, sondern sich zufrieden rechtwinklig von mir entfernt. erinnere mich — an die frau, die im park eine traube katzen füttert mit sardinen, wie eine königin umringt von untertanen, und ich, närrisch, wie ich überrascht unüberlegt frage, ob das ihre katzen sind, hier, draussen, im park, in der stadt, und sie lacht, «no, free cats!», erinnere mich — an dich, im aquarium, zwischen leuchtquallen und riesentintenfischen, ökonomisch untergebracht in winzigen glasquadern, optimal regenbogenfarbig beleuchtet, du sagst, solche tiere gibt’s bei dir zuhause nirgendwo, hättest du gerne königskrabben als haustiere, frage ich, dann doch eher die seepferdchen, oder, ich mag ihren lifestyle. du magst das meer, sagst du zu mir, das wasser überhaupt, was es in sich trägt und mit sich bringt, du magst die geheimnisse darin und wie es sich verästelt, wenn es auf land trifft, wie es den boden formt und die stimmung und die erinnerungen, wie es sich verflechtet mit anderen wasserkörpern, das gefällt dir, das verstehe ich, diese natürlich unordentliche logik zwischen ozeanen flüssen seen und küsten städten landschaften. aber klopf nicht ans glas, sage ich, die haben’s schon schlimm genug hier drin, du grinst, sagst, du weisst, dass es denen ziemlich sicher ziemlich gut geht, wenn überhaupt, sollen sie sich glücklich schätzen, hier sein zu dürfen. du weisst, dass mich das nervt, aber ich will doch nur, dass du nicht an die scheibe klopfst, denn ich glaube, das macht ihnen angst, wer weiss schon, wie die fische im aquarium sich fühlen, falls sie sich überhaupt irgendwie fühlen, antwortest du, glaubst du, sie wissen überhaupt, dass es flüsse gibt oder gar das meer, sie sehnen sich nach unendlichem, das glaube ich, ich habe gelesen, dass bestimmte fischarten nervenzellen haben, die ähnlich wie bei uns menschen verlaufen, eben, sage ich, hör also auf mit dem klopfen. erinnere mich — an all das, jetzt, hier, auf der brücke, ich kehre den menschen den rücken zu, lehne mich über das geländer, spähe in den nachtschwarzen fluss unter mir, sanftprasselnder regen auf schwachbunt flackernden spiegelbildern auf kleinen wellen, aber hier schwimmt nur der abfall —

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osaka director’s cut 1 / 3 / 5 traduit par Victor Comte, Sara Di Addezio Catella, Senta Lenstra et Gaëlle Neury

il est tôt dans l’après-midi, en tout cas je le crois, peut-être aussi qu’il est tard dans l’après-midi. aujourd’hui, nous nous sommes encore levés trop tard, et ça aussi, c’était probablement de ma faute. les jours pluvieux, j’aime rester longtemps au lit et, en juillet, chaque jour est pluvieux à sa manière. ici, il n’y a pas beaucoup à voir, on le dit à tous et tous le disent, moi aussi d’ailleurs : ici, il y a plus à découvrir, vivre et ressentir. ressentir — cette ville est comme un paradoxe, rien n’est moins japonais et, en même temps, elle est plus japonaise que la plupart des villes que je connais. ressentir — à quel point la chaleur peut être humide et la pluie, qui rince les rues tous les jours, huileuse. elle rafraîchit, oui, mais pas pour longtemps ; quand il pleut à midi, il fait à nouveau chaud le soir au plus tard, peut-être à cause de tout ce béton, je me dis, il aspire les rayons de lumière et les émet comme une sorte de batterie terrestre. ressentir — j’ai une éraflure à la jambe, j’ai égratigné mon genou contre le mur il y a quelques nuits, et la blessure ne guérit pas, elle est aqueuse, elle suinte ; la peau ne peut pas sécher quand l’air est humide toujours humide, et si j’avais écouté à l’école, j’aurais su quoi faire. je pense aux pansements à l’argent et à l’alginate, mais je ne sais plus ce qui a été conçu pour quoi. la plaie me démange. les sparadraps classiques couleur peau ne servent à rien, ils aspirent l’humidité de l’air au lieu des sécrétions de la plaie. perplexe et maussade, je ne sais pas que faire et gratte donc jour après jour la croûte sanglante et molle. ressentir — à quel point l’air devient tangible quand, depuis longtemps, c’est-à-dire un jour entier, il n’a pas plu, comme cet après-midi ; nous sommes dans le parc devant le château et je m’étonne à quel point tout est vert. j’ai lu qu’ici la grande humidité de l’air favorise la croissance des plantes, c’est pourquoi les fruits sont si chers m’expliques-tu, car ils deviennent grands et la chair du fruit reste quand même bien juteuse. la fermeté et la douceur se maintiennent en équilibre, je crois que je comprends maintenant pourquoi trois pommes coûtent aussi cher qu’un repas. le parc est divisé. cerises, prunes, pêches, ne sont-ils jamais cueillis, vendus, mangés par qui que ce soit ? ne sont-ils jamais volés alors que les fruits sont si chers ? est-ce que les fruits sont royaux, puisqu’ils poussent autour du château ? tu commences à m’expliquer, mais sur une pancarte devant nous se trouvent un chat et un chien, avec un garçon au regard triste qui dit quelque chose en japonais, et tu traduis sous mon regard interrogateur : ne laissez pas entrer vos animaux de compagnie dans le parc. je ris, car qui ferait une telle chose, surtout ici, au japon ? je ne sais pas non plus, dis-tu, allons nous assoir ; je pense aux animaux de compagnie dans les grandes villes et à la cruauté humaine. un vieil homme joyeux se tient derrière nous, sa chemise rose brille entre les arbres verts sous le ciel gris, je ne me lasse pas des couleurs qu’il porte, il se penche, pioche dans le panier en rotin à ses pieds, j’entends un petit miaulement et je le fixe, tu chuchotes ne le regarde pas, mais trop tard, l’homme voit que je vois, il sourit, me tend un chat ! il me tend un chat ! un blanc-gris, minuscule, effrayé, je ris, il rit, ton front se plisse. il s’approche, je ris encore, un peu dépassée maintenant, il parle avec la voix universelle des vieux hommes, mais en japonais, je réponds, oh non, merci, dis-tu, l’homme rit, le chat miaule, il le tient devant mon visage, je vois une langue rose et des crocs miniatures, l’homme rit encore, tu te lèves, me prends par un bras, nous partons. à la sortie je me retourne, je vois, comment des bras rose bonbon disparaissent entre les branches de chlorophylle puis, dans le panier au sol, comment un autre chaton est cueilli et soulevé —   je me promène comme je me promène la première soirée dans chaque nouvelle ville : je vais nulle part, le plus souvent dans la direction opposée à celle de mon arrivée, mais je néglige toujours de mémoriser le bâtiment, ou au moins la rue, où je passe la nuit. Je m’accorde donc un retour à la maison un peu plus aventureux. aujourd’hui, je vais à droite, passe devant d’étroites maisons grises, qui auraient été jaune pâle, bleu clair, bordeaux, orange pastel s’il n’y avait pas eu cette autoroute qui, faute de place au sol, a été construite dans les airs. je longe ces artères en suspension jusqu’au cœur giratoire. ici, je tourne un instant sur moimême pour rendre les choses encore plus excitantes, ensuite je prends une sortie au hasard vers les artères plus petites : je me retrouve maintenant dans la quasi vieille ville construite dans les années 70, une ville nouvelle à l’époque et qui, aujourd’hui, sent la bière renversée et la friture dégoulinante de gras. autrefois nouveau — un gros poisson-globe, flottant sur place comme un zeppelin, attaché au-dessus de l’entrée d’un restaurant, brille de l’intérieur comme une lanterne démesurée. il semble en quelque sorte triste, les lèvres rouges forment un o surpris, les yeux ronds regardent sans voir, je voudrais dire je regrette que ta chair soit si bonne, je regrette qu’on te chasse, qu’on t’émince, et te serve comme met raffiné, je comprends que tu te remplisses le foie de toutes les toxines que tu trouves. autrefois nouveau — un crabe hypertrophié, on en trouve bien de cette taille dans la nature, mais en plastique et dansant et luisant sur un auvent? un monument moderne, un corps de crabe avec une âme de robot, il clignote comme un sapin de noël et me fait signe, je hoche la tête avec une triste empathie, pense à haute voix je regrette qu’on t’ait arraché à la mer froide et jeté dans l’eau bouillante, je regrette que tu sois exposé à l’air doux de la nuit et que tu doives attirer les gens dans cet établissement, plutôt que de les chasser avec tes pinces, je regrette que tu trônes sur une maison où tes

semblables sont exterminés soir après soir. autrefois nouveau — un bouddha en or grimaçant, la tête disproportionnée par rapport au corps, soutenue par des mains rondes d’enfant, il n’est pas assis en tailleur comme la plupart de ses camarades. regardant vers l’avant, donc vers moi, alors que je me tiens debout devant le bâtiment sur lequel il est agenouillé, je ne sais pas ce qui se passe sous ce toit ou derrière ces murs, et je ne veux pas le savoir. je le regarde, ses yeux étroits, ses lèvres retroussées, et cet or ! cette couleur vénérable et intimidante, je n’ose pas détourner le regard, je ne sais pas comment, mais je le sais : si je me retourne, il va sauter, atterrir silencieusement derrière moi, ouvrir sa bouche comme une baleine, et me dévorer comme un poisson insignifiant –   sous la grande roue qui n’en est pas une, près du canal, c’est là que nous voulions nous retrouver ce soir, c’est-à-dire maintenant, comme d’habitude, et je suis là, sous une ombrelle et je me raccroche aux constantes qui me restent. dix heures du soir ça ne me dérange pas, mais l’endroit si, un peu ; pourquoi cette attraction touristique, ce pont à partir duquel on perçoit la structure de la ville curieusement structurée ; pas étonnant puisqu’elle a été reconstruite après la guerre sur le modèle d’autres villes, et, de ce fait, se perd en elle-même. vu le flot des gens, j’oublie que je n’attends personne, m’appuie contre le pont, observe sans retenue et, ce faisant, me souviens des autres qui ne sont pas là. me souviens – de l’homme dans le parc qui a l’air d’être resté coincé pendant septante ans dans les années septante, photographiant les sourds d’abord, puis les sourds et moi, puis seulement moi, de loin, venant vers moi, lentement, doucement, se justifie et demande s’il peut mettre la photo de moi et peut-être des sourds sur son blog, il s’agit de gens de passage sur la route et oh qu’est-ce que tu as là, des nouvelles, de la littérature japonaise classique du xxe siècle, ça te plaît ? noms étrangers dans une langue familière pour moi, noms familiers en langue étrangère pour lui, nous comparons les mêmes histoires, les personnages, les lieux, le lac biwa que je ne connais que comme mot d’encre, alors que lui y mange tous les week-ends, sur la rive, de la chair de poisson. plus tard, sous ma photo sur son blog est écrit selon google : avec cette personne, j’ai pu avoir une très belle conversation dans le parc du château. me souviens – d’un autre homme, profitant de l’intimité presque invisible qui se crée entre des inconnus aux abords du passage piéton, qui se penche vers moi, me chuchote «where are you from», accepte ma réponse d’un signe de tête cérémonieux, et ne traverse pas avec moi, mais s’éloigne de moi d’un air satisfait. me souviens – de la femme qui nourrit une troupe de chats avec des sardines dans le parc comme une reine entourée de ses sujets, et moi, bêtement, je me surprends à lui demander si ce sont ses chats à elle, ici, dehors, dans le parc, dans la ville, et elle rit, «no, free cats !» me souviens – de toi, dans l’aquarium, entre des méduses luminescentes et des calamars géants à l’étroit dans de minuscules cubes de verre, la lumière irisée, tu dis il n’y a pas de tels animaux chez toi, je demande voudrais-tu d’un crabe royal comme animal de compagnie ; plutôt d’un hippocampe, j’aime leur style de vie. tu aimes la mer, me dis-tu, l’eau en général, ce qu’elle porte et amène avec elle, tu aimes ses secrets et comme elle se ramifie quand elle rencontre la terre, comme elle forme le sol et l’humeur et les souvenirs, comme elle s’entrelace avec d’autres plans d’eau, tu aimes ça, je comprends, la logique désordonnée entre les rivières océaniques et les paysages des villes côtières. mais ne tape pas sur la vitre, dis-je, ils sont déjà assez malheureux là-dedans, tu souris et dis, tu sais, ils vont probablement plutôt bien, ils devraient s’estimer heureux d’être ici. tu sais que ça m’énerve, et tout ce que je veux, c’est que tu ne tapes pas sur la vitre, parce que je pense que ça leur fait peur, qui sait ce que ressentent les poissons dans l’aquarium ; si toutefois ils ressentent quoi que ce soit, tu réponds, tu crois qu’ils savent qu’il y a des rivières et la mer ; ils aspirent à l’infini, je pense, j’ai lu que certaines sortes de poissons ont des cellules nerveuses qui sont semblables à celles de l’homme, donc, dis-je, arrête de taper sur la vitre. me souviens – de tout ça, maintenant, ici, sur le pont, je tourne le dos aux gens, me penche sur la rambarde, jette un coup d’œil dans la rivière nuit noire en dessous de moi, de légers crépitements pleuvent sur les reflets faiblement colorés des petites vagues, mais ici seuls les déchets descendent le courant –

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L’homme aux tatouages Lisiane Rapin

Il a rendu sa peau noire. Les esquisses incrustées sur la peau s’élancent en chute libre depuis le dessous du menton. On ne distingue pas leurs points de départ, qui sont cachés sous une barbe abondante. Ce sont des traits noirs, vibrant sur la chair blanche, des veines artistiques. Des chemins d’encre traversent les poils drus du torse et s’engouffrent dans le col d’un t-shirt trop large. D’autres voies plongent derrière la nuque, s’enfuient dans le dos, d’autres encore s’élancent des oreilles et vacillent sur les épaules, disparaissent et réapparaissent à la fin des manches, courent, courent. Il a un étau d’encre noire à la hauteur du coude. Les veines artistiques s’arrêtent là. L’homme aux tatouages est l’homme le plus contrasté du Bar des Amis. On ne l’imagine pas sans ces serpentins si noirs et sans cette peau si blanche. Il a les doigts raffinés, longs, très longs, avec lesquels il fait danser les verres. Quand l’homme aux tatouages s’active derrière le bar, les traits noirs s’animent audessus de sa peau et valsent aussi dans la danse des verres et des mains. Une Duvel, s’il vous plait ! La voix grave de l’individu accoudé au bar a poussé l’homme aux tatouages dans la farandole du Bar des Amis. Sa main gauche attrape un verre de Duvel suspendu la tête à l’envers contre une étagère, le retourne d’une propulsion vive du poignet, et fait tourner, tourner le verre entre ses doigts blancs. Tac, pschhh. 22 Le verre est plein. L’homme aux tatouages est concentré quand il s’occupe des bières. La bière, il ne faut pas en rire avec lui. Quand il sert son client, un sourire s’étire sous sa barbe foisonnante, comme une grande frite belge jusqu’à ses oreilles. Servir des bières, ça le rend profondément heureux. Il flotte un peu dans son grand t-shirt, qui berce des épaules toutes petites, et un cou tout petit. On ne peut pas dire qu’il est amorphe, l’homme aux tatouages. Il a toujours ce noir qui colle à la peau et ces mains-ballerines qui ne cessent de danser. Alors amorphe, non, il ne l’est pas. Il a de la consistance, l’homme aux tatouages. Une Canaille, une Duvel, deux Kwak ! Il aime bien entendre cette voix, la voix de Cindy. Il aimerait bien qu’elle soit sa petite copine. Cindy c’est la fille la plus adorable du Bar des Amis. La queue de cheval de Cindy, elle sent la vanille, et la vanille il aime bien ça, l’homme aux tatouages. Elle a aussi une bouche toute rouge, grande comme un O, qui rigole toujours avec les clients. Ça s’appelle entretenir de la bonne clientèle. Et voilà ! La Canaille, la Duvel et les deux Kwak ! Il n’est pas timide non plus, l’homme aux tatouages. Il aime bien raconter des blagues belges aux clients ameutés au bar, et quand Cindy pouffe en passant derrière lui, il en est fier. Dans la chaleur du bar, il glisse parfois ses mains sur les hanches de Cindy, qui rit alors. Tous les deux, ils aiment se taquiner lors de leur service, ça passe le temps et ça fait plaisir. Brenda l’habituée a fait rouler son pantalon au sol et elle déambule le long du bar, une culotte rouge habillant ses fesses blanches. L’homme aux tatouages ne regarde même plus Brenda et ses culottes, c’est devenu une tradition du Bar des Amis, les culottes colorées de Brenda. Quelques bières dans les gosiers, quelques clients ivres émoustillés à la vue de la culotte, quelques cigarettes épuisées dans le froid de la nuit, on ferme. Il a terminé son service, l’homme aux tatouages.


Der tätowierte Mann übersetzt von Cindy Vanilla

Er hat seine Haut schwarz gemacht. Die in der Haut eingeprägten Zeichnungen stürzen im freien Fall vom Kinn herunter. Ihr Ursprung ist nicht wahrnehmbar, er liegt versteckt unter einem dichten Bart. Die schwarzen Striche pulsieren wie kunstvolle Venen auf der weissen Haut. Die Wege der Tinte durchqueren die dichten Haare des Körpers und stürzen sich in den Kragen eines viel zu grossen T-Shirts. Andere Wege tauchen hinter dem Nacken ab und entschwinden den Rücken hinunter, wieder andere springen hinter den Ohren hervor und flackern auf den Schultern, verschwinden und erscheinen wieder am Ende der Ärmel. Er hat eine Zwinge aus schwarzer Tinte auf der Höhe des Ellbogens. Dort bleiben die kunstvollen Venen stehen. Der tätowierte Mann sticht in der Bar des Amis am meisten hervor. Man kann sich ihn nicht ohne diese schwarzen Schlangen auf der weissen Haut vorstellen. Er hat geschickte Hände mit langen, sehr langen Fingern, mit welchen er die Gläser zum Tanzen bringt. Wenn sich der tätowierte Mann hinter der Bar zu schaffen macht, erwachen die schwarzen Striche unter seiner Haut und tanzen im Tanz der Gläser und seiner Hände. Ein Duvel, bitte sehr! Die tiefe Stimme von einem, der sich mit dem Ellbogen an der Bar abgestützt hat, zieht den tätowierten Mann in den Reigen der Bar des Amis. Seine linke Hand greift nach einem Bierglas, das kopfüber auf dem Regal steht, kehrt es mit einer schnellen Bewegung aus dem Handgelenk und dreht das Glas zwischen den weissen Fingern. 23 Tac, Pshhhhh. Das Glas ist voll. Der tätowierte Mann konzentriert sich, wenn er sich um das Bier kümmert, denn mit Bier ist nicht zu spassen. Wenn er seinen Gast bedient, durchdringt ein grosses Lächeln wie eine belgische Pommes frites seinen üppigen Bart und geht von Ohr zu Ohr. Bier ausschenken macht ihn zutiefst glücklich. Er schwimmt ein bisschen in seinem grossen T-Shirt, das um die schmalen Schultern und den kleinen Hals schlackert. Man kann nicht sagen, der tätowierte Mann sei formlos. Immer hat er dieses Schwarz, das an seiner Haut haftet, und seine ballerinahaften Hände, die nicht aufhören zu tanzen. Formlos, nein, das ist er nicht, der tätowierte Mann hat Charakter. Ein Canaille, ein Duvel, zwei Kwak! Er liebt es, diese Stimme zu hören, ausserdem hätte er sie gerne zu seiner Freundin. Cindy ist die tollste Frau der Bar des Amis. Ihr Pferdeschwanz riecht nach Vanille und das gefällt dem tätowierten Mann. Sie hat einen knallroten Mund, gross wie ein O, der immer Spässe mit den Gästen macht. Das nennt man die Kundschaft pflegen. Et voilà! Ein Canaille, ein Duvel, zwei Kwak! Der tätowierte Mann ist nicht gerade schüchtern. Er erzählt seinen Gästen an der Bar gerne belgische Witze, und wenn Cindy kichernd hinter ihm vorbeigeht, ist er stolz. In der Hitze der Bar berühren seine Hände manchmal Cindys Hüfte, das bringt sie auch zum Lachen. Das mögen die Beiden, hinter der Bar zu blödeln, so vergeht die Zeit schneller und es macht Spass. Die Stammkundin Brenda hat ihre Hosen heruntergelassen und schlendert der Bar entlang, eine rote Unterhose um ihr weisses Gesäss. Der tätowierte Mann schaut Brenda und ihre Unterhosen gar nicht mehr an, denn die farbigen Unterhosen von Brenda sind in Bar des Amis zu einer Tradition geworden. So manches Bier in der Kehle, so manch betrunkener Gast, der bei der Betrachtung dieser Unterhose in Stimmung gekommen ist, so manche Zigarette in der Kälte der Nacht verzehrt, es wird Zeit zu schliessen. Er ist fertig mit seiner Schicht, der tätowierte Mann.


Editorial La Liesette Littéraire — Texte aus dem Schweizerischen Literaturinstitut / Textes de l’Institut littéraire suisse

Inhalt / Table de matière

Die AutorInnen und ÜbersetzerInnen / Les auteur-e-es, traducteurs et traductrices

2

S passe / Z immer Ed Wige, übersetzt von Lara Schaefer

Victor Comte, né en 1994, est étudiant à l'institut littéraire depuis 2016.

4

Drei Gedichte / Trois poèmes Eva Seck, traduit par Victor Comte, Sara Di Addezio Catella et Senta Lenstra

6

Essen, Trinken, Fortpflanzen. (Ein Auszug) / Manger, boire, s’accoupler. (Un extrait) Noemi Somalvico, traduit par Senta Lenstra

Sara Di Addezio Catella est née et a grandi à Lugano, elle a étudié la littérature italienne à Milan. Depuis 2014, elle vit à Berne avec ses trois enfants et son mari. Elle étudie à l'Institut littéraire suisse de Bienne.

8

Appel en provenance de la nebuleuse. Monologue (extrait) / Anruf aus der Nebula. Monolog (Auszug) Pablo Jakob, übersetzt von Alexandra Zysset

12

[Undatierte Blätter] Fabian Saurer

14

A la queue leu leu / Die lange, lange Warteschlange Ed Wige, übersetzt von Benjamin Kevera

18

Wir sehen Frauen sprechen / Nous voyons des femmes parler : Alexandra to the Max Lara Schaefer, traduit par Sara Di Addezio Catella

20

osaka director’s cut 1 / 3 / 5 Aleks Sekanic, traduit par Victor Comte, Sara Di Addezio Catella, Senta Lenstra et Gaëlle Neury

22

L’homme aux tatouages / Der tätowierte Mann Lisiane Rapin, übersetzt von Cindy Vanilla Impressum © bei den Autorinnen und Autoren / les auteures et auteurs des textes Herausgeber / Éditeur: Hochschule der Künste Bern / Haute école des arts de Berne, Schweizerisches Literaturinstitut / Institut littéraire suisse Seevorstadt 99 / Faubourg du Lac 99, CH2502 Biel/Bienne Bestellungen und Zuschriften bitte an / Commandes et lettres veuillez vous adresser à: liesette@hkb.bfh.ch Studiengangsleitung / Responsable de la filière d’études: Marie Caffari Redaktionsleitung / Responsable de la rédaction: Urs Engeler, Arno Renken Redaktion / Rédaction: Victor Comte, Sara Di Addezio Catella, Nadja Geisser, Benjamin Kevera, Senta Lenstra, Gaëlle Neury Konzept und Gestaltung / Conception et graphisme: Patrick Savolainen Druck / Impression: Auflage / Tirage: 10’000 ex. Preis / Prix: 5 Franken / 5 francs, Postversand 7 Franken, envoi postal 7 francs La Liesette littéraire kann man auch abonnieren und verschenken. / Il est possible également de s’abonner à La Liesette littéraire ou de l’offrir.

Nadja Geisser, 1994 in Bern geboren, schreibt und lebt, seit ihrem 2016 in Luzern abgeschlossenen Kunststudium, in Bern und Biel. Pablo Jakob est né en 1990 en Suisse, est aussi italien et prévoit d’obtenir un permis de conduire français parce que c’est possible. Il écrit de la prose et pour le théâtre où il est parfois comédien. Benjamin Kevera ist der Initator und Veranstalter der Lesung im Dunkeln, als auch Redakteur der Liesette. Kevera lebt, schreibt und performt in Biel. Senta Lenstra, Néerlandaise née aux Etats-Unis, arrivée en Suisse à 9 ans, ne sait pas toujours dans quelle langue elle parle. Ses textes ne le savent pas toujours non plus. Gaëlle Neury née à Martigny en 1994, étudie à l'Institut littéraire où elle est en deuxième année. Lisiane Rapin, née en 1997, a pour compagnons les mots et devient lauréate du Prix Interrégional Jeunes Auteurs 2017 (PIJA) avec un troisième prix, pour son texte Anita. Lara Schaefer, 1995, aus Baden, lebt in Bern und schreibt von sich ungern in der 3. Person, das ist wahr. Fabian Saurer, geboren 1986 in Matten, wohnt in Biel. Ausbildungen in den Bereichen Schweissen und Schreiben. Schreibt Prosa. Eva Seck, geboren 1985, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut und an der Universität Lausanne. 2015 erschien ihr Gedichtband «sommer oder wie sagt man» im Wolfbach Verlag. Sie lebt und arbeitet in Basel. Aleks Sekanic, geboren 1996 in Loznica, lebt und studiert in Biel, wäre im nächsten Leben gerne die Hauskatze einer sehr reichen Familie. Noemi Somalvico, geboren 1994 in Solothurn, verirrte sich nach dem Studium in die Filmbranche; Drama mit Thrillertendenzen. Danach Ferien in Südspanien. Heute schreibt und wütet sie in Bern. Cindy Vanilla, geboren 1992 in Brüssel, aufgewachsen in Trubschachen, ist Tätowiererin und Besitzerin der legendären RIOT Bar; wenn sie nicht tätowiert oder ihre Bar schmeisst, schreibt sie über machoide Männer, die Emanzipation und lesbische Liebesgeschichten. Ed Wige est originaire d’une contrée qui n’existe plus, mais c’est au milieu du lac Léman qu’iel se sent vraiment à la maison. Ed ressemble un peu à un rongeur – une sorte d’hamster ou d’écureuil – qui file le fil incessant des mots. Alexandra Zysset, 1995 in Biel/Bienne geboren, studiert seit Oktober 2017 am Deutschen Literatur­institut in Leipzig, von wo aus sie das Französische vermisst.

Liebe Leserinnen und Leser, La Liesette Littéraire ist eine jährlich erscheinende Anthologie mit Beiträgen von Studierenden und ehemaligen Studierenden des Schweizerischen Literaturinstituts. Eine jährlich wechselnde Redaktion liest die Zusendungen der Kolleginnen und Kollegen, wählt aus, lektoriert, redigiert, korrigiert und sorgt für Veranstaltungen und Vertrieb. Und: La Lie­sette Littéraire ist zweisprachig. Das macht sie unter den Literaturzeitschriften zum Unikum: Ausgewählte Texte werden von Studierenden und ehemaligen Studierenden des Schweizerischen Literaturinstituts in die jeweils andere Sprache übersetzt. Mit dieser Beilage zur HKB-Zeitung kehrt La Liesette Littéraire gleich doppelt zu ihren Ursprüngen zurück. Zum einen, weil die Hochschule der Künste Bern der Schoss des Schweizerischen Literaturinstituts ist – und zum andern, weil es eine weitere Besonderheit von La Liesette Littérairee war, als Beilage in anderen Zeitungen zu erscheinen, vom Bieler Tagblatt und der Wochenzeitung WoZ über Le Courrier und weiteren Zeitungen bis eben hin zu dieser aktuellen Ausgabe der HKB-Zeitung – eine überraschende Blüte im Blätterwald. Nach acht Ausgaben wird es Zeit für eine Pause und eine Erneuerung. Wir werden uns bis im nächsten Jahr neu erfinden. Was bleibt ist sicher, dass es in einer zukünftigen La Liesette Littéraire immer auch um Sprache gehen wird, um ihren Widerschein in unserem Alltag und im Vorschein anderer Möglichkeiten in unseren Träumen, Fantasien, Visionen und Utopien, wie sie in Sprache Gestalt werden können – und um die Mehrsprachigkeit, diese ganz besondere Form des In- und Miteinanders. Wenn Sie daran teilnehmen möchten, freuen wir uns auf ihr Abo-Bestellung an liesette@hkb.bfh.ch. Wir wünschen Ihnen eine anregende und unterhaltsame Lektüre. A la prochaine und auf bald wieder. Chères lectrices et lecteurs, La Liesette Littéraire est une anthologie annuelle­ réunissant des contributions d’étudiant-e-s et d’ancien-ne-s étudiant-e-s de l’Institut littéraire ­suisse. Chaque année, une rédaction se met en place, lit les propositions des collègues, choisit les textes à publier, assure le lectorat, organise des événements et se charge de la diffusion. Et La Liesette Littéraire est bilingue, les textes sont traduits par des étudiante-s et d’ancien-ne-s étudiant-e-s de l’Institut littéraire suisse. En paraissant encartée dans la HKB-Zeitung, La Liesette Littéraire opère un double retour aux sources: la Haute école des arts de Berne est d’une part l’institution qui chapeaute l’Institut littéraire; d’autre part, une particularité de la Liesette a longtemps été de paraître comme le supplément d’un autre journal, que ce soient le Bieler Tagblatt, l’hebdomadaire WoZ, Le Courrier et d’autres encore – chaque fois, La Liesette Littéraire est un îlot textuel inattendu dans le flux des informations. Après huit années, le temps est venu pour La Liesette Littéraire de se recréer; nous allons consacrer l’année qui vient à inventer une nouvelle formule. Ce qui est certain et restera: La Liesette Littéraire sera toujours un espace consacré au langage, à la manière dont notre quotidien, nos rêves, nos mondes, nos utopies se donnent à lire et à penser dans la langue et se traduisent et se déclinent dans plusieurs langues. Si vous voulez participer à l’aventure, abonnez-vous ici: liesette@hkb.bfh.ch. Nous vous souhaitons une belle lecture. Auf bald wieder et à la prochaine.


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