heilpädagogik aktuell, Nummer 28: Bildungsplanung bei Behinderung

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heilpädagogik aktuell

Ausgabe 28 Herbst 2019

Interkan für Heilp

THEMA

Bildungsplanung bei Behinderung

Vom Lehrplan befreit? So war es (zu) lange für Kinder mit komplexer Behinderung. Zeit etwas zu ändern – mit der Erweiterung des Lehrplans 21.  CARLO WOLFISBERG

LEITARTIKEL

Ein Lehrplan für alle? Lehrpläne haben eine lange Geschichte. Als im 19. Jahrhundert die ersten Lehrpläne verfasst wurden, ging es in der Hauptsache um eine einheitliche Festlegung der Lek­ tionentafel. Daneben wollte man der Laien­ aufsicht der Schule eine Orientierungshilfe geben. Aus solchen Anfängen entwickelten sich Lehrpläne allmählich zu einem Instru­ ment, das die Lehrpersonen bei der Pla­ nung des Unterrichts unterstützen sollte. Dabei hatten die als «allgemein» geltenden Lehrpläne stets ihre Grenzen: Sie waren bei Lernenden mit besonders hohem Förder­ bedarf nur bedingt einsetzbar. Für be­ stimmte Sonderschulen wurden sie daher als nicht verbindlich erklärt. Entsprechend gering war in der Folge ihre Bedeutung z. B. im Bereich «Geistige Entwicklung», wie ein aktuelles Forschungsprojekt der HfH auf­ grund einer Umfrage bei Schulleitenden in 16 Deutschschweizer Kantonen aufzeigte.

die das Dokument seitens der HfH erarbei­ tet hat, konnte dabei auf erste Ergebnisse des erwähnten Forschungsprojektes zu­ rückgreifen. In ihrem Artikel auf Seite 3 zeigt sie exemplarisch auf, wie mit der «An­ wendung», ausgehend von der förderdiag­ nostischen Erfassung, eine Bildungspla­ nung für Schülerinnen und Schüler mit komplexen Behinderungen konkretisiert werden kann. Parallelen beim Schriftspracherwerb

Eine Parallele zur Entwicklung der Lehr­ pläne gibt es auch beim Thema Schrift­ spracherwerb für Kinder mit intellektuel­ len Beeinträchtigungen. Rita Baumann zeigt auf Seite 6, wie das Erlangen von Lesefähigkeiten bei dieser Gruppe lange als unbedeutend eingeschätzt wurde. Erst die Erweiterung des Lesebegriffs und die Aus­ differenzierung einer angemessenen Lese­ diagnostik konnten dieses Manko über­ winden helfen. Beide Texte verdeutlichen, wie nötig und wie anspruchsvoll es ist, von der «Schule für alle» nicht bloss zu sprechen, sondern sie umzusetzen. Das Bereitstellen entsprechender konzeptioneller Grund­ lagen, wie sie die «Anwendung» für den Lehrplan 21 bietet, ist ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen: Nur über eine sorgfältige Einführung gelangt die «An­ wendung» in die Praxis! Die Schulleiten­ den, die im oben genannten Forschungs­ projekt befragt wurden, stehen dieser Einführung positiv gegenüber. Das stimmt mich zuversichtlich. Und es freut mich, dass Mitarbeitende des Instituts für Behin­ derung und Partizipation mit ihren Arbei­ ten einen wichtigen Beitrag zur Teilhabe von Schülerinnen und Schülern mit kom­ plexen Behinderungen leisten können! Lesen Sie mehr davon in diesem Heft – mit Blick auf die Schule, aber auch auf die Frühförderung.

«Die ‹allgemein› geltenden Lehrpläne hatten stets ihre Grenzen.»

Die Paradoxie, dass der allgemeine Lehr­ plan nicht für alle gilt, gewann in letzter Zeit stärkere Beachtung mit der Einfüh­ rung des Lehrplan 21 und der zunehmend integrativen Ausrichtung des Volksschul­ systems. Die Deutschschweizer Kantone strebten deshalb eine Erweiterung des Lehrplan 21 an. In einer Kooperation zwi­ schen der PH Zürich und der HfH entstand in über zweijähriger Arbeit unter stetigem Einbezug von weiteren Fachpersonen die «Anwendung des Lehrplans 21 für Schüle­ rinnen und Schüler mit komplexen Behin­ derungen in der Sonder- und Regelschule». Im Mai dieses Jahres wurde die ca. 50-sei­ tige Broschüre von der Plenarversammlung der Deutschschweizer Volksschulämter­ konferenz verabschiedet. Ariane Bühler,

Bildung kennt viele Formen: auch das Explorieren im Spiel.

FOTO  DOROTHEA HOCHULI

PROF. DR. CARLO WOLFISBERG leitet das Institut für Behinderung und Partizipation.

MASTERARBEIT

DIENSTLEISTUNG

REPORTAGE

LEHRE

INTERVIEW

AKTUELLES

Kommunikation bei Hörsehbehinderung

Lehrplan 21 bei komplexer Behinderung

Warum das Freispiel so wichtig ist

Der erweiterte Lesebegriff

«Wenn die ‹normale› Lebenswelt nicht mehr tragfähig ist»

Weiterbildung und Agenda

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