Theoretische Thesis von Dominique Weijters

Talking Signage Die narrativen Ebenen von Signaletiksystemen

2020

Visuelle Kommunikation Hochschule der KĂźnste Bern

Bachelor-Theoriearbeit Dominique Weijters

1 Einleitung 5 2 Begriffserklärung 9 3 Analyse 15 Typ 1 19 Typ 2 27 Typ 3 33 Typ 4 39 Typ 5 45 Typ 6 51 Typ 7 55 4 Fazit 63 5 Quellenverzeichnis 69 6 Bilderverzeichnis 73 7 Interview-Transkript 77 8 Appendix 91

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Einleitung Motivation Signaletiksysteme sind vielerorts anzutreffen – ob in Aussenoder Innenräumen: Sie zeigen uns, wo wir uns befinden, wohin unser Weg führt und teilen uns mit, wenn wir unser Ziel erreicht haben. Sei es in Gebäudekomplexen, in Wohnquartieren oder in ganzen Städten, Signaletik erleichtert uns die Orientierung. Konkret heisst das, dass sie uns objektive Informationen wie Arealbezeichnungen, Strassennamen, Hausnummern oder Gebäudeteile vermittelt. Im Innern der Gebäude bieten etwa Stockwerknummerierungen oder Raumbezeichnungen Orientierungshilfe. Meist hat die Signaletik also eine primär funktionale Aufgabe. Was aber, wenn Signaletik über die blosse Informationsebene hinausgeht? Die rein funktionale Signaletik wird zur narrativen. Sie beginnt, mit zusätzlichen Layern Geschichten zu erzählen – über Orte, ihre Bewohnerschaft sowie über historische, politische, kulturelle oder soziale Hintergründe. Diese Layer können visuell subtil sein, wie etwa ein Muster auf dem Tafelhintergrund oder expliziter in Form von Bildern und expressiver Typografie. Diesen zusätzlichen kommunikativen Funktionen von Signaletiksystemen gehe ich in dieser Arbeit nach.

[ 23 ] Vgl. S econd Floor South (2020)

Besonders inspiriert hat mich das Von-Roll-Areal in Bern auf meiner Themensuche. Wo früher der Industriekonzern Von-Roll produzierte, befindet sich heute die Pädagogische Hochschule in Bern. Andréas Netthoevel und Martin Gaberthüel (2. Stock Süd) nahmen die Geschichte des Ortes bei der Gestaltung der Arealsignaletik auf. So entstanden beispielsweise von Hand geschliffene Metalltafeln oder Wegweiser, die an die industrielle Vergangenheit des Ortes erinnern Abb.1,2. Viele neuere Signaletiksysteme gehen vermehrt auf den örtlichen und baulichen Kontext ein. Dies oft auf der Ebene der Grafik, des Materials oder der Trägersysteme. Mich interessieren aber weiterführende, inhaltliche Kontexte. [ 23 ]

[ 24 ] V gl. Stadt Zürich Präsidialdepartement (2020)

Für meine Praxisarbeit entwickle ich ein Signaletiksystem für das Kochareal in Zürich. Das Kochareal ist ebenfalls ein ehemaliges Industriegelände, das zwischenzeitlich besetzt wurde. Für das Jahr 2024 ist ein Neubau auf dem Areal geplant, der neben Industrie- und Wohnhäusern auch einen Quartierpark vorsieht.

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Abb. 1: Ehemalige Von-RollProduktion­shallen, die später zu Hörsälen der Pädagogischen Hochschule Bern umfunktioniert wurden.

Abb. 2: Durch bewussten Umgang mit dem Metall, schafft die Signaletik des Von-Roll-Areals einen Bezug zu der industriellen Vergangenheit des Ortes.

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An einem geschichtlich so spannenden Ort ist es mir ein Anliegen, dass die Vergangenheit auch in der neuen Signaletik spürbar bleibt. Das Signaletiksystem für das Kochareal in Zürich soll also ebenfalls die funktionale Grenze überschreiten. In meiner Bachelorarbeit möchte ich herausfinden, welche verschiedenen inhaltlichen Typen von narrativer Signaletik es gibt und wie ich diese konkret am Beispiel des Kochareals in Zürich anwenden kann. [ 24 ]

Fragestellung Mit welchen Mitteln können Signaletiksysteme narrativ angereichert werden? Welche Erkenntnisse kann ich aus dieser Recherche für mein Praxisprojekt ableiten?

Zielsetzung Meine Arbeit soll aufzeigen, was narrative Signaletik umfasst und mit welchen inhaltlichen und visuellen Mitteln ein Signaletiksystem narrativen Charakter erhält. Ich möchte verdeutlichen, was bei der Planung und Umsetzung solcher Projekte zu beachten ist. Gleichzeitig soll kritisch hinterfragt werden, wo es überhaupt Sinn macht, aus der reinen Funktionalität der Signaletik auszubrechen, welchen Mehrwert narrative Elemente den Rezipienten bieten und wo ihre Grenzen liegen.

Vorgehensweise In einem ersten Schritt erkläre ich genauer, was ein Signaletiksystem ist und worin der Unterschied zwischen funktionaler, kontextualisierter und narrativer Signaletik liegt. Hierbei stütze ich mich auf Theorien unterschiedlicher Autorinnen und Autoren.

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In einem zweiten Schritt betrachte ich verschiedene Typen narrativer Signaletiksysteme vergleichend. Um meiner Bachelorarbeit einen Rahmen zu setzen, konzentriere ich mich hauptsächlich auf sieben Projekte des Schweizer Kommunikationsdesigners Ruedi Baur. Seine Vielfalt an unterschiedlichen Signaletikprojekten bietet meiner Arbeit eine solide Ausgangslage. In einem Interview mit Ruedi Baur wird geklärt, wie er und

sein Team die Konzepte für die jeweiligen Projekte entwickelt haben und welche Punkte sie bei der Umsetzung besonders beachten mussten. Aufgrund dieser Informationen werden seine Projekte analysiert und kritisch diskutiert.

Ruedi Baur gilt im Bereich narrativer Signaletiksysteme in Europa als Pionier. Seine Arbeiten stützen sich auf langjährige Erfahrung in diesem Themengebiet und bieten eine Grundlage für die Typisierung von narrativer Signaletik. Um diese Typisierung zu erweitern, werden weitere nationale und internationale Projekte berücksichtigt und so weiterführende Aspekte miteinbezogen.

Klar ist, dass die Typen sich überschneiden und Typisierungen generell eine Annäherung an eine Systematik darstellen, sie aber nicht fixieren.

Im Fazit werden die unterschiedlichen Typen reflektiert und kritisch hinterfragt. Gibt es Typen, die bis hierhin noch nicht erwähnt wurden? Lässt sich jedes Projekt klar einem narrativen Typen zuweisen? Gibt es narrative Signaletikprojekte, die sich nicht einordnen lassen? Des weiteren möchte ich einen Ausblick hinsichtlich meiner praktischen Arbeit geben.

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Begriffserklärung Funktionale Signaletik

[ 15 ] Vgl. Meuser, P. und Pogade, D. (2010), S. 12

Orientierung ist eine mentale Fähigkeit und ein Grundbedürfnis des Menschen. In der Steinzeit war die Orientierung lebensnotwendig. Jäger und Sammler folgten Spuren, um an ihre Nahrung zu gelangen. Aber auch die Sonne, der Mond und die Sterne boten der Menschheit geografische und zeitliche Orientierung. Als erste Gebäude gebaut wurden, wiesen diese den Leuten zusätzlich den Weg, auf dem Land; später in den Städten. Mittlerweile sind jedoch Städte meist so gross und unübersichtlich geworden, dass sich der Mensch nicht mehr so einfach zurechtfindet.

In Gebäudekomplexen, zum Beispiel, sehen manchmal alle Räume gleich aus. Wie soll man sich an solchen Orten noch orientieren können? Was uns hierbei hilft sind Informations- und Leitsysteme, oder eben Signaletiksysteme. [ 15 ]

[ 29 ] Vgl. Wenzel, P. (2003), S. 13

Signaletiksysteme nehmen uns bei der Hand und führen uns zum gewünschten Ziel. Notwendig werden solche Leitsysteme hauptsächlich an Orten, wo sich grosse Menschenmassen auf engem Raum befinden. Es entstehen Menschenströme, die geführt werden müssen. Dieses Phänomen trifft man an Orten wie Bahnhöfen, Messegeländen, Flughäfen, Stadien oder in Kaufhäusern an. [ 29 ]

[ 14 ] Vgl. Laube, A. und Widrig, M. (2016) S. 37

Bei Sygnaletiksystemen wird zwischen normativen und fakultativen Typen unterschieden. Ersterer beinhaltet Signalisationen im Bereich des Strassen-, Schienen- oder Flugverkehrs. Sie werden primär von der öffentlichen Hand in Auftrag gegeben und sind von Gesetzes wegen zu befolgen. So gilt es beispielsweise, bei einem Stoppsignal oder bei einer roten Ampel zu halten oder Geschwindigkeitsangaben zu befolgen. Fakultative Signaletiksysteme sind hingegen nur im individuellen Interesse zu befolgen. Diese Art von Leitsystemen findet man in eher langsameren Verkehrsströmen wie beispielsweise an Schulen, in Museen oder in Geschäftshäusern. [ 14 ]

[ 21 ] Vgl. Schittich, C. (2013) S.43

Signaletiksysteme übermitteln Nachrichten nach dem klassischen Sender-Empfänger-Modell. Die Signaletik nimmt dabei die Rolle des Senders ein und sendet Signale aus, welche der Betrachter wahrnehmen und decodieren muss. Zu beachten sind

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hierbei die Rezeptionsfähigkeiten und -einschränkungen des Empfängers. Mittels Farben, Formen, Piktogrammen, Texten, Bildern aber auch Tönen vermitteln Leitsysteme Inhalte. Wichtig zu berücksichtigen ist dabei, dass der Rezipient die Inhalte aufgrund seines kulturellen und sozialen Vorwissens entschlüsseln und interpretieren kann. Kann ich z.B. kein Arabisch, verstehe ich Verkehrsschilder in Marokko nur bedingt. [ 21 ] Die signaletische Informationskette setzt sich aus Wegleitungselementen und Zielbestätigungen zusammen. Wegleitungselemente zeigen uns als Richtungspfeile und Hinweisschilder, in welcher Richtung sich unser Ziel befindet. Zielbestätigungen können etwa als Areal-, Gebäude- oder Raumbeschilderungen auftreten. Dank funktionalen Signaletiksystemen wissen wir immer – sofern wir die visuellen Codes kennen und decodieren können – wo wir uns räumlich befinden und wohin wir gehen müssen, um unser Ziel zu erreichen. Besonders wichtig ist die präzise Positionierung der einzelnen Elemente an räumlichen Entscheidungspunkten, an Kreuzungen oder Abzweigungen in Gängen. Ideal ist ein Sichtbezug von Element zu Element. [ 14 ]

[ 14 ] Vgl. Laube, A. und Widrig, M. (2016) S. 37

Kontextualisierte Signaletik Agnès Laube schreibt in ihrem Buch Archigrafie – Schrift am Bau, dass vor und nach dem zweiten Weltkrieg immer mehr Leitsysteme für den internationalen Schiffs-, Schienen- und Luftverkehr entstanden sind. Intelligent durchdachte und zum ersten Mal einheitlich gestaltete Signaletiksysteme mussten effizient und sicher die Passagierströme lenken. So gestaltete beispielsweise Adrian Frutiger 1968 ein Signaletiksystem mit einer aus der Distanz gut lesbare Schrift für den Pariser Flughafen Charles de Gaulle Abb.3. Einheitliche Beschilderungen, die sich deutlich vom Hintergrund bzw. der Architektur abhoben, kamen aber nicht nur für Flughäfen, Bahnhöfe und Metrostationen auf, sondern zunehmend auch für öffentliche Gebäude wie Schulen, Spitäler, Museen und viele weitere. Die Frage nach dem Design – bzw. danach, ob sie zur Architektur passen oder sie stören – wurde immer wichtiger in Bezug auf Leitsysteme. Für diese Art von Orientierungssystemen verwende ich den Begriff kontextualisierte Signaletik. [ 14 ]

[ 14 ] Vgl. Laube, A. und Widrig, M. (2016) S. 38

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Abb. 3: Adrian Frutiger’s Schrift für den Flughafen Charles de Gaulle in Paris.

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Solche Leitsysteme weisen durch bewusste Form-, Materialoder Schriftwahl einen Bezug zur Architektur auf. Die Gestaltung kann sich aber auch auf die Corporate Identity, also den einheitlichen Auftritt eines Unternehmens oder eines Instituts beziehen. Auch diese Leitsysteme weisen primär einen funktionalen Nutzen auf. Sie stehen aber sowohl materiell als auch visuell auf subtile Weise in Zusammenhang mit der Umgebung, dem Gebäude, der Nutzung. Sie wirken oft integraler als Signaletiksysteme in Flughäfen, die sich deutlich vom Untergrund abheben müssen um schnell erfasst werden zu können.

Oft arbeiten Architekten und Kommunikationsdesigner mit Psychologen und Angehörigen anderer Berufsgruppen zusammen, um eine sogenannten Building Identity (auch Corporate Architecture genannt) zu erschaffen. Bei der Building Identity wird die Corporate Identity, also die möglichst einheitliche Identität des Unternehmens, auf mehr oder weniger subtile Weise in seiner Architektur widerspiegelt. Echte Building-Identity-Projekte gehen aber weit über die plumpe Platzierung von Logos an Fassaden hinaus; zentrale Werte werden durch die Architektur inkorporiert. [ 12 ]

[ 12 ] Vgl. Kling, B. und Krüger, T. (2013) S. 12, 53

Ein optimales Beispiel für kontextualisierte Signaletik findet man im Erlebnisbad Bernaqua, welches von Daniel Libeskind entworfen wurde Abb.4. In diesem Gebäude nimmt die Signaletik sorgfältig Bezug auf die Architektur. Charakteristisch für das Gebäude sind die einmaligen Raumstrukturen, die sich durch geneigte Wände auszeichnen. Genau darauf baut das Leitsystem von L2M3 Kommunikationsdesign auf. Die dreidimensionale Richtungspfeile schaffen einen Bezug zur dekonstruktivistischen Architektur. [ 12 ]

[ 12 ] Vgl. Kling, B. und Krüger, T. (2013) S. 106

Narrative Signaletik Erste Narrative Signaletikkonzepte entstanden Mitte/Ende der 1980er Jahre. Solche Leitsysteme haben nicht nur zum Ziel, einen Bezug zur Architektur oder zur Unternehmensphilosophie zu schaffen. Sie gehen einen Schritt weiter und behandeln durch die bewusste Anwendung von Schriftfamilien, emotionalen, teils illustrativen Piktogrammen und insbesondere durch die

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Abb. 4: Kontextualisierte Signaletikgestaltung fĂźr das Erlebnisbad Bernaqua.

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Verwendung von Rastern, Mustern und konkreten Bildern unterschiedlichste Inhalte die teils weit über die funktionale Kommunikationsleistung hinausgehen. So entstanden Leitsysteme, die beispielsweise soziokulturelle, politische oder historische Aspekte thematisieren.

Es werden beispielsweise Kinder in Signaletikkonzepte von Schulen einbezogen. Indem Texte von ihnen an die Wände gemalt werden, erzählt das Leitsystem von den Lernenden an dieser Schule. An anderen Orten wird die Geschichte der wichtigesten Protagonisten einer Firmengeschichte auf der Rückseite von Trägerelementen gezeigt. Ein weiteres Beispiel zeigt netzwerkartige Strukturen auf der Rückseite der Orientierungstafeln. Diese Muster schaffen ein Bezug zum Thema soziale Begegnung.

Narrative Signaletiksysteme nehmen sinnstiftende Inhalte auf und vermitteln bestimmte Werte und Emotionen auf gezielte Weise. Sie erzählen also keine beliebigen Geschichten, sondern sprechen die Betrachter direkt an und nehmen so gezielt Einfluss auf deren Sicht auf das Gebäude oder das Quartier, in dem sie sich bewegen. Auch narrative Signaletiksysyteme haben primär eine funktionale Aufgabe. Zusätzlich dazu kommunizieren sie auf einer weiteren Ebene Inhalte, die in Verbindung mit dem jeweiligen Ort oder mit anderen Elementen stehen. Sie verleihen Orten Identitäten bzw. vermitteln ihre Identität an Dritte. Sie schaffen Emotionen und Stimmungen. Kritisch zu betrachten ist am Schluss, wo es sich um passende Konzepte handelt und wo sie aufgesetzt, dekorativ oder gar antikommunikativ wirken. [ 17 ][ 30 ]

[ 17 ] Vgl. NZZ (2017) [ 30 ] Vgl. Wikipedia (2019)

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Analyse Biographie

[ 14 ] V gl. Laube, A. und Widrig, M. (2016) S. 25

Ruedi Baur ist ein in Paris wohnhafter Schweizer Grafikdesigner.

In den 1980er-Jahren absolvierte er seine Grafikdesign-Ausbildung an der Zürcher Hochschule für Gestaltung und Kunst. Anschliessend arbeitete er für zwei Jahre bei Theo Ballmer und wurde dort mit dem Handwerk der Signaletik konfrontiert. Er hatte jedoch schnell den Eindruck, dass Signaletik ein sehr strenger und unkreativer Teilbereich der Visuellen Kommunikation ist.

So kam es, dass er seine Tätigkeit als Signaletiker für lange Zeit einstellte. Erst Jahre später arbeitete er wieder an ähnlichen Projekten. Diesmal distanzierte er sich klar von der reinen Funktionalität der Leitsysteme. Seiner Meinung zufolge verlangt jedes Gebäude eine eigene individuelle Lösung, abgestimmt auf die Architektur, den örtlichen oder zeitlichen Kontext oder auf andere Themenfelder. Oft arbeitet er mit Architekten, Produktund Fontdesignern zusammen, um die bestmöglichen Lösungen zu erzielen. [ 14 ] Für Ruedi Baur geht es bei klassischer Signaletik darum, einem Rezipienten den effizientesten Weg aufzuzeigen und ihn zum Ziel zu führen. Er lernte in seiner Ausbildung bei Theo Ballmer, wie anhand von Schildern und möglichst objektiver Grafik alle nötigen Informationen visualisiert bzw. vermittelt werden. Für ihn ist das jedoch reinstes Engineering, betont er im Interview.

Er ist der Meinung, dass man an Orten wie Flughäfen oder Spitälern auf solche Lösungen angewiesen sei. Es gebe aber Orte, wo man die Leute ohne allzu viele Tafeln zum Ziel führen könne.

Hier komme für ihn die narrative Signaletik ins Spiel, erklärt er.

Es geht im dabei nicht darum, funktionale Signaletik abzuwerten; für ihn als Gestalter sei das einfach keine spannende Herausforderung.

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Zu seinen Arbeiten gehören auch Leitsysteme im grossen Mass­ stab. So gestaltete er etwa Signaletiksysteme für ganze Stadtteile. Im Interview erwähnte er den Zusammenhang zu Corporate Design. In so einem Projekt gehe es nicht darum, CD-Elemente, die zweidimensional funktionieren, einfach auf Tafeln zu übertragen, sondern umgekehrt sie aus dem jeweiligen Raum, dem Territorium zu entwickeln. Es gehe darum, Besonderheiten ei-

ner Örtlichkeit herauszukristallisieren, so Ruedi Baur. Die Signaletik soll die Erkennbarkeit eines Stadtteils festigen, damit sich dieser von anderen Quartieren abgrenze. Die Setzung der Signaletik werde so zur «vermittelnden Möblierung einer Umgebung». Dies beinhalte keine rein grafische Sprache, erklärt er.

Viel mehr werden ganze Orte in Szene gesetzt. Ruedi Baur nennt dies urbane Szenografie.

Die Einzigartigkeit von Baur’s Projekten und die Vielfalt an Themen, die er damit anspricht, faszinieren mich. Das hat mich dazu bewogen, den Fokus meiner Arbeit auf Projekte von Ruedi Baur zu setzen. Als Pionier der jüngeren Signaletikszene hat er mit seinen Arbeiten und seinen Arbeitsweisen internationale Massstäbe und neue Ansprüche an die Signaletik gesetzt. Ich erhielt die Möglichkeit, ihn in Paris zu besuchen. Im Gespräch unterhielten wir uns über sieben seiner Projekte. Dabei habe ich Projekte ausgewählt, die sich in ihren narrativen Zusatzebenen möglichst unterscheiden.

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Abb. 5: Der Schweizer Grafik-Designer Ruedi Baur entwickelte Leitsysteme für das Centre George Pompidou, den Palais des Congrès de Paris, das Inselspital Bern, den Flughafen Köln/ Bonn und für viele weitere Gebäude, Ausstellungen und ganze Städte.

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Abb. 6: Plakat fĂźr die erste Ausstellung Ăźber die Signaletik des Grand Paris Express.

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Typ 1

Grand Paris Express Ort: Jahr: Zweck: Narratives Stilmittel:

[ 18 ] Vgl. NZZ (2019)

Paris in Planung (–2030) Reisendeninformation Illustrativ

Beim Projekt Grand Paris Express handelt es sich um den Bau eines fahrerlosen U-Bahn-Netzes im Grossraum Paris, das im Jahr 2030 eröffnet werden soll. Die neu gebauten Metrolinien werden eine Länge von 200 Kilometer mit 68 Stationen aufweisen. Das bereits bestehende Metronetz wird sich dabei in seiner Grösse verdoppeln und somit die London Underground überholen. [ 18 ] Ruedi Baur gewann zusammen mit seinem Team Atelier Intégral Ruedi Baur und anderen Designern, Grafikern und Soziologen, mit denen er zusammenarbeitet, den Wettbewerb für die Gestaltung des Fahrgastinformationssystems des Grand Paris Express. Die Hauptaufgabe in diesem Projekt liegt darin, Millionen von Reisenden eine Übersicht des Pariser U-Bahn-Netzes zu liefern. Wichtig dabei ist, dass diese Informationen für Touristen aus aller Welt verständlich werden.

Ruedi Baur’s Ansatz

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Zurzeit besteht das Pariser U-Bahn-Netz aus radialen Linien, die vom Zentrum her aus der Stadt führen. Mit dem Grand Paris Express sollen diese Linien und die Banlieues ausserhalb des Zentrums kreisförmig miteinander verbunden werden. Als Ruedi Baur und sein Team sich zum ersten Mal mit der Thematik auseinandersetzten, fiel ihnen auf, dass ein Grossteil der Pariser Bevölkerung viele der umliegenden Banlieues gar nicht kennt. Er sagt, dass den Anwohnern von Paris gewisse Banlieues bekannt seien, andere Einwohner seien jedoch völlig undifferenziert – für sie sei alles «das Gleiche». Genau das wolle er mit seinem Projekt ändern, erklärte mir Ruedi Baur. Mittels Illustrationen sollen interessante Momente und Orte der einzelnen Banlieues festgehalten und für die innerstädtische Pariser Bevölkerung visualisiert werden. «Es entsteht eine vertikale Verbindung zwischen den unterirdischen Stationen und den darüberliegenden Stadtteilen.», so Ruedi Baur. Jedes Quartier wird dabei von einem anderen Illustrator festgehalten Abb. 7 – 12. So erhält jede Station einen

eigenen Charakter und grenzt sich von den Umliegenden ab. «Es entsteht eine In-Wert-Setzung einer alltäglichen urbanen Situation.», betont Ruedi Baur. Die Reisenden werden nicht nur auf visueller Ebene angesprochen. Ruedi Baur und sein Team versuchen die Rezipienten auch auf der auditiven und anderen sensitiven Ebenen zu erreichen. Die Frage, wie man sinnliche Metrostationen erschaffen kann, stehen bei ihm und seinem Team im Vordergrund.

Meistens haben die Vorortsquartiere keine Monumente oder Ähnliches zu bieten, die illustriert werden können. Das ist auch nicht Ruedi Baur’s Absicht. Die Illustratorinnen und Illustratoren sollen ihren Fokus auf kleine Geschichten richten, die sich an diesen Orten abspielen. Die Zeichnungen sollen den Alltag zeigen und so soziale und kulturelle Themen ansprechen. Ruedi Baur meint, wenn man sich genug ausgiebig mit einer Thematik befasse, könne man Dinge entdecken, die auf den ersten Blick nicht sichtbar seien. Genau solche Geschichten sollen die IllustratorInnen erzählen. Denn das Teilen solcher Narrationen bedeutet für Ruedi Baur, die Geschichte des Quartiers zu schreiben, die dadurch an Vergangenes erinnert. Er ist der Meinung, dass heutzutage immer nur das Neue und Aktuelle im Zentrum steht. Für ihn sei jedoch viel interessanter, was früher einmal war und wie etwas entstanden sei. Ihm sei dabei jedoch wichtig, dass die illustrativen Narrationen nicht auf einer nostalgischen Ebene kommunizieren. Die Aufmerksamkeit für das Vergangene soll nicht bloss Erinnerungen auslösen. Vielmehr soll die Bedeutung von Ereignissen für unsere Gegenwart spürbar gemacht werden. [ 27 ]

[ 27 ] Vgl. Interview Vimeo (2020)

Kritische Auseinandersetzung Dieses Projekt fasziniert mich nicht nur aufgrund seiner Grösse, sondern auch wegen den vielen Herausforderungen, die es zu bewältigen hat. Das Projekt richtet sich an Menschen verschiedener Kulturen und verschiedener Generationen. Alle sollten das Leitsystem verstehen.

Als ich Ruedi Baur in Paris besuchte, hatte ich grosse Mühe mich in den U-Bahn-Stationen zurechtzufinden. Jede Station sieht

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Abb. 7 – 12: Illustrative Visualisierungen von Stadtteilen.

Die Zeichnungen erhalten eine identitätsstiftende Funktion und kommunizieren über das entsprechende Quartier, deren Geschichte und über die Menschen, die dort leben.

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Abb. 13 – 14: Neben den flexiblen illustrativen, weist die Signaletik auch fixe Ansätze auf. Die Piktogramme und Schriftschnitte werden in jeder Station dieselben sein.

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gleich aus. Ruedi Baurs illustrativer Ansatz gefällt mir gut. Er weist jeder Station einen eigenen Charakter zu. Dennoch kommunizieren alle Stationen mit der gleichen Sprache, nämlich einer illustrativen. Es entsteht ein flexibles Erscheinungsbild, das die Bahnhöfe miteinander verbindet und gleichzeitig unterscheidet.

Die Metrostationen unterscheiden sich nicht nur durch die verschiedenen Zeichnungsstile der Illustratoren. Interessant ist auch, dass jeder Künstler seinen Fokus auf andere Schwerpunkte setzen wird. Die Illustrationen wiederspiegeln den subjektiven Eindruck des Zeichners. Es wird eine Meinung kundgegeben, welche die Betrachter direkt anspricht. Es entsteht ein Dialog.

Ruedi Baur sagte, dass er sinnliche Bahnhöfe gestalten möchte.

Er will Wärme in die Stationen bringen, damit sich die Reisenden wohl fühlen. Ich sehe das als sehr schwierige Aufgabe. Metrostationen sind oft sehr laut, kalt und windig. Die Illustrationen bringen Farbigkeit, viele unangenehme Faktoren kann man aber nicht ausradieren.

Ruedi Baur ermöglicht den Reisenden einen Eindruck vom Leben im jeweiligen Quartier, das sich sonst ihrem Blickfeld innerhalb des U-Bahn-Systems entziehen würde. Gleichzeitig werden soziokulturelle Themen aufgenommen, die den Betrachter direkt ansprechen sollen. Paris ist eine Stadt vieler Kulturen und vieler sozialer Schichten. Ich finde es interessant und wichtig, dass solche Themen angesprochen werden. Ruedi Baur’s Signaletiksystem soll soziale und kulturelle Grenzen aufsprengen.

Die Pariser Innenstädter und BewohnerInnen anderer Banlieues sollen neue Quartiere und neue Kulturen entdecken und sich darauf einlassen.

Kommunikative Leistung

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Die narrative Zusatzebene in diesem Projekt besteht darin, dass etwas Unsichtbares sichtbar gemacht wird. Der Stadtteil, der sich über der jeweiligen Metrostation befindet, wird so greifbar.

Das Projekt weist dabei fixe und flexible Elemente auf. Schriften und Piktogramme sind bei allen Stationen dieselben. Die illust-

rative Ebene unterscheidet sich jedoch von Station zu Station.

Die Handschrift des Illustrators erhöht dabei die Identifikation mit dem jeweiligen Ort. Die Illustrationen weisen den Stationen nicht nur ein grafisches Gesicht zu. Sie wecken bei den Reisenden auch das Interesse, diese Stadtteile näher kennenzulernen. Dabei vermitteln die Zeichnungen ein Gefühl der jeweiligen Quartiere, parallel dazu wird über aktuelle Veranstaltungen informiert.

Ruedi Baur‘s Lösungsansatz bringt Wärme in die sonst eher kühlen Metrostationen. Die Illustrationen sollen die Reisenden in ihren Bann ziehen und sie vom Lärm und dem Wind im Untergrund ablenken. Ruedi Baur macht die Metrostationen sinnlich greifbar.

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Abb. 15 – 20: Das Büro für Design­kommunikation Sägenvier erarbeitete für den Kindergarten der Stadt Dornbirn ein Signaletiksystem, dass ebenfalls ein Stück weit den Alltag im Innern nach aussen kommuniziert. Mittels Illustrationen konnten die Kinder Erlebnisse, aber auch Phantasien in die Signaletik einfliessen lassen. Ähnlich wie die Signaletik des Grand Paris Express, kommuniziert auch dieses Leitsystem Ansichten und Haltungen über einen Ort. Auch dieses Konzept setzt sich aus fixen Elementen – die Raumbeschriftungen – und flexiblen Elementen – die illustrative Welt – zusammen. [ 3 ] Vgl. Architektur Fach­magazin (2017)

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Abb. 21: Für die École des Beaux-Arts de Paris erarbeitete Ruedi Baur ein Erscheinungsbild mit dazugehöriger Signaletik. Das Bild zeigt ein Ausstellungsplakat der Schule.

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Typ 2

École des Beaux-Arts de Paris Ort: Jahr: Zweck: Narratives Stilmittel:

Paris 2007 Erscheinungsbild & Leitsystem Mit Muster angereicherte Typografie

Bei der École des Beaux-Arts de Paris handelt es sich um eine Pariser Kunsthochschule. Diese erteilte im Jahr 2007 dem Atelier Intégral Ruedi Baur den Auftrag, ein neues Erscheinungsbild mit zugehörigem Leitsystem zu erarbeiten.

Ruedi Baur’s Ansatz Ausgehend vom Schrifttyp Verdana entwickelte Ruedi Baur und sein Team eine eigene Schrift, welche sich durch ihren Umgang mit Transparenz auszeichnet. Die Hierarchie der Informationen wird nicht durch die Fettigkeit des Fonts ersichtlich, sondern dadurch, wie durchlässig die Buchstaben erscheinen. Der Font unterscheidet sich zusätzlich je nachdem, ob er sich auf die digitale Welt oder auf die von Hand gezeichnete bezieht Abb.22. [ 5 ] Vgl. Baur, R. (2010) S. 157

An einer Kunstakademie setzt man sich regelmässig mit Fragen rund um die Ausdrucksmöglichkeiten auseinander. Das erarbeitete Erscheinungsbild bezieht sich genau auf diese Fragestellung. Der einmalige Umgang mit einer neuen Art von Schriftfamilie, soll die Studierenden der Schule zu einem spielerischem Einsatz von Farben, Illustrationen und grafischer Gestaltung anregen, erklärt mir Ruedi Baur. So wird das Erscheinungsbild mit der dazugehörigen Signaletik zum Botschaftsträger, der Einfluss auf die Studierenden ausübt und sie zu Kreativität verleiten soll. [ 5 ] Viele der Studierenden hatten jedoch Mühe, sich auf das Erscheinungsbild der Kunsthochschule einzulassen. Je expressiver ein Corporate Design erscheine, desto schwieriger werde es für die Betrachter, sich damit zu identifizieren, führt Baur aus. Das Projekt hatte eine Lebenszeit von sechs Jahren. Mit dem Wechsel des Direktors wurde auch das Erscheinungsbild geändert.

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Der Umgang mit Schrift blieb für Ruedi Baur ein wichtiger Faktor seiner Arbeiten. Denn auf dieser Ebene spricht er den Re-

Abb.22: Spielerische Hierarchisierung der Schrift bezugnehmend auf die analoge und digitale Welt.

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zipienten direkt an. Ruedi Baur hebt hervor, dass die Ästhetik einer Schrift einem Corporate Design eine bestimmte Identität verleiht, die auch von Nicht-Grafikern verspürt werden kann.

Bei solchen Projekten sei es essenziell, eine Sprache zu finden, mit der sich alle Betroffenen identifizieren können. Laut Baur ist dies eine der schwierigsten Aufgaben eines Signaletikers.

Kritische Auseinandersetzung Ruedi Baur erschaffte nicht nur eine neue Schrift sondern auch eine neue Art, wie diese hierarchisiert werden kann. Ich finde spannend, dass er mit diesem Projekt sowohl auf die analoge wie auch auf die digitale Welt eingeht. Die Schrift thematisiert so den Wandel der Zeit und welche Möglichkeiten damit entstehen.

Den Ansatz, dass ein Erscheinungsbild direkten Einfluss auf die Betrachter haben soll, fasziniert mich. Das Projekt zeigt jedoch lediglich einen kreativen Umgang in Bezug auf Schrift.

Studierende, die sich mit dreidimensionalen Objekten oder Materialien beschäftigen, werden nicht angesprochen. Ich bin der Meinung, dass dieses Projekt lediglich einen kreativen Lösungsansatz zeigt. Damit das Projekt die Studierenden in ihrer Kreativität fördert, sollten jedoch verschiedene Ansätze verdeutlicht werden, wie man eine kreative Aufgabenstellung angehen kann.

Kommunikative Leistung Dieser Typ narrativer Signaletik funktioniert als Impuls, als Inspiration für die Nutzenden. Das Leitsystem soll die Studierenden direkt ansprechen und Einfluss auf ihr kreatives Schaffen nehmen. Man könnte sagen, die narrative Zusatzleistung funktioniert auf einer didaktischen Ebene.

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Das Erscheinungsbild mit dem dazugehörigen Leitsystem der École des Beaux-Arts de Paris weist einen Bezug zur Kunsthochschule auf. Es zeigt, mit welchen Medien und auf welche Arten an diesem Ort gearbeitet wird. Das Leitsystem verschafft der Hochschule eine flexible, aber gut wiedererkennbare Individualität; sie erhält einen eigenständige Sprache mit der sich die Dozierenden und Studierenden identifizieren können.

Abb. 23 – 27: Ähnliche Inhalte weist das Leitsystem von kong. funktion gestaltung für die Neue Volksschule Brünnen auf. Das Leitsystem setzt sich aus einfachen Eichenholzformen zusammen.

In unterschiedlicher Kombination dieser abstrakten Formen werden Piktogramme erkennbar. Ich behaupte, dass auch dieses Leitsystem einen didaktischen Einfluss auf die Schüler aufweist.

Das System zeigt einerseits, wie Grundformen zu unterschiedlichen Bedeutungen arrangiert werden können.

Andererseits müssen diese aber doch so deutlich sein, dass die Rezipienten sie lesen können. [ 13 ] Vgl. kong. (2016)

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Abb. 28 – 33: Auch bei der New School in New York USA verschaffte Ruedi Baur der Schule eine eigenständige Identität. Dabei wird mit der Überlagerung eines sehr dünnen und eines sehr dicken Schriftschnitts gearbeitet. Es entsteht eine dreidimensionale Schrift, die von jedem Blickwinkel aus anders erscheint.

Wiederum ist das grafische Gesicht des Leitsystems sehr formen- und farbenfroh. Diese bewusst erzielte Lebhaftigkeit kommuniziert die Interdisziplinarität der Institutionen. Denn in der New School kommen sämtliche Bereich der Universität zusammen, die sonst in ganz Manhattan verteilt sind.

Gleichzeitig strahlt auch dieses Konzept eine impulsgebende und inspirierende Wirkung aus. [ 11 ] Vgl. Intégral Ruedi Baur (2020) [ 14 ] V gl.Laube, A. und Widrig, M. (2016) S. 130

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Abb. 34: Die Elbphilharmonie am Hafen von Hamburg.

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Typ 3

Elbphilharmonie Ort: Jahr: Zweck: Narratives Stilmittel:

Hamburg 2011 Leitsystem Typografisch

Die Elbphilharmonie in Hamburg ist ein Veranstaltungsort, der von den Architekten Herzog & de Meuron entworfen und umgesetzt wurde. Das Gebäude befindet sich am Hamburger Hafen und besteht aus einem Backsteinsockel, der einen Glasaufbau trägt Abb.34. Aufgrund von Planungsfehlern und explodierenden Kosten wurde das Gebäude erst fünf Jahre später fertiggestellt, als es eigentlich geplant war. Der Komplex feierte deshalb seine Eröffnung erst im Jahr 2011.

Ruedi Baur’s Ansatz Ruedi Baur und sein Zürcher Team (Axel Steinberger) waren von dieser Projektverzögerung betroffen. Für sie entstand eine fünfjährige Vorprojektsphase vor der Fertigstellung des Gebäudes.

Darunter litt nicht zuletzt die Qualität des Produkts, stellt Ruedi Baur klar. Dennoch entstand ein solides Signaletikkonzept, das auf den Kontext des Gebäudes eingeht. Die Signaletik stützt sich auf Überlagerungen von Typografie und wird direkt von der zweischichtigen Architektur des Gebäudes abgeleitet Abb. 35 – 36. [ 5 ] Vgl. Baur, R. (2010) S. 330

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Die Anschriften und Beschilderungen verzichten auf den Einsatz spezieller Trägersysteme. Sie kommunizieren lediglich durch bewusste Farb- und Schriftwahl, welche auf die jeweiligen Räume und Säle abgestimmt sind. Das Signaletiksystem der Elbphilharmonie in Hamburg erzählt von den Klängen, die im Innern des Gebäudes entstehen, und macht diese auf visuelle Weise greifbar. Baurs Ziel war es, den musikalischen Ton, der sich wellenartig ausbreitet, typografisch wiederzugeben. Ihm und seinem Team war es wichtig, dass die Rezipienten diesen Ton nicht nur sehen, sondern förmlich spüren. In vielen seiner Projekte spielt das Sinnliche eine grosse Rolle, betont Ruedi Baur.

Denn auf diese Weise gelinge es ihm, den Betrachter auf emotionaler Ebene anzusprechen. [ 5 ]

Abb. 35 – 36: Schriftüberlagerungen schaffen einen sinnbildlichen Bezug zu den Klängen, die im Innern der Elbphilharmonie zu hören sind.

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Das Leitsystem visualisiert sinnbildlich, was im Innern des Gebäudes geschieht. Es treffen harmonische, geschwungene Schriften auf statische Groteskschriften. Darin lassen sich harmonische Klänge von Streichinstrumenten über dem Takt der Schlaginstrumente erkennen.

Kritische Auseinandersetzung Erst erschien mir der Umgang mit der Typografie rein dekorativ.

Ich sah darin eine romantische Spielerei, die aus meiner Sicht der Lesbarkeit schadet. Erst als ich mich tiefer mit dem Projekt auseinandersetzte, begann ich die narrative Zusatzebene zu verstehen.

Ich finde, dass die Signaletik dem Gebäude ein grafisches Gesicht verleit. Das Leitsystem spricht die Rezipienten auf einer emotionalen Ebene an. Die Elbphilharmonie wird zu einem sinnlichen Ort, indem man sich wohl und geborgen fühlt. Genau darin liegt die narrative Ebene dieser Signaletik. Das Gebäude erhält eine sinnliche Identität, die für die Besucher spürbar wird.

In diesem Projekt sind die Anschriften auf die Wände aufgemalt worden. Die Signaletik kommuniziert als eigenständiger Teil der Elbphilharmonie. Ich finde es schade, dass die Signaletik nicht mehr mit der Architektur zusammenspielt. Ich behaupte, dass man bei einer fünfjährigen Präfigurationsphase, eine Lösung hätte finden können, in der die Signaletik mehr mit dem Gebäude verschmilzt. Warum ist die Signaletik nicht gleich Teil der Architektur?

Kommunikative Leistung

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Dieses Leitsystem steht sinnbildlich für das, was im Innern des Gebäudes vonstatten geht. Es wird nicht nur der musikalische Ton visualisiert sondern die ganze Stimmung, die in der Elbphilharmonie erlebbar wird. Die Besucher der Elbphilharmonie werden auf einer emotionalen Ebene abgeholt. Gleichzeitig verleiht diese Lösung dem Gebäude ein grafisches Gesicht. Man wird sich an die typografischen Spielereien erinnern und sie mit der Elbphilharmonie in Verbindung bringen.

Abb. 37 – 42: Auch das Leitsystem der Radiologischen Praxis in Stuttgart kommuniziert sinnbildlich was im Innern des Gebäudes Alltag ist. Hier steht nicht ein musikalischer Ton im Vordergrund sondern radiologische Wellen, die sich ausbreiten.

Die bunten Farben sollen die Patienten vom medizinischen Ernst ablenken und sie auf ihrem Weg begleiten.

Gestaltet wurde dieses Leitsystem von büro uebele – visuelle kommunikation, mit der Absicht, Farbe in den sonst eher tristen Alltag zu bringen. [ 8 ] Vgl. Uebele (2007)

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Abb. 43 – 48: Dieses Projekt stammt von Jürgen X. Albrecht und ist im Verwaltungsgebäude der Zürcher Kantonalbank aufzufinden.

Das Linienmuster ist abgeleitet vom Bankgeschäft, wo diese Ornamente zur Fälschungssicherung von Wertpapieren dient. Diese typografische Spielerei kommuniziert eine Sicherheit nach aussen, die im Innern des Gebäudes garantiert wird. Ob die Rezipienten dies verstehen oder nur spüren ist die Frage. Oder kritisch gefragt: Ist das nicht reines Dekor? [ 1 ] Vgl.Jürgen X. Albrecht (2020)

37

Abb. 49: Die Besucher der Cinémathèque werden selbst Teil der Lichtinstallation.

Hier zu sehen: fixe Elemente, direkt auf die Wände schabloniert.

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Typ 4

Cinémathèque Française Ort: Jahr: Zweck: Narratives Stilmittel:

Paris 2005 Erscheinungsbild & Leitsystem Zusammenspiel von fixen Elementen und ephemeren Projektionen

Die Cinémathèque Française wurde vom Architekten Frank Gehry konzipiert und umgesetzt. Er entwarf dieses Gebäude als amerikanisches Kulturzentrum in Paris. Jedoch wurde dieses Gebäude nie zu diesem Zweck genutzt. So kam es, dass es nach einigen Jahren renoviert und als Cinémathèque Française mit mehreren Kinosälen, einem Museum, einer Mediathek und diversen Ausstellungsräumen umfunktioniert wurde.

Ruedi Baur’s Ansatz [ 5 ] Vgl. Baur, R. (2010) S. 198

39

Da das Gebäude auf eine andere Nutzung hin geplant und räumlich expressiv war, wurde eine signaletische Intervention unumgänglich. Die Geschichte des Gebäudes sollte nicht negiert, sondern neu besetzt werden. Schon von aussen sollten die Betrachter des Gebäudes erkennen, dass es sich dabei um einen «Kinotempel» handle. Erreicht wurde dies durch den Einsatz von Lichtquellen. Die projizierten Trapeze sind einerseits Referenz an Frank Gehrys dekonstruktivistische Fassadengestaltung, andererseits an die Kinoleinwand, die von jedem Sitzplatz unterschiedlich verzerrt erscheint. Bei untergehender Sonne ziehen die Projektionen die Passanten an und führen sie zum Eingang der Cinémathèque Française. Im Innern des Gebäudes sind die gleichen Projektionen zu finden, wo sie als Signaletik die Besucher leiten. Gemeinsam mit dem Einsatz von Bildmaterial informieren sie über aktuelle Vorstellungen oder erzählen von Ausstellungsschwerpunkten. [ 5 ] Jeder Wegweiser in diesem Gebäudekomplex ist einzigartig. So erscheint jede Projektion aus einem anderen Winkel und lässt sie in einer individuellen Verzerrung erscheinen Abb.50. Bei der Umsetzung des Projektes, in Zusammenarbeit mit einer Firma für neue Medien, war die Aufgabe des Grafikers also vorwiegend, die Anordnung und Ausrichtung aller Projektoren festzulegen. Die Rolle des Grafikers mutierte also eher zu derjenigen eines Szenografen.

Abb.50: Wichtige Piktogramme und wegweisende Symbole werden direkt an die Wand projiziert. Die verzogenen Rechtecke schaffen dabei einen Bezug zur Kinoleinwand.

40

Im Interview meinte Ruedi Baur, dass dieses Projekt zeitlich der Technologie weit voraus gewesen sei. Er verdeutlichte, dass ein Projekt wie dieses heute eleganter und günstiger umgesetzt werden könnte. Daher kamen Ruedi Baur und sein Team damals an ihr Limit der Machbarkeit. Genau das seien jedoch die spannenden und lehrreichen Momente in seinem Beruf. «So sehe ich eigentlich meine Tätigkeit – nämlich als Forscher.» Obwohl er in dieser Zeit viel lernte, betrachtet er das Projekt auf Dauer nicht als überzeugend. Eher sieht er dieses Leitsystem als kurzfristige Lösung. Das sei für ihn aber auch nicht schlimm.

Kritische Auseinandersetzung Dass dieses Gebäude zu einem anderen Zweck entworfen wurde, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Aus diesem Grund macht es durchaus Sinn, diese Umnutzung in der Gestaltung der Signaletik anzusprechen.

Die meisten Signaletiksysteme funktionieren mit Leittafeln oder Buchstaben und Piktogrammen, die direkt an die Wände angebracht werden. Dass ein Leitsystem projiziert wird, ist aus meiner Sicht ungewöhnlich und primär in Innnenräumen machbar. Einerseits schätze ich diesen Ansatz als sehr modern und innovativ ein. Andererseits frage ich mich, wie gut erkennbar die Projektionen bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen sind.

Das Projekt gefällt mir aus ästhetischer Sicht sehr gut. Die Projektionen funktionieren beinahe als künstlerische Lichtinstallation. Schon von aussen werden die Besucher an das Gebäude herangelockt. Im Innern werden sie selbst Teil der Installation, sobald ihre Schatten an den Wänden erkennbar werden Abb.49.

Meiner Meinung nach gelang es Ruedi Baur, die Sinnlichkeit der Cinémathèque auf dieses Gebäude zu übertragen. Deutlich wird die Umnutzung des Gebäudes angesprochen. Unübersehbar funktioniert die projizierte Signaletik als Intervention auf die Architektur. Die Geschichte des Gebäudes wird so nicht negiert sondern neu bespielt.

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Kommunikative Leistung Das Leitsystem für die Cinémathèque kommuniziert deutlich die Umnutzung des Gebäudes.

Einmalig in der Signaletik für die Cinémathèque Française ist, dass es aus fixen Elementen besteht und aus ephemeren Inhalten. So bleiben beispielsweise die Piktogramme, die die Besucher zu den wichtigen Orten führen soll immer gleich. Projizierte Inhalte über aktuelle Veranstaltungen oder Themenschwerpunkte sind wechselbar. So erscheint die Cinémathèque Française lebendig und dynamisch. Die Besucher werden bei jedem Besuch mit anderen Inhalten konfrontiert.

42

Abb. 51 – 56: Eine weiteres Projekt, dass die Umnutzung eines Gebäudes thematisiert ist die Médiathèque André Malraux in Strassburg. Bei diesem Gebäude handelt es sich um einen ehemaligen Getreidespeicher, der zu einer Mediathek umfunktioniert wurde. Ruedi Baur gestaltete für das Gebäude ein Leitsystem, das wiederum bereits von aussen deutlich den neuen Zweck des Gebäudes visualisiert.

Kommuniziert wird lediglich mit Worten bzw. Texten. Auf Symbole und Piktogramme verzichtete Ruedi Baur. Die für das Leitsystem notwendigen Begriffe sind alle in Sätze eingebettet. Diese haben allesamt ihren Ursprung in den Büchern der Mediathek. Wiederum gelingt es Ruedi Baur die Besucher der Mediathek in Strassburg bereits von aussen in die Thematik einzubinden.

Interessant ist hier, dass das Gebäude wortwörtlich narrativ ist. Dies im literarischen Sinn. Es erzählt seinen Inhalt nach Aussen.

Die Frage stellt sich jedoch, ob bei diesem Projekt nicht überinformiert wird. [ 12 ] Vgl. Kling, B. und Krüger, T. (2013) S. 78

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Abb. 57: Illustrative Piktogramme kommunizieren in einer einfach verständlichen Sprache.

Abb.58: Signaletikinstallation spielt auf die Festlichkeit der Expo.02 an.

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Typ 5

Expo.02 Ort: Biel/Bienne, Murten, Neuenburg,

Yverdon-les-Bains Jahr: 2002 Zweck: Erscheinungsbild & Leitsystem Narratives Stilmittel: Installativ, typografisch und illustrativ

[ 22 ] Vgl. Schweizerisches Bundesarchiv (2020)

Die Expo.02 war die Schweizerische Landesausstellung, welche im Jahre 2002 für fünf Monate besuchbar war. Die Ausstellung war an vier Standorten zu besichtigen. Diese befanden sich an den Seeufern Biel/Bienne, Murten, Neuenburg und Yverdon-lesBains. [ 22 ]

Ruedi Baur’s Ansatz Für die vier Standorte entwickelte das Atelier Intégral Ruedi Baur ein Leitsystem, welches die Kurzlebigkeit der Ausstellung hervorheben soll. Kommuniziert wird dabei auf zwei verschiedenen Ebenen. Die erste Ebene besteht aus einer breiten Palette an Piktogrammen Abb.57 und die zweite aus bedruckten Textilstreifen, die um Gerüste gespannt wurden Abb.58. [ 5 ] Vgl. Baur, R. (2010) S. 285

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Die Idee mit den handgezeichneten Piktogrammen entstand an der Hochschule in Leipzig, wo Ruedi Baur unterrichtet. Einer seiner Studenten illustrierte in einem Projekt die Stadt Leipzig. Von dieser Zeichenwelt war Ruedi Baur begeistert. Er beauftragte den Studenten, in die Schweiz zu reisen, um dort seine Eindrücke festzuhalten. Daraus entstand die Piktogrammwelt der Expo.02.

Diese macht die Landesausstellung für jede Altersgruppe leicht verständlich und zeigt alle Angebote und Regeln auf. [ 5 ] Parallel zu diesem Teil des Leitsystems entstand im Atelier Intégral Ruedi Baur in Paris das Konzept für die Textilstreifen. Ruedi Baur war der Meinung, dass die Signaletik die enorme Bandbreite oder Vielfalt und den festlichen Aspekt dieser Landesausstellung thematisieren sollte. So steht dieses Projekt auch kritisch der Architektur der Expo.02 gegenüber. Denn die Pavillions auf den Arteplagen erschienen Ruedi Baur eher dauerhaft und wenig festlich. Mit seiner Lösung wollte Ruedi Baur das gesamte Konzept aber ganz gezielt auflockern und brachte das zusätzliche Element der Textilstreifen ein. Diese Pfeilmarkierungen leiteten

die Besucher durch das Gelände und funktionieren gleichzeitig als temporäre Installation.

Sowohl die Piktogrammfamilien als auch die Textilstreifen konnten während der Ausstellung jeder Zeit relativ kostengünstig ergänzt und erweitert werden. So entwickelte Ruedi Baur ein Leitsystem, das einerseits die Besucher leitet, gleichzeitig aber auch von der Kurzlebigkeit und der Spontanität der Expo.02 erzählt.

Kritische Auseinandersetzung Im Gegensatz zur Architektur bringt das Leitsystem die Kurzlebigkeit der Expo.02, von lediglich fünf Monaten, auf den Punkt.

Ich verstehe Ruedi Baurs Kritik an den Pavillons, die alles andere als temporär erschienen und finde deshalb seine Umsetzung sinnvoll.

Dieses Projekt gefällt mir hauptsächlich aufgrund der materiellen Umsetzung. Das Leitsystem funktioniert als eigenständige Installation und wird gleichzeitig Teil der Landesausstellung.

Auf verspielte und freche Weise wird den Besuchern der Weg gezeigt.

Die Illustrationen kommunizieren mit einer einfachen Sprache.

Die Zeichnungen scheinen beinahe kindlich, ergeben jedoch ein einheitliches Bild. Zudem sind sie für jede Altersgruppe leicht verständlich. Auf eine sympathische Art werden die BesucherInnen angesprochen und in die Welt der Expo.02 miteinbezogen.

Ruedi Baur erzählt auf der narrativen Ebene von der Kurzlebigkeit der Landesausstellung. Das Erscheinungsbild und das dazugehörige Leitsystem funktionieren als temporäre Installation.

Es sind aber auch viele Bänder, die in verschiedene Richtungen zeigen. Das steht für mich auch für die inhaltliche Vielfalt und die Komplexität der Expo.02. Gleichzeitig haben diese Installationen auch eine sehr desorientierende Wirkung. Die Betrachter­ Innen werden mit Informationen überflutet.

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Kommunikative Leistung Die narrative Zusatzleistung der Signaletik für die Expo.02 thematisiert die Kurzlebigkeit der Landesausstellung – ihren temporären Charakter. In Kritik zu den langlebig erschienen Pavillons, zelebriert Ruedi Baur’s Projekt eine vergängliche Festlichkeit.

Die Signaletik erschien als temporäre Intervention.

Die Illustrationen sprechen dabei eine einfache Sprache. Sie sind für alle Altersgruppen verständlich und haben eine einladende Wirkung auf die Betrachter.

Das gesamte Leitsystem erscheint sehr lebhaft. Es repräsentiert eine gute Stimmung auf dem Gelände und gleichzeitig soll es bei den Besuchern das Interesse wecken die Expo.02 zu erforschen.

Es stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen spielerischen Wiederholungen und Varianten von Elementen zur Überkommunikation liegt.

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Abb. 59 – 63: Ein weiteres Beispiel, dass als temporäres System funktioniert, ist die Signaletik für die Ausstellung All We Need im Jahr 2007. Während sieben Monaten waren in einer Gebläsehalle in Esch-sur-Alzette in Luxemburg diverse Installationen zum Thema menschliche Bedürfnisse, Ressourcen und Fairness zu betrachten. Emanuel Tschumi ist ein Zürcher Grafiker, der für die Signaletik der Ausstellung verantwortlich war. Mit Klebeband wurden wegleitende Schriftzüge und Pfeilmarkierungen an die Wand geklebt. Daraus entstand eine Schrift, die für Ausstellungsplakate und -Broschüren verwendet wurde. Die Schrift wiederspiegelt nicht nur die temporäre Umnutzung der Halle sondern auch die zeitlich limitierte Dauer der Ausstellung. [ 26 ] Vgl. Emanuel Tschumi (2007)

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Abb. 64 – 69: Die Bieler Grafikerin Barbara Ehrbar – superbüro – gestaltete für die Bieler Fototage 2007 ein Leitsystem, dass ähnliche Charaktereigenschaften aufweist. Das Leitsystem kommuniziert durch seine Piktogrammvielfalt eine Lebhaftigkeit ähnlich wie Ruedi Baur‘s Pfeilmarkierungen auf den Textilstreifen. Im Gegensatz zur Expo.02 sind hier die Leitsymbole direkt auf den Boden angebracht worden.

Das Betreten der Markierungen aber auch Regen und andere Einflüsse hinterliessen Spuren. Irgendwann waren die Leitsymbole verschwunden. Wiederum wird bewusst ein Bezug zur zeitlichen Begrenzung der Fototage gemacht. [ 25 ] Vgl. superbüro (2007)

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Abb.70: Vermischung von lateinischen Schriftzeichen mit denen anderer Kulturen.

Abb.71: Raumbeschilderung in der CitĂŠ Internationale Universitaire de Paris.

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Typ 6

Cité Internationale Universitaire de Paris Ort: Paris Jahr: 2004 Zweck: Gebäudeanschriften & Leitsystem Narratives Stilmittel: Kombination verschiedener Schrift­ zeichensätze

[ 5 ] Baur, R. (2010) S. 72

Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte die Gesellschaft einen Willen des Friedens und der Versöhnung. Es entstand das Bedürfnis, gemeinsam Ziele zu erreichen. Nach diesem Motiv wurde die Cité Internationale Universitaire de Paris konzipiert. Auf dem Areal sind Einrichtungen und Institutionen zu finden, die von Menschen aus verschiedenen Ländern geführt werden. [ 5 ]

Ruedi Baur’s Ansatz Das Leitsystem für die internationale Studentenstadt soll also den Charakter dieser Internationalität aufnehmen und eine einladende Botschaft ausstrahlen. [ 4 ] Vgl. Baur, R. (2001) S. 382

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André Baldinger gestaltete für Ruedi Baur einen Font, der diese Multikulturalität anspricht. Der Font basiert auf der Schrift Amb Newut, die ebenfalls von André Baldinger entwickelt wurde. Das Spezielle an der Schrift für die Cité Internationale ist, dass sie sich Schriftzeichen anderer Kulturen bedient und diese in das lateinische Alphabet einbaut Abb. 70 – 71. Zusammen mit einer vorgegebenen Farbpalette können die Institutionen selbst die Gestaltung der Kommunikationsträger in die Hand nehmen. Für Ruedi Baur ist dieses Projekt ein Erfolg. Seit sechzehn Jahren besteht die Signaletik und wird auch fortlaufend von der Cité Internationale Universitaire de Paris weiterbenutzt und für neue Gebäude angewendet. [ 4 ] Mittlerweile sollte das Leitsystem der Cité Internationale Universitaire de Paris renoviert werden. Denn «Signaletik hält nicht ewig», betont Ruedi Baur. Die Meinungen spalten sich jedoch, ob eine Renovation ausreicht oder ob eine neue Lösung erforderlich wird. Ruedi Baur hat das Glück, dass der Denkmalschutz hinter ihm und seiner Arbeit steht. Bei vielen sei jedoch der Wille nicht vorhanden, finanzielle Mittel in Pflege und Unterhalt von Signaletikprojekten zu investieren. Obwohl Signaletik ähnliche

Ansprüche wie die Architektur verlange, sei dieses Denken noch nicht in der Kultur verankert, meint Ruedi Baur.

Kritische Auseinandersetzung Auch in diesem Projekt fasziniert mich Ruedi Baurs Umgang mit der Typografie. Das Vermischen von Schriften unterschiedlicher Kulturen ergibt ein abwechslungsreiches aber dennoch zusammenhängendes Gesamtbild.

Ich bin jedoch der Meinung, dass dieses Gesamtbild sehr unruhig erscheint. Die verschiedenen Buchstabenformen stechen unterschiedlich stark hervor. Die bunte Farbpalette macht die Signaletik zwar sehr lebhaft aber auch nervös. In mehreren Fällen stört sie die architektonische, teils klassizistische Umgebung.

Ein Konzept zu erarbeiten, das die Benutzer selbstständig weiterverwenden können, sehe ich als spannende aber schwierige Aufgabe. Ruedi Baur und seinem Team gelang diese Herausforderung sehr gut. Das Leitsystem existiert bereits seit sechzehn Jahren und es werden immer noch weitere Anschriften angebracht.

Die narrative Ebene des Projektes überzeugt stärker als die visuelle. Ruedi Baur vermittelt Weltoffenheit deutlich und aus eigenem Wille. Dabei spricht er einen historischen Kontext an, der von Hass und Krieg geprägt ist. Im Gegenzug funktioniert sein Projekt als Willkommensgruss: Menschen aus aller Welt fühlen sich sofort aufgenommen. Ich glaube, dass es Ruedi Baur gelang, die Betrachter auf einer emotionalen Ebene anzusprechen.

Kommunikative Leistung Das Projekt basiert auf einem historischen, interkulturellen Kontext. Die Signaletik thematisiert nicht den Krieg, sondern vielmehr den Gedanken einer Gemeinschaft, die danach entstand.

Die kommunikative Zusatzleistung besteht aus der Weltoffenheit, welche die Buchstaben kommunizieren. Es werden alle Menschen aller Kulturen willkommen geheissen. Gleichzeitig sollen auch die Betrachter diese Philosophie erkennen und aufnehmen.

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Abb. 72 – 77: Auch das Robert Bosch College in Freiburg ist eine Schule mit Studierenden aus der ganzen Welt.

Genau an diese Studenten richtet sich das Signaletikkonzept von Gourdin & Müller. Das Leitsystem funktioniert mehrsprachig.

Dabei wird auf Englisch, Deutsch und einer wechselnden dritten Sprache kommuniziert. Diese dritte Sprache bezieht sich auf die Herkunftsländer der Studierenden. Die Gestalter Gourdin & Müller sagen, sie sehen die Beschilderungen als Willkommensgeste. Sie sollen den Studierenden ein Stück Heimat in die neue, fremde Umgebung bringen.

Ich finde, die Anschriften erscheinen sehr unauffällig. Die Botschaft, die sie vermitteln, ist jedoch sehr stark. Anders als bei der Cité Internationale Universitaire de Paris werden nicht Buchstaben verschiedener Alphabete gemischt, sondern jede Sprache hat einen eigenen Font und eine eigene Struktur. [ 10 ] Vgl. Gourdin & Müller (2004)

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Abb.78: Plakatgestaltung für die Manifesta 2016. Illustrativ wird das Thema angeteasert: «What People Do For Money». Hier kommt das Konzept der urbanen Szenografie gut zum Ausdruck. Die Grafiken interagieren mit Bewohnern und Passanten im öffentlichen Raum.

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Typ 7

Manifesta Ort: Jahr: Zweck: Narratives Stilmittel:

[ 19 ] Vgl. Persönlich (2016)

Zürich 2016 Erscheinungsbild & Leitsystem Illustrativ , grafischer Stil

Die Manifesta ist die europäische Biennale für zeitgenössische Kunst, welche im Jahr 2016 in Zürich statt fand. Für die elfte Ausgabe der Manifesta entwickelte Ruedi Baur ein Kommunikationssystem zum Thema «What People Do For Money». Leitmotiv bildeten die Fragestellungen des Kurators Christian Jankowski: «Was ist der Bezug eines jeden Individuums zu ihrem/seinem Beruf?» oder «Wofür arbeiten wir, wenn nicht für Geld?». [ 19 ]

Ruedi Baur’s Ansatz [ 16 ] Vgl. NZZ (2014)

Auch in diesem Projekt werden soziale und kulturelle Fragen auf politischer Ebene thematisiert. Das Leitsystem für die Manifesta funktioniert als Hommage an Otto Neurath. Er war ein Soziologe der Zwanziger Jahre, der versuchte, die Gesellschaft zu analysieren. Otto Neurath ist für Ruedi Baur einer der wichtigsten Personen in Bezug auf Informationsdesign. Denn schon er stellte sich die Frage, wie man Kommunikation in Informationsdesigns integrieren kann. Otto Neurath’s Gedanken zu sozialen und kulturellen Fragen sind für Ruedi Baur von grosser Bedeutung. Viele von Ruedi’s Projekten sind von Otto Neurath’s Texten geprägt. [ 16 ]

[ 6 ] Vgl. Baur, R. (2017) S.102

In diesem Projekt wollte Ruedi Baur die Frage thematisieren, wie eine der reichsten Städte – Zürich – zum Thema Geld steht. So kommt es, dass jede Ausstellung von einer kleinen illustrativen Geschichte begleitet wurde, die sich in der Stadt Zürich abgespielt habe. Er bemerkte, dass viele interessante Situationen aus dem alltäglichen Leben nie Teil unserer Kommunikation darstellen. Beispielsweise werde nie ein Bettler in Informationsdesign gezeigt. Deshalb legte Ruedi Baur bewusst den Fokus auf solche Geschichten. Er findet, dass genau solche illustrative Erzählungen das Erscheinungsbild der Manifesta auszeichnen. [ 6 ]

55

Ruedi Baur erklärt, wenn nur eine Figur abgebildet sei, handle es sich um ein Piktogramm. Stossen hingegen zwei oder mehre-

re Figuren aufeinander, werde eine Geschichte erzählt Abb. 79 – 81.

Gleichzeitig entstehe eine soziale Verbindung zur Betrachterin und dem Betrachter. Man frage sich, in welcher Rolle man selbst stecke: In der des Reichen oder in der des Bettlers?

Kritische Auseinandersetzung Ruedi Baur’s Lösung erschien fast wie ein eigenständiger, künstlerischer Beitrag der Kunstbiennale. Wie auch andere Künstler, sprach er auf seine eigene Art und Weise über das Thema. Ich finde es interessant, dass es Ruedi Baur nicht nur um die Signaletik geht. Er will auch politische Themen ansprechen und die BetrachterInnen zum Nachdenken anregen.

Die Illustrationen funktionieren als Aushängeschild für die Manifesta. Die BesucherInnen wurden schon im Voraus mit dem Thema konfrontiert. Der Schwerpunkt der Kunstbiennale wird angeteasert. Die Illustrationen zeigen eine grosse Bandbreite an alltäglichen Tätigkeiten. So werden sich viele mit den Illustrationen identifizieren.

Die an den Wänden angebrachten Illustrationen machen die Orte lebendig. Durch ihre Grösse und ihren Charme sind sie unüberschaubar. Die Zeichnungen funktionieren teils humoristisch, andere sprechen eher ernste Themen an. Durch die Ästhetik der gezeichneten Motive, die konsequent in schwarz und weiss erscheinen, entsteht ein eigenständiges Erscheinungsbild. Egal wo man diese Illustrationen antrifft, man erkennt sofort den Zusammenhang zur Kunstbiennale Manifesta.

Kommunikative Leistung Bei der Signaletik für die Manifesta steht die Beziehung zwischen Arbeit und Geld im Vordergrund. Kommuniziert wird mit einer illustrativen, piktogrammähnlichen Sprache. Ruedi Baur spricht in diesem Projekt soziale und kulturelle Themen in Bezug auf Geld an. Es werden jedoch nicht einfach Geschichten erzählt. Durch die Vielfältigkeit der Inhalte werden die Besucher direkt angesprochen. Sie erkennen sich wieder in den Zeichnungen und werden in die Thematik einbezogen. Die Betrachter

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Abb.79: Plakatgestaltung für die Manifesta 2016.

Illustrativ wird das Thema angeteasert: «What People Do For Money».

Abb.80: Illustrationen für die Manifesta 2016. Durch das Abbilden mehrer Figuren entsteht eine soziale Beziehung von der einen zur andern. Alle Elemente waren schwarz-weiss und auffällig im öffentlichen Raum, an Wänden und Fassaden montiert.

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Abb. 81: GegenĂźberstellung von Personen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen.

Abb. 82: Auch Tabuthemen werden in den Illustrationen angesprochen.

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sollen sich bewusst werden in welcher sozialen und finanziellen Position sie sich befindet. Was ist mein Bezug zu Geld?

Die Illustrationen, die die Manifesta wiederspiegeln, erscheinen beinahe als eigenständiger Beitrag der Kunstbiennale. Es entsteht eine Schnittstelle zwischen der grafischen Sprache und der Kunst.

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Abb. 83 – 87: Die Signaletik im Stadttheater Solothurn kommuniziert mit einer ähnlichen visuellen Sprache.

Vier raumhohe Illustrationen verschönern das Gebäude und dienen gleichzeitig der Orientierung. Die Zeichnungen funktionieren als visuelle Reaktion auf die barocken Brüstungs­malereien des 18. Jahrhundert, die sonst im Stadttheater Solothurn anzutreffen sind.

Auch in diesem Beispiel entsteht eine Schnittstelle zwischen der Signaletik und der Kunst. [ 7 ] Vgl. Bivgrafik (2015)

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Abb. 88 – 93: Das Projekt der Büro4 AG – Gestaltung + Kommunikation für die Siedlungsgenossenschaft Eigengrund in Zürich funktioniert ebenfalls nach dem Prinzip des «Involvement».

Das Projekt soll auf eine sympathische Weise die Hausordnungen vermitteln.

Die Absicht ist es, dass die Betrachter ihr Verhalten in den Illustrationen wiedererkennen und sie so in ihrem Tun beinflussen. Neben Beschilderungen entstanden auch diverse Printprodukte, die auf die Hausordnungen aufmerksam machen sollen. [ 9 ] Vgl. Büro4 (2020)

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Abb. 94 – 99: Die Signaletik auf dem Strickler-Areal erzählt von Frau Strickler, die das Grundstück der Gemeinde Horgen vermachte.

Das Leitsystem wurde von der Designagentur Pikka gestaltet.

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4

Fazit Signaletik wird dann spannend, wenn sie nicht nur funktional ist. Aus diesem Grund wählte ich das Thema narrative Signaletik. Als ich begann mich einzulesen, merkte ich schnell, dass wenig Literatur zu diesem Thema vorhanden ist. Man findet diverse Texte über den Umgang und die Planung von Signaletiksystemen. Man findet Sammelbücher, die unterschiedliche Leitsysteme vorstellen. Aber Bücher, die lediglich die narrativen Zusatzebenen thematisieren gibt es kaum.

[ 20 ] Vgl.Pikka (2017) [ 28 ] Vgl. WBG (2013)

Meine Mentorin Agnès Laube machte mich auf Arbeiten von Ruedi Baur aufmerksam. Schnell war klar, worauf meine Arbeit aufbauen wird. Die Auswahl der Projekte, die die Grundlage meiner Arbeit bilden, sind bewusst gewählt. Sie erzählen alle unterschiedliche Inhalte. Trotzdem finde ich, dass nicht alle Typen narrativer Signaletik mit dieser Auswahl abgedeckt sind. Beispielsweise in Bezug auf meine Praxisarbeit, nimmt kein Projekt von Ruedi Baur direkten Bezug auf die Geschichte eines Ortes.

Ein historischen Bezug zum Ort schafft das Projekt der Pikka GmbH für das Strickler Areal. Dabei funktioniert die Signaletik als Hommage an Frau Strickler, die 1981 das Grundstück der Gemeinde Horgen vermachte, damit diese darauf ein Alterswohnheim bauen konnten Abb. 94 – 99. Hierbei ist auch das Projekt von WBG – Visuelle Kommunikation für die ETH Zürich zu erwähnen Abb. 100 – 103 . Bei diesem Projekt werden Wissenschaftler auf den Stelen abgebildet. Zusätzlich wurden die Wege nach ihnen benannt. Die Signaletik erscheint in einem geschichtlichen Kontext und schafft auf diese Weise einen Bezug zum Ort. [ 20 ][ 28 ]

[ 14 ] V gl. Laube, A. und Widrig, M. (2016) S. 120

Ein weiteres Projekt, das zu keinem der erwähnten Typen passt, und ich trotzdem als wichtigen Teil meiner Arbeit sehe, ist das Werkheim Uster. Dieses Konzept wurde von HI – Visuelle Gestaltung entwickelt. Die Signaletik weist dabei eine enabling-Funktion auf. Die Bewohner des Werkheims repräsentieren sich in der Signaletik, denn sie sind diejenigen, die die Beschilderungen in die Praxis umgesetzt haben Abb. 104 – 109. Die Grafiker lieferten dazu einen ausgeklügelt designten Baukasten, der in der internen Siebdruckwerkstatt bedruckt werden konnte (z.B. mit Protraits von BewohnerInnen). Die Erst- bzw. Grundbeschriftung übernahm das Büro. [ 14 ]

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Auf der Suche nach Referenzprojekten bin ich auch über Projekte gestolpert, die über narrative Eigenschaften verfügen, jedoch in keinem Kontext zum Gebäude oder dem Nutzer stehen. Die Signaletik für den westpark äussert sich mit Spielereien zu den Himmelsrichtungen. Jürgen X. Albrecht arbeitet hier mit einer Metapher die sich nicht kontextualisieren lässt. Diese Art von Signaletik könnte für viele Gebäude funktionieren Abb. 110 – 114. [ 1 ]

[ 1 ] Vgl. Vgl.Jürgen X. Albrecht (2002)

Zudem wurde deutlich, dass die Typen sich oft nicht klar voneinander abgrenzen lassen. Oft teilen die unterschiedlichen Typen Aspekte auf der narrativen Zusatzebene. Im Rahmen dieser Arbeit konnte die Bandbreite narrativer Signaletiktypen nicht in der nötigen Breite und Tiefe aufgearbeitet werden. Dafür braucht es weiterführende Studien.

Viele Projekte, die als Ausgangslage dienen, sind bereits relativ alt. Zudem weisen sie eine ähnliche Ästhetik auf – sie tragen alle Ruedi Baur’s Handschrift. Ich finde, den Vergleich zu anderen Projekten von anderen Grafikerinnen und Grafikern, reichert meine Arbeit an. Es werden andere Ansichten, Herangehensweisen und Ästhetiken gezeigt.

Das Ziel meiner Praxisarbeit ist es, ein Signaletiksystem für das Kochareal in Zürich zu gestalten. Es stellt sich die Frage, welche narrativen Inhalte ich mit meinem Leitsystem vermitteln möchte. Gehe ich auf die Geschichte des Areals ein? Oder verfolge ich einen eher kollaborativen Ansatz und erarbeite gemeinsam mit den Bauträgern und den zukünftigen BewohnerInnen ein neuartiges Konzept, das stetig weiterwachsen kann? Diese Frage steht am Anfang meines Praxisprojektes. Ich möchte mich auch mit den Protagonisten rund um das Areal austauschen: mit den BesetzerInnen, den Projektentwicklern, aber auch mit der Stadt.

Es machte mir grosse Freude mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Oft war mein Weg – aufgrund der fehlenden Theorie – sehr schwierig. Dennoch habe ich den Eindruck, ich konnte für mich neue Inhalte erschliessen, die mich beim Praxisprojekt unterstützen. Ich bin mir jedoch bewusst, dass dieses Thema noch lange nicht ausgelotet ist. Es gibt noch diverse weitere narrative Signaletiktypen die auf unterschiedlichste Weise kommunizieren.

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Abb. 100 – 103: WBG –Visuelle Kommunikation gestaltete für die ETH Zürich ein Leitsystem, dass ehemaligen Wissenschaftlern der Hochschule gewidmet ist.

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Abb. 104 – 109: Bei der Signaletik des Werkheim Uster, erhielten die Bewohner die Möglichkeit, das Konzept von HI – Visuelle Kommunikation in die Praxis umzusetzen.

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Abb. 110 – 114: Die Signaletik des westparks erzählt von den vier Himmelsrichtungen. Die Signaletik weist narrative Züge auf, diese stehen jedoch in keinem näheren Kontext zum Gebäude oder deren Nutzer.

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68

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6 Bilderverzeichnis Abb. 1

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Abb. 2

on-Roll-Areal Bern (2013) V Quelle: https://secondfloorsouth.com/seiten/vroll.html

Abb. 3

lughafen Charles de Gaulle Paris (1968) F Quelle: https://www.eguide.ch/de/objekt/1879/

Abb. 4

ernaqua (2008) B Quelle: https://photos.gisela-graf.com/DETAIL/Edition-DETAIL/ DETAIL-Special/Signaletik/i-kfg6fTm/A

Abb. 5

uedi Baur (2013) R Quelle: http://www.folkwang-heterotopia.de/reudi_baur/

Abb. 6

rand Paris Express (2020) G Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/138

Abb. 7 – 12

rand Paris Express (2020) G Quelle: https://www.culture-grandparisexpress.fr/ recherche?utf8=✓&search=artist

Abb. 13 – 14

rand Paris Express (2020) G Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/138

Abb. 15 – 20

indergarten Dornbirn (2017) K Quelle: https://www.architektur-online.com/magazin/signaletik-als-identitaet

Abb. 21

cole des Beaux-Arts de Paris (2007) É Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/46

Abb. 22

cole des Beaux-Arts de Paris (2007) É Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/69

Abb. 23 – 27

eue Volksschule Brünnen (2016) N Quelle: https://www.kong.ch

73

Abb. 28 – 33

ew School New York USA (2016) N Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/128

Abb. 34

lbphilharmonie Hamburg (2017) E Quelle: https://www.kulturlotse.de/ort/elbphilharmonie-hamburg-6783757658449285814

Abb. 35 – 36

lbphilharmonie Hamburg (2017) E Quelle: https://evaplass.de/projects/elbphilharmonie/

Abb. 37 – 42

adiologische Praxis Stuttgart (2007) R Quelle: https://www.uebele.com/de/projekte/orientierungssystem/radiologische-praxis.html#7

Abb. 43 – 38

erwaltungsgebäude der Zürcher Kantonalbank (?)

V Quelle: https://www.j-x-albrecht.de/zuercher-kantonalbank-zkb. html

Abb. 49

inémathèque Francaise Paris (2005) C Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/48

Abb. 50

inémathèque Francaise Paris (2005) C Quelle: https://www.flickr.com/photos/paspog/2138460740/

Abb. 51 –56

édiathèque André Malraux Strassburg (2009) M Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/85

Abb. 57 – 58

xpo.02 (2002) E Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/37

Abb. 59 – 63

ll We Need – eine Ausstellung über Bedürfnisse, Ressourcen A und Fairness /2007) Quelle: http://www.emanuel-tschumi.ch/mobilepagingfilter. html?&filter=SignaletikAusstellungen

Abb. 64 – 69

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Abb. 70 – 71

ité internationale universitaire de Paris (2004) C Quelle: https://www.irb-paris.eu/projet/index/id/21

Abb. 72 – 77

obert Bosch College Freiburg (2004) R Quelle: http://www.gourdin-mueller.de/leitsysteme?prj=75

Abb. 78

Manifesta (2016) Quelle: https://essence.sgv.ch/project/manifesta-11/

Abb. 79 – 80:

anifesta (2016) M Quelle: https://thespaces.com/manifesta-11-witty-graphics-guide-visitors-around-zurich-art-biennial/6/ https://essence.sgv.ch/project/manifesta-11/

Abb. 81 – 82

anifesta (2016) M Quelle: https://thespaces.com/manifesta-11-witty-graphics-guide-visitors-around-zurich-art-biennial/2/

Abb. 83 – 87

tadttheater Solothurn (2015) S Quelle: https://bivgrafik.ch/de/signaletik/kultur/stadttheatersolothurn/?show_images=1

Abb. 88 – 93

iedlungsgenossenschaft Eigengrund (2020) S Quelle: https://buero4.ch/projekte/siedlungsgenossenschafteigengrund-zuerich/

Abb. 94 – 99

trickler Areal Horgen (2017) S Quelle: https://www.pikka.com/signaletik/strickler-areal

Abb. 100 – 103

TH Zürich (2013) E Quelle: https://www.wbg.ch/projekt/93/eth-zuerich

Abb. 104 – 109

erkheim Uster (2016) W Quelle: Agnès Laub

Abb. 110 – 114

estpark Zürich (2002) w Quelle: https://www.j-x-albrecht.de/westpark-zuerich.html

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7

Interview-Transkript Dominique: In Zürich gibt es das Kochareal, welches zurzeit besetzt ist. Dort gibt es ja einen riesigen Neubau und ich habe mir für die praktische Arbeit überlegt, dass es spannend wäre, ein Signaletikprojekt zum Kochareal zu machen und dabei die Geschichte dieses Ortes mit der Besetzung aufzunehmen. Anschliessend habe ich das Gespräch mit Jimmy gesucht und er hat mir Agnès empfohlen. Dann habe ich Agnès geschrieben. Sie meinte dann, du willst über narrative Signaletik schreiben und ich hatte in diesem Moment diesen Begriff noch gar nie gehört.

Sie war sehr motiviert mich zu mentorieren und anschliessend kamen wir sehr schnell auf dich, weil du eine riesen Sammlung an solchen Projekten hast.

Dominique: Ich habe dann ein paar Sachen über dich gelesen: Du hast die Ausbildung zum Signaletiker gemacht aber dich dann wieder davon distanziert für eine Zeit.

Ruedi: Es hat zwei Momente gegeben. Ich habe eine gesamte Grafik-Ausbildung gemacht und war anschliessend bei Theo Balmer ungefähr zwei Jahre. Und bei Theo Balmer hat man relativ klassische Signaletik gemacht und das habe ich dann irgendwann nicht mehr so interessant gefunden und wurde dem gegenüber auch ein wenig kritisch. Ich bin dann wieder in die Problematik von Identifikationen von Stadtteilen reingeraten. Wie differenziert man einen Stadtteil, wie benennt man ihn? Wie bringt man einen Stadtteil dazu, sich zu differenzieren von dem was rundherum ist. Signaletik ist da ein gutes Mittel. Und heutzutage sucht man mich im Bereich der urbanen Szenografie. Es geht dabei um Sonderlichkeiten von Örtlichkeiten zu setzen und es sind Mittel, die viel mit Corporate Design zu tun haben, im Sinne, dass man versucht, die Erkennbarkeit der Elemente in den Vordergrund zu stellen. Aber innerhalb von Sachen, die ganz unterschiedlich sein können. Dies kann Licht, Signaletik oder sogar Möblierung sein.

Dominique: Also ziemlich szenografisch.

Ruedi: Ja genau. Also zum Beispiel wie kann man ein Quartier als eine gesonderte Einheit wahrnehmen.

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Dominique: Dazu meine erste Frage: Was verstehst du unter klas-

sischer und narrativer Signaletik?

Ruedi: Ich glaube das englische Wort wayfinding entspricht der Signaletik. Es geht darum einen Weg zu finden und den Mensch bis zu diesem Ort zu führen. Das hat sein Limit. Ich kann dir sagen, wie ich das gelernt habe. Ich habe bei Theo Balmer ganz klar gelernt, man muss zuerst versuchen einen Mediator zu haben.

Das ist ein Schild, das ist ein Hintergrund, auf welchem man die Information hierarchisiert und am richtigen Ort für alle Benutzer darstellt. Für mich ist dies das Engineering der Orientierung.

Es geht darum zu sagen, man versteht wie sich die Menschen bewegen und man hilft ihnen, an einen Ort zu kommen. Dies kann manchmal ganz wichtig sein. An einem Flughafen ganz wichtig und in einem Spital auch nicht unwichtig. In ganz vielen Situationen ist es eigentlich zweitrangig. Man kann Leute auch zu einem Ort führen, ohne eine Tafel hinzustellen.

Dominique: Das aktuelle Grossprojekt ist der Grand Paris Express.

Ruedi: Da könnte ich stundenlang sprechen. Dies ist ein Projekt, welches eigentlich nicht wirklich meiner Philosophie entspricht.

Erstens nennt man dies information des voyageur, eine Information der Reisenden. Das heisst es geht um die Information am Ort. Information, die man auditiv trägt und auch alles das, was man spürt. In diesem Kontext sind wir bei einer Stadtplanung, denn es geht um vier neue Linien, die kurzgesagt, Paris vergrössern.

Dominique: Massiv vergrössern. Sogar verdoppeln.

Ruedi: Paris ist eigentlich 1.2 Millionen, rundum sind ca. 12 Millionen. Es ist also ca. 1:10. Man geht nicht bis ganz hinaus, aber man geht relativ weit hinaus. Du hast also nicht unrecht zu sagen, dass es Paris sogar verdreifacht. Es ist nicht so, dass diese Linien nicht gewesen wären, aber diese waren alle radial. Das ist das erste Mal, dass man sagt man verbindet das Ganze. Dies heisst, dass man von einem zum anderen Banlieue kann. Dies heisst Stadt werden, und nicht nur Banlieue sein. Nicht nur rein-raus, sondern auch sich untereinander zu verbinden.

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Dominique: Was mich vor allem Wunder nimmt ist, dass jede neue Station mit Illustrationen von einem anderen Illustrator erscheint. Wie bist du und dein Team auf diese Idee gekommen?

Ruedi: Da kommt man ins Narrative. Die Idee kam von zwei Ebenen. Erstens die Analyse, dass die Banlieues ganz unterschiedlich sind, aber dass der Pariser sie eigentlich wenig kennt. Er kennt Versailles. Gewisse Banlieues kennt man. Andere kennt man nicht. Sie sind undifferenziert und man hat das Gefühl alle sind gleich. Man interessiert sich auch wenig dafür. Illustration hilft einerseits zu zeigen, wie sie sich unterscheiden, was von besonderem Interesse in einem Banlieue, was an einem anderen Ort nicht vorhanden ist. Dies entspricht einer Wertigkeit einer urbanen Situation, wo gleichzeitig ein Kreis macht und glaube ich an 39 Stationen hält. Dies gibt auch eine Wahrnehmung «ich bin da» für die einzelnen Banlieues. Es geht darum, eine vertikale Verbindung zu setzen, dass man unten spürt, was oben ist. Aber anstatt, dass man dies mit einer Schrift macht, haben wir entschlossen pro Station unterschiedliche Illustratoren zu verwenden. Wir sind zurzeit dran den Wettbewerb zu machen für Minimum zwei Teile, die bis 2024 aufgeben werden. Wir versuchen gute Illustratoren zu wählen, die jedes Mal eine andere Narration haben.

Weil diese Quartiere haben nicht viel bzw. keine Monumente zu bieten. Das heisst man muss in eine Narration gehen, die das Alltägliche zeigt. Das können auch kleine Geschichten sein.

Dominique: Es wird auch Kultur und Soziales angesprochen?

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Ruedi: Ja genau. Das ist schon etwas, was mich enorm interessiert und wo ich jedes Mal überrascht bin; wenn man sich mit was befasst, findet man hundert Geschichten. Die sind interessant.

Und es geht darum diese Geschichten zu veröffentlichen, zu teilen. Diese Geschichten zu teilen, heisst eine offizielle Geschichte zu schreiben. Dies ist für mich einer dieser Aspekte des Narrativen: die Sache zu situieren nicht nur durch ein Artifiz, welches man dazusetzt, sondern man versucht zu verstehen, was gewesen ist und wie es entstanden ist und was an Spezifik bleibt. Dies ist nicht immer einfach. Unsere moderne Gesellschaft ist sehr stark darauf aufgebau, dass immer das Neue dominieren muss. In deinem Prozess finde ich sehr interessant, dass es wahrscheinlich

etwas Neues gibt. Aber es gab den Moment, und dieser Moment muss präsent sein. Nicht nostalgisch. Für mich ist eine Richtlinie der Narration, dass man etwas aus der Vergangenheit nicht nur dafür verwendet, um sich daran zu erinnern, sondern um aufzuzeigen, welche Bedeutung diese Vergangenheit in unserer Gegenwart hat.

Dominique: Ich habe mich ja auch noch auf das Projekt Cinémathèque Francais konzentriert und dort geschieht ja genau das Umgekehrte. Dort ist die Signaletik eine bewusste Intervention auf die Architektur. Es geschieht ein starker Bruch der Geschichte dieses Ortes und die Signaletik soll vielleicht davon auch ablenken, dass da auch ein neuer Nutzen entstehen kann.

Ruedi: Es geht darum, dass dieser Ort aufgebaut wurde von einem amerikanischen Institut, das aber nie funktioniert hat. Von dem her ist es eigentlich eine Nicht-Geschichte. Von dieser NichtGeschichte bleibt eine enorme Spur. Die Architektur. Es geht nicht darum diese zu negieren, sondern diese neu zu bespielen.

Auch hier hat es narrative Elemente. An diesem Ort war anfangs interessant – heute ist dies nicht mehr präsent – der Gedanke, dass man von den verschiedenen Aktivitäten, die in diesem Haus stattfanden, ausgegangen ist. Es hat ein Museum, ein Kino, eine Mediathek und andere Sachen. Man ist vom Wort ausgegangen und hat versucht dies zu illustrieren und anschliessend an den Ort zu bringen, wo es im Gebäude stattfindet. Es ist ein komplexes Gebäude. Wie kann man etwas aktivieren? Man aktiviert eine Médiathèque und so führt man dann die Leute zu dem Ort. Das ist das Konzept. Dies heisst jedes Mal, wenn du kommst bist du auch vis-à-vis von anderen Bildern, die deine Destination symbolisieren.

Dominique: Bei diesem Projekt ist spannend, dass jeder Wegweiser eine Projektion ist. So ist jeder Wegweiser ein Unikat. Ich habe mich gefragt, wie da deine Rolle aussieht. Du wirst da auch wieder zum Szenografen. Bist du da immer dabei?

Ruedi: Ich habe es mit einer Firma neuer Medien gemacht. Wir haben das Konzept zusammen erstellt und anschliessend entschlossen, bei welchen Subjekten es positioniert werden soll und

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dann war es eine grosse Montagearbeit, die die Firma übernommen hat.

Dominique: Hast du die Montagearbeit auch mitbetreut?

Ruedi: Ich habe sie mitbetreut, aber nicht jeden Tag. Ich denke, dass dieses Projekt ein bisschen zu früh war; technologisch gesehen. Heute würde man es mit viel Weniger Geld machen können. Man musste teure Projektor kaufen und waren an der Limite der Machbarkeit. Ich habe viel gelernt. Ich kann nicht sagen, dass dies ein Projekt ist, welches in der Dauerhaftigkeit positiv ist. Es war ein bisschen kurzfristig. So sehe ich manchmal meine Tätigkeit auch als Forscher. Das heisst dein Projekt im Zürcher Kochareal ist auch ein Experiment. Es ist auch nicht so schlimm, wenn es fünf Jahre dauert und anschliessend etwas anderes ist.

Dann ist vielleicht auch die Verbindung mit der Vergangenheit auch anders. Ich glaube nicht, dass es darum geht das Kochareal in den nächsten 200 Jahren zu vokalisieren. Dies wäre auch wieder eine Besetzung von Elementen. Wir sind zurzeit einer Übergangsphase, in einer Kippe zwischen dem einen Zeitpunkt und dem anderen. Und hier geht es darum das eine nicht zu vergessen. Dies finde ich extrem spannend. Das heisst Dauerhaftigkeit ja manchmal, und manchmal vielleicht auch nicht.

Dominique: Dies ist aber ja auch nicht schlimm.

Ruedi: Nein Dominique: Du hast auch das Erscheinungsbild und die Signaletik für die Expo.02 gemacht in der Schweiz. Und ich habe gelesen, dass Student von dir aus Leipzig alle die Illustrationen gezeichnet hat.

Ruedi: Es war ein Leipziger Student, der aus China stammte.

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Dominique: Das finde ich noch spannend und ich habe mich gefragt in deinen Büchern hast du immer das Team aufgelistet. Das sind zum Teil ellenlange Listen. Ich habe mich gefragt, wie da die Gruppenarbeit funktioniert. Von Anfang bis Schluss. Ob man da zusammen beginnt Konzepte zu entwickeln.

Ruedi: Also ohne jetzt das Ganze zu fest an mich zu ziehen aber es ist trotzdem so, dass ich hinter den Ideen und den Prinzipien stand. Manchmal gab es sogar Parallelitäten und das war genau ein solcher Fall als ich mit dem Leipziger Student an den Piktogrammen gearbeitet habe. Ich habe ihn in die Schweiz geschickt.

Wir hatten bereits vorher ein Experiment gemacht, wo der Student Leipzig gezeichnet hat. Aus dem hatte ich die Idee, dass wir dies unbedingt an der Expo.02 machen. Und parallel war das Team in Paris. Und irgendwann hat sich das dann getroffen. Es waren 2, 3 oder sogar 4 Quellen die gleichzeitig daran waren. Dies aber hinter einem Konzept, das für mich das Gleiche war. Es ging dabei darum, wie hierarchisiert man die Situation der Expo.02.

Die Expo.02 war vor der Eröffnung extrem kritisiert in der Presse.

Dominique: Zu teuer?

Ruedi: Zu teuer und man hat sie verkleinert, dann wurde wiederum kritisiert, dass nichts davon bestehen bleibt. Alle waren desesperé. Ich bin in Frankreich nicht wirklich in den täglichen Informationen gewesen. Ich habe einfach die Resultate gesehen ca. 9 Monate vor der Eröffnung. Die Eröffnung war ziemlich toll. Was ich werten wollte war eindeutig die enorme Möglichkeit, dass Festliche auch. Und auch ein bisschen Kritik gegenüber den Architekten, die sehr viel dauerhafte Architektur gemacht hatten, welches nicht das Festliche dargestellt hat. Ich wollte das Ganze ein bisschen auflockern. Es ging dabei wiederum auch um eine Narration, um eine mehrfache Narration. Einerseits was passiert überhaupt, was kann ich sehen. Das waren die Bänder, die die Leute von den Bahnhöfen zu den Veranstaltungen geführt haben.

Und andererseits wie muss ich mich verhalten bzw. was kriege ich als Service. Dies waren zwei Sprachen, die wir extra aufgeteilt hatten. Das einte war die Suissitude, also was das Schweizerische ist. Das andere war das Bedürfnis zu kommunizieren, es ist ein Fest, es ist nicht für ewig und es ist sehr viel. Dies waren so die zwei Sprachen.

Dominique: Dies war meine zweite Frage. Ich habe alle deine Projekte einem Typ Narration zugeteilt. Hier habe es als temporäre Intervention benannt. Wie bist du auf das gekommen? Dies ist genau das Festliche, welches zeitlich begrenzt ist.

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Ruedi: Dies ist eine Klassifikation, die ich auch in meinen Ordner habe. Es gibt territoriale, urbane Projekte wie Grand Paris Express oder ein Park, ein Quartier. Dies ist im öffentlichen Raum, und es hat Architektur. Und es gibt auch eindeutig die temporären Projekten. Manchmal mischt sich dies aber auch. Auch bei Grand Paris Express beschäftigt man sich damit, was das Temporäre innerhalb einer Signaletik ist.

Dominique: Ich finde, dass auch die École des Beaux-Arts de Paris eine spannende Narration hat. Du hast einen Font entwickelt, der digital und analog funktioniert. Du hast auch geschrieben, dass es die Studierenden zu freiem Umgang in der Gestaltung animieren soll. Ich habe dies Signaletik als Impuls genannt, weil es einen Einfluss auf die Betrachtenden haben soll.

Ruedi: Es gibt Projekte, die weitergegangen sind und andere, die relativ schnell zu Ende gegangen sind. Was man merkt, wenn ein Erscheinungsbild zu expressiv ist, haben die Leute Schwierigkeiten dies an sich zu nehmen. Beaux-Arts war zum Beispiel nicht wirklich ein Erfolg.

Dominique: Schon?

Ruedi: Das hat so 5–6 Jahre bis zum nächsten Direktor gut funktioniert. Aber man hat gemerkt, dass die Künstler, die beteiligt waren, es nicht an sich genommen haben. Es ist von der Kommunikationsabteilung her enorm gut passiert. Aber mein Ziel ist es immer zu sagen, man teilt etwas. Man teilt eine Sprache.

Man schafft es, zu differenzieren, dadurch dass nicht alle gleich sind, aber die gleiche Sprache sprechen. Das ist etwas Verflixtes. Da hatte ich ein paar Misserfolge. Im Moment ist nach mir die Schrift ein sehr wichtiger Faktor, weil es etwas ist, dass man braucht, und was zu einer Ästhetik führt, ohne dass dies vorgesehen war. Das kennt man als Typograf. Aber auch wenn du nicht Grafiker bist, hat man Resultate, die erkennbar sind.

Dominique: Was sind andere Projekte, die in dieser Richtung gehen?

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Ruedi: Wir haben beispielsweise jetzt eine Universität bearbeitet

– ich kann dir das Buch geben – in diesem Buch habe ich die Theorie des Erscheinungsbildes beschrieben. Es geht um eine Universität in Strasbourg. Dort haben wir versucht, den Gedanken «wie kann man eine Sprache teilen» auf der ganzen administrativen Ebene zu experimentieren. Das heisst wie geht man mit dem Schriftzug um, und wie gibt man Tools für alle zur Benutzung zur Verfügung, wobei jeder trotzdem genügend Marge übrighat, um seine eigene Identität in etwas reinsetzen zu können. Man merkt einfach sehr oft, wenn man ein Projekt beginnt ist man in einem Chaos. Jeder hat seine Sachen gemacht. Und wir reinigen, bis das System am Schluss nur noch eine Sache ist. Rein autoritär und unbefriedigend für viele Leute. Wie kann man so ein Zwischenpol haben, dass es trotzdem in Synergie ist, aber wo jeder einzelne seine Eigenschaft darin entwickeln kann. Das ist das theoretische Ziel, von dem was ich im Corporate Design versuche zu entwickeln.

Dominique: Ich habe mir auch noch die Cité International Universitaire de Paris notiert. Dort hat Typografie auch einen hohen Stellenwert. Dies spricht auch wieder kulturelle und politische Themen an. Das Projekt funktioniert auch als Einladung, weil es eine weltoffene Haltung widerspiegelt.

Ruedi: Absolut. Das ist auch ein Projekt, dass bald 20 Jahre alt ist. Es ist interessant, weil man es eigentlich renovieren müsste.

Denn Signaletik haltet nicht 100 Jahre. Nun ist die Frage, ob der Spirit noch getragen wird.

Dominique: Der Spirit ist ja recht historisch bedingt?

Ruedi: Der ist historisch bedingt, also lang historisch.

Dominique: Ausgehend vom Ersten Weltkrieg.

Ruedi: Ausgehen vom Ersten Weltkrieg. Er hatte eindeutig seine Funktion gehabt und diesen Ort stark geprägt. Es ist immer schwer, weil so etwas auch veraltet und dann immer weniger faszinierend wird. Es braucht einen intelligenten Ansatz, um es wieder neu zu gestalten, ohne dass wieder wirklich neu machen zu müssen, sprich etwas ganz anderes daraus machen zu müssen.

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Wir befinden uns genau in dieser Phase im Moment. Es ist eine neue Direktorin, die nicht speziell sensibel mit der Sache umgeht.

Und was sehr komisch ist, dass jetzt der Denkmalpfleger meine Arbeit schützt. So als hätte sie bereits jetzt historischen Wert.

Dominique: Du hast auch geschrieben, dass dieses Projekt am Kunden – der Universität – übergeben worden ist und dass sie die Möglichkeit selbst hatten anhand des Fonts und der Farbpaletten die Tafeln selbst zu entwickeln.

Ruedi: Ich muss sagen, Cité International kann man als Erfolg ansehen. Es hat 20 Jahre funktioniert. Man sieht auch, die neuen Häuser wurden adaptiert. Es funktioniert. Ob es in 20 Jahren noch funktionieren wird, bin ich mir nicht so sicher. Diese Projekte brauchen einfach von Seite des Auftraggebers den Willen, Geld dort reinzustecken und dies zu pflegen und dies weiter zu dynamisieren. Wie man auch eine Architektur pflegen muss. Dies ist noch nicht überall in der Kultur verankert.

Dominique: Dass man diesen Anspruch hat?

Ruedi: Dass man diesen Anspruch hat. Das Projekt hat man extra in Zement gemacht und nur ein Seite angemalt im Sinne, dass man es wieder übermalen kann und neu definiert. Es ist im Moment genau die Diskussion, ob dies gemacht wird.

Dominique: Du hast erwähnt, dass die Zusammenarbeit mit der neuen Direktion sei nicht immer einfach gewesen. Sie seien nicht wirklich so motiviert. Bei der Elbphilharmonie in Hamburg ist ja Herzog & de Meuron. Wie hat dort die Zusammenarbeit funktioniert?

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Ruedi: Das ist immer ein Dreieck bei der Signaletik. Wir werden oft von den Architekten geholt. Der Prozess ist oft so, dass der Architekt vor uns aufhört und wir dann alleine mit dem Auftraggeber sind. Manchmal funktioniert es auch gut, dann kann es auch weitergehen. Signaletik ist nicht wie Architektur. Es ist etwas, was man viel kurzlebiger pflegen muss und anschliessend auch wieder dynamisieren muss. Es hat schon auch Teile der Signaletik, die für immer sind. Aber Türschilder muss man wechseln,

usw. Es ist etwas, das ständig im Prozess ist.

Dominique: Oft sind es also noch immer zwei Facetten, die aber auch eine sein könnten?

Ruedi: Ja, ja, klar. Die Frage der Qualität dieses Dreieck ist eine extrem wichtige Frage. Was ist der Status der Grafik gegenüber der Architektur, kann sich das genügend distanzieren und die eigene Logik reinbringen. Und die Logik der Grafik ist nicht zu sagen, dass ich ein Schlüssel übergebe, und anschliessend ist man auf sich alleine gestellt, sondern es braucht viel mehr Begleitung.

Manchmal schafft man dies, und manchmal nicht. Manchmal ist das Geld dann auch bereits benützt. Wenn man eine Investition macht, hat man auch ein bisschen Geld und kann einen Grafiker beauftragen, der erstellt dann seine Konzepte. Die Frage ist aber anschliessend, wie viel Geld bleibt übrig, um das Ganze zu pflegen. Das ist eine effektive Gesellschaftsproblematik.

Dominique: Bei der Elbphilharmonie baut die Signaletik auf der Architektur auf. Die Zweiteiligkeit...

Ruedi: Es geht immer darum, eine gewisse Kontextualität hineinzuführen. Bei der Elbphilharmonie war es ein extrem langer Prozess. Wir haben ein bisschen gelitten unter der Verspätung – es gab ja 5 Jahre Verspätung. Wir wären parat gewesen, um die erste Saison zu machen. Alles war bereit um loszulegen, als es begann sich zu verspäten. Von dem her waren wir in der Präfigurationsphase, die dauerte dann aber fünf Jahre. Das hat die ganze Sache schwierig gemacht. Weil in der Präfigurationsphase waren wir nicht mehr involviert und sie haben es selbst gemacht, dadurch hat es auch an Qualität verloren. Wenn die Qualität verliert, ist es sehr schwierig, das Ganze wieder auf den Punkt zu bringen. Aber die Signaletik ist der Spiegel von dem, ist eindeutig zu sagen, man hat Informationen und ein musikalischen Ton, der beginnt und der sich weiterfügt. Das hat man versucht typografisch darzustellen.

Dominique: Das ist eigentlich auch die Narration, die der Betrachter verstehen soll.

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Ruedi: Oder auch nicht verstehen, spüren vielleicht. Es muss nicht alles verstanden werden. Man ist in einer Stimmung drin.

Vielleicht versteht man es nicht, aber die Stimmung ist da.

Dominique: Die Signaletik funktioniert als Sinnbild.

Ruedi: Das ist schon auch etwas, was eingängig war für diese UBahn-Projekt. Wie kann man sinnliche Bahnhöfe zu machen. Ich denke nicht, dass wir dies geschafft haben, weil dies vielleicht auch unmöglich ist oder besonders in Paris unmöglich ist. Aber das war die Philosophie, mit der wir das Projekt angegangen waren. Wir wollten diesem Ort eine gewisse Sensibilität geben, die er sonst nicht hat.

Dominique: Wärme?

Ruedi: Ja, Wärme. Es hat beispielsweise in der Métro in Paris immer Gedichte in den Zügen. Wenn es zu hart wird, schaust du die Gedichte an und bist dann irgendwo anders. Es ist also auch möglich, an so einem Ort zu sein und doch in meiner eigenen Kapsel zu sein. Oder auch ein paar Elemente zu finden, die mich halten trotz Härte der Situation.

Dominique: Ich bin auch noch über die Manifesta gestolpert. Das Thema war das Thema der Biennale «Geld».

Ruedi: Also es ist die Beziehung zwischen Arbeit und Geld. Was mache ich mit meinem Geld. Wie verdiene ich mein Geld. Ich müsste wieder herausfinden, was es genau war. Aber in diesem Sinne.

Dominique: Du gingst extrem illustrativ auf dieses Thema zu.

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Ruedi: Es war eine Hommage an Otto Neurath. Er war ein Soziologe, der in den 20er und 30er versucht hatte, die Gesellschaft zu analysieren. Das Thema hat mich interessiert, im Sinne zu versuchen zu verstehen, wie eine der reichsten Städte der Welt in der Beziehung Arbeit und Geld tickt. Das hat man als Kommunikation benützt. Kennst du das kleine gelbe Buch?

Dominique: Ja, das habe ich noch ausgeleiht.

Ruedi: Da haben wir einige gute Sachen gemacht. Aber es war auch ein wenig frustrierend, weil nach wie vor hatten wir nicht als Ziel gehabt, dies zu erklären, sondern es zu kommunizieren.

Eigentlich wollte ich anschliessend noch einen Schub darüberlegen und das war dann das gelbe Buch.

Dominique: Otto Neurath war eine Idee von dir?

Ruedi: Ja klar.

Dominique: Wie bist du auf ihn gekommen?

Ruedi: Er gehört zu den wichtigen Persönlichkeiten des Informationsdesigns würde ich sagen. Aber ich bin auch verheiratet mit einer Soziologin. Es ist schon Informationsdesign. Wie bringt man Kommunikation zu Informationsdesign und wie bringt man Kommunikation zu effektiver Narration und nicht zu einem Lallen, nicht nur zur Repetition. Es ist eigentlich immer das Gleiche.

Dominique: Bei der Manifesta sind es immer einzelne Geschichten?

Ruedi: In der Präsentation sieht man es gut. Man hat angefangen, die Figuren zu entwickeln. Dies auf Basis bzw. als Referenz zu Neurath, aber es musste gegenwärtig werden. Wenn man so eine Figur nimmt, beginnt man damit dessen Bewegung anzuschauen, dann ist man noch im Piktogramm. Erst wenn man eine zweite Figur setzt, hat man eine soziale Verbindung. Das war immer präsent. Es war immer eine Beziehung zwischen zwei Ebenen. Wenn es den Bettler gab, gab es den Reichen. Und wir haben versucht, dies nicht in Klischees zu setzen. In diesem Projekt habe ich verstanden, wie gewisse alltägliche Situationen eigentlich nie in der Kommunikation repräsentiert werden. Den Bettler gibt es beispielsweise nicht in der Kommunikation. Oder der Alte, der mit 10 Franken im Tag lebt. Das sind auch Narrationen. Denn sie sind Teil unserer Gesellschaft. Ich würde auch sagen, die Präsenz dieser Leute hat die Manifesta zu einer urbanen Realität gemacht.

Ich würde es nicht überschätzen, aber trotzdem.

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Dominique: Dies war noch meine letzte Frage. Dies sind gesellschaftliche und politische Themen, die angesprochen werden.

Ist dir ein persönliches Anliegen, dass dies thematisiert wird?

Hier fällt es extrem auf.

Ruedi: Ich benütze meine Aufträge, um andere Sachen zu machen.

Dominique: Zum deine Meinung kundzugeben?

Ruedi: Ja. Ob das meine Meinung ist oder auch nicht. Das letzte Projekt, welches wir vor zwei Wochen gemacht haben war an einem Ort, wo die letzte Kolonialausstellung stattgefunden hat.

Man hat daraus ein Projekt gemacht. Mich interessiert dabei, die Meinung darzustellen. Es gibt nicht nur eine Meinung dazu, sondern das Ganze ist kontrovers. Darum ist bei mir in der Narration die Frage extrem wichtig. Alle meine letzten Projekte basieren oft auf Fragen. Wir haben beispielsweise die Signaletik eines Gefängnisses gemacht und dabei ging es nicht darum, um zu sagen, wie die Geschichte war, sondern darum, das Ganze zu drehen und tausend Fragen zu stellen. Den Ort mit Fragen zu füllen. Dem Benutzer ermöglicht dies, seine Position zu entwickeln und dies nicht auf Basis eines Dogmas, sondern auf der Basis der Konfrontation.

Dominique: Dann bin ich auch schon durch. Herzlichen Dank.

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8 Appendix Ehrenwort

iermit erkläre ich ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende H schriftliche Arbeit selbstständig angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken und Aussagen sind als solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit wurde bisher weder einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt noch veröffentlicht.

Biel, 19.03.2020 Dominique Weijters

Dank Danke an

Ruedi Baur, Angela Bönzli, Agnès Laube, Ivo Schläpfer

Impressum

Mentorin

Agnès Laube

Typografie

uisse BP Neue (Swiss Typefaces) S Suisse BP Int’l (Swiss Typefaces)

© Dominique Weijters

BA Theoriearbeit

BA Visuelle Kommunikation

Hochschule der Künste Bern 2020

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