Nanotechnische Ideen in der Science-Fiction-Litera

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Roboter bauen Roboter Die größte Gefahr bei einer biologischen Waffe in Form eines programmierten Virus ist nicht der tödliche Verlauf einer induzierten Erkrankung bei einem Menschen oder einer umgrenzten Menschengruppe, sondern ist das mögliche unkontrollierte Übergreifen auf eine größere Population, schlimmstenfalls sogar auf die gesamte Menschheit. Viren sind eine Form von Leben, und Leben besitzt die Fähigkeit zur Vermehrung durch Reproduktion. Ein Virus ist fähig, sich in zwei gleiche Exemplare zu teilen, wovon jedes wiederum wachsen und dann den Vorgang wiederholen kann. Aus eins mach zwei mach vier mach acht mach sechzehn ... Solch geometrisches Anwachsen lässt eine zunächst kleine Menge immer schneller in gigantische Größenordnungen geraten, die nur noch vom benötigten Raum und von den vorhandenen Ressourcen begrenzt sind. Im Innern eines Menschen hört dieses Wachstum dann auf, wenn alles Biomaterial verwertet wurde; und wenn der Virus sich auf andere Menschen übertragen lässt, dann hört das Wachstum auf, wenn es keine Menschen mehr in erreichbarer Nähe gibt – oder es überhaupt keine Menschen mehr gibt, falls seine Vermehrung nicht durch gezielte Attacken anderweitig gestoppt werden kann. Die Science Fiction spielt solche Weltuntergangsszenarien meist nicht auf der biologischen Ebene, sondern auf der Ebene reproduktionsfähiger Maschinen durch: Stellen wir uns einmal vor, wir bauen einen autark agierenden, sich energetisch selbst versorgenden und mobilen Roboter, der genau zwei Funktionen erfüllt: Zum einen ist er eine Fertigungsmaschine für einen vorgegebenen Zweck, d.h. er zieht eine Mauer hoch, er drechselt einen Stuhl, oder er näht ein Herrenoberhemd; und zum zweiten stellt er Duplikate von sich selbst her, zu denen er sich auch die Materialien eigenständig beschafft. Die zweite Funktion hat der Konstrukteur deshalb eingebaut, weil die Herstellung unserer Maschine derart schwierig und zeitaufwendig war, dass er so etwas nur einmal machen wollte. Damit hat man gleichzeitig die perfekteste wie auch die schrecklichste Maschine hergestellt. Perfekt deshalb, weil ab sofort in wachsender Geschwindigkeit beliebig viele Mauern, Stühle oder Herrenoberhemden entstehen – an denen wird nie wieder Mangel herrschen. Doch gleichzeitig schrecklich, weil diese Maschine jegliche Menge an Metall oder Kunststoff oder Holz (oder aus was immer sie besteht) auf dieser Welt aufsuchen und unerbittlich zur Herstellung identischer Maschinen verwerten wird, die wiederum los-

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ziehen, um die Erde wie Heuschrecken leerzufressen, bis alles in diese perfekt-schrecklichen Maschinen verwandelt wurde. Ein Vorgang, der ein wenig an das Märchen vom süßen Brei oder an die Ballade vom Zauberlehrling erinnert – an die entsetzliche Szenerie eines Vorgangs, der nicht mehr aufzuhalten ist. Da diese Lebensform eines spezialisierten Roboters letztlich jedoch eine Sackgasse ist, weil nur ein einziger Maschinentyp übrigbleibt, dessen Zweck dann beendet ist, hat schon Stanisław Lem in seinem Roman »Der Unbesiegbare« explizit Spezialmaschinen von Universalmaschinen geschieden (Lem: Unbesiegbare, Seite 132 f.). Eine Maschine, die nur eine begrenzte Zahl von Funktionen besitzt, ist stets eine evolutionäre Sackgasse, da sie auch nur in begrenzten Umgebungen arbeitet und bei einem Ausfall eine andere Maschine benötigt, die sie repariert. Eine Maschineneinheit, die jedoch keine fest vorgegebenen Fähigkeiten besitzt außer zu lernen und sich anzupassen und sich zu vermehren, ist nicht nur allen Spezialmaschinen überlegen, sondern auch uns Menschen. Daraus folgt, dass wir Menschen auf der Erde nur deshab noch das Sagen haben, weil wir das bislang technologisch bessere Konzept der nicht spezialisierten Maschinenzellen noch nicht umgesetzt haben, sondern Maschinen stets für bestimmte Zwecke bauen. Mit der Methode der Universalmaschine lässt die Science Fiction Roboterzivilisationen wachsen, die dem Menschen mindestens Konkurrenz machen, im Ex­ tremfall sogar keinen Lebensraum mehr lassen wollen wie etwa in der »Berserker«-Serie (1967 - 2005) von Fred Saberhagen. Andreas Eschbach greift die Idee der Universalmaschine auf und entwickelt sie auf geniale Weise weiter: Bei ihm ist es nicht eine einzelne Maschine, sondern ist es eine Gruppe miteinander vernetzter Maschinen, von denen jede eine andere Grundfunktion ausübt (Eschbach: Herr, Seite 304 f., 317). Sobald diese Maschinen zusammenspielen (Eschbach: Herr, Seite 307 - 309, 318 - 322, 324 - 328, 334), entsteht das faszinierende (und ungemein lesenswerte!) Abbild eines autarken mechanischen Organismus, der im Makrobereich so agiert, wie wir uns die Arbeit von Nanoteilchen im Nanobereich vorstellen. Allerdings dämpft Eschbach sogleich die Euphorie möglicher Investoren in eine solche Technologie: Gäbe es diese Maschine, dann wäre sie das Ende aller industriellen Produktion, weil sie uns automatisch mit allem versorgt, was wir uns wünschen (Eschbach: Herr, Seite 340 f.). Es ist kein Geschäftsmodell, das Schlaraffenland herzustellen.


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