Susanne Hefti A. CV B. Regressive Architekturen, Dissertationsprojekt (seit 2018) 1. Wohlstandsagglomerationen (2022) 2. Pink Lady (2022) 3. Transformationsgedächtnis Stadt / Peripherie (2021) 4. Cascada Tasnan (2021) 5. Vermögenswerte im Stadtbild (2021) 6. Library (2020) 7. Skopje Walkie Talkie (2014-2019) 8. Lünstler (Poser IV) (2018) 9. Kosovo - A Truly Non-Affirmative Research (2017) 10. Poser - A Trilogy (2016)
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Susanne Hefti (*1984) lebt und arbeitet in Zürich. Sie ist derzeit Doktorandin am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur gta/ETH Zürich, wo sie über die vielfältigen Verflechtungen von Rechtspopulismus und Architektur in der Schweiz forscht. Sie hat bildende Kunst an der Zürcher Hochschule der Künste, Fotografie an der Folkwang Universität in Essen und der Aalto Universität in Helsinki sowie Journalismus an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften studiert. Hefti erhielt für ihre Arbeit mehrere Stipendien und Preise, u.a. das Grenzgänger-Stipendium und den Wüstenrot-Preis für Dokumentarfotografie. Im Jahr 2014 veröffentlichte sie ihr erstes Buch Peach im Kehrer Verlag. Ihr zweites Buch Skopje Walkie Talkie über populistische Rauminterventionen in Skopje ist 2019 bei Spector Books erschienen.
A. CV Ausbildung und Arbeitserfahrung seit 10.2018 ETH Zürich, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur gta, Doktorandin 2017–2018 Hochschule Luzern, Bachelorprogramm Kunst und Vermittlung, künstl. Assistentin 2016–2018 Institute for Cultural Studies in the Arts, ZHdK, wissenschaftliche Assistentin 2015–2017 Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, Zürich, Master of Arts Fine Arts 2010–2015 Folkwang Universität der Künste, Essen Bachelor of Arts Fotografie 2008–2010 Frenetic Films AG, Zurich PR- und Medienarbeit 2005–2008 Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW, Bachelor of Arts Journalismus/Kommunikation 2004–2008 Radio toxic.fm, St. Gallen, Redaktorin 2001–2003 Thurgauer Kantonalbank Sulgen Kaufmännische Ausbildung Ausstellungen (Auswahl) 2022 Typ und Reihe, SWB Siedlung Neubühl Tankkeller, Mosterei Egnach Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich Kunstkasten Winterthur 2021 Heimspiel, Kunsthaus Glarus, Kunst Halle SG Unfolding Cities, Galerie AFF, Berlin Kartografie, Erlkönig, Bremen Nolli Loop, 12 m2 normal ..., Al Vista, Zürich 2020 Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich Bildfenster, Kino Houdini DF 11/12, Wüstenrot Preis für Dokumentar fotografie, Haus am Kleistpark, Berlin 2019 Werkschau Thurgau, Kunstraum Kreuzlingen KAMERAS, Kunstnacht Kreuzlingen Konstanz The Voids, Museum Kulturspeicher, Würzburg 2018 The Voids, Museum Photographie, Braunschweig Swiss Art Awards, Basel Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich,
2018 Helmhaus, Zürich The Voids, Designhaus, Darmstadt 2017 Keine Zeit, Helmhaus, Zürich The Voids, Museum Folkwang, Essen MFA Degree Show, Toni Areal, Zürich 2016 Blicke Filmfestival, Kino Langendreer, Bochum Werkschau Thurgau, Neuer Shed, Frauenfeld 2016 In the Eyes of a Collector, Are you a Destroyer or a Voyeur, Galerie Palermo, Stuttgart /1/Oberfläche, Oxygen, Dortmund Firmness, Utility, Delight, LAF, Pforzheim 2015 AALUÄGÄ Books, Buchtour an Festivals Triennale der Photographie, Hamburg Woo me, Galerie ErsterErster, Berlin 2014 The Deal, Die Diele, Zurich BLICKБЛИК,Taiga, St. Petersburg (parallel event der Manifesta10) Neuer Essener Kunstverein, Belle Air, Essen Clap – Temporärer Raum, Essen 2013 Summer School, Finnish Museum of Photo- graphy, Helsinki Summer School, Vooninkisali, TR1, Tampere Mensch und Topografie, Emscherkunst, Oberhausen Unseen Photography Fair, Amsterdam Monografien 2019 2014
Hefti, Susanne & Kokalevski, Damjan. Skopje Walkie Talkie. Leipzig: Spector Books. Hefti, Susanne. Peach. Heidelberg: Kehrer.
Preise und Förderungen (Auswahl) 2021 2020 2019
Residency Fundaziun Nairs Residency im Experimenthaus, SWB Zürich Förderbeitrag des Kantons Thurgau Arbeitsstipendium der Stadt Zürich Stipendium der Kulturstiftung des Kantons TG Werk- und Atelierstipendium der Stadt Zürich Förderbeiträge Pro Helvetia Schweizer Kulturstiftung, Volkart Stiftung, Robert-Bosch- Stiftung und Literarisches Colloquium Berlin
2018 Förderbeiträge Pro Helvetia Schweizer Kul turstiftung, Stiftung Erna und Curt Burgauer, Gubler-Hablützel Stiftung Shortlisted für den Shizuko Yoshikawa-Preis Shortlisted für den Swiss Art Award 2017 Förderbeiträge Avina Foundation, Kulturstif tung des Kantons Thurgau 2015 Preis für Dokumentarfotografie der Wüs tenrot Stiftung Grenzgänger-Stipendium Robert-Bosch Stiftung und Literarisches Colloquium Berlin Shortlisted für den German Photo Book Award 2014 Förderpreis Fotografie, Internationale Boden seekonferenz 2014 Förderbeiträge Kulturstiftung des Kantons Thurgau, Volkart Stiftung Präsentationen und Beteiligungen (Auswahl) 2020 Jahresgaben, Neuer Essener Kunstverein Grenzgänger Festival, Berlin Plat(t)form, Fotomuseum Winterthur Buchpräsentationen, Neuer Essener Kunst verein, Pro Qm (Berlin), Art Genève Skopje Walkie Talkie, Vortrag TU München Comment le regard construit le lieu, autour de 5 villes en B, Diskussion, Forum d‘architec tures Lausanne 2019 Bildteil. Deceitful Habits in a Human‘s Soul, Michael Meier & Christoph Franz (Eds.), Vexer. 2018 Skopje Walkie Talkie. Vortrag Symposium Mit Denkmälern sprechen? Monumente: Ver gessen und aktuell, Migros Museum/Hoch schule Luzern Bildteil. Der Durchschnitt als Norm, Michael Meier & Christoph Franz (Eds.), Spector Books 2017 Kosovo - A Truly Non-Affirmative Research. In: Dokumentarfotografie Förderpreise 11. Mu seum Folkwang/Wüstenrot Stiftung. 2016 Die Diaspora als Chance. Radio SRF 2, Kon text 23.09.2016 (Radiobeitrag). Unsound Trajectories, Camera Austria 134.
B. Regressive Architekturen (Dissertationsprojekt) Künstlerisch-forschendes PhD-Projekt am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur, ETH Zürich (Prof. Dr. Philip Ursprung), seit 2018. Dieses zwischen Kunst und Forschung angesiedelte Dissertationsprojekt dreht sich um die vielfältigen und wechselseitigen Verflechtungen von rechtspopulistischer Politik und Architektur in der Schweiz seit 1960. Dabei werden drei Hypothesen geprüft: (1) dass die Positionen, welche rechtspopulistische Akteur:innen im Architektur- und Raumdiskurs eingenommen haben, das Raumverständnis in der Schweiz massgeblich beeinflusst haben; (2) dass der Einfluss und die Netzwerke dieser Akteur:innen tief in das föderalistische System der Schweiz hineinreicht und sie schliesslich ganz konkret räumliche Ordnungen beeinflusst haben, indem sie (3) hochgradig konstruierte, dichotome, abgrenzende und exklusive Räume fördern, die durch Einschreibungen verschiedener Interessenskonflikte in Bezug auf das Selbstverständnis der Schweiz und Einzelinteressen geprägt sind. Ein Methodenmix aus klassischer Archivrecherche, kritischer Diskursanalyse, Feldbeobachtung und künstlerischer Dokumentarfotografie trägt den unterschiedlichen Materialien und den komplexen Beziehungen zwischen Akteur:innen, Netzwerken und Räumen Rechnung.
1. Wohlstandsagglomerationen (2022) Video, DE mit englischen UT, 28 min. Kamera, Text, Stimme: Susanne Hefti Ton: Samuel Müller Die rund halbstündige Videoarbeit Wohlstandsagglomerationen bespricht die gravierenden Folgen der Tiefsteuer-Politik auf Architektur und Raum in Ausserschwyz, einer Region am rechten Zürichseeufer. Der Film reiht nüchterne Aufnahmen aus Wollerau und Umgebung aneinander. Aus dem Off beschreibe ich, wie der neoliberale Umbau dort nicht nur zu einer Erosion von dörflichem Miteinander, sondern auch zu einem politischen Umschwung nach Rechts geführt hat. Seit den 1960er-Jahren hat sich das ehemals bäuerliche Dorf in eine Schlafburg der Superreichen verwandelt, in eine Gemeinde aus lauter Villen und Terrassenhäusern, geschützt von Mauern und Hecken. Die langsame Gewalt der Tiefbesteuerung hat Zwischenräume und Zwischentöne eliminiert. Die Recherche in Ausserschwyz ist Teil meines Dissertationsprojekts über die Verflechtungen von rechtspopulistischer Politik und Architektur in der Schweiz seit 1960.
2. Pink Lady (2022) Installation mit vier grossformatigen Stoffbannern, Repros, Archivmaterialien der Mosterei Egnach. Konzipiert für die Ausstellung im Tankkeller Egnach, Verein Kerngehäuse. Die Auswahl an Archivmaterialien und Dokumentarfotografien, hauptsächlich aus den 1970er-Jahren bis ca. 2000, zeigen einen Ausschnitt aus der Geschichte der Kommerzialisierung und Standardisierung eines einst vielfältigen Guts: des Apfels. Die Installation greift verschiedene Momente dieses Prozesses auf: der Vermarktung des Apfels als gesundes Produkt, verknüpft mit Schönheit und Jugendlichkeit, bis hin zum Versuch der nachhaltigeren Eindämmung von Schädlingen, etwa durch die Entwicklung eines biologischen Präparats zur Bekämpfung von Maikäfer-Engerlingen. Die Originalfotografien und -materialien stammen vom Entomologen und Hobbyfotografen Dr. Siegfried Keller aus Eschenz, dem Naturforscher Albert Krebs aus Winterthur, der Comet Photo AG, vom Photographischen Institut der ETH Zürich, dem Thurgauer Staatsarchiv und dem Archiv der Mosterei Egnach, welche sich bei der Möhl AG in Arbon befindet.
Pink Lady (2022), Ausstellungsansicht Tankkeller Egnach
Apfelaktion (2022), Reproduktionen von Originalbildern, Ausschnitte, 21 x 29,8 cm, gerahmt Fotografien: Josef Schmid (Comet Photo AG), Agrosuisse Apfelaktion in Basel, Bern und Zürich, 1973
Schimmelpilz (2022), Reproduktion, 26 x 40 cm, gerahmt Fotografie: Dr. Siegfried Keller, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Staatsarchiv des Kantons Thurgau
Weisse Muskardine (2022), Reproduktion, 44 x 30 cm Fotografie: Dr. Siegfried Keller, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Staatsarchiv des Kantons Thurgau
3. Transformationsgedächtnis Stadt / Peripherie (2021) Zwei Audio-Bilder-Slideshows, 22 Min. und 21. Min. Fotografie und Montage, Text und Stimme: Susanne Hefti Lektorat: Anna-Lena Gugger Ton: Samuel Müller Transformationsgedächtnis Stadt / Peripherie ansehen Die Kantone Glarus und St. Gallen verbindet eine gemeinsame Textilgeschichte. Beide Kantone waren Mitte des 19. Jahrhunderts Schauplatz der frühen Industrialisierung und erlebten Aufschwung und Niedergang der Textilbranche in der Schweiz. Beide Städte/Regionen entwickelten sich baulich in diesem Rhythmus weiter. Das frühere Stickerei-Handelsviertel in St. Gallen ist zentral gelegen, zwischen Bahnhof und Altstadt. Der Druck ist gross. So musste einiges, was das kleinteilige Gewebe des Viertels ausmachte, im Laufe der Zeit weichen, um Platz für grossmassstäbliche Bauten zu schaffen. Die Täler des Kantons Glarus hingegen sind abgelegener. Die Baudenkmäler aus der Textilzeit stehen leer, und sind grösstenteils ungenutzt. Hier braucht Baukultur eine Haltung der ästhetischen Fürsorge um die gebaute Landschaft, damit diese Gebäude erhalten werden können. Die zwei Bild-Text-Arbeiten Transformationsgedächtnis Stadt und Transformationsgedächtnis Peripherie gehen den vielschichtigen Narrationen und politischen Wirkmechanismen im Ringen um die Funktion und Definition dieser Räume nach.
Transformationsgedächtnis Stadt (2021), Bildauszug
Transformationsgedächtnis Stadt (2021), Ausstellungsansicht Typ und Reihe, SWB Neubühl, Zürich
Transformationsgedächtnis Peripherie (2021), Ausstellungsansicht Heimspiel, Kunsthaus Glarus
Transformationsgedächtnis Stadt (2021), Ausstellungsansicht Heimspiel, Kunst Halle St. Gallen
Transformationsgedächtnis Stadt (2021), Bildauszüge
Transformationsgedächtnis Peripherie (2021), Bildauszüge
Textauszug aus Transformationsgedächtnis Stadt (2021) Im Januar 1993 liess die Raiffeisenbank zunächst die Liegenschaft an der Wassergasse 24, einen ehemaligen Werkhof, abreissen. Dort befand sich zu diesem Zeitpunkt unter anderem die Kunst Halle St. Gallen, eine Brockenstube, die Kulturbar UG24, ein Kleintheater-, Tanz-, Disco- und Konzertveranstalter. Die Raiffeisenbank verpflichtete sich zu Ersatz im neuen «Gartenhof»; dazu, Räumlichkeiten für kulturelle Zwecke zur Verfügung zu stellen. Dies kommt nie zustande, stattdessen nutzt die Raiffeisenbank die versprochenen Räume bis heute für sich selbst. Zwischen dem Gartenhof und dem Gebäude an der Vadianstrasse entstanden bis 2005 zwei nächste Neubauten: Bleicheli-Nord und Bleicheli-Süd. Das Bleicheli-Süd gelangte beim Bodentausch mit dem Werkhofgelände in das Eigentum der Stadt. Die Raiffeisenbanken benötigten aufgrund ihres rasch gewachsenen Bedarfs Ende der 1990er-Jahre die beiden Areale im Bleicheli für ihre Projekte, so dass der Grosse Gemeinderat 1999 einem grossen Bodengeschäft mit der Aufgabe der städtischen Parzellen Nord und Süd zustimmte. Nachdem die Bank auch die Liegenschaften der Bleichestrasse 1-7 in ihrem Besitz gebracht hatten, konnte der Abbruch im Bleicheli beginnen. Zum Opfer fielen dem Abriss kleinformatige, zweistöckige Quartiershäuser. Dort gab es bis dahin günstigen Wohnraum, und auch die legendäre Frohegg-Beiz, also diverses Bewohnen und ein ziemlich gutes Kulturangebot. In den Projektberichten des Architekturbüros K&L wird über das Bleicheli aber so geschrieben, als hätte dieses, in der alten Form, keinen Wert gehabt. Eine Rechtfertigung für den Abriss. «Ursprünglich eng bebaut, zerfaserte das Wohn- und Gewerbeviertel immer mehr in einzelne Parzellen und aufgelöste Baustruktur, bis es im Zuge der Stadterneuerung und dem Ausbau des Raiffeisen-Hauptsitzes umstrukturiert wurde. Die kleinteilige Bebauung wurde durch grossmassstäbliche Neubauten ersetzt.» Statt Kultur und Wohnen im Bleicheli, nun also Raiffeiseli, der Zentralsitz der Bankengruppe, der grösste private Arbeitgeber der Stadt, eine Genossenschaft.
Die fehlende Durchmischung, die mit dem Abbruch des Bleicheli-Quartiers einhergeht, wurde zwischen Stadt und Raiffeisen nicht nur thematisiert, es gab dazu auch eine Abmachung. Die Raiffeisenbanken verpflichteten sich 2002, einen neuen Wohnungsbau in unmittelbarer Nähe zu erstellen. Dazu verkaufte die Stadt die Liegenschaft Wassergasse 14 an die Raiffeisenbank, damit diese dort Wohnraum erstellt. Zusätzlich verpflichtete sich die Raiffeisenbank, die Liegenschaft Wassergasse 12 möglichst rasch zu erwerben und umgehend eine Wohnüberbauung zu erstellen. Bei den Liegenschaften Wassergasse 12 und 14 finden sich diese heute jedenfalls nicht. Die beiden Parzellen heissen nun Raiffeisenplatz 8. Dort steht heute das letzte Gebäude, das die Raiffeisenbank im Quartier errichtete, 2011 eröffnet. Ein Geschäftsneubau, mit 110 Büroarbeitsplätzen auf 5 Vollgeschossen. Aus dem Projektbericht: «Das Attikageschoss wird von der zweiseitigen Dachterrasse mit herrlichem Blick über die Altstadt in Richtung Kloster geprägt. Sitzungszimmer, Aufenthalts- und Pausenräume, die durch verschiebbare Wände unterschiedlich bespielt werden können, ermöglichen die flexible Nutzung des Attikas für alle Mitarbeitenden. Im ersten Untergeschoss sind neben Umkleideräumen und Duschen für die sporttreibenden Mitarbeitenden drei spezielle Ruhe- und Gymnastikräume eingebaut. Diese ‚Oasen‘ bieten eine Rückzugsmöglichkeit im Büroalltag. Spezielle Lichtfenster mit wechselndem Farblicht und mystischer Tiefe und die ruhige Atmosphäre der Raumgestaltung tragen zur Regeneration der Mitarbeitenden bei. Die Fassade aus dunklem Klinkerstein nimmt das Thema des Gewebes auf – und erinnert an das ehemalige Tuchmacherviertel.» Über all die Jahre planten Bank und Stadt die Überbauung grundstücksweise, Stück für Stück, unzusammenhängend. Statt lebendiger Quartierkultur waren nun fragmentiere Reststücke öffentlichen Raums entstanden. Sie glichen Hinterhöfen, genutzt von Bankmitarbeitenden auf dem Weg von oder zur Arbeit, oder zur Zigarettenpause, auch ziemlich viel Verkehr. Um das Viertel «aufzuwerten», wurde nochmals ein Wettbewerb ausgeschrieben.
Aufgabe: «… die Aufenthaltsqualitäten zu stärken und erlebbar zu machen», «Potential als hochwertiger Stadtraum entfalten...», «Der Öffentlichkeit ein Quartier zurückgeben, das als städtischer Rest- und Verkehrsraum bislang in Vergessenheit geraten ist», kurzum: «So soll innerhalb des Raiffeisen-Viertels zukünftig der Mensch wieder im Vordergrund stehen».Künstlerin Pipilotti Rist und Architekt Carlos Martinez realisierten sodann 2006 die «stadtlounge». Ein Teppich aus rotem Granulatbelag – sechs Schichten – dehnt sich in Form einer Niere in 4‘000 Quadratmetern um die Raiffeisengebäude. Es soll ein öffentliches Wohnzimmer sein, mit Sofas, und Tischen, Lounges, Autos, Blumentöpfen, alles mit raiffeisenrotem Gummi überzogen. Eine zeitgenössische Appretur, eine Veredelung des kahlen Raums zwischen den Bankengebäuden. Zuletzt trafen sich in der Stadtlounge, «Pipilotti Rists Gummizelle» (danke Kaspar Surber), jugendliche Covid-Massnahmen-Überdrüssige, um endlich mal wieder zu chillen, es gibt auch etwas Krawall. Der Stadtrat appelliert an die Eltern, die Kinder nicht nach St. Gallen zu lassen, dann riegelt die Polizei die Zone ab und spricht am Hauptbahnhof willkürlich 500 Wegweisungen gegen Jugendliche aus. Die Nutzung des roten Platzes, nicht als kuschelige öffentliche Wohnlounge, sondern als Schauplatz von Demonstrationen gegen fehlende öffentliche Freiräume, oder zumindest gegen das fehlende Bewusstsein für die Bedürfnisse von Jugendlichen, sind nicht im Sinne von Stadt und Planer:innen. Im Film «Auf- und Abbruch in St. Güllen» erzählt Nathalie Hubler, eine ehemalige Bewohnerin in der Wassergasse 14, wie sie bei der öffentlichen Vorstellung der Stadtlounge Fragen gestellt habe. Ob Rot denn nicht eine sehr intensive Farbe sei, die vielleicht gar aggressiv wirke, oder mache? Das sei eine Frage für die Künstlerin, hätte Pierin Vincenz geantwortet, obwohl der sich doch mit der Farbe Rot eigentlich ganz gut auskennen sollte. Rot, antwortete dann Pipilotti Rist, sei der umgestülpte Mensch, es sei die Farbe, die das Innere nach Aussen kehre, die Leidenschaft darstelle, sowieso und überhaupt die schönste Farbe sei. Pierin Vincenz ergänzt, dass er auch für die Innenräume der Bankgebäude rote Teppiche geordert habe. Er hätte in einer Studie gelesen, dass die Farbe Rot die Arbeitsintensität erhöhe, (...).
4. Cascada Tasnan (2021) Fotografie 10 x 12 m, Digitaldruck auf Aussenfolie Im Rahmen der Ausstellung Kartierung, platziert als 10x12 Meter grosse Werbefolie im öffentlichen Raum in Bremen. Text: Mira Anneli Naß, Kunsthistorikerin, Bremen Fotografie und Kartografie sind eng miteinander verbunden. Als Praktiken der Visualisierung von Oberflächenerscheinungen dienen beide bildgebenden Medien dazu, sowohl geographische als auch soziopolitische Topographien zu vermessen. Um raumbezogene Informationen visuell umzusetzen und ästhetisch erfahrbar zu machen, nutzen Fotografie und Kartografie Methoden der Minimierung, der Abstraktion und der räumlichen Reduzierung. Die technologischen, soziopolitischen und etymologischen Wechselwirkungen von Fotografie und Kartografie verdichten sich im Begriff der Aufnahme (...). In Abgrenzung zu Michael Schmids medienreflexiver Referenz auf die Bildsprache der Werbung zeigt Susanne Hefti an der großflächigen Fassade des BSAG-Kundencenter in der Balgebrückstraße den engen Bildausschnitt eines Wasserfalls: „Cascada Tasnan“ (2021). Mit dem Bild einer vermeintlich natürlichen und ungebändigten Infrastruktur verweist sie auf die Oppositionen Stadt vs. Natur: „domestiziert und wild, kultiviert und unkultiviert, künstlich und natürlich“. Die Fotografin macht so auf eine Naturalisierung bestehender Verhältnisse aufmerksam, der allzu oft ein Diskurs der Alternativlosigkeit folgt. Seine dogmatische Geste verhindert es, soziale Ordnungen abseits spätkapitalistischer Formen ideologischer Wahrheitsproduktion zu denken.
5. Vermögenswerte im Stadtbild (2021) Installation Kartonmodelle (110 x 80 cm), Trockenwand (2400 x 1100 cm), Fotografien im Leuchtschild. Ausstellung mit Vincent Graf (Videoanimation) bei Al Vista, Zürich. Das Quartier Aussersihl und das Gebiet um die Langstrasse erfährt seit mehreren Jahren einen architektonischen und gesellschaftlichen Wandel. Ältere Gebäude werden abgerissen oder kernsaniert, Baulücken aufgefüllt und grosse Brachen wie das stillgelegte Gleisfeld der SBB, heute die Europaallee, grundsätzlich neu erschlossen. Auszüge aus Architekturmodellen vergleichen formal verschiedene Objekte im Stadtraum und deren Veränderung über die Jahre. Ausnützungsziffern von Parzellen lassen auf politische und ökonomische Interessen hinter der Stadtplanung schliessen. Die zwei Bilder im Leuchtschild sind historische Aufnahmen eben dieser Strasse und des Ausstellungsraum und verweisen auf Prozesse der Gentrifizierung dieser Gegend. Der Ausstellungsraum war früher eine Kebabbude, dann ein Suppenladen.
Vermögenswerte im Stadtbild, 2021 Ausstellungsansicht Nolli Loop bei Al Vista, Zürich
6. Library (2020) Multimedia-Installation Kartonmodell (2300 x 4000 cm), Audionarration (23 min.) und Fotografien (Inkjet auf archival paper, 40 x 30 cm, gerahmt) Audionarration zu Library (2020) anhören Im Jahr 2005 spendeten Studierende der Städelschule Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Kunstverein dem Kosovo rund 10‘000 Kunstbücher. Diese „The Contemporary Arts Library“ genannte Sammlung befindet sich heute im obersten Stockwerk des imposanten Gebäudes der Nationalbibliothek des Kosovo und wird nur selten genutzt. Die Schenkung, so die damalige Projektbeschreibung, verfolgte das Ziel, einen möglichst vollständigen und repräsentativen Überblick über Strömungen und Figuren der internationalen Kunstszene und die Vielfalt der künstlerischen Praktiken zu geben. Die meisten der Bücher sind allerdings in deutscher Sprache und repräsentieren eher einen deutschen, als einen internationalen Kanon. Das Versenden oder Übertragen von Wissen von Ort zu Ort mit Hilfe von Büchern ist in diesem Sinne kein wirklicher Akt der Wissensvermittlung, sondern dient einer rein kulturellen Symbolik des „Wissensgebens“. Nicht zuletzt ist dies auch ein Gewaltakt: Lokales Wissen kann es in der „Contemporary Arts Library“ nur unter der Bedinung geben, dass sich diese Objekte in die von den Spender*innen definierte Kategorien integrieren.
Library, 2020 Ausstellungsansicht Helmhaus Zürich, Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich, 2020
Library, 2020 Ausstellungsansicht Helmhaus Zürich, Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich, 2020
7. Skopje Walkie Talkie (2015-2019) Skopje Walkie Talkie, Publikation, 2019 Langjähriges Rechercheprojekt von 2015-2018 Die Publikation Skopje Walkie Talkie ist das Ergebnis eines langjährigen Rechercheprojekts in Skopje, dessen Ergebnisse bereits mehrfach in verschiedenen Formen ausgestellt wurden. Um das Projekt als Künstlerbuch zu realisieren, arbeitete ich mit dem in Skopje geborenen Architekten und Historiker Damjan Kokalevski zusammen, der über das Archiv des Wiederaufbaus der Stadt nach einem schweren Erdbeben in den 1960er-Jahren forschte. Dieses Buch ist eine künstlerische und politische Auseinandersetzung mit dem städtischen Raum und beschäftigt sich mit der Transformation öffentlicher Räume innerhalb populistischer und nationalistischer Machtstrukturen. Am Beispiel der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje wird aufgezeigt, wie eine neu geschaffene, extravagante Identität die Stadt veränderte. Zwischen 2008 und 2018 entstanden hier zahlreiche neue Gebäude und Monumente für mehr als 680 Millionen Euro. Das architektonische Wissen vom Wiederaufbau der Stadt nach einem gravierenden Erdbeben in den 60er- und 70er-Jahren wurde im gleichen Zug verschleiert, vernachlässigt oder gar zerstört.
Skopje Walkie Talkie (2019) Publikation, Spector Books
Herausgeberschaft: Susanne Hefti & Damjan Kokalevski Fotografien: Susanne Hefti Essays: Damjan Kokalevski, Dr. Suzana Milevska Dérive in Skopje: Milan Dinevski, Susanne Hefti, Damjan Kokalevski, Ivana Kostovska, Philip Ursprung Verlag: Spector Books, Leipzig Grafikdesign: Hammer (Sereina Rothenberger, David Schatz) ISBN: 978-3-95905-246-7 256 Seiten, fadengeheftetes Hardcover Leipzig Oktober, 2019 Breite: 24.8 cm, Länge: 36.5 cm Sprache: Englisch Façades (2014-2018), 2018 Ausstellungsansicht, Helmhaus Zurich
Skopje Walkie Talkie, Buchseiten
8. Lünstler (Poser IV) (2018) Audio-Installation, 28 Min. Holztreppe und Erzählung (Text und Stimme Susanne Hefti), Kissen, englische Übersetzung auf Papierbögen Lünstler (Poser IV) anhören Eine Reise nach Rom, voller Vorfreude und Neugierde, zu einer Summer School mit wissenschaftlichem Anspruch. Doch Erwartungen und Realität liegen weit auseinander: Statt Hirnforschung gibt es Meditation, anstelle von wissenschaftlicher Betrachtung Hypnose. Schwitzend und bei 36 Grad Celsius versucht die Autorin, ihrer zunehmend dumpfen Mattheit zu entkommen. Anknüpfend an die dreiteilige Arbeit Poser - A Trilogy (2016) entstand als Fortsetzung die Audio-Installation Lünstler (Poser IV). Die rund 30-minütige Audioerzählung, die als Hauptteil der Installation fungiert, ist eine lose Zusammenstellung verschiedener Erzählungen, die unterschiedliche Schauplätze behandeln: Essen, Schwarzwald, eine Autofahrt und die oben angedeuteten Erlebnisse in Rom.
Lünstler (Poser IV) Ausstellungsansicht Swiss Art Awards 2018 Foto: Guadalupe Ruiz, Bundesamt für Kultur
9. Kosovo - A Truly Non-Affirmative Research (2017) Multimedia-Installation, 25 Min. Zwei Monitore mit Foto-Slideshow und Erzählung (Text und Stimme Susanne Hefti, DE mit englischen UT), Bodenbelag aus Gummigranulat, Hocker Kosovo - A Truly Non-Affirmative Research ansehen Wenn nun der Flieger über den letzten Gebirgszügen der Dinariden – von Norden kommend – an Höhe verliert, werden die Hälse der Reisenden länger. Unter ihnen das Konzept eines territorialen Gebiets. Durch Grenzen gekennzeichnet, ideologisch besetzt, umkämpft, verloren, zurückerhalten, verwaltet, privatisiert, kapitalisiert. Doch der Raum im Kosovo ist keine machtvolle Struktur, die den Individuen einfach nur entgegentritt, sondern Produkt der Summe individueller, manchmal unsichtbarer Handlungen. Kosovo – A Truly Non-Affirmative Research kreist um das, was Betrachter*innen nicht auf den ersten Blick wahrnehmen, weil es sich hinter der sichtbaren Oberfläche verbirgt. Die generischen Architekturen im Bild – es sind über 200 Tankstellen – geben keinen genauen Anhaltspunkt, sie lassen sich kaum lokalisieren. Dennoch entfaltet sich hinter den Fassaden eine latente Realität, denn die leeren Kulissen verbergen Schauplätze des organisierten Verbrechens, die jedoch selten fassbar werden. Eine Tonspur leitet den Betrachter durch diese Räume und erzählt von einem vergeblichen Versuch einer Bestandesaufnahme.
Kosovo - A Truly Non-Affirmative Research Ausstellungsansicht MFA Degree Show, Toni Areal 2017
11. Poser - A Trilogy (2016) Audio-Installation, 45 Min. Erzählung in drei Teilen (geschrieben und vertont von Susanne Hefti), Linoleumboden und Sitzbänke, 5 Drucke auf Flaggen, 2 Poster A0. Poser - A Trilogy anhören In Zeiten digitaler Absorption und des nahtlosen Übergangs zwischen Realität und Simulation scheint der physische Körper als tätiger Körper seine Relevanz mehr und mehr zu verlieren. Durch die Repräsentation on Screen, gefiltert, manipuliert und mittels wenigen Handgriffen hergestellt, lässt sich die tatsächliche Bewegung unserer Körper auf ein Minimum beschränken: Das Tippen auf der Tastatur, der Aufenthalt am Arbeitsplatz, der Griff zum Smartphone, das Sitzen, eine Autofahrt. Dennoch fordert unser sich der ständigen Repräsentation verpflichteter Lifestyle einen geeigneten Körper, der zu unterhalten (Maintenance) ist.Die physische Entfremdung vom Körper hält dies jedoch noch lange nicht auf. Die Nacherzählung tatsächlicher körperlicher Aktivität (der Aufenthalt in einem Triathlon-Camp auf Mallorca im Frühling 2016) wird zur Analogie für einen beispiellosen Selbstversuch der Künstlerin, sich für die Kunst zu stärken, um endlich alte Unsicherheiten und Repräsentationsprobleme zu beseitigen.
Poser - A Trilogy, 2016 Installationsansicht Helmhaus, Zürich