Raum für Gedanken: Spree Neiße

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K AT H R I N O LL R O G E

RAUM FÜR GEDANKEN Texte & Fotografien



K AT H R I N O LL R O G E RAUM FÜR GEDANKEN Texte & Fotografien

Land Brandenburg / Spree-Neiße & Cottbus Spremberg _ Cottbus _ Forst _ Guben



Guben – Gubin

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RAUM FÜR GEDANKEN

DAS WOHNZIMMER Im „Raum für Gedanken“, der von September bis Dezember 2014 durch das Brandenburger Land reiste, wurden Beobachtungen, Erfahrungen und Meinungen von Menschen zum Thema interkulturelle Nachbarschaften und Zuzug von Asylsuchenden aufgenommen. Auf einer im Raum installierten Schreibmaschine oder im Gespräch kamen Personen zu Wort, die durch Ein- und Zuwanderung eine plötzliche und oft ungewohnte soziokulturelle Heterogenität in ihrer Umgebung erleben. Diese gesammelten Mitteilungen und fotografischen Portraitaufnahmen liegen hiermit in der vierten Dokumentation des Raums für Gedanken vor. Es zeichnet sich ab, dass unterschiedliche Regionen und Orte spezifischenund aktuelle Themen. An den Texten ist die unprätentiöse Direktheit und Offenheit der Formulierungen markant. Häufig finden sich in einzelnen Beiträgen auch widersprüchliche und wechselnde Gedankengänge – ein Zwiespalt, der dem komplexen Thema weltweiter Flüchtlingsursachen und -zuwanderung schlicht innewohnt. Es wird auch Ablehnung gegen Asylbewerber und Asylpolitiken geäußert. Zuflucht suchenden Menschen als Individuen wird dagegen weitgehend Verständnis entgegengebracht, sogar wenn das Phänomen der Zuwanderung kritisch gesehen wird. Es fällt auf, dass die Lebenssituationen von zugezogenen


Flüchtlingen häufig konkret in Bezug und im Vergleich zum eigenen Leben sowie zu den Rahmenbedingungen des Ortes gesetzt werden. Diese Sichtweisen können Anknüpfungspunkte für Verständnis, aber auch Gründe für ablehnende Haltungen beinhalten. Zweifel in Bezug auf Flüchtlingszuwanderung scheinen bei weitem nicht ausschließlich mit der Toleranz- und Hilfsbereitschaft in Verbindung zu stehen, sondern vielschichtiger begründet zu sein. „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …“ Es zeichnet sich ab, dass in diesem „aber“ häufig die Fragen verborgen sind: Was habe ich? Wie wird Wohlstand in dieser Gesellschaft verteilt? Werden andere Probleme gehört? Wie soll Zuwanderung momentan und angesichts z. B. einer schwierigen Arbeitsmarktsituation funktionieren? Individuelle und regionale ökonomische Probleme und die eigene und gesellschaftliche Perspektivlosigkeit führen dazu, dass die Verhältnismäßigkeit von Leistungen für Asylsuchende hinterfragt wird. In diesem Zusammenhang stellen einige Bürger ihre eigene Teilhabe an einer Solidargemeinschaft besonders deutlich in Frage oder nehmen diese als unzureichend wahr. Dieser Zusammenhang zwischen Kritik an der vor Ort erlebten Umsetzung von Asylpolitiken bzw. Offenheit für Flüchtlinge und eigener Mangelsituation, der in den Mitteilungen sogar des Öfteren konkret als innerer Zwiespalt benannt wird, bedarf offenbar mehr Aufmerksamkeit.

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Insgesamt bezeugen die Texte und Bilder facettenreiche Gedanken und Wahrnehmungen der Menschen vor Ort zum Thema Zuwanderung von Schutz und Perspektiven suchenden Menschen. Der „Raum für Gedanken“ stellt einen Beitrag dar, der auf Authentizität, Neugierde und Wertschätzung aller Beteiligten abzielt. Die Menschen vor Ort möchten gehört werden – sowohl zu aktuellen Aspekten der Zuwanderung, als auch mit ihren eigenen Geschichten. In dieser Dokumentation sind „die Meinungen“ „der Leute“ zu finden: vielfältig, differenziert, pauschal, ablehnend, wohlwollend, empathisch, zweifelnd, kritisch und ideenreich. Möge diese Text- und Bildsammlung Anlass und Grundlage für eine lebendige Diskussion bieten! Lydia Schimpf

DIE ORTE Der „Raum für Gedanken“ bereiste 14 unterschiedliche Orte im Land Brandenburg, darunter die kreisfreie Stadt Cottbus und drei Orte im Landkreis Spree-Neiße. Cottbus 4. bis 7. November 2014 Cottbus hat über 100.000 Einwohner. Der „Raum für Gedanken“ stand 2 Tage vor der Stadthalle, am Altmarkt sowie zwei Tage in Sachsendorf in Nähe der Gemeinschaftsunterkunft. In dieser leben 241 Menschen unterschiedlicher Nationen. Weitere 113 Personen sind in Wohnungen in Wohnverbänden untergebracht.


Spremberg 8. und 9. Dezember 2014 Spremberg zählt über 25.000 Einwohner. Der „Raum für Gedanken“ stand am 8. und 9. Dezember am Bullwinkel. Zu diesem Zeitpunkt lebten nur wenige asylsuchende Menschen vereinzelt in Wohnungen. Erst zum Frühjahr 2015 werden über 100 Flüchtlinge in Spremberg erwartet, die dezentral in Wohnungen untergebracht werden sollen. Forst 16. und 17. Dezember 2014 In Forst leben 19.258 Einwohner. Der „Raum für Ge­ danken“ stand einen Tag in der Gutenberg-Oberschule und einen Tag am Marktplatz vor der Stadtkirche. Rund 263 Personen sind in zwei Übergangswohnheimen in Forst untergebracht und 102 Flüchtlinge leben dezentral in Wohnungen. Guben 18. bis 20. Dezember 2014 Die Einwohnerzahl von Guben beträgt knapp 18.000. Der „Raum für Gedanken“ stand 3 Tage im Foyer des Neiße Centers. In Guben leben 34 Flüchtlinge im Wohnverbund Deulowitzer Straße und 11 Personen sind in eigenstän­digen Wohnungen untergebracht.

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Stadthalle, Cottbus


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Die Welt ist aus den Angeln ge­ rissen, nirgends ist mehr Ruhe. Das ist eine Auswirkung des Kapitalismus, der kann ohne Krieg nicht leben, denn mit Krieg lässt sich viel Geld verdienen. Wenn die Menschen die Möglichkeit hätten, in ihren Ländern Ordnung zu schaffen, ein stabiles System aufbauen könnten, ein menschenwürdiges Leben und wir auch die Finger lassen würden von jeglichen Eingriffen in fremde Nationalitäten, das wäre ein Anfang. Heute stimmt ja gar nichts mehr. Die Flüchtlingsströme weltweit, wenn ich das sehe, frage ich mich, was zieht sie nach Deutschland? Denken sie, hier sei das Zentrum des guten Lebens? Das ist ein Irrtum. Die Glaubwürdigkeit ist längst im Eimer. Es ist schwer, die Sachlage einzuschätzen. Selbst wenn wir ihnen eine Fabrik bauen würden in der sie arbeiten könnten, könnten wir die Waren, die sie produzieren, nicht verkaufen. Die weltwirtschaftliche Lage lässt das gar nicht zu. Das Konzept ist nicht deutsch, es ist nicht europäisch, es ist amerikanisch und weltweit geprägt: Jeder strebt nach der Weltherrschaft. Wir hier haben eine Nationalitätenver-

mengung aus allen Ländern. Hier gab es Straßenkämpfe im öffentlichen Bereich. Mitten in der Nacht bis in die Früh haben sich die Tschetschenen und die Äthiopen mit Stöcken und Steinen beharkt. Die Tschetschenen sind ein kämpferisches Volk und ein islamisch geprägtes Land. Worum es bei dem Streit ging, habe ich nie herausgefunden. Die Menschen da unten, egal woran sie glauben, sind mir von der Mentalität, vom Menschlichen her, lieber als die eigenen Leute. Mir sind zehn Russen lieber als ein oder zwei Deutsche. Forst, männlich, Jahrgang 1942


Das überhaupt noch Krieg ist! Die Regierungen sollen sich mal was einfallen lassen! Uns wird gepredigt, dass wir mit allen Frieden schließen sollen. In ihren eigenen Ländern, was ist denn da los? Dann schicken sie noch unsere Leute hin und die kommen nicht zurück. Ich kann mich doch nicht erschießen lassen, nur weil die da Krieg spielen! Und dann schickt unser Land noch Waffen! Es ist ja nicht die Schuld der Leute, aber das kann doch nicht gut gehen. Die Obersten schäumen doch den Hass! Und dann haben die Flüchtlinge auch noch An­ sprüche! Geklaut wird hier auch! Wir müssen ja schon alles einschließen und in die Wohnung mitnehmen, wenn wir wollen, dass es nicht wegkommt. Das sind aber nicht die Flüchtlinge, das sind die Polen. Ich habe immer KO-Spray in der Tasche, traue mich abends nicht raus.

Gegen die Flüchtlinge habe ich nichts, solange es keine Roma und Sinti sind. Vor denen habe ich Angst. Angst vor der steigenden Kriminalität. Denen sieht man es schon an, die sind alle gleich. Aber wenn zum Beispiel syrische Menschen kommen, finde ich es o.k., sie müssen ja dort weg. Ich glaube aber, 90 Prozent der Bevölkerung hat kein Interesse am Thema. Hier in der Nähe wurden extra Hotels und ein Altenheim geschlossen, damit Flüchtlinge aufgenommen werden können. Ohne Einverständnis der Menschen. Da kriegt man auch einen Hals und denkt sich, deutsche Leute sind dann wohl nichts wert. Darüber gibt es Interviews. Stand sogar in der BILD-Zeitung. Ich wohne in einem Viertel, wo viele ehemalige russische Einwanderer leben, da gibt es keine Probleme. Es kommt darauf an, wie sie mir gegenübertreten.

Guben, weiblich, Jahrgang 1955

Spremberg, weiblich, Jahrgang 1987

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Jens, Fors  _  Katharina, Cottbus

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Das Thema Asyl wird von den Me­ dien hochgeschaukelt wird, um eine höhere Leserschaft zu gene­ rieren. Viele Menschen informieren sich nicht über die Fakten und glauben, die Flüchtlingszahlen sind höher als sie es tatsächlich sind. Darum sorgen sie sich um den Verlust ihrer Nationalität, welches das Vertrauen zerstört und dann braut sich Intoleranz gegenüber Flüchtlingen zusammen. Integration ist ein Weg, um das gestörte Vertrauensverhältnis versuchsweise zu stärken, aber zur unbewussten Ebene dringt es schwer durch. Es ist ein zweischneidiges Schwert: die Bevölkerung sollte nach größerer Toleranz streben. Letztendlich würden sie das auch erwarten, wenn in ihrem Land Brutalität und Naturkatastrophen herrschen würden und sie gezwungen wären, zu fliehen. Die Asylsuchenden sollten die Regeln und Gebräuche ihres Aufnahmelandes respektieren. Aber wie erkärt man, dass die meisten Flüchtlinge aus ihren kriegszerstörten Heimatorten fliehen müssen, weil die westlichen Länder teilweise verantwortlich dafür sind, dass das System in den Krisenländern instabil wurde oder

Ressourcen aufgebraucht wurden? Wenn wir Flüchtlinge akzeptieren, werden sie außerhalb der Städte untergebracht - aus den Augen aus dem Sinn - das hilft nicht, um die öffentliche Akzeptanz von Flüchtlingen zu stärken. [Übersetzt aus dem Englischen] Cottbus, männlich, Jahrgang 1989

----Ich bin vor sechs Monaten aus Eritrea nach Cottbus gekommen. Momentan wohne ich in Guben. Ich fühle mich hier sicher und willkommen. Verglichen mit Cottbus ist Eritrea sehr hell. Cottbus, männlich, Jahrgang 1975

----Wir haben vorher in Westdeutsch­ land gewohnt und viel Kontakt mit Ausländern und Flüchtlingen gehabt. Ich dachte immer, ich sei tolerant, aber als ich dort wohnte und direkten Kontakt hatte, musste ich erst lernen, was es eigentlich bedeutet, tolerant zu sein. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1982

Maria, Cottbus




Wegen welchem Quatsch die da unten Krieg führen, wegen Moham­ med und Gott! Und dann kommen sie her, aber warum? Die meisten Flüchtlinge sind keine Kriegsflüchtlinge und überhaupt, sie wollen sich doch nur den deutschen Wohlstand sichern. Untereinander können sie sich auch nicht ausstehen. Der Inder kann doch nicht mit den Moslems und so weiter. Am besten wäre doch, die würden die leerstehenden Wohnblöcke sanieren und jede Nationalität bekäme seinen eigenen Block. So könnten die Menschen leben wie wir und es gäbe auch weniger Auseinandersetzungen untereinander. So könnte jeder in seiner Kultur, nach seinen kulturellen Gepflogenheiten Zuhause sein. Am schlimmsten sind aber die Schieberbanden, die Tschetschenen bringen das mit rein. Die haben das dort schon aufgebaut und machen hier einfach weiter. Forst liegt ja an der Grenze, hier kann man doch keine Ausländer verbieten, aber die Polizei müsste regelmäßig präsent sein.

Kommen alle mit einer Kinderschar an und unsere können sich keine Kinder leisten, weil sie sonst nicht arbeiten können. Meine Kinder mussten wegziehen, um Arbeit zu bekommen. Ich sehe meine Enkelkinder nur einmal im Jahr! Es geht ums Prinzip. Schuld ist unser Staat. Ich habe bis jetzt keine negativen Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht. Die tun ja auch keinem was. Helfen würde ich ihnen nicht, ich muss selber sehen, habe meine Kinder und fünf Enkelkinder. Erst wir und dann die anderen. Wer keine eigene Familie hat, der kann sich sicher­ lich um die Fremden kümmern. Unser Staat tut für die eigene Jugend nichts, die sitzen auf der Straße, aber Ausländer, die werden reingeholt! Man müsste besser aussortieren. Die Deutschen haben schon immer für die anderen Hurra geschriehen. Ich sag ja nix gegen die, die hier sind. Sehe sie beim Einkaufen oder so. Aber dann kriegen sie Kinder und holen ihre Familien nach …

Forst, männlich, Jahrgang 1955

Guben, weiblich, 1955

Alina & Lisa, Forst

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Bei denen, die herkommen, be­ stehen vielleicht falsche Vor­ stellungen. Irgendwann ist auch mal dieses Fass voll. Humanitäre Hilfe alleine durch das Aufbauen von Zelten etc. ist doch auch keine Lösung. In den ehemaligen Flüchtlingslagern bzw. Auffanglagern der Ostdeutschen sind jetzt Ausländer. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1968

----Keine Enkelkinder, sage ich nur, bringt mir keine Enkelkinder! Wir können nicht alle aufnehmen. Unsere Leute können sich deswegen keine Kinder leisten. Die bringen uns Millionen von Kindern … Die Hilfe vor Ort leisten, die Hilfe in den Ländern leisten. Wenn man nicht weiß, was die Ursachen sind, können wir nicht aufklären. Viele Leute trauen sich nicht, etwas zu sagen. Merkel ist eine Marionette von Amerika – so wird gesprochen, das sage nicht ich, sondern die Leute. So kann die Politik nicht mit uns umgehen. Damals durfte man nicht sagen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, die Politik wollte es nicht wahr haben. Das mit Pakistan hätte nicht kommen Manuela, Cottbus

brauchen, wenn man es anders gemacht hätte. Ich sage, die Politik sollte den Menschen endlich mal erklären, was los ist. Aber die Probleme der Bürger sind den Politikern egal. Und es wird noch schlimmer kommen, wenn Frau Merkel nicht bald mit der Wahrheit rausrückt! Es wird ein schlimmes Ende nehmen. So wie in Dresden wird es auch in kleineren Städten kommen. Es sind keine Rechten, es sind die Menschen, die sind unzufrieden. Forst, weiblich, Jahrgang 1949

----Die Kommunen können das oft gar nicht noch zusätzlich managen. Die Stadt ist gar nicht in der Lage, großartige Projekte auf die Beine zu stellen. Cottbus, männlich, Jahrgang 1952

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Spremberg


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Wir sind alle Menschen und wir sollten alle gleichberechtigt sein. Auch wenn man eine andere Hautfarbe hat, ist man so wie die anderen. Manche sagen ja, dass nur weil man eine andere Hautfarbe hat oder aus einem anderen Land kommt, man gleich böse ist, aber das muss ja nicht immer stimmen. Die Flüchtlinge kommen nach Deutschland, weil sie Angst haben in ihrem eigenen Land und suchen bei uns Schutz. Anstelle ihnen zu helfen, verspotten wir sie. Das sollte echt nicht sein. Wenn wir flüchten, wollen wir ja auch geschützt werden von den Leuten in dem Land, wo wir Schutz suchen. Wenn wir keinen Schutz bieten für Flüchtlinge, dann brauchen wir uns auch nicht wundern, wenn wir keinen Schutz kriegen von anderen Ländern, wenn wir Flüchtlinge sind. Forst, weiblich, Jahrgang 2001

----Ich bin selbst ein Kriegskind. Wir waren mit dem Handwagen von Spremberg bis Freienhufen unter­ wegs. Ich war 5, meine Schwester 14. Als wir zurückkamen, den Berg runter, da stand die Knabenschule in Flammen. Uns haben die Russen

ja auch nichts getan. Die Polen haben sich für uns eingesetzt. Da kam ein Pole und hat uns jeden Morgen ein Brot aus der Bäckerei auf die Türschwelle gelegt. Das werde ich nie vergessen. Ich war Schlüsselkind und war immer alleine. Mein Vater war im Krieg und meine Mutter musste immer arbeiten. Uns hat die Armut so zusammengehalten. Mit den Flüchtlingen habe ich Mitleid. Ich kann nicht begreifen, warum sich die Menschen so dagegen wehren. Wenn ich die Bilder sehe, sehe ich mich und meine Mutti. Spremberg, weiblich, Jahrgang 1939

----Die Deutschen sind alle so hoch­ näsig. Früher hat man mehr zusammengehalten. Jetzt überhaupt nicht. Wenn der indische Chef ein Haus kauft, müssen die, die schon länger hier sind und ein Geschäft haben, auch ein Haus kaufen. Schlimm, schon die Kinder werden so erzogen. Man soll nicht so korrupt tun und so abweisend sein. Ich habe Kontakt zu Indern, mein Mann ist Inder. Manche sind schon 20 Jahre hier. Habe keine Probleme mit Flüchtlingen, aber die Sinti und Roma, die kenne ich


nur als Diebe. Habe nie Gutes von denen gehört. Sie klauen alles. Das finde ich nicht in Ordnung. Wo Krieg ist, da habe ich Verständnis, aber was suchen die anderen hier, die herkommen von da, wo kein Krieg ist. Das verstehe ich nicht. Genauso wie mit den Türken. Damals in Ostpreußen, da kamen auch schon immer die Roma und wollten uns beklauen. Wir hatten da eine Landwirtschaft. Uns haben die Polen rausgeschmissen und jetzt kommen die Polen her, das finde ich nicht gut. Ich habe zu viel durchgemacht. Wenn ich keinen hasse, aber die Polen hasse ich. Unter mir wohnt ein Pole und über mir zwei Russen. Ich hasse diese Menschen. Die sind etwas älter als ich. Was haben die hier zu suchen? Nein, ich habe zu viel durchgemacht. Die Russen haben mich mit 12 vergewaltigt. Ich hasse sie. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1936

----Ich kenne Inder, die haben noch nie eine Badewanne gehabt. Bei ihnen ist es nicht erlaubt zu baden, sie müssen den Schmutz des Tages abspülen, so verlangt es ihr Glaube. Komische Sitten

haben sie. Es gibt auch welche, die sich hoch verschuldet haben, weil sie von den vielen Dingen in den Geschäften verführt wurden. Haben alles gekauft, auch Essen, und dann ist es im Kühlschrank schlecht geworden, weil sie das gar nicht brauchten. Ich fände es gut, wenn die leerstehenden Wohnblöcke für sie oder, noch besser, mit ihrer Hilfe hergerichtet werden würden. Dann hätten sie was zu tun und könnten ihren Lebensraum mit aufbauen. Es ist auch schön, dass da so ein Deutsch-Türke aus Berlin kommt und in die Sanierung investiert. Der macht das auch für die Ausländer, sagt er, aber das ist auch ein großer Begriff, wer weiß, wer da wirklich reinkommt. Die meisten Leute in Forst sind neutral gegenüber den Flüchtlingen eingestellt. Wir kennen das auch schon, es gibt türkische und vietnamesische Geschäfte, da geht man doch auch einkaufen. Forst, männlich, Jahrgang 1957

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Tristam, Cottbus  _  Karin, Spremberg


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Wir kommen vom Land, da sind noch keine Flüchtlinge. Meine Tochter hat Flüchtlinge als Nachbarn über ihr, hier in Cottbus. Die erste Zeit haben sie ihren eigenen Lebensstil gelebt, sich gar nicht an die Hausordnung gehalten. Die Kinder sind sehr lange wach, die Südländer feiern sehr gerne. Ruhe- und Schlafzeiten haben sich verschoben. Nach und nach haben sie sich angepasst. Aber andere Familien passen sich nicht an, das sieht man hier immer noch. Viele wollen es auch gar nicht. Die Kinder finden schnell Anschluss, die Eltern sind da eher verschlossen. Wir haben weltweit sehr viele Freunde und somit kennen wir auch viele unterschiedliche Mentalitäten. Dadurch kommen wir viel leichter mit den Ausländern zurecht. Wenn man aber nur in Deutschland ist und die Unterschiede nie kennengelernt hat, ist es schwierig. Alle haben ihre eigenen Probleme. Bei meinem Sohn war es so, dass Ausländer bei Bewerbungen bevorzugt wurden. Oder: Eine deutsche Familie brauchte eine behindertengerechte Wohnung, aber die wurde den Ausländern angeboten, die nicht mal behindert waren, sondern kerngesund. Sie Marcel, Guben

haben sogar ein Haus zum Tausch angeboten, aber da war nichts zu machen. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren, passiert aber leider immer öfter. Wir haben mit Nationalitäten gar keine Probleme, ich bin aber der Meinung, dass wenn der Krieg vorbei ist, wir sie dabei unterstützen sollten, ihr Land wieder aufzubauen. Wenn bei uns Krieg wäre und ich müsste flüchten, würde ich nach Kriegsende nach Hause wollen. Da sollten wir sie unterstützten. Wenn meine Mutter - wie viele anderen - nicht wieder nach dem Krieg nach Hause gegangen wäre und das Land wieder mit aufgebaut hätte, wäre es jetzt nicht so hier. Das wichtigste ist, erstmal den Krieg beenden. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1965

----Es gibt welche, die ganz in Ord­ nung sind, mit denen man auch gut klar kommt. Es gibt aber auch welche, mit denen man sich nicht verträgt, weil sie, so sag ich mal, aggro sind. Ich finde es gut, dass Deutschland die Flüchtlinge aufnimmt. Forst, männlich, Jahrgang 1999

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Sie tauchen im Stadtbild auf, man sieht sie wegen der unterschied­ lichen Hautfarbe. Polen gab es hier auch schon immer, wir sind das gewohnt. Berührungsängste habe ich nicht, aber die Zeit fehlt mir, um mich persönlich mit ihnen in Verbindung zu setzen. Ich bin von früh bis spät unterwegs und muss mich um meine eigene Familie kümmern. Guben, weiblich, Jahrgang 1944

----Wir hatten noch keine direkten Kontakte. Mit Ausländern ja, aber mit Flüchtlingen nicht. Man bekommt sie ja selten zu sehen, weil sie außerhalb untergebracht werden. Ich bin auf jeden Fall dafür, dass Menschen herkommen, die politisch bedroht werden oder ihres Glaubens wegen in Lebensgefahr schweben, Kinder vor allem. Sie bereichern unser Leben, unsere Kultur und unsere Gewohnheiten. Soll ja nicht jeder nur bei sich bleiben, sondern sich öffnen. Die Politik allerdings sollte das besser koordinieren. Auch die Medien haben einen Einfluss drauf, wie das bei den Menschen ankommt. Die könnten viel mehr Positives berichten. Die Kinder sollten

herzlich aufgenommen werden. Wenn auf die Kinder eingegangen wird, kommen die Eltern auch dazu. Auf dem Spielplatz kommt man ja immer ins Gespräch. Untereinander helfen, Sprache, Tauschsachen … Wenn einer etwas für mich reparieren kann, könnte ich den Kindern Deutsch beibringen. Man hört aber nur das Negative: Sie sind schmutzig, wollen nicht arbeiten. Dabei sprechen sie doch alle gut Deutsch und machen keine Probleme. Wenn ich mehr Platz hätte, würde ich auch für eine gewisse Zeit, wenn das möglich wäre, Flüchtlinge bei mir aufnehmen. Wer ein Haus hat, kann das machen. Sind doch oft auch intelligente Menschen, die nicht wissen wohin. Denen könnte man mehr unter die Arme greifen. Mein Sohn und ich sind ganz offen und machen keine Unterschiede, egal woher die Menschen kommen. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1974 und männlich, Jahrgang 2002


Unsere Welt ist kleiner und verwundbarer geworden. Nur der gesamten Menschheit wird es zukünftig möglich sein, diese Welt friedlich und für alle auf Dauer bewohnbar zu erhalten, unabhängig von Glaubensbekenntnis oder Wunschvorstellungen. Dies sollte doch möglich sein. Cottbus, männlich, Jahrgang 1953

----Dass Flüchtlinge herkommen sol­ len, ist mir bekannt. Die Menschen haben gemischte Gefühle. Ich habe nichts dagegen, aber es dürfen auch nicht zu viele sein. Ob Deutsche oder Ausländer meine Nachbarn sind, das ist doch letztendlich egal. Ich bin nicht der Mensch, der strahlend auf Leute zugeht, aber wenn es sich im Gespräch ergibt, dass Flüchtlinge meine Hilfe brauchen, dann würde ich helfen, selbstverständlich.

Wir sind Asylanten und wohnen seit sechs Monaten in Sachsen­ dorf. Wir kommen direkt aus Serbien, mit drei Kindern und meiner Frau. Wir sind sehr zufrieden, die Stadt ist schön ruhig. Wir haben mit allen hier gute Erfahrungen gemacht, keiner guckt uns komisch an, es wird kein Unterschied gemacht. Wir wohnen in einem Gebäude mit Deutschen, Pakistanis und drei weiteren serbischen Familien zusammen. Wenn Energie Cottbus spielt, gucken wir zusammen. In Serbien war das Leben als Zigeuner sehr schwer, da sind die Lebensbedingungen schlecht. Hier haben wir zwar keinen Dolmetscher, das ist auch schwierig, aber eine Verwandte aus Österreich hat uns geholfen, als meine schwangere Frau im Krankenhaus war. [Übersetzt aus dem Englischen] Cottbus, männlich, Jahrgang 1977

Spremberg, weiblich, Jahrgang 1960

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Zwischen Forst und Guben



Es gibt verschiedene Arten von Flüchtlingen. Es gibt welche, die Deutsch lernen wollen und sich ordentlich verhalten und um Arbeit bemühen und soziale Kontakte suchen, aber es gibt auch welche, die unsere Kultur missachten und sich nicht um ein gesittetes Leben bemühen. Wir finden es in Ordnung, wenn Flüchtlinge in unser Land kommen, aber sie sollen sich ordentlich verhalten bei uns, so wie wir uns bei ihnen in ihrem Land verhalten. Forst, weiblich, Jahrgang 1998

----Der Frust ist größer geworden. Auf der einen Seite wird abgerissen; die ganzen anderen Wohnungen stehen leer. Neubaugebiete, die bis vor drei Jahren noch genutzt wurden, bräuchten nur saniert werden. Die meisten Menschen sind neutral eingestellt, akzeptieren es und sagen, damit müssen wir leben. Anderswo kämpfen sie überall gegen die Ausländer. Hier will keiner richtig darüber reden, dass wir auch profitieren. Mit den Wohnungen müsste viel mehr geschehen. Nebenan der Block steht noch leer, der ist vor drei Jahren ausgebrannt. Brandan-

schlag. Ein deutsch-türkischer Bauunternehmer aus Berlin will im Frühjahr anfangen, es wieder herzurichten. Das finden wir gut, dass es auch jemand ist, der es auch hauptsächlich wieder für die Ausländer aufbauen möchte. Wir werden sehen. Ich will hier jedenfalls nicht weg, besser kann ich es nirgends haben. Es ist doch viel sinnvoller, die Menschen in Wohnungen unterzubringen. Da gibt es großes Potential. Sie könnten gleich ihre eigene Kultur mit einbringen und mit beim Aufbau helfen. Somit wären sie eingebunden und hätten auch gleich eine Aufgabe. Forst, männlich, Jahrgang 1961

----Unser Zukunftswunsch ist es, dass alle Menschen in Frieden leben können und dass wir mit unserer Umwelt schonend umgehen. Wir wünschen uns ein respektvolles Miteinander aller Menschen. Dadurch können Konflikte vermieden werden. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1947


Bei uns im Dorf sind auch Deutschstämmige aus Russland, Kasachstan und Rumänien. Die sind schon sehr lange dort und gehören ganz normal dazu. Ich finde es immer erschreckend, wenn ich dann wieder von Übergriffen höre, Gewalttaten, die auch zum Tode führen. Ich bin betroffen, dass man nicht miteinander leben kann. Es gibt hier viele Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger. Gerade diese Menschen müssten nicht gegen, sondern für die Asylanten sein, die sitzen doch im gleichen Boot und müssten Verständnis haben, die sind auch hilfebedürftig, aber soweit denken sie nicht. Das sind doch getrennte Töpfe, keiner nimmt dem anderen was weg. Wenn ich die Menschen in den Kaufhallen oder in den Parks sitzen sehe, die informieren sich über nichts. Die interessiert nur, wann der Tag ist, um das Geld abzuholen. Die Diebstähle hier sind oft von Einheimischen und dann wird es auf die Ausländer geschoben. Es wird ausgenutzt. Sicherlich, Zigaretten und das alles, das ist im großen Rahmen organisiert, aber nicht alles kann man über einen Kamm scheren. Ich finde das auch berechtigt, wenn die

Bewohner der Grenzstädte Angst haben abends allein rauszugehen, weil es in letzter Zeit ja wirklich zu ersthaften Rangeleien gekommen ist. Besonders seit in Forst im Oktober die Tschetschenen auf die Afrikaner mit Messern losgegangen sind. Aber ich bin definitiv nicht der Meinung, dass es nur die Ausländer sind, es wird auf dem Rücken der Ausländer ausgetragen. Guben, weiblich, 1957

----Ich bin vor kurzem hergezogen und wohne in der Nähe des Flücht­ lingsheims. Ich habe keine Berührungsängste. Komme aus Berlin, da ist man es gewohnt, mit anderen Kulturen zusammenzuleben. Nur die ganz vermummten, wo man nur die Augen sieht, finde ich gru­ selig oder richtig beängstigend. Da kann ja zum Beispiel ein Mann drunter stecken, das finde ich unheimlich. Forst, weiblich, Jahrgang 1969

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Ibrahim mit seinem Freund aus Eritrea, Cottbus  _  Gerhard, Guben



Wenn jemand verfolgt wird, dann mache ich die Tür auf, keine Frage. Ich bin aber dagegen, wie die Flüchtlinge aufgenommen werden. Ich bin auch ein Freund der Montagsdemos. Ich bin gegen die gesamte Politik der Bundesregierung, unabhängig von politischen Richtungen. Sie haben die Flüchtlingsströme verursacht, durch ihre europaweite Politik. In den 80ern haben sie gesagt, wir werden an den Grenzen gegen die Flüchtlinge kämpfen und jetzt ist es auch so, nur indirekt. Ich kann mich auch in die Menschen hineinversetzen, die es in ihrem Lebensraum nicht mehr aushalten, aber im Prinzip wird es gesteuert. Wie die Politik mit den Bewohnern umgeht, das ist das eigentliche Problem. Sie versuchen, die Flüchtlinge aufzuteilen und sie unsichtbar zu machen. In den 90ern waren hier auch schon welche, wir hatten unser eigenes Heim. Da waren sie mitten in der Stadt und sichtbar, mittlerweile werden sie nur dezen­­ -­ tral untergebracht. Spremberg ist die schweigende Stadt, hier sagt keiner was und die Fäden werden im Hintergrund von rechts außen gezogen. Ich bin Mitglied

der Bürgerinitiative „Unser Spremberg“ und einer der wenigen, die sich informieren und auch mal den Mund aufmachen. Wir haben mit unserer eigenen Gesellschaft genug zu tun. Es gibt hier eine große Rauschgiftszene, aber keine Polizei mehr. Ausgebildete Flüchtlinge, die Intelligenzija, werden bevorzugt behandelt, aber diese Menschen fehlen ja dann in ihrem eigenen Land. Da muss doch aufgebaut werden! Wenn ich die Kinder in den Zeltlagern sehe, dann kommen mir die Tränen. Dass Syrier, Frauen und Kinder kommen, das verstehe ich. Spremberg, männlich, Jahrgang 1954


Eine junge Frau aus Somalia soll­ te abgeschoben werden. Sie hat Kinder in Somalia und war schon in Holland, von dort abgeschoben nach Italien, von Italien nach Deutschland. Jetzt sollte sie wieder abgeschoben werden nach Italien und sie sagte, dann wird sie auf der Straße landen. Freunde haben sich darum gekümmert und durch Kirchenasyl konnte sie bleiben. Ich habe sie besucht im Heim und die Geschichte hat mich sehr berührt. Die Kinder sind wohl bei der Schwester oder Oma. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1953

----Als EU-Rentnerin bekommt man we­ niger als Hartz-IV. Als Rentner bekommt man keine Unterstützung mit Medikamenten. Probleme mit Flüchtlingen habe ich nicht. In Cottbus muss man sich kümmern, Arbeit gibt es keine. Die Arbeitslosigkeit ist sehr groß. In zwei Jahren soll mein Block abgerissen werden. Verstehe nicht, warum sie die Wohnungen abreißen. Ich kenne noch den Geruch der Wohnung, als ich hier eingezogen bin.

Ich habe keine Angst vor Flücht­ lingen aus anderen Ländern, denn sie sind auch Menschen. Sie haben auch vorher gelebt und ein Land geführt. Dass sie vertrieben werden, ist für sie schlimmer als für uns. Diese Leute möchten in Ruhe hier leben. Ich denke nicht, dass sie unseren Wohlstand ausnutzen wollen. Ich hoffe für sie, dass es mehr Menschen gibt, die sie unterstützen als jene, die nur gegen sie hetzen … Wir als Deutsche sollten selbst am besten wissen, was die Auswirkung von Krieg, Hunger, Folter und Hass ist. Wir sollten ihnen dabei helfen, sich zu integrieren. Und das geht schon, wenn man ihnen was Kleines spendet. Cottbus, männlich, Jahrgang 1990

Cottbus, weiblich, Jahrgang 1939

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Mein Garten ist in der Nähe des Flüchtlingsheims. Da spielen immer Kinder, denen habe ich Spielzeug geschenkt. Anfangs hatten sie Angst, sie wussten ja nicht, was ich will. Die eine Frau ist schwanger, der möchte ich ein Handtuch kaufen. Wir kennen und grüßen uns. Den Flüchtlingskindern werde ich Weihnachtsge­ schenke an die Tür im Heim hängen. Die Kinder können nichts dafür. Die Leute, die nie ins Ausland fahren, die wissen gar nicht, wie gastfreundlich diese Leute sind. Sei es der Italiener, der Spanier, der Pole … Ich wurde von allen immer freundlich aufgenommen. Ich war auch in Aleppo, bevor es zerstört wurde. Ich habe da drei kleine Jungs kennengelernt. Manchmal frage ich mich, ob es denen wohl gut geht, ob sie es geschafft haben, da rauszukommen. Das berührt mich alles so. Junge Afrikaner sitzen oft im Stadtpark, ich gehe zu ihnen hin und unterhalte mich mit ihnen, damit sie sich aufgenommen fühlen. Der eine erzählte mir, er lerne gerade Deutsch. Ich habe ihm gesagt, das schafft er sicher. Ich finde es auch gut, dass mittlerweile in Kindergärten schon

gezeigt wird, dass die Hautfarbe egal ist. Keiner sagt, was willst du denn hier? Unser Staat könnte sich daran ein Beispiel nehmen. Ich ermutige auch immer meine Nachbarn, dass sie ihre überflüssigen Dinge spenden. Ich werde das auch tun. Ich habe so viele Sachen, die habe ich noch nie genutzt, das möchte ich ihnen persönlich geben, dann erinnern sie sich an mich. Wenn sie eine eigene Wohnung haben, können sie das alles sicher gut gebrauchen. Guben, weiblich, Jahrgang 1939

----Ich habe eigentlich keinen Kon­ takt zu Ausländern, weder beruf­ lich noch privat. Mit der Politik kenne ich mich nicht so gut aus. Welche Vorteile oder Nachteile das bringt, wenn Ausländer herkommen, das weiß ich nicht. Ich denke aber, dass es Vorteile bringt. Vielleicht werden dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen … Cottbus, männlich, Jahrgang 1986

Bullwinkel, Spremberg


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Ich bin offen, aber isoliere mich davon in der Nachbarschaft. Eine ältere Dame, Anfang 80, hat sich in der Sozialrechtsberatung beschwert, dass sie nach dem Krieg alles alleine aufbauen musste und jetzt wieder nicht genug Blutzuckerteststreifen bekomme. Angeblich sei kein Geld dafür da. Ist ja kein Wunder, denn wir verschenken alles in alle Welt und lassen auch jeden rein. Ich sagte, es sei ein hausgemachtes Problem. Die humanitäre Entwicklungshilfe ist aber eigentlich sehr gering. Wir investieren in Rüstung. Die Flüchtlinge kommen aus den Gebieten, in denen mit Waffen aus Deutschland Krieg geführt wird.

Wir wohnen in Berlin und, ganz ehrlich, kennen tun wir kei­ nen von den Flüchtlingen. Wenn sie unsere Nachbarn werden würden, wäre es besser, dann wäre es nicht diese geballte Konzen­ tration. Was uns aufgefallen ist, als diese Finanzkrise losging, da waren plötzlich viele Leute aus Spanien bei uns in Berlin. Was ich nicht gut fände, wenn so ein Brennpunkt wie bei uns in Berlin Marzahn genommen werden würde, außerhalb, dann wäre es genauso eine Ausgrenzung wie im Asylantenheim. Das ist keine Integration. Das vereinzelte Wohnen kann einer Integration aber auch im Wege stehen. Und dann ist da noch die Sprachbarriere.

Cottbus, weiblich, Jahrgang 1949

Forst, weiblich, Jahrgang 1965

----Ich habe bisher noch keine Kon­ takte zu Flüchtlingen. Bin diesem Thema gegenüber aber sehr offen. Ich bin froh, nicht selbst aus meiner Heimat flüchten zu müssen.

----Ihr seid nur zu Gast, aber be­ nehmt euch als wenn ihr hier schon immer wohnt … Wie solche „Big Bosse“. Ihr klaut und seid scheiße! Ratet mal, warum die meisten wollen, dass ihr in euer Land zurückgeht?

Cottbus, männlich, Jahrgang 1991

Forst, drei Jungs, Jahrgang 2000


Ich bin seit 25 Jahren mit einer Tschechin verheiratet, sie wollte nach Deutschland ziehen. Uns hat keiner bei der Integration geholfen oder uns finanziell dabei unterstützt. Diese Flüchtlinge, die will doch hier keiner haben, die meisten nicht. Sie sind nicht mal rechts, das denken nur die Politiker. Dabei müssen die Leute doch alle irgendwo hin, sind doch zum Teil echt arme Schweine. Ich würde auch irgendwo hin wollen, wenn in Deutschland Bürgerkrieg wäre. Kriegsflüchtlinge können gerne kommen, aber dass sie dann hier bleiben, das sehe ich auch nicht ein. Deutschland hat doch auch so genug Probleme. Cottbus, männlich, Jahrgang 1963

Über fünf bis sechs Jahre wurden die Neubauviertel abgerissen, die letzten voriges Jahr. Leute, die wieder in die Heimat hier wollen, müssen Grundstücke erwerben und hier neu bauen, weil soviel abge­ rissen wurde. Es herrscht ein anderes Toleranzverständnis hier. Bei uns saß kein Ausländer auf der Schulbank. Wenn man miteinander aufwächst wie Hund und Katze, dann funktioniert das. Aber man kann dem älteren Hund nie eine Katze unterjubeln. Bei unserer heranwachsenden Generation, unseren Kindern, da ist es anders. Wenn sie in die Nachbarschaft ziehen und sich anpassen, ist es o.k. Meine Oma war auch in Kriegszeiten ausgewandert und zurückgekommen. Flüchtlinge sind eine kurze Zeit mal woanders und gehen dann wieder zurück. Auch wenn ich da keine Familie und nix habe. Die müssen doch zurück. Die Frauen, die den Krieg überlebt haben, haben doch auch wieder mit aufgebaut. Man muss doch sein Land wieder mit aufbauen! Spremberg, männlich, Jahrgang 1965

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Petra, Forst  _  Jana, Charlotte & Leonard, Sachsendorf

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Guben – Gubin 2


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In meinem Bekanntenkreis ist kei­ ner, der unzufrieden wäre über die Ankunft der Flüchtlinge. Zum neuen Heim habe ich keinen Kontakt, aber ob schwarz oder weiss, das ist für mich kein Unterschied. Ich arbeitete bis zur Rente im Asylbewerberheim. Ich kenne noch die Leute, die damals im Heim gewohnt haben. Der eine ist in Berlin und arbeitet da, der Dönerbudenbesitzer hier, den kenne ich auch. Wenn wir uns treffen, reden sie mich mit Opa an, wir sind Freunde geblieben und das ist mir sehr genehm. 1992 kamen die ersten. Da hatte ich 23 Kinder. Ich war deren Opa. Das ist ein herrliches Gefühl. Sie waren gut beschützt, behütet und umsorgt. Die Verrückten da, die paar Hanseln aus der rechten Szene, das hat uns nicht gerührt. Ich habe 1600 Leute in den Jahren kennengelernt. Sie kamen und gingen. Transfer, Abschiebung. Manche konnten sich nach drei Monaten schon sehr gut verständigen. Ich habe ihnen geholfen, habe Bögen mit Bildern und den deutschen Bezeichnungen an die Zimmertüren gehängt und ihnen gesagt, wenn sie was von mir wollen, müssen sie es auf Deutsch versuchen.

Offen und lernfähig waren sie und sie haben Gesicht gezeigt. Sie haben mitgeholfen, sie durften ja gemeinnützige Arbeit leisten, für 1 DM die Stunde. Wie es heute ist, das kann ich nicht einschätzen, aber die, die ich von damals treffe, die haben keine Probleme mit der deutschen Sprache. Das damalige Heim steht jetzt leer. Das ist direkt im Zentrum und wäre ideal. Wenn unsere Stadtväter sich das mal durch den Kopf gehen lassen würden, könnte das wieder genutzt werden. Bausubstanzmäßig ist es in einem sehr guten Zustand. Es hat einen Nordtrakt und einen Südtrakt, da könnte man die Muslime hier und die anderen da unterbringen, jeder hätte seinen eigenen Küchen- und Duschtrakt. Das wäre doch ideal. Sogar die Medien sind noch angeschlossen. Klar, es müsste investiert werden: Man braucht 180 Betten, 180 Stühle, 90 Schränke. Das ist doch machbar. Steht seit sechs oder sieben Jahren leer. Hat ja damals keiner geahnt, wie sich die Welt entwickelt, dass sie schon wieder im Krieg ist. Guben, männlich, Jahrgang 1938


Man spricht von Häusern, die wir im Gaza-Streifen mit aufbauen sollen. Die Flüchtlinge, die Zuhause ein großes Haus hatten, haben hier plötzlich einen zugeteilten Wohnraum von 8 qm pro Flüchtling. Deutsche haben in Bedarfsgemeinschaften auf ca. 50 qm Anspruch. Bedarfsgemeinschaften sind bei uns das große Thema in Jobcentern. Die Schicht der Bevölkerung, die in sogenannten Bedarfsgemeinschaften lebt, fragt sich, warum mit EU-Mitteln dort große Häuser aufgebaut werden, wenn hier die sozialen Verhältnisse so angespannt sind? Sie fragen, wer tut jetzt - aus EU-Sicht oder aus staatlicher Sicht - etwas für uns? Dadurch wird es immer schwierig. Wenn ich so viel abzubezahlen hätte wie zum Beispiel die Franzosen in ihren Wohnsilos, dann hätten wir andere Probleme. Vor dieser Argu­ mentation hat auch die Politik Angst. Und zwischen den beiden wird die ganze Flüchtlingsthematik zer­rieben.

Diese Abgeschiedenheit in Schul­ heimen oder Ferienlagen finde ich nicht gut. Sie werden wie in Ghettos gehalten und haben keine Möglichkeit, sich zu integrieren. Hier werden Wohnungen abgerissen und Leute gegen ihren Willen umgesiedelt. Wenn man mit denen vernünftig kommunizieren würde, könnte man diesen Wohnraum den Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Da hat die Politik noch einiges zu tun, sich den vorhandenen Ängsten anzunehmen. Cottbus, männlich, Jahrgang 1949

----Die Ausländer sind nicht schlecht. Sie sind so wie wir, nur eine andere Hautfarbe. Manche Leute sind sogar mit Ausländern zusammen. Ja, sowas gibt es! Forst, weiblich, Jahrgang 2003

Cottbus, männlich, Jahrgang 1953

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Laura & Shirin, Sachsendorf  _  Pfarrer Christoph, Forst



Festzelt, Sachsendorf


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So ein Raum hilft und motiviert junge Leute dazu, dass das Ge­ hirn mehr über ein interessantes Thema nachdenkt. Wir haben eine Redewendung in Afghanistan: Eine Stunde überlegen ist besser als jahrelanges Sitzen und Nichtsmachen. Ich habe eine lange Zeit meines Lebens als Flüchtling gelebt. Ich bin im Iran aufgewachsen. Meine Muttersprache war die gleiche wie die der iranischen Bürger und die iranische Kultur war der afghanischen Kultur ähnlich. Ich hatte viele iranische Freunde, mehr als afghanische! Ich ging zu ihnen nach Hause und sie kamen zu uns. Als ich ein Kind war und mit meiner Familie im Iran wohnte, fühlte ich keinen großen Unterschied. Aber als Jugendlicher sah ich eine Lücke zwischen afghanischen Flüchtlingen und iranischen Bürgern. Die Afghanen durften sich nur für unqualifizierte Arbeitsplätze bewerben! Ich sah auch, dass einige iranische Bürger rassistisch waren. Sie haben gedacht, dass die Afghanen alle Stellenangebote annehmen würden! Ich durfte nicht an der staatlichen Universität studieren. Die private Universität konnte ich nicht bezahlen,

weil sie sehr teuer war. Deshalb ist meine Familie nach Afghanistan repatriiert. Dort habe ich an der Universität studiert und viele Gelegenheiten gefunden und auch genutzt. Nach ein paar Jahren der Arbeit bei internatio­ nalen Organisationen war mein Leben gefährdet. Deshalb bin ich aus meinem Land geflohen. Seit 13 Monaten wohne ich in Deutschland im Asylheim. Im Heim wohnen viele Personen und die kommen aus verschiedenen Ländern. So kann ich verschiedene Kulturen kennenlernen. Diesmal habe ich mein Flüchtlingsleben als Erwachsener angefangen. Ich finde die deutsche Kultur interessant. Weil die deutschen Leute ein bisschen individuell sind, kann ich sie nicht gut verstehen und kennenlernen. Wenn ich über deutsche Geschichte höre oder lese, finde ich es sehr interessant, wie die Deutschen von Null nach dem Zweiten Weltkrieg angefangen haben. Die Mentalität ist sehr unterschiedlich, verglichen mit meinem Land. Mein Land war auch im Kampf und hat von Null angefangen, aber die sind nicht so organisiert wie die Deutschen. Ich möchte diese Mentalität auch lernen.


Deutschland wird in der nächsten Generation mehr ausländische Bewohner haben. Die deutsche Regierung investiert jetzt mehr in die deutsche Sprache. Ich bin mir nicht sicher, wie erfolgreich dieser Plan sein wird. Ich bin mir nicht sicher, wie die nächste Generation der Ausländer sich integrieren soll! Zuhause sprechen sie ihre Muttersprache und wenn sie zusammen wohnen, wird Integration langsamer laufen. Außerdem, wie ändert sich die deutsche Kultur für die nächste Generation? Wird sie der US-Kultur ähnlicher? Wie passt man sich der Kultur in Zukunft an? Diese Fragen machen vielleicht Angst und verunsichern die deutschen Bürger. Die Differenz zwischen Kulturen intensiviert die Situation. Ich finde, dass Ausländer, besonderes aus muslimischen Ländern, sich langsamer an die deutsche Umgebung anpassen. Das und noch vieles andere macht die Lücke zwischen deutschen Bürgern und Ausländern größer.

Uns allen gehört die Welt. Die Berührungsängste hemmen die Menschen dabei, aufeinander zuzu­ gehen. Schon wenn ich die Sprache nicht kenne, ist es fremd. Wir müssen den Menschen entgegengehen. Keiner denkt daran, dass es einem ja auch mal so gehen könnte, sich eine neue Bleibe suchen zu müssen. Als die Deutschen aus ehemals Polen kamen, haben Bauern gesagt: Nee, mit denen wollen wir nichts zu tun haben … Du brauchst Dich nicht mit denen abgeben, das sind Flüchtlinge … Dabei waren es auch Deutsche. Das ist in den Menschen drin. Die Einzigen, die es verstanden haben, waren die Kinder. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1965

Forst, männlich, Jahrgang 1984

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Valentina, Guben  _  Zwei Schwestern, Guben

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Sogar Günther Grass hat gerade erst im Radio vorgeschlagen, dass man privat die Menschen aufneh­ men sollte. Er wollte uns mahnen und hat den Gedanken ins Spiel gebracht, damit wir uns damit auseinandersetzten. Die Verteilung in Wohnungen mit Familien wäre besser, nicht diese Gemeinschaftsunterkünfte in den Heimen. Früher war das ja auch so, dass die, die ein Zimmer frei hatten, jemanden aufgenommen haben. Ich habe da auch schon drüber nachgedacht, aber man weiß ja nicht, wen man sich da ins Haus holt. Man kann da auch ganz schlimme Erfahrungen machen, ich bin lieber ein bisschen vorsichtig. Es ist ja auch nicht so klar mit der Toleranz, das heißt ja auch dulden und aushalten, nicht nur annehmen … Es kann aber auch schön sein, es ist ja nicht nur immer Stress mit Gästen. Spremberg, weiblich, Jahrgang 1952 und 1977

Ich habe soweit gute Erfahrung mit Asylanten gemacht. Dadurch, dass wir in der Kirchengemeinde einen Asylanten aus dem Heim dabei haben und er jetzt sogar bei unserem diesjährigen Krippenspiel dabei ist. Es ist interessant, seine Geschichte zu hören, wie er nach Deutschland gekommen ist. Er ist ein Kriegsflüchtling aus dem Sudan. Er kam mit dem Boot bis nach Italien, wo ihn ein Frachter fand und einschleuste. Von da an blieb er in Deutschland. Früher kämpfte er für mehr Recht in seiner Stadt für die Arbeiter und gegen die Aufständigen. Dann musste er anderthalb Jahre in die Dunkelzelle und flüchtete sofort, als er raus kam. Er macht jetzt einen Deutschkurs in der Nähe und versucht, sein Leben ohne seine Familie weiterzuführen. Seitdem ich seine Geschichte gehört habe, hat sich meine Meinung zu Asylanten in Deutschland geändert. Klar, es gibt Ausnahmen, weil viele genauso wenig freundlich sind wie wir Deutschen. Aber es gibt einige, die ganz schön was durchgemacht haben. Forst, weiblich, Jahrgang 1998 Wohnblock, Sachsendorf


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Sonja, Cottbus  _  Linda & Jule, Cottbus

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Als Nachbarn wären sie mir lie­ ber, als wenn sie in irgend­ welche Wohnheime oder Asylbewerber­ heime und so abgeschoben werden. Sonst haben sie ja keinen Kontakt und bleiben unter sich. Wenn ich gezwungen bin, in Kontakt zu treten, dann geht das auch einfacher. Hier ist ein großer Leerstand an Wohnungen, da würde es sich anbieten. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1964

----Auf Dauer kann das ja nicht sein, dass die Hälfte der Welt perma­ nent auf der Flucht ist. Klimaerwärmung, Verarmung … alles hängt damit zusammen. Es gibt viele Berührungsängste, aus Sicherheitsgründen. Mancherorts werden Böller als Signal und Angstmache eingesetzt. Da bekommen die Einwohner Angst vor fremdenfeind­ lichen Übergriffen. Wo setzt man da an? Man weiß nicht, welches Ausmaß es annimmt, man weiß nicht, wo man anfangen kann und wo es endet. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1956

Ich finde, es ist in Ordnung, was die bei den Montagsdemos fordern. Die da oben sollen doch endlich begreifen, wie es der Basis geht. Klar, man muss sich um die Ausländer kümmern, aber darf darüber nicht die eigenen Leute vergessen. Ich werde die Flüchtlinge besuchen gehen, sind ja meine Nachbarn. Ich habe auch schon welche kennengelernt. Als sie ankamen, haben sie mich nach dem Weg zum Heim gefragt. Sie hatten nur einen Zettel auf dem stand, wo sie hin müssen und ihr ganzes Gepäck. Ich habe ihnen gesagt, wo sie lang müssen. Dann sind sie losgezuckelt, das Laufen, das sind sie ja gewohnt. Wenn ich ins Tierheim gehe, werde ich auch im Flüchtlingsheim vorbeischauen. Vielleicht hat ja jemand Lust, mit mir die Hunde auszuführen. Damit wäre Menschen und Tieren geholfen. Guben, männlich, Jahrgang 1959


Viele Asylbewerber bei mir im Heim wollen kein Deutsch lernen. Sie sind enttäuscht, weil sie so lange darauf warten mussten. Auch die Angst vor Abschiebung ist groß. Jetzt haben wir, Gott sei Dank, endlich Internet. Ich lerne jeden Tag ein bisschen Deutsch im Internet. Hier im Heim schlafen die Menschen viel, oft bis mittags. Forst, männlich, Jahrgang 1979

----In meiner Familie leben Deutsche, Italiener, Araber und Russen fröhlich miteinander. Ich habe den Traum, dass dies auch stadtweit, landesweit, weltweit immer besser funktioniert. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1959

----Die meisten Ausländer sind doof und sie arbeiten nicht und sie klauen Sachen und sind aggressiv. Sie haben kaum Freunde, weil sie aggressiv sind und allen eine reinhauen wollen. Ich für meinen Teil kann sie nicht leiden und gehe ihnen aus dem Weg.

Ich bin so froh, dass jetzt so viele ausländische Studenten hier in Cottbus sind und das Stadtbild bunter wird. Ich bin Berlinerin und in Berlin ist das Thema Flüchtlinge gerade sehr brisant. Die Flüchtlinge aus der Grundschule in Kreuzberg können jederzeit geräumt werden … In Cottbus studiere ich seit einem Jahr. Hier bin ich mit Flüchtlingen noch nicht so sehr in Berührung gekommen. Ich möchte bzw. ich wünsche mir, dass jeder Mensch dort leben kann, wo er/sie das gerade möchte. Vor allem, wenn er oder sie aufgrund einer politischen Anschauung verfolgt wird. Ich würde mir für Deutschland wünschen, dass eine stärkere Willkommenskultur für Menschen von woanders etabliert wird. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1984

Forst, männlich, Jahrgang 2000

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Darko & Kristina, Cottbus­

_  Kathleen, Cottbus




Marktplatz, Forst

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Ich bin aus Kasachstan, ich bin vor 14 Jahren hergekommen, weil meiner Tochter krank war. Bei uns konnte man ihr nicht helfen, aber hier in Deutschland. Jetzt ist sie gesund und studiert in Potsdam. Ich finde, dass wir die, die vor dem Krieg flüchten, aufnehmen müssen. Ich habe dafür großes Verständnis. Als ich kam, wurde ich sehr gut aufgenommen, es gab keine Probleme. Guben, weiblich, Jahrgang 1966

Die, die meckern, sind in Forst wenige, aber sie sind so laut, sie werden erhört. Die, die beratungsresistent sind, geben ihren Senf überall dazu und sind deshalb so präsent. Die, die was machen für die Integration, für ein gutes Auskommen miteinander, machen das im Stillen. Sie machen das, weil sie das so wollen und gut. Sie werden aber nicht wahrgenommen. Das ist schade und das sollte sich ändern. Forst, weiblich, Jahrgang 1967

----Manch Deutscher hat kaum was zu essen und dann holen sie noch die Flüchtlinge her. Das finde ich nicht in Ordnung. Sind auch nur Menschen, aber trotzdem. Gegen die Menschen selbst habe ich nichts, die Finanzierung ist das Problem. In meinem Haus wohnen einige Ausländer, die sind ganz nett. Jeder hat eine andere Meinung, aber ich persönlich finde es nicht in Ordnung. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1964

----Im Zusammenhang mit Flüchtlin­ gen ist der Paragraph 23 wichtig. Der regelt den Aufenthalt der Flüchtlinge bzw. können sich die Flüchtlinge sich auf ihn berufen. Die Kommunikation zwischen Flüchtlingen und der „normalen“ deutschen Bevölkerung hängt viel von den Sprachkenntnissen des Einzelnen ab. In Brandenburg ist es ja eher unüblich, der englischen Sprache mächtig zu sein. Aber viele Flüchtlinge sprechen auch kein Englisch … Cottbus, weiblich, Jahrgang 1984

Marktplatz, Spremberg


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Die Moslems (zwei unterschied­ liche Nationen: Afrikaner und Tschetschenen) sind sich in Forst untereinander angegangen. Das macht uns persönlich auch Angst. Man kann das von außen gar nicht nachvollziehen, dass es den Leuten aus Forst Angst macht. Da sind oft Drogen im Spiel. Durch die Drogen werden sie aggressiv. Dann gibt es wiederum die Familien, die tun einem nichts und sind ganz lieb, aber wenden sich von einem ab. Man hat das Gefühl, dass sie mit uns nichts zu tun haben wollen - so empfinden wir es. Wohnverbundsysteme wären gut, wenn es Probleme gibt. Dadurch, dass es eine andere Kultur ist, sind sie anders als wir. Familien wären in Ordnung, aber vor einzelnen Männern, gerade schwarze, haben wir Angst. Wenn ich am Heim vorbeiradele und mir wird hinterher gepfiffen, da bekomme ich Angst. Am Ende kapseln sich alle ab. Wenn man überlegt, was wir verdienen - wir verdienen schon nicht viel … Meine Gedanken gehen in alle Richtungen, manche kriegen zu wenig und dann gibt es die, die mit schicken Klamotten rumrennen. Das Haus sieht aus! Sie haben nicht mal eine Gardine,

die Kabel hängen nach außen. Sie sitzen mit ihren Handys am Zaun, damit sie Empfang haben. Ist schon schlimm. Wenn man sich wenigstens verständigen könnte … Viele sind durch ihre Religion in ihrer eigenen Welt. Man denkt, sie wollen die Sprache nicht lernen, dabei weiß man nicht, was sie durchgemacht haben. Sprache wäre schon ein Anfang, aber arbeiten dürfen sie ja auch nicht. Forst, weiblich, Jahrgang 1987 und 1989

----Am besten wäre es, wenn Familien kommen würden und die dann in Wohnungen untergebracht werden könnten. Wohnungen gibt es hier aber nicht, der ganze Leerstand wurde abgerissen. Man konnte ja nicht wissen, dass diese Situation entstehen würde. Arbeiten dürfen sie ja auch nicht. Und selbst wenn, Arbeitsplätze gibt es hier auch nicht. Früher gab es Tausende, jetzt ist in der ganzen Region nur noch ein großer Arbeit­geber da. Spremberg, weiblich, Jahrgang 1961


Für den neuen Spielplatz sollen 13.000 Euro ausgegeben werden. Nur für die Flüchtlingskinder, denn da traut sich dann kein anderes Kind hin. Die bewerfen Deutsche mit Kastanien. Ich würde meine Kinder da nicht spielen lassen. Gegen die Flüchtlinge habe ich nichts, aber dagegen, wie sie sich verhalten. Wenn sie in meiner Nachbarschaft wohnen würden, würde ich nett Fragen beantworten. Würde aber keine Anstalten machen, sie näher kennenlernen zu wollen. Ich habe kein direktes Interesse, sie näher kennenzulernen. Bei einer Freundin sind Ausländer ins Haus eingezogen. Sie meint, es wäre ein bisschen laut, aber passt schon.

Ich bin ein freiheitsliebender Mensch und wünsche allen Menschen dieser Welt die gleichen Rechte und Bedingungen für ein glück­ liches Leben. Wir sind in einer Zeit angekommen, in der wir Grenzen und Mauern öffnen sollten, damit wir alle vom „Kuchen“ - von Mutter Natur - essen können. Ich bin ein Bürger dieser Erde und habe kein Problem damit, mit Menschen anderer Herkunft zu leben. Anstelle von Vorurteilen möchte ich lieber dem Interesse an der Herkunft von Menschen den Raum geben. Cottbus, weiblich, Jahrgang 1981

Cottbus, weiblich, Jahrgang 1997 und 1996

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Wolfgang, Forst  _  Clara & Covadonga, Cottbus

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Wir haben sechs Flüchtlinge Heilig Abend zu uns eingeladen. Wir wollen Heilig Abend schön mit Gästen feiern, die sonst im Asylbewerberheim sitzen würden. Und wir sind auch nicht alleine. Unser Anliegen ist es, dass wir uns einsetzten, auch über die Flüchtlingshilfe, dass Leute möglichst unter Forstern in Wohnungen untergebracht werden. Man hört ihre Nöte und versucht zu helfen, auch mit Möbeln und Kleidung und allem, was sie so brauchen. Manche denken ja, ach, die Armen, aber sie sind ja nicht arm. Die Leute, die arm sind, kommen dort gar nicht raus, sie können es sich nicht leisten. Ich habe auch schon gehört, dass ein ganzes Dorf in Syrien zusammenlegt, damit eine Familie raus kann. Die Flüchtlinge sind mitunter sehr fleißige, gebildete, aufnahmefähige Leute und werden dazu verdammt, nichts zu machen. Es dauert einfach alles zu lange. Meine Freundin musste Jahr um Jahr warten, das Kind ist in Forst geboren, Zeit verging und endlich hatte sie einen solchen Pass, dass sie arbeiten durfte. Aber da war sie dann schon zu alt für eine Ausbildung. Ihre Urkunde

galt hier in Deutschland nicht. Die Montagsdemos erinnern mich an die dreißiger Jahre. Das fing unter Hitler genauso an, als den Menschen eingeredet wurde, die Juden seien an allem schuld. Auf die Straße zu gehen und gegen den Islam zu demonstrieren, das ist doch sinnlos. Die Leute sollten lieber sonntags in die Kirche gehen, da könnten sie was Gutes tun. Ich sehe eine Gefahr darin, für die eigenen wirtschaftlichen Probleme eine andere Religion zum Sündenbock zu machen. Alles Unbekannte befremdet, macht Angst oder verunsichert, macht aber auch neugierig. Meine Erfahrung: Wenn ich mich einlasse, gewinne ich. Nicht nur die Küche ist vielfältiger geworden. Mein Horizont ist weiter. Dennoch, ich wünsche mir eine Welt, in der niemand fliehen muss. Nicht, weil andere reicher sind. Nicht, weil andere sicherer leben. Wo wir einander als Freunde besuchen, als Touristen. Forst, weiblich, Jahrgang 1948


Es heißt immer, alle haben sich lieb, bloß davon kriegt man auf der Welt nichts mit, besonders dadurch, dass Krieg ohne Ende herrscht. Wenn in den Medien kommt: Laden wurde ausgeraubt, heißt es gleich wieder, das war ein Pole oder irgendein Ausländer … Dadurch, dass so viele Ausländer zu uns kommen, denkt man irgendwann vielleicht über eine Namensänderung unseres Landes nach, da dann mehr Ausländer hier leben als Deutsche … Es ist grausam. Meine Meinung zu Immi­ gration: Ich finde es nicht so toll, dass man kaum Arbeit findet, da viele Ausländer die Arbeit der Deutschen kriegen … Wenn ich mal so in der Stadt zuhöre, dann kriege ich mit, dass auch die Ausländer uns beleidigen und ihre Witze machen. Ich finde es schon blöd, dass einige Deutsche Witze machen wie: Du Pole. Die Ausländer werden auch ihre Witze machen und sagen: Du Deutscher. Es ist einfach nur schlimm. Würden wir sie gut behandeln, würden sie uns gut behandeln. Aber, wenn Kinder ihre Meinung in der Politik sagen wollen oder Jugendliche, dann wird nicht zugehört und man wird ausgelacht. Politiker, also

jetzt die deutschen, die reden in der Öffentlichkeit nie schlecht über die Ausländer, aber in echt regen sie sich auch nur auf … Es kotzt mich einfach wirklich nur an, dass wir diskriminieren und die Ausländer auch. So gesehen, machen wir alle das Gleiche und merken es nicht. Würde man miteinander über seine Probleme reden, dann wäre nicht so viel Krieg und Ausländer und Deutsche würden sich verstehen. Es würde hier alles besser sein und keine Asylbewerberheime mehr stehen, sondern mehr Häuser, wo alle miteinander leben und sich für immer vertragen. Wenn man Jugendliche fragt, kommt oft die Aussage: „scheiß Ausländer“, aber ich finde, das ist eine blöde Aussage. Ich bin gerade mal 16 Jahre alt, habe aber mit 5 Jahren schon Zuhause schlechte Meinungen zu Ausländern gehört. Was ich ganz schön gemein fand. Weil die Ausländer nie sagen konnten, was sie wollten. Als Fazit sage ich, Ausländer sind zwar fies zu uns, aber nur weil wir fies zu ihnen sind. Forst, männlich, Jahrgang 1998

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Jeder, der Schutz sucht, sollte Schutz bekommen. Wenn Leute wegen Krieg, Verfolgung oder Ermordung flüchten, dann sollten wir sie aufnehmen, ohne zu diskutieren, ohne zu fragen. Das ist in meinen Augen selbstverständlich. Wenn wir Krieg hätten, würden wir uns auch freuen, wenn man uns irgendwo aufnimmt. Ich habe schon Flüchtlinge an der Bushaltestelle gesehen, aber das sind so unauffällige Leute, mir fällt überhaupt nichts Negatives ein. Wenn man das mal mit Berlin vergleicht, wie viele Ausländer da leben, dagegen ist das hier gar nichts. Das wird alles in den Medien überbewertet. Zu meiner Schulzeit, da gab es hier eher eine rechte Gesinnung, aber das hat sich, meiner Meinung nach, geändert. Ich habe die letzten zehn Jahre im Rheinland verbracht, vielleicht bin ich etwas welt­ offener dadurch.

Love, Peace and Harmony … und das rund um die Welt. Das ist ein Traum von vielen Menschen, nur leider scheint er nie in Erfüllung zu gehen. Warum ist das so schwer? Wir sind doch alle Menschen, in uns allen schläft ein Herz, aber manche Menschen scheinen es nicht wirklich zu nutzen. Warum soll man Menschen, die es nicht so leicht haben wie wir, keine Heimat geben? Etwas zu geben kann so ein schönes Gefühl sein! Wenn alle zusammenhalten, können wir die Welt ein kleines Stück besser machen. Lebt lang und vor allem in Frieden! Cottbus, weiblich, Jahrgang 1997

Guben, männlich, Jahrgang 1978

Gutenberg Oberschule, Forst


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An der Stadthalle, Cottbus


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Am Bahnhof, Forst



© 2015 Kathrin Ollroge Fotografie, Potsdam Projektträger: Potsdamer Kunstgenossen e. V. Konzept/Fotografie: Kathrin Ollroge Assistenz: Vanessa Birkner, Vladimir Dimitrov, Marina Yakimets Design Raumkörper/Technik: Peer Ollroge Textgestaltung/Lektorat: WennText, Eszter Molnár, Potsdam Einleitungstext: Lydia Schimpf Gestaltung/Layout/Satz: HELLOGRAPH, Potsdam Bildbearbeitung: Göran Gnaudschun Druck/Herstellung: Christian & Cornelius Rüss GbR, Potsdam www.raum-fuer-gedanken.com VIELEN DANK! dem gesamten Produktionsteam sowie allen Förderern und Unterstützern, den Stadtverwaltungen im Landkreis Spree-Neiße & Cottbus, dem Team der Fabrik Potsdam, Kathleen Hubrich & Soziale Stadt Forst e. V., Gutenberg Oberschule Forst, Ahmad, Familie Ebert, Dominique Raack, Film Festival Cottbus, Raymond und Michael Utech, Barbara Thieme, Nadja Hess, Marco Mundt, dem Hans-Otto-Theater & Stadt für eine Nacht sowie Cally Stronk, Kristel Bergmann, Jule Kracht & Farida Heuck. Dank auch meiner Familie und insbesondere allen Menschen, die sich durch Wort und Bild in das Projekt eingebracht haben!

Das Projekt „Raum für Gedanken in Cottbus und dem Landkreis Spree-Neiße“ wurde gefördert von: Brandenburgische Landeszentrale für Politische Bildung & Lokaler Aktionsplan Aktionsplan Cottbus und Spree-Neiße aus dem Bundesprogramm TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN



Anhand von Texten und Fotografien werden die Herausforderungen des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion im Land Brandenburg thematisiert.

www.raum-fuer-gedanken.com


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