VERTRIEBSMANAGER 01|14

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Titel

Für Dirk Kreuter, einen der bekanntesten Vertriebstrainer des Landes, ist ein guter Verkäufer offenbar so etwas wie ein Rennpferd. Von Natur aus begabt, top motiviert und stets heiß auf den Wettkampf. Immer wieder, so berichtete Kreuter kürzlich in seinem E-Mail-Newsletter, werde er von Unternehmen aber gebeten, aus mittelmäßigen Vertrieblern Top-Verkäufer zu formen. „Doch wenn Sie uns einen Esel schicken“, ätzte Kreuter gewohnt pointiert, „dann bekommen Sie von uns einen trainierten Esel zurück, auch wenn Sie jetzt ein Rennpferd erwartet haben.“ Doch so ist das in der neuen Welt des Vertriebs. Glaubt man Experten wie Christopher Funk, der sich mit seiner Personalberatung Xenagos auf das Headhunting für Vertriebspositionen spezialisiert hat, dann geht es bald tatsächlich öfter genau darum: Esel soweit zu bringen, dass sie mit Pferden mithalten. „Das Schlagwort heißt: System schlägt Talent“, sagt Funk. „Moderne Vertriebsorganisationen erzeugen eine Struktur, die auch durchschnittliche Verkäufer zum Erfolg führt.“ Klar: Es geht beim Verkaufen immer noch um Einwandbehandlung, Bedarfsermittlung und Abschlusstechniken, sagt Funk. „Sonst kriegen Sie auch mit dem besten CRM-System keinen Termin.“ Natürlich stirbt der klassische Hunter nicht völlig aus, 36

Bitte akademischer! Doch der oft für sein vermeintliches Drückertum verunglimpfte Vertrieb professionalisiert sich. Frank Reuter, Leiter des Studiengangs „Beratung und Vertriebsmanagement“ an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim, weiß: Das gilt vor allem für die Führungskräfte im Verkauf. Vertriebsmanager müssten die richtigen Mitarbeiter für die neue Vertriebswelt finden, einarbeiten und motivieren, sagt Reuter. Sie müssten dafür sorgen, Verkäufer von Routinetätigkeiten zu entlasten, müssten komplexe Multichannel-Systeme steuern, gleichzeitig hohe soziale Kompetenz mitbringen. Reuter findet, dass auch Vertriebsmanager in jedem Fall Akademiker sein sollten, geschult in Führungstechniken und Controlling. „Management-Kompetenzen sind erlernbar“, ist er überzeugt. Der Vertriebstrainer Andreas Buhr, Autor des Buchs „Vertrieb geht heute anders“, glaubt ebenfalls, dass sich durch die vielfältigen Umbrüche im Vertrieb die Anforderungen an Führungskräfte ändern. „Vertrieb ist People-Business – das war so, und das ist auch heute noch so“, sagt Buhr. Kunden

„Stars und Solokünstler sind nicht mehr das Maß aller Dinge. Verkäufer arbeiten in Teams. Das Wissen wird unabhängig vom Menschen, weil es schneller wächst, als ein Einzelner verkraften kann.“

sind aber besser informiert, und Verkäufer müssen ganz andere Antworten geben. Die Bedeutung des Innendienstes steigt, der über alle Kanäle hinweg zum Kundenrechercheur wird und eben nicht mehr nur auf die Webseite potenzieller Kunden schaut und eine Schufa-Auskunft einholt. „Da ist tatsächlich eine Spezialisierung gefragt“, sagt Buhr. „Wichtig ist ein funktionierendes CRM-System mit aktuellen Informationen, mobil und auf den Punkt.“ Da Vertrieb und Marketing immer mehr miteinander verschmelzen, müsse der Außendienst auch diese Gebiete besser verstehen und beherrschen: „Vor allem benötigt der Vertrieb zunehmend mehr soziale Kompetenzen.“ Ein modernes Vertriebsteam zu formen und zu steuern ist die große Herausforderung für heutige Vertriebsmanager. Zum Beispiel beim Thema Incentivierung. Statt ehrgeizige Einzelkämpfer zu belohnen, müssten Vertriebsmanager heute die Vertrauenskultur in den Vertriebsteams stärken, sagt Trainer Buhr. „Da gibt es viele Maßnahmen – Ansätze wie Outdoor-Trainings etwa funktionieren gut.“ Entscheidend dabei: „Jeder im Team bringt bestimmte Kompetenzen ein, jeder muss sich auf den anderen verlassen können“, sagt Buhr. „Wie in einer Fußballmannschaft.“ Da gewinnt schließlich auch das beste Team und nicht die beste Gruppe von www. ve rtr ie b sma n age r. d e

Fotos: MR1805/iStock/Thinkstock; Privat

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der ohne Unterstützung beim Kunden Abschlüsse macht. Doch Stars und Solokünstler sind nicht mehr das Maß aller Dinge. Im Gegenteil: anspruchsvollere Kunden und Multichannel-Systeme zwingen Verkäufer in Teams, in denen Spezialisten sich die verschiedenen Schritte des Sales-Cycle aufteilen. Und dafür braucht es – bildlich gesprochen – gut trainierte Esel, die genau wissen, was zu tun ist. Und nicht unbedingt schwer kontrollierbare, eigenwillige Rennpferde. „Das Wissen wird unabhängig vom Menschen, weil es schneller wächst, als ein Einzelner verkraften kann“, formuliert es Peter Winkelmann, Professor für Marktorientierte Unternehmensführung und Vertriebsexperte an der Hochschule Landshut. Im Vertrieb seien heute international orientierte Allrounder gefragt, die gut mit CRM-Systemen umgehen können und möglichst auch eine akademische, sprich konzeptionelle Ausbildung mitbringen. Schon rund 20 Prozent der deutschen Vertriebler, so Winkelmann, seien Akademiker, der Frauenanteil steige. Diese Fakten seien dem Nachwuchs an den BWL-Fakultäten der Republik bisher noch kaum bewusst, genauso wenig wüssten angehende Betriebswirte, wie Vertrieb heutzutage eigentlich funktioniert.


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