HRM Kommunikation

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ersonalchef Andreas Grieger kann gar nicht mehr genau sagen, wann der Maschinenbauer Weidmüller aus dem westfälischen Detmold Englisch als Firmensprache eingeführt hat. „Das ist ein Prozess über viele Jahre hinweg gewesen und nicht ein Beschluss zu einem fixen Datum“, sagt Grieger. So viel steht fest: Ausgangspunkt der Entwicklung war die voranschreitende Internationalisierung des Geschäfts über das deutschsprachige Ausland hinaus vor mehr als zwanzig Jahren. Seitdem verkauft und produziert der Maschinenbauer zunehmend im Ausland; globale Produktionsketten sind heute Alltag bei Weidmüller. Ein großer Teil der Belegschaft arbeitet entsprechend regelmäßig mit Kollegen und Kunden im fremdsprachlichen Ausland zusammen, Tendenz steigend. Zwar arbeitet derzeit noch etwas mehr als die Hälfte der 4.800 Mitarbeiter in Deutschland, doch das Geschäft im Ausland und auch die dort arbeitende Belegschaft wachsen schnell. „Diese Entwicklung hält weiter an, in Bezug aufs Geschäft ebenso wie hinsichtlich der Firmensprache“, sagt Grieger.

Von oben verordnet Damit macht der Maschinenbauer einen entscheidenden Punkt richtig: Die zunehmende Verwendung der englischen Sprache im Unternehmen erfolgt schrittweise, so dass die Mitarbeiter die Chance haben, sich langsam daran zu gewöhnen. Das ist längst nicht der Regelfall: „Ich erlebe immer wieder, dass Unternehmen Englisch als Firmensprache per Beschluss von oben verordnen“, sagt Claudia Schmidt, Change-Expertin bei der Unternehmensberatung Mutaree. Das Ziel dahinter ist klar: Eine unternehmensweit einheitliche Sprache soll die internationale Kommunikation vereinfachen und beschleunigen, Geld und Zeit für Übersetzungen und Dolmetscher sparen. Und das lieber heute als morgen. Denn mit der zunehmenden Globalisierung des Geschäfts und der Arbeitswelt wächst der Druck in Unternehmen, über Länder- und Sprachgrenzen hinweg effizient zu kommunizieren. Bestimmte Informationen bekommen o k tober / novem b er 2018

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Mitarbeiter dann nur noch in Englisch, Dolmetscher in Konferenzen werden gestrichen. „Langfristig hat eine gemeinsam beherrschte Sprache einen sehr positiven Einfluss auf die Zusammenarbeit. Das Topmanagement unterschätzt allerdings in vielen Fällen, wie schwer sich viele Mitarbeiter damit tun, Englisch zu sprechen“, sagt Schmidt. Führungskräfte, die selbst gut und tagtäglich Englisch sprechen oder zumindest so gut, dass sie sich damit jederzeit zu kommunizieren trauen, bekämen von solchen Sorgen häufig gar nichts mit oder nähmen sie nicht ernst.

Sprachkurse genügen nicht Denn ein entsprechender Beschluss ist schnell gefasst und verkündet, allein die Befähigung, ihn umzusetzen, fehlt häufig. Viele Unternehmen investieren zwar regelmäßig in Sprachkurse, um Mitarbeiter mit Englisch-Defiziten zu unterstützen und ihre Fremdsprachenkenntnisse auf Vordermann zu bringen. Allein damit ist es allerdings nicht getan. „Solche Kurse lösen nur einen Teil des Problems“, beobachtet Beraterin Schmidt. „Das Englischsprechen in Routine zu überführen, ist die eigentliche Herausforderung. Dazu braucht es regelmäßige Anlässe zum Anwenden der Fremdsprache, die Unternehmen bewusst schaffen müssen.“ Denn gerade Arbeitnehmer mit geringen Kenntnissen brauchen die Sprache in ihrem persönlichen Unternehmensalltag meist nur sporadisch. Daran ändert auch das Ändern der Firmensprache erst einmal wenig – die Kollegen auf Sachbearbeiterebene werden in ihren Abteilungen vor Ort weiterhin Deutsch oder in den Auslandstöchtern vor Ort die jeweilige Landessprache sprechen. Deshalb ist das praktische Üben wichtig, und zwar in einem überschaubaren und vertrauten Rahmen. Mitarbeiter können zum Beispiel in einem partnerschaftlich arbeitenden Team üben, wie man einfache Sachverhalte in Englisch bespricht. Wenn man im Gespräch locker zwischen Deutsch und Englisch hin und her springen kann und Fehler akzeptiert werden, trauen sich Mitarbeiter, ihre noch vorhandenen Schwächen offen zu zeigen. „Wenn Kollegen partnerschaftlich miteinander umgehen, gelingt die Umstellung besser als in einem wettbewerbs- und machtorientieren Umfeld“, sagt Schmidt.

Sinkende Mitarbeiterbindung Schafft es ein Unternehmen nicht, Mitarbeiter auf diese Weise nach und nach ans Englische zu gewöhnen, drohen Probleme: Versagensangst macht sich breit im Hinblick auf 23


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